Mein Herz bei dir

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Das Filmset, ein Werbedreh, der erfolgreiche Greg Torrance - Mary Ellen findet sich in einer Szene wieder, die für sie als Filmemacherin Alltag sein sollte und doch höchst aufregend ist. Greg bringt ihr Innerstes in Aufruhr: Seine Küsse sind himmlisch, aber er hängt an seiner Exfrau …


  • Erscheinungstag 01.01.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733775780
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mit Schrauben war es wie bei Männern: den altmodischen war schwerer beizukommen als den modernen. Mary Ellen Gallagher wusste das aus Erfahrung. Leise fluchend mühte sie sich mit einer besonders festsitzenden Schraube ab, die in einem massiven Eichenschrank steckte. Ältere Schrauben waren einfach stabiler. Und verflixt, in diesem alten Haus, in dem sie auch ihr Büro eingerichtet und das sie gleich nach dem Kauf zu renovieren begonnen hatte, gab es jede Menge widerspenstiger Schrauben.

„Was, um Himmels willen, machst du denn da?“ Edie, ihre Sekretärin, stand mit entgeisterter Miene an der Küchentür.

Mary Ellen ließ sich nicht von ihrer Arbeit ablenken. „Ich habe gestern Abend vergessen, den Elektroschraubenzieher mitzunehmen. Also muss ich diese Schrauben jetzt per Hand lösen, wenn ich heute Morgen weiterkommen will.“

„Ich bin beeindruckt.“ Diese tiefe Stimme war ganz sicher nicht die von Edie. „Die meisten Frauen würden einen Handwerker kommen lassen.“

Während Mary Ellen sich das pechschwarze Haar aus der Stirn strich, wirbelte sie herum. Sofort gerieten ihre dunkelbraunen Augen in den Bann eines haselnussbraunen Augenpaares, das zu einem sehr imposanten Mann gehörte. Er trug einen teuer wirkenden, stahlgrauen Anzug, der ihm ausgezeichnet stand. Sein Lächeln war warm und durch und durch sexy, und seine Grübchen gaben dem markanten Gesicht etwas faszinierend Herausforderndes. Seine männliche Ausstrahlung war einfach überwältigend.

Zum Glück brachte Edie sie zur Besinnung und stellte den Fremden als potenziellen Kunden vor. „Mary Ellen, Mr Torrance wollte ein Beispiel deiner Arbeit sehen. Deshalb habe ich ihm das Video vorgeführt, das du letzten Monat für die Firma für Bürobedarf gemacht hast. Aber du möchtest sicher selbst noch mit ihm sprechen.“

Mary Ellen wünschte, Edie hätte diesen Geschäftsmann im frisch renovierten vorderen Teil des Hauses warten lassen, statt ihn in die schäbige Küche zu führen.

Plötzlich merkte sie, dass die Situation ja noch viel schlimmer war. Obwohl es Februar war, trug sie beim Renovieren nur Shorts und einen Sport-BH mit einem Netzshirt darüber. Und das war nun wirklich nicht das Outfit, das sie normalerweise trug, wenn sie jemanden mit ihrer Professionalität beeindrucken wollte.

Aber in der Küche war es angenehm warm. Vorhin hatte sie tiefgefrorene Zimtrollen in die Backröhre geschoben, und nun duftete es appetitlich nach frischem Gebäck.

„Unternehmerin, Handwerkerin und Köchin in einer Person“, meinte Greg Torrance. „Das ist ja eine richtige Powermischung.“

„Wieso?“

„Weil die meisten Männer nur eine Sache wirklich gut können, und das ist in der Regel ihr Beruf. Alles Übrige lassen sie andere erledigen.“

„Und was können Sie wirklich gut, Mr Torrance?“, fragte sie mit hochmütigem Blick, auch wenn der in dieser unordentlichen Küche und bei ihrem Outfit bestimmt seine Wirkung verfehlte.

