Unsere Villa am blauen Meer

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Der Architekt Ethan Hayes freut sich auf seinen Urlaub auf der herrlichen kleinen Karibikinsel. Und dann das! Ausgerechnet Eve, die verwöhnte Enkelin seines Hauptauftraggebers, macht auch Ferien in der Strandvilla direkt nebenan. Obwohl Ethan zugeben muss, dass er sie begehrt, will er nichts mit ihr zu tun haben. Sie scheint nur ein Ziel zu haben: Alle Männer sollen ihr zu Füßen liegen! Als er sie einesNachts um Hilfe rufen hört, zögert er jedoch keine Sekunde, zu ihr zu laufen. Ein Verehrer ist zudringlich geworden - Eve ist völlig verstört. Liebevoll nimmt Ethan sie in die Arme und trägt sie in seine Villa. Erschöpft schläft Eve in seinem Bett ein. Auch Ethan fallen die Augen zu. Am nächsten Morgen jedoch wird er äußerst unsanft geweckt: Eves Großvater steht vor ihnen ...


  • Erscheinungstag 19.06.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773526
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Konnte es etwas Schöneres geben, als kurz vor Sonnenuntergang im Schatten zu sitzen und einen kühlen Drink zu genießen, während sich wenige Meter entfernt die Wellen des Atlantiks am Strand einer karibischen Insel brachen?

Eigentlich nicht, dachte Ethan Hayes und ließ den Blick durch die Strandbar gleiten, die von den betörenden Klängen kreolischer Musik erfüllt war.

Es hatte allerdings mehr als eine Woche gedauert, bis sich die Urlaubsstimmung eingestellt und er sich so weit entspannt hatte, dass er weder sein Handy noch den schwarzen Anzug vermisste, den er gewöhnlich trug. Inzwischen konnte er es sogar genießen, barfuß und in Shorts und T-Shirt auf einem Barhocker zu sitzen und nichts zu tun.

„Haben Sie noch einen Wunsch, Mr Hayes?“, fragte in diesem Moment die junge Frau, die hinter dem Tresen stand. Der melodische Klang ihres Dialekts war kaum weniger erotisch als der Blick, dem sie ihrem Gast schenkte.

„Ich nehme noch einen Rum“, erwiderte Ethan und reichte ihr sein Glas. Dabei vermied er es jedoch, ihr in die Augen zu sehen, denn an dem, was sie ihm über den Drink hinaus anbot, hatte er derzeit kein Interesse.

Zu Recht galt die kleine Insel, auf der er seinen ersten Urlaub seit vielen Jahren verbrachte, als ein Paradies auf Erden. Die Ähnlichkeit mit dem biblischen Vorbild beschränkte sich jedoch nicht auf die Schönheit der Landschaft, denn auch hier lauerte die Schlange darauf, die Menschen in Versuchung zu bringen.

Nur war die Versuchung in diesem Fall kein Apfel, sondern das andere Geschlecht, und je höher die Temperaturen stiegen, desto geringer wurden die Hemmungen, dessen Lockungen zu erliegen.

Doch dafür hatte Ethan die weite Reise nicht gemacht, und die leichte Schwellung am Kinn ließ es ratsam erscheinen, das unzweideutige Angebot der Bedienung zu ignorieren.

Auch wenn die blauen Flecken mittlerweile abgeheilt waren, saß der Stachel der Kränkung noch tief. Um nicht Gefahr zu laufen, seine Wut an Unschuldigen auszulassen, hatte er sich vorgenommen, jeder Versuchung zu widerstehen.

Diesem Vorsatz treu zu bleiben verlangte jedoch schier übermenschliche Selbstbeherrschung, wenn gleichzeitig und nur wenige Meter entfernt eine junge Frau die Tanzfläche zu ihrer ganz privaten Bühne erklärte und Bewegungen vollführte, die jeder Schlange zu Ehren gereichten.

