Nur eine Nacht voller Glück

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Urlaub im verschneiten Vermont erwartet die hübsche Laura - und ein Wiedersehen mit Quinn, der das Ziel ihrer Träume ist. Aber ein schlimmes Missverständnis hat ihn leider auch zu ihrem Feind gemacht …


  • Erscheinungstag 03.01.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743321
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Von dem Moment an, da Laura Maclane Quinn Mannion begegnete, herrschte Krieg zwischen ihnen.

Das ahnte sie jedoch noch nicht, als sie an jenem regnerischen Freitagabend den Taxifahrer entlohnte und zu dem Bürogebäude eilte, in dem Jonathan Ames seine Kanzlei unterhielt. Jonathan war Alexander Harringtons Anwalt gewesen und der einzige lebende Mensch – außer Laura –, der über ihre Beziehung zu Alexander informiert war. Der Rest der Welt mochte zwar darüber spekulieren, doch niemand hatte bislang die Wahrheit erraten – dass sie nämlich Alexander Harringtons leibliche Tochter war.

Laura hatte den Namen ihres Vaters nie gekannt, bevor ihre Mutter an Krebs gestorben war und genaue Anweisungen hinterlassen hatte, denen zufolge Alexander Harrington von ihrem Tod zu benachrichtigen sei. Er hatte sofort gewusst, wer Laura war, aber seine verständliche Überraschung war rasch unverhohlener Freude gewichen. Laura hingegen hatte seine Vaterschaft zunächst angezweifelt, doch ein Bluttest hatte sie eines Besseren belehrt. Sie war seine Tochter.

Sie selbst hatte kaum etwas über die Affäre gewusst, die zu ihrer Geburt geführt hatte, da ihre Mutter nie darüber gesprochen hatte. Erst Alexander erzählte ihr, dass er und ihre Mutter sich auf der Universität kennengelernt und unsterblich ineinander verliebt hatten. Sie hatten eine Weile zusammengelebt, bis er nach dem Tod seines Vaters hatte nach Hause reisen müssen. Es hatte Probleme gegeben, eines war zum anderen gekommen, und letztlich war er nie zurückgekehrt, hatte ihre Mutter nie wiedergesehen. Sie hatte ihm, aus welchen Gründen auch immer, die Schwangerschaft verschwiegen. Er hatte später geheiratet und eine eigene Familie gegründet, ohne zu ahnen, dass er bereits ein Kind hatte.

Man konnte nicht behaupten, dass Alexander versucht hätte, sich vor der Verantwortung zu drücken. Ihm war bewusst, dass er ihre Mutter schlecht behandelt und sie sich dadurch gerächt hatte, indem sie ihm die Existenz seines Kindes verschwiegen hatte. Beide Seiten hatten Fehler begangen, doch das war nun Vergangenheit.

Er kannte jetzt seine Tochter und war entschlossen, die verlorene Zeit wiedergutzumachen.

In den folgenden Monaten hatten sie so viel Zeit wie möglich zusammen verbracht, um mehr voneinander zu erfahren. Es war Laura zwar schwergefallen, sich an Alexanders Reichtum und gesellschaftliche Stellung zu gewöhnen, aber sie hatte ihn keine Sekunde darum beneidet. Wenn sie auf etwas eifersüchtig war, dann auf seine Familie, die sie nicht kannte. Sie hatte ihn nie gedrängt, sie ihrem Halbbruder und ihrer Halbschwester vorzustellen, obwohl sie sich danach sehnte, sie einmal zu treffen. Sie war als Einzelkind aufgewachsen und hatte sich mitunter recht einsam gefühlt. Alexander hatte ihr jedoch versprochen, dass sie eines Tages Teil dieser Familie sein würde. Zuerst musste er allerdings seiner Frau von ihr erzählen. Sie ahnte nichts von der kurzen Affäre ihres Ehemannes, die nunmehr fast dreißig Jahre zurücklag. Es wäre mit Sicherheit ein Schock für sie gewesen, und da Maxine Harrington an einem Herzfehler litt, hatte er einen günstigen Zeitpunkt für das Geständnis abwarten wollen.

