Sehnsucht - Jede Nacht

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Susan wünscht sich sehnlichst, dass Randall ihre stürmischen Gefühle erwidert. Davon träumt sie seit seinem ersten Kuss. Doch sie befürchtet, dass der angesehene Arzt sie und ihre kleine Tochter nur aus Mitleid aufgenommen hat. Susan will herausfinden, wie er wirklich fühlt und ergreift die Initiative ...


  • Erscheinungstag 03.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776459
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Erfolglos kämpfte Rand Barclay mit dem Gitterbett, das sich einfach nicht zusammenlegen lassen wollte. Als er es vor zwei Jahren für Dougy, den Sohn seiner jüngeren Schwester Alicia, vom Dachboden geholt hatte, war es ganz flach gewesen.

Gerade als Rand seinem Ärger geräuschvoll Luft machte, kam Clark Best in den Raum. Clark – Hausverwalter, Butler, Koch und Mädchen für alles in einer Person – war ein Muster an Effizienz, Kompetenz und Fleiß. Davon abgesehen, war er Rands bester Freund noch aus ihren High school-Tagen.

„Na, vermisst du den kleinen Racker schon?“, fragte Clark. Rand konnte in seinen Augen sehen, dass er etwas im Schilde führte, doch er konnte sich nicht vorstellen, was das wohl sein konnte.

„Das einzige, was ich vermisse, ist mein Büro“, brummte Rand. „Aber das hole ich mir zurück. Und zwar jetzt gleich.“

„Dann überlass das mir.“ Clark nahm ihm das Gitterbett aus der Hand, drückte einen unsichtbaren Hebel, und schon ließ es sich problemlos zusammenfalten. Clark lächelte selbstgefällig. „Soll ich es auf den Dachboden bringen?“

„Bloß nicht! Tu es zum Sperrmüll. Es wird keine weiteren Babys mehr in diesem Haus geben. Ich muss endlich anfangen zu arbeiten!“

Clark grinste hintergründig. „Mal sehen.“ Er verließ den Raum, das Kinderbett mühelos unter den Arm geklemmt. Bei einer Größe von fast einen Meter neunzig und einem Gewicht von gut hundert Kilo sah bei Clark praktisch alles mühelos aus. Darunter auch das Käsesoufflé, das zu seinen Spezialitäten zählte. Clark absolvierte gerade sein letztes Semester an der berühmten Kochschule von Savannah. Derzeit wohnte er in einem der vielen leeren Zimmer in Rands großem Haus und vertilgte geradezu gewaltige Lebensmittelmengen als Gegenleistung für seine Dienste als guter Geist des Hauses. Rand graute jetzt schon davor, was passieren würde, wenn Clark in wenigen Monaten seinen Abschluss machte, sich einen richtigen Job suchte und auszog.

Andererseits – er würde dann endlich allein sein und seine Ruhe haben, genau wie er es sich schon gewünscht hatte, als er das Haus vor acht Jahren gekauft hatte. Doch seine beiden jüngeren Schwestern, für die er sich verantwortlich fühlte, hatten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Nachdenklich glitt Rands Blick über die vielen Fachbücher und kopierten Artikel, die sich kniehoch auf dem Boden seines Arbeitszimmers stapelten. Schon seit einem halben Jahr bereitete er sich intensiv darauf vor, ein Buch über Hautkrankheiten zu verfassen, doch es war ihm noch nicht gelungen, auch nur ein einziges Wort zu Papier zu bringen.

Wie sollte er sich auch auf seine wissenschaftliche Veröffentlichung konzentrieren, wenn im ganzen Haus Kinder herumtollten und ständig alle möglichen Frauen aus und ein gingen?

Doch all dies gehörte nun der Vergangenheit an. Ab sofort würde für ihn ein neues Leben beginnen. Er würde tun, was er wollte, kaufen, was er wollte, arbeiten, schlafen und essen, wann er wollte.

