Verführung auf Crosswinds

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Courtneys Herz hängt so an ihrem Gestüt Crosswinds, das kurz vor dem Bankrott steht. Sie muss dringend jemanden finden, der darin investieren will. Aber wie? Da hat ihre Freundin Lois eine gute Idee: Vielleicht findet sich beim nächsten Pferderennen in Sydney ein Interessent. Tatsächlich lernt Courtney dort den dunkelhaarigen Ben Falconer kennen. Was für ein toller Mann! Er meint, einen stillen Teilhaber für sie zu wissen, und erklärt sich auch bereit, mit ihr nach Crosswinds zu fahren, um die Bücher einzusehen. Dass er Courtney aufregend sexy findet, sagt er zwar nicht. Aber das ist auch nicht nötig. Denn Courtney spürt, wie sie auf ihn wirkt. Ihr Vorsatz, Geschäftliches von der Liebe zu trennen, hält genau bis zur ersten Nacht. Da nimmt Ben sie in die Arme und lässt ihre erotischsten Fantasien wahr werden...


  • Erscheinungstag 03.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754945
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sobald Courtney Cross William Sinclairs Gesicht sah, wusste sie, dass der ehemalige Steuerberater ihrer vor kurzem verstorbenen Mutter mit schlechten Nachrichten auf sie wartete.

Zuvor am Telefon hatte er sich bedeckt gehalten, als Courtney wissen wollte, ob „Crosswinds“ in finanziellen Schwierigkeiten stecke. Er müsse sich einmal persönlich mit ihr unterhalten – unter vier Augen, hatte er nur gesagt, aber Courtney ließ sich davon nicht hinters Licht führen. In den vergangenen Jahren war jedem ersichtlich gewesen, dass ihre Mutter Sparmaßnahmen ergriffen hatte, weil das Gestüt nicht mehr so gut lief. Die Angestelltenzahl war auf ein Mindestmaß verringert worden, den Zäunen fehlte seit langem ein neuer Anstrich, und auch andere Reparaturarbeiten waren liegen geblieben. Das Anwesen sah allmählich ein wenig heruntergekommen aus, was wiederum schlecht fürs Geschäft war. Wenn sich Crosswinds aber gegen die verschwenderisch ausgestatteten, ultramodernen Gestüte behaupten wollte, die sich inzwischen im Upper-Hunter-Tal angesiedelt hatten, musste es das Beste aus sich machen.

Als Courtney ihre Mutter zu Beginn des Jahres darauf hingewiesen hatte, war Hilarys Antwort gewesen: „Was wir brauchen, Mädchen, ist ein neuer Deckhengst und keine schicken Ställe.“ Womit sie ebenfalls nicht Unrecht hatte.

Vor vier Jahren, als das Gestüt noch Gewinne abwarf, hatte ihre Mutter einen irischen Zuchthengst mit hervorragenden Deckeigenschaften einfliegen lassen. Sein Name war Four-Leaf Clover – vierblättriges Kleeblatt. Von daher hätte er ihnen Glück bringen sollen, aber dummerweise fing sich das Pferd einen Virus ein und starb kurz nach seiner ersten Saison als Deckhengst im Gestüt. Seine einzigen Nachkommen sahen im ersten Jahr noch nach nichts aus und brachten bei Auktionen ganz schlechte Gebote. Stur, wie Hilary war, behielt sie die meisten lieber, als sie zu einem Betrag zu verkaufen, der unter dem lag, den die Aufzucht der Fohlen sie gekostet hatte. Nach Four-Leaf Clovers Tod gab es außerdem einen merklichen Einbruch im Zuchtprogramm, zumal die verbleibenden Deckhengste auch nicht jünger wurden. Erst Anfang dieses Jahres war wieder etwas Geld in die Kasse gekommen.

„Trotzdem werde ich mich noch nach einem Schnäppchen umsehen müssen“, hatte ihre Mutter damals gesagt. „So viel Geld können wir nun auch nicht erübrigen.“

Als sie im Mai mit Golden Boy – Goldjunge – am Zügel erschien, strahlte sie wegen des günstigen Preises. Aber inzwischen hatte Courtney festgestellt, dass man kein wirkliches Schnäppchen machen konnte, wenn das Geld zum Kauf geliehen war.

