Unser Paradies der Liebe

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Auf der Seyschellen-Insel Praslin trifft Cassandra ihre große Liebe wieder: der Unternehmer Gifford. Sie muss sich stark zusammennehmen um im nicht sofort um den Hals zu fallen, aber...


  • Erscheinungstag 29.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778842
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Cassandra Morrow hörte, wie ein Stuhl auf dem Holzfußboden zurechtgerückt wurde. Seufzend legte sie die Schere beiseite, mit der sie sich gerade den Pony ihres weizenblonden Haares kappen wollte. Ihr Haarschnitt musste warten, denn das Geräusch signalisierte ihr, dass ein unerwarteter Gast eingetroffen war, ein Gast, den sie leider wieder wegschicken musste.

Sie wandte dem Spiegel des Waschraumes den Rücken und schaute durch die Tür zum Restaurant hinüber. Dies war ein schlichter hölzerner Anbau mit offenen Seiten, dessen Dach mit Palmenstroh gedeckt war. Richtig, dort saß an einem der Tische ein dunkelhaariger Mann. Er hatte die langen Beine von sich gestreckt und betrachtete den sonnenüberfluteten, saphirblauen Indischen Ozean.

Cass strich sich die blonden Strähnen zurück, zog sich das pinkfarbene Top glatt und strich über ihre zerknitterten Khakishorts. Auch wenn The Forgotten Eden – der vergessene Garten Eden – nicht das Londoner Luxushotel Savoy war, sie hatte nicht die Absicht, es durch ihre äußere Erscheinung in Verruf zu bringen.

Sie eilte zwischen den Tischen entlang, die mit farbenfrohen Batiktüchern bedeckt waren, und blieb vor dem Fremden stehen. „Guten Morgen, Sir“, begrüßte sie ihn herzlich. „Leider öffnet unsere Küche erst um zwölf Uhr. Heute servieren wir eine Landesspezialität: Kreolische Fischpfanne! Aber ich werde Ihnen gern einen Kaffee bringen oder ein eisgekühltes Bier, wenn Sie …“

Als sich der Mann in diesem Augenblick ihr zuwandte, erstarb ihr das Lächeln auf den Lippen, und Cass verstummte abrupt. Die grauen Augen, die sie jetzt musterten, gehörten Gifford Tait, dem Bostoner Mitbesitzer des Tait-Hill-Unternehmens – und Vater ihres neun Monate alten Sohnes!

Halt suchend klammerte sie sich an eine Stuhllehne. Einst war sie völlig vernarrte in ihn gewesen. Warum hatte sie das dichte, schwarze Haar, die breiten Schultern, diese Aura von Gelassenheit, von geballter Männlichkeit, die ihn umgab, nicht eher erkannt? Weil du, gab sie sich selbst die Antwort, schon vor langer Zeit die Idee aufgegeben hast, dass Gifford doch noch ein Zusammentreffen arrangieren könnte! Es war Cass wirklich nicht in den Sinn gekommen, er könnte sie hier – auf den Seychellen – aufspüren!

Warum hatte er, nach achtzehn Monaten, einen so langen Flug auf sich genommen? Und woher hatte er überhaupt gewusst, wo sie war? Was wollte er von ihr? Um Vergebung betteln? Oder einfach einmal nachsehen, ob das Baby auch gut gedieh? Cass’ blaue Augen verdunkelten sich vor Zorn. Sie ließ die Stuhllehne los und straffte die Schultern.

Nun, was immer ihn auch hierher geführt hatte: Seine Absichten kamen zu spät – viel zu spät! Falls er jetzt erwartete, sie würde den roten Teppich für ihn ausrollen, so konnte er es vergessen! Ganz gewiss würde ihm Cass nicht gerade vor Dankbarkeit die Füße küssen!