Bis es so weit war, hatten sie diskret sein müssen, doch irgendwie war es den Sensationsreportern gelungen, Wind von den heimlichen Treffen zu bekommen. Kurz darauf hatte Laura ihr Foto in den Klatschspalten wiedergefunden – zusammen mit der scheinbar harmlosen Frage, wer diese Frau wohl sein mochte, die ständig in Gesellschaft des wohlhabenden Finanziers Alexander Harrington gesehen wurde. Bald schon hatte es die wildesten Gerüchte gegeben. Da es nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis jemand öffentlich behauptete, sie wären ein Liebespaar, hatte Alexander beschlossen, die Initiative zu ergreifen.

Bevor er jedoch die Wahrheit hatte enthüllen können, hatte er einen Schlaganfall erlitten, von dem er sich nicht mehr erholte. Ein paar Tage später war er im Alter von einundfünfzig Jahren gestorben.

Das hätte das Ende sein können, wäre da nicht noch Alexanders Testament gewesen. Es hatte Laura überrascht, dass er ihr ein beachtliches Vermögen hinterlassen hatte. Als die Presse davon erfuhr, bedachte man sie mit allerlei unschönen Bezeichnungen, unter anderem auch als Goldgräberin. Als ob sie hätte ahnen können, dass Alexander so plötzlich sterben würde! Laura musste sich notgedrungen damit abfinden, dass sie keine Möglichkeit hatte, die Behauptungen zu widerlegen. Erstens hätte jedes Dementi zu diesem Zeitpunkt unglaubhaft geklungen, und zweitens hatte sie Alexander versprochen, über ihre Beziehung zu schweigen, bis er seine Familie eingeweiht hatte.

Inzwischen waren einige Monate vergangen, und es war Gras über die Sache gewachsen. Laura hoffte jedoch noch immer, eines Tages Alexanders Familie kennenzulernen. Sie wusste nur nicht, wie sie es anstellen sollte.

Bis zu diesem Tag kannte nur Jonathan die Wahrheit, und deshalb betrachtete sie ihn auch als ihren besten Freund. Manchmal scheint er sogar mein einziger Freund zu sein, dachte sie wehmütig und klopfte sich die Regentropfen vom Mantel, bevor sie das Gebäude betrat.

Um diese späte Stunde war das Foyer leer, und Lauras Schritte hallten von den Wänden wider, als sie zu den Lifts eilte. Sie betrat die erste Kabine und drückte den Knopf für den dritten Stock. Die Aufzüge waren alt und nicht sonderlich schnell. Laura nutzte die Zeit und warf einen Blick in den Spiegel, um den Schaden zu begutachten, den der Regen verursacht haben könnte. Es gab kaum etwas zu richten.

Ihr blondes Haar lockte sich zu einem schimmernden Bob bis kurz unter die Ohren und ließ ihr herzförmiges Gesicht noch zarter wirken. Die grauen Augen mit den langen dichten Wimpern verliehen ihr einen unschuldigen Ausdruck, während ein leicht spöttisches Lächeln ihre Lippen umspielte. Unter dem schlichten Wollmantel trug sie ein schwarzes Cocktailkleid, das ihre wohlgeformte Figur und ihre langen Beine perfekt zur Geltung brachte.

Sie fand, dass sie für eine achtundzwanzigjährige Innenarchitektin sehr gut aussah. Bei diesem Gedanken verzog sie das Gesicht. Erst unlängst hatte sie gehört, wie eine der Gesellschaftslöwinnen abfällig bemerkte, jede Frau würde gut aussehen, vorausgesetzt, sie verfüge über das notwendige Kleingeld, um in den besten Boutiquen einzukaufen.