Sie war groß, schlank und trug ein extrem kurzes rosa Stretchkleid, das erhebliche Teile ihres sonnengebräunten Körpers unbedeckt ließ. Das rotblonde Haar hatte sie zu einem Knoten gebunden, in dem eine leuchtende Hibiskusblüte steckte.

Doch auch wenn sich der Vergleich mit der Schlange aufdrängte, war ein anderer weitaus passender. Denn der Name der betörenden Frau lautete Eve, und wie das biblische Vorbild trieb sie die Männer förmlich dazu, für sie jede erdenkliche Sünde zu begehen.

So überraschte es Ethan nicht, dass außer ihm alle Männer auf die Tanzfläche geeilt waren, um mit ihr zu tanzen und dabei ihren ebenso rassigen wie anmutigen Körper berühren zu dürfen und einen Blick ihrer großen grünen Augen zu erhaschen. Wenn sie dann lächelte, glaubte sich der eine oder andere bereits am Ziel seiner Träume, musste dann jedoch erleben, dass sie sich unvermittelt von ihm löste und mit dem nächsten Verehrer tanzte.

Ethan bezweifelte nicht, dass Eve erst dann zufrieden wäre, wenn sie auch dem Letzten den Kopf verdreht hatte. Was ihr besonders leicht fiel, weil sie nicht nur mit Schönheit, sondern auch mit allen anderen irdischen Gütern gesegnet war. Ihr Großvater Theron Herakleides war ein vermögender Mann und sie seine einzige Erbin.

Geld wirkte auf Männer ebenso anziehend wie weibliche Schönheit. Deshalb nahm Ethan an, dass sich kaum weniger Verehrer um Eve geschart hätten, wenn sie unansehnlich oder gar hässlich gewesen wäre.

Da sie jedoch zu den wenigen Auserwählten gehörte, die über beide Reize, und dies auch noch im Übermaß, verfügten, schien es sie regelrecht zu empören, dass ein einziger Mann ungerührt auf seinem Barhocker saß und das Treiben eher mit Befremden beobachtete.

Das jedenfalls verriet der Blick, mit dem sie Ethan ansah. Du traust dich doch bloß nicht! schien sie ihm mit einem provozierenden Augenaufschlag sagen zu wollen, und wir wissen beide genau, warum.

Sie kannten sich nur flüchtig, doch gut genug, um sich gegenseitig zutiefst unsympathisch zu finden. Ethan missfiel vor allem, dass Eve zu erwarten schien, dass jeder Mann vor ihr auf die Knie fiel. Eve hingegen ertrug es offensichtlich nicht, dass Ethan sich standhaft weigerte, genau das zu tun.

Im Lauf des vergangenen Jahres hatten sie wiederholt Gelegenheit gehabt, sich der beiderseitigen Abneigung zu vergewissern. Ethan war mehrfach nach Athen gereist, um geschäftliche Dinge mit Eves Großvater zu besprechen. Dabei war er zwangsläufig auch dessen Enkelin begegnet, und eine der Begegnungen war so denkwürdig verlaufen, dass keiner von beiden sie je vergessen würde.

Nicht zuletzt deshalb war es eine unglückliche Fügung, dass sie zur selben Zeit am selben Ort Urlaub machten. Zu allem Überfluss war die Insel so klein, dass man sich unmöglich aus dem Weg gehen konnte.

Die einzige Möglichkeit, die Feindseligkeit nicht offen zutage treten zu lassen, bestand darin, den anderen geflissentlich zu übersehen. Genau das tat Ethan, indem er Eve den Rücken zudrehte und sich wieder seinem Drink widmete. Doch weil er auch dann noch ihr Gesicht vor Augen hatte, beschloss er, ein wenig mit der jungen Frau zu flirten, die hinter dem Tresen stand.

Was bildet sich dieser Kerl nur ein? dachte Eve, als Ethan sich gleichgültig abwandte und unverhohlen mit der Bedienung flirtete, die ihm schon eine Weile unzweideutige Blicke zuwarf.