Und wie konnte er es überhaupt wagen, hier so unangekündigt und gänzlich unerwartet aufzutauchen und Cass, abgearbeitet, verschwitzt und außer Form, wie sie war, einfach zu überrumpeln? Unwillkürlich zog sie den Bauch ein. Nicht dass sie Gifford beeindrucken wollte, nein, keineswegs. Es war nur so, dass sie sich einfach besser fühlte, wenn sie gut aussah.

„Ich glaube nicht …“, fing sie an, kam aber nicht weit.

„Was, zum Teufel, tust du denn hier?“, unterbrach sie Gifford. In seiner tiefen Stimme klang ein leichter amerikanischer Akzent mit.

Die ganze Zeit über, während er von den Staaten erst nach Europa und dann weiter auf diese Inselgruppe im Indischen Ozean geflogen war, hatte er an Cassandra Morrow denken müssen. Nun, auch vorher hatte er sich oft mit Bedauern an sie erinnert. Aber ihr jetzt direkt gegenüberzustehen, wirkte auf ihn wie ein Faustschlag in den Magen!

Cass blinzelte. Sein Blick, seine Frage und der harte Zug um seine Mund bedeuteten, dass er genauso überrascht und nicht gerade erfreut darüber war, sie zu sehen, wie sie. Also war dieses Zusammentreffen purer Zufall, eine boshafte Laune des Schicksals!

„Ich helfe Edith, das Eden zu leiten“, meinte sie schließlich.

„Du arbeitest hier?“

Sie nickte. „Ich bin das Mädchen für alles. Heute hatte die Putzfrau einen Zahnarzttermin, also habe ich sauber gemacht.“

Er musterte sie von Kopf bis zu den flachen Turnschuhen an ihren Füßen. Damals hatte sie hoch gestecktes Haar, Designerkostüme und Pumps getragen, ihre frühere Erscheinung konnte nur als äußerst elegant bezeichnet werden. Das einzige Mal, wo sie so zerzaust – so hinreißend zerzaust – ausgesehen hatte, war im Bett gewesen.

Gifford runzelte die Stirn, als er an ihre Liebesspiele dachte. Es war wundervoll gewesen, sie hatten in so vielen Dingen hervorragend zusammengepasst …

„Aha“, murmelte er. „Und wer ist Edith?“

„Sie war die Lebensgefährtin meines Onkels. Er starb vor drei Monaten an Krebs.“

Er starrte sie an. „Dieses Lokal gehörte deinem Onkel?“, fragte er ungläubig. „Ich erinnere mich, dass du etwas davon erzähltest, aber ich dachte, er hätte es letztes Jahr verkauft?“

„Das hatte Oscar vor, doch die Sache hatte sich dann zerschlagen. Erst jetzt haben wir wieder einen Interessenten an der Hand.“ Cass überlegte eine Weile und fuhr dann fort: „Edith ist wundervoll, doch mit Verkaufsverhandlungen völlig überfordert. Als sich der Käufer meldete, rief sie mich in London an. Verzweifelt bat sie mich herzukommen, und da mir ein Szenenwechsel gerade gut passte …“

Cass unterbrach sich. Immer, wenn sie nervös war, hatte sie die Neigung, zu viel zu reden. Nicht, dass es einen Grund für ihre Nervosität gab. Vielmehr sollte eher Gifford verlegen und nervös sein, nicht sie!

„… hast du dir einen Urlaub gegönnt“, vervollständigte Gifford ihren Satz.

„Ja, so kann man es nennen. Was ist mit dir? Verbringst du hier auf Praslin die Ferien, oder bist du ein Tagesausflügler von Mahé?“

Obgleich nur siebzehn Meilen lang und fünf breit, war Mahé die größte der mehr als hundert Inseln des Archipels. Sie beherbergte die Hauptstadt der Seychellen, Victoria, und besaß die meisten Hotels und die vielfältigsten Freizeitangebote. Ja, gewiss würde Gifford als begeisterter Sportfan auf Mahé wohnen, denn er würde segeln, schnorcheln und Wasserski laufen wollen. Und für Cass’ Seelenfrieden wäre es gut zu wissen, dass einige Meilen Seewasser zwischen ihnen lägen …

„Auch wenn ich deine Hoffnungen zerstören muss“, meinte er, „aber ich bleibe hier auf Praslin.“

In ihrem Bauch begannen Schmetterlinge zu tanzen. „Im Club Sesel?“, fragte sie.