Wieder bedachte er sie mit diesem überwältigenden Lächeln. „Ich sagte ,die meisten Männer‘, Ms Gallagher. Ich sprach nicht von mir.“

„Ich bitte um Vergebung.“ Sie zwang sich, sein Lächeln nicht zu erwidern. „Und was ist also Ihre Spezialität?“

„Nun, die, um die es jetzt geht, sind Magnetpumpen. Ich suche jemanden, der einen Werbefilm für unsere Firma macht, durch den Magnetpumpen faszinierend, aufregend und hochinteressant wirken.“

„Verstehe. Und was ist eine Magnetpumpe?“

Er lachte auf. „Das zu erklären, würde lange dauern.“

„Versuchen Sie es trotzdem.“

„Okay. Magnetpumpen braucht man, um ätzende Chemikalien durch Rohrleitungen zu schicken. Dabei werden die Chemikalien in einem korrosionsfesten Fließrohr durch eine Reihe von Magnetfeldern geleitet und auf diese Weise weitergepumpt. Da sie dabei nicht durch die Maschine selbst fließen, kann die bei einem Defekt repariert werden, ohne dass man sich den Chemikalien aussetzt. Zudem hält diese Pumpe länger, weil die Säuren nicht mit beweglichen Teilen in Berührung kommen.“

Mary Ellen stieg über eine Trittleiter vom Küchentresen hinunter. „Sie haben offenbar keine Hemmungen, einen schwierigen Job zu vergeben.“

Er hob die Schultern. „Ich weiß, dass es kein Kinderspiel ist. Daher dachte ich, ein unabhängiger Filmemacher wäre dafür am geeignetsten.“

„Aber ich bin auf VHS spezialisiert. Die meisten Firmen ziehen Filmmaterial vor, und genau das verwenden auch die großen Werbeagenturen.“

„Werbeagenturen wissen noch weniger über Pumpen als Sie. Dieser Film soll in Konferenzräumen und auf Messen gezeigt werden, und deshalb sollte es ein handliches Video sein.“

„Ganz zu schweigen davon, dass das preisgünstiger ist.“

Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern nickte nur zustimmend.

Edie, deren Blick die ganze Zeit zwischen ihnen hin- und hergeflogen war, zog sich mit einem Lächeln in ihr Büro zurück.

„Bitte vereinbar einen Termin mit Mervyn“, rief sie ihr nach. „Wir müssen nächste Woche mit dem Filmen anfangen.“

„Wird gemacht“, rief Edie zurück.

Bei Mervyn handelte es sich keineswegs um die große Kaufhauskette dieses Namens, sondern um eine Schmuckgroßhändlerin, die mit einem Video auf Partys für ihren Schmuck werben wollte. Aber es war immer besser einem potenziellen Kunden zu verstehen zu geben, dass sie sehr gefragt und ihre Zeit knapp bemessen war. Schwungvoll stellte sie den Teekessel in die Mikrowelle. Weil diese durch ein Verlängerungskabel provisorisch an die Deckenbeleuchtung angeschlossen war, wurde ihr einmal mehr bewusst, wie viel Geld sie noch für die Renovierung dieses Hauses brauchte.

„Tee?“ Sie war sicher, dass er ablehnen würde.

„Gern.“

Sie nahm zwei Tassen und Teebeutel aus dem Schrank.

„Komisch, dass Sie Iris Mervyn erwähnen. Sie hat Sie meinem Geschäftspartner empfohlen.“

„Aha.“ Soweit zu ihrem Versuch, Eindruck zu schinden. „Kennen Sie sie persönlich?“

Greg Torrance ging zum Küchentisch und deutete auf einen Stuhl. „Darf ich?“

Sie nickte.

„Wir haben gesellschaftlichen Umgang mit ihr.“ Er setzte sich und verfolgte jede ihrer Bewegungen, während sie den Tee aufgoss. „Wir treffen uns gelegentlich auf Partys.“

Sie holte die Zimtrollen aus der Backröhre und legte sie auf einen Teller. Dann nahm sie ihm gegenüber am Tisch Platz und hoffte, es war nicht zu hören, dass ihr der Magen knurrte.

„Bedienen Sie sich.“ So hungrig, wie sie war, hatte sie im Handumdrehen eine Zimtrolle verspeist.

„Erzählen Sie mir etwas über Ihr Geschäft“, bat er, während er Zucker in seinen Tee gab und umrührte.

