Romanze in Kenia

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Die bezaubernde Georgette Bainbridge soll in Kenia mit dem bekannten Fotografen Karel Lukas zusammenarbeiten - einem Mann, den sie viel zu arrogant, aber auch viel zu erotisch und aufregend findet …


  • Erscheinungstag 30.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757632
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Lukas?“ Georgette Bainbridge war entsetzt. „Du willst, dass ich für Lukas arbeite?“ Der Tag, der ohnehin schon schlecht begonnen hatte, entwickelte sich zur Katastrophe. „Das meinst du nicht im Ernst!“

Sir Charles Bainbridge warf seiner jüngsten Tochter die Morgenzeitung über den Schreibtisch zu. „Ich habe genug von diesem Unfug. Es wird Zeit, dass du aufhörst, dich und mich zum Gespött der Leute zu machen.“

George brauchte sich die Zeitung gar nicht erst anzusehen. Sie erinnerte sich nur zu gut an den Zwischenfall und hatte selbst jetzt noch das Gefühl, die Hand des Beamten zu spüren, der sie unsanft in den Polizeiwagen bugsiert hatte, nachdem es bei der Demonstration zu gewalttätigen Zusammenstößen gekommen war.

Ihr Vater wies empört auf die Zeitung. „Meine Geduld ist am Ende.“

George sah sich in dem teuer eingerichteten Büro um. „Was weißt du hier oben in deinem Elfenbeinturm schon von dem, was dort unten vor sich geht?“ Sie deutete aufgebracht zum Fenster.

„Ich weiß sehr viel besser als du, was in der Welt vor sich geht“, erwiderte ihr Vater mit eisiger Stimme. „Was habt ihr mit euren Demonstrationen erreicht? Hast du für ein einziges misshandeltes Kind ein neues Zuhause gefunden? Oder auch nur einen Wal gerettet? Hast du einer einzigen Obdachlosenfamilie eine Wohnung besorgt?“

„Ja!“

„Lassen wir diese Leute aus dem Spiel, die du in deinem eigenen Haus einquartiert hast!“

George wollte heftig widersprechen, besann sich dann aber. Ein Krach mit ihrem Vater würde kaum dazu beitragen, ihn zu überzeugen, dass sie unmöglich für einen Mann wie Lukas arbeiten konnte.

„Nun, George? Warum sagst du nichts? Es geschieht nicht oft, dass du um Worte verlegen bist.“

Die Nacht in der Polizeizelle hatte sie doch mehr mitgenommen, als sie gedacht hatte. Sie ließ sich in den Sessel vor dem Schreibtisch sinken und las die Schlagzeile auf der Titelseite: „Millionärstochter bei Demonstration verhaftet.“

George seufzte. Der Marsch war friedlich verlaufen, bis eine Gruppe von Randalierern zu johlen und schubsen angefangen hatte. George hatte zur Kamera gegriffen, aber sie war ihr entrissen und zerschmettert worden. Daraufhin hatte George, blind vor Wut, um sich geschlagen.

„Sie haben meine Kamera zertrümmert“, erklärte sie in einem Anflug von Selbstmitleid.

„Ich hoffe, sie war versichert“, bemerkte ihr Vater trocken.

Seine Reaktion gab George zu denken. Natürlich hatte sie nicht erwartet, dass er begeistert sein würde, doch zum ersten Mal schien er wirklich erzürnt zu sein. Bisher hatte er sich über die Zusammenstöße eher amüsiert, in die sie beim Kampf für das eine oder andere Anliegen verwickelt worden war.

George versuchte, ihren Vater auf ihre Seite zu ziehen. „Darum geht es doch gar nicht, Dad. Diese Rowdys haben eine friedliche Demonstration missbraucht, weil sie einen Nervenkitzel brauchten und sich abreagieren wollten …“

„Genug!“ Sir Charles regte sich selten auf, jetzt aber wurde es ihm zu bunt. „Das reicht, Georgette.“

Sie zuckte zusammen. Wenn er sie so nannte, war die Situation bitterernst. „Es tut mir leid“, sagte sie zerknirscht.