Das Sesel – Sesel ist die kreolische Bezeichnung für die Seychellen – war eine Viersterneclubanlage, die dem Eden gegenüber an einer flachen Bucht lag. Gifford schüttelte den Kopf.

Ein Hoffnungsschimmer durchzuckte Cass. Alle anderen Hotels der Insel lagen an anderen Küstenabstrichen, zwar nur etwa sieben oder acht Meilen entfernt, aber das war besser als nichts.

„Ich wohne nicht in einem Hotel“, meinte Gifford, „sondern habe ein Haus gemietet.“ Er deutete mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung.

Ihr sank das Herz. Sie kannte die von tropischen Bäumen und farbenprächtigen Bougainvilleen umstandene weiße Villa gut. Die Terrasse bot den schönsten Blick aufs Meer, es gab einen lauschigen Grillplatz und sogar einen Fitnessraum.

„Maison d’Horizon? Dann bist du ja mein Nachbar!“, rief sie aus.

Er grinste. „Ja, ich habe beschlossen, mich eine Weile selbst zu verwöhnen. Ich bin also der Junge von nebenan.“

Cass schluckte. Gifford war kein Junge, er war ein Mann. Ein Mann, der ihr das Herz gebrochen, sich davongemacht und es ihr überlassen hatte, die Scherben zusammenzusammeln.

„Ich werde zwei Monate bleiben“, sagte er. Als er ihr ungläubiges Gesicht sah, fuhr er fort: „Es ist dein Fehler, dass ich mir die Seychellen ausgesucht habe.“

„Wieso?“, fragte Cass empört.

„Nun, du hast mir von deinen Ferien hier erzählt, wie ruhig und friedlich es hier wäre, wie wunderschön die Landschaft, die Strände und das Meer sind. Ich sehe, du hast nicht übertrieben.“

Also war wieder einmal ihr loses Mundwerk an allem schuld! „Dieser 14-Stunden-Tag hat dich also letztlich doch geschafft?“

„Nein, das war es nicht. Ich … mir ging es nicht so gut, und ich bin hier, um mich zu erholen“, meinte er, ohne auf die näheren Umstände weiter einzugehen. „Kann ich etwas zu essen haben?“

Cass riss die Augen auf. „Wie bitte?“ Während sie sich unterhielten, hatte sie die ganze Zeit darauf gewartet, dass Gifford nach dem Baby fragen würde. Bisher hatte er es zwar vorgezogen, dessen Existenz zu ignorieren, doch jetzt konnte er an den Tatsachen nicht länger vorbeisehen. Und Cass würde ihm die Sache nicht leichter machen, indem sie mit dem Thema anfing.

„Ich habe Hunger.“

„Edith ist nicht da …“, meinte Cass abweisend. Doch dann fiel ihr ein, dass sie sich nicht zu feindselig geben durfte. Vielleicht gab es einmal eine Situation, wo sie auf Giffords guten Willen angewiesen sein würde. „Wie wär’s mit Rühreiern?“, bot sie ihm deshalb bereitwillig an.

