Von nun an gemeinsam

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Maggie hat wirklich genug Probleme: Ein streitsüchtiger Nachbar, die Hypothek ihrer Ranch, ein störrisches Pferd und ihre achtjährige Tochter machen ihr das Leben schwer. Eigentlich kann es nicht noch schlimmer werden. Doch dann taucht der attraktive Landon auf und wirbelt die Gefühle der alleinerziehenden Mutter heftig durcheinander. Dass sie sich in einen ehemaligen Häftling verliebt, hat ihr gerade noch gefehlt! Aber sie kann nicht lange leugnen, dass sie sich zu dem verführerischen Cowboy hingezogen fühlt. Er scheint für sie jedoch nichts zu empfinden - oder doch?


  • Erscheinungstag 31.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778927
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Du gemeiner, hinterhältiger Dieb!“ Mit forschen Schritten überquerte Maggie Stevens die zertrampelte Wiese des Rummelplatzes. Nur mühsam gelang es ihr, ihre Empörung im Zaum zu halten und nichts von dem Bier in den beiden Plastikbechern zu verschütten. „Du nimmst mir meinen Mann weg!“

Kyle Greeley warf ihr ein böses kleines Grinsen zu und fuhr ungerührt fort, Geldscheine von einem dicken Bündel abzuzählen. Als Maggie die Wiese überquert hatte und vor ihm stand, hatte er mindestens schon einhundert Dollar beiseitegelegt und reichte sie einem Cowboy, der neben ihm stand – ihrem Cowboy.

„Nicht nur einen Mann, Schätzchen“, sagte Kyle. „Mehrere.“

„Was meinst du damit, ‚mehrere‘?“ Sie sah den Cowboy scharf an. Es war Spence Wilson, einer ihrer Arbeiter, der in den vergangenen Monaten auf der Farm geholfen hatte.

Dann bemerkte sie Charlie Bain. Er trat lautlos aus dem Schatten am Rande des Festgeländes, den Blick starr auf seine Stiefel gerichtet.

Sie hätte es wissen müssen.

Bisher war es ein herrlicher Sommertag gewesen. Es war der vierte Juli – der amerikanische Nationalfeiertag –, den sie gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrer Großmutter in Destiny verbrachte, einem kleinen Ort in Wyoming. Und den ganzen Tag über hatte sich noch keiner ihrer Cowboys blicken lassen.

Bis jetzt.

„Nehmen Sie’s nicht persönlich, Miss Stevens“, sagte Spence. „Wir arbeiten ja gerne auf Crescent Moon, aber Mr Greeleys Angebot ist einfach zu verlockend, um Nein zu sagen.“

Maggie schäumte vor Wut. Auf das ‚verlockende Angebot‘ waren schon einmal ihre Arbeiter hereingefallen – zumindest die jungen und kräftigen. Sie hatten sich von den fetten Geldbündeln ködern lassen wie streunende Hunde von einem saftigen Stück Fleisch.

Genau wie du, Maggie. Es ist noch gar nicht so lange her.

Sicher, ein paar schicke Abendessen waren nicht dasselbe wie Bargeld. Trotzdem war auch sie auf Kyle hereingefallen. Auf seine schmeichelnden Worte und auf diese aalglatte Art, mit der er jeden um den Finger wickeln konnte. Bis sie herausgefunden hatte, was für ein Mistkerl er in Wirklichkeit war.

Selbstgefällig grinsend kam Kyle näher. „Tja, Maggie, du hast die Wahl. Es könnte doch so einfach sein: Verkauf mir dein Land, zieh in die Stadt und du wärst alle Probleme los. Du könntest mehr Zeit mit deiner Tochter verbringen. Und dir endlich mal einen Mann zulegen …“

Bebend vor Zorn starrte sie in die Plastikbecher. Am liebsten hätte sie damit sein spöttisches Grinsen ausgelöscht. Durch zusammengebissene Zähne zischte sie: „Ich hab’s dir schon einmal gesagt, mein Land ist nicht zu verkaufen.“

Aus den Augenwinkeln konnte sie die Schemen ihrer Cowboys sehen, die mit leisen Schritten in den Schatten der Hütten und verwaisten Tierpferche verschwanden. Ihre ehemaligen Cowboys.