„Edie wird Ihnen eine Broschüre geben.“

„Ich möchte aber, dass Sie mir selbst einiges erzählen.“

„Edie hat auch eine Liste von Kunden, die gern bestätigen, wie meine Filmkünste ihre Geschäfte angekurbelt haben.“

„Die sehe ich mir später an.“

Sie trank einen Schluck Tee, während sie ihre Gedanken ordnete. „In diese Branche kam ich mit fünfzehn, als ich für die Highschoolzeitung Fotos machte. Mit siebzehn hatte ich Erfahrung genug, um für ein Fotostudio arbeiten zu können, das Fotografen auf Hochzeiten, Partys und dergleichen schickt.“

„Unternehmungslustig.“

„Etwa nicht?“ Weil sie diesen neuen Auftrag und das Geld, das er einbringen würde, unbedingt brauchte, fuhr sie nach einem Moment fort: „Bis ich zwanzig war, hatte ich zwei Preise der staatlichen Filmkommission erhalten. Und seither sind es noch eine ganze Reihe weiterer Auszeichnungen geworden.“

„In all den Jahren seit damals“, bemerkte er trocken.

Offenbar hielt er sie nicht für alt genug, um bereits so erfahren zu sein. „Auch Steven Spielberg war schon in jungen Jahren erfolgreich, Mr Torrance. Ich werde mich für mein Alter nicht entschuldigen.“

„Und das wäre?“

Ihr wurde heiß, doch komisch, je aufgeregter sie wurde, desto weniger wollte sie sich ins Bockshorn jagen lassen. Es ging doch nichts über eine Herausforderung. „Wie alt sind Sie denn?“

„Mein Alter spielt hier keine Rolle. Ich werde nicht engagiert.“

„Schon, aber ich bin nicht sicher, ob ich für einen Mann arbeiten könnte, der vielleicht zu jung ist, um eine große Firma zu leiten, oder zu alt, um Neuerungen schätzen zu wissen.“

Ihre schlagfertige Antwort schien ihm zu gefallen. „Ich bin dreiunddreißig.“

„Ich bin neunundzwanzig.“

„Und auf Neuerungen aus.“

„… und talentiert.“ Nun erlaubte sie es sich, zufrieden zu lächeln. „Eine der Besten.“

„Wie lange würden Sie für ein solches Projekt brauchen?“

„Das können wir klären, wenn Sie und ich uns zu einer geschäftlichen Besprechung zusammensetzen.“

Seiner überraschten Miene nach war er es vermutlich nicht gewöhnt, etwas hinauszuschieben. „Was tun wir denn jetzt?“

„Wir trinken zusammen Tee.“ Sie wies auf die Zimtrollen, und er nahm sich eine. „Und lernen uns kennen.“

„Ist das wichtig?“

„Natürlich.“ Das klang viel selbstsicherer, als sie sich gerade fühlte. „Wenn Sie mich nicht kennen, können Sie mir nicht vertrauen. Und wenn Sie mir nicht vertrauen, werden Sie sich in meine Arbeit einmischen. Wenn ich aber nicht ungestört arbeiten kann, werde ich Ihnen nicht das Endprodukt liefern können, das wir beide uns wünschen. Und dann wird keiner von uns glücklich sein.“

Sein tiefes herzliches Lachen ging ihr durch und durch. Und einen unbeschwerten Moment lang genoss sie seine Nähe und seinen Anblick. Schon wenn er ernst und still war, war er überaus attraktiv. Aber wenn er lachte, war er absolut hinreißend.

Fasziniert sah sie zu, wie er sich Zuckerguss vom Daumen leckte – alles, was von der Zimtrolle übrig geblieben war –, und bekam wieder Appetit.

„Sie haben eine bemerkenswerte Art, die Dinge zu sehen, Ms Gallagher, und ich bin sehr beeindruckt. Sind Sie jetzt der Meinung, dass wir diese Unterhaltung auf der nächsten Stufe fortsetzen und ernsthaft über ein Geschäft reden könnten?“

Ihr Heißhunger auf eine weitere Zimtrolle war plötzlich verflogen. „Ja, unbedingt.“ Im Moment war sie allerdings froh, dass sie noch wusste, wie sie hieß. Nie zuvor hatte sie einen Mann so unwiderstehlich gefunden. Ein Projekt vielleicht, aber noch nie einen Mann. „Gibt es noch jemanden, der mit Ihnen an diesem Projekt arbeiten würde, Mr Torrance? Sie erwähnten vorhin einen Partner …“

„Ja“, erwiderte er, und das Lächeln, nach dem sie schon richtig süchtig war, verschwand. „Es ist eine Partnerin, die wahrscheinlich auch ein Wörtchen mitreden möchte. Aber das ist gar nicht schlecht. Denn ihre Meinung ist Gold wert.“

„Schön. Werden Sie sie zur nächsten Besprechung mitbringen?“

Er stand auf und reichte ihr die Hand. Sie hatte sich ebenfalls erhoben und fand es fast unmöglich, sich weiterhin wie eine Geschäftsfrau zu geben, als ihr erneut bewusst wurde, dass sie in ihrer renovierungsbedürftigen Küche standen und sie nur Shorts und ein knappes Top trug. Aber sie versuchte ihr Bestes. Und dann berührten sich ihre Hände. Augenblicklich durchzuckte die Hitze seines Körpers sie bis ins Innerste.

