Märchenhaft

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Die IT-Spezialistin Cynthia Reynolds tanzt einen Abend lang mit Traummann Max, und ihre arroganten Schulfreundinnen machen große Augen. Genau so war es gedacht! Aber dieses Märchen fühlt sich einfach zu gut an … Max‘ Küsse sind unwiderstehlich! Was kann Cynthia tun, damit nicht um Mitternacht alles endet?


  • Erscheinungstag 15.01.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733775858
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Max Taylor schaute seine Assistentin misstrauisch an. „Heraus mit der Sprache! Was haben Sie auf dem Herzen?“

„Gar nichts.“

Lisa sah wie der reinste Engel aus. Sie war einsfünfundsiebzig groß, schlank und schön. Ihr langes blondes Haar trug sie modisch gestylt.

Max ließ sich jedoch von Lisas äußerer Erscheinung nicht täuschen. Er wusste genau, dass sie keine Modepuppe im Designerkleidchen war. Sie hatte ein erstaunliches Organisationstalent und setzte sich auch bei den schwierigsten Mitmenschen durch. Immer wenn Max dieses gewisse Lächeln bei ihr entdeckte, wusste er, dass sie wieder etwas ausheckte.

„Sie haben mir heute früh gleich meinen Lieblingskaffee gebracht.“

„Das ist doch selbstverständlich.“

„Aber nicht diese Schokoladenplätzchen. Das waren richtig Gute.“

„Ich finde, Sie haben es verdient, ein bisschen verwöhnt zu werden.“

Bei Max läuteten die Alarmglocken. Wollte Lisa sich etwa auf charmante Art und Weise von ihm verabschieden? Er ließ sich jedoch nichts anmerken und bemühte sich, besonders heiter zu klingen. „Erzählen Sie mir bloß nicht, dass man Ihnen und Ihrem Verlobten einen Filmvertrag angeboten hat und Sie zusammen nach Hollywood gehen.“

Lisa lachte. „Nein, bestimmt nicht. Joe hat noch ein längeres Engagement in England. Und wenn ich selbst wieder spielen wollte, dann lieber im Theater. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, macht es einfach mehr Spaß. Schon allein, weil man sein Publikum vor sich sieht.“

Max nickte. „Oder haben Sie einen so verlockenden Traumjob angeboten bekommen, dass Sie nicht widerstehen können und sofort kündigen möchten?“

„Ich habe doch schon einen Traumjob.“ Sie klimperte mit ihren langen Wimpern und warf ihm ein Küsschen zu. „Und einen Traumchef.“

„Jetzt werde ich aber unruhig. Normalerweise schimpfen Sie doch morgens immer fürchterlich mit mir, weil ich wieder etwas falsch einsortiert habe oder unordentlich war. Nur heute sind Sie die Liebenswürdigkeit in Person.“

„Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen, ich bleibe an Ihrer Seite“, versicherte Lisa ihrem Chef. „Aber ich weiß, dass Sie nicht hinter Ihrem Schreibtisch hervorkommen, ehe Sie die Pläne fertiggezeichnet haben. Also habe ich Ihnen etwas zum Lunch mitgebracht: Bagel mit Räucherlachs und zum Nachtisch frische Erdbeeren.“

Das mochte Max wirklich gern. Im März waren Erdbeeren jedoch noch unverschämt teuer. Lisa musste irgendetwas damit bezwecken. „Jetzt sagen Sie schon, was los ist, oder muss ich Ihnen mit langweiligen Arbeiten drohen?“

„Also gut.“ Sie streckte die Hände aus und schaute Max mit großen unschuldigen Augen an. „Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.“

Er atmete erleichtert auf. Hauptsache, er würde die beste Assistentin, die er jemals hatte, nicht verlieren. „Kann es sein, dass Sie wieder ein Paar Schuhe entdeckt haben, die Sie unbedingt haben müssen, und einen Vorschuss brauchen? Ja, ja, ich bin einverstanden.“

„Nein, so ist es diesmal nicht. Es handelt sich um etwas Persönliches.“

Jetzt war Max wirklich gespannt. Was meinte sie damit? Er mochte Lisa, mochte sie sogar sehr, hielt jedoch als Chef eine gewisse Distanz zu ihr. Außerdem war sie, soviel er wusste, mit einem Schauspieler verlobt. Joe verbrachte allerdings die meiste Zeit nicht in London, sondern irgendwo weit weg an irgendwelchen Drehplätzen. Max glaubte sich aber zu erinnern, dass die beiden wohl ihre Hochzeit planten.