Die Feiglinge.

Sie wandte sich an Kyle. „Und warum nur die beiden? Warum schnappst du dir nicht gleich auch noch Willie und Hank und zerstörst mich endgültig?“

„Diese alten Knacker? Die gehören doch schon seit Jahren notgeschlachtet.“ Er kam näher. Mit einer anzüglichen Geste fing er eine lose Strähne aus ihrem Pferdeschwanz und wickelte sie um seinen Finger. „Gib’s doch zu, Schätzchen, das ist alles ein bisschen zu viel für dich. So viel Land, die Weiden, die Pferde …“

Maggie reckte trotzig das Kinn und entwand sich seinem Griff. „Fahr zur Hölle, Kyle.“

Sie fuhr herum und ging auf die Lichter zu, die jenseits der Pappeln von einer erleuchteten Holzbühne in das Dunkel fielen. Er folgte ihr.

„Vor nicht allzu langer Zeit hättest du mich nicht zur Hölle geschickt, Schätzchen.“

Kopfschüttelnd sah sie ihn an. Seine hellblauen Augen, die wie gemeißelt scharfen Wangenknochen und dazu diese unwiderstehlichen, süßen Lügen. Alles in ihr sträubte sich bei dem Gedanken daran, dass sie einmal darauf hereingefallen war. „Drei Monate“, sagte sie bitter, „drei Monate hast du den Verehrer gespielt, nur um an mein Land zu kommen.“

Er grinste boshaft. „Manchmal muss ein Mann eben Opfer bringen. Ich hab’ sowieso nie verstanden, was Alan an dir fand. Aber dann ist mir aufgegangen, dass er nur hinter deinem Besitz her war.“

Wütend fuhr sie ihn an: „Aber es ist noch immer meine Ranch, kapiert? Und du wirst deine verdammten Finger davon lassen!“

Inzwischen hatten sie die Bäume erreicht. Kyle beugte sich über sie und packte grob ihre Arme. Scharfer Whiskeyatem strich über ihr Gesicht. Verflucht, warum war ihr das nicht schon vorher aufgefallen? Kyle war schon in nüchternem Zustand nur schwer zu ertragen, aber nach ein paar Drinks konnte er ziemlich bösartig werden.

„Aber von dir soll ich nicht die Finger lassen, stimmt’s?“

Ein längst vergessenes Bild flackerte in Maggies Erinnerung auf wie ein ungebetener Gast. Eine Erinnerung, bei der sich ihr Magen schmerzhaft zusammenzog. Die Plastikbecher bebten in ihren zittrigen Händen und Bier rann über ihre Finger. „Du Bastard!“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Lass mich sofort los!“

„Nicht bevor ich mit dir fertig bin.“

Nackte Panik flammte in ihr auf, doch noch war ihr Zorn größer als die Angst. „Du wirst dieses Bier gleich im Gesicht haben, wenn ich mit dir fertig bin.“

„Wag es nicht …“

Mit einer schnellen zornigen Bewegung kippte sie das Bier in seine Richtung. Er wich zurück, stieß sie grob weg und fluchte laut. „Verdammt!“ Die Flüssigkeit spritzte in Kyles Gesicht, benetzte sein Hemd und Maggies leichtes Sommerkleid. Sie hielt den zweiten Becher bedrohlich in die Höhe. „Nein, Kyle. Du wagst es nicht.“ Sie wich einen Schritt zurück, und das Dunkel zwischen den Bäumen schien sie zu verschlucken. „Komm mir bloß nicht zu nahe!“

Aber Greeley packte erneut ihre Arme. Seine Fingernägel bohrten sich in ihre nackte Haut. „Das wird dir noch leidtun, Schätzchen.“

„Lass sie los.“

Maggie erstarrte. Die tiefe, gebieterische Stimme schien aus dem Nichts zu kommen, aus dem dunklen Nichts des Waldes hinter ihrem Rücken. Doch jetzt spürte sie deutlich die Präsenz eines Menschen. Eines großen Mannes direkt hinter ihr, einschüchternd und irgendwie – anziehend. Seine dunkle, heisere Stimme brachte etwas in ihr zum Klingen, vibrierte in ihrem Magen und weckte ein Gefühl von …

Wovon, Maggie? Sehnsucht? Verlangen?