Ihr Vater lächelte ironisch. „Natürlich, George. Es tut dir immer leid.“ Er stand auf und ging durch sein elegantes Büro zu der breiten Fensterfront mit Blick auf den Fluss. Insgeheim musste er sich eingestehen, dass George mit ihrem Elfenbeinturmvergleich nicht ganz unrecht hatte. Dennoch war er natürlich nicht so ahnungslos, wie sie glaubte. Er drehte sich zu ihr um. „Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft du mir gesagt hast, es würde dir leidtun. Es tat dir leid, als du vom Internat verwiesen wurdest. Was war noch der Grund dafür?“

„Katzenbabys. Der Gärtner wollte sie ertränken“, erinnerte George ihren Vater.

„Ach ja, Katzenbabys“, sagte er voller Ironie. „Wie konnte ich das nur vergessen? Du hattest zur Protestaktion aufgerufen, ein Banner über das Schultor gespannt und diverse Streikposten davor aufgestellt. Ein bemerkenswertes Organisationstalent für eine Dreizehnjährige.“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Ein Jammer, dass du deine Fähigkeiten so verschwendest. Du könntest längst einen leitenden Posten bekleiden.“

George war empört. „Es wäre unmenschlich gewesen, die Tierchen zu ertränken. Sie hätten die Mutter sterilisieren lassen sollen, wenn sie keinen Nachwuchs wollten. Außerdem hätte die Aufregung sich schnell wieder gelegt, wenn Heather James nicht die ‚Sun‘ angerufen hätte.“

„Deine erste Schlagzeile. Sag mal, sammelst du die Zeitungsausschnitte eigentlich?“

George sah, dass es um die Lippen ihres Vaters verräterisch zuckte. „Nein.“

„Schade. Das wäre sicher eine unterhaltsame Lektüre gewesen.“ Er runzelte die Stirn. „Leider nicht für mich.“ Als er schwieg, hoffte George, das Thema wäre damit erledigt, doch sie hatte sich zu früh gefreut. „Es tat dir auch leid, als sie dich von der Kunstschule warfen. Mir auch. Ich hätte mir gewünscht, dass du die Abschlussprüfung ablegtest.“

„Ich habe den Kurs zu Ende gemacht“, versuchte George sich zu rechtfertigen. „Prüfungen sind eine altmodische Form der Leistungsbeurteilung.“

„Mag sein. Aber du bist begabt, George. Wenn du das Stück Papier bekommen hättest, dann hättest du diese Begabung weiterentwickeln können, statt deine Zeit mit einer Horde …“

„Sie sind meine Freunde“, nahm George sie hitzig in Schutz.

„Hm. Aber über sie wollte ich mit dir eigentlich nicht reden.“ Sir Charles sah sie eindringlich an. „Ist dir klar, dass die Unterhaltskosten für dein Häuschen in Paddington fast so hoch sind wie die für ‚Odney Place‘?“

George wand sich innerlich. Die Villa ihrer Familie hatte zwanzig Zimmer und fünf Angestellte. „Ich habe nun mal viele Münder zu füttern“, verteidigte sie sich.

„Und womit? Mit geräuchertem Lachs?“ Ihr Vater ließ die Faust krachend auf die Schreibtischplatte sausen. „Du bist einundzwanzig, George. Inzwischen müsstest du gelernt haben, dass du dir nicht alle Probleme dieser Welt aufbürden kannst.“ Doch dann schien ihm sein Ausbruch leidzutun, denn er fuhr beherrscht fort: „Aber das kannst du nicht. Was deinen neuesten Plan betrifft, deine Rücklagen anzuzapfen, um ein Obdachlosenasyl zu gründen …“

George blickte ihn verblüfft an. „Woher weißt du davon?“ Sie wartete seine Antwort nicht ab. „Ich möchte etwas tun, Dad. Während du hier sitzt und Geld scheffelst, laufen in den Straßen Kinder herum, die betteln müssen!“

