Verführung im Paradies

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Frankie in Key West begegnet. Zwischen dem sexy Draufgänger und der hübschen Urlauberin knistert es heftig. Gemeinsam verbringen sie eine aufregende Nacht. Kann Aussteiger Randy die Karrierefrau Frankie davon überzeugen, dass zwischen ihnen mehr ist als heißer Sex?


  • Erscheinungstag 03.05.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787578
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Frankie Jensen schüttelte den Kopf, um die riesige Fliege zu verscheuchen, die unter der breiten Krempe des Strohhuts brummte. „Bitte, Oscar, erzähl mir jetzt bloß nicht, dass der neue Compiler nicht funktioniert.“ Mit einer Hand umklammerte sie den Hörer in der Telefonzelle, mit der anderen hielt sie einen Ordner mit Unterlagen fest.

Oscar seufzte am anderen Ende der Leitung. „Immer mit der Ruhe, Frankie.“

„Dadurch zieht sich alles ja noch mal acht Wochen hin!“ Sie rückte die Sonnenbrille zurecht und fluchte, als sie die Fliege nicht erwischen konnte.

„Aber Frankie …“

„Das wäre das Ende der Karriere für uns beide.“

„Ich weiß doch, Frankie.“

„Wenn es sein muss, ruf den Präsidenten der Computerfirma an, aber dieser Compiler muss laufen, wenn ich zurück nach Cincinnati komme.“

„Ach, Frankie …“

„Was denn?“ Sie klang leicht gereizt.

„Wie gefällt dir denn die Kreuzfahrt?“

Seufzend überlegte sie, ob sie Oscar die Wahrheit erzählen sollte. Dass die Hochzeit ihrer Cousine grauenhaft langweilig gewesen war, dass sie ihre Arbeit vermisste und dass sie fast ständig seekrank war. Aber sie wollte das Gespräch lieber abkürzen. „Fantastisch.“ Mal abgesehen davon, dass sich anscheinend sämtliche Passagiere zu Pärchen gefunden hatten. Außer ihr.

„Ich vermisse dich“, sagte Oscar leise, damit niemand aus dem Büro ihn hörte. „Und ich wünschte, du hättest mich mitfahren lassen.“

Dass Oscar auf einmal so sentimental wurde, regte Frankie auf. Einen Vorteil hat die Kreuzfahrt tatsächlich, dachte sie. Ich kann mal in Ruhe darüber nachdenken, dass Oscar unsere Freundschaft vertiefen will. Ihr Kollege lag ihr schon seit Wochen damit in den Ohren. „Oscar, du weißt, dass wir nicht während des laufenden Projekts einfach beide Urlaub machen können.“

„Du hast ja recht.“ Er stimmt so bereitwillig zu, dass Frankie sich noch mehr ärgerte. „Wo bist du denn gerade?“

Sie blickte sich um. Überall Touristen und Einkaufsbummler. Dazu leuchtende Farben und unzählige Insekten. Wieder schlug sie nach der dicken Fliege. „In Key West.“

„Schalte mal ab, und vergiss deine Sorgen wegen des Projekts. Lass es dir gut gehen, und trink auf mich.“

„Vom nächsten Hafen aus rufe ich dich wieder an.“

„Versprochen?“

Fast hätte sie entnervt gestöhnt. „Machs gut, Oscar.“ Sie knallte den Hörer auf die Gabel und betrachtete die Händchen haltenden Touristen. Frankie verzog das Gesicht. Nur noch vier Tage mit diesen albernen Turteltauben. Dann war sie wieder zu Hause und konnte die Endphase der Entwicklung des neuen Computerprogramms zur Lagerhaltung überwachen. Ein ganzes Jahr hatte es gedauert, das Team zusammenzustellen, alle einzuarbeiten und das Programm zu entwerfen und immer wieder zu analysieren. Jetzt hing sie während der wichtigsten Phase hier auf diesem schwimmenden Liebeshotel fest.

Sorgfältig strich sie die Ecken der Unterlagen in ihrer Hand glatt und versuchte, ihre Frustration zu vergessen. Vom Erfolg der Präsentation dieses Programms hing ihre nächste Beförderung ab. Es musste einfach klappen.