Kyle schnaubte verärgert. In seinem Gesicht spiegelten sich Zorn und Erkennen, als er den Mann ansah. „Das hier geht dich nichts an, Cartwright.“

„Das mag ja sein, aber die Lady hat sich ja wohl klar genug ausgedrückt.“

„Dann will ich mich mal klar ausdrücken“, zischte Kyle und machte einen Schritt auf ihn zu. Er starrte über Maggies Kopf hinweg auf den Fremden, hielt aber gleichzeitig ihre Arme noch immer fest umklammert. „Wenn du deinen Job behalten willst, dann solltest du jetzt schleunigst abhauen und dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern.“

Auch der Fremde kam jetzt näher. „Lass … Sie … los.“ Mit jedem Wort wurde seine Stimme schneidender.

Kyle sah Maggie an. Sein Blick war kalt und unnachgiebig. „Wir sind noch nicht fertig.“ Er ließ sie los und wich zurück.

„Und du“, drohte er dem Fremden, „du brauchst heute Abend gar nicht beim Fest aufzutauchen, Cartwright. Eigentlich brauchst du dich in Destiny überhaupt nicht mehr blicken zu lassen. Ich würde dir raten, noch heute Abend deinen Krempel zu packen und zu verschwinden – und zwar für immer!“

Kyle Greeley machte wütend auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Dunkelheit.

Lieber Himmel, das ist wirklich … Maggie war sich nicht sicher, worüber sie eigentlich so erstaunt war. Kyle hatte sich wie üblich wie ein Idiot benommen. Sie atmete tief ein, um ihre Gedanken zu ordnen. Dann drehte sie sich um. Gerade wollte sie ihrem Retter danken, als sich ihr Fuß in einer hervorstehenden Wurzel verfing. Hilflos stolperte sie rückwärts.

Zwei starke Hände umfingen ihre Taille mit festem Griff und zogen Maggie an eine breite Brust. Ihre Beine streiften feste, athletische Oberschenkel. Der Mund des Fremden berührte kurz ihr Haar, heißer Atem strich über ihre Wange. Sie wand sich in seinem Griff, legte den Kopf zurück und sah ihm ins Gesicht.

Er trug einen schwarzen Stetson, und unter der Krempe des Hutes funkelten seine Augen in der Dunkelheit mit eindringlichem Blick. Die dunklen Schatten eines Dreitagebartes spielten um seinen Mund und um die harten Linien seines Kiefers.

Ihr Körper begann zu beben.

Er ließ die Hände sinken und wich einen Schritt zurück.

Maggie rang nach Worten. „Danke für … nun ja, danke.“

„Kein Problem.“ Er senkte den Kopf und verbarg sich unter der breiten Krempe des Cowboyhutes, sodass Maggie unmöglich mehr von seinem Gesicht erkennen konnte. „Alles in Ordnung?“

„Äh, ja“, murmelte sie nickend, „mir geht’s gut.“

„Sie sollten jetzt besser gehen, bevor er womöglich zurückkommt.“

Ihr Retter gab ihr keine Gelegenheit zum Antworten. Er trat an ihr vorbei und folgte Kyle ins Dunkel der Bäume.

Sie sah ihm nach. Sie versuchte, das kleine Flattern in ihrem Bauch zu ignorieren. Es fühlte sich an, als ob Schmetterlinge einen plötzlichen wilden Tanz darin aufführen würden. Das ist nur die Angst, redete sie sich ein. Nur Kyles dumme, betrunkene Einschüchterungsversuche. Die Schmetterlinge hatten nichts mit dem Fremden zu tun.

