Sardinien, die Liebe und du

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Unerhört, wie herablassend dieser Macho Guido Falcone sie behandelt! Ronnie ist total wütend auf den attraktiven Rennbootfahrer. Da lädt er sie zum Segeln ein. Ein Ausflug, wie für die Liebe geschaffen - vor der wildromantischen Küste Sardiniens …


  • Erscheinungstag 25.09.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774851
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Donnerwetter! Wer ist denn dieser hinreißend aussehende Mann dort?“

Ronnie wandte den Blick von der Gestalt auf dem Landungssteg und drehte sich zu ihrem Bruder um, der am Außenbordmotor saß. Jeff stieß einen verächtlichen Laut aus. „Dein neuer Arbeitgeber“, erklärte er. „Ich rate dir, mit deinem Urteil abzuwarten, bis du ihn besser kennst!“

„Das ist Guido Falcone?“ Ronnie sah Jeff verblüfft an. „Du meinst, das ist dieses Ungeheuer, von dem du mir erzählt hast?“ Der Wind blies ihr das kurze blonde Haar ins Gesicht, als sie erneut zum Landungssteg hinüberblickte. Die Distanz verringerte sich rasch, und Ronnie betrachtete den beeindruckenden, hochgewachsenen Mann mit zunehmendem Interesse.

Er war etwa Anfang dreißig und sehr groß; schwarzes, gelocktes Haar umrahmte ein tief gebräuntes Gesicht mit markanten Zügen, die wirkten, als seien sie aus Stein gemeißelt. Er hatte breite Schultern, schmale Hüften und lange, muskulöse Beine, eine ungeheuer männliche Ausstrahlung ging von ihm aus.

Er stand jetzt ganz reglos da, hielt die Arme vor der Brust verschränkt, und der Blick seiner schwarzen Augen war auf das näher kommende Motorboot gerichtet. Ronnie überlegte, wie viel besser dieser Körper in Bewegung zur Geltung kommen musste. Bestimmt bewegte Falcone sich mit der geschmeidigen Anmut eines Panthers. Ein unerwartetes Prickeln überkam sie bei dem Gedanken.

Jeff steuerte das Boot mit der Längsseite zum Steg, und Ronnie lächelte ihn immer noch überrascht an. „Also, so habe ich mir Guido Falcone ganz sicher nicht vorgestellt!“ Jeffs Beschreibung nach war sie auf ein Wesen mit Hörnern und Bocksfüßen gefasst gewesen!

Jeff kam nicht dazu, zu antworten. „Du hast dich verspätet“, ließ sich der Mann auf dem Steg vernehmen.

Der Vorwurf war zwar direkt an Jeff gerichtet, aber die mit sanfter Stimme hervorgebrachten Worte klangen so gebieterisch, dass Ronnie ruckartig den Kopf hob und den Mann anstarrte. Kaum hörte sie Jeffs gemurmelte Antwort, der Blick dieser schwarzen Augen verschlug ihr den Atem. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie noch nie zuvor einem so aufregenden Mann begegnet war.

Jeff hob ihr Gepäck auf den Steg und half ihr dann beim Aussteigen. „Bis später, Schwesterherz“, sagte er, als sie wie benommen dastand. Er wendete das Boot und fuhr davon.

Maledetto!

Ronnie achtete kaum auf den leisen Fluch, sie sah dem rasch kleiner werdenden Boot ihres Bruders nach. Schließlich gab sie sich einen Ruck und drehte sich um. „Es tut mir leid, dass wir nicht pünktlich gekommen sind. Mein Flug hatte Verspätung“, entschuldigte sie sich.