Die Anspielung war unmissverständlich gewesen. Die Damen der guten Gesellschaft ignorierten geflissentlich die Tatsache, dass Laura mit ihrer Freundin Anya Kovacs eine überaus erfolgreiche Firma führte. Anfänglich hatte Laura das Schlimmste für ihre gemeinsame berufliche Zukunft befürchtet, doch der Skandal hatte das Geschäft absolut nicht beeinflusst – im Gegenteil. Der Grund hierfür war schon bald offenkundig geworden: Jede ihrer Kundinnen hoffte, wenigstens ein winziges pikantes Detail von ihr zu erfahren. Sie waren alle enttäuscht worden. Laura hatte die Zähne zusammengebissen und kein Wort verraten. Ein paar Kundinnen waren nicht mehr gekommen, aber nicht so viele, wie sie erwartet hatte. Die übrige Klientel war ihnen treu geblieben, weil sie gute Arbeit lieferten.

Der Aufzug hielt an. Laura stieg aus und wandte sich nach links. Durch den Spalt unter der Tür zu Jonathans Büro fiel ein Lichtschein. Laura seufzte. Jonathan war ein brillanter Anwalt, doch wenn er an einem Fall arbeitete, hatte er ein Gedächtnis wie ein Sieb, was seine Umwelt anging. An diesem Abend hätte er sie beispielsweise vor einer Stunde abholen sollen, um mit ihr die Eröffnung einer neuen Kunstausstellung zu besuchen. Für danach war eigentlich ein gemeinsames Abendessen geplant gewesen. Laura ärgerte sich ein wenig, weil sie ihn vorher nicht noch einmal angerufen hatte, doch sie hatte angenommen, er würde sich an die Verabredung erinnern.

Als sie die Tür öffnete, saß Jonathan, wie sie es vermutet hatte, über seinen Schreibtisch gebeugt und war ganz in eine Akte vertieft. Sein braunes Haar war zerzaust, so als wäre er pausenlos mit den Fingern hindurchgefahren. Eine Tasse mit kaltem Kaffee und ein Teller mit einem vertrockneten Donut standen vergessen neben dem Telefon.

„Ich dachte mir, dass ich dich hier finden würde“, sagte sie trocken.

Verblüfft hob er den Kopf. „Laura? Was, um alles in der Welt ?“ Angesichts ihrer Garderobe dämmerte ihm die Wahrheit. Er schlug sich mit der Hand auf die Stirn und stand auf. Mit zerknirschter Miene eilte er ihr entgegen. „Es tut mir leid. Wir sollten heute zu dieser Vernissage, oder?“ Er küsste sie auf die Wange.

„Genau.“ Seufzend strich sie ihm das Haar aus der Stirn. „Du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall. Was ist diesmal dazwischengekommen?“

„Ich.“

Der Klang der fremden, etwas heiseren, aber nichtsdestotrotz wohltönenden Männerstimme ließ Laura herumfahren. Der Mann stand an der Tür zu Jonathans privatem Waschraum. Da hinter ihm noch das Licht brannte, war von ihm kaum mehr als eine Silhouette zu erkennen.

„Wer sind Sie?“, fragte sie, schärfer als beabsichtigt.

Jonathan räusperte sich unbehaglich. „Irgendwann musste es ja mal passieren“, meinte er und stellte sie vor. „Das ist Quinn.“

„Quinn?“, wiederholte sie ungläubig.

„Ja.“

Laura hatte schon viel über Alexanders Patensohn, Quinn Mannion, gehört. Blitzschnell rief sie sich die Fakten ins Gedächtnis: sechsunddreißig Jahre, ehemaliger Enthüllungsjournalist, der jetzt Politthriller schrieb, die ihn regelmäßig an die Spitze der Bestsellerlisten katapultierten und ihm ein Millionenvermögen einbrachten. Wie die meisten Schriftsteller liebte er die Einsamkeit und lebte irgendwo an der Küste von Maine. Es wurden ihm unzählige Affären nachgesagt, doch geheiratet hatte er nie. Sie war gespannt, wie er wohl aussehen mochte, und wartete mit angehaltenem Atem, dass er endlich in den Schein der Schreibtischlampe trat.

Sie traute ihren Augen kaum. Das war Quinn Mannion?

