Traumgirl auf Hawaii

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Nicht weit entfernt von der kleinen hawaiianischen Insel Molokai geschieht es: Lilly Kokoa entdeckt von ihrem Segelboot aus einen verletzten Mann, der schiffbrüchig im Pazifik treibt. Sofort nimmt sie ihn an Bord. Er hat anscheinend sein Gedächtnis verloren. Aber dafür meint Lilly zu wissen, wer er ist: der berühmte Schauspieler Cameron Ross! Bildet sie es sich nur ein oder herrscht zwischen ihnen wirklich eine sehr erotische Anziehungskraft? Eigentlich darf das nicht sein, denn Cameron ist mit der schönen Dulcy verheiratet - auch wenn er sich im Moment nicht daran erinnern kann. Und er will auch nicht daran erinnert werden, als sie nach einem gefährlichen Abenteuer - sie entgehen nur knapp einer Entführung - endlich Molokai erreichen.


  • Erscheinungstag 22.09.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759315
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Noah Campbell brauchte dringend ein heißes Bad. Er hatte die letzten vier Tage damit zugebracht, seine riesige Rinderherde auf die höher gelegenen Weiden zu treiben. Jetzt war er dreckig, erschöpft und glücklich, wieder zu Hause zu sein.

„Das ist was anderes als Hollywood, was, Boss?“, meinte sein Vormann, während sie ihre müden Pferde über den Bitter River führten.

Noah hob den Hut, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, und grinste breit. „Zum Glück.“

Zwar hatte Noah nichts gegen seinen anderen Job in Hollywood. Unter dem Namen Cameron Ross ein weltbekannter Kinokassenmagnet zu sein ermöglichte es ihm schließlich, die Ranch nach seinen Vorstellungen zu führen. Ja, dadurch hatte er sich die Ranch überhaupt erst leisten können. Aber das machte es ihm auch schwer, ohne Horden von Paparazzi auf den Fersen in sein wahres Zuhause zu gelangen.

Um das zu verhindern, hatte er seinen Cousin Ethan wie immer in die entgegengesetzte Richtung geschickt. Denn die Presse, die Ethan Campbell dank der Ähnlichkeit seit Langem für Cameron Ross hielt, würde ihm folgen. Noah, der in schlaffer Haltung und mit vier Tage alten Bartstoppeln im Sattel saß, konnte sich entspannen.

„Wann musst du zurück?“, fragte Hank.

„Anfang nächster Woche. Nachdem ich mit Dulcy beim Arzt war.“

Dulcy, seit acht Monaten seine Frau und ebenso lange schwanger, war ans Haus gefesselt und daher äußerst gereizt. Bis letzten Monat hatte sie die Ranch ganz allein geführt. Sie war noch immer nicht besonders glücklich darüber, beim Viehtrieb nicht dabei sein zu dürfen, aber der Doktor war unnachgiebig gewesen.

Daher war Noah nicht überrascht, sie im Garten stehen zu sehen, wo sie auf seine Rückkehr wartete. Rund und rothaarig stand sie da, die Hand über den Augen, um sie vor der Sonne zu schützen. Noah winkte und spornte seinen Wallach zu einem kurzen Galopp an. Dulcy winkte mit etwas zurück, das sie in der Hand hielt, und kam ihm entgegen. Sie wirkte angespannt und entschlossen.

Noah war noch nicht lange verheiratet, jedoch lange genug, um zu wissen, was diese Haltung bedeutete. Irgendetwas stimmte nicht.

„Was ist los?“, rief er, brachte das Pferd zum Stehen und schwang sich aus dem Sattel.

Dulcy hielt eine Zeitung umklammert. Die andere Hand lag auf ihrem Bauch. Ihre Miene verriet tiefe Besorgnis.

Noah packte ihr Handgelenk. „Dulcy, was ist los?“

Sie gab ihm die Zeitung. „Wir wollten gerade aufbrechen, um dich zu suchen“, sagte sie. „Lies das.“

Noah brauchte lediglich die Schlagzeile zu lesen. „Oh mein Gott! Ich muss sofort los.“

„Wir müssen sofort los“, korrigierte sie ihn.

