Verführung am Nachmittag

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In der Hochzeitssuite? Nie hätte Leonie gedacht, noch einmal das Feuer der Leidenschaft in den Augen ihres Ex-Mannes Adam zu lesen, bis er sie an einem berauschenden Liebesnachmittag in einem Luxushotel unerwartet zu seiner Geliebten macht. Aber ist es mehr als ein aufregendes Spiel für ihn?


  • Erscheinungstag 05.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778828
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Was machte dieser Mann in Leonies Bett?!

Oh, und es war noch nicht einmal ihr eigenes Bett, sondern seins. Leonie war ihm erst an diesem Nachmittag in seinem Büro vorgestellt worden, und fünf Stunden später lag sie schon mit ihm im Bett!

Sie blickte auf den Mann hinunter, der so friedlich neben ihr schlief. Er lag auf dem Rücken und hatte einen Arm quer übers Kissen ausgestreckt. Er hatte schwarzes Haar, das bereits an einigen Stellen angegraut war, und sein Körper war tief gebräunt. Die Bräune rührte von einem Urlaub in Acapulco, wie er ihr beim Abendessen erzählt hatte.

Leonie war sich sehr wohl bewusst, wie anziehend dieser Mann war. Sie hatte jeden Zentimeter seines Körpers erkundet, angefangen bei den breiten Schultern, der muskulösen Brust, dem flachen Bauch bis zu den kräftigen Schenkeln.

Leonie betrachtete sein Gesicht. Selbst im Schlaf wirkte er noch energisch und selbstbewusst. Er hatte eine hohe Stirn, klar gezeichnete Augenbrauen und unter den dicht bewimperten Lidern wache graue Augen. Er war einer der attraktivsten Männer, die Leonie kennen gelernt hatte und zugleich der erste, mit dem sie seit der Trennung von ihrem Mann vor acht Monaten ins Bett gegangen war.

Aber warum musste es ausgerechnet Adam Faulkner sein? Er war schwerreich, sechzehn Jahre älter als Leonie und zu allem Überfluss der neue Kunde jenes Designbüros, für das Leonie arbeitete.

An diesem Morgen war sie völlig ahnungslos zur Arbeit gegangen. Wie gewöhnlich war sie um halb acht aufgestanden, hatte den Goldfisch und die Katze gefüttert, geduscht und gefrühstückt. Dann hatte sie sich geschminkt, das rotbraune Haar, das ihr füllig bis auf die Schultern fiel, toupiert und anschließend das blaue Kostüm und die hellblaue Bluse angezogen, die ihre Haarfarbe rötlicher erscheinen ließ.

Sie war in die Tiefgarage zu ihrem alten VW gegangen und hatte unter vielen Verwünschungen das museumsreife Vehikel zu starten versucht, was ihr nach mehreren Anläufen dann auch gelungen war, um wenig später – wie so oft – im Verkehrsstau stecken zu bleiben.

So weit war also alles wie an jedem anderen Tag verlaufen. Auch die Tatsache, dass sie eine Viertelstunde im Aufzug festsaß, überraschte sie nicht. Es passierte ja mindestens einmal in der Woche, und zwar meistens dann, wenn sie ihn benutzte.

„Schon wieder der Aufzug?“, fragte Betty, die attraktive junge Empfangsdame von Stevenson Interiors, als Leonie atemlos hereinstürmte.

„Ja.“ Leonie seufzte. „Eines Tages werde ich das Ding überlisten und zu Fuß gehen.“

„Alle Treppen – bis zur zwölften Etage?“, fragte Betty skeptisch. Leonie schnitt ein Gesicht. „Das wäre wirklich ein wenig übertrieben, nicht wahr?“

Betty reichte ihr die Mitteilungen, die für sie eingetroffen waren. „Für jemand, der wie Sie kaum Sport treibt, könnte das Selbstmord bedeuten.“

„Vielen Dank!“ Leonie blätterte die Notizen durch, entschied, dass sie unbedeutend waren, und steckte sie in ihren Aktenkoffer.

„Was steht heute auf der Tagesordnung?“, fragte sie Betty.

„Um neun ist Betriebsversammlung.“

„Um neun? Meine Güte!“ Sie war schon fünfzehn Minuten über der Zeit, dabei hatte David alle Mitarbeiter gebeten, pünktlich zu sein. „Vielleicht sollte ich mich in den hinteren Teil des Büros schleichen“, sagte Leonie.

