Nie mehr allein im Paradies

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Auf den Salomon-Inseln begegnet Sasha einem attraktiven Fremden, zu dem sie sich stark hingezogen fühlt. Doch dann erfährt Sasha, dass sie sich in den reichen Unternehmer Richard Carlton verliebt hat, den Bruder ihres Exverlobten, vor dem sie auf der Flucht ist ...


  • Erscheinungstag 06.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777562
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sasha balancierte auf dem Verandageländer, um ihr Frühstück zu pflücken, als sie das vertraute Tuten des chinesischen Handelsschiffes hörte, das sich auf seinem Weg nach Kula vorsichtig der Insel näherte.

Mit einem lauten Aufschrei, der ihre Freundin Ruth, mit der sie sich den kleinen Bungalow teilte, ins Freie lockte, sprang Sasha von der Balustrade. Sie warf Ruth die Papayas zu und eilte die hölzernen Stufen hinab zum Strand, wo ihr Kanu lag.

„Hast du den neuen Generator bekommen, Ko-chi?“, rief sie, so laut sie konnte, um das Tuckern der altersschwachen Motoren zu übertönen, während sie ins Kanu sprang und wie besessen auf den Frachter zupaddelte.

Grinsend hob Ko-chi den Daumen in die Höhe und drosselte die Maschinen, damit sie längsseit gehen konnte.

Wie die meisten der winzigen Eilande der Salomoninseln war auch dieses von einem Korallenriff umgeben. Nur die schmalen Pirogen der Eingeborenen konnten hier anlegen. Ko-chi hatte sein Boot so nahe wie möglich herangesteuert, nun war Sasha gefordert.

Geschickt lenkte sie das Kanu an die verrostete Bootswand heran und befestigte es. Dann griff sie nach der herabgelassenen Strickleiter und kletterte hinauf. Eine hilfreiche Hand streckte sich ihr entgegen und zog sie an Bord.

Plötzlich sah sie sich einem großen dunkelhaarigen Fremden gegenüber. Ihre Haut prickelte dort, wo er sie berührt hatte, und ihr Herz klopfte wie wild. Schuld daran war jedoch keineswegs die körperliche Anstrengung. Der Fremde war einfach atemberaubend.

„Oh.“ Verlegen strich sie ihr dünnes T-Shirt und die zerknitterten Shorts glatt. Verglichen mit dem makellosen tropischen Weiß, in das der Fremde gekleidet war, fühlte sie sich recht schäbig.

Ko-chi nahm auf seinen Inselfahrten gelegentlich Passagiere mit, und dieser Mann war mit Sicherheit kein Hilfsmatrose. Ohne sich ihr vorzustellen, musterte er sie eingehend von Kopf bis Fuß.

Sasha spürte, wie sie unter seinen eindringlichen Blicken errötete. Um ihm nicht zu zeigen, welch verheerende Wirkung er auf ihre Sinne ausübte, betrachtete sie ihn nun ebenfalls ausgiebig.

Er ist genau so, wie Ruth sich ihren Traummann vorstellt, dachte sie spöttisch – groß, muskulös und reich, nach seiner Garderobe und der schweren goldenen Uhr an seinem Handgelenk zu urteilen. Sein sonnengebräunter Teint betonte das faszinierende Grau seiner Augen. Ganz ohne Frage war er der attraktivste Mann, der seit langem auf den Inseln aufgetaucht war …

Nun, mir kann das egal sein, sagte sie sich energisch. Sie hatte erwartet, dass Ko-chi sie an Deck holen würde, und war lediglich verwundert, einem Fremden gegenüberzustehen. Deshalb schlug ihr Herz wie verrückt. Sie war schließlich immun gegen Männer – und das schon seit über zwei Jahren.

Der Blickkontakt zwischen ihnen wurde jäh unterbrochen, als Ko-chi ein paar Körbe über die Planken zu ihr schob. „Hier sind die Lebensmittel. Den Generator kannst du dir nachher auf Kula abholen“, erklärte er. „Wenn du ihn jetzt mitnimmst, versenkst du dein Boot.“

„Du hast Recht, Ko-chi. Danke. Ich bezahle dann auf Kula.“

Sie beugte sich vor, um einen der Körbe über die Reling zu lassen. Falls sie erwartet hatte, dass der Fremde ihr helfen würde, wurde sie enttäuscht. Als sie sich umwandte, war er fort. Während Ko-chi vorsichtig die Waren abseilte, schaute Sasha sich auf dem voll beladenen Deck um.