All dies ging ihr durch den Kopf, als sie jetzt ganz ins Büro des Steuerberaters trat.

Nach alter Schule erzogen, stand William Sinclair auf und sagte freundlich: „Guten Morgen, Courtney. Bitte nimm doch Platz.“ Er deutete auf einen Stuhl vor seinem riesengroßen, geradezu antik anmutenden Schreibtisch.

Courtney nahm ihren australischen Viehzüchterhut ab, um es sich in dem Stuhl mit der hohen, geraden Rückenlehne so bequem wie möglich zu machen. Ein sinnloses Unterfangen. Vor Anspannung hatte sich die Muskulatur zwischen ihren Schulterblättern bereits verkrampft. Der Steuerberater richtete den Blick auf seine Unterlagen und begann, sie nervös hin und her zu schieben. Dabei wuchs auch Courtneys Aufregung. Sie war nicht in der Stimmung, noch länger auf ein klares Wort zu warten, und sagte ohne Umschweife: „Spuck’s einfach aus, Bill!“

Der Steuerberater sah Courtney ein wenig missbilligend an. Er hatte nie gemocht, wenn sie ihn bei der Kurzform seines Vornamens nannte. Aber das war im Augenblick völlig unerheblich.

Sogleich fuhr Courtney fort: „Kein Drumherumgerede mehr, Bill. Du brauchst auch nichts zu beschönigen. Ich bin die Tochter meiner Mutter. Ich kann was vertragen.“

Kopfschüttelnd saß William der jungen Frau gegenüber und dachte müde: Sie ist wirklich die Tochter ihrer Mutter. Nicht vom Aussehen her. Hilary Cross war keine Augenweide gewesen. Was das anging, musste Courtney eindeutig nach ihrem Vater schlagen – jenem unbekannten männlichen Wesen, über das immer Stillschweigen bewahrt wurde, dem es aber vor einem Vierteljahrhundert auf wundersame Weise gelungen war, die damals fünfundvierzigjährige, unverheiratete Hilary zu schwängern. Doch danach hatte den Mann scheinbar der Erdboden verschluckt.

Die Leute munkelten, er sei Zigeuner gewesen, und wenn man Courtney so ansah, mit ihren langen schwarzen Locken, den tiefbraunen Augen und dem dunklen Teint, schien das nicht abwegig. Williams Meinung nach sah Courtney einfach umwerfend aus. Aber was ihre Persönlichkeit und ihr Auftreten anging, war sie ganz die Mutter. Allein, wie sie dasaß: den rechten Knöchel auf dem linken Knie. So setzte sich ein Mann hin, aber doch keine junge Dame! Und dann war da noch das Problem mit ihrer Kleidung. Sie trug niemals Kleider im eigentlichen Sinne, sondern immer nur Jeans und eine karierte Bluse. Trotzdem war ihre gute Figur nicht zu übersehen. Ihr herrliches Haar bändigte sie für gewöhnlich in einem eilig zusammengenommenen Pferdeschwanz, den sie dann unter diesem schrecklichen Viehzüchterhut verschwinden ließ. Niemals betonte Lippenstift ihre wundervoll geschwungenen Lippen, und der einzige Duft, der sie umwehte, war der von Leder und Pferden!

Am meisten störte William allerdings ihr Benehmen. Courtney war nicht ganz so aggressiv und starrsinnig wie ihre Mutter, aber anderen Menschen gegenüber trotzdem immer noch viel zu taktlos. Und sehr unnachgiebig in ihrer Haltung!

Das war natürlich nicht ihre Schuld. Hilary hatte sie wie einen Jungen erzogen und schon im Teenageralter tun lassen, was sie wollte. Noch heute erinnerte sich William mit Schrecken an den Tag, als er wieder einmal nach Crosswinds hinausgefahren war und Courtney ihm am Tor entgegengeritten kam – auf einem großen schwarzen Hengst mit wildem Blick und bebenden Nüstern. Selbst für einen erwachsenen Mann war das viel zu viel Pferd, aber für ein junges Mädchen erst recht.