Und sein erster Schritt in die neue Unabhängigkeit bestand in der Anschaffung maßgefertigter Bücherregale für sein Arbeitszimmer. Erst wenn sein Arbeitsplatz ordentlich organisiert war, würde er genügend Ruhe und Konzentration aufbringen können, um sich ganz dem Schreiben seines Buches zu widmen. Clark hatte bereits einen Möbeltischler ausfindig gemacht und Rand einen Entwurf für das Regal nebst Kostenvoranschlag vorgelegt. Rand hatte zu beidem seine Zustimmung gegeben, und der Tischler hatte angekündigt, heute mit der Arbeit beginnen zu wollen.

Rand war das sehr recht. Er konnte es kaum erwarten, endlich seine Unterlagen so zu ordnen, dass er nicht jedes Mal, wenn er etwas suchte, sämtliche Stapel auf dem Boden durchwühlen musste.

Clark kam ins Zimmer und begann wortlos, Rands Schreibtisch abzustauben.

„Wann kommt denn der Tischler?“, fragte Rand ungeduldig.

„Er wird schon kommen“, meinte Clark mit einem geheimnisvollen Lächeln, das Rand nicht recht deuten konnte. „Aber ich verstehe trotzdem nicht, wieso du das Regal gerade jetzt machen lassen willst. Solltest du nicht an deinem Buch arbeiten? Wann muss es eigentlich fertig sein?“

„Ende nächsten Monats.“ Rand versuchte, zuversichtlich zu klingen, doch jedes Mal, wenn er an den Abgabetermin dachte, bekam er ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend.

„Und wie weit bist du schon?“

Rand antwortete nicht.

„Komm schon, du lässt dieses Bücherregal doch nur machen, um eine Ausrede dafür zu haben, dass du nicht an deinem Buch arbeitest.“

Rand schwieg und dachte nach. Clark kannte ihn Besorgnis erregend gut. Wahrscheinlich sogar besser als er sich selbst. Und er schien Recht zu haben.

Susan Kilgore kletterte in ihren Lieferwagen, startete den Motor und fuhr rückwärts aus der Auffahrt. Dabei sah sie abwechselnd in den Rückspiegel und auf das Vorstadthäuschen, in dem sie das kleine Apartment direkt unter dem Dach bewohnte. Sie seufzte tief bei dem Gedanken, es schon bald verlassen zu müssen. Sie hatte sich hier sehr wohl gefühlt, doch ihr Vermieter hatte ihr gekündigt. Zum Glück hatte sie bereits eine neue Wohnung gefunden. Die war zwar längst nicht so hübsch wie das Apartment hier, doch sie war billig und wurde zusammen mit einer Garage vermietet, in der sie sich eine Werkstatt einrichten konnte.

Als sie auf dem Weg an einem kleinen Café vorbeifuhr, fragte sie sich, wann sie zuletzt einen Kaffee getrunken hatte. Wie sehr sehnte sie sich jetzt nach einer Tasse … Doch es hatte keinen Sinn, daran zu denken. Stattdessen musste sie sich auf den ersten nennenswerten Auftrag seit dem Tod ihres Vaters vor einem Jahr konzentrieren.

Sie hatte ziemlich bald feststellen müssen, dass potenzielle Kunden kein Vertrauen in einen weiblichen Tischler setzten. In den vergangenen Monaten hatte sie einige Kleinigkeiten in ihrem Bekanntenkreis erledigt, doch das war auch schon alles gewesen. Nun neigten sich ihre Ersparnisse dem Ende zu. Ob sie wollte oder nicht, sie hatte keine andere Wahl, als Geld zu verdienen. Und Möbeltischler war nun einmal der einzige Beruf, den sie gelernt hatte.

Zum Glück hatte Clark Best angerufen, der nichts vom Tod ihres Vaters gewusst hatte. Sie hatte ihm die volle Wahrheit gesagt, und er hatte ihr eine Chance gegeben. Doch nun musste sie auch noch den eigentlichen Auftraggeber, diesen Rand Barclay, davon überzeugen, dass sie ihm das schönste Regal bauen konnte, das er je gesehen hatte. Hoffentlich hatte sie sich da nicht zu viel vorgenommen …

Da Clark die Klingel nicht zu hören schien, ging Rand selbst zur Tür. Draußen stand eine hoch gewachsene Frau mit langen dunklen Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Mit der linken Hand presste sie ein Klemmbrett für Notizen an ihren Oberkörper, sodass der Blick auf ihre Figur eingeschränkt war, doch von den Schultern aufwärts war sie ausgesprochen attraktiv.