„Wer ist dein Passagier?“, fragte sie, als der letzte Behälter in das Kanu geplumpst war.

Ruth würde sie umbringen, wenn sie das nicht in Erfahrung brachte. Sasha selbst interessierte sich mehr dafür, weshalb er hier war. Auch nach zwei Jahren befiel sie immer noch eine leichte Panik, wenn Fremde auf den Inseln auftauchten. Ständig lebte sie in der Furcht, ihre Vergangenheit könnte sie doch noch einholen.

Ko-chi hob die knochigen Schultern. „Vielleicht ein Tourist.“ Er rieb Daumen und Zeigefinger in einer vielsagenden Geste aneinander. „Viel Geld“, fügte er lachend hinzu. „Ich stelle keine Fragen. Die Frau bei ihm …“ Diesmal tippte er sich an die Stirn. „Viel Ärger.“

„Na dann noch viel Spaß.“ Ebenfalls lachend schwang sie sich über die Reling und kletterte die Strickleiter hinunter. Sie löste die Vertäuung des Kanus und griff nach dem Paddel. „Bis nachher auf Kula“, rief sie zurück.

Während sie sich vom Frachter entfernte, meinte sie, die Blicke des Fremden auf sich zu spüren. Unwillkürlich drehte sie sich kurz um. Er beobachtete sie tatsächlich. Mit auf die Reling aufgestützten Ellbogen verfolgte er jede ihrer Bewegungen. Seine Nerven möchte ich haben, dachte sie wütend. Er starrt mir nach, obwohl seine Freundin dabei ist!

„Heraus mit der Sprache! Wer ist er? Wohin will er?“ Die Fragen sprudelten nur so aus Ruth heraus, als Sasha wieder an Land war. Ruth hatte offenbar alles genau gesehen. Gemeinsam zogen die beiden Frauen das Kanu an Land.

Trotz der Hitze fröstelte Sasha. Verstohlen schaute sie auf ihren Arm, fast als erwartete sie, so etwas wie ein Brandmal dort zu entdecken, wo er sie berührt hatte.

„Sasha?“

Sasha zuckte zusammen. „Du hättest bestenfalls Chancen als seine Geliebte.“ Nur allzu deutlich erinnerte sie sich an die sinnliche Ausstrahlung des Mannes.

„Das würde mir auch schon genügen“, meinte Ruth fröhlich. „Also, wer ist er? Ein Tourist?“

„Vermutlich“, erwiderte Sasha, obwohl sie es eigentlich bezweifelte.

Touristen reisten auf majestätischen Kreuzfahrtschiffen und nicht auf rostigen chinesischen Frachtern. Außerdem trugen sie bunte Shorts und T-Shirts. Der Mann hingegen hatte Tropenkleidung angehabt und mehr wie ein Geschäftsmann gewirkt. Er beunruhigte sie. Es kamen nur sehr wenige Geschäftsleute auf die Inseln.

Entschlossen verdrängte sie die düsteren Gedanken. Ein leiser Zweifel blieb allerdings. Fremde machten sie nervös … Auch noch nach zwei Jahren dort.

„Du bist nicht einmal neugierig, oder?“, murrte Ruth, als sie die schweren Körbe zum Haus hinauftrugen.

„Nicht im Mindesten“, behauptete Sasha wider besseres Wissen. Selbst ihr war aufgefallen, wie attraktiv dieser Mann war, doch um nichts in der Welt würde sie Ruth das verraten. Ihre Freundin würde sonst keine Ruhe mehr geben.