Nein, sie konnte sich unmöglich für ihn als Mann interessieren. Sie musste auch längst gemerkt haben, dass er auf eine feste Beziehung keinen Wert legte. Nicht mehr, seit er sich von Gina getrennt hatte. Für ihn kam zuallererst sein Beruf. Er restaurierte alte verfallene Häuser und war schon mehrmals dafür ausgezeichnet worden. Für eine feste Freundin blieb dabei keine Zeit.

Falls Lisa sich von Joe getrennt haben sollte, würde Max auf keinen Fall als Lückenbüßer einspringen. Nein, Lisa schätzte er nur als tüchtige Mitarbeiterin, und so sollte es auch bleiben.

„Was meinen Sie mit ‚persönlich‘?“

„Ich habe eine Freundin, eine sehr gute Freundin. Sie muss auf eine schrecklich wichtige Hochzeit gehen und braucht einen Begleiter.“

„Was habe ich damit zu tun?“

„Eine ganze Menge.“ Max musste lachen, als er Lisas Gesicht sah. Sie war selbst über ihre Direktheit erschrocken. „Verdammt, eigentlich wollte ich besonders nett zu Ihnen sein und es Ihnen dann ganz schonend beibringen.“

„Hab doch gleich geahnt, dass Sie mich nicht umsonst so verwöhnen. Ich soll also Ihre Freundin auf eine Hochzeit begleiten.“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Das kommt überhaupt nicht infrage.“

„Es wäre ganz sicher nur für diesen einen Tag. Danach brauchen Sie sie niemals wiederzusehen.“

„Es ist wirklich nett von Ihnen, Lisa, dass Sie an mich gedacht haben, aber ich suche keine Frau.“ Max war vollkommen zufrieden, so, wie er lebte. Natürlich mochte er hübsche Frauen und Sex. Aber er wollte keine feste Bindung eingehen. Das machte er den Frauen, mit denen er ausging, auch von vornherein klar.

„Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will Sie nicht verkuppeln“, erklärte Lisa entrüstet. „Es wäre nur so eine Art Begleitservice. Diesen Gefallen könnten Sie mir als der besten Assistentin, die Sie jemals hatten, doch tun.“

Max zog die rechte Augenbraue hoch. „Sie verlangen also von mir, dass ich mit einer wildfremden Frau zu einer Hochzeitsfeier gehe?“

„Sie ist reizend.“

„Wenn sie so reizend ist, warum hat sie dann keinen Freund, der sie begleitet?“, konterte Max.

„Weil …“ Lisa stöhnte, verzweifelt. „Sehen Sie, sie ist wie Sie. Sie liebt ihren Beruf so sehr, dass sie für eine Beziehung keine Zeit hat.“

Was die Begeisterung für den Beruf anbetraf, so stimmte Max zu. Aber er lebte nicht wie ein Mönch, sondern ging schon mit Frauen aus. Allerdings niemals mehr als dreimal mit derselben. „Hat sie denn keine Bekannten, die sie um den Gefallen bitten könnte? Arbeitskollegen oder so?“

Lisa zuckte die Schultern. „Kaum, sie arbeitet im IT-Bereich. Außerdem kommen hochkarätige Leute auf diese Hochzeit. Meine Freundin braucht einen Mann, der etwas hermacht im Anzug, nicht so einen Typen, der wie ein von Mutti fein gemachter Schuljunge aussieht. Ich hätte ihr Joe ja für diesen einen Tag ausgeliehen, aber der kommt von seinen Dreharbeiten nicht weg. Im Übrigen sehen Sie im Anzug noch besser aus, Max.“

