Venedig, die Liebe und du

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Als Antonia in Venedig den Künstler Patrick wieder sieht, spürt sie zum ersten Mal in ihrem Leben, wie heiß die Leidenschaft brennen kann. Ist es wirklich Liebe, die sie für Patrick empfindet, oder begehrt sie ihn nur? Antonia muss sich entscheiden, denn sie wird in Kürze Cyrus Devvon heiraten!


  • Erscheinungstag 14.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755966
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

An einem heißen Sommernachmittag landete Patrick Ogilvie in Nizza. Bis auf einen dunklen Lederkoffer trug er kein Gepäck bei sich. Als er die Flughafenhalle verlassen wollte, um zum Taxistand zu gehen, hörte er seinen Namen.

„Patrick! He, Patrick!“

Er blieb erstaunt stehen, drehte sich um und sah eine junge Frau auf sich zu laufen. In der schwarzen Samtjacke und den schwarzen Jerseyleggings wirkte sie eher wie ein schmaler, dünner junger Mann. Das einzig Weibliche war der üppige weiße Rüschenkragen ihrer Bluse.

„Rae? Was machst du denn hier?“ Patrick war so überrascht, sie zu sehen, dass er nicht einmal so tun konnte, als würde er sich freuen. Aber Rae Dunhill schien die steile Falte über den blauen Augen nicht zu bemerken, sie schlang die Arme um ihn und drückte ihn fest.

„Graham hat mich heute Morgen angerufen und mir erzählt, dass du mit diesem Flug kommen würdest.“ Sie war außer Atem und lachte ihn an. „Welch ein Glück, dass ich dich entdeckt habe, denn ich war spät dran und dachte, ich würde dich verpassen. Ich bin auf der Herfahrt in einen Stau geraten.“

„Unser Flugzeug hatte Verspätung, wir hätten schon eine halbe Stunde früher hier sein sollen“, erläuterte Patrick, ohne ihr Lächeln zu erwidern, als er sich von ihr losmachte. „Du wohnst doch nicht auch in Nizza, oder? Ich dachte, du bist irgendwo an der Riviera?“

„Das stimmt auch.“ Rae nickte, und er sah, wie sie ihm einen verstohlenen Blick zuwarf.

Die Falte auf seiner Stirn vertiefte sich noch. Er hätte seinem Verleger Graham Clive niemals erzählen sollen, dass er mit dieser Maschine nach Nizza fliegen würde. Er hätte sich denken müssen, dass dieser Rae anrufen und sie darüber informieren würde. Was mochte er ihr noch erzählt haben?

„Ich wohne in Bordighera, nicht weit von der französischen Grenze. Bei meinen französischen Freunden, Alex und Susan-Jane Holtner“, erklärte ihm Rae. „Du erinnerst dich doch an Alex? Er ist Cartoonist. Er macht diese witzige Serie über die Indianer in New York … du weißt doch, die, die ihr Wigwam auf dem Dach eines Wolkenkratzers aufgebaut haben.“

Patrick nickte uninteressiert. „Ach ja, ich weiß … verrückte Art von Humor.“

„Ich liebe sie“, betonte Rae. „Mit Susan-Jane bin ich zur Schule gegangen, sie war schon damals meine beste Freundin. Wir haben immer Kontakt miteinander gehalten. Sie und Alex haben eine wundervolle Villa außerhalb von Bordighera, an der Küstenstraße. Sie verbringen jeden Sommer drei Monate dort. Schon seit Jahren hatten sie mich zu sich eingeladen, und in diesem Jahr habe ich es endlich einmal geschafft, mir ein paar Tage frei zu nehmen und sie zu besuchen.“

„Du kannst gut etwas Urlaub gebrauchen. In den letzten Monaten hast du hart gearbeitet.“

„Du auch, Patrick. Dir täten ein paar Wochen unter südlicher Sonne ebenfalls gut“, meinte Rae und hakte sich bei ihm ein, als sie das Flughafengebäude verließen und hinaus in die Hitze traten. Patrick schaute hinauf zum azurblauen Himmel, kniff gegen die grelle Sonne die Augen zusammen und setzte sich rasch seine dunkle Sonnenbrille auf.

„Ja, ich bin ziemlich ausgelaugt“, gab er zu. „Deswegen bin ich auch hier – um ein paar Wochen Ruhe und Entspannung zu finden.“ Er entzog ihr seinen Arm und hoffte, sie würde die Botschaft verstehen.