„Klingt hervorragend.“ Er lächelte spöttisch. „Du willst mich doch nicht vergiften, oder?“

„Und damit unseren guten Ruf ruinieren? Vielleicht schließt man uns gar das Restaurant!“, gab sie grinsend zurück. „Nein, das ist die Sache nicht wert!“

Cass war schon halb in Richtung Küche unterwegs, da meinte er plötzlich: „Übrigens, du solltest mich mit Sir anreden. Schließlich bin ich hier Gast und kann wohl ein wenig Höflichkeit erwarten.“

Sie drehte sich um und starrte ihn an. Einst hatte sie seinen beißenden Humor amüsant gefunden, doch jetzt war sie versucht, Gifford mitzuteilen, er solle dahin gehen, wo der Pfeffer wächst. „Du träumst wohl!“

Während sie in der Küche die Eier schlug, briet, Kräuter hackte und Teller und Bestecke heraussuchte, dachte sie über Gifford nach. Cass hatte immer gedacht, dass sein Anblick sie, falls sie ihm jemals wieder gegenüberstehen sollte, kalt lassen würde – eiskalt. Nun musste sie sich leider eingestehen, dass dem nicht so war. Im Gegenteil, mit seinen grauen Augen, umschattet von dichten, dunklen Wimpern, dem markanten Gesicht und der schlanken, athletischen Figur wirkte er noch immer umwerfend – alarmierend – männlich auf sie.

Hör auf damit, befahl sie sich gleich darauf. Der dynamische Mr. Tait mochte über Charisma und Sex-Appeal in rauen Mengen verfügen, aber wenn es darum ging, Treue, Fürsorge und Anständigkeit zu zeigen, verdrückte er sich.

Sie arrangierte die Eier auf zwei Tellern, streute die Kräuter darüber und legte gebutterte Toastscheiben dazu.

„Das ging ja schnell“, lobte Gifford, als sie mit dem Tablett in den Händen an seinen Tisch trat. Cass stellte einen Teller vor ihn hin sowie einen Becher Kaffee und legte das Besteck daneben.

„Und jetzt musst du einen Knicks vor mir machen und mir guten Appetit wünschen“, verlangte er grinsend.

„Übertreibe es nicht“, warnte ihn Cass. „Meine Geduld hat Grenzen!“

„Würdest du denn knicksen, wenn ich dir ein dickes Trinkgeld gebe?“

„Ich würde es nicht tun, auch wenn du vor mir auf die Knie fällst, die Hände zusammenschlägst und mich anflehst.“ Sie neigte den Kopf zur Seite. „Oder vielleicht doch? Willst du es versuchen?“

Er schüttelte den Kopf. „Nicht mein Stil.“

Sie setzte sich zu ihm. Während sie aßen, beobachtete Cass Gifford heimlich. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sein Gesicht hagerer geworden war, die hohen Wangenknochen traten deutlicher als früher hervor. Er schien auch an Gewicht verloren zu haben und wirkte etwas mitgenommen. War das auf das Wissen zurückzuführen, in Kürze mit seinem Sohn konfrontiert zu werden?

„Dafür, dass ihr erst mittags öffnet, sieht hier alles aber sehr ordentlich aus“, bemerkte Gifford und deutete auf die Tische, die schon hübsch gedeckt waren.

„Ich wurde ja auch schon bei Tagesanbruch aus den Federn geholt“, erwiderte Cass, „da hatte ich Zeit genug.“ Gespannt wartete sie auf seine Frage, wer sie denn zu so früher Stunde aus dem Bett getrieben hatte.

„Ist montags viel los?“

„Nein, eigentlich haben wir nur dienstags und donnerstags viele Gäste. Und am Samstag bieten wir ein Buffet an für Gruppen von ungefähr zwanzig Personen. Natürlich kommen auch ab und an Urlauber vom Club Sesel zum Essen herüber und ein paar Rucksacktouristen. Aber sonst ist es hier ziemlich ruhig. Unsere Zufahrtsstraße ist unbefestigt und voller Schlaglöcher, das hält die Leute ab, hier herauszufahren.“

„Was sind das für Gruppen?“, fragte er interessiert.