„Komm mit mir nach Honiara“, schlug Ruth später vor, als sie auf der Veranda frühstückten. Sie hatten inzwischen die Vorräte verstaut, von denen Sasha während Ruths Abwesenheit leben wollte. „Du hast einen kleinen Urlaub bitter nötig. Wir werden die Stadt auf den Kopf stellen und auf Männerfang gehen.“

Sasha lächelte. „Wir können nicht beide gleichzeitig freinehmen“, erinnerte sie sie. „Viel Glück bei der Jagd, Ruth. Die Männerwelt von Honiara gehört dir.“

In gewisser Hinsicht wünschte sie sich, Ruth ein wenig ähnlicher zu sein. Ihre Freundin äußerte stets freimütig ihre Meinung, was Männer betraf. Zwei Jahre Enthaltsamkeit bedeuteten in ihren Augen ein schlimmeres Los als ein Todesurteil, und das hatte sie Sasha auch erklärt, als diese ihr in einem schwachen Moment gestanden hatte, dass sie seit ihrer Ankunft auf den Inseln keine Beziehung mehr eingegangen war. Sasha hatte ihren Fehler natürlich sofort erkannt und hinzugefügt, dass die Arbeit in der Klinik ihr Befriedigung genug bedeutete.

Die volle Wahrheit hatte sie wohlweislich verschwiegen. Für Sasha waren Männer tabu – oder ‚tambu‘, wie die Insulaner sagten. Geoff hatte sie so gemein hintergangen, dass sie noch immer nicht an die gemeinsame Vergangenheit mit ihm denken konnte, ohne zu erschauern. Die Entdeckung, die sie am Tag vor ihrer Hochzeit in Auckland gemacht hatte, hatte sie derart schockiert, dass sie Hals über Kopf geflohen war. Ihr Verschwinden hatte eine solche Woge von Hass und Verachtung gegen sie ausgelöst, dass eine Rückkehr für sie unmöglich geworden war. Geoff hatte sich nachhaltig an ihr gerächt, und Sasha hatte sich mittlerweile ein neues Leben aufgebaut – weit weg von der Vergangenheit.

„Beeil dich, Ruth“, drängte Sasha.

Sie sollte ihre Freundin nach Kula bringen, der ersten Station auf deren Reise nach Honiara, der Hauptstadt der Inselgruppe. Hastig nahm sie ihre Öljacke vom Haken an der Tür und warf sie über. Dunkle Wolken zogen sich drohend am Himmel zusammen. Sasha wollte Ruth absetzen und den Generator abholen, ehe der Regen begann.

Ruth kam schwer beladen aus dem Haus. Sie hat genug Gepäck für ein ganzes Jahr, dachte Sasha ironisch, während sie die Taschen und Koffer auf dem Boden des Fiberglaskanus verstaute. Das zusätzliche Gewicht würde ihr Vorankommen erschweren.

„Was für eine Art, sein Leben zu verbringen!“, murmelte Ruth und zog ihre Gummistiefel an, bevor sie ins Boot kletterte. „Statt in einer Stadt in einem Krankenhaus als OP-Schwester zu arbeiten, habe ich mich für diesen gottverlassenen Ort entschieden.“

Sasha lachte. „Und trotzdem liebst du deinen Job.“

Sie wusste, dass sie Recht hatte. Es war die Herausforderung – die gleiche Herausforderung hatte Sasha gespürt, als sie auf den Inseln eingetroffen war. Dies und die tiefe innere Befriedigung, die man empfand, wenn man anderen Menschen helfen konnte. Obwohl Sasha nicht zum medizinischen Stab des Krankenhauses gehörte, sondern für die Verwaltung und den reibungslosen Ablauf verantwortlich war, war ihre Arbeit genauso wichtig.

Zwischen dem Inselalltag und ihrem damaligen Luxusleben in Neuseeland lagen Welten. Manche ihrer früheren Bekannten würden es vermutlich als eine Art Strafe betrachten, als Buße für das, was sie angeblich Geoff angetan hatte.

Geoffs Rache hatte darin bestanden, ihren Namen und guten Ruf in den Schmutz zu ziehen. Nachdem sie ihn verlassen hatte, war es ihm gelungen, allen einzureden, dass sie die Schuldige war. Er war dabei so erfolgreich gewesen, dass sogar ihre eigene Familie von seinen Behauptungen verunsichert war. Sasha hatte gar nicht erst versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Die Geschichte an sich war so widerwärtig gewesen, dass sie sie durch irgendwelche Erklärungen nur noch schlimmer gemacht hätte.