Der Ausdruck in ihren Augen verriet ihm, dass es keinen Zweck hatte, mit ihr darüber zu streiten. Er war schon jetzt außer sich, und er hatte es gerade erst erfahren. Sie dagegen hatte die schlimme Nachricht schon vor zwölf Stunden oder länger erhalten und hatte sich bestimmt die fürchterlichsten Dinge vorgestellt.

„Schön, wir fliegen beide“, lenkte er ein.

Dulcy schlang ihm die Arme um den Hals, und sie sahen sich an. Es war überflüssig, darüber zu sprechen, was diese Nachricht bedeutete, denn sie wussten es beide.

Aber das war egal. Es spielte keine Rolle, dass es von nun an mit ihrer häuslichen Normalität vermutlich für immer vorbei war. Was zählte, war einzig und allein Ethan.

Noah ließ die Zeitung sinken und hielt seine Frau fest, von plötzlicher Angst erfasst. Der Wind zerzauste die Seiten der am Boden liegenden Zeitung. Über dem Foto, das Noah im Smoking bei der Oscarverleihung zeigte, stand in riesigen Buchstaben: CAMERON ROSS VOR HAWAII-INSELN VERSCHWUNDEN!

1. KAPITEL

Er war nicht verschwunden, er befand sich nur am falschen Ort. Zumindest nahm er das an, da er sich nicht daran erinnern konnte, wie er hierher gekommen war. Oder weshalb. Oder wann. Er wusste nur, dass er auf dem Rücken im Wasser lag und zum tiefblauen Himmel hinaufschaute. Und dass sein Kopf schmerzte. Und sein Bein. Außerdem noch die Rippen auf der rechten Seite. Aber abgesehen davon, fand er, ging es ihm ausgezeichnet.

Er versuchte sich aufzusetzen, aber dadurch wurden die Kopfschmerzen nur schlimmer. Er schloss die Augen, doch auch das half nicht. Er war durstig, ihm war schwindelig, und er war ein wenig seekrank.

Er war spät dran. Das wusste er. Irgendwo sollte er jetzt sein und irgendetwas tun. Etwas Wichtiges. Aber was immer das auch war, es fiel ihm nicht ein. Andererseits bemühte er sich auch nicht sonderlich, sich zu erinnern, denn es war viel zu anstrengend. Vermutlich sollte er lieber herausfinden, wo er war.

Das Floß. Er sollte sich das Floß anschauen, auf dem er lag. Vielleicht würde ihm das einen Hinweis liefern. Er machte die Augen wieder auf.

Nein, kein Hinweis. Es war nur ein großes, aufblasbares weißes Floß, auf dem er lag … im Smoking. Und barfuß. Auf seinem Bauch lag ein großer schwarzer Stetson. Und um ihn herum war nichts als Wasser.

Das reichte. Wenn er die Augen offen hatte, brachte ihn das nur noch mehr durcheinander. Also schloss er sie wieder. Zusätzlich legte er sich den Stetson aufs Gesicht, um es vor der Sonne zu schützen.

Er war nicht sicher, wie lange er so dahintrieb. Minuten? Stunden? Tage? Er schwitzte und spürte, wie sein Hals und seine Hände unter der heißen tropischen Sonne verbrannten. Trotzdem fand er nicht die Kraft, sich zu bewegen. Es war einfach zu beruhigend, im Wasser zu treiben. Der leichte Wind trocknete den Schweiß auf seiner Brust. So lag er träge da, ließ sich von der Sonne rösten und fragte sich, wo er jetzt stattdessen sein sollte.

„Hallo? Können Sie mich hören?“

Er hörte sie, und ignorierte sie. Wahrscheinlich war sie eine umwerfend attraktive Frau in einem zu seinem Smoking passenden Abendkleid.

Dieser Gedanke brachte ihn fast zum Lachen. Die Sonne grillte offenbar wirklich sein Gehirn.