„David würde Sie selbst dann noch entdecken, wenn sie auf allen vieren hereinkämen“, erwiderte Betty.

Natürlich hatte ihre Kollegin Recht. Seitdem David Leonie vor sechs Monaten eingestellt hatte, hatte er ein Auge auf sie geworfen. Doch obwohl Leonie seine Einladungen zum Essen gelegentlich annahm, schob sie allen weiteren Verführungsversuchen bewusst einen Riegel vor. Auch wenn David ihrer Ansicht nach einer der nettesten Männer war, die sie je getroffen hatte. Wenn man jedoch wie Leonie gerade eine unglückliche Ehe hinter sich hatte, dann wollte man nicht unbedingt gleich wieder etwas Neues beginnen. Und im Übrigen reagierte David auf die kleinen Missgeschicke, die Leonie recht häufig widerfuhren, nicht gerade nachsichtig. Offenbar glaubte er, sie würde sie absichtlich herbeiführen.

Leonie dachte unwillkürlich an ihren Mann, den ihre Ungeschicklichkeiten auch immer sehr irritiert hatten. Nein, ein zweites Mal wollte sie sich diesbezüglich nun wirklich nicht kritisieren lassen.

„Ich werde mich trotzdem hineinschleichen“, sagte sie und wäre beinahe in die große Zimmerpflanze gerannt. „Womit gießen Sie das Ungetüm eigentlich?“, fragte sie und sah das Gewächs geringschätzig an. „Es will offenbar den Empfangsbereich übernehmen.“

„Pflanzen brauchen bloß ein wenig Liebe und ab und zu ein paar nette Worte“, erwiderte Betty stolz.

Davids Büro war bis auf den letzten Platz besetzt, als Leonie das Zimmer betrat. Trotzdem entdeckte er sie natürlich sofort. Allerdings unterbrach er die Rede nicht, in der er die Erfolge der Firma heraushob.

Leonie gähnte gelangweilt und wünschte sich im Stillen, noch etwas länger im Aufzug stecken geblieben zu sein, und handelte sich natürlich prompt einen weiteren tadelnden Blick von David ein. Leonie gab sich also Mühe, interessiert auszusehen, während sie in Gedanken bei ihrem letzten Projekt war, das sie gerade abgeschlossen hatte. Sie war mit dem Ergebnis genauso zufrieden gewesen wie das ältere Paar, das die Renovierung in Auftrag gegeben hatte. Leonie war sehr stolz darauf, dass sie als Innenarchitektin so viel Erfolg hatte.

„Leonie, haben Sie zugehört?“

Erschrocken blickte sie auf und sah die Blicke aller Anwesenden auf sich gerichtet. „Oh …“, erwiderte sie nur und wurde rot.

„Achtung“, warnte Gary sie in genau diesem Moment. Er stand neben ihr und konnte gerade noch die Akten auffangen, die Leonie mit einer ungeschickten Bewegung vom Büroschrank gestoßen hatte.

Alle lachten, und Leonie errötete noch mehr. „Natürlich habe ich zugehört, David“, sagte sie schnell.

„Dann haben Sie also nichts dagegen, nach dem Ende unserer Versammlung noch einige Minuten hier zu bleiben?“ David hatte offenbar Mitleid mit ihr, denn er musste wissen, dass sie nicht ein Wort von dem mitbekommen hatte, was er gesagt hatte.

„Na… Natürlich nicht.“ Leonie legte die Akten, die Gary aufgefangen hatte, zurück auf den Schrank. Im Stillen fragte sie sich, was sie jetzt schon wieder ausgefressen hatte. Sie fühlte sich wie ein Schulkind, das man zum Nachsitzen verdonnert hatte.

Während die anderen Angestellten das Büro verließen, lehnte Leonie sich gegen die Schreibtischkante. „Gute Rede, David“, lobte sie.

„Und woher wollen Sie das wissen?“, fragte er und seufzte. Er war ein ausgesprochen großer Mann, hatte blondes gelocktes Haar, das sich offenbar von keinem Friseur zähmen ließ. Es war allerdings das einzige Unordentliche an David.