Auch Guido blickte über das Meer und reagierte daher nicht sofort. Ronnie war froh, noch eine Weile von diesem durchdringenden Blick verschont zu sein, und nutzte die Gelegenheit, ihren Arbeitgeber verstohlen zu mustern. Er sah in der Tat erstaunlich gut aus, obwohl nichts Weiches oder Sanftes an ihm war. Seine Züge wirkten von Nahem noch markanter und unnachgiebiger. Der kantige Kiefer, die klassische, gerade Nase und die hohe, intelligente Stirn ließen auf einen willensstarken Charakter schließen. Das dichte, eine Spur zu lange schwarze Haar verlieh ihm ein beinahe wildes Aussehen, und in den dunklen Augen unter den langen, schwarzen Wimpern schienen sich alle möglichen Emotionen gleichzeitig widerzuspiegeln. Etwas Ruheloses, Unberechenbares ging von ihm aus, man konnte wohl nie voraussagen, was er als Nächstes tun würde.

„Was sagten Sie?“ Er hatte sich unvermittelt umgedreht und bestätigte so ihre letzte Vermutung. Wieder zuckte sie unter seinem Blick zusammen wie unter einem Stromschlag.

„Ich sagte, es täte mir leid, dass wir nicht pünktlich gekommen sind.“ Ronnie ärgerte sich, dass sie vor Verwirrung rot wurde. „Mein Flug hatte Verspätung.“

„Sie sind vor zwei Stunden gelandet.“ Seine Augen funkelten. „Selbst wenn man die Fahrt vom Flughafen bis hierher mit berücksichtigt, hätten Sie schon längst hier sein können. Es sei denn, es gab noch eine Verzögerung anderer Art?“

„Nicht direkt.“ Ronnie lächelte entschuldigend und wünschte, ihr Herzschlag würde sich endlich beruhigen. „Aber wir haben unterwegs eine Tasse Kaffee getrunken.“

„Eine Tasse Kaffee?“ Seine Miene drückte unverhohlene Missbilligung aus.

Ronnie machte ein kleinlautes Gesicht. „Ja. Verzeihen Sie, ich wusste nicht, dass Sie warteten. Wissen Sie, ich war durstig nach der Reise.“

„Hätten Sie nicht die halbe Stunde abwarten und mir so die Unannehmlichkeit ersparen können, hier über eine Stunde meiner Zeit zu vertun? Länger dauert die Fahrt von Olbia nämlich nicht!“

„Es tut mir wirklich leid.“ Ronnie fühlte sich ein wenig schuldbewusst. Sein Vorwurf kam ihr berechtigt vor, dabei war diese Kaffeepause gar nicht ihre Idee gewesen. Jeff hatte darauf bestanden. „Dabei kann ich dich dann über den Stand der Dinge informieren“, hatte er gesagt. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass sie ihren neuen Arbeitgeber dadurch warten ließ. Ganz im Gegensatz zu Jeff, wie sie jetzt erkannte, und sie fühlte sich auf einmal hin- und hergerissen zwischen ihrem schlechten Gewissen und dem instinktiven Bedürfnis, ihren Bruder in Schutz zu nehmen. „Ich hatte wirklich schrecklichen Durst“, beteuerte sie.

„Wenn das so ist…“ Guido lächelte plötzlich und überraschte Ronnie damit erneut. Seine makellosen weißen Zähne blitzen auf. „Wir dürfen natürlich nicht zulassen, dass unsere neue Lehrerin verdurstet!“, fügte er hinzu und bückte sich, um ihren Koffer zu nehmen. „Der Wagen steht dort drüben.“

Ronnie folgte ihm und hielt den Blick auf seinen Rücken gerichtet. Sie sah das Spiel seiner Muskeln unter dem blassblauen T-Shirt und stellte fest, dass sie recht gehabt hatte. In Bewegung kam sein Körper noch besser zur Geltung, sein Gang erinnerte an den einer Raubkatze. Hastig sah sie zur Seite. Wieder befand sie sich in einem seelischen Zwiespalt. Ihre Bewunderung für ihn, ja, sogar ihr Versuch, die Dinge mit seinen Augen zu sehen, waren doch bestimmt völlig fehl am Platz. Nach dem, was Jeff ihr über ihn berichtet hatte, hätte sie ihn eigentlich nicht mögen dürfen. Es beunruhigte sie, dass das nicht der Fall war.