„He! Ist alles in Ordnung mit ihnen?“

Ihre Stimme war jetzt lauter. Vielleicht war sie eine Meerjungfrau? Oder ein dressierter Delfin, dem man das Sprechen beigebracht hatte. Falls das Wesen, das mit ihm redete, ihm nicht erklären konnte, was los war, interessierte es ihn nicht, ob es sich um eine Frau, eine Nixe oder einen Delfin handelte.

„Verschwinden Sie.“ Er hörte sich elend an.

Überraschtes Lachen. „Wieso?“ Es klang, als sei das Wesen, dem die Stimme gehörte, ganz nah. „Warten Sie etwa auf Ihre Verabredung?“

Er machte sich weder die Mühe aufzusehen, noch den Hut zu lüften. Ihm war auch so schon schwindelig genug. „Könnte durchaus möglich sein.“

Erneutes Lachen. „Ich bezweifle, dass irgendjemand mit Ihnen tanzen will, so, wie Sie aussehen.“

„Seien Sie nicht albern“, erwiderte er. „Ich trage meine besten Sachen … glaube ich zumindest.“

„Sie glauben es?“

Er zuckte die Schultern. „Momentan kann ich das nicht mit Sicherheit sagen, außer dass mein Kopf mich umbringt. Haben Sie zufällig Aspirin dabei?“

„Was halten Sie davon, wenn ich Sie an Land bringe und wir Ihnen welches besorgen?“

Jetzt machte er doch die Augen auf. „Land? Es gibt Land?“

„Natürlich gibt es hier Land. Was meinen Sie, woher ich komme?“

„Aus den Tiefen des Meeres?“ Er hob den Hut so weit an, dass er in die Richtung blinzeln konnte, aus der die Stimme kam. Alles, was er erkennen konnte, war leuchtende Farben und geometrische Formen. Grelle Gelb- und Orangetöne in überlappenden Dreiecken, Meeresblau, kleinere Formen in flimmerndem Schwarz, Dunkelbraun und Hellrot, die sich vor und zurück bewegten und ihm irgendwie vertraut vorkamen. Er deutete es als wohlgeformte Frau in einem kleinen Segelboot, gemalt von Picasso.

Er schüttelte den Kopf und ließ den Hut wieder sinken. „Lassen Sie mich in Frieden weiterrösten.“

„Das werden Sie auch, wenn Sie nicht an Land kommen“, warnte die Fremde ihn.

Er spürte, dass sie dem Floß einen leichten Stoß versetzte, und versuchte das Schaukeln zu ignorieren. Keine Nixe, dachte er. Nixen duften nicht nach Kokosnussöl und Mandelblüten. „Woher weiß ich denn, wie Mandelblüten riechen?“, fragte er sich laut.

Da die Frau immer noch damit beschäftigt war, etwas zu tun, was das Floß zum Schaukeln brachte, ignorierte sie seine Frage. „Kommen Sie, Sie müssen an einen sicheren Ort. Können Sie mir erzählen, was passiert ist?“

„Ich bin von einem Boot gefallen.“

„Das habe ich mir fast gedacht. Was für ein Boot war das?“

Er runzelte konzentriert die Stirn. „Keine Ahnung.“

Das schien sie nicht zu stören. „Wahrscheinlich ist es während des Sturms passiert. Sie haben Glück, dass Sie so nah ans Land getrieben wurden. Würden Sie jetzt bitte den Hut fortnehmen und die Augen aufmachen? Sie müssen mir helfen, Sie auf mein Boot zu bringen.“

Er seufzte, denn er war unglaublich müde, obwohl er nur gelegen hatte. Wie lange eigentlich? Er erinnerte sich an Dunkelheit und den Schock, ins kalte Wasser zu fallen.

„Sie können mich wohl nicht einfach abschleppen, oder?“

„Nicht mit dem Segelboot“, bestätigte sie. „Außerdem habe ich hier Wasser für Sie, wenn Sie rüberkommen.“

Wasser. Das brachte ihn dazu, die Augen wieder zu öffnen. Es brachte ihn auch dazu, sich zu bewegen, obwohl man das Ergebnis nicht besonders anmutig nennen konnte.