Doch Eve konnte ihrer Geschlechtsgenossin keinen Vorwurf machen, denn Ethan Hayes war in der Tat eine Sünde wert. Er sah himmelschreiend gut aus, und weder sein athletischer Körper noch das unerschütterliche Selbstbewusstsein deutete darauf hin, dass er als Architekt die meiste Zeit des Tages am Schreibtisch verbrachte.

In dieser Eigenschaft hatte er mehrere Male ihren Großvater in Athen aufgesucht. Bei dieser Gelegenheit hatte Eve ihn kennen- und verabscheuen gelernt, weil er sie auch ohne Worte wissen ließ, dass er sie für eine verwöhnte und eingebildete Gans hielt, die ihren Lebensinhalt darin sah, das Geld ihres Großvaters mit beiden Händen zum Fenster hinauszuwerfen.

Zu ihrem Kummer wollte es Eve jedoch nicht gelingen, Ethan mit Verachtung zu strafen. Dafür verunsicherte sie die Gleichgültigkeit viel zu sehr, mit der er sie strafte.

Das Schlimmste war jedoch, dass er so tat, als wäre er für ihre körperlichen Reize völlig unempfänglich – was Eve vor allem deshalb kränkte, weil sie dasselbe umgekehrt nicht behaupten konnte.

An Verehrern mangelte es ihr wahrlich nicht. Doch keiner von ihnen konnte im Entferntesten mit jenem Mann mithalten, der in Shorts und T-Shirt am Tresen saß und sie wie Luft behandelte.

Das war vor allem deshalb eine bodenlose Frechheit, weil es nicht immer so gewesen war. Oder sollte Ethan jenen unglückseligen Abend im Haus ihres Großvaters vergessen haben, an dem Eve, ohne anzuklopfen, in sein Zimmer gekommen war?

Die Erinnerung an den Vorfall rief Gefühle in ihr wach, denen sie lieber nicht auf den Grund ging. Dafür hatte sie zu deutlich zu erkennen gegeben, dass sie nicht nur empört und beschämt, sondern vor allem fasziniert gewesen war, als Ethan splitterfasernackt vor ihr gestanden hatte.

Zu ihm gegangen war sie, weil er sie wenige Stunden zuvor mit Aidan Galloway im Garten beobachtet hatte. Nach allem, was sie von Ethan wusste, musste sie annehmen, dass er völlig falsche Schlussfolgerungen daraus ziehen würde.

In ihrer Wut hatte sie die Tür zu seinem Schlafzimmer aufgerissen und war wie erstarrt stehen geblieben, als sie ihn sah: Er war direkt aus der Dusche gekommen, und das einzige Stück Stoff weit und breit war das Handtuch, mit dem er sich die Haare abtrocknete.

Er selbst war nicht weniger überrascht als sie, und so dauerte es eine kleine Ewigkeit, bis er reagierte und sich das Handtuch um die Hüften legte. Doch da hatte sie sich schon längst einen nachhaltigen Eindruck davon verschaffen können, wie gut er gebaut war.

Zu ihrem Leidwesen hatte Ethan als Erster die Sprache wiedergefunden, und seine Worte trieben ihr noch heute die Zornesröte ins Gesicht. „Hat sich Mr Galloway daran erinnert, dass er verlobt ist?“, hatte er abfällig gefragt. „Oder was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?“

„Wo bist du mit deinen Gedanken?“ Raouls Frage brachte Eve in die Gegenwart zurück. Für einen Moment hatte sie tatsächlich vergessen, dass sie sich auf der Tanzfläche einer Strandbar in der Karibik befand. Umso deutlicher erinnerte sie sich daran, dass sie aus dem Zimmer gestürmt war, ohne Ethan eine passende Antwort auf seine Unverschämtheit zu geben.

Dabei war es bis zum heutigen Tag geblieben, und mittlerweile lag ihr nichts ferner, als sich Ethan gegenüber zu rechtfertigen. Darauf konnte er warten, bis er alt und grau war. Ebenso lange, so war zu befürchten, würde Eve damit leben müssen, dass er ein gänzlich falsches Bild von ihr hatte – und zu ihrem Entsetzen machte ihr das mehr aus, als sie sich eingestehen mochte.