Über den Tisch hinweg hielt er ihre Hand fest und sah ihr dabei tief in die Augen. „Das nächste Mal sollten wir uns in meinem Büro treffen.“

Sie räusperte sich. „Gute Idee“, murmelte sie und schluckte. „So bekomme ich einen besseren Eindruck von Ihrer Firma. Warum machen Sie mit meiner Sekretärin nicht gleich einen Termin für nächste Woche?“

Lächelnd ließ er ihre Hand los. „Ja, warum nicht?“

„Dann, Mr Torrance“, sagte sie und war um einen beiläufigen und doch geschäftsmäßigen Ton bemüht, „sehe ich Sie also in ein paar Tagen.“

Er machte keine Anstalten zu gehen. Die Hände in die Hüften gestemmt, blickte er sich in der Küche um. Er schüttelte den Kopf, und sie konnte sich leicht vorstellen, was er dachte – dass ihre Küche ein hoffnungsloses Chaos war.

„Ich beneide Sie um Ihre Arbeit“, meinte er zu ihrer Überraschung. „Es ist schön zu sehen, wie es Schritt für Schritt vorangeht, nicht wahr?“

„Sagten Sie nicht, dass Sie für solche Arbeiten Handwerker beschäftigen?“

Er zog die Brauen hoch. „Ich sagte, die ,meisten‘ Männer. Urteilen Sie nicht nach der Kleidung, Ms Gallagher. Im Übrigen, ich liebe es zu renovieren. Man kann ganz in der Arbeit aufgehen, und wenn man fertig ist, fühlt man sich, als habe man Urlaub gehabt und hat dabei sogar noch etwas erledigt.“

„Manche Leute bekommen dieses Gefühl sogar, wenn sie im Anzug arbeiten“, konterte sie.

„Und manche so oder so.“ Er ließ den Blick erneut umherschweifen – vom alten Holzfußboden bis hin zu den verrotteten Fensterbänken. „Keine kleine Herausforderung. Aber eine, die Spaß machen kann.“

„Das finde ich auch.“

Irgendwie gab er sich auf einmal, so als würde er sich von ihr zurückziehen. „Viel Erfolg, Ms Gallagher.“

„Danke.“ Als er die Küche verließ, verspürte sie seltsamerweise einen Anflug von Leere in sich.

Mary Ellen blieb am Küchentisch stehen und starrte auf den Stuhl, auf dem Greg Torrance gesessen hatte, während sie darauf wartete, dass die Haustür ins Schloss fiel. Erst danach merkte sie, dass ihr Herz wie wild klopfte und ihr der Kopf schwirrte. Das lag sicher daran, dass sie einen gut bezahlten Job in Aussicht hatte, ein neues Projekt, das ihre Kreativität forderte. Ihre Gedanken kehrten zu Greg Torrance zurück. Ob er wohl Single war? Und wenn ja, verabredete er sich mit Geschäftspartnerinnen …

Unsinn! Sie hing Tagträumen nach, und das war gegen ihre neuen Regeln. Keine Träumereien mehr, hatte sie sich geschworen. Es schmerzte einfach zu sehr, wenn die Wirklichkeit sie schließlich einholte.

Zudem war es vollkommen müßig, sich über den tollen Mr Torrance Gedanken zu machen. Hier ging es um einen tollen Auftrag, nicht um ein Date. So wie sie mit Renovierungsarbeiten eingedeckt war, hatte sie jetzt ohnehin keine Zeit für ein Privatleben.

Als Iris Mervyn anrief und sie bat, in ihr Büro zu kommen, wurde Mary Ellen von Aufregung gepackt und war sofort einverstanden. Iris würde ihr Näheres über Greg Torrance erzählen können.