„Ich habe Durst“, gab er zu und merkte erst jetzt richtig, wie heiser er klang. Benommen setzte er sich auf und wäre beim ersten Versuch, in das schmale kleine Segelboot zu gelangen, fast ins Wasser gestürzt.

„Oh Mann!“, rief seine Retterin überrascht. Mit einer Hand hielt sie das Floß fest, während sie ihm die andere entgegenstreckte. „Sie haben Blut auf dem Gesicht. Ich glaube, Sie haben einen ganz schönen Schlag abbekommen.“

Er schüttelte den Kopf und wäre erneut fast ins Wasser gefallen. Er glaubte, dass er normalerweise ziemlich behände war. Davon war jetzt allerdings nichts zu merken. „Es tut jedenfalls ziemlich weh.“

Er hatte es gerade geschafft, sich zu ihrem Boot hinüberzulehnen, als sie plötzlich losließ. „Oh nein“, flüsterte sie, als Boot und Rettungsfloß zusammenstießen und dann voneinander wegtrieben. „Sie sind …“

Er schluckte Wasser, bevor sie ihn hochzog.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte er prustend.

Sie war erstarrt, als hätte sie gerade miterlebt, wie er von den Toten auferstand. „Sie sind Cameron Ross!“, rief sie und ließ das Floß beinah noch einmal los.

Er blinzelte. „Sie wissen, wer ich bin?“

Sie lachte – es klang entzückend melodisch. „Das soll wohl ein Witz sein. Wer weiß das nicht?“

Er runzelte die Stirn und betrachtete die Blutflecken auf seinem ehemals sicher blütenweißen Smokinghemd. Dann sah er wieder zu der vermutlich sehr hübschen jungen Frau, die seinen Arm festhielt, und versuchte zu grinsen. „Ich.“

Lilly hatte sich an diesem Nachmittag auf ein paar Stunden Ruhe und Frieden gefreut. Und auf einen ruhigen Segeltörn nach Hause, nachdem sie ein paar Tage in der alten Hütte auf Molokai Abstand zur Familie und zum Job gesucht hatte. Sie hatte der Enge auf Oahu und dem Lärm der vielen Menschen wenigstens für kurze Zeit entrinnen wollen.

Heute hatte sie nur den Wind, das Wasser und den Himmel genießen wollen. Stattdessen hatte sie Cameron Ross gefunden.

„Kommen Sie“, drängte sie ihn und gab sich Mühe, vernünftig und entschlossen zu klingen, obwohl sie innerlich bebte. Am liebsten hätte sie laut gekichert, obwohl das albern war.

Er sah fantastisch aus. Seine Züge waren so markant und rau, wie immer behauptet wurde, und seine dunklen Haare waren eine Spur zu lang. Er hatte wundervolle große blaue Augen, eine Kerbe im Kinn, ein perfekt geformte Nase und eine breite Brust. Und dieses Prachtexemplar trieb auf einem Rettungsfloß im Meer. Wer wollte da noch behaupten, das Leben habe nichts Interessantes zu bieten?

Er sah nicht ganz genau so aus wie in den Filmen, aber das machte nichts. Ihr Cousin Koki, der bei „Magnum“ mitgespielt hatte, versicherte ihr stets, dass niemand in Wirklichkeit so aussah wie auf der Leinwand. Jedenfalls war Cameron Ross so attraktiv, dass Lilly weiche Knie bekam.

Was nicht besonders hilfreich war, wenn er verletzt, verwirrt und verloren auf einem Rettungsfloß auf dem Ozean trieb. Daher riss sie sich zusammen und streckte die Hände aus – nicht nach Cameron Ross, dem Filmstar, sondern nach dem verletzten Mann, der ihre Hilfe brauchte.

