Wenn aus Verlangen Liebe wird ...

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Der Rancher Jake erfüllt nur ungern die Bitte seines Bruders: Er soll die Agentin Shelby aufnehmen, da sie bedroht wird. Wie sich Jake gedacht hat, passt die elegante Städterin so gar nicht auf seine Ranch, nur in einem harmonieren sie prächtig: Die wilden Liebesstunden mit Shelby möchte Jake nie mehr missen …


  • Erscheinungstag 28.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755768
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Verdammt!“

Jake Lattimer strich sich über den dunklen Schnurrbart und trieb das nervöse Pferd zum Stall und zu den Koppeln der Lazy L Ranch. Schwarze Wolken zogen über das Weideland von Texas. Blitze zuckten an diesem schwülen Nachmittag, Donner grollte drohend. Die Naturgewalten waren jedoch harmlos verglichen zu dem Zorn, der in Jake brodelte.

Was für ein elender, erbärmlicher Tag!

Zuerst waren zwei Rancharbeiter verschwunden, ohne vorher zu kündigen. Dabei wollte er die Impfaktion beenden, und die Heuernte sollte demnächst beginnen.

Außerdem war sein Vater zu einem Golfurlaub nach Florida gereist, angeblich um sich mit seinen zweiundsechzig Jahren von den vielen aufregenden Ereignissen zu erholen. Jake war jedoch überzeugt, dass Ben nur von der Bildfläche verschwinden wollte, bis sich nach dem Debakel seines einzigen Sohnes der Rauch verzogen hatte.

Kaum war jedoch sein Vater fort, hatten sämtliche Anwälte, Ölleute und Makler, mit denen die Lattimers zu tun hatten, wegen geschäftlicher Krisen sofortige Entscheidungen verlangt!

Darüber hinaus waren die Preise für Rinder auf einen absoluten Tiefstand gefallen. Das Vieh, das sie verkaufen wollten, würde nur die Hälfte des erwarteten Gewinns erwirtschaften.

Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, hatte das bisher schwerste Gewitter in diesem Juni keinen einzigen Regentropfen für die ausgedörrten Weiden der Lazy L gebracht, dafür aber einen hohen Preis gekostet. Die Lattimers besaßen südwestlichen von Ft. Worth und nahe Aledo über zweitausend Morgen Land. Aber der Blitz hatte selbstverständlich den einzigen Mesquite-Busch weit und breit getroffen, in dem Tinkerbell Schutz gesucht hatte. Tinkerbell war der sanfte, fünfzehntausend Dollar teure, preisgekrönte Charolais-Bulle der Ranch gewesen. Der Blitz hatte ihn in eine Tonne gegrillten Hamburger verwandelt.

Ein Cowboyhut aus weißem Stroh beschattete Jakes Gesicht, das mit jeder Minute finsterer wurde. Jake wurde in letzter Zeit dermaßen vom Pech verfolgt, dass alle diese Ereignisse genau genommen noch zu den guten Nachrichten zählten.

Zu den schlechten Nachrichten gehörte, dass er erst vor wenigen Wochen erfahren hatte, dass er adoptiert worden war. Er hatte seinen Zwillingsbruder kennen gelernt, nachdem er fünfunddreißig Jahre lang nicht die geringste Ahnung gehabt hatte. Und dieser Zwillingsbruder, Texas Ranger Zach Rawlings, hatte sich in Jakes reizende Verlobte verknallt!

Zu den allerschlechtesten Nachrichten gehörte, dass die beiden vor zwei Wochen an Jakes Hochzeitstag durchgebrannt waren. Sie hatten ihn buchstäblich im Frack vor dem Altar stehen lassen und zum Gespött der ganzen Gegend gemacht. Und ihm war nichts anderes übriggeblieben, als die unzähligen Hochzeitsgeschenke zurückzugeben.

Das war schwer zu verkraften, obwohl Jake eigentlich schon an seinen Gefühlen für die süße Georgia gezweifelt hatte. Für gewöhnlich war er ein ruhiger, zurückhaltender Mann, doch an Tagen wie diesem geriet er in eine mörderische Stimmung. Und dann war er auch nicht wählerisch, wenn es darum ging, sich an einem Opfer abzureagieren.