Sie hatten ein leuchtend rotes Alfa-Cabrio erreicht, das im Schatten eines Feigenbaums geparkt stand. Guido warf Ronnies Gepäck auf den Rücksitz und hielt ihr dann die Tür auf. „Steigen Sie ein.“

Endlich verspürte sie erlösenden Ärger wegen seines knappen Befehlstons. Vielleicht hatte Jeff doch recht damit, dass der Mann unerträglich sei, und sie hatte sich nur von seinem fantastischen Aussehen blenden lassen. Sie warf ihm einen verstohlenen Seitenblick zu, als er sich ans Steuer setzte.

„Ist das Ihr erster Aufenthalt in Sardinien?“ Guido ließ den Motor an und fuhr los.

„So ist es. Obwohl ich natürlich schon in Italien war.“

„Natürlich?“, fragte er mit leisem Spott. „Warum natürlich?“

„Das war nur so dahergesagt.“ Ihre Verärgerung nahm noch zu. „Ich meinte damit, dass mir Ihr Land nicht vollkommen fremd ist.“

„Oh, das ist es aber doch, wenn Sie noch nie in Sardinien waren.“ Guido schenkte ihr ein entwaffnendes Lächeln. „Unsere Insel und das italienische Festland haben nur sehr wenig miteinander gemeinsam. Die Landschaft ist anders, die Menschen, die Kultur – eigentlich alles.“

Zumindest hatte er recht, was die Landschaft betraf. Ronnie sah sich interessiert um, während der Wagen auf einer staubigen Straße an ausgedörrten Feldern vorbeifuhr. Ronnie spürte es förmlich an der Luft, diese Insel war wild und anders als das üppig grüne Festland. Die schroffen Berge in der Ferne wirkten dunkel und unheimlich, die zerklüftete Küste schien Geheimnisse zu bergen. Auf einmal empfand Ronnie wieder dieselbe Aufregung wie damals, als ihr diese drei Wochen Sardinien so unvermutet angeboten worden waren. In letzter Zeit hatte sie buchstäblich die Tage bis zu ihrer Abreise gezählt.

„Wissen Sie, Sie sehen Ihrem Bruder sehr ähnlich“, sagte Guido und betrachtete sie von der Seite her. „Das gleiche blonde Haar, die gleichen blauen Augen. Ich hätte Sie überall sofort als seine Schwester erkannt. Wären da nicht gewisse reizvolle weibliche Attribute, könnten Sie ohne Weiteres als sein Doppelgänger durchgehen.“ Er ließ den Blick vielsagend über diese „weiblichen Attribute“ schweifen, die Wölbung ihrer Brust unter der dünnen Baumwollbluse, die geschwungenen Hüften, die von den Jeans gut zur Geltung gebracht wurden. Dann sah er ihr wieder in die Augen. „Sie gleichen sich wirklich wie ein Ei dem anderen.“

„Ich weiß.“ Ronnie hoffte, er möge ihr Erröten als Freude deuten. Denn sie freute sich tatsächlich immer, wenn Leute sie auf die verblüffende Ähnlichkeit mit ihrem geliebten älteren Bruder ansprachen. Im Grunde betrug ihr Altersunterschied nur neun Monate, sie waren wirklich fast wie Zwillinge. Allerdings war das nicht der Grund für ihr Rotwerden gewesen, sondern der Blick, mit dem Guido sie begutachtet hatte … Sie wandte sich ab und tat, als konzentrierte sie sich wieder auf die Landschaft. „Das haben schon viele gesagt.“

Er nickte nur und fuhr eine Weile schweigend weiter. „Wollen wir nur hoffen, dass sich diese Ähnlichkeit auf das Äußerliche beschränkt“, sagte er unvermittelt, und in seiner Stimme schwang unüberhörbar Schärfe mit.