Seither hatte sie nur noch Kontakt zu ihrem Vater. Von ihrer Stiefmutter war sie längst enterbt, aus Wut darüber, dass die hochfliegenden Hochzeitspläne, die die Frau für Sasha geschmiedet hatte, geplatzt waren. Ihr Vater schrieb Sasha zwei Mal im Jahr und bat sie immer wieder, zurückzukehren. Er meinte, die Menschen würden vergeben und vergessen. Aber es gab nichts, was man ihr hätte vergeben müssen, und die Wahrheit würde ihr niemand glauben. Geoffs Familie war zu einflussreich und hatte dafür gesorgt, dass Geoff die ganze Sache mit blütenweißer Weste überstand.

Eine Unterhaltung war in der kleinen Piroge nicht möglich. Der Außenbordmotor war sehr laut, und die Gischt sprühte den beiden Frauen ins Gesicht. Sasha konzentrierte sich darauf, das Boot sicher durch das Korallenriff hinaus auf die offene See in Richtung Kula zu steuern, das sich mit seinen bewaldeten Hügeln vor ihnen aus dem Meer erhob.

Der Fremde müsste eigentlich schon längst fort sein, überlegte sie. Trotzdem kreisten ihre Gedanken weiter um ihn – natürlich nur aus reiner Neugier. Halbwegs attraktive Fremde waren schließlich eine Seltenheit auf den Inseln.

Sasha setzte Ruth am Pier von Kula ab, wo bereits ein schnittiges Motorboot auf sie wartete, das sie zur anderen Seite der Insel bringen sollte. Dort gab es einen improvisierten Flughafen, auf dem regelmäßig Maschinen nach Honiara starteten.

Die Bewohner des Archipels waren an diese Art des ‚Inselhüpfens‘ gewöhnt – genau wie an den Regen. Was als sanftes Nieseln begann, entwickelte sich rasch zu einem heftigen tropischen Guss. Mit etwas Glück würde Sasha es gerade noch bis nach Hause schaffen, bevor der Wind zum Sturm auffrischte.

„Ich werde dich vermissen“, flüsterte Ruth und umarmte Sasha. „Ich wünschte, du würdest mich begleiten. Es gefällt mir gar nicht, dass du allein auf der Insel bleibst und jeden Tag zum Krankenhaus fährst. Nichts als Arbeit und keine Männer in der Nähe …“

„Sei still“, befahl Sasha lachend. „Du weißt genau, dass ich die Ruhe und den Frieden genießen werde, ohne dass du mich mit den neuesten Klatschgeschichten störst. Vergiss die Liste nicht, die ich dir gegeben habe.“

„Make-up, Parfüm, seidene Unterwäsche …“

„Falls du etwas davon finden solltest“, warf Sasha ein.

„Ja, falls.“ Seufzend hievte Ruth ihr Gepäck an Deck des Motorbootes. Dann zog sie ihre Gummistiefel aus und schleuderte sie zurück ins Kanu. Was sie soeben aufgezählt hatte, war auf den Inseln kaum aufzutreiben, und wenn, dann nur zu astronomischen Preisen.

Nachdem Sasha sich von der Freundin verabschiedet hatte, kletterte sie wieder ins Kanu und paddelte zum Ende des Piers, wo Ko-chis Kutter lag. Trotz des Regens hatte sich eine beachtliche Menschenmenge eingefunden, die sich für die Waren des Chinesen interessierte – keine Luxusgüter, sondern Dinge, die das Leben auf den manchmal recht trostlosen Inseln etwas leichter machten.

Sie vertäute das Kanu, schüttelte die Regentropfen aus ihrem vollen dunklen Haar und kletterte die Holzleiter zu der primitiven Anlegestelle hinauf. Plötzlich hörte sie eine wütende Stimme aus der Bretterbude, die als Büro des Hafenmeisters diente.