„Lass uns ein Wettrennen bis zum Haus machen!“, rief sie ihm zu, während das Pferd nervös herumtänzelte und es offensichtlich kaum erwarten konnte, los zu galoppieren. „Den Letzten beißen die Hunde!“, erklärte sie noch, bevor sie dem riesigen Tier die Sporen gab und laut johlend wie irgendein Farmerssohn bei einem Amateurpferderennen davonpreschte.

Obwohl William über ihr undamenhaftes Verhalten bestürzt war, gab er Vollgas und war sicher, dass jeder Wagen auf der lang gezogenen, kurvenreichen Auffahrt bis zum Wohnhaus von Crosswinds das schnellste Rennpferd ausstach.

Doch was machte dieses Gör? Es übersprang mit dem Tier die verdammten Gatter, schreckte dabei Stuten und Fohlen auf, während es wie der Teufel über die Weiden fegte. Als William schließlich auf dem geschotterten Vorplatz ankam, erwartete Courtney ihn bereits, funkelte ihn mit ihren dunklen Augen belustigt an und erklärte: „Nächstes Mal musst du wohl ein bisschen schneller fahren, Bill, oder dir einen Sportwagen zulegen.“

Bei dieser Gelegenheit hatte sie ihn zum ersten Mal mit der Kurzform seines Vornamens angeredet. Bis dahin war er für sie wenigstens immer noch William gewesen, auch wenn er Mr. Sinclair bevorzugt hätte. Als er auf der Veranda Hilary entdeckte, die ihre Tochter böse ansah, dachte er befriedigt: Das dreiste Ding wird jetzt für sein unerhörtes und unverantwortliches Handeln gemaßregelt. Doch Hilary schalt Courtney nur, weil sie ihren Hut verloren hatte.

„Willst du etwa Hautkrebs bekommen?“, fuhr sie sie an. „Reite zurück, such deine Kopfbedeckung, und setz sie wieder auf!“

Woraufhin der stolze Wirbelwind sein Pferd herumriss und erneut laut johlend Zaun um Zaun nahm. Als William bezüglich des Wagemuts des Mädchens eine kritische Anmerkung machte, sah Hilary ihn eiskalt an und fragte herausfordernd: „Hättest du das auch gesagt, wenn sie ein Junge wäre?“, um sich gleich darauf selbst die Antwort zu geben: „Nein, du hättest bewundernd geäußert, wie gut er reiten könne, was für Nerven er habe und wie viel Mut. Für meine Tochter sind derartige Eigenschaften noch viel wichtiger als für einen Jungen, wenn sie Crosswinds einmal in meinem Sinn weiterführen will. Die Pferdezucht ist eine Männerwelt, William. Courtney muss man die Zügel locker lassen, damit sie sich zu einer Frau entwickelt, die in dieser Welt ihren Mann steht. Bei uns ist für Püppchen kein Platz. Als meine Erbin muss sie nicht nur reiten können wie ein Mann, sondern auch wie einer denken und dessen Selbstbewusstsein besitzen. Ich sorge schon dafür, dass sie so wird.“

Und du hast deine Sache gut gemacht, Hilary, dachte William jetzt. Das Mädchen war mutig und selbstbewusst – um es einmal positiv auszudrücken. Aber reichte das auch, damit es sich aus dem Schlamassel befreien konnte, den ihm seine Mutter hinterlassen hatte?

William erzählte jetzt ohne Umschweife, wie die Dinge standen, und Courtney verzog keine Miene – trotz der schlechten Nachrichten. Ihre Mum hatte nicht nur Geld für Golden Boy aufgenommen, sondern auch für Four-Leaf Clover. Und das Pferd war ein kleines Vermögen wert gewesen, aber dummerweise nicht versichert. Die Schulden, die Hilary seinetwegen gemacht hatte, bestanden also nach wie vor.