Nachdem sie den Ordner wieder in ihre schwarze Aktentasche gesteckt und den Reißverschluss zugezogen hatte, ließ sie noch die Lasche zuschnappen. Nur zur Sicherheit. Diese Unterlagen enthielten das Grundschema des Programms, eine Übersicht über die verschiedenen einfließenden Datenmengen und handgeschriebene Protokolle über sämtliche Sitzungen zu dem Projekt. Diese unersetzliche Mappe behielt Frankie schon während der gesamten Reise ständig bei sich. Sogar während der Hochzeit ihrer Cousine hatte sie sie unter ihr Sitzkissen geschoben.

Aus einem Außenfach holte sie sich eine Mentholzigarette und rauchte sie innerhalb von zwei Minuten bis zum Filter weg. Dabei sah sie sich die ganze Zeit über aufmerksam nach allen Seiten um. Sicher kam zufällig ihre Cousine vorbei, und die würde Frankie dann bei ihren Eltern verpetzen. Für eine Frau von zweiunddreißig Jahren war eine solche Angst etwas lächerlich, aber Frankie wollte sich die dann unvermeidlichen Auseinandersetzungen mit ihrer besorgten Mutter und ihrem herrischen Vater einfach ersparen. Hastig drückte sie den Stummel am Rand des metallenen Abfalleimers aus und warf die Kippe hinein.

Gleich nach dem Ende des Projekts höre ich mit dem Rauchen auf, nahm sie sich vor.

Sie schlang sich die Aktentasche über die Schulter und sah auf die Uhr. Um zwei Uhr legte das Schiff ab, und bis dahin wollte sie noch ein paar Souvenirs für ihre Eltern kaufen.

Frankie schob sich den Hut aus der Stirn. Die Touristen drängten sich auf den engen Straßen, und die Einheimischen waren anscheinend bevorzugt mit dem Fahrrad unterwegs. Auf dem Dach eines flachen Gebäudes spielte eine Calypso-Band, und es kam Frankie vor, als würden alle Passanten versuchen, im Takt der Musik zu gehen.

Die Luft schien in der sengenden Hitze zu stehen, und der Geruch des heißen Asphalts vermischte sich mit dem der vielen Menschen. Der Kragen ihres Tops klebte ihr am Nacken, obwohl sie sich ihr langes rotes Haar, das jetzt unter den Strohhut verborgen war, extra hochgesteckt hatte. Sie atmete tief durch und mischte sich unter die Menge. Ein paar Meter entfernt hatte sie einen Lederwarenladen entdeckt, und dort wollte sie zuerst nach Andenken sehen.

„Sehr schön, sehr schön“, rief ein dunkelhäutiger Mann und hielt ihr eine Perlenkette vors Gesicht. Erst blinzelte Frankie verwirrt, dann schüttelte sie lächelnd den Kopf.

„Schuhe, Gürtel, Taschen, alles Handarbeit!“, rief ein anderer Mann und hielt zwei Leinenschuhe hoch. Einen Moment sah Frankie auf ihre eigenen ausgetretenen Freizeitschuhe, die aber noch sehr bequem saßen. Vielleicht sollte sie ihrer Mutter ein Paar Leinenschuhe mitbringen. Schließlich stand sie den ganzen Tag im Restaurant.

Frankie ging näher zu dem Stand und deutete auf das Paar Schuhe, das sie haben wollte. Aber als sie gerade nach ihrer Aktentasche griff, spürte sie einen Ruck an der Schulter und stürzte zu Boden. Gleichzeitig fühlte sie, wie der Schulterriemen der Aktentasche von ihrem Arm abglitt. Sie konnte gar nicht fassen, was da geschah, während sie rücklings auf dem Gehsteig aufschlug und ihr der Atem wegblieb.

Frankie sah gerade noch das kakifarbene T-Shirt des Taschendiebs, als er schon in der Menge verschwand. Die Menschen, die er auf seiner Flucht zur Seite stieß, regten sich lediglich über seine Rücksichtslosigkeit auf. Endlich bekam Frankie sich so weit unter Kontrolle, dass sie wusste, was sie zu tun hatte.