Vor ihr stand ein großer, dunkelhaariger Mann mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Über dem handgestrickten Pullover trug er eine Lederjacke, die Jeans umschlossen seine muskulösen Schenkel wie eine zweite Haut. Er strahlte eine ungeheure Selbstsicherheit aus, die fast an Arroganz grenzte. Laura betrachtete sein Gesicht. Trotz der harten Züge war es atemberaubend attraktiv. Nur der erstaunlich sinnliche Mund verlieh ihm einen etwas weicheren Ausdruck – und seine blauen Augen.

Es waren die blauesten Augen, die Laura je gesehen hatte. Augen, in deren Tiefen man sich am liebsten verlieren würde … Die dichten langen Wimpern wirkten nicht im Mindesten feminin. Im Gegenteil, alles an ihm war ausgesprochen männlich. Quinn Mannion war ein wahres Prachtexemplar, und tief in Laura erwachte etwas zum Leben. Sie war sich plötzlich seiner Nähe so bewusst, dass ihre Sinne aufs Äußerste geschärft waren. Sie wusste, dass sie selbst mit verbundenen Augen spüren würde, wenn er sich im selben Raum aufhielt wie sie.

Diese Erkenntnis war für sie gleichermaßen erschreckend und aufregend. Natürlich wusste sie einen attraktiven Mann zu schätzen, aber noch nie war sie sich eines anderen Menschen so überdeutlich bewusst gewesen. Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen. Dies war sexuelle Anziehungskraft in ihrer reinsten Form, und die Intensität dieses Gefühls raubte ihr buchstäblich den Atem.

Wie gebannt – ähnlich einem Kaninchen, das einer Schlange begegnet –, blickte sie Quinn Mannion entgegen, der mit funkelnden Augen auf sie zukam. Dicht vor ihr blieb er stehen.

„Soso … Laura Maclane in Fleisch und Blut. Die Fotos in den Zeitungen werden Ihnen nicht gerecht“, fügte er verächtlich hinzu.

Trotz des kühlen Tonfalls rief seine Stimme in Laura Visionen von dunkler, bittersüßer Schokolade hervor. Sinnlich, köstlich und unendlich verführerisch. Rasch verdrängte sie diese gefährlichen Gedanken.

„Verraten Sie mir eines, Laura: Genießen Sie die Früchte Ihrer Arbeit?“

Die unvermittelte Frage brachte sie aus der Fassung. Sie hatte ihn mit ein paar freundlichen Worten begrüßen wollen, denn schließlich war dieser Mann so etwas wie ein entfernter Verwandter. Seine Bemerkung zeigte ihr jedoch, dass sie von ihm keinerlei Entgegenkommen erwarten durfte. Das kränkte sie wie jede Ungerechtigkeit, und es machte sie wütend. Er will es nicht anders, dachte sie. Nun, sie würde mit jeder Herausforderung fertig werden.

„Arbeit?“

Er ließ den Blick ungebührlich lange auf ihren Lippen verweilen. „Ich meine die großartige Leistung, die Sie zwischen den Laken mit einem Mann vollbracht haben, der alt genug war, um Ihr Vater zu sein“, erklärte er lässig.

„Quinn!“, warf Jonathan warnend ein, doch Laura hob abwehrend die Hand.

Sie brauchte keinen Beschützer, obwohl die Worte sie schmerzten. „Ist schon gut, Jonathan. Was Mr Mannion offen gesagt hat, wurde bereits hinter meinem Rücken getuschelt. Die Antwort auf Ihre Frage lautet Ja. Ich genieße die Früchte meiner Arbeit“, erklärte sie nachdrücklich. Er ahnte natürlich nicht, dass sie damit auf ihre Firma und nicht auf die angebliche Affäre mit seinem Paten anspielte.

„Ich hätte nicht vermutet, dass Sie so ehrlich sein würden“, erwiderte er kalt.

Laura lächelte zufrieden. Zum ersten Mal seit Alexanders Tod war es ihr gelungen, sich gegen die Unterstellungen zur Wehr zu setzen. Sie merkte, dass es ihr sogar Spaß machte, allzu taktlose Plagegeister – insbesondere diesen – in die Irre zu führen. Diese Genugtuung lenkte sie ein wenig von ihrer verwirrenden Reaktion auf seine Nähe ab.