„Geführte Touren, die im Vallée de Mai beginnen. Das ist ein geheimnisvoll wirkendes Palmenwäldchen in der Mitte der Insel, das unter Naturschutz steht. Die Touristen kommen dann hierher zum Mittagessen, bevor sie im Reisebus nach Anse Lazio gefahren werden, einem wunderschönen Strand im Norden, wo man wunderbar schwimmen und tauchen kann.“

Gifford aß seine Rühreier mit großem Appetit. „Dein Onkel war glücklich hier?“, fragte er dann.

„Ja“, meinte Cass. „Oscar war ein Exhippie, der wenig zum Leben brauchte. Hauptsache, man ließ ihm seine Freiheit.“ In der Erinnerung an ihren langmähnigen, liebenswert-exzentrischen Onkel musste sie lächeln. Als Überbleibsel der Blumenkinder-Generation war er etwas weltfremd gewesen. „Im Kreolischen gibt es kein Wort für Stress“, fuhr sie fort. „Ich denke, dies hier war für ihn genau der richtige Platz zum Leben.“

„Wie steht’s mit Hausgästen?“

„Oscar hielt nichts von Werbeprospekten oder Anzeigen in Zeitungen und kümmerte sich auch nicht um Reparaturen. Touristen, die einmal den Weg zu uns fanden und hier wohnten, zeigten wenig Neigung wiederzukommen. Das Essen ist zwar gut – Edith ist eine hervorragende Köchin –, aber die Unterkünfte müssen dringend modernisiert werden.“

Cass deutete auf die Häuser gegenüber dem Restaurant. Unter Palmen befanden sich dort drei kleine, blassblau gestrichene Holzcottages, die zwar heruntergekommen wirkten, mit ihren geschnitzten Giebeln und Veranden aber einen märchenhaften Charme ausstrahlten. „Ich bewohne das hinterste Cottage, die anderen stehen leer. Edith lebt hier im Haupthaus, sie hat eine Wohnung über der Küche.“

Gifford legte das Besteck auf seinen leer gegessenen Teller. „Das war köstlich! Jetzt fühle ich mich wieder wie ein Mensch.“ Er lehnte sich zurück, streckte die langen Beine von sich und verschränkte die Hände im Nacken. Dabei verrutschte sein Polohemd, und Cass konnte eine Handbreit seines nackten, muskulösen Bauches sehen.

Plötzlich schlug ihr Herz wie wild. Ja, ihr Exgeliebter war menschlich – sehr menschlich: 188 Zentimeter geballte männliche Kraft! Sie musste schlucken, als sie sich daran erinnerte, wie sehr sie es genossen hatte, diesen flachen Bauch zu streicheln, seine heiße, feuchte Haut unter ihren Fingern zu spüren …

„Bist du allein hier?“, unterbrach er ihre Gedanken.

Abrupt kehrte Cass in die Gegenwart zurück. Glaubte er etwa, sie hätte ihr Baby zu Hause in England gelassen, um sich hier in den Tropen zu vergnügen? „Allein?“, fragte sie unschuldig.

„Ich meine, ob du mit einem Mann hier bist“, erklärte Gifford etwas ungeduldig.

Cass stellte sich dumm. „Mann?“, fragte sie verwundert.

„Meine Güte, hast du Stephen mitgebracht?“

„Stephen?“ Sie lachte laut auf. „Nein!“

Stephen Dexter war Chef einer Sportausrüstungsfirma, die letztes Jahr vom Tait-Hill-Unternehmen aufgekauft worden war. Cass hatte schon für den Betrieb gearbeitet, als er noch Stephens Vater, Henry Dexter, gehört hatte, zuerst als Sekretärin, dann als Assistentin. Zuletzt war sie stellvertretende Geschäftsführerin gewesen. Stephen war nett und großzügig, aber ein hoffnungsloser Fall, wenn es ums Geschäft ging. Es war seiner Unfähigkeit zuzuschreiben, dass der Familienbetrieb verkauft werden musste und Gifford Tait in Cass’ Leben trat.