Er war erst achtundzwanzig und hatte das Innenarchitekturbüro aus einem Drei-Mann-Betrieb aufgebaut. Inzwischen arbeiteten zwölf Angestellte für ihn, und Leonie war stolz darauf, dazuzugehören. Stevenson Interiors war eines der erfolgreichsten Unternehmen in der Einrichtungsbranche, und das lag zur Hauptsache an Davids Energie und Tatkraft.

Sie verzog das Gesicht. „Hilft es etwas, wenn ich sage, dass es mir Leid tut?“

„Das sagen Sie jedes Mal“, erwiderte David. „Ich wollte mit Ihnen über Thompsons Electronics reden.“

Leonie hob die Brauen. „Stimmt etwas nicht? Ich dachte, ihnen hätte die Arbeit gefallen, die ich für sie gemacht habe. Ich verstehe nicht …“

„Beruhigen Sie sich, Leonie. Sie sind sogar sehr zufrieden. Deshalb will sich der neue Präsident der Gesellschaft auch von Ihnen das Büro ausstatten lassen.“

„Tatsächlich?“, fragte Leonie erstaunt.

„Sie brauchen gar nicht so ein verwundertes Gesicht zu machen“, meinte David belustigt. „Es war ein gutes Stück Arbeit. Selbst ich hätte nicht daran gedacht, ausgerechnet Pink als Farbe zu verwenden. Und das in einem Büro!“

„Zusammen mit den schwarzen Sesseln wirkte es längst nicht so knallig. Ich wollte …“

„Mich brauchen Sie nicht zu überzeugen, Leonie“, unterbrach David sie. „Genauso wenig wie Thompsons Electronics. Sie müssen bloß heute Nachmittag um vier dort sein und die Einzelheiten mit dem Präsidenten besprechen.“

Leonie war noch immer relativ neu in ihrem Beruf und wollte daher alles möglichst perfekt machen. Jede Arbeit bedeutete für sie so etwas wie ein Kunstwerk, und natürlich war sie hoch erfreut, dass jemand an ihrem Stil Gefallen fand und einen Folgeauftrag in Aussicht stellte.

„Sie werden dort von einer Mrs. Carlson erwartet“, informierte David sie. „Sie hat heute Morgen hier angerufen, den Termin vereinbart, und wird Sie auch dem Präsidenten vorstellen.“

„George Bush?“

David lachte. „Woher haben Sie eigentlich Ihren Humor?“

Leonie lachte ebenfalls. „Es ist das Einzige, was mich im Moment aufrechterhält.“

David runzelte die Stirn, denn ihm war die Bedeutung dieser Worte nicht entgangen. Er wusste nur wenig über Leonie Grant, die immer zu allen freundlich war. In ihrer Personalakte stand, dass sie verheiratet gewesen war und jetzt von ihrem Mann getrennt lebte. Allerdings sprach sie niemals über diese Ehe oder ihren Exmann.

„Ich muss allerdings gestehen, dass ich denselben Gedanken hatte, als Mrs. Carlson sagte, der Präsident werde Sie um vier erwarten“, fügte David hinzu.

„So etwas!“ Leonie schüttelte missbilligend den Kopf, und in ihren Augen blitzte es vergnügt auf.

„Versuchen Sie, pünktlich zu sein“, wies David sie an. „Nach Mrs. Carlsons Verhalten zu urteilen, muss ihr Chef ziemlich pedantisch sein.“

Leonie schnitt ein Gesicht. „Sind Sie sicher, dass ich den Auftrag übernehmen soll? Ich könnte bei der Vorstellung über ein Streichholz stolpern, über seinen Schreibtisch fallen und geradewegs in seinem Schoß landen.“

„Er hat nach Ihnen persönlich verlangt“, erklärte David. „Im Übrigen übernehme ich die Verantwortung.“

„Tatsächlich?“

„Nein“, erwiderte David ernst. „Allerdings weiß ich auch keine Alternative. Versuchen Sie nur, pünktlich zu sein.“

Leonie bemühte sich wirklich, aber offenbar hatte sich das Schicksal von Anfang an gegen sie verschworen. Als sie in ihren Käfer stieg, holte sie sich an der Wagentür eine Laufmasche, musste anschließend fast zehn Minuten nach einem Parkplatz suchen, weil sie sich ein Paar neue Strümpfe kaufen wollte, und kehrte dann gerade noch rechtzeitig zurück, um den Strafzettel persönlich von der Politesse in Empfang zu nehmen.