Sir Charles seufzte. „Es gibt eine Menge Dinge auf dieser Welt, die nicht in Ordnung sind, George, aber so wirst du sie nicht ändern.“ Er deutete auf die Zeitung, die zwischen ihnen auf dem Schreibtisch lag. „Schämst du dich eigentlich nicht? Es ist schon schlimm genug, dass man dich verhaftet hat. Aber warum hast du nicht angerufen, statt die Nacht im Gefängnis zu verbringen?“

„Hättest du für die anderen auch eine Kaution hinterlegt?“ Als ihr Vater schwieg, zuckte George die Schultern. „Wohl kaum.“ Sie war müde und verschmutzt und sehnte sich nach einem Bad, um den penetranten Desinfektionsmittelgeruch aus dem Polizeigefängnis loszuwerden, der ihrer Kleidung anhaftete.

Sie stand auf, ging zu ihrem Vater und nahm seine Hand. „Komm schon, Dad. So schlimm ist es doch auch wieder nicht.“ Um ihn zu besänftigen, setzte sie ihr ganz besonderes Lächeln ein, das seine Wirkung auf ihn noch nie verfehlt hatte. Doch diesmal reagierte er nicht.

„Nicht jeder hat es so gut wie du, George. Die meisten müssen Tag für Tag zur Arbeit gehen, ob ihnen das passt oder nicht. Sie genießen nicht den Luxus, über ein Privateinkommen zu verfügen.“ Sir Charles betrachtete ihr zerzaustes Aussehen und schüttelte den Kopf. „Bei dir würde das auch keiner vermuten. Warum kannst du nicht so wie deine Schwestern sein?“

George gab einen verächtlichen Laut von sich. „Elegante Kleider, Babys und Hunde?“ Sie bemerkte den Gesichtsausdruck ihres Vaters und hob abwehrend die Hände. „Ja, ja, du brauchst es nicht zu wiederholen. Ich weiß nicht zu würdigen, was ich an euch habe und wie glücklich ich mich schätzen müsste.“

„Nun, vielleicht lernst du es bald. Ich habe deine Kreditkarten sperren lassen. Und auch dein Bankkonto.“

Es wurde plötzlich ganz still im Zimmer. George musste erst einmal verarbeiten, was ihr Vater da gesagt hatte. Dann schüttelte sie fassungslos den Kopf. „Wie kannst du mir das antun? Dazu bist du doch gar nicht berechtigt …“ Sie strich sich die langen Haarsträhnen zurück, die sich aus ihrem etwas verunglückten Zopf gelöst hatten, den sie sich in der Zelle geflochten hatte.

„Offenbar doch. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass man dich nicht länger als“, ihr Vater schien seine Worte sehr sorgfältig zu wählen, „vernünftige, verantwortungsbewusste Person bezeichnen kann. Ich hoffe, dass das nur eine vorübergehende Verirrung ist.“

„Aber das kannst du nicht tun!“ George sah den unerbittlichen Ausdruck in seinen Augen und fuhr beunruhigt fort: „Ich habe Rechnungen zu zahlen, Verantwortungen …“

„Deine Rechnungen werden bezahlt, nachdem ich sie abgezeichnet habe“, schnitt Sir Charles ihr das Wort ab. „Und deine Verantwortungen wohnen mietfrei. Jetzt werden sie sich einmal eine Weile selbst um etwas zu essen kümmern müssen.“ Er schlug die Mappe vor sich auf. „Dir geht es besser als den meisten anderen. Wie gesagt, ich habe dir einen Job besorgt. Es handelt sich leider nur um eine vorübergehende Tätigkeit als Lukas’ Assistentin bei Außenaufnahmen. Aber man muss halt nehmen, was man bekommt. Vielleicht lernst du in Afrika, dass es Schlimmeres gibt als unseren Wohlfahrtsstaat.“

Fieberhaft suchte George nach einem Ausweg aus ihrem Dilemma. Eins stand fest: Auf keinen Fall würde sie für Lukas arbeiten.

„Also, George.“ Der Tonfall, in dem ihr Vater plötzlich sprach, verhieß nichts Gutes. „Deine Maschine geht noch heute Abend. Im Norfolk Hotel in Nairobi ist ein Zimmer für dich gebucht …“

„Nairobi?“ Sie horchte interessiert auf.