Seufzend sah sie auf die halb leeren Plastikbecher. Sie sollte sich jetzt besser beeilen, denn Racy und Leeann warteten auf sie. Vorsichtig stieg sie über die knorrigen Baumwurzeln und ging zum Tanzplatz, dem Lärm und den Lichtern entgegen.

Maggie begrüßte hie und da flüchtig ein paar Bekannte und Freunde in der Menge, bevor sie Racy inmitten der dicht gedrängten Tanzfläche entdeckte. Ihre beste Freundin tanzte mit Willie, einem Cowboy von Crescent Moon. Obwohl er bereits jenseits der Siebzig war – und somit vierzig Jahre älter als Racy –, gab Willie sein Bestes, um mit der drallen Rothaarigen mitzuhalten. Mit ihren schönen weiblichen Kurven und dem wilden Feuerhaar konnte Racy jeden aus dem Takt bringen.

Als das Lied endete, kam sie freudig auf Maggie zu.

„Ich sag’ dir, Willie hat noch einen höllischen Schritt drauf.“ Sie griff nach einem der Plastikbecher. „Wird auch Zeit, dass du kommst. Wo warst du denn? Und was ist mit meinem Bier passiert?“

Maggie schüttete den Rest ihres Getränks in Racys Becher. „Ich wurde abgelenkt.“

„Wovon?“

Maggie ging nicht darauf ein. Sie war wild entschlossen, sich heute von nichts und niemandem den Spaß verderben zu lassen – schon gar nicht von dem Vorfall mit Kyle Greeley. „Wo steckt denn Leeann? Ich dachte, sie wollte uns hier treffen.“

„Schon, aber vor ungefähr zehn Minuten hat sich ihr niedlicher kleiner Piepser zu Wort gemeldet.“

„Oh. Ich dachte, Gage hätte ihr heute Abend freigegeben.“

„Tja, ich schätze, als Hilfssheriff in einem Kaff wie diesem musst du immer in Bereitschaft sein. Trotzdem hätte Gage ihr ruhig mal einen freien Abend gönnen können.“ Missmutig zuckte sie die Achseln. „Wo sind eigentlich Anna und deine Großmutter?“

„Grandma ist vorhin schon zur Ranch zurückgegangen und Anna übernachtet heute bei einer Freundin.“

Racys Miene erhellte sich. „Aha, du bist heute also Single im wilden Flirtdschungel. Dann los, Süße, suchen wir dir jemanden zum Jagen!“

Aber in Maggies Kopf spukten bereits ganz andere Bilder herum. Aufblitzende Augen in der Dunkelheit, ein flüchtiger Blick auf sonnengebräunte Haut unter einem schwarzen Cowboyhut … Und trotz der tiefen Schatten zwischen den Bäumen hatte sie seine schönen breiten Schultern gesehen. Es waren nur flüchtige Augenblicke gewesen, doch jedes Detail stand klar vor ihrem inneren Auge, deutlich und jederzeit abrufbar. Aber nicht jetzt! ermahnte sie sich ärgerlich.

Denk nicht daran.

Sie versuchte, die Erinnerung abzuschütteln und wandte sich an ihre Freundin.

„Du gibst wohl nie auf, was? Ich hab dir doch gesagt, ich bin nicht interessiert. Und falls es dir entgangen sein sollte, hab ich zurzeit ganz andere Probleme. Gerade jetzt, da Greeley sich Spence und Charlie geschnappt hat. Oder besser eingekauft hat.“

„Diese verdammten Schleimer!“, schimpfte Racy. „Und du hast gedacht, die hätten mehr Durchhaltevermögen. Was wirst du jetzt tun?“

Was würde sie tun? Sie brauchte dringend Hilfe auf der Farm. In der ganzen Stadt hatte sie bereits eine Stellenanzeige verteilt, und mit etwas Glück meldeten sich vielleicht schon bald neue Cowboys auf Crescent Moon.

