Trauminsel im blauen Meer

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die heiße Sommerromanze mit dem Segler Theo lässt Martha endlich wieder an die Liebe glauben. Aber ihre gemeinsamen Tage auf der griechischen Insel Santorin sind gezählt: Theo verschwindet spurlos - und Martha steht unvermittelt vor einer schweren Entscheidung …


  • Erscheinungstag 10.04.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777043
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nur noch einen Hügel …

Endlich ist das Haus in Sicht, dachte Martha keuchend, dem Himmel sei Dank!

Seit sie ihren Fuß auf die Insel Santorin gesetzt hatte, gab es für Martha nur einen Gedanken: „Ich bin zu Hause.“ Allerdings hatte sie den schweren Anstieg zum Haus fast vergessen und außerdem der Hausverwalterin Ariela gar nicht mitgeteilt, dass sie auf die Insel kam. Niemand erwartete sie.

Doch das machte nichts. Sie war fest entschlossen gewesen, allein herzukommen und allein hierzubleiben. Energisch zerrte sie ihre bleischwere Tasche hinter sich her, die sie eigentlich dafür gepackt hatte, nach New York zurückzukehren – und nicht für einen Spontanausflug nach Griechenland.

Erschöpft sah sie hoch. In der flimmernden Hochsommerhitze leuchteten die weißen Außenwände des zweistöckigen Gebäudes wie in einem Traum. Martha hatte so lange unter Adrenalin gestanden, dass es kein Wunder wäre, wenn sie jetzt halluzinierte. Sie hatte kaum noch Geld in der Tasche, weil sie gestern Nachmittag ihre letzten Dollar für ein Flugticket ausgegeben hatte.

War das erst gestern?, überlegte sie erstaunt.

Es schien eine Ewigkeit her zu sein, seit sie voller Vorfreude die Stufen zur Wohnung ihres Freundes Julian hinaufgeeilt war. Im Geiste sah sie schon sein freches Grinsen vor sich, wenn er sie in seine Arme schloss und ausgelassen herumwirbelte. Sie wollte ihm sagen, dass sie nun für immer zurück in New York war, dass ihre Wandmalerei in Charleston nach einem endlos langen Monat endlich fertiggestellt war, und dass sie eine wichtige Entscheidung getroffen hatte: Sie war endlich bereit, das Bett mit ihm zu teilen.

Martha hatte die Wohnungstür geöffnet und seinen Namen gerufen. Als sie die Dusche hörte, hatte sie eine Idee. Was gab es für eine bessere Gelegenheit, sich ihm intim zu nähern, als einfach zu ihm in die Dusche zu steigen und ihn damit zu überraschen?

Deshalb schlüpfte sie aus ihren Sandalen, streifte ihr Oberteil und ihren Rock ab und öffnete dabei die Badezimmertür. Nur um herauszufinden, dass Julian nicht allein war!

Durch die beschlagene Scheibe der Duschkabine sah sie zwei Körper unter dem Wasserstrahl stehen: Julian mit seinen weizenblonden Haaren und eine kurvige Brünette, die nahtlos braungebrannt war. Sie waren nackt und buchstäblich ineinander verschlungen.

Wie angewurzelt blieb Martha in der Tür stehen. Ihr war mit einem Schlag speiübel, und vor ihrem inneren Auge zerplatzten all ihre Fantasien und Zukunftsträume wie Seifenblasen.

Der kühle Luftzug, der durch die geöffnete Tür ins Badezimmer strömte, erregte offenbar Julians Aufmerksamkeit. Er wischte mit einer Hand über das beschlagene Glas der Duschwand und sah direkt in Marthas entsetztes Gesicht.

Er öffnete den Mund und stieß einen stummen Fluch aus. Martha selbst war sprachlos, und ihre Füße schienen am Boden wie festgeschraubt, während sich die fremde Frau nichts ahnend an Julian schmiegte. Er schloss für einen Moment die Augen, und als er sie wieder öffnete, las Martha darin eigentlich keinen Schreck, sondern eher so etwas wie Trotz.

Endlich konnte Martha sich wieder bewegen. Sie wirbelte herum, zerrte sich ihre Kleidung wieder über den Körper, um ihre eigene Nacktheit und ihre Scham zu verstecken, und knallte dann hinter sich die Tür zu. Ihr Gesicht war brandrot, und ihr Herz hämmerte wie wild.