Lisa dachte offensichtlich an die Businessanzüge, die er bei Besprechungen und Meetings mit den Kunden trug. Auf den Baustellen bevorzugte er Jeans und Sicherheitshelm, denn Staub bekam seinen italienischen Designeranzügen gar nicht. „Tut mir leid, aber Sie können nicht auf mich zählen, Lisa.“

„Warum nicht? Sie wissen doch gar nicht, ob Sie nicht auch ein bisschen Spaß dabei hätten.“

„Wenn, dann nicht mehr als bei einem Besuch beim Zahnarzt“, gab Max zurück. „Nein, Hochzeiten sind wirklich nicht mein Ding.“

„Vergessen Sie eben, dass es eine Hochzeit ist, und tun Sie so, als würden Sie um einen neuen Kunden werben.“

Er verschränkte die Arme. „Ich habe es nicht nötig, um Kunden zu werben.“ Das stimmte tatsächlich. Seine beste berufliche Werbung war die Mundpropaganda seiner zufriedenen Kunden. Max Taylor galt als Geheimtipp, wenn jemand ein Haus restaurieren lassen wollte. Er hatte sogar schon eine Warteliste anlegen müssen.

„Okay, ich habe mich falsch ausgedrückt“, räumte Lisa ein. „Ich meinte, Sie könnten Ihren Charme spielen lassen, ein bisschen lächeln und Small Talk machen. Das liegt Ihnen doch.“

Max seufzte. „Liz, für so etwas habe ich wirklich keine Zeit. Sie wissen sehr gut, wie viel Arbeit ich habe. Und jetzt möchte ich auch weitermachen.“

„Ich habe Sie nur um einen einzigen Tag gebeten.“

„Nein.“

„Es ist der kommende Samstag. Da steht nichts in Ihrem Terminkalender. Bitte!“ Als er nicht reagierte, versprach sie: „Ich werde auch ganz viele unbezahlte Überstunden machen und keine persönlichen Telefongespräche mehr führen, den ganzen Monat lang.“

Da musste Max lachen. „Das wollen wir erst einmal abwarten.“

Lisas Miene hellte sich auf. „Es ist ein großzügiges Angebot von mir. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist, mit meiner Freundin zu dieser Hochzeit zu fahren und an ihrer Seite zu bleiben. Um Mitternacht könnten Sie schon wieder zu Hause sein.“

„Sie sprechen von Ihrer Freundin, als wäre sie ein Aschenputtel.“

„Wenn es nicht so wichtig für sie wäre, hätte ich Sie nicht darum gebeten.“ Lisa schaute Max mit ihren Kulleraugen wie ein bettelndes Schoßhündchen an. Einerseits ärgerte er sich darüber, andererseits war auch er nicht ganz immun dagegen. „Cynthia bedeutet mir wirklich sehr viel.“

„Cynthia? Sie heißt also tatsächlich Cinderella?“

„Nein, natürlich nicht. Sie heißt Cynthia.“

Der Name kam ihm ziemlich altmodisch vor. Cynthia ging nicht mit Männern aus und war eine arbeitssüchtige IT-Expertin. Max kannte diesen Frauentyp und hatte ein unangenehmes Gefühl, als er sich Lisas Freundin vorstellte. Eine graue Maus ohne Make-up und unmöglich angezogen. Intelligent, aber ohne jede Ausstrahlung. Lisa verlangte von ihm, dass er den ganzen Samstag mit so einer Frau auf einer Hochzeitsfeier zubrachte, wo er niemanden kannte. Sie würde den lieben langen Tag kaum mehr als ein paar Worte herausbringen und nur den Wunsch haben, sich möglichst schnell wieder hinter ihrem Computer verstecken zu können.