„Hilfe!“, schrie sie und rappelte sich mit der Unterstützung des Ladenbesitzers auf. „Er hat meine Tasche gestohlen!“

Wutentbrannt rannte sie dem Dieb nach, schrie aus vollem Hals und versuchte, den jungen Mann nicht aus den Augen zu verlieren. Der Dieb hechtete über die Motorhaube eines geparkten Wagens und überquerte die Straße, ohne auf das Hupkonzert zu achten, das er dabei auslöste. Obwohl Frankie rannte, so schnell sie konnte, gewann der Dieb immer größeren Abstand. Sie schrie immer noch und deutete auf ihn, aber obwohl viele Leute stehen blieben, schien niemand ihn verfolgen zu wollen.

An der übernächsten Kreuzung blieb Frankie endlich stehen. Der Taschendieb war längst außer Sicht, und ihr platzten vor Anstrengung fast die Lungen. Entnervt riss sie sich die Sonnenbrille von den Augen, stützte sich auf die Knie und rang nach Luft. Panik stieg in ihr auf, während sie sich über den Verlust klar wurde. Die Brieftasche, das Bargeld, die Reiseschecks, die Ausweise, Kreditkarten, Familienfotos – und die Unterlagen für das Projekt. Tränen traten ihr in die Augen, und als Frankie sich das Haar nach hinten strich, bemerkte sie, dass sie auch ihren Hut verloren hatte.

Links und rechts gingen die Leute an ihr vorbei, aber abgesehen von neugierigen Blicken reagierte niemand auf sie. Dann hörte sie hinter sich eine Sirene, und als Frankie sich umwandte, entdeckte sie eine Polizistin, die sich auf dem Motorrad einen Weg durch die Menge bahnte. Mit beiden Armen winkte Frankie ihr zu und redete lautstark auf die stämmige Frau mit der tiefdunklen Sonnenbrille ein, noch bevor das Motorrad zum Stillstand kam. Hektisch berichtete sie der Polizistin alles, gab eine Beschreibung des Diebs und wies in die Richtung, in die er verschwunden war. Die Frau nickte nur kurz, sagte Frankie, sie solle bleiben, wo sie war und fuhr los.

Fluchend blickte Frankie auf ihre Uhr. In einer Viertelstunde legte ihr Schiff ab, aber ohne die Unterlagen konnte sie einfach nicht weg von hier. Ein Passant reichte ihr den Strohhut, auf den jemand getreten war. Mit zitternden Fingern strich sie den zerdrückten Hut glatt, hob ihr Haar an und setzte den Hut auf.

Die Unterlagen durften einfach nicht weg sein. Meine Karriere steht auf dem Spiel, erkannte sie entsetzt. Die Stelle bei Ohio Roadmakers, einer Firma für Straßenbau, hatte sie gleich nach dem College angenommen. Damals war ihr der Job nicht sonderlich aufregend vorgekommen, aber das Einstiegsgehalt hatte sie überzeugt. Sie hatte sich eingewöhnt und sich durch ihren Einsatz im Lauf der vergangenen zehn Jahre eine Reihe von verdienten Beförderungen erarbeitet. Als ihrem Vorschlag zur Einführung eines Lagerhaltungsprogramms zugestimmt worden war, hatte Frankie sich mit Feuereifer an die Verwirklichung gemacht. Und jetzt …

Die grüne Fliege war wieder da. Zornig schlug Frankie mit beiden Händen nach dem Tier, als könne sie alle ihre Probleme lösen, indem sie dieses Insekt erwischte. Dann wurde ihr klar, wie lächerlich sie aussehen musste, und sie hörte mit dem Gewedel auf. Doch niemand beachtete sie. Die meisten gingen zu einer nahe gelegenen Bar. Das „Rum King“ warb mit dem Angebot, dass der erste Drink nur einen Vierteldollar kostete.