„Wie wär’s, wenn wir heute Abend essen gehen?“, fragte Raoul, ohne zu bemerken, dass Eve ihm noch eine Antwort schuldete. Dafür war er zu sehr damit beschäftigt, sich die Fortsetzung des Abends auszumalen.

„Nur du und ich“, gewährte er Eve Einblick in seine Gedanken, die er unterstrich, indem er eine Hand tiefer gleiten ließ. „Ich wüsste ein romantisches Plätzchen, wo wir garantiert ungestört wären.“

„Du kennst meine Antwort“, erwiderte Eve, und ihr Tonfall ließ es Raoul ratsam erscheinen, die Hand von ihrem Po zu nehmen. „Als ich gesagt habe, dass ich mich heute Abend amüsieren will, meinte ich nicht das, woran du denkst.“

„Vielleicht überlegst du es dir ja noch anders.“

„Ausgeschlossen“, widersprach Eve bestimmt. Als sie die Enttäuschung auf seinem Gesicht sah, hatte sie fast ein wenig Mitleid mit ihm. Raoul Delacroix, ein Amerikaner französischer Abstammung, war ein attraktiver junger Mann, der um die Wirkung, die er auf Frauen ausübte, durchaus wusste. Doch an Eve biss er sich die Zähne aus.

Was ihr mitunter nicht weniger Kummer machte als ihm. Denn er war ein ausgesprochen netter Kerl und im selben Alter wie sie – Vorzüge, die Ethan Hayes eindeutig nicht aufwies.

Obwohl er nur vier Jahre älter war als Eve, tat er, als gehörte er einer anderen Generation an. Hinzu kam, dass die sprichwörtliche britische Zurückhaltung bei ihm wie Überheblichkeit wirkte, die Eve so einschüchterte, dass sie sich in seiner Nähe manchmal tatsächlich wie ein Teenager fühlte.

„Nimm es nicht persönlich“, sagte sie zu Raoul, der richtiggehend eingeschnappt wirkte. „Ich möchte meinen Geburtstag mit all meinen Freunden und so unbeschwert wie möglich verbringen.“

„Du hast doch erst morgen Geburtstag“, wandte er ein. „Es spricht also nichts dagegen …“

„Und ob“, fiel sie ihm ins Wort. „Wie du weißt, kommt morgen mein Großvater, und an eine Party ist dann nicht zu denken. Deshalb haben wir beschlossen, meinen Geburtstag vorzuverlegen und heute Abend ein rauschendes Fest zu feiern. Also hör endlich auf zu schmollen. Sonst verdirbst du mir noch alles.“

Die Bitte war zugleich als Warnung gedacht, denn in letzter Zeit schien es Raoul nicht mehr zu reichen, mit Eve nicht enger befreundet zu sein als all die anderen, die sich jedes Jahr auf der kleinen Insel trafen.

Raoul war der Halbbruder von André Visconte, dem das einzige Hotel auf der Insel gehörte. Alle anderen aus ihrem Freundeskreis verbrachten den Sommerurlaub in den umliegenden Villen, die ihre Familien zum Teil schon seit Generationen besaßen.

So kannten sich die meisten von ihnen seit Kindertagen und waren im Lauf der Jahre zu einer festen Clique geworden. Damit sich daran nichts änderte, galt das ungeschriebene Gesetz, dass die Beziehungen untereinander rein freundschaftlich blieben.

Raoul kannte die Regeln, die sie sich selbst gegeben hatten, ganz genau, und dass er entschlossen schien, sie zu übertreten, konnte und wollte Eve ihm nicht durchgehen lassen.