Max konnte sich wirklich etwas Schöneres vorstellen fürs Wochenende. „Es tut mir sehr leid, aber Sie müssen sich nach jemand anders umsehen, Lisa. Selbst wenn Joe nicht da ist, kennen Sie doch eine Menge Leute aus dem Showbusiness. Ein junger Schauspieler wird viel besser geeignet sein, den smarten Freund Ihrer Freundin zu mimen.“

„Überlegen Sie sich die Sache noch mal, Max. Bitte.“

Weil seine Assistentin nicht lockerließ und er endlich wieder an die Arbeit gehen wollte, sagte er: „Okay, ich werde darüber nachdenken.“ Dabei war er jetzt schon entschlossen, seine Meinung nicht zu ändern. Wenn Lisa ihn heute Abend wieder fragen würde, wäre seine Antwort immer noch ein Nein.

Später am Nachmittag, als Max eine kleine Pause brauchte, blätterte er in einer Fachzeitschrift. Plötzlich hielt er inne und blätterte wieder zurück auf die fünfte Seite. Das abgebildete Haus kam ihm bekannt vor, das Design erst recht.

Gleich darauf wurde ihm klar, dass der Entwurf von ihm stammen musste. Er hatte sich damals an der Ausschreibung zur Restaurierung der alten Villa beteiligt, den Auftrag aber nicht bekommen. Daran erinnerte er sich so genau, weil er sehr enttäuscht darüber war. Diese Villa war nämlich ganz besonders schön, und er hätte den Auftrag zu gern übernommen. Aber der Kunde hatte sich, wie er sagte, für den Entwurf eines anderen Architekten entschieden.

Stirnrunzelnd ging Max zu seinem Computer, wählte die Hauptdatei Archiv und fand mithilfe der Indexnummern schnell sein damaliges Angebot. Ja, sein Entwurf entsprach genau den Fotos der restaurierten Villa in der Zeitschrift. So hatte Max sich die Hausansicht vorgestellt.

Ist das wirklich ein Zufall? fragte er sich, oder verwechsle ich etwas? Er drückte die Telefontaste, die ihn mit Lisas Büro verband.

„Aha, Sie haben es sich also überlegt“, sagte sie fröhlich ins Telefon. „Ich hatte auch gehofft, dass Sie vernünftig werden, wenn ich Ihnen keinen Kaffee mehr bringe.“

Das hatte Max jedoch nicht einmal bemerkt. „Liz, erinnern Sie sich an Phil Watkins?“

„Na klar, mindestens zwanzig Kilo Übergewicht, schlecht sitzender Anzug und eine entsetzlich geschmacklose Krawatte.“

Frauen haben doch das bessere Gedächtnis für Äußerlichkeiten, ging es Max durch den Kopf. „Ja, genau den Kunden meine ich. Könnten Sie mir bitte die Akte mit dem Angebot bringen?“

„Gern. Worum geht es denn?“

Er wollte seinen Verdacht noch nicht offen aussprechen, obwohl er Lisa für absolut vertrauenswürdig hielt. „Ich möchte nur mal etwas nachsehen.“

Zunächst las er den Brief mit der Absage. Phil Watkins bedankte sich für das Angebot, gab jedoch an, sich für einen anderen Architekten entschieden zu haben.

Nachdem Max alles durchgesehen hatte, wusste er genau, dass er sich nicht geirrt hatte. Die in der Zeitschrift abgebildete Villa war nach seinen Plänen restauriert worden. Es waren nur ein paar Details an der Fassade verändert.

Wenn er logisch an die Sache heranging, gab es drei Möglichkeiten:

Die erste wäre, dass Phil Watkins ihn betrogen hatte und sich keinen anderen Architekten gesucht, sondern Max’ Entwurf verwendet hatte. Aber das war unwahrscheinlich, weil er damit rechnen musste, dass Max es herausbekommen und ihn verklagen würde. In diesem Fall hätte der Kunde eine horrende Summe an Schadenersatz zu zahlen.