„Mr. Lukas holt dich ab, sobald er kann.“

Der Name sorgte sofort für eine Ernüchterung, und sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, Dad. Es hat keinen Zweck. Nicht mit Lukas. Ich kann mit ihm nicht zusammenarbeiten.“

Die Augen ihres Vaters verengten sich. „Deinen Einwänden nach zu urteilen kennst du den Gentleman offenbar schon.“

„Gentleman?“ Das war ungefähr das Letzte, als was sie Lukas bezeichnen würde. Natürlich kannte sie ihn bereits. Von einer Begegnung, die sie liebend gern vergessen würde. Ihr blieb nichts anderes übrig, als an das weiche Herz ihres Vaters zu appellieren. „Bitte, Dad …“

„Ja?“ Sir Charles wartete.

George holte tief Luft. „Ich habe ihn mit einem Beutel Mehl beworfen, als er bei einem internationalen Schönheitswettbewerb als Preisrichter auftrat.“

Ihr Vater lachte schallend. „Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dich mit einer Kaution ausgelöst zu haben.“

„Er hat auf eine Anzeige verzichtet.“ George konnte ihren Vater nicht ansehen. Dieser Lukas hatte sie sich persönlich vorgenommen. Sehr persönlich.

Sir Charles blickte seine Tochter amüsiert an. „Da kannst du nur hoffen, dass er sich an die Geschichte nicht so genau erinnert, wie du es zu tun scheinst.“

George war sicher, dass Lukas den Zwischenfall ebenso wenig vergessen hatte wie sie. Verstand ihr Vater denn nicht, dass er Unmögliches von ihr verlangte? „Er ist ein unerträglicher Mensch. Ich weigere mich, etwas mit ihm zu tun zu haben.“

„Unerträglich oder nicht, er ist ein berühmter Fotograf, und ich bin sicher, du kannst eine Menge von ihm lernen.“ Ihr Vater stand auf und lehnte sich gegen den Schreibtisch. „Dieser Job wird nach all dem Unsinn, auf den du dich bisher eingelassen hast, eine ganz neue Erfahrung für dich sein. Wenn du wiederkommst und deine Sache gut gemacht hast“, er hob die Hand, als George ihn unterbrechen wollte, „bin ich bereit, über dein Obdachlosenprojekt zu reden.“

„Aber warum das Ganze ausgerechnet jetzt?“

Sir Charles betrachtete seine Lieblingstochter nachdenklich. Mit ihrem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit kam sie ganz ihrer Mutter nach. „Du brauchst eine neue Perspektive, ein echtes Ziel. Bisher hast du dich wahllos für alles eingesetzt, was dir nahe ging.“ Er lächelte nachsichtig. „Du hast ein gutes Herz, aber du verzettelst dich und vergeudest deine Energien, weil du zu viele Dinge gleichzeitig tun willst.“

George sah einen Hoffnungsschimmer. „Ich könnte mit dem Obdachlosenasyl gleich jetzt anfangen. Wenn du mich unterstützt, halte ich mich ab sofort von Protestkundgebungen fern, das verspreche ich dir.“ Sie lächelte gewinnend.

Doch ihr Vater blieb hart. „George. Diesmal bitte ich dich, einmal etwas für mich zu tun. Etwas, das dir liegt. Versuch, mich als gute Sache anzusehen.“ Auch er hatte dieses einnehmende Lächeln, wenn es um seine Belange ging. „Ich verlange doch gar nicht viel von dir. Gib dir Mühe, es Lukas recht zu machen.“ Er schlug einen scherzhaften Ton an. „Sonst weigert er sich unter Umständen beim nächsten Mal für mich zu arbeiten.“ Ehe sie etwas sagen konnte, drückte er ihr einen Umschlag mit dem Flugticket in die Hand. „Ich habe dir auch einige Reiseschecks dazugesteckt. Ein bisschen Taschengeld, sonst nichts.“