„Oh, ich stecke voller Überraschungen“, versicherte sie spöttisch. Es fiel ihr erstaunlich leicht, in die ihr von ihm zugedachte Rolle zu schlüpfen. Monatelang hatte sie zu diesem Thema eisern geschwiegen, und es verschaffte ihr ungeheure Erleichterung, sich endlich in ein Wortgefecht einlassen zu können. Wenn Quinn Mannion einen Kampf wollte, sollte er ihn bekommen.

Sein Lächeln erinnerte sie an einen Tiger – und zwar an einen sehr hungrigen. „Darauf könnte ich wetten. Wie haben Sie es eigentlich geschafft, ihn in die Falle zu locken? Ein so intelligenter Mann wie Alexander hätte Ihre Tricks doch sofort durchschauen müssen.“

Sie presste die Lippen zusammen. Verdammt, er nahm wirklich kein Blatt vor den Mund! „Wollen Sie all die schmutzigen Details hören, oder genügt Ihnen ein kurzer Überblick?“, erkundigte sie sich zuckersüß.

„Ich bin schon ein großer Junge. Sie brauchen keine Angst zu haben, dass ich rot werde.“

„Ich bezweifle, dass Sie jemals rot geworden sind, Mr Mannion.“

„Quinn“, korrigierte er sie trügerisch sanft.

Zum ersten Mal in ihrem Leben spielte Laura mit dem Gedanken, einen Mord zu begehen. „Sind Sie sicher, dass wir bereits intim genug miteinander sind, um uns mit dem Vornamen anzureden?“, konterte sie kokett.

Er lachte zynisch. „Seien Sie versichert, dass wir beide nie intim miteinander sein werden, aber in Anbetracht der Umstände können wir wohl auf Formalitäten verzichten.“

Laura schenkte ihm ein betörendes Lächeln. „Nun gut, dann eben Quinn“, hauchte sie verführerisch. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass Jonathan sie entgeistert anstarrte.

„Lass das, Laura“, warnte er sie. Er wusste genau, dass Quinn ein gefährlicher Gegner war, doch ehe er noch etwas hinzufügen konnte, antwortete sein Freund bereits.

„Er hat recht. Es wäre nicht klug, Ihre weiblichen Reize bei mir spielen zu lassen, Laura.“

Ohne Jonathan weiter zu beachten, wagte Laura sich noch weiter vor. „Warum denn nicht? Es könnte doch recht amüsant sein.“ Sie strich mit den Fingerspitzen herausfordernd am Reißverschluss von Quinns Jacke auf und ab – und fragte sich insgeheim, woher sie den Mut dazu nahm.

Mit angewiderter Miene stieß er ihre Hand fort. „Glauben Sie mir, es würde Ihnen nicht gefallen.“

Allmählich begann sie, die Situation zu genießen, und klimperte mit den Wimpern. „Sie wissen doch gar nicht, was ich mag.“ Ihre Stimme glich fast einem Schnurren.

Er verzog geringschätzig die Lippen. „Ich kann es mir trotzdem lebhaft vorstellen. Vergessen Sie’s!“

Laura seufzte vorwurfsvoll, als wollte sie damit andeuten, dass sie ihn für einen Spielverderber hielt. „Na schön, wo war ich stehen geblieben?“

„Sie wollten mir gerade erzählen, wie sie meinen Patenonkel bezirzt haben, Ihnen all das Geld zu hinterlassen“, erwiderte Quinn.

Nun, das würde sie ihm garantiert nicht verraten. Sie hatte nichts für Menschen übrig, die voreilige Schlüsse zogen. Quinn wusste nichts über sie, außer den Spekulationen, die er in den Zeitungen gelesen hatte, und dennoch schenkte er dem Klatsch Glauben. Da er sein Urteil über sie bereits gefällt hatte, würde sie ihre Zeit nicht damit verschwenden, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

„Ich habe die Gaben genutzt, die der liebe Gott mir mitgegeben hat“, behauptete sie stattdessen kühn und wunderte sich nicht im Mindesten, dass ihr Gegenüber sie anzüglich musterte.