„Das sind alles Barbaren“, kreischte eine Frau. „Ich bin nass bis auf die Haut, und niemand scheint sich …“

„Jeder hier ist jetzt nass bis auf die Haut“, lautete die erschöpfte Antwort. „Bleib, wo du bist, während ich mich um alles kümmere.“

Der Fremde von Ko-chis Boot trat unter das überhängende Strohdach hinaus und sah sich suchend um. Er schien nach irgendeinem Verantwortlichen Ausschau zu halten. Und dann entdeckte er Sasha. Sie stand ein wenig abseits und beobachtete die Szene halb amüsiert, halb verächtlich. Der Mann eilte auf sie zu.

Barbaren. Sasha schäumte innerlich vor Wut. Die Melanesier und Polynesier waren gastfreundliche, hilfsbereite Menschen – diese Frau hätte nur einen Moment Geduld für sie aufbringen müssen. Und sich angemessener ausrüsten sollen. Ihr lächerlicher Sonnenschirm war bei diesem Regenschauer völlig nutzlos.

Unter anderen Umständen hätte Sasha vielleicht Mitleid für sie empfunden, aber die Fremde hatte die Insulaner beleidigt und beschimpfte gerade einen kleinen Jungen, der ihr eine Kette aus rosafarbenen Muscheln verkaufen wollte. Als der Mann Sasha erreichte, hatte sie ihren Zorn kaum noch unter Kontrolle.

„Wir sollten hier von einem Wagen abgeholt werden. Anscheinend hat es jedoch einen Übermittlungsfehler gegeben“, erklärte er so vorwurfsvoll, als wäre das allein ihre Schuld. Er war mit seiner Geduld offenbar am Ende.

Sasha hatte nicht die geringste Lust, den Sündenbock zu spielen, zumal sie der Ansicht war, die widerwärtige Sonnenschirm-Frau verdiente mehr, als nur ein paar Regentropfen abzubekommen. Ohne eine Antwort blickte Sasha ihn schweigend an, als würde sie die ganze Aufregung überhaupt nicht verstehen.

Voller Befriedigung registrierte sie, dass sein Designeroutfit unter dem tropischen Regen gelitten hatte. Sein Hemd war völlig durchweicht und erinnerte sie an eine zerknitterte weiße Papiertüte, das dunkle Haar klebte ihm feucht am Kopf, seine Augen funkelten vor Ungeduld – und trotzdem strahlte er eine unverminderte Autorität aus.

„Ich habe eine Begleiterin“, fügte er hinzu. „Sie schätzt es gar nicht, in derartigen Löchern herumzuhängen und nass zu werden. Wenn Sie also …“

Endlich rang sich Sasha zu einer Erwiderung durch. „Wenn sie nicht als Schrumpfkopf am Gürtel eines dieser Barbaren enden will, sollte sie lieber den Mund halten.“ Wütend wandte sie sich ab. Es regnete, und die Frau wurde nass – na und? Was, zum Teufel, wollte sie überhaupt auf den Salomonen?

Unvermittelt wurde Sasha am Arm gepackt und herumgerissen. Unverhohlener Ärger spiegelte sich im Gesicht des Mannes wider. „Würde ich glauben, dass diese Tradition noch heute bestünde, würde ich den Insulanern alle Frauen auf einem Silbertablett präsentieren. Wären Sie jetzt also bitte so freundlich, mit dem Gerede aufzuhören und uns einen Wagen zu organisieren? Im Gegensatz zu uns scheinen Sie sich hier auszukennen.“ Der Regen strömte über seine Wangen und tropfte ihm vom Kinn.

Verwundert stellte sie fest, dass ihr Herz schneller klopfte. Der Fremde war arrogant und taktlos, aber nichtsdestotrotz war er ein umwerfend attraktiver Mann – jedoch nicht umwerfend genug, um sie zu besänftigen.