George ignorierte den Umschlag in ihrer Hand. „Und wenn ich mich weigere?“

Das Lächeln ihres Vaters verschwand. „Dann kannst du nur hoffen, dass deine Freunde auch so großzügig sind wie du.“

„Ich verstehe. Dann habe ich von dir keinen Penny mehr zu erwarten. Aber nun, da gibt es immer noch die Sozialhilfe.“

Sir Charles’ Blick verdüsterte sich. „Findest du nicht, dass es schon genug Bedürftige gibt, die darauf angewiesen sind?“

George hielt seinem Blick einen Augenblick trotzig stand, dann lenkte sie ein. „Wirst du mir wirklich bei dem Obdachlosenprojekt helfen?“

„Du hast mein Wort.“

George atmete tief durch. Wenn ihr Vater sie unterstützte, war ihr Vorhaben gesichert. Das war entschieden wichtiger, als ihre peinliche Begegnung mit Lukas. „Dann sollte ich mich jetzt wohl auf den Weg machen.“ Sie nahm den Umschlag mit dem Flugticket, warf ihren Lederbeutel über die Schulter und ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um und deutete auf die Zeitung. „Und diese Sache tut mir leid. Ehrlich.“

„Gib dir Mühe, Lukas zufriedenzustellen, dann sei dir verziehen.“ Ihr Vater lächelte. „Viel Glück.“

Das werde ich brauchen, dachte George grimmig und schloss die Tür hinter sich.

Die Sekretärin ihres Vaters reichte George die heiß ersehnte Tasse Kaffee und eine Tablettenpackung. „Gegen Malaria“, erklärte sie. „Eigentlich hätten Sie schon vor zwei Wochen damit anfangen müssen, die Tabletten einzunehmen. Halten Sie sich genau an die im Waschzettel angegebene Dosierung.“

„Danke, Bishop. Die Moskitos sind das kleinste Übel.“

Miss Bishop lachte. „George, machen Sie sich keine Gedanken wegen Lukas. Er ist sehr charmant und überhaupt nicht so, wie er in der Presse dargestellt wird.“

„Tatsächlich?“ George zog eine Braue hoch. „Ich dachte, es sei gerade sein Charme, der so viel Stoff liefert.“

Miss Bishop winkte ab. „Sie wissen doch, dass man den Presseleuten nicht glauben darf.“ Sie bemerkte Georges Gesichtsausdruck und setzte verlegen hinzu: „Jedenfalls nicht alles. Als Lukas heute Morgen per Fernschreiber jemanden anforderte, sagte ich zu Sir Charles: ‚Das kommt ja wie gerufen …‘“ Sie verstummte, weil ihr bewusst wurde, dass sie sich verraten hatte.

„Sie haben ihm das vorgeschlagen? Also wirklich, Bishop! Und ich hatte Sie für meine Freundin gehalten.“ George nahm die Tablettenpackung. „Wieso braucht er einen Ersatz?“

„Der junge Mann, der ihn begleitet hat, musste ins Krankenhaus, mehr weiß ich auch nicht. Ich habe einige Sonnen- und Insektenschutzmittel gekauft. Kann ich sonst noch etwas für Sie besorgen lassen?“

George lächelte. „Eine neue Kamera. Die Schläger haben meine gestern zertrümmert.“

Miss Bishop blickte zweifelnd drein. „Ich weiß nicht recht … Ihr Vater hat mir extra gesagt …“

„Sie ist versichert. Würden Sie so lieb sein, meiner Versicherung den Schaden zu melden? Bitte, Bishop! Ich kann doch unmöglich ohne Kamera nach Afrika fliegen.“

Die Sekretärin gab nach. „Nein, das geht wirklich nicht. Und wenn der Fotoapparat ohnehin versichert ist …“ Sie reichte George einen Notizblock. „Am besten, Sie schreiben mir auf, was Sie brauchen. Henry erledigt es dann und bringt Ihnen alles mit, wenn er Sie heute Abend zum Flughafen fährt.“

„Sie sind ein Schatz, Bishop.“ George umarmte die Frau impulsiv und kritzelte die Kameradaten auf das Papier. „Ich brauche auch Filme. Und Notizblöcke und Stifte.“

Miss Bishop seufzte. „Ich schicke Ihnen alles durch Henry.“

Als George ihr kleines Haus in der Nähe des Bahnhofs Paddington betrat, das sie vor einigen Monaten gekauft hatte, erwartete sie ein Chaos. Ihre Zellengenossen hatten sich in der Küche versammelt und ihren Hunger gestillt, wie die Abfälle verrieten, die überall herumlagen.