Die zweite wäre, dass jemand Max’ Entwurf kopiert, ein paar Einzelheiten geändert und den Preis des Angebots unterboten hatte. Das war ebenso unwahrscheinlich, weil es im Büro außer Lisa keine Mitarbeiter gab, die das Angebot hätten weitergeben können. Lisa kam dafür absolut nicht infrage. Nicht für ein ganzes Schaufenster exklusiver Schuhe würde sie Max hintergehen. Da vertraute er ganz seiner Menschenkenntnis.

Die dritte Möglichkeit wäre, dass der Zufall mitgespielt hatte. Ein anderer Architekt hatte sich das alte Haus angesehen, und daraufhin hatte er ähnliche Ideen wie Max gehabt. So etwas war schon passiert. Fachleute hatten ähnliche Denkstrukturen. Er schaute noch einmal auf die Fotos, verglich die abweichenden Details. Ja, es waren immerhin so viele, dass die sich gleichenden Entwürfe Zufall sein konnten.

Dennoch blieb bei Max ein komisches Gefühl zurück, nachdem er die Akte zurückgestellt hatte und wieder ans Zeichenbrett gegangen war. Als Lisa ihm wenig später einen Kaffee brachte, nickte er ihr nur stumm zu. Sie verschwand gleich wieder, weil sie wohl spürte, dass es jetzt zwecklos wäre, über die Hochzeit zu reden.

Erst am nächsten Abend, als Max seine Assistentin nach einem langen Meeting in seinem Wagen nach Hause brachte, kam sie wieder auf die Hochzeit zu sprechen.

„Sie hatten eine Ewigkeit Zeit, sich die Sache zu überlegen.“

„Meine Antwort ist immer noch Nein.“

Lisa seufzte. „Ich schwöre Ihnen, dass es Sie zu nichts verpflichtet. Sie sind auch gar nicht Cynthias Typ.“

Erstaunt warf er ihr einen Blick von der Seite zu. „Was fehlt mir denn?“

„Überhaupt nichts. Sie sind perfekt.“

„Lügnerin“, entgegnete er mit einem schelmischen Grinsen.

„Wenn ich Ihnen tatsächlich die Liste mit all Ihren Fehlern herunterbete, würden Sie ja doch widersprechen. Also sagen wir lieber, Sie sind perfekt.“ Lisa trommelte mit den Fingern auf ihr Knie. „Hören Sie, Max, ich würde Sie nicht darum bitten, wenn ich nicht total verzweifelt wäre.“

„Und ich bin der Rettungsanker?“

„So in etwa. Stellen Sie sich mal vor, Sie wären der ungeliebte Klassenbeste, und eine Clique in Ihrer Schule hätte Ihnen das Leben zur Hölle gemacht. Hätten Sie dann nicht auch den Wunsch, alle zu beeindrucken, wenn Sie zur Hochzeit der Cliquenanführerin eingeladen wären?“

Max ließ sich nicht darauf ein. „Ich war immer beliebt in der Schule.“

„Aber wenn es nicht so gewesen wäre.“

Er zuckte die Schultern. „Warum will Ihre Freundin denn unbedingt auf diese Hochzeit gehen? Auch sie kennt sicher das kleine Wörtchen Nein.“

„Das sagen Sie so leicht. Sie hat gute Gründe, an dieser Hochzeitsfeier teilzunehmen.“

„Das ist ihre Entscheidung, und sie sollte auch das Risiko tragen.“

„Verstehen Sie doch, sie muss dorthin gehen. Aber sie braucht Hilfe und …“ Lisa stöhnte. „Ich habe bei ihr verdammt viel gutzumachen und erzähle Ihnen jetzt, warum. Ich hatte gerade mein erstes Engagement als Schauspielerin in einem kleinen Londoner Theater. Aber das Stück wurde schon nach vierzehn Tagen wieder abgesetzt. Danach gab es auch keine Gage mehr. Ich musste jobben, bis ich woanders eine neue Rolle bekäme. Dann ist auch noch die Freundin, mit der ich das Apartment teilte, über Nacht ausgezogen und ließ mich die Miete ganz allein zahlen. Eigentlich konnte ich mir London nicht mehr leisten, aber ich wollte nicht weg. Zufällig jobbte ich in der Firma von Cynthia. Als sie von meinem Pech hörte, bot sie mir gleich ihr Gästezimmer an.“