„Kommen Sie rüber, dann kriegen Sie Wasser“, lockte sie ihn. „Sie haben ordentlich was auf den Kopf bekommen. Wahrscheinlich können Sie sich deshalb an nichts erinnern. Sobald ich Sie an Land gebracht habe, können wir uns Ihre Verletzungen anschauen. Ist Ihnen vielleicht schwindelig oder so?“

„Ja, in meinem Kopf dreht sich alles“, antwortete er heiser und müde.

Sie packte seine starken Arme und lehnte sich zurück, bis sein Gesicht fast an ihrem Hals lag und sie seine Beine an Bord ziehen konnte. Er musste wirklich verwundet sein. Sie hatte Cameron Ross mit der Anmut eines Balletttänzers bei einer Kampfszene agieren sehen. Jetzt konnte er seine Arme und Beine kaum gleichzeitig bewegen.

Und dann entdeckte sie das Blut an seinem Bein. „Was haben Sie denn mit Ihrem Bein gemacht?“, rief sie.

Er schaute verwirrt auf sein Bein herunter, als hätte er es noch nie zuvor benutzt. „Keine Ahnung. Zumindest tut es nicht weh.“

„Können Sie sich aufsetzen? Wenigstens für eine Minute. Sie müssen die Smokingjacke ausziehen.“

Es war nicht ganz einfach, ihn von der Smokingjacke zu befreien, und mehrmals stöhnte er vor Schmerz auf. Lilly versuchte, nicht auf seine breiten Schultern und die dunklen Haare auf seiner Brust zu achten, die unter dem offenen Hemdkragen hervorlugten.

Sie half ihm, sich wieder hinzulegen, gab ihm seinen Hut und schraubte die Wasserflasche auf, die sie immer dabeihatte. „Leider ist es nicht kalt“, sagte sie.

Er lag vor ihren Knien, die Augen geschlossen. Die Haut um seine Augen und den Mund war im Gegensatz zum rötlich verbrannten Rest seines Gesichts weiß. Sein Brustkorb hob und senkte sich mit kurzen, rasselnden Atemzügen. Seine Augen waren zu, der Mund halb geöffnet. Lilly versuchte keine Angst zu haben. Er war der erste Filmstar, dem sie im richtigen Leben begegnete, und er würde in ihren Armen sterben, weil sie ihm die Smokingjacke ausgezogen hatte.

„Mr. Ross?“, flüsterte sie, zögerte aber, ihn zu berühren.

Er reagierte nicht. Er lag einfach nur da und machte beim Atmen komische Geräusche, die Lilly nur allzu gut kannte. Sie hatte drei große Brüder, die Sport trieben und nichts mehr liebten als einen guten Kampf. Falls Lillys zahlreiche Besuche in der Notaufnahme nicht umsonst gewesen waren, hatte Mr. Ross geprellte oder gebrochene Rippen.

„Mr. Ross, bitte“, flehte sie und berührte ihn jetzt doch. Vorsichtig ließ sie ihre Finger über seine Haare, seine Wange, seinen Hals gleiten, als könnte seine Wärme sie beruhigen. „Sie brauchen Wasser.“

Wieder stöhnte er leise. Dann erwachte er abrupt und zuckte zusammen. „Tut mir leid, mir geht’s nicht besonders gut.“

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Dazu haben Sie auch jedes Recht. Trinken Sie einen Schluck Wasser, und dann können Sie sich den Hut wieder aufs Gesicht legen, während ich nach Maui segle.“

Er sah sie an. „Nach Maui? Wollte ich dorthin?“

Sie legte seinen Hut auf ihre Schenkel. „Ich wollte jedenfalls nicht dorthin, denn ich war auf dem Rückweg nach Oahu. Wir sind jedoch näher an Maui, und ich glaube, es ist besser, wenn ich Sie dorthin bringe. Jetzt trinken Sie.“

Er gehorchte und schluckte, wobei er ihre Hände an der Flasche umfasste. Lilly ließ ihn ein wenig trinken und zog die Flasche dann fort. „Es ist genug da“, versicherte sie ihm. „Sie dürfen nicht so hastig trinken.“