Tief atmete Frankie durch und blickte wieder auf die Armbanduhr. Ihr blieben noch drei Minuten. Sollte sie jetzt zum Anleger rennen und den Kapitän anflehen, noch nicht abzulegen? Oder sollte sie auf die Polizistin warten und darauf hoffen, dass das Schiff verspätet losfuhr? Vielleicht würde ihre Cousine Emily sie auch vermissen und das Schiff aufhalten? Nein, stellte Frankie seufzend fest. Emily hatte momentan nur noch Augen für ihren Ehemann Albert. Und die beiden hatten sicher heute die Kabine noch gar nicht verlassen. Dieser Gedanke weckte Vorstellungen in ihr, die sie schnell wieder verdrängte.

Sie ging ein paar Schritte in Richtung Anleger, blieb aber sofort wieder stehen. Wenn die Polizistin jetzt mit ihrer Tasche zurückkam, musste Frankie hier sein. Und im Moment war der Inhalt der Tasche viel wichtiger als der Rest einer Kreuzfahrt, die Frankie ohnehin nicht hatte unternehmen wollen. Wenn die Tasche wieder auftauchte, konnte Frankie wenigstens mit einer guten Ausrede vorzeitig nach Hause fliegen.

Nach dieser Entscheidung lehnte Frankie sich abwartend an ein Halteverbotsschild, und kurz darauf hörte sie auch das Schiffshorn, als das Schiff ablegte. Vom Land her ertönte die Musik einer Kapelle, und wenig später befand das Schiff sich auf dem Weg aufs offene Meer.

Gedankenverloren hob Frankie zum Abschied die Hand und bekam ein schlechtes Gewissen. Jetzt musste Emily sich um ihr Gepäck kümmern. Auf jeden Fall muss ich Kontakt mit dem Schiff aufnehmen, dachte Frankie. Wahrscheinlich würde sich Emily große Sorgen um ihre Cousine in Key West machen, aber im Moment fühlte Frankie sich viel freier und ungebundener als während der Schiffsfahrt.

Am schlimmsten wäre es für sie gewesen, den Valentinstag auf diesem Schiff voller verliebter Pärchen zu verbringen. In ihrem Alter noch Single zu sein, das war enttäuschend. Momentan gab es in ihrem Leben keinen anderen Mann als ihren Kollegen Oscar.

Nachdenklich trat Frankie von einem Bein aufs andere. Ihr Job füllte sie wirklich aus, und genau deswegen musste sie einfach diese Akten zurück bekommen.

Innerlich gelobte sie, niemals wieder so wichtige Unterlagen für sich zu behalten. Während des gesamten Verlaufs des Projekts hatte sie nur das Nötigste an Informationen an die anderen Mitglieder ihres Teams weitergegeben und nicht einmal etwas auf ihrer Festplatte gespeichert. Sollte ihr Vorgesetzter von dieser kindischen Haltung erfahren, die die Firma jetzt eine Menge Geld kosten konnte, würde man Frankie sicher fristlos entlassen.

Wo blieb bloß die Polizistin? Nach einer weiteren halben Stunde stand Frankie kurz vor einem Zusammenbruch. Key West war doch so klein! Diese Polizistin konnte mittlerweile schon ein paar Mal durch jede Straße gefahren sein!

Den Tränen nahe, blickte Frankie sich um und sah zum „Rum King“. Die gesamte Vorderfront der Bar diente als Eingang, und durch die Bar hindurch konnte Frankie auch einen kleinen Innenhof erkennen.

Jetzt etwas zu trinken! dachte sie voller Durst. Wenn ich in der Nähe des Eingangs bleibe, kann ich die Polizistin auch sehen, falls sie mit der Tasche wieder auftaucht.

Randy Tate bemerkte die blasse Frau, sobald sie die Bar betrat. Unter dem großen zerdrückten Strohhut ragten ein paar rote Locken hervor, und mit der dunklen Sonnenbrille und der etwas schmutzigen Kleidung sah die Frau ziemlich lächerlich aus. Kopfschüttelnd fuhr er fort, den Tresen mit einem feuchten Lappen abzuwischen.