Sie war keine klassische Schönheit – dafür waren ihre Gesichtszüge zu scharf geschnitten – doch ihre Haut war perfekt, ihre Lippen rosig, und das klare Blau ihrer Augen besaß eine unergründliche Tiefe.

„Sind Sie Dr. Barclay?“, erkundigte sie sich höflich.

Rand nickte verwundert. Er war fest davon überzeugt gewesen, dass sich die Frau in der Adresse geirrt hatte.

„Guten Tag, Dr. Barclay. Mein Name ist Susan Kilgore.“ Sie streckte ihre Hand aus, um die seine zu schütteln.

Ihre Hände waren kräftig und nicht besonders gepflegt, die Nägel ganz kurz geschnitten. Sie hatte einen festen Handschlag, fand Rand, fast wie ein Mann.

Er sah sie an und wartete darauf, dass sie sagte, was sie von ihm wollte. Eine peinliche Stille entstand, bis sein Blick auf den Lieferwagen in der Einfahrt fiel: Kilgore Möbel und Innenausbau stand auf der Wagentür.

„Oh, das Bücherregal!“, stieß Rand schwach hervor, als ihm der Zusammenhang zwischen dem Lieferwagen und der Frau auf seiner Schwelle dämmerte. „Kommen Sie doch bitte herein.“

Er trat von der Haustür zurück. Sie sah sich kurz um. „Was für ein schönes altes Haus“, bemerkte sie beinahe wehmütig. „Bestimmt wohnt Ihre Familie schon seit Generationen darin.“

„Nein, ich habe es erst vor acht Jahren gekauft. Um die Wahrheit zu sagen, ich bin nicht allzu glücklich damit. Ständig ist etwas kaputt!“

Susan seufzte. „Ältere Häuser brauchen einfach etwas mehr Pflege. Genau wie ältere Menschen.“

„Dann haben Sie auch ein altes Haus?“

„Nein, aber vielleicht irgendwann …“

„Das Regal soll hier hin.“ Rand ging voraus in sein Arbeitszimmer. „Ich möchte, dass dieser Raum ein echtes Büro wird. Der Entwurf, den mir Clark vorgelegt hat, war großartig.“

„Danke. Wenn ich hier fertig bin, haben Sie das schönste Büro von ganz Marlena.“ Sie durchquerte den Raum und klopfte prüfend an die Wand.

„Sie haben also einen Vater oder Bruder, der die Tischlerarbeiten macht?“, erkundigte sich Rand skeptisch.

Ihre blauen Augen verdüsterten sich. „Mein Vater ist vor einem Jahr gestorben. Seitdem arbeite ich allein.“

„Aber …“

„Ja?“

Rand zögerte. Er musste Miss Kilgore wohl nicht erst darauf hinweisen, dass sie eine Frau war. Und er würde sich anhören wie ein Neandertaler, wenn er aus diesem Grund an ihren handwerklichen Fähigkeiten zweifelte. Immerhin war er schon oft genug in ähnlichen Situationen ins Fettnäpfchen getreten. Jetzt konnte er plötzlich auch Clarks hinterhältigen Gesichtsausdruck von vorhin deuten …

„Würden Sie mich einen Moment entschuldigen?“

„Sicher.“

Rand ging geradewegs zu Clark in die Küche. „Ist dir klar, dass du eine Frau angeheuert hast, um mein Bücherregal zu bauen? Wie stellst du dir das eigentlich vor?“

Clark tat, als wäre er vollauf damit beschäftigt, den Geschirrspüler auszuräumen, doch er sah ziemlich schuldbewusst drein.

„Komm schon, Rand. Ich hatte auch erst meine Zweifel, aber sie hat mich überzeugt. Außerdem tust du ein gutes Werk, wenn du ihr einen Job gibst. Sie scheint dringend Geld zu brauchen.“

„Aber wir sprechen hier über mein Büro! Mein Bücherregal!“

„Reg dich ab, Rand. Du kannst sie nicht mehr feuern. Du hast den Vertrag schon unterschrieben.“

Rand stöhnte leise. „Das hast du aber geschickt eingefädelt!“

Wie zufällig sah Clark auf die Uhr. „Hoppla, schon so spät! Ich muss zum Unterricht.“ Und bevor Rand auch nur reagieren konnte, war Clark verschwunden.