Er legte den Kopf wieder auf ihre Schenkel und sah sie an. „Danke. Ich vermute, Sie haben mir das Leben gerettet.“

Sie lächelte. „Glauben Sie mir, es ist mir ein Vergnügen.“

Erst jetzt bemerkte sie, dass seine Füße nackt waren. Wieso erregte sie das? Sie war keine Fußfetischistin, doch das Bild eines attraktiven Mann, der barfuß im Smoking herumlief, war erstaunlich erotisch. Außerdem hatte er schöne Füße, lang, kräftig und anmutig. Aber daran sollte Lilly nicht denken. Eher daran, dass seine Füße einen schlimmen Sonnenbrand bekommen würden.

„Darf ich Sie etwas fragen?“, meinte er. „Woher kennen Sie mich?“

„Jeder in der zivilisierten Welt kennt Sie, Mr. Ross. Sie sind einer der berühmtesten Filmstars.“

Er schwieg einen Moment. „Nein, das bin ich nicht.“

Lilly lachte. „Oh, ich fürchte, das sind Sie doch.“

„Was ist mit Ihnen?“, wollte er wissen.

Das wundervolle Funkeln in seinen Augen faszinierte sie. „Was soll mit mir sein?“

„Sind Sie auch ein Filmstar?“

„Fast“, erwiderte sie mit einem breiten Grinsen. „Ich bin Bibliothekarin.“

Jetzt grinste er. Sein Lächeln war nicht so intensiv wie auf der Leinwand, und nicht ganz so selbstsicher. Ein bisschen jungenhaft, herzlich und humorvoll, ganz seinem Ruf eines Frauenschwarms entsprechend.

„Und mein Name ist Cameron Ross?“

Sie nickte.

Er dachte einen Moment darüber nach. „Das klingt irgendwie nicht richtig. Ich habe keine Ahnung, wieso, aber es …“ Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen. „Da ist noch etwas anderes. Etwas, von dem ich glaube, dass ich mich daran erinnern sollte. Und etwas, was ich tun soll.“

Lilly hätte beinahe erneut seine Wange gestreichelt, damit der besorgte Ausdruck aus seinem Gesicht verschwand. Stattdessen richtete sie sich auf. „Nun, es wird warten müssen, bis wir Sie an Land gebracht haben. Oder wenigstens auf ein Motorboot, das Sie schneller dorthin befördert. Wenn Sie so schlau gewesen wären, auf der Südseite von Molokai von Bord zu fallen, hätte man Sie sofort herausgefischt. Die Südseite von Molokau liegt in Sichtweite von Maui und Lanai, und dort fahren sehr viele Boote. Auf dieser Seite gibt’s nur Wasser.“

„Und Sie.“

„Und ich. Ich hätte bei Tutu Mary besser aufpassen sollen, als sie mir Erste Hilfe beibrachte.“

„Tutu Mary? Wer ist das, eine Ballerina?“

Wenn jemand anders das gefragt hätte, wäre Lilly verärgert gewesen. Aber aus Cameron Ross’ Mund klang es keineswegs beleidigend.

„Tutu ist das hawaiische Wort für Großmutter“, erklärte sie. „Meine Tutu war eine Zauberheilerin. Sie hat versucht, mir die traditionelle Heilkunst beizubringen. Leider war ich in der Theorie besser als in der Praxis.“ Zumindest hatte Lilly das stets von sich behauptet.

Er lächelte wieder. Es war ein sanftes, verständnisvolles Lächeln. „Ich kann Erste Hilfe.“

Lilly erwiderte sein Lächeln. „Natürlich.“

Trotzdem untersuchte sie sein Bein und stellte fest, dass das Blut getrocknet war, und der Riss in der Hose nur sehr klein. An seinem Kopf fand sie zwei klaffende Wunden, eine unterhalb des Haaransatzes und eine an der Schläfe, für deren Behandlung ein Prominenten-Schönheitschirurg vermutlich ein Vermögen verlangen würde. Keine der Wunden blutete. Andere offenkundige Verletzungen konnte sie nicht finden. Selbst wenn, hätte sie ohnehin nichts tun können. Daher beschloss sie, sich auf das Segeln zu konzentrieren.