„Deine Mutter hat sich genauso geweigert, ein Pferd gegen den Tod zu versichern, wie sie sich dagegen sträubte, eine Risikolebensversicherung für sich abzuschließen“, fuhr William fort, „und es ist mir auch niemals gelungen, sie umzustimmen, wie du sicher weißt.“

Courtney nickte und spürte, dass ihr Tränen in die Augen traten. Der Tod ihrer Mutter setzte ihr nach wie vor unheimlich zu. Hilarys Herzinfarkt war für alle ein Schock gewesen. Obwohl bereits siebzig, hatte sie immer so stark gewirkt … Unwillkürlich runzelte Courtney die Stirn. Ob die ständig wachsende Schuldenlast ihren Gesundheitszustand negativ beeinflusst hatte? War ihre Mutter aus Sorge darüber erkrankt? Niemals hatte sie deswegen ein Wort verloren. Aber sie wäre auch viel zu stolz gewesen, um zuzugeben, dass sie sich so unklug verhalten hatte.

Während Courtney darüber nachdachte, verstärkte sich das Bedürfnis zu weinen. Aber sie räusperte sich, blinzelte kurz und nahm sich zusammen. Ihre Mutter hätte nicht gewollt, dass sie Tränen vergoss. „Damit erreichst du gar nichts, Mädchen“, pflegte sie immer zu sagen. „Geh hinaus, und tu etwas gegen dein Problem. Sitz nicht da und bemitleide dich selbst.“

Ganz in diesem Sinne fragte Courtney jetzt: „Wie hoch sind meine Schulden denn genau, Bill?“

Sein Räuspern ließ Schlimmes ahnen, noch bevor er zögerlich erklärte: „Sie … Sie belaufen sich auf drei Millionen Dollar, plus, minus ein- oder zweitausend.“

Drei Millionen! dachte Courtney und versuchte, sich den Schrecken nicht anmerken zu lassen. „Lass die Mistkerle nie sehen, was du denkst oder fühlst“, hatte Hilary ihr immer wieder eingebläut. „Sobald du ehrlich bist, nutzen sie das nur zu ihrem Vorteil.“

In den Augen ihrer Mutter waren alle Männer Mistkerle gewesen. Auch wenn sich Courtney nicht zu einer Männerhasserin entwickelt hatte, war sie ihrer Mutter dankbar, dass sie sie über das Raubtier im Mann aufgeklärt hatte. Die Monate nach der Beerdigung hatten Courtney diesbezüglich noch zusätzlich die Augen geöffnet. Sie konnte die Männer gar nicht mehr zählen, die scheinbar aus dem Nichts kamen, seitdem sie Crosswinds geerbt hatte. Mit einschmeichelndem Lächeln erkundigten sie sich alle, ob sie ihr nicht irgendwie behilflich sein könnten, jetzt, da sie doch ganz allein auf der Welt sei, als armes, hilfloses Mädchen. Aber Courtney wusste genau, dass die Männer bestimmt nicht angeschlichen kämen, wenn sie wüssten, dass das arme, hilflose Mädchen mit drei Millionen Dollar in der Kreide stand!

Schade eigentlich, dass sie ihnen das nicht unter die Nase reiben konnte. Aber der Stolz verbat ihr, darüber zu reden. Das und die Loyalität ihrer Mutter gegenüber. Hilary hatte ihr Leben lang danach gestrebt, den Respekt und die Anerkennung der anderen Pferdezüchter zu erlangen. Nie würde Courtney zulassen, dass man über ihre Mutter lachte – und besonders nicht die Männer.

Aber was, um alles in der Welt, sollte sie jetzt bloß tun?