Jake biss die Zähne zusammen, zügelte die Rotschimmelstute am Eingang des Stalls und schwang sich aus dem Sattel. Lucy, seine Lieblingsstute, begrüßte ihn in ihrer Koppel mit einem leisen Wiehern. Eigentlich sollte sie ihr Fohlen schon längst bekommen. Was konnte denn noch alles schiefgehen?

Er schwitzte, während er das Pferd absattelte. Jetzt waren ein Whisky und ein Sprung ins erfrischende Wasser genau richtig.

Retha, seine Mutter … gut, sie war seine Adoptivmutter gewesen, aber die einzige Mutter, die er jemals gekannt hatte. Retha hatte also vor zehn Jahren darauf bedrängt, dass ein Pool gebaut wurde. Kurz danach war sie an einem Herzinfarkt gestorben. Mit der Zeit hatte der Schmerz nachgelassen, und jetzt hob sich Jakes Stimmung, als er sich an das sanfte Lächeln seiner Mutter erinnerte.

Ja, zuerst schwimmen und dann eines von Rosalitas wundervollen Steaks, die über Mesquite-Holz gegrillt wurden und …

Wie ein Blitz jagte etwas Schwarzes zwischen den Beinen der Stute durch, schlug scharfe Krallen in Jakes alte Jeans und kratzte ihm die Wade blutig. Bei Jakes Aufschrei bäumte sich das nervöse Pferd auf, Jake hechtete zur Seite, und die verstörte Stute galoppierte zu dem großen, weißen Wohnhaus hinüber. Der schwarze Teufel aber zog sich mit einem triumphierenden Miauen in den Stall zurück.

Jake spuckte Staub, kam wieder auf die Beine und fluchte wild. „Verdammt, jetzt ist es aus mit dir, du Kater!“

Er stürmte in den Stall, packte die Browning-Schrotflinte, mit der er Schlangen tötete, und lud sie. Der hinterhältige alte Kater, der dank seines gewinnenden Wesens Attila hieß, gehörte zu allem Überfluss auch noch Zach. Seit er von Ft. Worth auf die Lazy L gekommen war, um hier das Landleben zu genießen, machte er Jake das Leben zur Hölle.

Aus den Balken über Jakes Kopf ertönte verächtliches Fauchen. Schwarz wie die Hölle, hatte der Kater von zahlreichen Revierkämpfen ein abgebissenes Ohr und eine narbenübersäte Schnauze.

Jake hob das Gewehr, richtete es auf das satanische gelbe Augenpaar und spannte den Hammer. Dieser Herumstreuner hatte ein wildbewegtes Leben hinter sich, und wenn es nach Jake ging, endete es jetzt.

Doch dann erklang ein leises, verführerisches Schnurren, und Jake stöhnte frustriert.

Eine majestätische Perserkatze erschien auf dem Balken, umtänzelte Attila zierlich wie eine Primaballerina, rieb sich an ihm und schlug lockend mit dem flaumigen Schwanz.

„Ach, Elizabeth, Mädchen!“ Jake ließ das Gewehr sinken.

Unmöglich konnte er die Nachfahrin der preisgekrönten und verwöhnten Katze seiner Mutter gefährden. Und er konnte auch Attila nicht kaltblütig umbringen, nur weil er das gemeinste Vieh diesseits von Amarillo war. Seufzend sicherte er das Gewehr. Anders als sein Bruder Zach riss er kein glückliches Paar auseinander. Bestimmt wusste Attila das und verließ sich darauf.

„Das nächste Mal, mein Lieber“, drohte Jake, „bist du fällig.“

„Führst du Selbstgespräche, Jake? Zum Glück haben wir wenigstens das nicht gemeinsam.“

Jake drehte sich um und stand seinem Ebenbild gegenüber, eins neunzig groß und drahtig. An diesen Anblick würde er sich nie gewöhnen. Es war, als wäre sein Spiegelbild zum Leben erwacht.

Das waren seine schwarzen Haare unter dem schwarzen Stetson, sein Schnurrbart und seine dichten Augenbrauen. Diese dunkelbraunen Augen kannte er so gut wie das kräftige Kinn, das er jeden Morgen rasierte. Und es war sein Mund, der amüsiert lächelte.