Die ganze Woche über war sie vor Neugier fast umgekommen. Nachts träumte sie von ihm, beim Morgenkaffee dachte sie an ihn. Und bis zum Schlafengehen hatte sie ihn wenigstens zehnmal vor Augen gehabt.

Sie sinnierte darüber, wie es wohl sein mochte, in seinen gehobenen Kreisen zu verkehren; zu erleben, was er erlebte; an einem Abend einmal das auszugeben, was er wahrscheinlich ausgab – umgeben vom Establishment Houstons. Gleichzeitig beschwor sie sich, die Kirche im Dorf zu lassen – seine Firma stellte Magnetpumpen her, zum Kuckuck! Das hatte überhaupt nichts von High Society, sondern war schmutzige, schweißtreibende Arbeit. Und prompt hatte sie sich ihn schmutzig und verschwitzt vorgestellt …

Sie klingelte bei den Mervyns in River Oaks. Unmittelbar darauf flog die Tür auf.

„Wie schön, dass Sie pünktlich kommen“, empfing Iris sie mit strahlendem Lächeln und bat sie einzutreten. „Ich langweile mich schrecklich heute Morgen, weil niemand da ist, mit dem ich reden könnte. Alle sind unterwegs, um etwas zu erledigen, nur ich sitze zu Hause herum.“

Iris geleitete sie ins Esszimmer, wo einige Schmuckstücke auf einem wunderschönen Teakholztisch ausgebreitet lagen. „Dies hier ist ein Teil des Schmucks für den Werbefilm. Aber diesmal möchte ich etwas Neues ausprobieren und als Schmuckproduzentin im Hintergrund bleiben. Ein Mann soll jedes Schmuckstück mit diesem gewissen Timbre in der Stimme beschreiben, das einer Frau unter die Haut geht. Damit es schließlich ihr sehnlichster Wunsch ist, diesen Schmuck zu besitzen.“

Iris hatte eine Vision, und es war an ihr, Mary Ellen, sie in Szene zu setzen. Sie lächelte. „Ich glaube, ich kenne jemanden, der dafür infrage käme“, schwindelte sie und überlegte, an welche Agentur sie sich wenden könnte.

„Gut. Er muss nett sein, aber auch sexy genug, um das Herz einer Frau höher schlagen zu lassen. Sie wissen schon … so eine Mischung aus Sean Connery und Mel Gibson. Ich möchte, dass meine Kundinnen von Männern und Diamanten träumen. Aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge …“

Sie wusste genau, wer die perfekte Besetzung wäre, bezweifelte jedoch, dass Greg Torrance interessiert wäre. „Ich mache mich gleich heute Nachmittag an die Arbeit.“

Iris strahlte. „Wunderbar. Ich werde den Text schreiben. Das ist der leichte Teil.“

„Freut mich, dass Sie das so sehen.“

Lachend nahm sich Iris eine Zigarette. „Nun, entweder verfasse ich den Text selbst, oder ich muss jemanden dafür bezahlen. Nicht dass ich sparen will, aber Worte liegen mir einfach.“

Das war das perfekte Stichwort. „Übrigens, wie ich gehört habe, haben Sie mich Greg Torrance empfohlen.“

„Ja, das stimmt. Und auch noch anderen. Habe ich mir damit einen Rabatt verdient?“

Mary Ellen lachte auf. „Ich gebe Ihnen doch schon Rabatt.“ Bei der Erinnerung an Gregs Händedruck und seinen tiefen Blick in ihre Augen hatte ihr Herz einen Schlag lang ausgesetzt. „Greg Torrance ist wirklich charmant, nicht wahr?“

„Das kann man wohl sagen. Er kann einen mit seinem Charme um den kleinen Finger wickeln. Seine Exfrau ist eine Freundin von mir und seine Geschäftspartnerin in der Firma. Selbst sie sagt, dass er wirklich reizend ist, auch wenn sie ihm manchmal den Hals umdrehen könnte.“

„Das meint sie bestimmt nicht ernst.“ Aha, Greg Torrance hatte also eine Exfrau.