Verstohlen blickte sie auf ihre Armbanduhr. Wo blieb Edith nur? Sie fuhr Baby Jack in seinem Buggy spazieren und sollte längst wieder da sein. Wahrscheinlich wurde er wieder von allen Seiten bewundert, die Seychellois waren ganz verrückt nach Kindern. Doch Cass hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als Gifford gegenüber dieses Thema anzuschneiden.

Er trank einen Schluck Kaffee. „Hat dieser Kaufinteressent, von dem du erzähltest, schon mal ein Hotel geführt?“

„Ja, in Südafrika.“ Langsam wurde Cass ungeduldig. Das Einzige, was sie im Moment wollte, war über Jack reden! „Edith hat bisher die Verhandlungen geführt, ich habe ihn nur einmal getroffen. Alles, was ich weiß, ist, dass er Kirk Weber heißt und aus Johannesburg kommt. Er ist ungefähr vierzig, gut aussehend, und Edith nennt ihn heimlich Mr. Wonderful.“

„Und ihr steht kurz vor dem Abschluss?“

Sie nickte. „Eigentlich sollte der Verkauf schon vor einem Monat über die Bühne gehen, doch es gibt offenbar Schwierigkeiten beim Transferieren des Geldes.“

„Vielleicht hat sich dieser Weber die Sache inzwischen anders überlegt.“

Cass runzelte die Stirn. „Glaube ich nicht. Immerhin ruft Kirk alle paar Tage an, versichert, dass das Geld auf dem Weg sei, und fragt ängstlich nach, ob noch jemand am Eden interessiert sei.“

„Und Edith verneint natürlich.“

„Ja.“

„Das ist ein Fehler.“

„Könnte sein.“

„Verdammt!“ Mit einer ungeduldigen Handbewegung hatte Gifford das Messer vom Tisch gefegt.

Cass bückte sich, hob es auf und wischte die Klinge an einer Serviette ab. Dann hielt sie es ihm hin.

„Danke, zu liebenswürdig!“

„Gehört alles zum Service“, gab sie zurück. Als er nach dem Messer griff, berührten sich ihre Hände für den Bruchteil einer Sekunde, und es war Cass, als hätte sie einen elektrischen Schlag erhalten.

Auch Gifford schien die knisternde Atmosphäre, die plötzlich zwischen ihnen herrschte, bemerkt zu haben. „Du siehst so … anders aus“, stellte er fest.

Rasch zog sie wieder den Bauch ein. Obwohl sie jeden Tag trainierte, war er immer noch nicht so straff wie vor der Schwangerschaft. „Ich habe etwas zugenommen“, bekannte sie und fügte herausfordernd hinzu: „Aber das ist ja auch kein Wunder, nicht wahr?“

„Du meinst, weil du Tag für Tag in einem Restaurant arbeitest? Nein, ich glaube nicht.“

Cass starrte ihn an. Nein, du Idiot, hätte sie ihn am liebsten angebrüllt, ich meine, weil ich ein Baby bekommen habe!

„Deine Brüste sind auch voller geworden“, murmelte er und musterte ihre Oberweite.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. An seiner heiseren Stimme und an seinem intensiven Blick konnte sie erkennen, dass er sie immer noch anziehend fand. Einerseits fühlte sie sich geschmeichelt, andererseits sagte ihr die Vernunft, dass ihre künftige Beziehung zu Gifford sachlich und nur auf geschäftlicher Basis abzulaufen hatte. Es war sexuelle Anziehungskraft gewesen, die sie in diese Lage gebracht hatte, und das würde ihr kein zweites Mal passieren.

„Phyllis und ich haben so nett geplaudert, dass ich ganz die Zeit vergessen habe“, hörten sie plötzlich eine weibliche Stimme sagen. Beide drehten sich zu der Frau um.