„Wenn du ein romantisches Essen zu zweit vorziehst, solltest du dich am Strand umsehen“, riet sie ihm sarkastisch. „Unter den Touristinnen wird sich schon jemand finden, der dir den Abend versüßt.“

„Mit der einen oder anderen hatte ich bereits das Vergnügen“, erwiderte Raoul selbstbewusst. „Ich habe mich natürlich nur darauf eingelassen, um nicht aus der Übung zu kommen“, fügte er hinzu. „Schließlich will ich auf alles vorbereitet sein, falls mich die Frau, die ich liebe, doch noch erhört.“

Sollte er mich damit gemeint haben? Eve verdrängte den Gedanken, indem sie Raouls Bekenntnis als Scherz abtat und laut zu lachen begann.

Zunächst schien Raoul irritiert, doch dann hellte sich seine Miene auf, bis er schließlich selbst lachen musste. Trotzdem war Eve erleichtert, als kurz darauf ein anderer Mann sie zum Tanzen aufforderte.

Auch wenn Ethan der Tanzfläche den Rücken zudrehte, hatte er im Spiegel an der rückwärtigen Wand das Gespräch zwischen Eve und Raoul beobachten können. Zu gern hätte er gewusst, was die beiden zu besprechen gehabt hatten, doch um auch nur ein Wort zu verstehen, war die Musik zu laut.

Aus Raouls Gesichtsausdruck ließ sich jedoch schließen, worum es gegangen war. Denn auch wenn er sich bemühte, unbekümmert zu wirken, war ihm deutlich anzusehen, dass er sich maßlos ärgerte.

Den Grund konnte sich Ethan lebhaft vorstellen. Schließlich musste Eve wissen, welche Gefahr sie heraufbeschwor, wenn sie einem Mann den Kopf verdrehte und ihm im letzten Moment die kalte Schulter zeigte.

Zu Ethans Leidwesen ließ es ihn jedoch keineswegs kalt, dass sie mit dem Feuer spielte. Einzig über die Frage, ob Unbedarftheit oder Schamlosigkeit sie dazu brachte, war er sich noch nicht im Klaren.

Wie aufs Stichwort betrat Aidan Galloway die Bar und ging zielstrebig auf Eve zu. Ethan hatte ihn zuletzt vor einem Monat in Athen gesehen, deshalb erkannte er ihn sofort wieder. Damals hatte er auch Aidans Verlobte kennengelernt. Deshalb wusste Ethan, dass der rothaarige Mann in festen Händen war – was ihn jedoch nicht daran hinderte, den möglicherweise letzten Urlaub als Single dazu zu nutzen, unverhohlen mit Eve zu flirten.

„Guten Tag, Mr Hayes.“ Eine freundliche Begrüßung riss ihn aus seinen Gedanken. Als er aufsah, erkannte er Jack Banning, den Geschäftsführer des Hotels.

Ethan forderte ihn auf, Platz zu nehmen, und genoss die Gelegenheit, an etwas anderes zu denken als an das ausschweifende Liebesleben einer gewissen Eve Herakleides.

„Ich fahre morgen früh zum Fischen raus“, teilte Jack ihm mit. „Haben Sie nicht Lust mitzukommen? Ich will allerdings schon bei Sonnenaufgang los.“

Ethan kam nicht dazu, etwas zu erwidern, weil das Mädchen einen Rum für seinen Chef brachte. Jack unterhielt sich eine ganze Weile mit ihr, doch anstatt ihn anzusehen, wandte sie den Blick nicht von Ethan.

„Sie können mich auch ein andermal begleiten“, sagte Jack lächelnd, nachdem das Mädchen wieder gegangen war. „Ich nehme kaum an, dass Sie viel Schlaf bekommen werden.“

„Nichts gegen Ihre Mitarbeiterin“, erwiderte Ethan, „aber ich garantiere Ihnen, dass ich heute Nacht allein in meinem Bett liegen werde.“

„Wenn ich richtig informiert bin, trifft das seit Ihrer Ankunft auf jede Nacht zu“, sagte Jack mit erschreckender Offenheit. „Dabei dürfte es einem Mann, der so blendend aussieht wie Sie, an eindeutigen Angeboten kaum mangeln.“

So befremdlich Jacks Neugier war, kam sie keinesfalls überraschend. Den Ruf, besonders freizügig zu sein, trug die Insel zu Recht, und jeder, der sich an dem munteren Wechselspiel nicht beteiligte, machte sich zwangsläufig verdächtig.