„Ich werde tun, was ich die ganze Zeit getan habe: weiterkämpfen.“

„Na gut, aber nicht heute Abend. Heute sollst du dich mal amüsieren. Was du brauchst, ist ein heißer Cowboy, der dir mit seinen geschickten Händen die Sorgen aus dem hübschen Köpfchen treibt.“

„Was ich brauche, ist mehr Zeit. Ich muss nach Hause, da wartet nämlich ein riesiger Stapel Papierkram auf mich und …“

„Ach, komm schon. Heute ist Nationalfeiertag!“ Racy trank das Bier in einem Zug aus und warf den leeren Becher schwungvoll in einen Abfalleimer. „Wir feiern Amerikas Unabhängigkeit! Ganz abgesehen von unserer eigenen. Außerdem schwirren hier eine Menge schmucker Cowboys herum.“

„Vergiss es, kein Interesse.“

„Okay, pass auf. Ich such mir jetzt den nächsten Tanzpartner und rate dir dringend, dasselbe zu tun. Und dann den nächsten und den übernächsten.“ Sie zwinkerte verschwörerisch. „Was mich angeht, ich werde nicht eher nach Hause gehen, bis ich nicht mindestens im zweistelligen Bereich getanzt habe.“

Maggie sah ihrer Freundin nach, die sich den nächstbesten Cowboy schnappte und geschickt durch die Menge auf die Tanzfläche dirigierte.

„Im zweistelligen Bereich“, brummte sie. Und was, wenn man auf dem Nullpunkt verharrte?

Der Nullpunkt.

Dort befand er sich schon lange. Gleich null war auch ungefähr seine Chance, hier einen neuen Job zu finden. Hier, in diesem winzigen Nest mit dem großartigen Namen Destiny – Schicksal. Wie unpassend. Und genau der Ort, an dem man nicht landen sollte, wenn man wie er war: Ein Cowboy, den das Glück schon lange verlassen hatte.

Landon bahnte sich einen Weg über den belebten Rummelplatz. Die Sonne war bereits untergegangen und immer mehr Menschen strömten zur Festwiese. Familien und Gruppen von Teenagern standen lachend beisammen und vergnügten sich in den Spielbuden und Fahrgeschäften. Die wirbelnden Wagen der Achterbahnen spritzten buntes Neonlicht in die Dämmerung und spiegelten sich in den leuchtenden Augen der Kinder.

Er musste einem kleinen Mädchen ausweichen, das aufgeregt durch die Menge sprang und ein riesiges Plüschtier im Arm trug. Ihre Wangen glühten vor Stolz, als hätte sie etwas besonders Wertvolles gewonnen. Bei ihrem Anblick zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen. Er griff tief in seine Tasche und seine Finger schlossen sich fest um den vertrauten, ovalen Gegenstand, den er stets bei sich hatte. Seine Schritte wurden schwer. Die plötzliche Macht der Erinnerung zwang ihn innezuhalten. Seine Knie begannen zu zittern.

Doch schließlich hatte er sich wieder in der Gewalt. Schwer atmend öffnete er die Augen. Dort drüben stand der Sheriff und plauderte mit ein paar Männern. Landon tippte an seinen schwarzen Hut und zog ihn tiefer ins Gesicht. Wenn es etwas gab, was er in den letzten Monaten gelernt hatte, dann war es, dass man dem Gesetz so weit wie möglich aus dem Weg ging.

Schnell tauchte er in die duftende Gasse zwischen den Essständen. Hier roch es verlockend nach Hotdogs und süßer Zuckerwatte. Sein leerer Magen machte sich sofort schmerzhaft bemerkbar, doch Landon versuchte ihn zu ignorieren. Er hatte noch fünfzig Dollar in der Tasche. Das musste reichen, bis er einen neuen Job fand. Und indem er sich für die fremde Lady eingesetzt hatte, hatte er sich selbst mit Pauken und Trompeten um den nächsten Job gebracht.

Aber was für eine Lady!