„Hier“, sagte sie, machte ein Strandhandtuch nass und legte es ihm auf den blutverkrusteten Kopf. „Ich werde Ihnen Ihren Hut zurückgeben, damit Ihre Augen vor der Sonne geschützt sind.“ Sie setzte ihm den Hut so auf, dass er noch einen kleinen Windzug darunter spürte.

„Ist das Molokai dort drüben?“, fragte er.

Lilly drehte sich um zu den smaragdgrünen Klippen, die direkt aus den Wolken ins glitzernde Meer zu ragen schienen.

„Ja“, bestätigte sie.

„Kaum zu glauben, dass ich es nicht schon vorher bemerkt habe. Können wir nicht direkt darauf zu halten?“

„Nicht an der Nordseite. Von da aus können wir Sie nicht in die Zivilisation bringen.“

„Aber die Küste sieht wunderschön aus.“

„Ja“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Das ist sie.“

Tatsächlich lebten an der Nordküste Menschen, und zwar auf Kalaupapa, einer schmalen, üppig begrünten Halbinsel, die hinter den gefährlichen Klippen lag. Dort gab es eine Gemeinde mit medizinischer Versorgung. Für einen kurzen Moment hatte Lilly sogar überlegt, ihren ursprünglichen Kurs beizubehalten und dort an Land zu gehen. Aber die einzigen Menschen, die auf der Halbinsel lebten, waren die letzten von Pater Damiens „Kindern“, ältere Überlebende der Hansenschen Krankheit, besser bekannt als Lepra. Diese scheuen, sehr auf den Schutz ihrer Privatsphäre bedachten Menschen würden sicher keinen berühmten Filmstar bei sich haben wollen. Außerdem war Maui viel besser zur Versorgung und zum Transport von jemandem geeignet, der Smokings trug und auf Yachten segelte.

Vorsichtig, um Cameron nicht zu stören, stand sie auf und machte das Segel klar.

„Ich erinnere mich an einen Sturm“, sagte er mit gedämpfter Stimme, während Lilly mit der kleinen „Sunfish“ eine Wendung vollführte und sie in die Richtung steuerte, aus der sie gekommen war. „An viel Lärm und viele Lichter.“

„Das war vorletzte Nacht“, bestätigte sie und stieg über ihn hinweg. „Wir hatten einen ziemlich heftigen Sturm. Das Dach der Hütte, in der ich wohnte, wäre fast weggeflogen. Wir erwarten allerdings noch einen stärkeren Sturm. Ich wollte nach Hause, bevor er kommt. Dann bin ich auf Sie gestoßen.“

„Ich erinnere mich daran, getaucht zu sein. Aber das ist verrückt. Wieso hätte ich tauchen sollen?“

„Wahrscheinlich sind Sie über Bord gefallen. War es ein Segelboot?“, erkundigte sie sich. „Ein Kabinenkreuzer? Wissen Sie noch, ob Sie eine Mannschaft hatten? Wenn Sie auf einem größeren Boot waren, wird man sicher schon nach Ihnen suchen.“

Wenn sie das Funkgerät in der Hütte eingeschaltet hätte, wäre sie jetzt wahrscheinlich darüber informiert.

Mr. Ross hob eine Hand, um sich die Brust zu reiben. Vermutlich waren unter dem weißen Hemd weitere Prellungen.

„Das weiß ich nicht“, gestand er. „Ich erinnere mich an nicht viel mehr außer an die Blitze und den Sturm und dass ich wie verrückt versucht habe, meine Schuhe auszuziehen. Aber ich habe das Gefühl, dass ich irgendetwas Wichtiges vergessen habe.“

„Etwas Wichtigeres als Ihren Namen?“, fragte sie und konzentrierte sich abwechselnd auf ihn und das Boot. Der Wind blähte das Segel, wehte Lilly die Haare aus dem Gesicht und kühlte den Schweiß auf ihrem Rücken und ihren Brüsten. Die kleine Sunfish hüpfte wie ein flacher Stein über das Wasser.