Doch Ethan hatte an einem harmlosen Flirt ebenso wenig Interesse wie an dessen weniger harmlosen Fortsetzung. Zumindest redete er sich das jedes Mal ein, wenn ihm die durchaus attraktiven Urlauberinnen am Strand auffordernde Blicke zuwarfen.

Deutlich mehr machte ihm jedoch eine andere Frau zu schaffen, und die Versuchung, die von ihr ausging, war fast zu groß, um ihr zu widerstehen. Das hatte bereits der Vorfall im Haus ihres Großvaters bewiesen, an den er zurückdenken musste, wenn er Eve auch nur aus der Ferne sah.

Er war gerade aus der Dusche gekommen, als unvermittelt die Tür aufgerissen wurde und Eve im Zimmer stand. Im ersten Moment war er viel zu überrascht gewesen, und als er sich endlich das Handtuch um die Hüften gelegt hatte, war es fast schon zu spät. Ihr konnte gar nicht entgangen sein, wie heftig er auf ihre Gegenwart reagiert hatte.

Unwillkürlich sah er in den Spiegel, in dem er heimlich beobachten konnte, was sich auf der Tanzfläche zutrug. Was er sah, konnte ihm gar nicht gefallen, denn Eve tanzte mit Aidan. Nicht einmal einem Blinden hätte entgehen können, wie sehr es zwischen ihnen knisterte. Ein harmloser Flirt war es jedenfalls längst nicht mehr.

Zu demselben Eindruck war Ethan schon damals gekommen, als er die beiden im Garten überrascht hatte. Sie waren so mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass sie ihn gar nicht hatten kommen hören – und dass Aidans Verlobte den innigen Kuss ebenfalls beobachtet hatte und beinahe ohnmächtig geworden war, wussten sie bis heute nicht.

Was eher für Aidan als für Eve ein Problem war. Ihr war es völlig egal, ob der Mann, den sie umgarnte, Single, verlobt oder gar verheiratet war. Hauptsache, er verfing sich in dem Netz, das sie auslegte.

Normalerweise gelang ihr das mit spielender Leichtigkeit, und wenn Ethan nicht aufpasste, lief er Gefahr, der Nächste zu sein.

„Wie halten Sie es denn, wenn Ihre weiblichen Gäste Ihnen schöne Augen machen?“, erkundigte er sich bei Jack.

„Dann drehe ich mich um und ignoriere es“, erwiderte er lächelnd. „Mein Chef würde mich achtkantig rauswerfen, wenn ich mich mit einem Gast einließe. Außerdem komme ich auch so auf meine Kosten. Meine Freundin wohnt zwar auf der Nachbarinsel, aber ich fahre mehrmals in der Woche zu ihr.“

Sollte ich mich so in ihm getäuscht haben? fragte sich Ethan unwillkürlich. In den wenigen Tagen, die er auf der Insel war, hatte er Jack als verantwortungsbewussten und zuverlässigen Mann kennengelernt.

Insgeheim hatte er sogar schon mit dem Gedanken gespielt, ihn abzuwerben und mit der Leitung der luxuriösen Ferienanlage zu betrauen, die nach Ethans Entwürfen zurzeit in San Estéban entstand, einem ehemaligen Fischerdorf in Südspanien.

Dass Jack sich eine Geliebte hielt, die er nur gelegentlich sah, ohne irgendeine Verpflichtung einzugehen, wollte nicht zu dem Bild passen, das Ethan sich von ihm gemacht hatte.

„Sie zieht ihren Sohn allein auf, weil ihr Ehemann vor einigen Jahren auf See geblieben ist“, sagte Jack in diesem Moment.