Das honigblonde Haar und dieser reine, süße Duft. Trotz des formlosen Kleids, das sie getragen hatte, konnte man erahnen, dass sie schlank und wohlgeformt war, mit Kurven an genau den richtigen Stellen. Nun, nicht nur erahnen. Er hatte es gespürt, als ihr Körper sich an seinen geschmiegt hatte. Nicht, dass er es darauf angelegt hätte. Aber es war nun einmal passiert, und nun ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Ihr weiches Haar an seinem Kinn, ihr Körper in seinen Armen.

Wie sie ihn angesehen hatte! Da war etwas in ihrem Blick gewesen, jenseits von Furcht und Ärger, etwas wie – Sehnsucht. Bei diesem Blick hatte in seinem Kopf eine Alarmglocke geschrillt: Sieh zu, dass du wegkommst. Jetzt.

Trotzdem war er noch so lange geblieben, bis er sie in Sicherheit wusste. Er war sogar diesem Idioten gefolgt, damit der nicht auf dumme Gedanken kam und umkehrte.

Verdammt, er brauchte dringend einen Job.

Greeleys Ranch war die größte in der Gegend. Wenn dieser Mann ihm empfahl, die Stadt zu verlassen, hatte er das ernst zu nehmen. In einer kleinen Gemeinde wie Destiny hatten Großgrundbesitzer stets viel Einfluss – und viel Macht.

Landon ließ die Festwiese hinter sich und überquerte die Parkfläche. Er ging auf den hintersten Parkplatz zu, wo er seinen alten, rostigen Truck mit dem klapprigen Pferdehänger zurückgelassen hatte. Hier war es zumindest ruhiger als vorn beim Rummelplatz. Die Dunkelheit und Stille waren der einzige Komfort, den er dem Hengst gerade bieten konnte. G.W., sein Pferd und zugleich bester Freund, der geduldig im Hänger wartete. Himmel, eigentlich war G.W. sein einziger Freund. Und der Grund, warum er heute früh überhaupt den Highway verlassen hatte.

„Na, mein Junge.“ Er sprach leise mit dem Hengst, als er die rostige Tür öffnete und behutsam in den Hänger trat. „Wie geht’s deinem Bein?“

Er kauerte neben dem Tier nieder und murmelte beruhigende Worte, während seine Hände prüfend über das Vorderbein des Hengstes fuhren. Als er die Stellen um die Reisebandagen befühlte, schnaubte der Hengst unwillig und verlagerte das Gewicht.

„Ich weiß, du hasst diese Dinger, aber sie helfen gegen die Schwellung.“

Diesmal aber leider überhaupt nicht.

Vor einer Woche hatte er zum ersten Mal bemerkt, dass der Hengst lahmte. An jenem Abend hatte er seinen letzten Job verloren, mit einer sehr unerfreulichen Szene, die man besser schnell vergaß. Seither hieß es improvisieren: Sieben Tage auf der Straße, ohne feste Unterkunft oder Box für den Hengst. Sieben Tage lang nur angetaute Eisbeutel für das verletzte Bein und der Trailer wie eine lahme Entschuldigung für einen richtigen Stall, den das Tier so dringend brauchte.

So konnte es nicht weitergehen.

Drei Jobs hatte er seit seiner Freilassung angenommen, und drei Mal hatte man ihm den Laufpass gegeben. Beim ersten Mal war er noch so dumm gewesen, von seiner Verurteilung zu erzählen.

Den Fehler hatte er nicht noch einmal gemacht. Danach hatte er immer versucht, nichts von sich preiszugeben. Er hielt sich bedeckt und blieb für sich, aber früher oder später war immer etwas durchgesickert.

Sein Magen knurrte laut. In einer Ecke des Trailers bewahrte er eine Truhe auf, doch als er hineingriff, musste er feststellen, dass sie leer war. Die Eisbeutel waren auch längst nicht mehr kalt.

Er lehnte den Kopf an die Seite des Hengstes und streichelte das glatte, weiche Fell. „Ich hol mir was zu futtern und frische Eisbeutel. Bin gleich zurück.“

Ein letztes Mal strich er über den Hals des Tieres, dann verließ er den Trailer und schloss ihn sorgfältig ab. Er überquerte die Straße und betrat einen kleinen Supermarkt. Unter dem grellen Licht der Leuchtstoffröhren saß eine Frau an der Kasse und warf ihm einen aufmerksamen Blick zu.