„Möglicherweise lebt der Brauch wieder auf – in nicht allzu ferner Zukunft, wenn es nach mir ginge“, fügte sie anzüglich hinzu. „Paschas wären dann die ersten Trophäen an meinem Gürtel.“

Er lockerte seinen Griff um ihren Arm. Eine Entschuldigung kam allerdings nicht über seine Lippen. „Wir haben eine lange Fahrt hinter uns“, erklärte er so bedächtig, als würde er mit einer Geisteskranken sprechen. „Wir sind müde, verschwitzt, durchnässt und mit unseren Nerven am Ende. Ich brauche einen Wagen, und zwar schnell. So charmant unsere kleine Unterhaltung auch sein mag …“ Er lächelte ironisch. „Im Moment kann ich gern darauf verzichten.“

„Sehr witzig.“ Sie riss sich von ihm los und wollte ihn schon stehenlassen, als sie plötzlich eine Idee hatte. „Ich könnte Ihnen vielleicht helfen“, sagte sie zuckersüß. Sie streckte die Hand aus. Warum auch nicht? Die Klinik brauchte jeden Cent. Weshalb sollte sie sich nicht für ihre Dienste bezahlen lassen?

Der Fremde blickte Sasha verblüfft an. Offenbar überlegte er, wie viel ihm das Wohlergehen seiner Bekannten wert war. Nach einigen Sekunden griff er in die Hosentasche und holte etliche Dollarnoten heraus, die er Sasha in die Hand drückte.

Offenbar ist sie ihm sehr teuer, dachte Sasha, während sie kurz den Betrag abschätzte. Sie hob die Öljacke an und stopfte die Geldscheine in die Tasche ihrer Shorts. Der Blick des Fremden glitt bewundernd über ihre nackten sonnengebräunten Beine. Errötend bedeckte sie hastig ihre Blöße.

„Danke“, flüsterte sie. „Für das Geld, nicht für die wohlwollende Musterung“, setzte sie bissig hinzu. „Warten Sie hier. Ich werde einen Wagen für Sie besorgen.“

„Beeilen Sie sich“, befahl er schroff. „Wollen Sie denn gar nicht wissen, wohin wir wollen?“

„Es gibt nur einen Ort, zu dem Sie wollen könnten“, konterte sie lässig und eilte davon, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.

Sasha betrat das Hafenbüro und rief in dem einzigen Hotel auf der Insel an. Sie sprach Pidgin-Englisch mit dem Angestellten und beorderte einen Wagen zum Pier, der das Paar abholen sollte. Als sie wieder hinauskam, teilte sie den beiden mit, dass ein Auto unterwegs sei. Dann wünschte sie ihnen einen schönen Tag und entfernte sich.

Hinter ihr schüttelte die Frau ihren ruinierten Sonnenschirm aus. „Was bildet die sich eigentlich ein?“

Ein reizendes Geschöpf, dachte Sasha, während sie zu Ko-chis Boot ging.

Zwei Insulaner luden gerade den Generator ins Kanu, als Todd Arnold sich durch die Menschenmenge am Kai einen Weg zu Sasha bahnte. Todd gehörte zum Ärzteteam und war auf Augenoperationen spezialisiert. Seine Frau Tina war vor zwei Wochen erstmals Mutter geworden.

„Du denkst doch an John Harveys Party heute Abend, Sasha?“

Verwundert schaute Sasha ihn an. Sie war gänzlich in ihre Grübeleien über den geheimnisvollen Fremden vertieft gewesen. Erst allmählich dämmerte ihr, was Todd meinte. „Verdammt – fast hätte ich das vergessen. Muss ich wirklich kommen? Ich habe noch so viel zu tun.“

Sie blickte zum Himmel hinauf, der ebenso düster wirkte wie die Aussicht auf die Party in Harveys Villa. Derartige Anlässe erinnerten sie schmerzlich an ihr früheres Leben in Neuseeland – rauschende Feste, bei denen sich die Reichen und Schönen trafen, um über gewöhnliche Sterbliche zu klatschen. Ereignisse wie diese waren auf den Inseln selten, aber mitunter kamen wichtige Gäste, die unterhalten werden mussten.

„Ja, du musst“, beharrte Todd grinsend. „Johns Spenden sind wichtig für das Krankenhaus. Wir können es uns nicht leisten, ihn zu verärgern.“

Sasha seufzte resigniert. „Ich weiß.“

Sie würde also hier übernachten müssen. Dem Krankenhauspersonal stand ein eigener Zimmertrakt zur Verfügung, und normalerweise schlief sie dort drei oder vier Mal pro Woche, aber jetzt hatte sie ein paar Tage frei und wollte die Zeit auf der kleinen Insel verbringen. Suya war ihr eigentliches Zuhause, und außerdem liebte sie ihre Unabhängigkeit.