Eilig rannte sie die Treppen hinunter und stieß dabei mit ihrer Tasche immer wieder gegen das Geländer. Sie wollte so schnell wie möglich auf der Straße sein, um zwischen fremden Menschen untertauchen zu können, die nichts von Marthas Erniedrigung ahnten. Deren Leben war noch in Ordnung, es war nicht außer Kontrolle geraten, für sie hatte sich nichts geändert.

Einen ganzen Monat hatte Martha in Chelsea damit verbracht, über Julian und ihre Beziehung zu ihm nachzudenken – sich darüber klar zu werden, ob er wirklich der Richtige war. Sie hatte es langsam angehen lassen und nicht gleich mit ihm ins Bett gehen wollen, nur weil er umwerfend charmant und sexy war.

Ihre Schwester Christina hatte so etwas viel zu oft getan. Aber Martha wollte sicher sein, bevor sie mit einem Mann intim wurde. Nicht dass es ihr Glück gebracht hätte! Jetzt war sie endlich sicher, und Julian hatte sich eine andere gesucht.

Ich kann nicht bei ihm bleiben, schoss es ihr durch den Kopf. Ich kann nicht einmal in New York bleiben. Hier gibt es Millionen von Menschen, aber für ihn und mich ist diese Stadt trotzdem zu klein!

Es gab mehrere Orte, zu denen sie fliehen konnte: zu ihren Eltern, in deren Haus auf Long Island, zu ihrem Bruder Elias nach Brooklyn, zu ihrem Bruder Peter nach Hawaii, sogar zu Christina – obwohl Martha das natürlich niemals tun würde. Die einzige Person, zu der sie nicht fahren konnte, war ihr Zwillingsbruder Lukas, denn der reiste ständig umher.

Im Augenblick ist er, glaube ich, in Neuseeland, überlegte sie. Aber wer weiß das schon so genau?

Alle anderen würden sie mit Freude aufnehmen, und zumindest Peter und Elias würden ihr nicht eine Million überflüssige Fragen stellen!

Aber Martha wollte niemanden von ihnen sehen, sie wollte ihre betroffenen Kommentare nicht hören und ihre mitleidigen Blicke nicht ertragen.

Deshalb war sie nach Santorin ins Haus ihrer Vorfahren gekommen. Das war wie eine Flucht nach Hause. Ihre Eltern und auch ihre Großeltern waren hier geboren worden. Und auch wenn fast alle Mitglieder ihrer Familie in der großen weiten Welt ihr Glück suchten, behielten sie doch alle Santorin in ihren Herzen.

In der tiefsten Bedeutung des Wortes war Santorin Marthas Heimat. Ihre ersten und definitiv auch ihre besten Erinnerungen stammten aus der Zeit, die sie im Haus ihrer Familie verbracht hatte. Es stand auf einem der größten Hügel Santorins, mit Blick auf das Ägäische Meer. Nichts hatte sich für Martha jemals angefühlt wie ein Zuhause – bis auf diesen Ort!

Sie liebte es hier zu sein. Seit sie da war, spürte sie, dass nun alles besser werden würde. Hier konnte sie durchatmen und ganz sie selbst sein. Hier konnte sie neu beginnen.

Jetzt, mitten im Hochsommer, war es brütend heiß. Schwitzend straffte Martha die Schultern und schleppte ihre Tasche weiter den schmalen Pfad zum Haus hinauf.

Das Haus würde leer sein, ebenso wie der Kühlschrank und die Vorratsschränke. Martha musste einkaufen und selbst kochen, aber das machte ihr nichts aus. Bestimmt lenkte es sie ab, sich mit dem Haushalt zu beschäftigen und sich ins Inselleben zu integrieren. So konnte sie in Ruhe ihre Gedanken ordnen und neue Zukunftspläne schmieden.

Ihre alten Pläne hatte sie endgültig über Bord geworfen. Erst recht, nachdem Julian sie auf dem Weg zum Flughafen noch auf dem Handy angerufen hat.

„Andrea bedeutet mir doch gar nichts“, hatte er gejammert, so als müsste Martha für seinen Seitensprung in irgendeiner Weise Verständnis aufbringen.

„Schon gut. Keine große Sache.“ Ihr Tonfall war eisig. „Das hört sie bestimmt gern.“

„Was hast du denn erwartet?“, hatte er gewettert. „Du hast mir nie irgendetwas in dieser Form gegeben.“

Leider war jetzt nicht mehr der richtige Zeitpunkt, ihm mitzuteilen, dass sie eigentlich genau dies vorgehabt hatte.