„Natürlich nicht. Die beiden arbeiten seit Anfang an zusammen. Obwohl es mir unbegreiflich ist, wie Janet von dieser Branche so begeistert sein kann.“ Iris hob die Schultern. „Ich glaube, was sie zusammenhält, ist ganz einfach die Tatsache, dass keiner von ihnen einen neuen Partner mit einem derart skurrilen Interesse an Magnetpumpen gefunden hat. Zudem bin ich sicher, dass die zwei sich immer noch lieben.“

Das hätte ich mir doch denken können, dachte Mary Ellen tief enttäuscht, dass ein Mann wie Greg Torrance schon vergeben ist. Wie gut, dass sie sich nicht von hoffnungsvollen Träumen hatte hinreißen lassen. Das war ihr schon bei ihrer letzten Beziehung passiert. Und das würde ihr nicht noch einmal passieren! Dennoch blieb sie neugierig. „Haben sie die Firma schon lange?“

„Seit etwa zehn Jahren. Greg hat sie kurz nach Abschluss seines Studiums gekauft.“ Iris nahm ein Schmuckstück und hielt es gegen ein Stück grünen Samt. „Die beiden nehmen an vielen gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, zu denen auch ich gehe. Deshalb ist es leicht, mit ihnen Kontakt zu halten. Nehmen Sie Gregs Auftrag an?“

„Wir verhandeln noch.“ Unwillkürlich dachte sie an all die Rechnungen, die sie im kommenden Monat bezahlen musste, womit sie nicht unbedingt in einer starken Verhandlungsposition war. Sie hatte ihre gesamten Ersparnisse investiert, um sich selbstständig zu machen. Allein die Ausrüstung hatte sie über vierzigtausend Dollar gekostet. Zudem wäre es sehr befriedigend, den Job anzunehmen und Greg Torrance zu beweisen, wie talentiert und qualifiziert sie war.

Greg war zu einer Verabredung zum Lunch auf dem Westheimer Boulevard unterwegs, als plötzlich Mary Ellen Gallagher vorbeifuhr, den Blick konzentriert auf die Straße gerichtet. Wie schon in ihrer Küche verspürte er ein seltsames Gefühl in der Magengrube, das er sich nicht so recht erklären konnte.

Sicher, er fühlte sich zu dieser Frau hingezogen, aber das überraschte ihn nicht. Sie sah fantastisch aus – pechschwarzes Haar, große dunkelbraune Augen und zarte helle Haut. Und diese sinnlichen Lippen … Nein. Es lag an ihrer Persönlichkeit. Daran, dass sie gleichzeitig so qualifiziert und so verletzlich und feminin war.

Oder vielleicht lag es auch daran, dass sie Angst zu haben schien, ihm näherzukommen, und ihn mit Worten und Körpersprache auf Distanz hielt. Eine Herausforderung.

Oder vielleicht war es ganz einfach die gute alte Chemie, die stimmte.

Wie auch immer, sie hatte seine volle Aufmerksamkeit. Und das wollte schon etwas heißen. Diese Frau hatte sein Interesse geweckt, wie keine mehr seit Jahren.

Und er hatte nichts zu verlieren, wenn er ergründete, warum.

2. KAPITEL

Mary Ellen fuhr auf die Auffahrt ihres neues Hauses, den unterzeichneten Vertrag und einen Scheck mit einer Anzahlung von Iris Mervyn in der Aktentasche.

Wenn sie mit Torrance Magnetic Pump Company genauso abschloss, dann wäre der Scheck mit der Anzahlung viermal so hoch. Und nicht nur das, der Torrance-Auftrag könnte ihr die Türen zu anderen derartigen Firmen öffnen. Einen guten Werbefilm für Torrance abzuliefern, wäre ihre beste Referenz für die Industrie.

Sie parkte neben Edies Auto.

Doch hauptsächlich wollte sie mit Greg Torrance ins Geschäft kommen, um ihm zu beweisen, dass er mit ihr das große Los gezogen hatte. Sie war eine Karrierefrau – eine wirklich talentierte –, die in der Lage war, ihren Weg zu machen.

Als sie ihr Büro betrat, legte Edie gerade den Telefonhörer auf. „Weißt du, wer eben einen Termin gemacht hat?“, fragte sie grinsend.