Rand schüttelte ärgerlich den Kopf. Vielleicht würde sie ihn ja aus dem Vertrag entlassen, wenn er ihr eine Abfindungszahlung anbot? Er ging zurück in sein Arbeitszimmer, wo Susan gerade mit dem Rücken zu ihm auf dem Boden hockte und Maß nahm. Sie trug einen Overall, unter dessen straff gespanntem Stoff sich ihr ausgesprochen wohlgeformter Po deutlich abzeichnete. Eigentlich hatte er Frauen in Overalls schon immer anziehend gefunden.

Rand war hin- und hergerissen. Wenn er ihr eine Abfindung anbot, würde er damit auf jeden Fall ihre Gefühle verletzen. Vielleicht sollte er ihr einfach eine Chance geben. Er konnte sie ja bei der Arbeit beobachten, und wenn er das Gefühl hatte, dass sie überfordert war, würde er eben einschreiten.

Während er noch überlegte, hielt sie sich mit der linken Hand an seinem Schreibtisch fest und zog sich schwerfällig aus der Hocke hoch. Dieser Anblick war Rand nur zu vertraut. Er hatte schon mehrere Frauen gesehen, die sich auf diese Art hochzogen. Er räusperte sich. Susan, die ihn offenbar nicht kommen gehört hatte, drehte sich erschrocken um.

„Sie sind …“, stotterte Rand verblüfft. „Sie sind …“

„Ich glaube, schwanger wäre das richtige Wort.“

Susan wusste, dass sie verloren hatte. So war das nicht geplant gewesen. Rand Barclay würde sie in hohem Bogen hinauswerfen, und auch der unterzeichnete Vertrag würde ihn nicht daran hindern, weil ihm mit Sicherheit klar war, dass sie ihn nicht wegen Vertragsbruches verklagen konnte und wollte.

„Wusste Clark das, als er Ihnen den Auftrag gegeben hat?“

„Ja, aber es ist nicht seine Schuld. Er hat auch erst nein gesagt, aber dann habe ich ihn überredet.“

„Na, das wird Ihnen in meinem Fall nicht gelingen. Ich werde nicht zulassen, dass eine hochschwangere Frau in meinem Haus schwere körperliche Arbeiten verrichtet.“

„Aber ich kann es! Ich schwöre Ihnen, dass ich es kann!“

„Hilft Ihnen jemand dabei?“

„Nein. Aber ich arbeite schon mit Holz, seit ich fünf Jahre alt bin, Dr. Barclay.“

„Ich zweifle nicht an Ihren Fähigkeiten. Dennoch können Sie ein so großes Projekt unmöglich allein bewältigen. Im wievielten Monat sind Sie überhaupt?“

„Im siebten“, schwindelte Susan. Tatsächlich war sie schon beinahe im achten, doch das würde sie Rand Barclay sicher nicht auf die Nase binden. „Ich habe alles mit der Hebamme abgesprochen, ich weiß genau, was ich tun darf und was nicht. Bitte, Sie müssen mir eine Chance geben.“

„Ist Ihr Mann nicht dagegen, dass Sie solche schweren Arbeiten verrichten?“

Susan spielte mit dem schlichten Goldring, der ihren Ringfinger schmückte. Es war der Ehering ihrer Mutter. Sie trug ihn, seit sie es leid war, ständig allen möglichen Leuten erklären zu müssen, dass und wieso sie nicht verheiratet war.

Sie konnte Rand die Wahrheit sagen: Dass sie nicht verheiratet war, es nie gewesen war, und dass sie der Vater ihres Kindes verlassen hatte und nicht einmal wusste, dass sie von ihm schwanger war. Nun war sie ganz auf sich gestellt, hatte gerade ihre Wohnung verloren, und nur noch dieser Job konnte sie vor einem Leben auf der Straße bewahren.

Doch Susan wollte nicht, dass Rand sie das Regal aus Mitleid bauen ließ. Sie wollte, dass er an sie glaubte. „Mein Mann ist kein Problem.“

Rand starrte auf seine Schuhspitzen. Konnte es sein, dass er weich wurde? Susan beschloss, diesen Augenblick der Schwäche – falls es tatsächlich einer war – auszunutzen.