Aber Rae ließ sich nicht so leicht entmutigen. „Du wirst nicht in diesem Hotel in Nizza wohnen! Du musst mit mir nach Bordighera kommen. Es war Alex’ Idee. Er und Susan haben das Haus gern voller Freunde. Seit ich das erste Mal von dir gesprochen habe, wollen sie dich kennen lernen.“

Genau das hatte er vermeiden wollen. „Nein, danke“, lehnte er ab. „Das ist sehr freundlich von deinen Freunden, aber ich habe bereits mein Hotel gebucht und kann die Buchung nicht mehr rückgängig machen.“

„Aber natürlich kannst du es! Sei doch nicht dumm! Und in der Villa ist es so viel angenehmer als in irgendeinem unpersönlichen Hotel. Wir können von der Villa aus dort anrufen und stornieren. Wir brauchen nach Bordighera nur ein paar Stunden, die Strecke dorthin ist sehr gut ausgebaut“, antwortete Rae ungeduldig.

Typisch, dachte er grimmig bei sich. Schon wieder versucht sie, über mich zu verfügen! Er kannte sie nicht anders. Seit sie zusammen arbeiteten, hatte sie Entscheidungen für ihn getroffen, als wäre es ihr verbrieftes Recht. Und er hatte sich nicht entschieden genug dagegen gewehrt, weil er sie bewunderte.

Obgleich sie erst achtundzwanzig war, war sie bereits eine erfolgreiche Autorin. Er war schon lange ein Bewunderer von ihr gewesen, ehe er sie kennen gelernt hatte, um die Bücherserie zu illustrieren, an der sie gerade arbeitete.

Ihre Kinderbücher waren außergewöhnlich originell, sensibel und clever. Wie Rae auch, musste er sich eingestehen. Sie war faszinierend, besaß aber eine unerschöpfliche Energie, mit der sie zu gern das Leben aller Menschen um sich herum bestimmte. Patrick jedoch wollte nicht mehr von Frauen sein Leben bestimmen lassen, nicht einmal, wenn es zu seinem eigenen Besten wäre.

„Es ist sehr nett von deinen Freunden“, erwiderte er knapp. „Aber ich würde lieber in meinem Hotel wohnen. Es tut mir Leid.“ Er unternahm nicht einmal den Versuch auszusehen, als täte es ihm wirklich leid, sondern schaute düster hinauf auf das blaue Meer, das sich vor ihnen erstreckte. „Sieh mal, Rae, ich bin erholungsbedürftig, und da wäre es das Schlimmste für mich, mit Fremden höfliche Unterhaltungen führen zu müssen.“

„Ich bin dennoch der Meinung, du solltest mitkommen“, begann Rae, doch da verlor Patrick plötzlich die Geduld.

„Hör endlich damit auf, mir vorzuschreiben, was ich tun und lassen soll, ja?“, fuhr er sie an.

Sie starrte ihn an. Rae hatte ein eindrucksvolles Gesicht, auch wenn es nicht schön zu nennen war: schmal, lebendig, hohe Wangenknochen, mit leuchtenden dunklen Augen und dickem, lockigem Haar, das sie sehr kurz geschnitten trug.

„Entschuldige, habe ich das?“, sagte sie dann langsam.

„Ja, das hast du. Und hör bitte damit auf, ich kann mein Leben selbst organisieren!“

Patrick wandte sich ab, nahm den Koffer in die andere Hand und wandte sich der Menschentraube zu, die sich vor dem Taxistand gebildet hatte. Er hoffte, sie würde den Wink verstehen und gehen. Aber sie tat es nicht, sondern folgte ihm. Dabei sah sie ihn von der Seite an. Patrick ignorierte sie.

„Graham hat mir von Laura erzählt“, begann sie sanft. „Es tut mir so leid, Patrick.“

Sein Gesicht wurde ausdruckslos und lief gleichzeitig dunkel an. „Graham redet zu viel, verdammt noch mal!“

Er hatte mit Graham zu Mittag gegessen, einen Tag, nachdem er seine Verlobung gelöst hatte. Er konnte an nichts anderes denken als an die Trennung von Laura. Und auch nicht über etwas anderes reden. Graham war ein guter Zuhörer, so hatte Patrick geredet und geredet, bis er fast heiser vom Sprechen war. Nun wünschte er, er hätte es nicht getan.