„Wie bitte?“ Ronnie drehte sich stirnrunzelnd zu ihm um. „Verzeihung, aber ich weiß nicht, wovon Sie reden.“

„Ich meinte, ich hoffe, dass Sie und er sich nicht auch in anderer Hinsicht ähnlich sind.“

„Und zwar?“

„Vor allem, was den Charakter betrifft.“

Ronnie machte ein verblüfftes Gesicht. „Vielleicht könnten Sie mir ein Beispiel nennen?“

Guido lächelte unfroh. „Ich wüsste Dutzende von Beispielen, aber für den Anfang … Nun, er ist aufsässig, unzuverlässig und völlig verantwortungslos.“

Ronnie hatte es noch nie ertragen, wenn jemand schlecht über ihren Bruder urteilte. Auch jetzt verteidigte sie ihn spontan. „Das ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe! Ich versichere Ihnen, mein Bruder ist nichts von alledem!“

„Oh doch, und das kann wiederum ich Ihnen versichern!“

„Sie sagen das doch nur, weil Sie ihn nicht mögen!“ Plötzlich war ihr eingefallen, was Jeff ihr erzählt hatte.

„Eben. Weil er verantwortungslos, unzuverlässig und aufsässig ist!“ Guido lächelte grimmig. Ehe sie protestieren konnte, fügte er hinzu: „Und was mich nun interessiert, ist, ob diese Eigenschaften auch auf Sie zutreffen.“

„Nein! Genauso wenig wie auf Jeff!“ Ihre Augen blitzten vor Empörung. „Wenn Sie mir das unterstellen, warum haben Sie mich dann überhaupt angestellt?“

Er bedachte sie mit einem kühlen Seitenblick. „Das hätte ich auch nie getan, wenn ich rechtzeitig Bescheid gewusst hätte. Doch leider kamen diese unerfreulichen Charakterzüge Ihres Bruders erst zum Vorschein, nachdem ich Sie angestellt hatte. Sie waren praktisch schon auf dem Weg hierher.“

„Ich verstehe.“ So langsam rundete sich das Bild ab. Was Guido eben gesagt hatte, stimmte mit Jeffs Bericht überein. Die beiden hatten sich erst in den letzten zwei Wochen zerstritten. Es war ein ernstes Zerwürfnis, erbittert und heftig. Als sie an das zurückdachte, was Jeff ihr beim Kaffee erzählt hatte, wurde sie auf einmal von Zweifeln gepackt. Ihr Auftrag hatte sich anfangs so einfach und unkompliziert angehört, doch nun schien das genaue Gegenteil einzutreten. Vielleicht sollte sie umkehren und auf dem schnellsten Weg nach London zurückfliegen. Aber wie? Sie war schließlich auf das Geld angewiesen. „Warum sind Sie so strikt gegen die Beziehung zwischen meinem Bruder und Ihrer Cousine?“, fragte sie unumwunden. „Weil sie aus einer reichen Familie stammt und mein Bruder nur Mechaniker ist?“

Guido antwortete nicht. Er bog jetzt von der Straße ab, passierte ein großes schmiedeeisernes Tor, fuhr eine gekieste Zufahrtsallee hinauf und steuerte auf eine luxuriöse, großzügige Villa mit rotem Ziegeldach zu.

Ronnie war sprachlos. Wohnte Guido Falcone etwa hier? Eine so herrliche Villa hatte sie noch nie im Leben gesehen! Sie hielten vor dem Eingang, der von zwei mit roten Geranien bepflanzten Steingefäßen flankiert wurde.