„Ich weiß, dass es viel Geld ist“, sagte William in diesem Augenblick einfühlsam. „Ich habe versucht, deiner Mutter zu raten, keine weiteren Kredite aufzunehmen. Aber sie hat einfach nicht auf mich gehört.“

Wieder nickte Courtney. Sie erinnerte sich noch gut an die Starrköpfigkeit ihrer Mutter und war entschlossen, es ihr in dieser Hinsicht nicht gleichzutun. Bill mochte ja langsam alt werden, aber er hatte nichts von seinem Scharfsinn verloren und war immer noch auf eine inzwischen vielleicht altmodisch anmutende Weise integer, was Courtney nicht nur respektierte, sondern ganz besonders schätzte. Er würde nie versuchen, sie zu übervorteilen oder zu hintergehen. Er gehörte nicht zu den Mistkerlen, und Courtney mochte ihn sehr.

„Verlangt die Bank den Kredit denn zurück, Bill?“, fragte sie jetzt. „Ist das das Problem?“

„Nein, die Leute vom Kreditinstitut haben sich bisher erstaunlich geduldig gezeigt und waren auch verdächtig großzügig, wenn es darum ging, deiner Mutter weitere Kredite einzuräumen. Wahrscheinlich wegen der hervorragenden Sicherheiten, die Crosswinds zu bieten hat. Die Bank kann nicht verlieren, egal, was passiert. Wir wissen doch beide, Courtney, dass das Gestüt und die Ländereien viel mehr wert sind als drei Millionen.“

Erstmalig mischte sich in Courtneys Bestürzung auch Besorgnis. „Willst du mir damit sagen, dass Crosswinds auf dem Spiel steht? Dass ich es eines Tages vielleicht verkaufen muss?“

„Wenn sich die Dinge weiter so schlecht entwickeln und es dir nicht gelingt, den Bedarf an Fremdkapital auszuschließen, wird ein Verkauf leider unvermeidlich sein. Darum kümmern sich die Verantwortlichen der Bank dann allerdings selbst.“

Courtney saß reglos da und blickte William starr an. Wie sollte sie denn ohne Crosswinds leben? Ohne das Haus, die Pferde und das Land? Das war alles, was sie hatte. Nur hier fühlte sie sich zu Hause. Crosswinds war ihr Leben.

William tat es leid um das Mädchen. Er bedauerte sehr, Courtney diese unangenehme Mitteilung so bald nach dem Tod ihrer Mutter überbringen zu müssen. Aber manche Dinge konnten einfach nicht warten. Ein so großer Kredit verteuerte sich täglich, besonders jetzt, da die Zinsen wieder stiegen. Die Schuldenlast schwebte wie ein Damoklesschwert über Courtney.

„Wenn du meine Meinung hören willst“, sagte William nun mit fester Stimme, „solltest du einige Pferde verkaufen, und zwar schnell. Du besitzt doch sehr wertvolle Zuchtstuten.“

Ein verächtlicher Ausdruck breitete sich auf dem Gesicht der jungen Frau aus. „Ich soll die Zuchtstuten verkaufen? Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Weißt du überhaupt, wie lange meine Mutter und meine Vorfahren dazu gebraucht haben, einen derart guten Stamm aufzubauen? Die Zuchtstuten sind das Rückgrat von Crosswinds. Sie sind unbezahlbar. Lieber würde ich mich selbst käuflich anbieten, als auch nur eines der Tiere zu veräußern!“

William unterdrückte ein Seufzen. O ja, der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Genau das hatte Hilary auch gesagt, als er ihr wenige Tage vor ihrem Tod den gleichen Vorschlag gemacht hatte. Auch dass sie sich lieber selbst anbieten würde, hatte nicht gefehlt. Damals hatte er davon abgesehen, Hilary darauf hinzuweisen, dass mit ihr wohl kaum ein Blumentopf zu gewinnen sei. Aber bei ihrer Tochter lagen die Dinge ganz anders.