Oder war es ein argwöhnischer Blick?

Er nickte ihr höflich zu und eilte durch den Laden. Fünf Minuten später kam er zurück und war im Begriff zu zahlen, als sein Blick auf einen zerknitterten Zettel an einer Pinnwand fiel. Die Worte „Cowboys gesucht“ erregten seine Aufmerksamkeit. Er riss den Zettel von der Wand und stopfte ihn in seine Tasche.

Verdammt, er musste den Verstand verloren haben.

Er zahlte und verließ rasch den Laden. Mit einem Sandwich, einer Flasche Mineralwasser und einem frischen Eisbeutel kehrte er zu dem dunklen Parkplatz zurück. Das Brot schmeckte alt und schal, aber zumindest überdeckte es den bitteren Geschmack, den der argwöhnische Blick der Kassiererin hinterlassen hatte.

Sicher, er sah nicht gerade taufrisch aus. Sein Haar war zu lang, und seit einer Woche hatte er sich nicht rasiert. Womöglich sah er einfach ein bisschen zu wild aus. Vielleicht begegnete man hier Fremden auch grundsätzlich mit Skepsis. In einer kleinen Stadt wie dieser musste man oft mit dem engen Horizont der Bewohner rechnen. Schließlich hatte sich die Verkäuferin den anderen beiden Cowboys gegenüber nicht so abweisend verhalten. Im Gegenteil: Die Einheimischen wurden freundlich gegrüßt. Allerdings sahen sie mit ihren gebügelten Hemden und glänzenden Gürtelschnallen so frisch und adrett aus, als hätte man sie direkt aus einem Katalog für Cowboy-Mode bestellt.

Nun, was spielte das schon für eine Rolle.

Landon verschlang das Sandwich in zwei Bissen und versuchte, die düsteren Gedanken abzuschütteln. Seit seiner Freilassung war er bemüht, möglichst wenig zu grübeln. Davor war das eine seiner Hauptbeschäftigungen gewesen. Er hatte sich den Kopf zerbrochen über Dinge, die nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten. Die der Vergangenheit angehörten. Heute zog er es vor, hart zu arbeiten. So hart, dass ihm abends nichts mehr blieb außer der gütigen Leere eines erschöpften, traumlosen Schlafes.

Aber seit einer Woche war ihm nicht einmal mehr das gegönnt.

Landon ging um den Hänger herum und führte G.W. hinaus in die Nacht. Im gelben Licht einer Laterne nahm er die Reisebandagen ab und legte den Eisbeutel um das verletzte Bein. Nachdem er sich um den Hengst gekümmert hatte, öffnete er die Wasserflasche und trank mit tiefen Zügen. Dann zog er das zusammengefaltete Papier aus der Jeanstasche und starrte lange auf die schwarzen Lettern.

„Also dann, Crescent Moon“, sagte er in die Dunkelheit, „du bist meine letzte Chance.“

Plötzlich war da etwas hinter ihm. Aus dem Augenwinkel konnte er eine Bewegung ausmachen, und schon traf ihn etwas zwischen den Schulterblättern. Ein heftiger, greller Schmerz explodierte in seinem Rücken. Sekunden später krachte er mit dem Kopf voran gegen die Wand des Trailers.

2. KAPITEL

Maggie machte sich allein auf den Heimweg, nachdem sie Willie nirgendwo entdecken konnte. Der angekündigte Sturm war nicht ausgebrochen, sodass es noch immer bedrückend schwül war und die Luft unangenehm schwer und stickig. Eigentlich wartete noch eine Menge Papierkram auf ihrem Schreibtisch, doch viel lieber hätte sie jetzt ein ausgiebiges Bad in dem großen, kühlen Teich hinter ihrem Haus genommen.