Danach hielt sie verzweifelt nach einem Ort Ausschau, an dem sie die Strümpfe wechseln konnte, und als es ihr endlich gelungen war, ähnelte sie in keiner Weise mehr der smarten Geschäftsfrau, die Stevenson Interiors früh genug verlassen hatte, um pünktlich um vier bei Thompsons Electronics zu sein.

Es war bereits fünf Minuten vor vier, aber Leonie musste wenigstens noch ihr Make-up erneuern und die Frisur neu richten, denn so konnte sie unmöglich beim Präsidenten von Thompsons Electronics erscheinen. Sie würde wohl fünf Minuten zu spät kommen, dafür aber wenigstens ordentlich gekämmt sein.

Als sie das Bürogebäude von Thompsons Electronics betrat, war es jedoch bereits zehn nach vier, ihr Make-up wieder in Ordnung, und die Frisur sah recht passabel aus. Zehn Minuten Verspätung waren durchaus noch vertretbar. Leonie konnte sie ohne weiteres auf den Verkehr schieben. Außerdem …

Oh nein, das durfte doch nicht wahr sein! Sie hörte ein knirschendes Geräusch, und wenig später blieb der Aufzug irgendwo zwischen dem achten und dem neunten Stockwerk stecken. Das war jetzt das zweite Mal an einem einzigen Tag! Und wie immer war Leonie völlig allein.

Sie war es immer, wenn diese verdammten Dinger den Geist aufgaben. Wenigstens war dieser Lift geräumiger als bei Stevenson Interiors und der Fußboden mit Teppich ausgelegt. Falls sie länger warten musste, konnte sie es sich wenigstens gemütlich machen.

Allerdings hoffte sie, dass es nicht allzu lange dauern würde, bis der Aufzug wieder in Betrieb war. Das Bürogebäude war schließlich groß und sehr belebt, und über kurz oder lang würde sicher jemand feststellen, dass einer der Aufzüge stecken geblieben war.

Leonie drückte auf den Alarmknopf und ließ sich zu Boden sinken. Aus Erfahrung wusste sie, dass das Alarmsignal meistens nicht zur Kenntnis genommen wurde. Meine Güte! Das war wirklich der schlimmste Tag, den sie seit langem mitgemacht hatte. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte …

Nein, das durfte sie nicht einmal denken. Ihr Mann konnte damit nun wirklich nichts zu tun haben. Allerdings hatte er immer einen äußerst schlechten Einfluss auf sie gehabt. Sein tadelnder Blick bei allem, was sie getan hatte – das hatte sie immer nur noch nervöser gemacht.

Leonie öffnete entschlossen ihren Aktenkoffer und blätterte das Musterbuch durch, das sie dabeihatte. Sie fragte sich, welche Farbe der Präsident der Gesellschaft wohl bevorzugte? Natürlich hatte sie bereits ihre eigenen Vorstellungen, aber gewöhnlich ließ sie zuerst einmal die Kunden zu Wort kommen.

Leonie vertiefte sich so sehr in die Musterbücher, dass sie beinahe vergaß, achteinhalb Stockwerke hoch im Nirgendwo zu schweben. Es war fast halb sechs, als sie von oben eine seltsam hohl klingende Stimme rufen hörte, dass der Lift bald wieder gehen werde.

Leonie stand mit steifen Gliedern auf, doch als sich der Lift rüttelnd und schüttelnd in Bewegung setzte, verlor sie das Gleichgewicht und fiel erneut zu Boden. Rumpelnd stoppte der Aufzug schließlich, und die Türen öffneten sich.

Zuerst sah Leonie nur die Füße des Mannes, die in teuren schwarzen Lederschuhen steckten, dann eine graue Hose aus exklusivem Material, und bevor sie noch mehr wahrnehmen konnte, war Mrs. Carlson schon in den Lift gestürzt und half Leonie auf die Beine. Als diese aufblickte, hatte der Mann in den schwarzen Schuhen sich bereits zum Gehen gewandt.

„Bringen Sie sie in mein Büro, sobald sie das Durcheinander sortiert hat“, befahl er kurz angebunden.