„Wir sind da.“ Guido stieg aus und griff nach ihrem Gepäck. „Kommen Sie, lernen Sie meine Cousine kennen.“ Er führte sie in die große Eingangshalle, in deren Mitte ein wuchtiger runder Tisch mit einer riesigen Vase voller frischer Blumen stand. Guido stellte ihre Koffer ab, tat ein paar Schritte über den gefliesten Boden und rief laut: „Silvia! Silvia, dove sei?“

Einem Moment lang blieb alles still, doch dann hörte man schlurfende Schritte, und in einer der offenen Türen erschien eine schwarz gekleidete, grauhaarige Frau. Das war eindeutig nicht Guidos Cousine Silvia, in die Jeff sich dummerweise verliebt hatte. Ronnie beobachtete, wie die Frau etwas auf Italienisch murmelte, worauf Guido mit einer Reihe rascher, energischer Fragen reagierte. Sie musste unwillkürlich lächeln über den krassen Gegensatz zwischen diesen beiden Menschen – die kleine, unbedeutend wirkende Gestalt der älteren Hausangestellten neben diesem dynamischen, dunkelhaarigen Mann. Aber wahrscheinlich, so glaubte Ronnie, wirkten neben Guido wohl die meisten Menschen eher unbedeutend, ja, fast leblos. Ungewollt verspürte sie wieder jenes Prickeln. Sie konnte nichts dagegen tun, sie fühlte sich auf gefährliche Weise von ihm angezogen.

Die Frau verschwand wieder, und Guido stieß einen Fluch aus. Er sah Ronnie an, als sei sie an allem schuld. „Silvia ist nicht da! Man sagte mir, sie sei ins Dorf gegangen. Wenn sie dort ist, um sich mit Ihrem Bruder zu treffen, drehe ich ihr den Hals um, das schwöre ich!“ Der Ausdruck seiner schwarzen Augen war stürmisch und finster.

„Ich sehe sie ja, wenn sie zurückkommt“, versuchte Ronnie lächelnd die Wogen zu glätten. „Bitte denken Sie sich nichts dabei. Das macht doch alles nichts.“

„Und ob das etwas macht! Ich hatte ihr aufgetragen, hier zu sein! Sie durfte nicht einfach weggehen!“

„Vielleicht war sie es leid zu warten. Schließlich habe ich mich verspätet.“

„Sie hätte warten müssen, genau wie ich auch.“ Guido verstummte und betrachtete sie argwöhnisch. „Warum verteidigen Sie sie? Wissen Sie etwas, was ich nicht weiß? Zum Beispiel dass sie gegangen ist, um sich mit Ihrem Bruder zu treffen?“

Ronnie schüttelte den Kopf. „Ich weiß gar nichts. Und ich habe auch nicht versucht, sie in Schutz zu nehmen.“ Sie hatte sich wirklich nur bemüht, Guido zu beschwichtigen; aus welchem Grund jedoch, war ihr selbst schleierhaft. Eigentlich hätte sie im selben unverschämten Tonfall wie er kontern sollen.

Auch Guido schien ihre Motive suspekt zu finden. „Kommen Sie“, forderte er sie auf. „Wir beide sollten uns mal ein wenig unterhalten.“

Er machte auf dem Absatz kehrt und ging durch die Halle, seine Schritte klangen hart auf dem gefliesten Boden. Ronnie folgte ihm und wunderte sich, was wohl als Nächstes passieren würde. Nur eins war ihr klarer denn je – auf einen einfachen, unkomplizierten Job hatte sie sich nicht eingelassen, ganz im Gegenteil.

„Setzen Sie sich. Möchten Sie etwas zu trinken?“

Sie befanden sich jetzt in einem großen, freundlichen Wohnzimmer. Die Sonne schien durch die offenen Fenster im Landhausstil, von denen man einen herrlichen Blick auf die Bucht hatte. Nur ein schmaler Streifen eines exotischen Gartens lag zwischen der Villa und dem Strand.