George bahnte sich einen Weg zum Kühlschrank, doch wie erwartet, war er geplündert. Nicht zum ersten Mal fragte sich George, ob auch nur einer von ihren Mitbewohnern je einen Teller gespült oder darüber nachgedacht hatte, woher die Sachen kamen, die sie zu essen bekamen. Doch dann musste sie sich seufzend eingestehen, dass Abwaschen auch für sie einen höchst niedrigen Stellenwert besaß.

„Könnte jemand bitte eine Flasche Milch besorgen?“, fragte George ruhig. Niemand rührte sich, bis sie einen Geldschein hervorzog. Erst dann stand jemand auf, steckte den Schein ein und verschwand. Sie konnte nur hoffen, dass er mit der Milch wiederkam. Das Wechselgeld hatte sie ohnehin abgeschrieben.

George wurde bewusst, wie müde sie war. Sie hatte die ganze Nacht in der Zelle Protestlieder gesungen. Doch auch jetzt war an Schlaf nicht zu denken. Dazu würde sie frühestens an Bord der Maschine kommen.

George schloss ihre Zimmertür auf. Ganz so gutgläubig und naiv, wie ihr Vater glaubte, war sie nun doch wieder nicht. Ihr Zimmer war ihr Zufluchtsort, den sie für sich allein beanspruchte, unberührt von jeglicher Unordnung, die sonst im Haus herrschte.

Sie blickte sich einen Moment entsetzt im Badezimmerspiegel an, dann streifte sie ihre Kleidung ab und stopfte sie in den Wäschekorb, ehe sie unter die Dusche ging. Erfrischt und neu belebt, wickelte sie ein Handtuch um ihr nasses Haar und schlüpfte in einen Morgenmantel. Jetzt galt es, ihre Garderobe durchzugehen, um etwas Geeignetes für zwei Arbeitswochen in Afrika herauszusuchen.

Dabei bekam George den Rock in die Hand, den sie zu der Protestaktion bei dem Schönheitswettbewerb angezogen hatte. Einige aus der Gruppe hatten sich Eintrittskarten besorgt und sich wie echte Zuschauer unter das Publikum gemischt. Die Mädchen hatten sich wie Models herausgeputzt, um Aufmerksamkeit zu erregen.

George hatte sich für diese Rolle besonders auffällig zurechtgemacht und einen schwarzen Mini-Wildlederrock, dazu passende hohe Stiefel und eine extra dafür gekaufte cremefarbene Seidenbluse getragen. Zuvor hatte sie ganz gegen ihre Gewohnheit einen Frisör aufgesucht und ihr langes blondes Haar so legen lassen, dass es ihr in Gold schimmernden Wellen über die Schultern fiel. Als Tüpfelchen auf dem I hatte sie sich in einem Schönheitssalon ein perfektes Make-up machen lassen. „Ich möchte sexy aussehen“, hatte sie dem Mädchen gesagt und die junge Frau, die ihr später aus dem Spiegel entgegenblickte, schockiert betrachtet. Ihre blauen Augen wirkten übergroß und geheimnisvoll, und ihre vollen Lippen hatten einen sinnlich aufreizenden Ausdruck.

Beeindruckt von der Aufmerksamkeit, die sie in der Albert Hall erregte, hatte sie den Vamp gekonnt gespielt. Wie ein Film lief alles noch einmal vor Georges Augen ab …

Lukas hatte seinen Platz unter den Preisrichtern eingenommen und ließ den Blick übers Publikum schweifen. George saß ganz vorn. Der Beutel mit dem Mehl befand sich in ihrer schwarzen Wildledertasche.