„Ich nehme an, du hast deinen Freunden auch alles erzählt, und deshalb haben sie mich in ihre Villa eingeladen, oder?“, sagte er schneidend. „Nun, ich brauche ihr Mitgefühl nicht – und deines ebenso wenig. Ich bin nicht der erste Mann, der von einer Frau den Laufpass bekommen hat, und ich werde auch nicht der Letzte sein. Ich werde schon nicht daran sterben.“

„Natürlich wirst du das nicht, und ich habe auch niemandem von Laura erzählt!“, antwortete Rae in beruhigendem Ton, und das machte ihn noch wütender.

„Ich will nicht über sie sprechen!“ Er konnte es nicht ertragen, über sie zu sprechen, und doch konnte er nicht aufhören, ständig an sie zu denken. Wie lange würde es dauern, über einen solchen Schmerz hinwegzukommen?

„Du wirst Stunden hier stehen, ehe du ein Taxi bekommst“, hob Rae hervor. „Lass mich dich wenigstens zum Hotel fahren.“

Er zögerte, was bei Rae ein fataler Fehler war. „Nun komm schon“, lockte sie ihn und hakte sich wieder bei ihm ein. Und er ließ es zu, dass sie ihn mit sich zog, über die Straße und hin zu den unter den Palmen parkenden Wagen.

Als Rae dann ihren kleinen roten Fiat auf schloss, sagte er: „Aber nur, wenn du mir versprichst, keine weiteren Fragen zu stellen.“

„Ich werde den Namen Laura nicht einmal mehr erwähnen“, versicherte sie ihm, als sie beide einstiegen.

Aber damit hatte sie es bereits getan. Und allein die bloße Erwähnung des Namens fuhr ihm wie ein Messer durchs Herz. Warum hat sie mir das angetan? fragte er sich. Warum?

Schon als sechzehnjähriger Junge hatte er erkannt, dass die Mädchen ihn ausgesprochen attraktiv fanden, auch wenn er es sich zuerst nicht erklären konnte. Er war nie besonders gut aussehend gewesen. Aber er musste das gewisse Etwas besitzen, das ihm die Herzen der Mädchen zufliegen ließ. Vielleicht lag es auch an seiner Figur. Schon mit sechzehn war er einen Meter achtzig groß gewesen, und seine Liebe für den Sport hatte ihm ein für sein Alter ausgesprochen männliches Aussehen verliehen. Er war athletisch gebaut, hatte muskulöse Arme und Beine, zog sich gut an und trug sein gewelltes braunes Haar gepflegt.

Aber er hatte sich auch oft gefragt, ob nicht seine fröhliche, unbeschwerte Art die Mädchen angezogen hatte. Er war gern mit anderen Leuten zusammen, lachte viel und hatte eigentlich nichts in seinem Leben ernst genommen, bis er Laura Grainger kennen lernte und sich Hals über Kopf in sie verliebte.

Und nun lag sein Herz in Scherben vor ihm, und nichts würde diese Scherben mehr kitten können.

Eigentlich hatte er von Anfang an gewusst, dass Laura ihn nicht so sehr liebte wie er sie. Aber vielleicht war es gerade ihre Kühle gewesen, die ihn fasziniert hatte? Sie bedeutete für ihn eine Herausforderung nach den anderen Mädchen, die er so leicht hatte haben können. Er hatte sie nur angesehen, und sofort hatte sein Herz heftig geklopft. Es war eine seltsame Erfahrung gewesen. Dadurch hatte er erkannt, dass er sich verliebt hatte. So etwas war ihm zum ersten Mal passiert.

Schon bald musste er erfahren, dass sie nicht nur kühl wirkte, sondern auch so war. Sie war wunderschön und intelligent und so ganz anders als die Frauen, die immer nur auf ihn gewartet hatten, ihn bekochten, seine Wäsche wuschen und ihm sogar die Wohnung sauber machten. Laura tat es nicht, sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Werbeagentur zu führen. Außerdem war sie nicht der häusliche Typ, das konnte man wahrlich nicht behaupten. Oft gingen sie essen, und wenn sie einmal zu Hause aßen, dann für gewöhnlich in Patricks tadellos aufgeräumter Wohnung, bei einem Menü, das er vorbereitet hatte.