Ethan hatte ihn also richtig eingeschätzt – was jedoch auch bedeutete, dass er sich die Idee, ihn als Geschäftsführer zu gewinnen, aus dem Kopf schlagen musste. Jack liebte diese Frau, und sich von ihr zu trennen würde ihm nicht in den Sinn kommen.

„Und welchen Grund haben Sie, im Paradies wie ein Mönch zu leben?“, kam Jack auf die Frage zurück, auf die Ethan ihm noch eine Antwort schuldete.

Den gleichen wie du, hätte Ethan am liebsten geantwortet. Ich liebe eine verheiratete Frau. Der einzige Unterschied ist, dass ihr Mann sich bester Gesundheit erfreut.

„Keinen bestimmten“, sagte er schließlich ausweichend. „Was nicht ist, kann ja noch werden.“

Doch Jack schien auch ohne Worte verstanden zu haben, was in Ethan vorging. Was nicht allzu schwer war, weil der blaue Fleck an seinem Kinn erst vor wenigen Tagen abgeheilt war. Bis dahin hatte er zu allerlei Spekulationen Anlass gegeben, die durch Ethans Weigerung, auch nur ein Wort über dessen Herkunft zu verlieren, nicht weniger geworden waren.

Schließlich sah Jack ein, dass es keinen Sinn machte, auf eine vernünftige Antwort zu warten. Mit einem freundschaftlichen Klaps auf die Schulter verabschiedete er sich, um einige andere Gäste zu begrüßen.

Ethan nahm sein Glas und trank es in einem Zug leer. Doch das Bild der jungen Frau mit dem rotblonden Haar stand ihm zu deutlich vor Augen, um es wieder vertreiben zu können.

Im Grunde war sie in jeder Hinsicht perfekt – mit der einzigen Ausnahme, dass sie den falschen Mann liebte. Sie selbst dachte allerdings völlig anders darüber, wie die Tatsache bewies, dass sie nach einem Jahr der Trennung zu ihrem Ehemann zurückgekehrt war – zunächst zwar nicht ganz freiwillig, aber schließlich aus tiefster Überzeugung.

Vielleicht ist Hassan doch der richtige Mann für Leona, dachte Ethan bitter. Diese Einsicht machte es jedoch nicht leichter, ein Mittel zu finden, mit dem sich eine unerwiderte Liebe kurieren ließ.

„Sie sollten Ihr mönchisches Leben so schnell wie möglich aufgeben“, sagte Jack und bewies erneut seine Fähigkeit, Gedanken zu lesen. „Der Spatz in der Hand ist immer noch besser als die Taube auf dem Dach“, fügte er hinzu.

„Denken Sie bei dem Sprichwort an mich oder an sich selbst?“ Diese Frage konnte und wollte Ethan ihm nicht ersparen.

„Der Sohn meiner Freundin sagt ‚Daddy‘ zu mir“, erwiderte Jack. „Damit dürfte sich Ihre Frage erübrigt haben. Übrigens gilt die Einladung zum Fischen nach wie vor“, fügte er hinzu, ehe er sich endgültig verabschiedete.

Doch schon nach wenigen Schritten stellte sich Eve ihm in den Weg. Unwillkürlich sah Ethan sich nach Aidan um, der noch vor wenigen Augenblicken eng umschlungen mit ihr getanzt hatte. Nun stand er an der Bar und bestellte sich einen Drink.

Willkommen im Klub, dachte Ethan, weil Aidans Gesichtsausdruck deutlich verriet, dass er ebenso abgeblitzt war wie vor ihm Raoul und all die anderen Männer, die nun tatenlos mit ansehen musste, dass Eve Jack die Arme um den Nacken legte und zu ihm aufsah, als bettelte sie förmlich um einen Kuss.

Schließlich ließ Jack sich dazu erweichen, ihr diesen Gefallen zu tun. Daraufhin zerrte Eve ihn auf die Tanzfläche und schmiegte sich so dicht an ihn, dass ihm keine andere Wahl blieb, als sie zu umarmen und ihr die Hände auf den Rücken zu legen.