„Ich gebe zu, dass das Regal auf dem Entwurf ziemlich massiv aussieht, aber so schlimm ist es gar nicht. Das Sägewerk, bei dem ich das Holz kaufe, wird alle großen Teile für mich zuschneiden, und Clark hat versprochen, mir bei der Arbeit hier zu helfen.“

„Sind Sie versichert?“, startete Rand einen letzten Versuch, sie von ihrem Projekt abzubringen.

„Natürlich, ich kann Ihnen die Police zeigen, wenn Sie möchten.“

„Danke, nicht nötig.“ Er zögerte noch immer.

Susan hielt vor Spannung die Luft an.

Rand ging auf sie zu, bis er nur noch einen Schritt von ihr entfernt war, und musterte sie kritisch von Kopf bis Fuß.

Susan fühlte sich seltsam dabei. Ob ihm gefiel, was er sah? Weshalb stellte sie sich eigentlich diese Frage?

„Nachdem der Vertrag bereits unterzeichnet ist, habe ich wohl keine echte Wahl.“

Sie unterdrückte das Bedürfnis, ihm vor Dankbarkeit um den Hals zu fallen, und ergriff stattdessen seine Hände. „Ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen. Ich baue Ihnen das schönste Regal, das Sie je gesehen haben.“

Rand räusperte sich verlegen. „Sehr schön.“ Vorsichtig befreite er sich aus ihrer begeisterten Umklammerung. „Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie dabei weder sich noch Ihr Baby in Gefahr bringen.“

„Bestimmt nicht.“

„Und ich gehe davon aus, dass Sie die Arbeiten abschließen können, bevor Ihr … Ihr Familienzuwachs das Licht der Welt erblickt.“

Susan spürte, wie sich in ihrem Hals ein Kloß bildete. Familienzuwachs. In ihren Ohren klang das wie pure Ironie, denn sie hatte keine Familie. Doch sie zwang sich zu einem Lächeln. „Selbstverständlich. Ich werde zwei, allerhöchstens drei Wochen brauchen. Der errechnete Geburtstermin war in gut vier Wochen. Es würde knapp werden, aber Susan war sicher, dass sie es schaffen konnte.

„Ich muss nur kurz die Trittleiter aus dem Lieferwagen holen, damit ich fertig Maß nehmen kann“, verkündete sie möglichst fröhlich.

„Einen Moment“, sagte Rand bestimmt. „Die Leiter trage ich. Und hinaufklettern werde auch ich.“

Susan musste lachen. „Die Leiter ist nicht schwer. Und hinaufgeklettert bin ich schon, bevor ich richtig gehen konnte.“

Rand gab auf. Es war aussichtslos, sich mit Frauen über derartige Themen zu streiten. Das hatte er in den Jahren, in denen seine Schwestern bei ihm gewohnt hatten, gelernt.

Seine Mutter war beinahe Rands ganze Kindheit hindurch allein gewesen. Auch ihr zweiter Mann war nicht viel länger bei ihr geblieben als Rands Vater. So hatte Rand als Ältester bei der Erziehung seiner Schwestern geholfen und fast seine gesamte Kinder- und Jugendzeit als einziger Mann im Haus verbracht.

Trotz allem waren Frauen ihm ein Rätsel. Alle Verabredungen waren gleich abgelaufen: Wenn er versuchte, sich mit einer Frau zu unterhalten, starrte sie ihn entweder verständnislos an oder erzählte ihm in atemberaubendem Tempo uninteressante Details über Dinge, von denen er nichts verstand. Selbst mit seinen Schwestern ging es ihm meistens so.