„Ich würde sagen, das war letztendlich ziemlich clever von mir“, bemerkte sie knapp.

„Du bist ein kalter Fisch, Martha. Wenn du jemals etwas Leidenschaft gezeigt hättest …“

„Du willst Leidenschaft? Ich gebe dir Leidenschaft!“ Mit diesen Worten hatte sie ihr Handy aus dem offenen Taxifenster geworfen, und im nächsten Augenblick war das Telefon unter den breiten Reifen eines riesigen Trucks verschwunden gewesen.

Schwitzend kämpfte Martha sich die letzten Stufen zum Grundstückstor hinauf. Ihr Pferdeschwanz, zu dem sie ihre langen schwarzen Locken gebunden hatte, löste sich langsam auf.

Ich brauche etwas Kaltes zu trinken, eine ausgedehnte Dusche und einen langen Erholungsschlaf, dachte sie. Genau in dieser Reihenfolge!

Erschöpft öffnete sie das Tor und ging dann weiter durch den Vorgarten, der zum großen Teil in ein leuchtend rotes und violettes Blütenmeer getaucht war. Martha genoss die Stille und den Blütenduft, der sie umgab. Zum ersten Mal, seit sie Julians Apartment verlassen hatte, ließ ihr Fluchtinstinkt etwas nach, und sie hatte das Gefühl, am richtigen Ort angekommen zu sein.

Ihr Atem wurde ruhiger, und ihre Kraft kehrte zurück. Lächelnd betrachtete sie die weiß getünchte Mauer, die das Grundstück umsäumte und ihr Trost, Schutz und Zuversicht versprach.

Sie erinnerte sich daran, wie sie diese Mauer immer als kleines Mädchen entlanggelaufen war und wie die kalten Steine sich unter ihren Fingern anfühlten – schon ihr Vater und ihr Großvater hatten als Kinder in diesem Garten gespielt.

Auch andere Menschen sind schon verletzt worden, und die haben das auch überlebt, versuchte Martha sich selbst Mut zu machen.

Voller Zuversicht erklomm sie die letzten Stufen und suchte dann ihren Hausschlüssel. Ihr Vater hatte jedem seiner Kinder zum einundzwanzigsten Geburtstag einen Schlüssel überreicht.

Im Stillen dankte sie ihrem Vater dafür und schloss dann die schwere Holztür auf. Die geflieste Eingangshalle war kühl und luftig. Luftig? Erstaunt stellte Martha fest, dass die vorderen Fenster geöffnet waren.

Hat Julian etwa meine Eltern angerufen?, wunderte sie sich. Oh, bitte nicht!

Dann fielen ihr plötzlich ein paar Herrenschuhe neben der Eingangstür auf, und ihr Herz machte vor Freude einen Sprung. „Lukas?“

Es musste Lukas sein, denn Elias verließ Brooklyn so gut wie nie. „Einer muss schließlich arbeiten“, pflegte er zu sagen, sobald das Thema Urlaub auf den Tisch kam. Und soweit Martha wusste, war Peter ständig auf Hawaii, seit er sein College abgeschlossen hat. Also blieb nur Lukas, ihr Zwillingsbruder.

Er war ohnehin der Einzige, den sie zurzeit sehen wollte. Sie waren wie Seelenverwandte. Er würde sie verstehen und ihr beweisen, dass nicht alle Männer so fürchterlich waren wie Julian Reeves.

„Luke?“ Eilig streifte sie ihre Schuhe ab, als sie plötzlich Geräusche aus dem Obergeschoss hörte. Erwartungsvoll drehte sie sich um.

Ein großer dunkler Pirat von einem Mann, mit zerwühlten schwarzen Haaren und einer scharf gezeichneten Nase, kam langsam die Treppe hinunter. Er hatte fast harte Gesichtszüge, war aber auf eine ganz eigene Art unbeschreiblich attraktiv. Im Gegensatz zu Julian, dessen Schönheit klassisch und glatt zu nennen war, hatte dieser Mann eine Schönheit, die wie grob aus Granit geschlagen wirkte.