Eine etwas rundliche, gut aussehende Schwarze trat an ihren Tisch. Sie war ungefähr Mitte Fünfzig, trug ein mit bunten Blumenmustern bedrucktes Kleid und hatte das glänzende dunkle Haar zu einer kunstvollen Hochfrisur gekämmt.

„Hallo, Edith!“ Cass lächelte, doch dann runzelte sie die Stirn. Wo war Jack?

Als könne sie Gedanken lesen, meinte die Schwarze: „Seine Lordschaft stehen auf der Veranda.“ Dann bemerkte sie den fremden Mann. „Bonzour – guten Tag!“

Gifford grüßte freundlich zurück.

„Cassie hat Ihnen etwas zu essen gemacht?“ Ediths große, braune Augen blitzten schelmisch. „Dann müssen Sie etwas ganz Besonderes sein.“

Cass lächelte etwas angestrengt. Wie sollte sie Gifford vorstellen? Edith hatte ja keine Ahnung, dass er Jacks Vater war. „Das ist Mr. Tait. Er ist in das Maison d’Horizon eingezogen“, meinte sie dann diplomatisch.

Edith kicherte. „Sie sind etwas Besonderes“, erklärte sie dann in ihrem weichen, kreolisch gefärbten Englisch. Dann wandte sie sich an Cass: „Hast du ihn gefragt, ob …?“

„Nein“, unterbrach Cass rasch. „Und ich werde es auch nicht!“

„Ach, Honey, Bernard hat es nichts ausgemacht, und ich bin sicher, dass Mr. Tait…“

„Bitte nennen Sie mich Gifford!“

Edith grinste zurück. Offensichtlich waren sich die beiden auf Anhieb sympathisch. „Ich bin sicher“, wiederholte sie, „Gifford wird es auch nichts ausmachen.“

„Aber mir“, schaltete sich Cass ein und sah Edith eindringlich an.

„Wovon redet ihr?“, wollte Gifford wissen.

„Von kleinen Gefälligkeiten“, meinte Edith. „Bernard war der nette französische Gentleman, der das Maison vor Ihnen bewohnte. Er war schon über siebzig und hat immerzu Vögel gemalt, hauptsächlich natürlich Papageien, die Insel ist ja voll davon. Aber auch Blumen und …“

Cass biss sich auf die Lippen. Sie wusste, was nun kam. „Edith …“

Doch die ließ sich nicht beirren. „Bernard kam stets zum Essen zu uns, und als er hörte, dass wir knapp an Wassergläsern sind, weil wir immer noch auf eine Lieferung warten“, sie rollte theatralisch mit den Augen, „da hat er uns seine zur Verfügung gestellt. Diese Villa ist ja so gut ausgerüstet, hat sogar diese teuren Apparate! Na ja, Bernard hat sie natürlich nie in Anspruch genommen, aber …“

„Gifford wird die Trainingsgeräte schon benutzen“, unterbrach Cass ihren Redefluss. „Nicht wahr?“

Er nickte verwirrt.

„Egal“, fuhr Edith munter fort. „Sie werden diese Maschinen ja nicht ständig in Gang halten. Auf jeden Fall hat unsere Cassie daran trainiert, obwohl nur der liebe Gott weiß, warum. Ich finde, sie ist dünn genug, nicht wahr?“

Gifford nickte. „Gewiss.“

„Nun, Bernard war so freundlich und ließ sie an diese Maschinen, wann immer sie wollte, also …“

„Sie möchten sich die Gläser noch einmal ausleihen, und Cass will weiter trainieren“, versuchte er das Ganze abzukürzen.

Er hatte sich die Seychellen ausgesucht, weil sie so weit von seinem Zuhause entfernt lagen. Gifford wollte sich erholen, für sich bleiben und keine Besuche empfangen. Nie hätte er gedacht, dass er hier jemand Bekanntes treffen könnte, am allerwenigsten Cass.

Edith griente. „Ja, bitte.“

Er überlegte und nickte dann. „Einverstanden.“

Autor

Elizabeth Oldfield
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