Auch jetzt fand Jake es noch unglaublich, dass getrennt aufwachsende Zwillinge, die nichts voneinander wussten, einander so ähnlich waren. Beide hatten sie in der High School Football gespielt und die gleiche Nummer auf dem Trikot getragen. Die Übereinstimmungen reichten bis zum gleichen Rasierwasser. Zach hatte die gleichen breiten Schultern die Jake und die gleichen langen muskulösen Beine.

Äußerlich waren sie identisch, aber wenn es um Ehre und Anstand ging, waren sie verschieden wie Tag und Nacht.

Jake holte die Patronen aus der Flinte. „Du hast vielleicht Nerven, dich hier zu zeigen, Partner.“

Zach lachte leise. „Du redest wie ein Typ aus einem schlechten Western.“

„Sag, was du willst, und verschwinde!“

„Willst du mich vor Sonnenuntergang aus Dodge City jagen? Du solltest dir einen besseren Text einfallen lassen.“ Zach deutete breit lächelnd auf die Waffe. „Sieht allerdings so aus, als wärst du für den Showdown bereit.“

„Ich war nahe dran, deinen Kater in die Ewigkeit zu schicken.“

Über ihnen miaute Attila.

„Hey“, wehrte Zach ab. „Das ist nicht mein Kater!“

„Dann sollte ich mich vielleicht auf zweibeiniges Ungeziefer konzentrieren.“

Zach hörte zu lächeln auf und schob die Hände in die Hosentaschen. „Sieh mal, ich kann es dir nicht verdenken, dass du auf mich wütend bist. Aber willst du dich nicht nach Georgia erkundigen?“

Jake legte die Flinte sorgfältig auf den Ständer zurück. Um keinen Preis der Welt wollte er seinem Bruder, den er nicht leiden konnte, zeigen, wie verletzt und gedemütigt er war. „Ich habe nichts mehr mit ihr zu tun. Dafür hast du gesorgt.“

„Es bedrückt sie, dass du ihre Anrufe nicht annimmst. Sie möchte dir alles erklären und sich entschuldigen.“

„Wozu?“

„Du bist stur, weißt du das?“

„Wenn hier ein Charakter beurteilt werden soll, dann ganz sicher nicht meiner“, erwiderte Jake anzüglich. „Ehrlich gesagt hatte ich einen schlechten Tag. Also, tu mir den Gefallen und verzieh dich von meinem Grund und Boden. Ich habe dir und Georgia nichts zu sagen.“

„Ich mache sie glücklich, Jake“, sagte Zach leise.

Das saß! Jake hatte Georgia geliebt – oder es wenigstens geglaubt. Sicher, es war nicht die große Liebe gewesen. Er hatte gewusst, dass Georgia sich mehr Prickeln in ihrer Beziehung wünschte. Aber sie hatten sich wohlgefühlt, wenn sie zusammen waren, und sie waren gute Freunde gewesen. Darauf kam es schließlich an.

Schon möglich, dass er keine große Abwechslung bot und dazu neigte, Gefühle zu unterdrücken, wenn es um Frauen ging. Langweilig, flüsterte eine innere Stimme, doch er schüttelte die Selbstzweifel ab. Gemeinsam hatten sie ein gutes Leben geplant, und es hätte auch geklappt.

Doch Georgia hatte sich gegen ihn entschieden. Sie hatte ihn öffentlich auf peinlichste Weise verlassen und damit deutlich gemacht, dass er als Mann und Liebhaber ein Versager war. Das hätte er ja noch alles weggesteckt, aber dass ihm jetzt dieser Mann, sein nächster Verwandter, das auch noch unter die Nase rieb, war zuviel.

„Sei ehrlich“, verlangte Zach. „Letztlich weißt du doch auch, dass du für Georgia nicht richtig warst. Sie hatte etwas Besseres verdient – und du auch.“

„Wenn Georgia einen verlogenen, hinterhältigen Mistkerl für besser hält, hat sie bekommen, was sie wollte“, stellte Jake bitter fest. „Ich gratuliere euch beiden.“

„Jake …“

„Verschwinde, Zach.“ Jake griff nach einem Eimer mit Futter. „Wir haben dieselbe Mutter, aber ich will mit Lumpen nichts zu tun haben.“