„Mit denen Sie im Übermaß gesegnet sind“, bestätigte er. „Ich hätte nicht gedacht, dass mein Patenonkel so leicht einzufangen wäre.“

Trotz ihres wachsenden Ärgers lächelte sie. „Alexander hat genau das bekommen, was er von mir wollte. Soll ich deutlicher werden?“, erkundigte sie sich provozierend. Es war erstaunlich leicht, diesen Mann zu hassen, obwohl sein Sex-Appeal ihr die Knie weich werden ließ.

„Ich verzichte dankend.“ Er sah sie an, als wäre sie ein ekliges Insekt, das plötzlich unter einem Stein hervorgekrochen war.

Die Versuchung, ihn noch weiter zu reizen, wurde übermächtig. „Jonathan und ich sind zum Dinner verabredet. Wollen Sie uns nicht Gesellschaft leisten?“, schlug sie liebenswürdig vor.

Jonathan erbleichte.

„Tut mir leid, ich kann nicht.“ Quinn blickte auf seine goldene Rolex. „Ich habe noch einen Termin und bin schon spät dran.“

Ihr enttäuschtes Lächeln war genauso aufrichtig wie sein Bedauern. „Wie schade. Vielleicht ein andermal?“ Sie reichte ihm die Hand.

Da er diese Geste unmöglich ignorieren konnte, ergriff er ihre Finger. Haut berührte Haut, und Laura hatte auf einmal das Gefühl, unter Strom zu stehen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und das Blut schien schneller und heißer durch ihren Körper zu pulsieren. Es war eine absolut überwältigende Erfahrung.

Als Quinn ihre Hand schließlich freigab und sich zu Jonathan umwandte, zitterte Laura. Noch nie im Leben hatte sie sich so verletzlich gefühlt. Erschütterte blickte sie auf ihre noch immer prickelnde Handfläche. Gütiger Himmel, dachte sie benommen, wie kann eine einfache Berührung eine solche Reaktion hervorrufen?

„Was, um alles in der Welt, ist in dich gefahren?“ Jonathans empörte Stimme riss Laura aus ihren Grübeleien. Sie waren allein. Quinn war gegangen.

„Wie bitte?“ Sie konnte noch immer nicht fassen, was soeben passiert war. Zum Glück war Quinn Mannion verschwunden. Sie wollte ihn nie wiedersehen.

Jonathan fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Du hast dich wie eine Verrückte aufgeführt, Laura!“, rief er ungläubig.

„Ich habe mich so benommen, wie er es von mir erwartet hat“, verteidigte sie sich.

„Du hättest ihn auch enttäuschen können.“

Laura war klar, dass sie sich damit keinen Gefallen getan hatte, aber der Mann hatte sie von Anfang an auf die Palme gebracht, und sie bereute keine Silbe. Im Gegenteil, sie würde mit dem größten Vergnügen noch einmal so reagieren.

„Seine Unterstellungen haben mich geärgert.“

Jonathan schnaufte verächtlich. „Was du nicht sagst.“

„Es besteht kein Anlass, sarkastisch zu werden“, tadelte sie ihn. „Du weißt genau, dass ich ihm nicht die Wahrheit erzählen konnte.“

„Mag sein, aber deshalb hättest du ihn nicht gleich so schamlos anzulügen brauchen.“

Unbehaglich massierte sie die noch immer kribbelnde Handfläche. „Ich habe doch gar nichts gesagt“, protestierte sie.

Jonathan schüttelte den Kopf. „Glaub mir, deine Andeutungen waren unmissverständlich. Quinn hält dich jetzt für eine Goldgräberin der übelsten Sorte.“

Resigniert hob sie die Hände. „Na schön, ich habe einen Fehler gemacht. Ich konnte einfach nicht anders. Entweder das, oder ich hätte ihm eins auf die Nase geben müssen.“

Endlich lächelte Jonathan. „Alles in allem wäre es wohl besser gewesen, du hättest ihn verprügelt“, meinte er.