Lisa machte ein ungewohnt ernstes Gesicht und fuhr fort: „Seit dieser Zeit wohne ich bei ihr. Sie erträgt alle meine Macken, redet mit mir über meine viel zu teuren Schuhe und über Flamencokleider, die sie eigentlich gar nicht mag. Mittlerweile ist sie meine beste Freundin, Max. Ich möchte ihr unbedingt helfen.“

„Wie ich neulich schon sagte, bitten Sie doch einen Ihrer ehemaligen Schauspielerkollegen darum.“

Lisa verdrehte die Augen. „Hab ich versucht, sie haben alle keine Zeit. Außerdem sind sie nicht so geeignet für diese Aufgabe wie Sie, Max. Sie machen einen viel besseren Eindruck in Ihrem italienischen Designeranzug.“

„Mit Schmeicheleien kommen Sie bei mir nicht weiter.“

„Ja, ich weiß!“, rief sie ungeduldig. „Aber jetzt mal im Ernst. Cynthia kommt aus einer Kleinstadt. Sie hat ihr Examen in Cambridge mit Auszeichnung gemacht und ist wirklich gut, eine richtige Karrierefrau. Sie verdient sicher mehr als all diese eingebildeten Puten. Aber das wird auf der Hochzeit niemand anerkennen. Ihre ehemaligen Mitschülerinnen betrachten sie als alte Jungfer, weil sie siebenundzwanzig und noch nicht verheiratet ist, und geben mit ihren Banker-Ehemännern und ihren Kindern furchtbar an. Arme Cynthia, für sie bleibt wieder nur die Rolle des Aschenputtels, wenn sie nichts vorzuweisen hat.“

„Aber sie kann doch stolz darauf sein, was sie geleistet hat.“

„Sicher, aber sie hat nichts vorzuzeigen, verstehen Sie? Alles wäre anders, wenn sie einen attraktiven dunkelhaarigen Mann an ihrer Seite hätte. Dafür eignen Sie sich perfekt, Max. Bitte spielen Sie Prince Charming für einen Abend“, flehte Lisa. „Sie brauchen sich auch keine Sorgen zu machen, dass sie es missversteht und auf eine echte Beziehung hofft. Sie würden es ohnehin nicht schaffen, ihre Abwehrmechanismen zu durchbrechen.“

„Abwehrmechanismen?“

„Oh, das hätte ich jetzt lieber nicht sagen sollen. Vergessen Sie’s. Aber Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben, dass sie auf eine Beziehung spekuliert. Es geht nur um diesen einen Tag. Sagen Sie jetzt nichts, Max, denken Sie erst darüber nach.“

Er hatte doch bereits abgelehnt. Auch wenn er alle Zeit der Welt zum Nachdenken hätte, würde er seine Meinung nicht ändern. Er brummte irgendetwas, damit Lisa Ruhe gab.

Als er wenig später vor ihrem Haus anhielt, wandte sie sich lächelnd zu ihm. „Möchten Sie nicht auf einen Kaffee mit hereinkommen?“

Er kannte dieses Lächeln. Es bedeutete, sie führte etwas im Schilde. „Sie meinen, ob ich Ihre Freundin kennenlernen will?“

„Nein“, erwiderte Lisa zu seinem Erstaunen. „Cynthia wird nicht zu Hause sein. Sie bleibt noch länger im Büro als Sie. Aber Sie können trotzdem hereinkommen. Ich habe frischen Walnusskuchen.“

Sie wusste nur zu gut, wie sehr er Kuchen mochte. Aber Max wollte sich heute nicht bestechen lassen. „Sie können mir morgen ein Stückchen mit ins Büro bringen.“