Leonie drehte sich um, konnte aber nur noch den Hinterkopf des Mannes erkennen. Dann war er in einem Zimmer am Ende des Flurs verschwunden.

„Mussten Sie lange hier warten?“ Die Sekretärin war in mittleren Jahren und half Leonie, die Musterbücher aufzuheben. Leonie hatte sie bereits kennen gelernt, als sie das letzte Mal für die Firma gearbeitet hatte. Sie mochte Mrs. Carlson, denn obwohl sie sich Mühe gab, möglichst Respekt einflößend zu wirken, hatte sie doch ein warmherziges und angenehmes Wesen.

„Etwas über eine Stunde“, erwiderte Leonie, während sie die Musterbücher in die Tasche steckte. Dann beeilte sie sich, den Lift endlich zu verlassen.

Stella Carlson folgte ihr. „Seitdem ich hier arbeite, ist noch kein einziger Aufzug stecken geblieben“, sagte sie und schüttelte den Kopf. „Und ich arbeite jetzt über zwanzig Jahre hier.“

Leonie schnitt ein Gesicht. „Ich muss wohl irgendeinen schlechten Einfluss auf Aufzüge haben.“

„Tatsächlich?“ Die andere Frau sah sie erstaunt an. „Aber jetzt ist doch alles in Ordnung, nicht wahr?“

„Ja, natürlich.“ Leonie seufzte. „Ich glaube, jetzt ist es wohl zu spät für unser Treffen. Vielleicht erklären Sie Ihrem Chef den Grund dafür und machen mit ihm einen neuen Termin aus.“

„Haben Sie denn nicht gehört, dass er Sie erwartet?“

Leonie dachte an den Mann mit den schwarzen Schuhen und der grauen Hose. „Das war der Präsident der Gesellschaft?“, fragte sie entsetzt.

„Ja“, bestätigte Mrs. Carlson.

Oh David, dachte Leonie im Stillen. Ich bin ihm zwar nicht gerade in den Schoß gefallen, lag ihm aber immerhin in einem Aufzug zu Füßen, der vorher noch niemals stecken geblieben ist. Nein, David würde das sicher nicht verstehen.

„Na ja, heute ist es ebenso gut wie ein andermal“, sagte Leonie und versuchte möglichst gefasst zu klingen. „Ich bin sicher, ich habe Sie schon genug aufgehalten.“

„Keineswegs“, versicherte Mrs. Carlson, während sie nebeneinander über den Flur gingen. „In den letzten Wochen ist nur alles ein bisschen hektisch gewesen.“

Anscheinend will der neue Chef den Angestellten zeigen, dass jetzt ein anderer Wind weht, dachte Leonie. Ihr Mut sank, als sie sich überlegte, dass sie wahrscheinlich etwas Ähnliches zu erwarten habe.

Mrs. Carlson klopfte an die Tür, und Leonie beeilte sich, ihr Kleid glatt zu streichen. Von drinnen erklang ein knappes „Herein!“, und dann öffnete Mrs. Carlson die Tür.

„Miss Grant, Sir“, stellte sie vor.

Leonie blickte überrascht auf den Mann hinter dem Schreibtisch. In seinem grauen Maßanzug, dem blütenweißen Hemd und mit der sonnengebräunten Haut sah er einfach umwerfend aus. Sein Gesicht war kantig und strahlte Entschlussfreude aus. Es wurde von den grauen Augen dominiert, mit denen er Leonie durchdringend ansah und deren Wirkung sie sich kaum entziehen konnte. Von zahlreichen Zeitungsberichten und Fotografien wusste Leonie natürlich, dass Adam Faulkner einer der erfolgreichsten und vermögendsten Männer in England war. Und außerdem war er …

„Miss Grant.“ Adam Faulkner erhob sich, und seine Miene hellte sich sichtlich auf. Er kam auf Leonie zu und schüttelte ihr herzlich die Hand, ohne dass es allerdings zu vertrauensselig wirkte. Trotzdem fragte sie sich, warum er so viel Zeit mit Förmlichkeiten verschwendete. Schließlich hätte er doch …

„Ich hoffe, dass der Unglücksfall im Aufzug Sie nicht allzu sehr durcheinander gebracht hat“, setzte er sanft hinzu.