Laura lachte, wurde jedoch gleich wieder ernst. „Was hat er hier überhaupt gewollt? Ich wäre fast in Ohnmacht gefallen, als ich ihn bei dir angetroffen habe.“ Obwohl sie über alle Mitglieder von Alexanders Familie informiert war und gehofft hatte, sie eines Tages kennenzulernen, hatte sie nicht erwartet, dass dies einmal auf diese Weise geschehen würde.

Jonathan begann seinen Schreibtisch aufzuräumen. „Er hat mir eine Nachricht von Maxine überbracht.“

„Wie schön für dich!“ Sogleich schämte Laura sich für die spöttische Antwort, schließlich hatte sie nichts gegen Alexanders Witwe. Daran war nur das unselige Zusammentreffen mit Quinn schuld.

„Ich bin zufälligerweise ein enger Freund der Familie, und man hat mich wie üblich eingeladen, das Weihnachtsfest mit ihnen zu verbringen.“

Sie war aufrichtig erstaunt. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass du die Familie so gut kennst.“

„Die Kanzlei Ames and Ames berät die Harringtons schon seit mehreren Generationen in rechtlichen Angelegenheiten. Das gemeinsame Weihnachtsfest ist so etwas wie eine Tradition. Ich konnte unmöglich ablehnen“, fügte er beinahe entschuldigend hinzu.

„Nein, natürlich nicht“, versicherte sie rasch. „In diesem Jahr wird es sicher nicht sehr lustig werden.“

„Traurig wäre wohl eine bessere Beschreibung. Es ist das erste Fest ohne Alexander. Wusstest du eigentlich, dass Philip und Stella das Testament anfechten wollten?“

„Nein! Weshalb denn, um alles in der Welt?“ Der bloße Gedanke, jemand könnte behaupten, Alexander Harrington sei nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen, machte sie wütend. „Was sagt Maxine dazu?“

Jonathan schmunzelte über Lauras Empörung. Sie klang fast wie eine Löwenmutter, die ihr Junges bedroht sieht. Alexander hätte seine helle Freude daran gehabt, wie seine älteste Tochter ihn verteidigte. „Sie war dagegen. Maxine ist eine Dame. Sosehr sie die Person auch verachten mag, für die sie dich hält, sie würde niemals Alexanders Entscheidung anzweifeln. Du würdest sie mögen.“ Laura entspannte sich wieder. „Ich möchte sie alle mögen. Ich will sie kennenlernen. Sie sind meine Familie, aber wie soll ich ihnen das klarmachen? Ich kann schließlich nicht einfach damit herausplatzen. Der Schock würde Maxine womöglich umbringen. Ach, es ist alles so ein schreckliches Durcheinander.“

„Stimmt, aber irgendwann wirst du es ihnen sagen können.“ Laura schüttelte den Kopf. Tränen stiegen ihr in die Augen, wie jedes Mal, wenn sie an Alexander dachte. Es erstaunte sie immer wieder, wie sehr sie ihren Vater vermisste, obwohl sie ihn kaum gekannt hatte. „Er war ein guter Mann, oder?“

„Einer der besten“, bestätigte Jonathan und legte ihr den Arm um die Schultern.

Sie bemühte sich, ihren Kummer zu verdrängen. „Alexander erwähnte einmal, dass die Familie die Weihnachtsfeiertage stets in ihrem Haus in Vermont verbringt.“

„Ja, wir reisen alle ein oder zwei Tage vor dem Fest an und bleiben bis nach Neujahr.“

Sie seufzte. Ein richtiges Familientreffen. Sie hätte alles darum gegeben, dabei sein zu dürfen. Als Kind hatte sie sich immer danach gesehnt, Teil einer großen Familie zu sein, doch sie hatte nur ihre Mutter gehabt. Sie hatte gehofft, in diesem Jahr würde sich das vielleicht ändern, aber nach Alexanders Tod Sie war wieder allein.