„Kommt gar nicht infrage. Wenn Sie meinen Kuchen probieren wollen, müssen Sie schon mit hereinkommen.“

„Aber Sie fangen bitte nicht wieder von der Hochzeit an.“

Sie seufzte laut. „Sie haben einen richtigen Dickschädel. Aber okay, ich verspreche es.“

Als Lisa die Haustür aufschloss, hörten sie Musik, eine romantische Ballade von Robbie Williams. Dieser Musikstil gefiel Max überhaupt nicht. Da außer Lisa nur noch Cynthia hier wohnte, musste sie den Song aufgelegt haben.

„Sie sagten doch, Ihre Freundin wäre noch nicht da.“

„Das dachte ich auch.“ Lisa schien ehrlich überrascht zu sein. „Sie können ja wieder gehen, wenn es Ihnen unangenehm ist.“

Nein, so feige war Max nicht. Er wollte Cynthia kennenlernen und es ihr, falls nötig, ins Gesicht sagen, dass er sie nicht auf diese Hochzeitsfeier begleiten würde. „Sie haben mir Kuchen versprochen.“

„Natürlich, Sie bekommen sogar ein extragroßes Stück.“

Als sie in die Küche gingen, saß dort eine junge Frau am Tisch mit einem Laptop vor sich. Das musste Cynthia sein. Max konnte jedoch nicht erkennen, wie sie tatsächlich aussah, denn sie war in einen bodenlangen Frotteebademantel gehüllt. Ihr Haar war unter einem Handtuchturban verborgen und ihr Gesicht mit einer Packung bedeckt. Das Einzige, was er feststellen konnte, war, dass sie braune Augen hatte, große wunderschöne Märchenaugen.

Während er die seltsame Gestalt musterte, gingen ihm Lisas Worte nicht aus dem Kopf: „Arme Cynthia, für sie bleibt wieder nur die Rolle des Aschenputtels, wenn sie nichts vorzuzeigen hat.“

Max selbst hatte in der Schule nie den Stempel des Außenseiters getragen, aber er erinnerte sich an seinen Freund Gavin. Als der neu in die Klasse kam, machten die anderen ihm das Leben zur Hölle. Max fand das gemein. Er war auf Gavin zugegangen und hatte mit ihm seinen Schokoladenriegel geteilt. Von da an zogen die anderen nicht mehr über Gavin her. Jemand müsste das Gleiche für Cynthia tun, dachte Max. Aber wer?

Lisa stellte die beiden einander vor. „Max, das ist Cynthia, Cynthia, das ist Max.“

„Hallo, Max!“ Die Gesichtsmaske blieb ausdruckslos, aber er merkte, wie Cynthias Augen ihn schüchtern musterten. „Schön, Sie kennenzulernen.“ Cynthia hob zur Begrüßung ihren Teelöffel hoch. Dann schloss sie schnell die Eiscremepackung neben sich.

Max entging nicht, dass es Mokkaeiscreme war, seine Lieblingssorte. Also hatten sie etwas gemeinsam.

„Hast du tatsächlich aus Frust Eiscreme gelöffelt?“, erkundigte sich Lisa.

Ihre Freundin schüttelte den Kopf. „Nein, damit ich besser denken kann.“

Lisa verzog das Gesicht. „Spielst du wieder ein Computerspiel?“

Cynthia nickte. Dann schaltete sie ihren Laptop aus und klappte ihn zu. „Ich lasse euch allein, gute Nacht.“

Ziemlich wortkarg, dachte Max, das ist typisch für ihren Beruf. Diese Computerfreaks tun sich meistens schwer in Gesellschaft. Vielleicht ist es ihr aber auch nur peinlich, dass wir sie im Bademantel mit Gurkenpackung im Gesicht überrascht haben, überlegte Max. „Wegen mir brauchen Sie nicht zu gehen“, sagte er höflich zu Cynthia.