Es musste ein Freund von Elias sein. Wie Marthas ältester Bruder schien der Fremde etwa Mitte dreißig zu sein. Hatte Elias ihm etwa einfach seinen Schlüssel überlassen? Das sah ihrem höchst vernünftigen Bruder gar nicht ähnlich. Sie wusste nicht einmal, ob er überhaupt Freunde hatte …

Etwas Derartiges war eher der Stil ihres Vaters. Aber dieser Mann sah nicht aus, als hätte er die Geduld dafür, sich mit Marthas Vater abzugeben. Aeolus Antonides liebte Golfplätze, Jachten und Martinis – die feinere Seite der Zivilisation, wie er stets zu sagen pflegte.

Und als zivilisiert würde Martha den Mann, der inzwischen den Treppenabsatz erreicht hatte, nicht bezeichnen. Der Fremde betrachtete sie mit unverhohlenem Missmut.

Martha war ihrerseits auch nicht gerade begeistert darüber, ihm hier zu begegnen.

„Wer, zur Hölle, bist du?“, fragte er barsch. „Na ja, ist mir auch egal. Verschwinde einfach!“

Verschwinden?, dachte sie verblüfft. Wieso sollte ich verschwinden?

„Einen Augenblick mal, Freundchen!“, gab sie zurück und baute sich zu voller Körpergröße auf. Wenigstens sprach er englisch. Um genau zu sein, klang er so amerikanisch wie sie selbst. Also musste er ein Freund von Elias sein. „Ich bin nicht diejenige, die irgendwohin verschwindet.“

Schließlich war er der Eindringling. Dies war ihr Haus, nicht seines. Er hatte kein Recht dazu, so selbstgefällig vor ihr zu stehen – die Hände in die Hüfte gestemmt – und sie anzufeinden. Durch ihn ließ sie sich jedenfalls nicht von ihrem Plan abbringen, einen Drink, eine Dusche und ein Nickerchen zu genießen.

„Entschuldige mich!“, sagte sie hochmütig und wollte an ihm vorbei zur Küche gehen.

Doch er verstellte ihr den Weg. „Was glaubst du, wo du da hingehst?“

„Ich hole mir etwas zu trinken“, sagte sie. „Ich bin am Verdursten. Und jetzt: zur Seite!“

Er rührte sich nicht.

„Hör mal“, begann sie. „Wer bist du eigentlich? Hat Elias dir seinen Schlüssel gegeben?“

Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen. „Elias? Wer soll das sein?“

Offenbar war er keiner von Elias‘ Freunden. „Mein Bruder.“

Der Mann schüttelte den Kopf. Dabei fielen ihm seine halblangen schwarzen Haare ins Gesicht. „Nie von ihm gehört. Wie bist du hier reingekommen?“

„Wie ich hier reingekommen bin?“, fragte sie ungläubig und stieß mit der Fußspitze gegen ihre Tasche. „Mit meinem Schlüssel natürlich. Ich lebe hier nämlich.“

„Das wüsste ich aber.“

„Gut, ich lebe nicht ständig hier“, gab sie zu. „Aber ich könnte es, wenn ich es wollte. Ich bin Martha Antonides. Meiner Familie gehört dieses Haus.“

Seine Miene glättete sich wie durch ein Wunder. „Nicht mehr“, behauptete er gelassen. „Es gehört mir.“

„Was?“ Sie glaubte, sich verhört zu haben. „Wovon redest du da? Wer bist du denn überhaupt?“

„Theo Savas.“

Als bedeutete dieser Name irgendetwas. Verständnislos sah Martha den Fremden an. „Und?“

„Und ich bin der Besitzer dieses Hauses.“

„Nein“, widersprach sie schlicht. „Tut mir leid, aber das kann nicht stimmen. Ich weiß nicht, von welchem Haus du vielleicht sprichst, aber dieses hier ist es ganz sicher nicht. Es gehört seit vielen Generationen meiner Familie.“

„Das ist Vergangenheit“, erklärte er geduldig. „Tut mir auch leid“, fügte er ironisch hinzu. Dabei klang er fast wie Julian, als dieser Martha klarzumachen versuchte, dass sein Seitensprung unter der Dusche eigentlich ihre Schuld war.

„Beweise es!“

„Was immer du willst.“ Achselzuckend verschwand Theo in dem Zimmer, das ihr Vater für gewöhnlich als Arbeitszimmer nutzte. Nicht dass er dort jemals echte Arbeit verrichtet hätte!