Er hatte es schon immer gemocht, für sich selbst zu sorgen. Er war ein praktisch veranlagter Mensch, und er war gut in praktischen Dingen. Ob er nun malte oder Skulpturen in Ton oder Bronze schuf, Wäsche bügelte, kochte oder sauber machte, all dies tat er mit Geschick und Interesse an der Sache. Er besaß eine endlose Geduld, ob es nun Dinge oder auch Menschen betraf. Was auch immer er tat, er zog Befriedigung aus seiner Tätigkeit, aber wenn er es für Laura tat, dann war es viel mehr als nur das.

Er hatte immer das Bild seiner Traumfrau im Kopf gehabt, die er einmal heiraten wollte. Und als er dann Laura sah mit ihren grünen Augen, dem hellblonden Haar, der schlanken, anmutigen Gestalt und ihrem fein geschnittenen Gesicht, da wusste er, er hatte diesen Traum gefunden.

Wie konnte ich nur so dumm sein? fragte er sich bedrückt. Er hatte all das getan, was sie von ihm erwartete, und dennoch hatte sie ihn verlassen. Nie wieder würde er sich von einer Frau so behandeln lassen.

Er war ein Dummkopf gewesen. Er hatte sich selbst etwas vorgemacht, hatte sich eingeredet, sie hätte zu viel zu tun, um Zeit für die Liebe zu haben. Ihre Gefühle wären nur eingefroren, aber eines Tages würden sie erwachen, und er würde da sein.

Aber er hatte sich schrecklich geirrt. Oh ja, ihre Gefühle waren erwacht, aber nicht für ihn – sondern für einen anderen Mann.

Und niemals hätte er gedacht, dass es ausgerechnet Josh Kern sein würde.

Josh Kern war ein aggressiver Farmer aus Yorkshire, über den sie sich schon aufregte, als sie ihn gerade kennen gelernt hatte. Niemals hätte Patrick vermutet, dass sie ihn attraktiv finden könnte. Was konnte schon eine so welterfahrene und clevere Frau wie Laura mit einem Farmer gemein haben, den Patrick für eine Art Neandertaler hielt, einen plumpen, ungehobelten Kerl? Jemand, der vollkommen unsensibel und in keiner Weise einfühlsam wirkte?

Vom ersten Tag an hatte Laura immer wieder betont, wie wenig sie ihn mochte, und Patrick hatte ihr auch geglaubt – bis zu dem Moment, wo er in ihr Apartment gekommen war und gesehen hatte, mit welchem Blick sich die beiden anschauten. Es war gar nicht mehr nötig gewesen, dass Laura ihm erklärte, dass sie sich in Josh verliebt hätte.

Er hatte es in ihren Augen, ihrem Gesicht und selbst in der Art gesehen, wie sie sich bewegte. Sie hatte förmlich vor Leidenschaft geglüht.

Unwillkürlich presste Patrick in der Erinnerung die Lippen fest zusammen. Rae sah es, und sie legte ihm spontan die Hand auf den Arm.

„O Patrick, es geht mir so nahe zu sehen, dass es dir so schlecht geht!“

Er riss sich los. „Hör auf, Rae. Wie oft soll ich es dir eigentlich noch sagen? Kannst du mich nicht endlich zufriedenlassen?“

Patrick wollte allein sein, Ruhe für sich und seine verletzten Gefühle haben. Er wünschte, Rae wäre nicht zum Flughafen gekommen.

„Welches Hotel?“, fragte sie ruhig. Patrick nannte es ihr, und wenig später befanden sie sich auf der Promenade des Anglais, zur Rechten das blaue Wasser der Baie des Anges und die eleganten Fassaden der Luxushotels von Nizza zur Linken.

„Wie geht es mit dem neuen Buch voran?“, erkundigte sich Patrick nach einer Weile, um das Thema zu wechseln. Rae ging darauf ein und begann, über ihre Arbeit zu sprechen.

Aber Patrick konnte sich nicht so recht auf das konzentrieren, was sie erzählte. Er musste daran denken, wie aufgeregt er gewesen war, als er das Angebot erhielt, die neuesten Bücher der reichen und berühmten Rae Dunhill zu illustrieren. Und dass er sie bewunderte, mochte auch der Grund dafür gewesen sein, dass er nicht aufbegehrt hatte, als sie darauf bestand, dass alles nach ihren Vorstellungen gehen sollte.