Während William das Mädchen vor sich musterte, trat ein erschreckendes Bild vor sein geistiges Auge: Eine nackte, gefesselte Courtney stand stolz auf dem Versteigerungspodest eines weißen Sklavenhändlers, während sich ihr wundervolles schwarzes Haar über ihre entblößten Schultern ergoss und der Blick ihrer dunklen Augen verächtlich auf den lüstern zu ihr aufsehenden männlichen Bietern ruhte. Welchen Preis würde sie wohl erzielen? William konnte sich gut einen milliardenschweren Scheich vorstellen, der das Lösegeld für einen König zahlte, nur um Courtney Cross in seinen Harem aufzunehmen. Geschehen solche Dinge heutzutage denn noch? überlegte er gleich darauf. Vielleicht, aber bestimmt nicht hier in Australien. Und trotzdem brachte William das Ganze auf eine Idee …

Courtney, immer noch erbost über Williams Äußerung bezüglich der Zuchtstuten, konnte sich nur mit Mühe zügeln. Aber, dachte sie dann, Bill weiß bestimmt nicht, wovon er redet. Er mochte sich mit Gelddingen auskennen, doch von Pferden hatte er keine Ahnung. „Was glaubst du, wie viel Zeit mir noch bleibt?“, wollte sie nun wissen. „Wann werden die Leute von der Bank ungeduldig an meine Tür klopfen? In einem Jahr? In zweien? Oder darf ich noch auf drei Jahre Schonzeit hoffen?“

William ging davon aus, dass besagte Bank die Hypothek so lange bedenkenlos verlängern würde, bis nur noch ein Wunder Courtney von ihrem Schuldenberg erlösen konnte. Am Ende würden die Verantwortlichen einfach die Hypothek aufkündigen, und Crosswinds müsste verkauft werden – einschließlich der Courtney so wichtigen Zuchtstuten. Das Problem war nur, dass bei einer Zwangsversteigerung nichts seinen eigentlichen Wert einbrachte. Wenn Courtney nicht aufpasste, verlor sie nicht nur das Gestüt, sondern hätte danach auch nichts mehr zum Anlegen. Am Ende würde sie womöglich ohne einen Pfennig dastehen. Er musste das Mädchen dazu bringen, sofort zu handeln, oder alles wäre verloren.

„Am Samstag ist der erste August“, sagte er schließlich, „ich schätze mal, dass du Zeit bis Jahresende hast.“

„Aber das reicht doch nicht!“, rief Courtney. „Du musst unbedingt mit den Leuten von der Bank reden, Bill. Erklär ihnen, dass ich in zwei, drei Jahren zahlreiche einzigartige Jährlinge haben werde, die sehr viel Geld einbringen. Mum mag in einigen Bereichen töricht gehandelt haben, aber sie war eine hervorragende Pferdekennerin. Golden Boy wird ein supererfolgreiches Rennpferd. Das weiß ich einfach. In drei Jahren haben wir hier auf Crosswinds wieder so viel Geld, dass wir damit den Kamin heizen können.“

William seufzte. Auch das hatte er schon einmal gehört. Von Hilary. Aber mit den Jahren hatte er erfahren müssen, dass es im Pferderennsport keine Garantien und Sicherheiten gab, weder auf der Rennbahn noch bei der Zucht. Deshalb erklärte er nun auch streng: „Courtney, du musst eine Möglichkeit finden, diesen Kredit abzuzahlen, und zwar bald.“

„Hauptsache, du erwartest nicht von mir, dass ich meine Pferde verkaufe“, erwiderte sie aufgebracht, wobei sie ihn herausfordernd ansah, „denn das tue ich einfach nicht. Das ist mein letztes Wort! Es muss doch noch einen anderen Weg geben, Crosswinds zu retten.“

„Ich wüsste da sogar noch zwei Möglichkeiten, deiner Probleme Herr zu werden. Wenn ich aber so darüber nachdenke, ist nur eine wirklich umsetzbar“, fügte er mit einem spöttischen Lächeln hinzu. Denn welcher Multimillionär wollte schon ein schwieriges, rechthaberisches Mädchen heiraten? Mit Schönheit allein wären diese Charaktereigenschaften nicht aufzuwiegen, besonders da es sich dabei um eine so wilde und natürliche Schönheit handelte. Reiche Männer bevorzugten glamouröse Ehefrauen, die ihrem Ego schmeichelten und perfekte Dinnerpartys gaben, und keine unabhängigen, bärbeißigen jungen Dinger mit eigener Meinung und einem Geldproblem.