Kurz darauf drückte Theo ihr ein paar Papiere in die Hand. Er musterte Martha neugierig, während sie die Unterlagen durchsah. Es handelte sich um eine Vereinbarung zwischen ihrem Vater und jemandem namens Socrates Savas.

„Mein Vater“, erläuterte er, bevor sie fragen konnte.

Irritiert presste Martha die Lippen aufeinander und las weiter. Es war das Albernste, das sie je gesehen hatte.

„Hier geht es um ein Golfspiel!“, sagte sie laut. Der Gewinner dieses Spiels sollte zum Präsidenten der Firma Antonides Marine International ernannt werden, die ihr Urgroßvater gegründet, ihr Großvater aufgebaut und ihr Vater beinahe ruiniert hatte. Allein ihr Bruder Elias konnte das Unternehmen vor dem Bankrott retten.

Es war kaum zu glauben, dass Marthas Vater das angeschlagene Unternehmen bei einem schnöden Golfspiel als Spieleinsatz angeboten hat. Dennoch erinnerte Martha sich daran, dass mit der Ernennung eines neuen Präsidenten und der offiziellen Firmenübergabe an Elias das Familienunternehmen zumindest vor einem Bankrott bewahrt werden konnte.

„Lies weiter!“, riet Theo ihr.

„Wie groß ist der Einfluss deines Vaters auf unsere Firma?“, wollte sie wissen.

„Dein Vater hat meinem vierzig Prozent davon verkauft.“

Fassungslos riss Martha die Augen auf und schnappte nach Luft. Das konnte doch unmöglich wahr sein. Andererseits war ihrem Vater so etwas leider zuzutrauen. Vermutlich hatte er sogar gedacht, Elias mit diesem Schachzug bei der Rettung der Firma helfen zu können.

Martha begann zu zittern. „Er hat das Golfspiel verloren“, presste sie kopfschüttelnd hervor, während sich in ihrem Kopf das Puzzle langsam zusammensetzte. Sie hatte es schwarz auf weiß vor sich, was geschehen war.

Theo Savas legte nur den Kopf schief und sah sie an.

Das zweite Dokument in ihren Händen war sogar noch absurder. Als wäre die Golfpartie nicht schon genug gewesen, ging es hierbei um ein Segelwettrennen. Die geliebte Argo ihres Vaters gegen Socrates Savas‘ Penelope, und der Gewinner des Rennens sollte als Preis das jeweilige Inselhaus des Verlierers erhalten.

„Ich habe gewonnen“, verkündete ihr dunkelhaariger Todfeind überflüssigerweise. „Ich bin für meinen Vater gesegelt, weil er fand, dass ich auch für sein Schiff die beste Besatzung bin. Er hatte ohnehin kein persönliches Interesse an dieser Villa, also hat er sie mir als Preis überlassen.“

Martha bekam keine Luft mehr. Wie konnte ihr Vater nur das uralte Anwesen der Familie gegen irgendeine andere Wochenendhütte auf der Hauptinsel setzen?

Wütend drückte sie ihm die Papiere in die Hand, während er sie nur schweigend angrinste. „Das ist Schwachsinn!“

„Finde ich auch“, lenkte er ein. „Dennoch ist es rechtmäßig. Ich habe das Rennen gewonnen und damit auch das Haus. Daher denke ich, Miss Antonides“, sagte er betont, „dass du diejenige bist, die nun zu gehen hat.“

Eine ganze Weile dachte Martha über ihre Situation nach, bis sie Theo schließlich gerade in die Augen sah. „Nein.“

„Was meinst du mit Nein?“, erkundigte er sich verwundert, so als hätte er dieses Wort noch nie in seinem Leben gehört.

Gleichgültig zuckte sie die Schultern. „Was gibt es daran nicht zu verstehen? Dies ist ein großes Haus, und ich werde dir nicht in die Quere kommen. Vergiss einfach, dass ich da bin! Ich für meinen Teil habe ebenfalls vor, deine Anwesenheit auszublenden!“ Damit nahm sie ihre Reisetasche in die Hand und machte sich auf den Weg zur Treppe.

„Warte, verdammt!“, rief er und packte sie am Arm. „Du kannst nicht hierbleiben.“

„Sicher kann ich das.“ Ungerührt machte sie sich von ihm los und ging weiter.

„Ich lege keinen Wert auf Gesellschaft“, widersprach er und folgte ihr.