Lukas’ Blick blieb auf George haften, und er betrachtete sie mit unverhohlener Bewunderung, die ihr sehr unangenehm war. Es waren dieser Blick und die Art, wie er eine Braue hochzog, die George veranlassten, ihn als Ziel auszuwählen. Sein blendendes Aussehen und der Umstand, dass er es bei dem einen Blick nicht bewenden ließ, forderten sie geradezu heraus.

Während die Mädchen in Landestracht und dann im Abendkleid vorbeizogen, schenkte Lukas ihr mehr Aufmerksamkeit als den Titelbewerberinnen. George hätte angenommen, er wolle mit ihr anbandeln, wenn er ihr auch nur ein einziges Mal zugelächelt hätte. Aber er tat es nicht. Er sah sie nur immer wieder an. Nun, er würde eine Überraschung erleben.

In der Pause, während alle auf die Entscheidung warteten, schlugen George und ihre Freunde mit ihren Mehl- und Rußbeuteln zu.

Doch Lukas blieb kein passives Opfer. Er packte George bei der Bluse und hielt sie trotz ihrer heftigen Gegenwehr fest, bis die Knöpfe nachgaben. Statt jedoch der Bluse zu entschlüpfen und im Büstenhalter zu flüchten, versuchte George sie ihm wieder zu entreißen. Damit aber bot sie Lukas eine zweite Chance, die er prompt nutzte. Blitzschnell fasste er sie um die Taille und legte sie übers Knie. Und ehe George begriff, wie ihr geschah, hob er ihren kurzen Rock und versohlte ihr den Po. Während die anderen verhaftet wurden, schlug Lukas der Polizei in dem allgemeinen Durcheinander ein Schnippchen und trug George unter dem Arm hinter die Bühne.

Sein schwarzes Haar war voller Mehl, und als er den Kopf schüttelte, verbreitete sich eine weiße Wolke und hüllte sie beide ein. Zufrieden stellte George fest, dass auch sein eleganter schwarzer Smoking weiß überpudert war. Doch ihre Genugtuung hielt nicht lange an.

„Ziehen Sie jetzt ab, oder wollen Sie noch mehr?“, fragte Lukas und reichte ihr endlich die Bluse.

George lief feuerrot an und streifte sie eiligst über. „Warum haben Sie mich nicht einfach zusammen mit meinen Freunden verhaften lassen?“

Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Weil ich keine Lust habe, mich zur Zielscheibe der Boulevardpresse machen zu lassen, Miss Feministin. Ich habe mich keineswegs hierher geflüchtet, um Sie zu schonen. Wenn Sie sich von dieser Heldentat Publicity erhofft hatten, dann hätten Sie sich für Ihre Mehlbombe einen anderen aussuchen müssen. Ich gehe mich jetzt säubern. Dort ist der Ausgang.“ Er deutete den Korridor entlang.

Zitternd vor Wut und Enttäuschung hob George die Hand, um ihn zu ohrfeigen.

„Mr. Lukas, Sir, ist das eine von den Randalierern?“ Hinter George tauchte ein Sicherheitsmann auf, und sie drehte sich schnell herum. Doch Lukas verhinderte, dass sie sich auslieferte, indem er sie blitzschnell an sich zog und den Arm um ihre Taille legte.

„Nein, eine Freundin. Sie will gerade gehen. Vielleicht könnten Sie sie sicher zum nächsten Ausgang bringen, für den Fall, dass hier noch mehr Rowdys herumlungern.“

George versuchte wütend, sich zu befreien, aber Lukas dachte nicht daran, sie so leicht davonkommen zu lassen, und beugte sich über sie. Sie erkannte seine Absicht und schloss die Augen, als könnte sie das, was nun kommen musste, auf diese Weise verhindern. Die erste Berührung seiner Lippen nahm George diese Illusion. Lukas genoss seine Rache. So war sie noch nie geküsst worden, und ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben. Als er endlich mit ihr fertig war, war sie zu durcheinander, um etwas sagen zu können, und seufzte nur.