„Woran denkst du dabei?“ Courtney hatte sich vorgebeugt. „Los, sag schon!“

„Du musst dir einen Geschäftspartner suchen. Jemanden, der sich in Crosswinds einkauft.“

Courtney schnitt ein Gesicht und setzte sich wieder gerade hin. „Nein, das würde nicht funktionieren, Bill. Keiner aus der Pferdebranche kauft sich in Crosswinds ein, ohne nicht auch das Sagen haben zu wollen. Mum würde sich im Grab umdrehen, und mir würde es auch nicht gefallen, wenn hier ein Mann die Geschäfte führte.“

„Ich meine dabei doch niemanden aus der Pferdebranche“, erklärte William schnell. „Ich rede von einem gut betuchten Geschäftsmann – einem aus der Stadt –, der stiller Teilhaber wird.“

„Nun ja, einen derartigen Partner könnte ich gerade noch akzeptieren. Und wie finde ich so einen Goldesel?“

Bei dem Wort „Goldesel“, zuckte William unwillkürlich zusammen. Aber wahrscheinlich traf Courtney damit den Nagel auf den Kopf. „Ich dachte, du könntest doch Lois Wymouth – die Pferdetrainerin – um Hilfe bitten. Sie ist eine clevere Frau, besonders was das Knüpfen von gesellschaftlichen Kontakten angeht. Es gelingt ihr immer, Geld für ihre Pferderennen aufzutreiben. Außerdem hat sie einige äußerst wohlhabende Kunden und weitreichende Beziehungen in der Finanzwelt. Ich nehme einmal an, dass Lois einige für Crosswinds infrage kommende Kandidaten kennt, die mehr Geld besitzen als gesunden Menschenverstand.“

Verächtlich atmete Courtney durch die Nase aus. „Willst du damit sagen, dass ein Mann dumm sein muss, um mit mir eine Partnerschaft einzugehen?“

William rang sich ein Lächeln ab. „Ich meinte damit nicht dich persönlich. Aber ein weiser alter Steuerberater hat mir einmal geraten, niemals Geld in etwas zu investieren, das gefüttert oder bewässert werden muss.“

Courtney seufzte. „Du hast ja recht. Rennpferde zu züchten ist tatsächlich ein riskantes Geschäft. Mein zukünftiger Partner muss wirklich unerhört reich sein.“

„Geschäftsleute, die sich auf Rennpferde einlassen, sind das doch üblicherweise, oder etwa nicht?“

„Auch damit hast du recht, Bill. Ich kann aber nicht gerade behaupten, dass ich begeistert bin, mir einen Geschäftspartner suchen zu müssen, selbst wenn er nur stiller Teilhaber sein soll. Doch was sein muss, muss sein. Das ist immer noch besser, als eines der Pferde zu verkaufen. Sobald ich nach Hause komme, rufe ich Lois an. Am Freitag könnte ich mit dem Pferdetransporter in die Stadt fahren. Ich schicke Lois einige Jungtiere, die sie für mich trainiert und dann sozusagen verleast. Alles unheimlich viel versprechende Fohlen. Aber im Augenblick kann ich mir auf Crosswinds einfach keinen eigenen Trainer leisten.“

„Das fürchte ich auch“, bestätigte William und war erleichtert, dass Courtney das Ganze so gut aufnahm. Aber er hatte ohnehin nicht erwartet mitzuerleben, wie sich Hilarys Tochter in Tränen auflösen würde.

„Ich kann aber nicht allzu lang fortbleiben. Ab kommendem Wochenende fohlen einige Zuchtstuten.“

„Du hast doch Personal, das sich um die trächtigen Tiere kümmern kann. Für dich ist jetzt das Wichtigste, einen Geschäftspartner zu finden.“

„Hm, da hast du wohl recht. Bevor ich gehe: Wie steht’s eigentlich mit Versicherungen? Ich will nicht den gleichen Fehler machen wie Mum.“

„Nach dem Tod deiner Mutter habe ich alles versichert“, gestand William. „Damals wollte ich dich damit nicht behelligen. Ich hoffe, ich habe in deinem Sinn gehandelt.“

Lächelnd stand Courtney auf und hielt William die Hand hin. „Unbedingt, Bill, und vielen Dank. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne dich tun sollte.“

Bei ihrem festen Händedruck verzog William schmerzlich das Gesicht. Kein Wunder, dass sich die Pferde unter ihr genauso verhielten, wie sie es wollte.