„Nein, nicht so wichtig wie ein Name“, sagte der vermeintliche Cameron Ross und dachte angestrengt nach. „Aber wichtig.“

„Na, machen Sie sich keine Sorgen deswegen.“ Lilly klang zuversichtlicher, als sie sich fühlte. „Sobald wir Sie an Land gebracht haben, werden Sie genug Zeit haben, sich zu erinnern.“

Bis jetzt waren sie allerdings noch sehr weit von jeglicher Hilfe entfernt. Doch mit etwas Glück würden sie einer Yacht begegnen, sobald sie in den Pailolo Kanal gelangt waren. Vielleicht einem Charterboot auf dem Weg zum Hochseefischen, dessen Kapitän sie bitten könnte, Mr. Ross zu einem Arzt zu bringen. Und falls sie kein Boot trafen, war Maui nur ungefähr fünf Meilen entfernt.

Wenn ich das meiner Mutter und meinen Kolleginnen erzähle, dachte Lilly. Da fahre ich nichts ahnend in meinem Boot, versuche den Geschwindigkeitsrekord zwischen Molokai und Oahu zu brechen, und wen rette ich da zufällig? Cameron Ross in Smoking und Stetson! Sie würden es nicht glauben. Lilly konnte es ja selbst kaum fassen.

Das leuchtend orange und gelb gestreifte Segel blähte sich im Wind, und die Klippen von Molokai trieben langsam vorbei. Zeit, sich wieder um ihren Patienten zu kümmern. Lilly bückte sich nach der Wasserflasche.

„Mr. Ross?“

Er reagierte nicht. Sie geriet in Panik.

„Bitte, tun Sie mir das nicht an.“ Sie kniete sich neben ihn und rüttelte ihn an der Schulter. „Ich bin nicht besonders gut in solchen Notsituationen.“

Sie hob seinen Hut an, und er blinzelte. „Das macht mir nichts aus“, erklärte er mit einem verwegenen Grinsen.

Fast hätte Lilly ihn geohrfeigt. „Lassen Sie das. Ich glaube, Sie dürfen nicht einschlafen, aber ich weiß nicht mehr, warum. Krankenpflege gehörte nicht zu meinem Fachgebiet.“

„Wie meinen Sie das?“

„Ich bin Bibliothekarin. Ich kann die nötigen Informationen nachschlagen, sobald ich zu Hause bin. Aber jetzt erinnere ich mich nicht daran. Ich kann Ihnen höchstens die Erbfolge der Stuarts aufsagen.“

Seine Miene verdüsterte sich. „Bloß nicht. Dann schlafe ich sofort ein.“

Lilly brachte ein Lächeln zustande. „Sie sind kein Fan des englischen Königshauses, wie?“

„Nein.“

„Und wie ist es mit dem hawaiischen Königshaus? Die Erbfolge kann ich Ihnen auch aufzählen.“

„Wie wäre es mit Ihrem Namen? Da Sie meinen ja zu kennen scheinen.“

„Lilly“, sagte sie und reichte ihm die Wasserflasche. „Lilly Kokoa.“

Er blinzelte erneut. „Nach der Königin Liliuokailani?“

„Nein, nach der Lilie. Ich wurde zu Ostern geboren.“

Er grinste. „Das ist nicht annähernd so romantisch. Sie sind Hawaiianerin, oder?“

„Zur Hälfte. Dazu ein Viertel Portugiesin, ein Viertel Chinesin. Ich bin ein Mischling.“

Er blinzelte erneut, als wollte er sie abschätzen. „Ich kann es momentan zwar nicht beurteilen, aber wenn ich Sie sehen kann, werden Sie sicher der attraktivste Mischling sein, der mir je begegnet ist.“

„Was soll das heißen, wenn Sie mich sehen können?“, fragte Lilly besorgt. „Können Sie denn nicht sehen?“

Autor

Kathleen Korbel
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