Unauffällig musterte er die Frau, und als sie die Sonnenbrille abnahm, stellte Randy überrascht fest, wie jung sie war. Obwohl ihr herzförmiges Gesicht ebenfalls schmutzig war und obwohl sie die Augenbrauen zusammenzog, war die Frau bildschön. Sie wirkte nervös und sah immer wieder hinaus auf die Straße, während sie zu ihm an den Tresen kam. Hat sie ihre Reisegruppe verloren? fragte Randy sich.

Vorsichtig kam die Frau näher. Hellblaue, fesselnde Augen, bemerkte er.

Tweety, ein blauer Papagei, fing in seinem Käfig zu krächzen an. „Erster Drink einen Vierteldollar“, sprach der Vogel deutlich und neigte den bunten Kopf zur Seite.

„Da hat er recht“, sagte Randy lächelnd, als die Frau überrascht aufsah. „Tweety hat den Satz vor zehn Jahren gelernt, und seinetwegen können wir seitdem die Preise nicht anheben. Was solls sein?“ Er steckte den Lappen in die Gürtelschlaufe seiner abgeschnittenen Jeans. Ein verdammt süßes Ding, stellte er fest und betrachtete ihre Sommersprossen.

Auf einmal wirkte die Frau bedrückt. „Fünfundzwanzig Cents?“ Ihre Stimme klang tief, leicht heiser, und Randy mochte den Tonfall sofort. Dann verschwand die Frau aus seinem Blickfeld. Randy beugte sich über die Bar. Die Frau bückte sich und zog Münzen aus der kleinen Tasche an ihrem Schuh. „Süßer Po“, stellte er flüsternd fest.

„Süßer Po“, wiederholte Tweety sehr viel lauter.

Abrupt richtete die Frau sich auf und sah den Vogel argwöhnisch an.

„Tut mir leid. Tweety hat leider keinerlei Manieren.“ Randy hob die Schultern.

Sie schob ihm zwei Zehncentmünzen zu und durchsuchte dann die Taschen ihrer Shorts. Aus einer holte sie drei Pennys, aus der anderen einen. Triumphierend zählte sie ihm das Geld auf den Tresen.

„Einen Penny muss ich Ihnen schuldig bleiben“, sagte sie, und ihre Unterlippe fing zu zittern an.

Verwirrt zuckte Randy mit den Schultern und verkniff sich die Frage. Er war nicht der typische Barkeeper, der für jede traurige Geschichte ein offenes Ohr hat. Sein Mitgefühl hatte er vor zehn Jahren aufgegeben, als er sich aus dem Fenster des großen Jets von der Skyline von Atlanta verabschiedet hatte. „Schon gut, Lady. Was darfs sein?“ Vielleicht war sie doch einsam und verzweifelt.

„Was darfs sein? Was darfs sein?“, tönte Tweety.

„Ein Cappuccino.“ Sie setzte sich auf einen der Barhocker.

Verwundert presste Randy die Lippen aufeinander und kratzte sich die nackte Brust. Meinte sie das ernst? Mit beiden Händen stützte er sich auf den Tresen und blickte sich um. Hier sah doch alles nach einer Strandbar aus. Aber diese angespannte Frau, die immer wieder besorgt auf die Straße sah, bekam Randys Blick gar nicht mit.

„Äh, Entschuldigung“, sagte er spöttisch. „Unsere Cappuccino-Maschine ist leider gerade defekt.“

„Ja?“ Sie wandte sich wieder zu ihm um und runzelte nachdenklich die Stirn. „Dann nehme ich einfachen Kaffee mit Haselnussaroma. Dazu Zucker, Sahne und etwas Zimt.“ Wieder sah sie zur Straße.

Ungläubig lachend neigte er den Kopf zur Seite. „Lady, Sie verwechseln das hier mit einem Straßencafé. Wie wärs mit einem Rum auf Eis?“

Enttäuscht sah sie ihm ins Gesicht, und für einen Moment glaubte er, sie würde gleich in Tränen ausbrechen. „Kein Kaffee?“

Randy seufzte. Diese Frau stand offenbar kurz vor einem Nervenzusammenbruch. „Vielleicht finde ich irgendwo im Schrank noch etwas Pulver für Instant-Kaffee. Und mit einem Schuss Kahlúa schmeckt es auch nicht ganz so scheußlich.“

Wenigstens lächelte sie jetzt, und der Anblick der kleinen Grübchen in ihren Wangen war Randy ganz und gar nicht unangenehm.