Courtney deutete seinen Gesichtsausdruck falsch und fragte: „Es gibt doch keine Probleme beim Bestreiten unserer laufenden Kosten?“

„Nein, im Augenblick decken die Einnahmen die Ausgaben. Natürlich würde es dem Gestüt gut tun, wenn man es ein wenig aufmöbeln würde. Allmählich sieht es ein bisschen schäbig aus. Also, wenn du und Lois irgendeinen Narren aus der Stadt findet, der drei Millionen locker macht, könntet ihr ihm auch gleich vier aus der Tasche locken. Das wäre ein Aufwasch.“

Courtney lächelte über Williams Ausdrucksweise. „Bill, du erstaunst mich!“

„Das möchte ich doch sehr bezweifeln“, bemerkte er trocken. „Übrigens, falls Lois keinen geeigneten Kandidaten auftreibt, schlage ich vor, du wendest dich an einen Wirtschaftsberater, der sich auf Investitionen im ländlichen Bereich spezialisiert hat. Aber das solltest du nur als allerletzte Möglichkeit in Betracht ziehen. Mittler wollen immer ihren Anteil. Wenn du persönlich einen Geldgeber finden kannst, ist das viel besser.“

„Da bin ich ganz deiner Meinung. Wenn ich schon gezwungen bin, einen Partner mit ins Boot zu nehmen, will ich auch ein Mitspracherecht haben, um wen es sich dabei handelt. Aber jetzt muss ich los. Im Handumdrehen ist Freitag.“

„Viel Glück, Courtney.“

„Bis dann, Bill.“

Sie machte auf dem Absatz ihrer Reitstiefel kehrt und war schon drei Schritte auf die Tür zugegangen, als sie Bill noch einen Blick über die Schulter zuwarf. „Was war eigentlich die zweite Möglichkeit?“

„Was meinst du?“

„Die andere Möglichkeit, meine Geldprobleme zu lösen.“

„Ach das. Das war nur so ein blöder Gedanke. Nicht der Rede wert.“

Jetzt drehte sich Courtney ganz zu ihm um und hatte dabei den sturen Gesichtsausdruck, den William so gut kannte. „Ich möchte es aber trotzdem wissen.“

Er seufzte. „Ich habe daran gedacht, was verarmte adlige Frauen in der Vergangenheit zu tun pflegten, wenn ihre Schlösser und Burgen um sie her zu verfallen begannen.“

„Und was?“

„Sie haben geheiratet, damit Geld ins Haus kam.“

Courtney brach in schallendes Gelächter aus. „Du hast recht, Bill: Das ist allerdings die blödeste Idee, die ich je gehört habe. Ich glaube, seit damals hat sich die Welt weiterentwickelt. Heutzutage müssen sich junge Frauen nicht mehr alten, schmierbäuchigen Männern opfern, nur um den Familienschmuck zu retten.“

Dessen war sich William allerdings nicht so sicher.

„Falls ich überhaupt einmal heiraten sollte“, fuhr Courtney fort, wobei sie sich den staubigen australischen Männerhut aufsetzte, „dann bestimmt nicht des Geldes wegen.“

„Aha“, sagte William und lächelte zustimmend, „nur aus Liebe, was?“

Autor

Miranda Lee
Miranda Lee und ihre drei älteren Geschwister wuchsen in Port Macquarie auf, einem beliebten Badeort in New South Wales, Australien. Ihr Vater war Dorfschullehrer und ihre Mutter eine sehr talentierte Schneiderin. Als Miranda zehn war, zog die Familie nach Gosford, in die Nähe von Sydney.

Miranda ging auf eine Klosterschule. Später...
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