Damit gab Eve sich jedoch nicht zufrieden. Sie hob den Kopf und lächelte Jack aufmunternd zu, während sie gleichzeitig mit einer geschickten Bewegung dafür sorgte, dass seine Hände auf ihre Taille glitten.

Ethan wusste, was er zu tun hatte. Er zog einige Münzen aus der Hosentasche, legte sie auf den Tresen und ging zum Ausgang, ohne sich von dem Mädchen zu verabschieden, das ihm traurig nachsah.

Kurz bevor er die Tür erreichte, meinte er zu erkennen, dass Eve zu ihm herübersah. Täuschte er sich, oder schmiegte sie sich noch enger an Jack?

Den Gedanken, dass sie ihn damit provozieren wollte, verwarf Ethan, noch bevor er die Bar verlassen hatte. Eve Herakleides war ein durchtriebenes Luder, das in jedem Mann ein potenzielles Opfer sah. Wenn sie überhaupt etwas gemeinsam hatten, dann war es die Abscheu, die sie füreinander empfanden.

Als Ethan den Strand betrat, um zu seinem Bungalow zu gehen, dämmerte es bereits. Weil der Himmel jedoch verhangen war, blieb es ihm versagt, das grandiose Naturschauspiel zu beobachten, wie die Sonne langsam im Meer versank. Die dunklen Wolken und die drückende Schwüle ließen vielmehr befürchten, dass ein nächtlicher Sturm bevorstand.

Aus der Bar drang das helle Lachen einer Frauenstimme. Ohne sich lange zu besinnen, beschloss Ethan, den Heimweg nicht zu Fuß, sondern schwimmend zurückzulegen. Eine Abkühlung konnte ihm in jeder Hinsicht nur gut tun.

„Schlagen Sie sich das aus dem Kopf“, mahnte Jack im selben Moment, in dem Ethan in die Fluten des Atlantiks tauchte. „Um sich mit einem Mann wie ihm einzulassen, sind Sie viel zu jung und unerfahren.“

Eve wartete mit einer Antwort, bis Ethan aufgetaucht war. „Ihre Warnung ist völlig überflüssig“, erwiderte sie schließlich, ohne den Schwimmer aus den Augen zu lassen, der mit kräftigen Zügen die Bucht durchquerte. „Ich habe nichts dergleichen im Sinn.“

„Das will ich hoffen“, wandte Jack skeptisch ein, weil Eves Gesichtsausdruck etwas gänzlich anderes sagte. „Ethan Hayes kann sich vor Verehrerinnen kaum retten, und was für Sie ein unvergessliches Erlebnis wäre, hätte er am nächsten Abend schon wieder vergessen.“

„Woher wollen Sie das so genau wissen?“, fragte Eve ihn neugierig und schmiegte sich so aufreizend eng an Jack, dass es ihm höchste Zeit schien, sie, aber auch sich selbst zur Besinnung zu bringen.

„Wenn Ihr Großvater Sie sehen könnte, würde er Sie in Ihrem Zimmer einschließen“, warnte er sie davor, das Spiel mit dem Feuer zu weit zu treiben.

„Das glaube ich kaum“, erwiderte Eve mit einem provozierenden Lächeln. „Um mir so etwas anzutun, liebt er mich viel zu sehr.“

„Gerade weil er sie liebt, würde er alles tun, um Sie vor sich selbst zu schützen.“

2. KAPITEL

Der Bungalow, den Ethan bewohnte, stand direkt am Strand und gehörte Leandros Petronades, einem Geschäftspartner.

Autor

Michelle Reid

Michelle Reid ist eine populäre britische Autorin, seit 1988 hat sie etwa 40 Liebesromane veröffentlicht.

Mit ihren vier Geschwistern wuchs Michelle Reid in Manchester in England auf. Als Kind freute sie sich, wenn ihre Mutter Bücher mit nach Hause brachte, die sie in der Leihbücherei für Michelle und ihre...

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