„Kommt sofort.“ Durch eine kleine Tür verschwand er in ein privates Badezimmer. Es ging doch nichts über eine schöne Frau. Leider wirkte diese etwas verwirrt. Dennoch, wenn er seine Karten richtig ausspielte …

Affären mit Urlaubern waren relativ gefahrlos. Keine großen Versprechungen, keine Träume von einer gemeinsamen Zukunft. Und täglich kamen unzählige weibliche Touristen hier an.

Der kleine Rotschopf da draußen konnte ganz reizvoll sein. Vorausgesetzt, die Dame bekam etwas Wasser und Seife zur Verfügung.

Endlich fand er den Kaffee. Triumphierend kehrte er in die Bar zurück. Doch das Siegerlächeln verging ihm, als er die Frau mit dem Kopf auf den Armen vorfand. Sie bebte vor Schluchzen.

Er verdrehte die Augen. Frag sie bloß nicht! sagte er sich. Lass dich in nichts hineinziehen. Das bedeutet bloß Verantwortung. Dann sah er wieder zu der Frau mit den roten Locken und stieß einen Seufzer aus. Nur mit Mühe konnte er die Beschützergefühle zurückdrängen. Als sei nichts geschehen, setzte er sein strahlendstes Lächeln auf.

2. KAPITEL

Frankie wollte nicht weinen, aber zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie einfach nicht anders. Seit Jahren lebte sie nur für ihre Karriere, und jetzt geriet alles, was sie sich aufgebaut hatte, durch ihre eigene Dummheit und einen dreisten Dieb in Gefahr.

„Huuuhuuu“, äffte Tweety sie nach. „Huuuhuuu!“

Schniefend hob sie den Kopf und sah den halb nackten Barkeeper vor sich. Strahlend lächelnd hielt er eine Packung Instant-Kaffee hoch. „Kein Grund zur Verzweiflung, ich bin ja fündig geworden.“

Die Stimme des Mannes klang tief und sinnlich. Ein kleiner goldener Ohrring glitzerte in seinem Ohrläppchen und hob sich von der tief gebräunten Haut ab. Das sonnengebleichte braune Haar reichte ihm bis auf die Schultern und schrie nach einem Besuch beim Friseur. Das ebenmäßige Gesicht wurde von der geraden schmalen Nase und dem kräftigen Kinn geprägt, und die Schultern des Mannes waren breit und muskulös. Auf dem rechten Oberarm entdeckte Frankie eine kleine Tätowierung in Form einen bunten Wirbels, die sie an die Lollis erinnerten, die sie als Kind so gern gegessen hatte. Dieser Mann hatte nichts mit ihrem Idealbild eines Partners gemeinsam, aber sie musste zugeben, dass er wirklich fantastisch aussah.

Jetzt bekam sie auch noch einen Schluckauf. Lächelnd sah sie ihn an. Dieser Mann musste sie für vollkommen durchgedreht halten. „Tut mir leid.“

„Keine Ursache.“ Er reichte ihr eine Papierserviette. „Leider habe ich keinen Herd, um das Wasser kochen zu lassen“, sagte er, „aber das Wasser, das aus der Leitung kommt, ist auch ganz schön heiß.“

Gedankenverloren nickte sie. Es kränkte sie ein wenig, dass ihre Tränen ihn gar nicht zu rühren schienen. „Leitungswasser ist mir recht.“ Kurz betrachtete sie misstrauisch den Papagei, dann sah sie hastig wieder auf die Straße hinaus, um nur ja nicht die Polizistin zu verpassen.

Vielleicht konnte der Barkeeper ihr helfen, aber dieser Mann hier sah nicht so aus, als könne man ihm unbesehen vertrauen. „Ist die Polizeiwache hier in der Nähe?“

Er war bereits in der Küche und ließ Wasser in den Becher laufen. Jetzt streckte er den Kopf um die Ecke. „Die Polizeiwache?“

Frankie nickte und versuchte, gelassen zu wirken.