Lukas blickte sie einen Moment an, und ihr fiel auf, dass seine grauen Augen von unglaublich langen Wimpern eingerahmt wurden. „Es besteht noch Hoffnung für Sie“, sagte er leise und ließ sie los. „Hier, nehmen Sie das.“ Er streifte sein Jackett ab und legte es ihr um die Schultern. Lauter, sodass der Sicherheitsmann es hören konnte, fügte er hinzu: „Bis später. Wärm das Bett schon vor, Schätzchen.“ Damit verschwand er in Richtung Umkleideräume.

George blieb nichts anderes übrig, als das zweideutige Grinsen des Wachmannes auf dem Weg zum Ausgang hinzunehmen …

Bei der Erinnerung an den Kuss berührte George unwillkürlich ihre Lippen. Es war unwahrscheinlich, dass Lukas, der die schönsten Mädchen vor die Kameralinse bekam, sich an sie erinnerte. Dennoch hielt sie es für ratsam, ihr Aussehen etwas zu verändern, um ihm diesen unerfreulichen Zwischenfall nicht ins Gedächtnis zurückzurufen. Eins stand fest: Den schwarzen Wildlederrock würde sie bestimmt nicht mitnehmen.

Henry zog die Brauen leicht hoch, als George ihm auf sein Klingeln öffnete.

Sie lachte. „Schauen Sie mich nicht so an, Henry.“

„Sie sehen so ungewohnt aus, Miss. Einen Moment dachte ich, im falschen Haus zu sein. Ich habe Sie noch nie im Kostüm gesehen.“

„Es ist auch schrecklich unbequem. Ich werde froh sein, wenn ich es wieder ausziehen kann.“

Henry nahm ihr Gepäck und ging damit zum Wagen voraus. „Soll ich während Ihrer Abwesenheit ein Auge auf das Haus haben?“

„Einige meiner Freunde wohnen vorübergehend hier.“ George bemerkte Henrys zweifelnden Gesichtsausdruck und fügte schnell hinzu: „Sie sind nicht so übel, wie sie aussehen, glauben Sie mir. Ach, übrigens, hat Bishop Sie gebeten, mir eine Kamera zu besorgen?“

„Sie ist im Kofferraum. Die Quittungen befinden sich in einem Umschlag. Für den Zoll.“

„Jambo, memsahib. Haben Sie etwas zu verzollen?“

George war noch leicht benommen, weil sie während des Fluges quer über Europa und halb Afrika geschlafen hatte, aber die Zollabfertigung war im Nu erledigt, und George stieg in ein klappriges Taxi mit roten Plüschsitzen, das sie nach Nairobi bringen sollte. Ihr blieb nur wenig Zeit, die karge Buschlandschaft und die Bergketten in der Ferne anzuschauen, denn schon bald hatten sie die Stadt erreicht und fuhren über eine zweispurige, von Palmen und Parkanlagen gesäumte Allee.

Bei ihrer Ankunft im Hotel „Norfolk“ wurde George von einem hünenhaften Massai-Pförtner willkommen geheißen.

„Jambo, memsahib.“

„Jambo.“ George merkte sich die neue Grußformel.

Auch am Empfang wurde sie freundlich begrüßt. „Für Sie wurde ein Bungalow reserviert, Miss Bainbridge. Er liegt ein Stück hinter der Rezeption mit Blick auf den Garten. Wenn Sie vorher bitte noch so freundlich wären, dieses Formular auszufüllen?“

„Natürlich. Gibt es noch Frühstück?“

Die Empfangsdame blickte auf die Uhr. „Aber ja. Noch eine Stunde lang.“

„Fein. Ich habe nämlich Hunger.“ George füllte das Formular aus und reichte es dem Mädchen zurück.

Autor

Liz Fielding

In einer absolut malerischen Gegend voller Burgen und Schlösser, die von Geschichten durchdrungen sind, lebt Liz Fielding – in Wales

Sie ist seit fast 30 Jahren glücklich mit ihrem Mann John verheiratet. Kennengelernt hatten die beiden sich in Afrika, wo sie beide eine Zeitlang arbeiteten. Sie bekamen zwei Kinder, die...

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