Ruth war erst vor einem Jahr zur ihr gezogen. Sie hatte Urlaub gehabt und sich von der anstrengenden Arbeit im OP erholen wollen. Suya hatte ihr gefallen, und so war sie geblieben.

Sasha zuckte kurz die Schultern. „Dann hat es wohl keinen Sinn, bei diesem Wetter heimzufahren. Ich werde dafür sorgen, dass der Generator erst morgen verladen wird. Derweil kann ich Tina und das Baby besuchen.“

„Sie wird sich freuen, dich zu sehen. Sie liebt es nämlich, das Baby herumzuzeigen. Heute Abend wird sie übrigens nicht mitkommen. Ich hole dich nachher ab, und wir fahren gemeinsam zu der Party, okay?“

„Gut.“ Noch vor wenigen Jahren hätte sie nicht so gelassen auf dieses Angebot reagiert, aber inzwischen war sie erwachsen geworden. Affären ergaben sich immer wieder – allerdings nur, wenn man es forcierte, und Sasha war nichts daran gelegen. Sofern man die ‚richtigen‘ Signale aussandte, konnte man sich eine Menge Peinlichkeiten ersparen.

Männer, ob verheiratet oder ledig, flirteten nicht mit ihr. Selbst wenn sie mit diesem Gedanken spielen mochten, schien sie eine unsichtbare Mauer daran zu hindern. Diese Mauer hatte Sasha nach der Sache mit Geoff um sich errichtet.

Bei Einbruch der Dunkelheit hatte der Regen aufgehört, doch die Luft war noch immer so schwül, dass jeder Atemzug beinahe zur Qual wurde. Die Aussicht, den Abend in John Harveys klimatisiertem Palast zu verbringen, war daher für Sasha jetzt viel verlockender als am Morgen.

„Die übliche Meute, schätze ich“, meinte sie trocken, als sie und Todd das weit geöffnete Portal der Villa erreichten, wo John seine Gäste begrüßte.

„Höre ich da so etwas wie Zynismus heraus?“ Todd führte sie in den angenehm kühlen Empfangsraum, der die Dimensionen eines mittleren Ballsaals hatte.

„Nein, aber diese Partys sind doch immer gleich.“

„Trotzdem müssen wir da durch …“

„Ja, zum Wohle des Krankenhauses.“ Sasha lachte.

Während Todd ihnen Drinks holte, zog sie sich in den stillen Winkel einer voluminösen Pflanzengruppe zurück und schaute versonnen hinaus auf die Veranda. Hatte ihr Kommentar wirklich zynisch geklungen? Sie machte sich nichts aus derartigen gesellschaftlichen Zusammenkünften, und dieser Abend würde vermutlich genau so verlaufen wie alle anderen. Trotzdem fühlte sie sich anders als sonst – warum, das wusste sie selbst nicht. Vielleicht war sie überarbeitet, vielleicht hätte sie gemeinsam mit Ruth verreisen sollen, vielleicht …

„Welch wundersame Verwandlung!“, drang plötzlich eine vertraute Stimme an ihr Ohr. „Ich habe Sie nur an Ihren Beinen erkannt.“

Sasha wirbelte herum. Ihre dichte dunkelbraune Lockenmähne wehte um ihr Gesicht. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, als sie dem Fremden gegenüberstand. Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu ihrem Kleid hinab, so als hätte sie völlig vergessen, was sie anhatte: einen mattgrauen Seidensarong, dessen Schlitz einen beachtlichen Teil ihres gebräunten Beines enthüllte. Hastig raffte sie den Stoff zusammen.

„Sie sind also ins Hotel gekommen?“ Mehr brachte sie nicht heraus.