Leonie überraschte, dass er so besorgt um sie war. „Ich scheine einen schlechten Einfluss auf Aufzüge zu haben.“

Adam Faulkner sah sie fragend an. „Passiert Ihnen so etwas denn öfter?“

Leonie wurde rot. „Ja“, bestätigte sie. „Ich …“

„Keine Sorge. Ich erwarte nicht, dass Sie jetzt noch in der Lage sind, ein Verhandlungsgespräch zu führen“, versicherte er. „Ich schlage vor, dass wir für morgen einen neuen Termin vereinbaren.“ Er blickte zu Mrs. Carlson. „Irgendwann am Nachmittag“, wies er sie an, woraufhin sie das Zimmer verließ, um im Terminkalender nachzusehen.

„Bitte, ich …“

„Setzen Sie sich doch, Miss Grant“, forderte Adam Faulkner Leonie auf. Offenbar hatte er bemerkt, wie blass sie geworden war. „Möchten Sie einen Drink? Tee, Kaffee oder etwas Stärkeres?“

Er drückte auf einen Knopf, und in einem kleinen Schränkchen hinter Leonie erschien eine stattliche Sammlung von Gläsern und Flaschen.

Leonie starrte ihn nur ungläubig an, viel zu verwirrt, um zu antworten.

„Ich denke, wir nehmen etwas Stärkeres.“ Er durchquerte das Zimmer und schenkte Whisky in ein Glas. „Bitte“, sagte er und reichte Leonie das Glas.

Gehorsam nahm sie es und trank es in einem Zug aus. Danach musste sie husten, schaffte es aber immerhin, das Glas sicher auf dem Schreibtisch abzustellen.

Adam Faulkner setzte sich gefährlich nahe vor sie auf die Schreibtischkante. „Es muss schrecklich sein, im Aufzug stecken zu bleiben“, stellte er fest. „Mir ist das in der Vergangenheit selbst einige Male geschehen.“

„Bei mir ist es heute schon das zweite Mal“, erwiderte Leonie stockend. Sie spürte, dass der Alkohol ihr bereits zu Kopf stieg, und zu spät erinnerte sie sich daran, dass sie heute noch nichts zu Mittag gegessen hatte. Das fehlte ihr noch, dass sie vor diesem Mann betrunken wurde!

„Der Aufzug in meiner Firma ist allerdings sehr unzuverlässig“, fügte sie hinzu.

„Vielleicht strahlen Sie zu viel Elektrizität aus, Miss Grant“, meinte Adam Faulkner. „Und das stört dann andere Dinge, die mit Elektrizität angetrieben werden.“

Sie blickte unvermittelt auf. „Vielleicht“, sagte sie, und plötzlich überkam sie der unbändige Wunsch, laut loszulachen. Natürlich wusste sie genau, dass es dafür überhaupt keinen Anlass gab, aber sie hatte sich bisher noch nie in einer ähnlichen Situation befunden.

„Miss Grant?“

Sie runzelte die Stirn.

„So heißen Sie doch, nicht wahr?“

„Leonie Grant, ja.“ Sie nickte. „Ich … Hicks. Ich … Hicks. Oh nein.“ Leonie stöhnte gequält. Sie machte sich vor diesem Mann wirklich vollständig lächerlich.

„Vielleicht war Whisky doch keine so gute Idee“, bemerkte Adam belustigt, ging zur Bar und schenkte ihr ein Glas voll Wasser ein.

Leonie sah ihn vorwurfsvoll an, bevor sie das Glas an die Lippen setzte und zu trinken begann und sich – prompt verschluckte. Sie fing zu husten an, und Wasser schwappte über den Glasrand und landete auf Mr. Faulkners feinen Lederschuhen.

„Oh je.“ Leonie wäre am liebsten im Erdboden versunken. Hilflos blickte sie den gut gekleideten Mann an, der zu ihrer Überraschung jedoch lachte. Interessiert beobachtete sie die kleinen Lachfältchen um seinen Mund, die ihm ein fast jungenhaftes Aussehen gaben.