Guido wies einladend auf eins der vier pastellfarbenen Sofas. Ronnie entschied sich für das, das am nächsten am Fenster stand, und er wiederholte seine Frage. „Ich weiß, dass Sie gerade erst Kaffee getrunken haben, aber vielleicht kann ich Ihnen trotzdem einen Drink anbieten?“ Er sah sie mit belustigtem Spott an. Doch dann brachte er sie erneut aus der Fassung. „Ich kann mir schon denken, was der eigentliche Grund für diese Kaffeepause war. Sie sollten wohl in Ihre Rolle als romantische Vermittlerin eingewiesen werden.“

Ronnie machte ein verständnisloses Gesicht. „Wovon reden Sie überhaupt? Soweit ich weiß, ist meine Rolle hier die einer Lehrerin, nicht die einer romantischen Vermittlerin, was immer sie darunter verstehen mögen.“

Er drehte sich zu ihr um, und Ronnie bereute plötzlich, dass sie sich so voreilig hingesetzt hatte. Wie er jetzt so vor ihr stand, wirkte er viel zu groß und einschüchternd. „Darunter verstehe ich jemanden, der beim Arrangieren heimlicher romantischer Treffs behilflich ist. Der kleine Nachrichten und Briefe überbringt. Mit einem Wort, signorina, ein Saboteur.“

„Und was wäre da bitte zu sabotieren?“

„Mein ausdrücklicher Wille. Ich werde keinen Saboteur in diesem Haus dulden.“

Er warf ihr einen warnenden Blick zu, und als er sich abwandte, musste Ronnie erst einmal tief durchatmen. Sie beobachtete ihn, wie er an einen Tisch trat, auf dem mehrere Flaschen und Gläser standen. „Sie leiden unter Verfolgungswahn“, sagte sie. „Ich bin kein Saboteur.“

Er schenkte einen Drink ein und sah sie über die Schulter hinweg an. „Ich leide also unter Verfolgungswahn?“ Die Bezeichnung schien ihn zu amüsieren. „Nun, möglich wäre es.“ Er kam mit zwei Gläsern auf sie zu. „Für wahrscheinlicher halte ich es jedoch, dass ich recht habe.“

Das sah ihm ähnlich. Bestimmt glaubte er nie, dass auch er sich einmal irren könnte. „Ich bin einzig und allein als Lehrerin für Ihre Cousine hierhergekommen“, beharrte sie.

Guido stand jetzt wieder vor ihr. „Da Sie mir leider nicht gesagt haben, was Sie trinken wollen, habe ich Ihnen einen Cynar eingeschenkt. Er schmeckt Ihnen sicher.“

Ronnie roch misstrauisch an der dunklen Flüssigkeit. „Ich weiß nicht. Ich wollte eben gerade sagen, dass ich gern ein Mineralwasser hätte.“

„Da hätten Sie sich früher melden müssen, nun ist es zu spät.“ Mit befriedigter Miene ließ er sich auf dem Sofa gegenüber nieder. „Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss trinken, was übrig bleibt“, wandelte er das Sprichwort ab.

„Oder auch nicht, wie in diesem Fall.“ Sie stellte das Glas hörbar auf dem niedrigen Kaffeetisch ab. Vielleicht hatte Jeff doch recht gehabt, und mit Guido war schlichtweg nicht auszukommen.

Er kostete seinen Cynar, dann lächelte er sie auf einmal an. Er schien genau zu ahnen, was sie dachte, und offenbar störte es ihn nicht im Geringsten. Im Gegenteil, die Situation schien ihm ausgesprochen Spaß zu machen. „So … Was meinte ich eben? Ach, ja …“ Er schmunzelte erneut. „Ich warf Ihnen Sabotage vor …“

„Und ich sagte Ihnen, dass ich diesen Vorwurf für ausgemachten Unsinn halte.“

Als sich ihre Blicke über den Tisch hinweg trafen, verspürte Ronnie schlagartig wieder dieses Prickeln. Die knisternde Spannung zwischen ihnen war auf seltsame Weise – erregend. Sie verdrängte dieses Gefühl, denn es flößte ihr beinahe Angst ein. „Ich kann Ihnen beschwören, dass ich nur hier bin, um Ihrer Cousine im Englischen behilflich zu sein“, betonte sie ruhig.