Vielleicht ist das mein Problem, dachte er. Vielleicht war ich zu sehr bereit, ihnen einen Gefallen zu tun, mich nach ihnen zu richten – bei beiden, Laura und Rae. Hat Laura deshalb irgendwann begonnen, mich zu verachten? Rasch schob er diesen unangenehmen Gedanken beiseite. Er wollte ihn jetzt nicht weiter verfolgen.

„Da sind wir“, meinte Rae und hielt vor dem Hotel, das er ihr genannt hatte.

„Vielen Dank fürs Herbringen.“ Er lächelte schwach. Schließlich war es nicht Raes Schuld, dass seine Verlobung in die Brüche gegangen war. Zudem war es sehr nett von ihr gewesen, den weiten Weg von der italienischen Riviera hierher zu machen, um ihn vom Flughafen abzuholen. Er hätte nicht so unfreundlich zu ihr sein sollen.

„Es hat mir Freude gemacht“, versicherte sie und legte ihm dann die Hand auf den Arm. „Patrick …“

„Ja?“ Bloß keine weiteren Fragen, dachte er und schaute ostentativ an ihr vorbei zum blauen Himmel hoch.

„Wirst du uns dann wenigstens am Wochenende in Bordighera besuchen? Alex veranstaltet am Samstag eine Barbecue-Party am Strand, und es wird bestimmt lustig. Du musst einfach kommen!“

„Wie oft muss ich dir noch sagen …“, begann er heftig, sprach aber nicht weiter. Sie starrte ihn entsetzt an, und er versuchte, seinen Zorn in den Griff zu bekommen. Er bemerkte, dass sie das Steuerrad so fest umklammert hielt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Patrick wandte schließlich den Blick ab und starrte blicklos aus dem Seitenfenster. Warum lasse ich es an ihr aus? fragte er sich. Es ist doch nicht ihre Schuld … „Okay“, murmelte er. „Ich komme am Samstagabend. Aber nur übers Wochenende, Rae!“

„Das ist in Ordnung, Patrick“, sagte sie, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Ich freue mich so darüber. Und ganz bestimmt wird es dir gut gefallen. Alex und Susan-Jane sind wirklich nett. Sie haben einen herrlichen Sinn für Humor.“

„Den werden sie auch brauchen, wenn sie das Wochenende in meiner Gegenwart überstehen wollen“, erwiderte Patrick mit bitterer Ironie.

Rae lachte, aber als sie dann sprach, kam es so stockend und unsicher heraus, wie er es von ihr überhaupt nicht kannte.

„Patrick, ich weiß, du wolltest nicht darüber reden … aber eins muss ich dich fragen. War Laura vielleicht sauer, weil du in der letzten Zeit so viel … mit mir zusammen warst? Das war nicht vielleicht der Grund für euren Streit? Sie war doch nicht …“ Sie brach ab, wurde rot und sprach dann weiter. „Sie war doch nicht eifersüchtig auf mich, oder? Der Gedanke wäre schrecklich für mich, der Grund für eure Trennung gewesen zu sein.“

Patrick lachte kurz und trocken auf. „Komisch, dass du so etwas sagst. Laura hat tatsächlich ein paar Andeutungen gemacht, ich könnte Interesse an dir haben.“

Raes Gesicht wurde nun dunkelrot. „O nein …!“

„Trotzdem brauchst du dir keine Gedanken zu machen“, beruhigte er sie. „Sie hat dich nur als Vorwand benutzt. Ich habe ihr klar gesagt, sie brauchte mir nicht vorzuspielen, dass sie so etwas Unsinniges annehmen würde.“

Rae wurde auf einmal seltsam blass. „Ja sicher … es wäre wirklich unsinnig!“

„Sie hat es niemals wirklich geglaubt, sie wollte nur ihr schlechtes Gewissen mir gegenüber beruhigen“, stellte Patrick grimmig fest.

„Sie muss den Verstand verloren haben, einen anderen Mann dir vorzuziehen!“, stieß Rae hervor.

Patrick lachte rau. „Ich enthalte mich lieber meiner Meinung!“

Rae sah ihn mitfühlend an. „Patrick, es tut mir so …“

„Sag nicht noch einmal, dass es dir so Leid tut“, fuhr er auf, und sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.

Ein Hupkonzert hinter ihnen schreckte sie auf. Raes Wagen blockierte die schmale Straße, die sowieso schon von parkenden Autos vollgestellt war. Die Wagen standen in Zweierreihen, teilweise zu dritt nebeneinander. Rasch lenkte Rae den Wagen einfach auf den Bürgersteig, um den anderen Wagen hinter ihr durchzulassen. Der wütende Fahrer streckte den Kopf aus dem Fenster und gestikulierte wild, als er an ihnen vorbeirauschte.