„Greg Torrance?“

„Genau.“

Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. „Wofür?“

„Was soll das heißen ,wofür‘? Was will er denn die ganze Zeit? Dass du ein Video für seine Firma drehst, natürlich.“

„Da sind wir uns noch nicht ganz sicher.“

„Aber ich bin mir da so sicher wie selten.“

Sie legte ihre Aktenmappe auf den Schreibtisch und setzte sich auf die Kante. „Was genau hat er denn gesagt?“

„Er hat einen Termin abgestimmt.“

„Und?“

Edie grinste selbstzufrieden. „Und ich glaube, er ist an mehr als an einem Geschäft interessiert, wenn du weißt, was ich meine.“

Ihr Puls beschleunigte sich. „Du träumst ja.“

„Ich bin hellwach, und du solltest endlich auch die Augen aufmachen, zum Kuckuck. Höchste Zeit, dass du dieses letzte Fiasko vergisst. Greg Torrance jedenfalls ist ein erwachsener Mann mit einem eigenen Leben.“

Rasch drängte sie die Erinnerung an ihre schlechten Erfahrungen zurück, denn sie wollte sich nicht die Laune verderben lassen. „Wahrscheinlich fällt ihm jede Frau zu Füßen. Ich werde das nicht tun.“ Sie nahm die Post zur Hand und sah sie flüchtig durch. „Zudem strebt er gar keine Beziehung an. Weil er noch bis über beide Ohren in seine Exfrau verliebt ist.“

Das schien Edie zu verblüffen und dann zu ärgern. „Verdammt, und ich dachte, ich würde einen Lüstling von Weitem erkennen, aber diesen muss ich übersehen haben.“

Sie lachte auf, musste jedoch zugeben, dass sie vermutlich selbst voreilige Schlüsse gezogen hatte, was Greg Torrance betraf. Seufzend stand sie auf. „Mach dir nichts daraus, Edie. Wir haben uns eben beide getäuscht.“

„Wenn ich du wäre, würde ich mich mit diesem Mann nicht mehr treffen. Er könnte den alten Trick mit der Besetzungscouch versuchen, und was machst du dann? Champagner trinken, Kaviar essen und nachmittags in seinem schicken Büro der Lust frönen? Gott bewahre! Womöglich genießt du es auch noch!“

Ohne auf die Sticheleien einzugehen, spähte sie in den Terminkalender. „Also, wann ist nun die Besprechung?“

„Du meinst, du willst es mit diesem Wüstling doch versuchen?“

„Keine Sorge. Ich bin bewaffnet und selbst gefährlich. Ich werde ihn mit meinem Geschäftssinn aus dem Konzept bringen und ihn dann mit meinem Talent hinter der Kamera in Staunen versetzen.“

Edie sah fast geknickt drein. „Dich mag sein tolles Aussehen ja vielleicht nicht blenden, aber ich werde mir eine Sonnenbrille kaufen! Und da wäre immer noch seine wahnsinnig tolle Stimme.“

„Okay“, räumte sie ein. „Ich finde ihn auch attraktiv. Trotzdem werde ich keine Beziehung mit ihm eingehen, weil die Umstände nicht perfekt sind. Ich bin doch keine Therapeutin für eigensinnige Männer, die ihr Leben nicht vernünftig auf die Reihe bekommen. Aber ich werde trotzdem mit ihm Geschäfte machen, wenn möglich.“

„Ich verdenke es dir nicht. Lass sein blendendes Aussehen und seine starke Ausstrahlung mal beiseite, und der Typ ist immer noch nicht zu verachten und will das Beste für sein Geld. Und das bist du. Du bist nämlich wirklich verdammt gut. Und deshalb hast du mit Mr Greg Torrance morgen früh um neun einen Termin in seinem Werk.“

Mary Ellen seufzte. „So ist es gut, Edie. Schmeichle mir nur ordentlich, dann ist dir dein Job auf Dauer sicher.“ Sie grinste. „Keine Sorge. Ich würde mir diese Chance um nichts auf der Welt entgehen lassen. Das würden schon meine Gläubiger gar nicht zulassen.“

Nervös betrat Mary Ellen das elegante Büro der Chefsekretärin. Sie hatte ihr schönstes Kostüm angezogen, ein königsblaues, dessen Jacke mit einem einzigen großen Perlmuttknopf geschlossen wurde. Dazu trug sie eine schlichte weiße Seidenbluse, ihre hochhackigen schwarzen Pumps und ihre schwarze Aktentasche. In diesem Outfit fühlte sie sich ganz wie die selbstbewusste Karrierefrau, die sie gern sein wollte.

Sie trat an den Schreibtisch. „Guten Morgen, ich bin um neun mit Mr Torrance verabredet.“

Autor

Rita Clay Estrada
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