In diesem Moment trat Mrs. Carlson ein. „Ich habe in Ihrem Terminkalender nachgesehen, Mr. Faulkner. Sie haben morgen noch um zwölf oder um fünfzehn Uhr Zeit.“

„Dann nehmen wir zwölf Uhr“, entschied er. „Miss Grant wird anschließend mit mir zu Mittag essen.“

„Aber ich …“

Er beachtete Leonies Protest jedoch gar nicht und bat seine erstaunte Sekretärin lächelnd: „Würden Sie bitte einen Tisch reservieren lassen? Sie können jetzt auch gern gehen, Mrs. Carlson. Ich werde Miss Grant heute Abend zum Essen ausführen.“

„Geht in Ordnung, Mr. Faulkner.“ Die ältere Frau warf Leonie einen neugierigen Blick zu und verließ dann schweigend das Büro.

„Sie rätselt wahrscheinlich darüber nach, warum ich gleich zwei Mal zum Essen eingeladen werde“, meinte Leonie und fragte sich das ebenfalls. Aber immerhin hatte sein Vorschlag ihren Schluckauf weggezaubert.

Adam stellte sich vor sie hin. „Es ist eine kleine Entschädigung dafür, dass Sie so lange im Lift warten mussten.“

„Aber das war doch meine Schuld.“

„Unsinn“, widersprach er.

Leonie sah ihn verwundert an. „Und warum sollen wir dann auch noch heute Abend zusammen essen gehen?“

„Miss Grant …“

„Nennen Sie mich doch um Himmels willen nicht immer so!“

„Dann also Leonie?“, fragte er sanft, schloss den Schreibtisch ab und nahm seine Aktentasche auf. Offenbar war er fest entschlossen, zu gehen.

„Ja“, erwiderte sie bissig.

„Dann müssen Sie mich aber auch Adam nennen.“

„Ich weiß schon, wie Sie mit Vornamen heißen“, erwiderte sie ungeduldig. Der Whisky mochte ihr zwar zu Kopf gestiegen sein, aber so betrunken war sie nun auch wieder nicht. Allerdings wusste sie immer noch nicht, warum dieser Mann sie zum Abendessen ausführen wollte.

„Dann benutzen Sie ihn doch“, forderte er sie auf, legte ihr vertraulich eine Hand unter den Arm und führte sie aus dem Büro.

Seine Berührung wirkte so elektrisierend auf sie, dass Leonie erschrocken zurückwich. „Ich will aber nicht mit Ihnen zum Essen gehen“, sagte sie irritiert.

Doch Adam ließ sie nicht los. „Wann haben Sie denn zum letzten Mal gegessen?“, fragte er ernst.

„Heute morgen, eine Scheibe Toast“, antwortete Leonie. „Ich mache im Moment nämlich eine Diät“, fügte sie hinzu.

„Sie sind viel zu dünn“, stellte Adam freimütig fest.

„Ich habe Größe sechsunddreißig“, erklärte Leonie stolz.

„Entschieden zu dünn“, wiederholte er von oben herab. „Ich gehöre zu den Männern, die lieber etwas rundlichere Frauen mögen.“

Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein! Leonie war empört. „Und ich mag lieber dünn sein“, erwiderte sie kühl.

Er hob die Brauen. „Und deshalb haben Sie beschlossen, zu verhungern?“

Es lag an ihrer Schwäche für gutes Essen, dass Leonie bis vor kurzem noch deutlich Übergewicht gehabt hatte. Doch sie beabsichtigte nicht, dieser Schwäche erneut nachzugeben. Nicht, nachdem sie so mühsam abgespeckt hatte. „Ich werde schon überleben“, behauptete sie.

„Sollen wir den Lift nehmen“, fragte Adam, als sie vor dem Aufzug angelangt waren. „Schließlich ist er jetzt wieder in Ordnung.“

„Meinetwegen“, erwiderte Leonie. „Obwohl es mich nicht überraschen würde, wenn er wieder streikt. Bei dem Glück, das ich heute habe.“

Adam lächelte nachsichtig, und gemeinsam betraten sie die Kabine. „Ich kann mir nicht vorstellen, mit wem ich lieber im Aufzug stecken bleiben würde.“

Leonie blickte ihn misstrauisch an, doch sein Gesichtsausdruck war entgegen ihrer Erwartung nicht ironisch, sondern warmherzig. Flirtete dieser Mann etwa mit ihr?

„Wie schade“, sagte Adam, als sie sicher im Erdgeschoss ankamen. „Heute bedauere ich zum ersten Mal, dass auf die Technik gewöhnlich Verlass ist.“

Autor

Carole Mortimer
Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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