Inzwischen war Susan auf die Leiter geklettert. Zweifelnd sah er zu ihr hoch, um sicherzustellen, dass ihr die Arbeit nicht zu viel wurde, doch er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Susan fand sogar noch Zeit, ihn anzulächeln. Und wie sie lächelte! Ihr ganzes Gesicht strahlte. Rand ertappte sich bei dem Gedanken, wie ihr Haar wohl aussah, wenn sie es offen trug, nicht in einem strengen Pferdeschwanz wie jetzt. Erschrocken verbot er sich solche Ideen. Natürlich – Susan Kilgore war hinreißend, das konnte keinem Mann entgehen, der Augen im Kopf hatte. Doch offenbar war sie verheiratet, was die Möglichkeit, dass sich zwischen ihnen etwas entwickeln würde, völlig ausschloss. Natürlich wollte er das auch gar nicht. Schließlich hatte er ein Buch zu schreiben. Er brauchte wirklich keine neuerliche Ablenkung durch eine Frau, nachdem er gerade erst seine zweite Schwester unter die Haube gebracht hatte …

„Ich bin in der Nähe, falls Sie etwas brauchen.“ Rand ging zu seinem Schreibtisch, doch arbeiten war so ziemlich das Letzte, wofür er sich im Moment begeistern konnte.

Susan stieg seitwärts die Leiter hoch, damit ihr Bauch ihr nicht im Weg war.

Er hätte ihr gerne geholfen. Die Vorstellung, gemeinsam mit dieser Frau ein Bücherregal zu bauen, hatte etwas Reizvolles.

Irgendwie komisch, dachte er, als er einen Stapel Internetseiten durchforstete, die er ausgedruckt und thematisch geordnet neben sich liegen hatte. Er hatte schon viel Zeit mit Frauen verbracht und genügend Verabredungen hinter sich. Und er mochte Frauen – mit all ihren Besonderheiten. Aber es war ihm immer am liebsten, wenn er mit einer Frau ins Kino oder in ein Konzert gehen konnte und nicht mit ihr reden musste. Doch in letzter Zeit lag ihm nicht einmal mehr daran etwas. Seine Beziehungen waren nie von Dauer gewesen.

„Rand?“

Rand war sofort bei Susan. „Kann ich etwas für Sie tun?“

„Könnten Sie mir vielleicht das Maßband halten?“

„Ja, natürlich.“

Ihre Finger berührten sich flüchtig, als sie ihm das Maßband reichte. Er beobachtete sie eingehend, während sie die Maße nahm und die Daten notierte.

Für eine Schwangere bewegte sie sich außergewöhnlich grazil. Allein die Tatsache, dass sie sich noch bewegen konnte, erstaunte ihn. Seine Schwestern hatten es im letzten Drittel ihrer Schwangerschaft nur mit Mühe von der Couch in die Küche geschafft.

„Ich halte Sie hoffentlich nicht bei irgendetwas auf?“, fragte Susan. „Clark hat mir erzählt, dass Sie an einem wichtigen medizinischen Buch arbeiten.“

Rand redete nicht gern über seine Arbeit. Sobald er einer Frau erzählte, womit er sein Geld verdiente, schien er sich in ihren Augen zu verändern. Und nicht unbedingt zu seinem Vorteil …

„Welche Art Arzt sind Sie eigentlich?“, erkundigte sie sich, obwohl sie ihm ansah, dass dies nicht sein Lieblingsthema war.

„Ich bin Hautarzt. Aber ich behandle keine Patienten mehr, ich arbeite nur noch in der Forschung.“

„Na ja, irgendwer muss sich wohl auch damit beschäftigen“, bemerkte Susan und widmete sich wieder ihrer Arbeit.

2. KAPITEL

Voller Tatendrang fuhr Susan früh am nächsten Morgen zu Rands Haus. Als sie aus dem Lieferwagen kletterte, kam ihr Bauch ihr plötzlich riesig vor. War er über Nacht gewachsen? Wahrscheinlich lag es an ihrem Overall. Darin fühlte sie sich einfach nur dick und unbeholfen. Bislang war ihr das jedoch gleichgültig gewesen.

Noch bevor sie anklopfen konnte, öffnete Rand ihr in einem strahlend weißen Laborkittel mit einer Tasse Kaffee in der Hand die Haustür. Der Kaffee duftete herrlich. Nur zu gern hätte sie auch eine Tasse getrunken. Aber Schwangerschaft war Schwangerschaft.

„Guten Morgen“, sagte sie. „Ist Clark auch hier?“

„Wofür brauchen Sie ihn?“, fragte Rand.