Eine einfältige Bemerkung. Natürlich war er das. Nichts an ihm erinnerte mehr an den gestressten, durchnässten Fremden, der ihr am Morgen arrogant befohlen hatte, ihm zu helfen. Sein lackschwarzes Haar war inzwischen getrocknet und sorgfältig gekämmt. Er trug einen eleganten weißen Anzug und war mit Sicherheit der attraktivste und schlagfertigste Mann auf der ganzen Party.

„Ja, mit Bedauern“, erwiderte er indigniert.

„Nun ja, es ist nicht gerade das Savoy, und Sie sind nicht der Prince of Wales. Ein anderes Hotel gibt es hier nicht. Was haben Sie auf einer kleinen tropischen Insel wie dieser erwartet?“

„Nachdem ich Ihre Taschen mit Geld gefüllt hatte, war ich der Meinung gewesen, Sie würden dafür sorgen, dass uns der Wagen zu unserem Ziel bringt und nicht in irgendeine mit Insekten verseuchte drittklassige Absteige.“ Er lächelte leicht, als Sasha trotzig das Kinn hob, um das kleine Hotel zu verteidigen. „Das waren Henriettas Worte, nicht meine“, fügte er besänftigend hinzu, ehe sie etwas antworten konnte. „Meine Begleiterin.“

„Und Sie haben vermutlich nicht protestiert“, konterte sie. „Es tut mir leid, wenn es nicht ganz Ihre Erwartungen erfüllt hat, aber wahrscheinlich wäre Ihnen auch das Savoy nicht gut genug. Manche Menschen sind nie zufrieden.“

„In der Tat“, pflichtete er ihr bei. „Das Hotel entsprach wirklich nicht unseren Erwartungen, zumal wir gar nicht dorthin wollten, sondern hierhin.“

Verwundert sah Sasha ihn an. Sie war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass er im Hotel wohnen würde. Erneut spürte sie, wie ihre Wangen sich röteten. „Oh … Das tut mir leid …“

Ihre Blicke trafen sich. Seine stahlgrauen Augen funkelten humorvoll. „Und es wird Ihnen noch mehr leid tun, wenn Henrietta erst mit Ihnen fertig ist, das versichere ich Ihnen. Sie schätzt es nämlich absolut nicht, wenn man sie in die Wildnis verfrachtet.“

Inzwischen hatte Sasha sich von ihrer Verblüffung erholt und reagierte voller Hohn auf die unterschwellige Drohung. „Ach ja? Dann ist sie hier am falschen Ort. Normalerweise sind die Insulaner Fremden gegenüber sehr hilfsbereit. Leider ist der hiesige Lebensstandard ein wenig rückständig. Akzeptiert man das nicht, hat man es ziemlich schwer. Ich wünsche Ihnen trotzdem einen schönen Aufenthalt.“

Sie wandte sich zum Gehen, doch der Fremde packte sie am Arm und drehte sie wieder zu sich herum. Sasha erstarrte unter seiner Berührung.

„Sie sind ganz schön kess.“

Sasha schaute ihn mit geheuchelter Unschuld an, während sie sich aus seinem Griff befreite. „Sollte das ein Kompliment sein?“

„Sie hätten es gemerkt, wenn es boshaft gemeint gewesen wäre.“

„So? Ich kenne Sie doch gar nicht.“ Unerschrocken hielt sie seinem prüfenden Blick stand.

„Dann sollten wir unverzüglich etwas daran ändern und uns besser kennen lernen.“ Er lächelte charmant.

Erstaunt bemerkte sie, dass ihr Herz schneller klopfte. Er flirtete mit ihr! Dabei hatte sie geglaubt, nach der morgendlichen Auseinandersetzung wären die Fronten verhärtet. „Haben Sie etwas mit dem Inselkrankenhaus zu tun?“, erkundigte sie sich kühl.

„Nein.“

Sie lächelte zuckersüß. „Dann sehe ich keinen Grund, weshalb wir uns besser kennen lernen sollten. Offenbar sind Sie nur auf der Durchreise …“

„Wir werden einen Monat oder länger hier bleiben, doch das ist unwichtig. Im Moment genießen wir diesen bezaubernden Abend, und da Sie die schönste Frau in diesem Raum sind, möchte ich gern mehr über Sie erfahren.“

Autor

Natalie Fox
Mehr erfahren