Schon stahl sich das Bild eines bestimmten Cowboys in ihre Vorstellung. Ihr Held, der nun ihretwegen in Schwierigkeiten steckte. Doch dieses Mal ließ sie es geschehen, ließ die Bilder aufkommen wie süße Versprechen, die ohnehin niemals eingelöst würden. Sie gab sich für einen Moment der Illusion hin und lächelte im Schutz der Dunkelheit.

Na gut, gestand sie sich. Vielleicht hat Racy ja recht. Vielleicht ist es schon zu lange her, dass ich

Ein schrilles Wiehern zerriss die Stille und ließ Maggies Gedanken jäh enden. Sie blieb stehen und lauschte in die Nacht. Ihr Herz raste.

Als das Pferd ein zweites Mal aufschrie, konnte Maggie deutlich die Todesangst aus dem schrecklichen Laut hören. Sie starrte an den langen Reihen der Wagen entlang ins Dunkel. Der Tumult schien vom entfernten Ende des Parkplatzes auszugehen.

Ohne nachzudenken rannte sie darauf zu.

Zuerst sah sie den Hengst. Es war ein schönes, starkes Tier mit honigfarbenem Fell, doch er schwitzte und seine Augen waren vor Panik weit aufgerissen. Er war an einem Pferdehänger festgebunden und versuchte verzweifelt, sich loszureißen. Sie streckte die Hand aus, um ihn zu beruhigen, hielt jedoch inne, als sie die drei Männer bemerkte. Nur wenige Meter von dem alten Pferdehänger entfernt rangen sie miteinander und schienen in einen erbitterten Kampf verwickelt.

Allerdings war es ein ungleicher Kampf. Maggie erkannte sofort, dass die beiden groben Kerle auf den dritten Mann einschlugen. Einer traktierte ihn mit Schlägen und Tritten, der andere hielt seine Arme fest. Trotzdem wehrte sich das Opfer mit aller Kraft und trat nach seinen Gegnern.

Einer der Angreifer wich dem Tritt aus und schlug zu. Seine Faust traf den Mann schwer ins Gesicht und ließ ihn zu Boden sinken.

Maggie schrie auf. „Hört auf! Lasst ihn in Ruhe!“

Schwer atmend fuhren die beiden Widerlinge herum und sahen sie an. Ihre Gesichter wurden von Cowboyhüten verdeckt. Endlich ließen sie den Mann los und verschwanden in der Dunkelheit. Der Mann am Boden krümmte sich vor Schmerz.

Maggie eilte zu ihm. Er lag mit dem Gesicht zur schmutzigen Erde gewandt und keuchte leise. „Geht es Ihnen gut?“

Bei dem Versuch, sich aufzustützen, stöhnte er auf. Er wollte sich aufrichten, doch ein Zittern lief durch seinen athletischen Körper. Unter dem Hemd zeichnete sich das Spiel seiner Muskeln ab. Maggie konnte den Blick nicht abwenden.

„Entschuldigung, das war eine dumme Frage. Natürlich geht es Ihnen nicht gut.“ Ihre Finger verharrten zwischen seinen Schulterblättern, nur wenige Zentimeter von seinem dunklen Haar entfernt.

„Nicht bewegen. Ich hole Hilfe.“

„Nein.“ Sein Ton war fest.

Maggie ließ sich auf die Knie sinken. Sie umschlang seinen Arm, um ihn zu stützen, doch ihre schmale Hand wirkte fast verloren auf dem muskulösen Bizeps. Sie konnte die Hitze spüren, die in kleinen Wellen von seinem Körper ausging. Trotz der schwülen Nachtluft war sie nicht unangenehm. Im Gegenteil.

„Sie sind verletzt. Bitte, lassen Sie mich Hilfe …“

„Nein.“ Diesmal duldete seine Stimme keinen Widerspruch. „Hilfe ist das Letzte, was ich brauche.“

Da erkannte sie ihn. Siedend heiß flammte die Erinnerung an seine Hände auf, an seine Arme um ihre Taille.

Autor

Christyne Butler
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