„Stimmt, das war der äußere Anlass, ich weiß. Dennoch habe ich den Verdacht, dass nur sehr wenig Unterricht auf Ihrem Programm steht.“

„Glauben Sie etwa, ich wolle Sie betrügen und mein Gehalt für nichts einstreichen? Denken Sie, ich würde meine ganze Zeit damit verbringen, zwischen den beiden Liebesbriefe hin- und herzutransportieren?“ Ronnie stieß geräuschvoll den Atem aus. „Das ist nicht nur lächerlich, sondern absolut beleidigend!“

Guido musste über ihren Ausbruch lachen und betrachtete ihr zorniges, gerötetes Gesicht. „Wenn man Sie so hört, könnte man meinen, dass Sie Ihren Job hier wirklich ernst nehmen.“

„Natürlich nehme ich ihn ernst! Ich bin Englischlehrerin! Das ist mein Beruf! Es spräche wohl kaum für mich, wenn ich ihn nicht ernst nehmen würde!“

„Da stimme ich Ihnen zu.“ Er nahm sein Glas, das er vorhin abgestellt hatte, wieder zur Hand. „Nun, Sie sind also eine ausgebildete Lehrerin? Wenigstens ein Pluspunkt für Sie.“

„Und was soll das jetzt wieder heißen?“ Ronnie funkelte ihn aufgebracht an. „Wussten Sie etwa nichts von meinem Beruf? Mein Bruder muss Ihnen das doch gesagt haben, ehe Sie mich anstellten!“

„Ja, sicher, er sagte es mir …“

„Aber Sie glaubten ihm nicht?“

„Doch. Sonst, wie Sie schon richtig bemerkten, hätte ich Sie nie angestellt. Nur – ich glaubte ihm, ehe ich das mit ihm und Silvia herausfand. Danach war ich mir nicht mehr so sicher.“

„Jeff hätte mich doch nie empfohlen, wenn ich keine richtige Lehrerin wäre! Und ich wäre nie gekommen. Keiner von uns beiden ist so unverantwortlich.“

Guido trank betont bedächtig von seinem Cynar, ohne den Blick von Ronnie zu wenden. Dann lehnte er sich zurück und streckte die langen Beine aus. Er sieht so entspannt aus wie eine Katze, dachte Ronnie. Doch genau wie eine Katze schien er jeden Moment sprungbereit zu sein. Sie beobachtete ihn mit widerwilliger Faszination. „Was die Unverantwortlichkeit betrifft, so hat Ihr Bruder leider schon bewiesen, dass er darin ganz groß ist.“ Er beugte sich kaum merklich nach vorn.“

„Er hat mich dazu überlistet, ihn zur Wartung meiner Boote einzustellen, damit er sich auf die Art Zugang zu meiner Cousine verschaffen konnte. Und genauso hat er mich dazu gebracht, Sie als ihre Lehrerin einzustellen, damit er sie weiterhin in aller Ruhe vom Lernen abhalten kann.“ Er lächelte grimmig. „Doch das wird ihm nicht gelingen.“

„Wie ich bereits sagte, finde ich das alles reichlich beleidigend.“ Auch Ronnie beugte sich leicht vor. „Mein Bruder rief mich an und teilte mir mit, dass Ihre Cousine dringend eine Nachhilfelehrerin brauchte. Die Dame, die Sie für den Sommer eingestellt hatten, hatte wohl kurzfristig absagen müssen.“

„Sehr richtig.“ Guido klang nicht gerade erfreut. „Und das eine Woche, bevor sie anfangen sollte.“

Ronnie nickte. Genauso hatte Jeff ihr das auch erzählt. „Er meinte, er hätte mit Ihnen über mich gesprochen und Ihnen erklärt, ich hätte viel Erfahrung darin, ausländische Studenten im Englischen zu unterrichten. Daraufhin wären Sie einverstanden gewesen, mich kommen zu lassen.“ Sie machte eine Pause und sah ihn gereizt an. „Mein Bruder erwähnte nichts davon, dass ich als romantische Vermittlerin agieren sollte. Ihm schien nur daran gelegen, eine neue Lehrerin für Silvia zu finden.“