Inzwischen war sie an dem Zimmer angekommen, das sie sich immer mit ihrer Schwester Christina geteilt hatte. „Was willst du tun? Mich mit Gewalt hinauswerfen?“

Das Haus mag meiner Familie nicht mehr gehören, aber in diesem Zimmer stehen noch meine Möbel, und in diesem Regal befinden sich meine Kinderbücher, dachte sie. Martha hob herausfordernd ihr Kinn. Sollte er es nur wagen, sie anzurühren!

Theo hatte die Hände zu Fäusten geballt, und an seiner Schläfe pochte sichtbar eine Ader. Aber er machte keine Anstalten, auf Martha zuzugehen.

„Sei vernünftig“, sagte er schließlich. „Es gibt hier jede Menge Hotelzimmer.“

„Kann ich mir nicht leisten.“

„Ich zahle dafür.“

„Damit mich jeder auf Santorin für eine Mätresse hält?“, spottete sie. „Auf keinen Fall!“

Martha kannte die Gerüchteküche der Inselbewohner nur zu gut.

„Und was denken die Leute, wenn du hier mit mir zusammenwohnst?“, wandte er triumphierend ein.

„Nichts. Schließlich ist das mein Haus. War es zumindest“, fügte sie leise hinzu.

Er hob die Schultern. „Gut, dann ruf deinen Vater an. Er kann für ein Hotel bezahlen.“

„Nein!“

Niemand von meiner Familie weiß, dass ich hier bin, überlegte sie. Und das soll auch so bleiben. Ich habe keine Lust, das Ausmaß meiner Demütigung vor meinen Eltern und meinen Geschwistern breitzutreten.

„Wie du meinst.“ Er hob beide Hände hoch. „Dann denk dir eben etwas anderes aus! Ich will dich hier auf jeden Fall nicht haben.“

„Aber …“

„Nein“, schnitt er ihr das Wort ab. „Mir reicht es. Keine Frauen. Ich habe die Nase gestrichen voll von denen!“

Martha blinzelte. „Dann bevorzugst du also Männer?“

Eigentlich schade, dachte sie. Die Gene von Theo Savas sind es definitiv wert, vermehrt zu werden!

„Ich stehe nicht auf Männer!“, zischte er und zog die Augenbrauen zusammen. „Es stört mich nur, Tag und Nacht von aufdringlichen Frauen belagert zu werden.“

In aller Seelenruhe ließ Martha ihren Blick an ihm heruntergleiten. „So großartig siehst du gar nicht aus“, log sie.

Er schnitt eine Grimasse. „Das habe ich auch nicht behauptet. Es liegt an dieser verfluchten Zeitschrift und dem ewigen Gerede über dies und das, was angeblich unbeschreiblich sexy ist.“

Unwillkürlich musste sie lachen. „Und welchen Titel hast du bekommen?“, wollte sie wissen.

„Platz eins auf der Weltrangliste für sexy Segler“, brummte er. „So ein Blödsinn. Aber erzähl das mal den dummen Frauenzimmern, die diesen Müll lesen und dann glauben, sie wären die Frau meiner Träume.“ Sein gequälter Blick wirkte tatsächlich echt. „Und deshalb kann ich hier auch keinen begeisterungsfähigen Teenager im Haus gebrauchen.“

„Wie bitte? Ich bin vierundzwanzig Jahre alt!“

Unbeeindruckt sah er sie an. „Wie ich sagte: nicht meine Altersklasse.“

Martha hasste es, als Küken abgestempelt zu werden. Allzu oft hörte sie von ihrer eigenen Familie, dass man sie beschützen müsse.

„Vertrau mir, Methusalem“, begann sie ironisch, „ich wäre nicht einmal hinter dir her, wenn du der letzte Kerl auf Erden wärst. Oder der vorletzte“, setzte sie mürrisch hinzu.

Aber Theo hatte sie gehört. „Darum geht es also.“

„Was?“

„Du läufst vor einem Mann davon.“

„Ich laufe vor niemandem davon“, widersprach sie vehement. „Ich brauche nur eine kleine Auszeit, das ist alles. Ein bisschen Urlaub.“ Das entsprach sogar der Wahrheit, wenn es auch nicht die ganze war … „So gern ich auch weiter mit dir plaudern würde, ich bin hundemüde. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich jetzt duschen und ein kleines Nickerchen machen.“

Autor

Anne McAllister
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die Antonides Familiensaga