„Das ist schon in Ordnung. Ich möchte nicht stören. Sie und Lisa haben sicher etwas zu besprechen, und ich muss noch ein paar Briefe schreiben.“

Sie lächelte Max zu. Soweit er erkennen konnte, war es ein schüchternes, aber warmes Lächeln. Er bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Obwohl sie nicht viel redete, fand er sie doch sympathisch.

Diese junge Frau brauchte dringend seine Hilfe. Was machte es ihm schon aus, einen einzigen Tag seines Leben zu opfern? Max hatte ja auch gar nichts geplant für das Wochenende. Er wollte nur ein bisschen Entspannung, würde vielleicht zu der einen oder anderen Baustelle hinausfahren oder mit seinem Freund Gavin ein Bier trinken gehen, falls der sich von Frau und Kindern loseisen konnte. Es gab überhaupt keine Verpflichtungen.

Max’ Blick fiel wieder auf Cynthia. Sie wirkte nicht wie eine Frau, die sich Männern aufdrängte. Wahrscheinlich wusste sie nicht einmal, dass Lisa ihn gebeten hatte, ihre Freundin zu dieser Hochzeit zu begleiten. Cynthia wäre die Sache sicher furchtbar peinlich, wenn sie davon erführe. Andererseits würde sie es natürlich wissen, wenn er die Rolle übernähme.

„Schreiben Sie auch einen Brief, um sich für die Einladung zur Hochzeit zu bedanken?“, fragte er.

Cynthia schaute ihn mit großen Augen an. „Wieso wissen Sie davon?“ Im nächsten Moment warf sie Lisa einen ärgerlichen Blick zu. „Ich kann nur hoffen, dass es nicht wahr ist, was ich vermute. Du wolltest doch einen deiner Schauspielkollegen fragen.“

„Hab ich auch, aber die sind alle zu beschäftigt“, verteidigte sich Lisa mit Unschuldsengelmiene. Aber das wirkte bei Cynthia nicht mehr.

„Ich muss mich für meine beste Freundin entschuldigen“, erklärte sie Max., „Lisa hätte Sie nicht damit belästigen sollen. Vergessen Sie einfach, was immer sie Ihnen erzählt hat.“

„Dann finden Sie die Hochzeitsfeier gar nicht so schlimm?“

„Das schon.“ Cynthia lächelte gequält. „Aber ich schaffe es auch allein.“

Die mutigen Worte passten jedoch nicht zu ihrem ängstlichen Blick. Max hatte den Eindruck, als fürchtete sie, einem Rudel reißender Wölfe vorgeworfen zu werden.

Zum Teufel mit meinem Beschützerinstinkt, sagte er sich insgeheim. So hatte es auch mit ihm und Gina angefangen. Am Ende hatte es ihm nur Enttäuschung und Kummer gebracht. Er sollte sich jetzt besser heraushalten.

Aber sein Herz hatte sich bereits entschieden. „Wann soll ich Sie denn Samstag abholen?“, hörte er sich sagen.

2. KAPITEL

Nachdem Max gegangen war, machte Cynthia ihrem Ärger Luft. „Ich kann einfach nicht verstehen, warum du das getan hast, Lisa! Schließlich ist er dein Chef.“

„Ganz recht, und er ist die perfekte Besetzung für die Rolle deines Begleiters. Er hat alle Eigenschaften, auf die es dir ankommt. Er ist wohlhabend, erfolgreich und smart. Deine ehemaligen Klassenkameradinnen werden grün vor Neid, wenn sie sehen, was für einen schneidigen Freund du hast.“ Lisa lächelte triumphierend. „Du wirst diesen Ball genießen, Aschenputtel.“

„Das bezweifle ich“, widersprach Cynthia. „Max kommt schließlich nur aus Mitleid mit.“

„Aber du hast mir doch gesagt, dass dich zu dieser Hochzeit entweder ein Schauspieler oder jemand aus meinem Bekanntenkreis begleiten soll. Einen Schauspieler konnte ich leider nicht bekommen, aber diesen Traummann.“

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert?
Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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