Guidos Augen wurden schmal. „Hat er Ihnen nicht vielleicht zufällig berichtet, dass sich zwischen ihm und Silvia etwas angebahnt hätte?“

„Sie meinen, ehe ich hier ankam?“

„Ja.“

Ronnie schüttelte den Kopf. „Nein. Vor meiner Ankunft sagte er mir nichts davon.“

„Ich verstehe.“ Guido dachte eine Weile nach. „Er wartete also ab, bis Sie hier waren, ehe er Ihnen die ganze Geschichte anvertraute.“ Sein Lächeln war düster. „Nun weiß ich, worüber Sie während dieser Kaffeepause gesprochen haben.“

Er traf den Nagel damit auf den Kopf, das konnte sie nicht abstreiten. In jener halben Stunde hatte Jeff ihr alles von Silvia erzählt und auch davon, wie Guido versuchte, diese Romanze zu unterbinden. „Das war aber auch alles“, versicherte sie rasch. „Er hat nicht versucht, mich für irgendwelche Pläne zu gewinnen!“

„Sind Sie sich da sicher?“ Er glaubte ihr anscheinend immer noch nicht.

„Natürlich!“, brauste Ronnie verärgert auf.

„Ganz sicher?“ Er durchbohrte sie mit seinen Blicken.

„Ganz sicher.“ Sie hielt ihm unerschrocken stand.

Eine Weile herrschte Schweigen. „Gut“, meinte Guido schließlich sanft. „Nehmen wir an, ich glaube Ihnen. Nehmen wir an, er hat Ihnen wirklich nichts über die Rolle gesagt, von der er hofft, dass Sie sie spielen werden.“ Er stützte die Ellbogen auf die Knie. „Die Tatsache bleibt, dass er früher oder später damit auf Sie zukommen wird.“

„Niemals. So etwas tut Jeff nicht. Wenn er Silvia so liebt, wie er sagt, dann wird er wollen, dass sie studiert und nicht ihre Zeit vergeudet.“

„Wie wenig Sie über die Liebe wissen!“ Guidos anzügliches Lächeln besagte, dass man Letzteres von ihm bestimmt nicht behaupten konnte. Dann fuhr er mit bissiger Stimme fort. „Glauben Sie mir, die Liebe Ihres Bruders zu meiner Cousine ist selbstsüchtig, sie verlangt, dass Silvia jede freie Minute mit ihm verbringt. Ihre Studien sind ihm völlig gleichgültig. Aber genau das werde ich nicht zulassen!“ Er stand abrupt auf. „Ich habe ihrer Mutter versprochen, dass Silvia während ihrer Ferien hier lernt, damit sie nicht noch einmal durch das Examen fällt. Und dieses Versprechen beabsichtige ich zu halten.“

„Aus demselben Grund bin ich auch hier.“ Ronnie sah ihn an. „Meine Aufgabe ist es, ihr dabei zu helfen, dass sie das Examen das nächste Mal besteht.“

„Richtig. Zumindest ist das der Job, für den ich Sie bezahle.“ Er lächelte auf einmal, doch dieses Lächeln verursachte Ronnie eine Gänsehaut. „Ich habe eine Idee“, meinte er gedehnt. „Ja, so werden wir es machen …“ Er kam um den Tisch herum und baute sich vor ihr auf. „Da Sie behaupten, dass Ihre Ziele die gleichen sind wie meine, und da Sie nicht vorhaben, gegen mich zu arbeiten, übertrage ich Ihnen die Verantwortung …“

Ronnie schluckte nervös. „Wofür?“

Autor

Stephanie Howard
Stephanie Howard studierte Sozialwissenschaft an der Harding University im Bundesstaat Arkansas. Außerdem ist sie ein Tausendsassa: Sie ist nicht nur Autorin, sondern auch Fitnesstrainerin, Raumausstatterin und viel beschäftigte Mutter von zwei Kindern. Engagiert setzt sie sich für Frauen ein.
Stephanie Howard schreibt in ihren Romanen gern über emanzipierte Frauen, die Familie,...
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