„Ich nehme an, du darfst keinen Gast mitbringen, oder?“ Der kühne Plan, der ihr plötzlich in den Sinn kam, ließ ihr den Atem stocken.

„Ich könnte schon“, räumte er zögernd ein. Lauras sonderbarer Gesichtsausdruck machte ihn stutzig. „Warum fragst du?“

Sie atmete tief durch. „Was hältst du von einer netten Reisebegleiterin?“

„Das ist nicht dein Ernst!“

„Ich werde kein Wort verraten“, beteuerte sie. „Ich möchte sie nur kennenlernen und ihnen eine Gelegenheit geben, mich kennenzulernen.“

Entsetzt hob er die Hände. „Oh nein, auf gar keinen Fall!“

„Bitte“, flehte sie. „Ich werde ganz brav sein. Du wirst nicht einmal merken, dass ich da bin.“

„Um mich geht es dabei nicht. Die Familie wird etwas dagegen haben.“

Sie biss sich auf die Lippe. Er hatte recht. Und trotzdem musste sie es tun. „Sie können mich schlecht fortschicken, wenn ich mit dir komme“, behauptete sie, obwohl sie keineswegs davon überzeugt war.

„Stimmt, aber … gütiger Himmel, Laura, hast du es dir auch gut überlegt? Es dürfte nicht sehr angenehm für dich werden.“

Allmählich begeisterte sie sich immer mehr für diese Idee. Wenn sie ihnen zeigen konnte, dass sie nicht das Monster war, für das man sie hielt, würden sie auch aufgeschlossener für die Tatsachen sein, die sie ihnen enthüllen wollte. Außerdem wäre sie weitaus besser in der Lage, Maxines Reaktion abzuschätzen. War es wirklich zu viel verlangt?

„Ich weiß, aber ich werde damit fertig.“

Jonathan stöhnte leise. „Ich muss den Verstand verloren haben.“

Laura umarmte ihn überschwänglich. „Danke. Du bist ein wunderbarer Mann.“

„Übertreib es nicht“, warnte er sie eindringlich und schüttelte erneut den Kopf. „Ich weiß, ich werde es bereuen.“

„Das wirst du nicht. Dies ist die Chance, auf die wir gewartet haben. Wann sollst du dort sein?“

„Nächsten Mittwoch.“ Er versuchte ein letztes Mal, sie umzustimmen. „Bist du sicher, dass du das Richtige tust?“

Laura presste die Hand auf ihr wie wild klopfendes Herz. „Nein, aber ich werde es dennoch tun.“

Resigniert fügte Jonathan sich in das Unvermeidliche. „Ich werde dich gegen sieben in deinem Apartment abholen.“

„Du wirst ihnen doch nicht verraten, dass ich komme, oder?“

„Nein. Es ist klüger, sie zu überraschen – früher wurden nämlich die Überbringer schlechter Nachrichten manchmal erschossen.“ Er schloss die Akten, die er vorhin gelesen hatte, im Schreibtisch ein. Dann nahm er seinen Mantel vom Garderobenständer. „Wollen wir jetzt essen gehen?“

„Meinst du, unser Tisch ist noch frei?“, fragte Laura. Jonathan lachte. „Nein. Mir fiel ein, was bei unserer letzten Verabredung passiert ist, und deshalb habe ich den Tisch für eine Stunde später reservieren lassen. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch.“ Er reichte ihr den Arm.

„Du bist ein cleverer Bursche.“

„Wenn ich so clever wäre, hätte ich mich nicht von dir überreden lassen, eine Katze in den Taubenschlag zu schmuggeln.“

„Ich bin eine sehr sanfte Katze“, versicherte Laura treuherzig. „Hm Erzähl das den Tauben.“

Autor

Amanda Browning
Amanda Browning ist ein überzeugter Single und lebt am Rande der englischen Grafschaft Essex in dem Haus, in dem sie auch aufgewachsen ist. Sie hat engen Kontakt zu ihrer Familie und ist begeisterte Großtante von insgesamt 18 Neffen und Nichten. Ihre absoluten Lieblinge sind die beiden Enkel ihrer Zwillingsschwester.

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