Einen Moment sah er sie durchdringend an, doch dann gab er sich wieder unbekümmert. „Die Wache ist schon ein Stück entfernt, dritte Straße rechts.“ Er stellte einen gelben Becher auf den Tresen, rührte mit einem Löffel um und schob den Becher dann zu Frankie.

Sie beobachtete jede seiner Bewegungen und trank dann einen Schluck. „Danke.“

Er nickte kurz, und Frankie bemerkte, dass seine Augen von einem ungewöhnlich hellen Braun waren, fast golden. Dazu die dunklen Wimpern und die dichten Augenbrauen … Er sah wirklich umwerfend aus. Wieder wischte er mit dem Lappen über den Tresen. „Wenn das alles ist, was ich für Sie tun kann, dann würde ich mich gern um noch ein paar andere Dinge kümmern.“

Einen Augenblick zögerte sie, aber schließlich war er ein Fremder, und seine Meinung konnte ihr egal sein. „Hätten Sie zufällig eine Zigarette für mich?“

Mit zusammengepressten Lippen griff er unter den Tresen und zog eine angebrochene Packung Zigaretten hervor. „Die werden Sie eines Tages umbringen.“

„Ich weiß“, gab sie zu und griff nach der Packung. „Aber ich bin nicht süchtig. Haben Sie auch Feuer?“

Stirnrunzelnd holte er auch noch ein Streichholzbriefchen. „Noch etwas?“

„Danke, das ist alles.“ Frankie sah ihm nach. Sie schätzte ihn auf Mitte bis Ende dreißig. Seine ausgebleichte abgeschnittene Jeans war ihm so weit von den Hüften gerutscht, dass Frankie einen schmalen Streifen seiner orangefarbenen Badehose sehen konnte.

Ein Barkeeper, der häufig am Strand war? Beeindruckend.

Frankie saß allein an der Bar, aber die zahlreichen kleinen Tische waren alle besetzt. Es herrschte eine fröhliche Geräuschkulisse, und drei Schulmädchen gaben kichernd ihre Bestellung bei Randy auf. Ihn schien das Flirten der Mädchen nicht zu stören, ganz im Gegenteil.

Frankie sah wieder zu ihrem Kaffee und zündete sich eine Zigarette an. Da hatte sie doch tatsächlich gedacht, dieser verwegen aussehende Mann würde es nur darauf anlegen, ihr aus ihrer Notlage zu helfen. Mit einem Blick auf die Uhr trank sie den lauwarmen Kaffee aus. Dank des Schusses Kahlúa brannte es dennoch in ihrer Kehle. Wenigstens wusste sie jetzt ungefähr, wie weit die Polizeiwache entfernt war. Wenn die Polizistin nicht zurück war, sobald Frankie ihren Kaffee ausgetrunken hatte, würde sie zur Wache gehen und sich selbst erkundigen, ob man den Dieb gefasst hatte.

Mühsam versuchte Frankie nur daran zu denken, dass sich alles aufklärte. Ansonsten wäre sie geliefert. Falls sie ihren Job verlor, würden ihre Eltern das nicht ertragen können. Wieso eigentlich kommt mir als Erstes die Reaktion meiner Eltern in den Sinn? fragte sie sich und inhalierte den Zigarettenrauch tief. Der Streit mit ihren Eltern fiel ihr ein, den sie geführt hatte, als sie sich für das erste Semester am College einschrieb.

„Das lasse ich nicht zu!“, hatte ihr Vater geschrien. „Du kannst Jura, Medizin oder Informatik studieren, aber du gehst nicht in die Gastronomie.“

Sie arbeiteten gerade im Restaurant, und ihr Vater wandte sich auf der Suche nach Unterstützung an einige Kunden. „Seit zwanzig Jahren schuften Francis und ich hier, damit Frankie auf die besten Schulen gehen kann, und was will sie jetzt tun?“ Ungläubig hob er die Hände. „Sie will ein schäbiges Restaurant eröffnen.“

Das Ganze war unglaublich peinlich gewesen, aber Frankies Mutter hatte sich schlichtend eingemischt. Schließlich einigten alle sich darauf, dass Frankie Informatik studierte. Auf den gut bezahlten Job, den sie sofort nach dem Studium bekam, waren ihre Eltern mindestens so stolz wie sie selbst, und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nur ihren Eltern zuliebe Karriere gemacht hatte.