„Ich steige besser aus, ehe du einen Strafzettel fürs Parken auf dem Bürgersteig aufgebrummt bekommst!“, sagte Patrick und öffnete die Wagentür.

„Ich komme am Samstagmorgen her und hole dich ab, okay?“, bot Rae ihm an, als er seinen Koffer aus dem Wagen hob. „Zehn Uhr? Dann sind wir rechtzeitig zum Mittag in der Villa. Denk daran, deinen Pass einzustecken.“

Die nächsten Tage vergingen damit, dass Patrick aufstand, in Ruhe frühstückte und sich bis zum Mittag am Strand sonnte. Dann aß er in einem der kleinen Restaurants eine Kleinigkeit, wie zum Beispiel Nizzasalat mit frischem Baguette, trank dazu ein oder zwei Glas Weißwein und anschließend einen Kaffee. Danach ging er auf sein Zimmer, schloss die Fensterläden und schlief bis zum frühen Abend. Anschließend duschte er, aß wieder im selben Restaurant, trank ein Glas in einer Bar und ging wieder ins Bett.

Nach und nach entspannte er sich, sein Schmerz und sein Zorn flauten ab, und dann war auch schon Samstag, und Rae holte ihn wie versprochen ab.

Sie trug ein leichtes Sommerkleid und begrüßte ihn mit einem warmen Lächeln. Dennoch war ihr Blick prüfend, als sie Patrick ansah.

„Fertig?“

Während der ganzen Fahrt zur italienischen Grenze ließ sie sich über ihre Vorstellungen über die Illustrationen ihrer geplanten Bücher aus.

An der Grenze mussten sie fast eine halbe Stunde warten, ehe sie sie passieren konnte, da sich ein Stau gebildet hatte.

„Am Wochenende ist es immer so schlimm“, klärte sie ihn auf. Wie nebenbei fragte sie dann: „Was wirst du machen, wenn du die Arbeit an den Büchern beendet hast? Kehrst du wieder nach New York zurück?“

Patrick schüttelte den Kopf, ohne sie dabei anzusehen. Er wollte fort von allem, was ihn an Laura erinnern könnte. Wenn er in die Stadt zurückkehrte, in der er die letzten Jahre gelebt hatte, würde er wieder mit ihr zusammentreffen.

„Was willst du denn tun?“

„Ich dachte daran, mich für eine Weile in Italien niederzulassen.“

Überrascht blickte Rae ihn an, er konnte es aus den Augenwinkeln sehen. Nun, das war nur gut. Er hatte vor, in Zukunft unberechenbar zu sein. Damit konnte er ebenso gut auch jetzt schon beginnen.

Wenige Minuten später wurden sie durchgewunken und fuhren dann die Autostrada Richtung Bordighera entlang. Bordighera lag am Hang, und zum Meer hinunter führte eine gewundene Straße. Schließlich erreichten sie ein großes schmiedeeisernes Tor. Rae lehnte sich halb aus dem Wagen, betätigte einen Knopf, und die schweren Gitter glitten lautlos auseinander. Weiter ging es zwischen hohen Zypressen, alten Olivenbäumen und blühenden Bougainvillea-Sträuchern hindurch.

Patrick starrte auf die Villa, auf die sie zu fuhren. Sie erschien ihm riesig, erstreckte sich über mehrere Ebenen, mit weiß gekalkten Wänden, rotem Ziegeldach, schwarzen Fensterrahmen und schwarzen Fensterläden. Eine hohe Fichte direkt am Haus spendete Schatten, Tonkrüge quollen über von blühenden Geranien, auf einer steinernen Bank schlief eine hellbraune Katze, und der Duft von Rosen und Lavendel erfüllte die Luft.

„Ist es nicht traumhaft?“, fragte Rae, sichtlich erfreut darüber, wie beeindruckt er zu sein schien.

Alex und Susan-Jane Holtner kamen heraus, um sie zu begrüßen, als Rae den Wagen vor der Villa abstellte.

„Herzlich willkommen“, sagte Alex und schüttelte Patrick mit warmem Lächeln die Hand. Er war ein hoch gewachsener, schmaler Mann Anfang Vierzig, mit rötlichem Haar, einem dünnen Schnauzbart, Sommersprossen und einer Brille mit gefärbten Gläsern.