„Er hat mir versprochen, mir beim Hineintragen meiner Sachen zu helfen.“ Sie hasste es, jemanden um Hilfe bitten zu müssen. Ganz besonders Rand.

„Ich werde Ihnen helfen.“

„Aber Sie werden sich Ihren schönen weißen Kittel schmutzig machen.“

„Ich trage diesen schönen weißen Kittel, um meine Kleidung nicht schmutzig zu machen“, erklärte Rand schmunzelnd. „Dazu sind Laborkittel nämlich da.“ Er stellte seinen Kaffee auf der Kommode im Korridor ab und dehnte seine Arme über dem Kopf, wie um sich aufzuwärmen.

Meine Güte! Er hatte anscheinend keine Ahnung, was er ihrem ohnehin völlig aus den Fugen geratenen Hormonhaushalt gerade zumutete. Durch sein blaues Hemd konnte Susan das Spiel seiner Brustmuskeln sehen, und er wirkte, als würde ihm die steife Brise, die heute wehte, absolut nichts ausmachen.

Rand trug alles allein ins Haus, nicht einmal die kleineren Holzstücke überließ er ihr. Da er zum Schluss den Scheck ausstellen würde, ließ sie ihn gewähren, aber sie war alles andere als glücklich mit dieser Situation. Sie hatte sich geschworen, sich nie mehr im Leben auf einen Mann zu verlassen. Das hatte sie aus ihrer Beziehung zu Gary, dem Vater ihres Babys, gelernt. Sie hatte ihn unmittelbar nach dem Tod ihres eigenen Vaters im Krankenhaus kennen gelernt. Zu der Zeit war sie verzweifelt gewesen und hatte nicht mehr weitergewusst. Da hatte er sich ihrer angenommen und fortan alle Entscheidungen für sie gefällt.

Welche Erleichterung war es gewesen, sich nach der langen Krankheit ihres Vaters und all den Geldsorgen und geschäftlichen Problemen einfach fallen zu lassen! Gary wollte, dass sie von ihm abhängig war. Und sie konnte einfach nicht anders, als sich in ihren Retter in der Not zu verlieben.

Leider verließ sie sich auch dann noch auf ihn, als sie das Trauma nach den Tod ihres Vaters bereits verarbeitet hatte. Gary hatte es ihr einfach zu leicht gemacht. Und sie hatte keine Ahnung gehabt, dass er selbst auch alles andere als glücklich mit der Situation gewesen war. Noch bevor sie Gelegenheit gefunden hatte, ihm von der Schwangerschaft zu erzählen, war er spurlos verschwunden und seither unauffindbar.

„Ich will nicht, dass Sie wegen mir zu spät zur Arbeit kommen“, sagte Susan zu Rand, als dieser bereits zum dritten Mal zwischen Lieferwagen und Haus hin- und herpendelte. „Den Rest schaffe ich auch alleine.“

Zu Susans Verwunderung antwortete Rand: „Ich glaube, ich bleibe heute zu Hause und schreibe an meinem Buch weiter.“

„Während ich arbeite? Es werden überall Sägespäne herumfliegen, und der Lärm wird Sie sicher auch stören.“

Doch Rand ließ sich nicht abwimmeln. „Ich muss zumindest die Bücher wegräumen, damit Sie genügend Platz zum Arbeiten haben.“

„Sie vertrauen mir nicht“, wagte Susan einen Schuss ins Blaue.

„Natürlich vertraue ich Ihnen“, sagte er wie beiläufig und hob dabei seine Kaffeetasse wieder auf.

„Das tun Sie nicht. Sie werden mir auf die Finger sehen und darauf warten, ob ich vielleicht einen Fehler mache.“

Autor

Kara Lennox
Kara Lennox hat mit großem Erfolg mehr als 50 Liebesromanen für Harlequin/Silhouette und andere Verlage geschrieben.
Vor ihrer Karriere als Liebesromanautorin verfasste sie freiberuflich Hunderte Zeitschriftenartikel, Broschüren, Pressemitteilungen und Werbetexte. Sogar Drehbücher hat sie geschrieben, die das Interesse von Produzenten in Hollywood, New York und Europa weckten.
Wegen ihrer bahnbrechenden, sehr...
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