Wieder zog sie an der Zigarette. Selbstmitleid war Zeitverschwendung. Sie hatte täglich Erfolg bei ihrer Arbeit, und sie genoss die ständige Herausforderung. Diesen entsetzlichen Urlaub würde sie auch noch hinter sich bringen, und dann konnte sie an ihren Schreibtisch zurückkehren, wo sie hingehörte. Und was die gestohlene Aktentasche anging … Da musste sie einfach darauf hoffen, dass die Sache glimpflich ausging.

„Huhuhu“, mischte Tweety sich ein.

Verärgert hob Frankie den Kopf. „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, du missratener Wellensittich.“

„Süßer Po“, entgegnete er ungerührt und sang dann den Song mit, der gerade aus den Lautsprechern tönte.

Im Spiegel hinter der Bar konnte Frankie sich sehen, und sie erschrak. Verdrecktes Gesicht, zerknitterte Kleidung. Kein Wunder, dass niemand ihr helfen mochte. Der Barkeeper war ihr gegenüber wahrscheinlich genauso misstrauisch wie umgekehrt. Während sie sich mit einer Serviette, die sie in einem herrenlosen Glas Wasser anfeuchtete, den Schmutz vom Gesicht wischte, musste sie verbittert lächeln. Anscheinend hatte niemand ihr Weinen bemerkt, und auch ihr jetziger Aufzug ließ niemanden Fragen stellen. Kavaliere schien es hier in Key West nicht sehr viele zu geben.

„Okay.“

Beim Klang der Stimme des Barkeepers hinter sich zuckte Frankie zusammen. Er stützte sich mit einer Hand auf den Barhocker neben ihr und hob erwartungsvoll die Augenbrauen.

„Meinen Sie den Kaffee?“, fragte sie. „Der schmeckt gut.“

Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein, ich will wissen, was hier läuft. Wieso brauchen Sie die Polizei?“

Frankie trank einen Schluck von dem bitteren Kaffee. „Ein Mann hat mir meine Aktentasche gestohlen.“

Fast hätte er mitfühlend ihren Arm berührt, doch er beherrschte sich gerade noch. „Sind Sie verletzt?“

Entschieden schüttelte sie den Kopf. Dieses unerwartete Mitgefühl rührte sie.

„Und Ihr Geld? Alles weg?“

Wortlos nickte sie und kämpfte erneut gegen die Tränen an.

Er stemmte die Hände in die schlanken Hüften. „Um Himmels willen, wieso haben Sie das nicht gleich erzählt?“

„Um Himmels willen“, wiederholte Tweety.

„Ich warte doch die ganze Zeit darauf, dass die Polizistin zurückkommt.“ Frankie kam sich dumm vor. „Sie sagte, ich solle bleiben, wo ich bin, aber jetzt ist sie schon seit über einer Stunde weg.“

„Eine korpulente Frau?“

Frankie nickte.

„Das muss Officer Ulrich sein. Vielleicht hat sie den Dieb schon erwischt und aufs Revier gebracht.“

„Deshalb habe ich ja gefragt, wo die Wache ist.“

Nachdenklich sah der Barkeeper sich um. „Sind Sie allein?“

Einen Moment dachte Frankie darüber nach. Allein war sie schließlich in vieler Hinsicht. „Jetzt jedenfalls schon. Ich habe mein Schiff verpasst.“

Autor

Stephanie Bond

Das erste Buch der US-amerikanischen Autorin Stephanie Bond erschien im Jahr 1995, seitdem wurden über 60 Romane von ihr veröffentlicht. Ebenfalls schrieb sie Bücher unter dem Pseudonym Stephanie Bancroft. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, beispielsweise erhielt sie 2001 den RITA-Award. Im Jahr 1998 bekam Stephanie Bond den “Career Achievement...

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