„Hallo. Ich bin Patrick Ogilvie. Vielen Dank für Ihre freundliche Einladung“, sagte Patrick und versuchte, die Frau neben Alex nicht anzustarren. Aber das war nicht so einfach, sie sah blendend aus und trug den kleinsten Bikini, den er je gesehen hatte.

Sie war ebenfalls hoch gewachsen, sexy, mit einer atemberaubenden Figur und um Jahre jünger als ihr Ehemann. Ihr volles rötlich braunes Haar umrahmte ihr Gesicht mit wilden Locken, und sie hatte große blaue Augen, eine klassisch geschnittene Nase und einen vollen, sinnlichen Mund.

„Susan-Jane, meine Frau“, stellte Alex Holtner sie mit einem belustigten Blitzen in den Augen vor. Patrick schüttelte auch ihr die Hand und bemühte sich, nicht auf die üppigen weiblichen Formen zu schauen, die von dem Bikini kaum verhüllt wurden.

„Rae redet beständig davon, welch ein Genie Sie sind, deswegen konnten wir es kaum abwarten, Sie kennen zu lernen“, sagte Susan-Jane. „Alex ist sehr eifersüchtig auf Sie!“, fügte sie dann mit einem schelmischen Augenzwinkern hinzu.

„Ich wollte, ich könnte halb so gut malen wie Sie, aber alles, was ich kann, ist Cartoons zeichnen“, lachte ihr Mann und legte den Arm um sie.

„Brillante Cartoons“, sagte Patrick mit einem Lächeln. „Ich lese sie, seit sie gedruckt werden.“

Alex grinste ihn an. „Danke … Aber nun, da wir die gegenseitigen Komplimente ausgetauscht haben, wird Rae Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Wenn Sie irgendetwas brauchen, sagen Sie es bitte. Ach ja … wir essen zu Mittag auf der Terrasse. Nur Salat und frisches Baguette. Reicht Ihnen das, Patrick?“

„Wunderbar. Es ist viel zu heiß, als dass man viel essen könnte, finde ich“, sagte Patrick.

„Und der Wein macht einen nur schläfrig“, meinte Susan-Jane.

„Aber dann hat man doch einen guten Grund, am Nachmittag ins Bett zu gehen.“ Ihr Mann grinste sie an, und sie gab ihm einen spielerischen Klaps.

„Sei nicht so ungezogen!“

Patrick fühlte einen leisen Schmerz, als er sah, wie ungezwungen und vertraut die beiden miteinander umgingen. Das war etwas, was ihm fehlen würde.

Die Party begann, als die Dämmerung hereinbrach. Die Gäste trafen nach und nach ein, entweder mit dem Auto oder zu Fuß, wenn es Nachbarn waren. Der Platz, an dem gegrillt wurde, befand sich gleich oberhalb des Strandes und dicht bei dem ausgedehnten Swimmingpool, der von einer breiten Terrasse umgeben wurde. Überall standen Tische und Stühle um eine Bar herum. Patrick hatte vorher mitgeholfen, Stühle zu tragen und Tabletts mit Tellern und Gläsern hinauszubringen.

Bunte Lichterketten waren zwischen den Bäumen gespannt worden, und die Klänge von Popmusik wehten durch die laue Luft. Einige der Gäste schwammen im Swimmingpool, wenige tanzten, andere wanderten einfach umher, hielten hier und dort einen Plausch.

Da entdeckte Patrick unter den Tänzern plötzlich eine schlanke junge Frau mit langen, hellblonden Haaren in einem weißen Seidenkleid, das großzügig ihre wohl geformten Beine zeigte. Ihm blieb fast das Herz stehen.

Für einen Moment lang dachte er tatsächlich, es wäre Laura. Er machte spontan drei rasche Schritte auf sie zu und hatte Mühe, Luft zu bekommen.

Autor

Charlotte Lamb

Die britische Autorin Charlotte Lamb begeisterte zahlreiche Fans, ihr richtiger Name war Sheila Holland. Ebenfalls veröffentlichte sie Romane unter den Pseudonymen Sheila Coates, Sheila Lancaster, Victoria Woolf, Laura Hardy sowie unter ihrem richtigen Namen. Insgesamt schrieb sie über 160 Romane, und zwar hauptsächlich Romances, romantische Thriller sowie historische Romane. Weltweit...

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