Zach folgte seinem Zwillingsbruder zur Koppel. „Ich bin nicht hier, um Frieden zu schließen oder dich um deinen Segen zu bitten, du Dickkopf!“

Zwischen den dunklen Gewitterwolken brachen einige Sonnenstrahlen hervor. Jake pfiff, um die verängstigte Stute zu rufen, kniff die Augen gegen die Helligkeit zusammen und betrachtete seinen Bruder misstrauisch. „Was willst du dann?“

Zach zögerte. „Ich wollte dir erzählen, dass ich Dad gefunden habe … ich meine Dwayne. Meine Ahnung hat sich bestätigt. Ich wurde nicht adoptiert, zumindest nicht von meiner Mom. Abby Pickett war meine – unsere – leibliche Mutter.“

Jake wollte nicht an Dwayne und Abigail Pickett Rawlings denken. Was für Eltern gaben denn nur den einen Zwilling weg? Was hatte er als Kind an sich gehabt, dass sie sich gegen ihn entschieden? Allerdings war es ihm im Grunde egal. Das redete er sich wenigstens ein.

Als einziger Sohn eines erfolgreichen, wohlhabenden Ranchers und seiner reizenden Frau aufzuwachsen war alles andere als schlecht gewesen. Er dankte noch heute täglich seinem Glücksstern für Ben und Retha Lattimers Liebe und die Adoption, die ein damals junger Anwalt namens Tom Barnette arrangiert hatte.

Es war allerdings verständlich, dass er sich für seine Herkunft interessierte. Leider war kaum noch jemand vorhanden, den er fragen konnte. Laut Zach war Abby vor einigen Jahren gestorben. Also hatten sie beide keine Mutter mehr. Und Dwayne war ein Lastwagenfahrer, der sich gern prügelte und noch lieber trank und oft für lange Zeit unauffindbar war.

Vielleicht war es gar nicht so gut, dreißig Jahre alte Geheimnisse aufzudecken. Jake wusste jetzt, wer sein leiblicher Vater war. Wozu sollte er diesen Mann kennen lernen?

Zwischen Vorsicht und Neugierde hin und her gerissen, ging er zum Futtertrog der Koppel. „Was sagte Dwayne?“

Zach folgte ihm. „Es war eine sehr interessante Unterhaltung. Da du noch nicht das zweifelhafte Vergnügen hattest, ihn kennen zu lernen, bedeutet dir das jetzt vielleicht nichts, aber er hatte keine Ahnung, dass ich einen Bruder habe.“

„Was?“, rief Jake betroffen. Was für ein hinterhältiges Luder war denn seine leibliche Mutter gewesen, dass sie ihrem Ehemann so etwas verheimlicht hatte? „Wie ist das möglich?“

Zach lächelte ironisch. „Sehr einfach. Er ist gar nicht unser Vater.“

„Was soll denn das nun wieder heißen?“

„Dwayne Rawlings ist nicht unser leiblicher Vater. Er hat mir erzählt, dass er Mom heiratete, als ich ungefähr fünf Monate alt war.“

„Lieber Himmel, wieso denn?“

„Vermutlich liebte er sie. Du hast ihr Foto gesehen. Damals war sie hübsch wie ein Engel, und ihre Familie war sehr religiös. Großvater Pickett war Prediger. Dass sie ein Kind bekam …“

„Kinder“, warf Jake gereizt ein.

Zach nickte. „Dass sie Kinder bekam, ohne verheiratet zu sein, war einfach unmöglich. Dad … ich meine, Dwayne sagte, dass die Familie sie gewaltig unter Druck setzte. Und er versprach, ihr Kind wie sein eigenes zu behandeln. Nach der Hochzeit zogen sie weg und begannen neu.“

Zach wurde sehr nachdenklich.

„Es war keine gute Ehe, Jake, und es war auch keine gute Kindheit. Wahrscheinlich hat Dwayne sich bemüht, aber er konnte wohl nie vergessen, dass seine schöne Frau ein Kind von einem anderen Mann hatte. Und die beiden konnten nie eigene Kinder bekommen. Vermutlich verletzte das seinen männlichen Stolz.“

Jake ahnte, wie trostlos Zachs Kindheit im Vergleich zu seiner gewesen war. Trotzdem wollte er kein Mitgefühl für den Mann empfinden, der die Blutsbande verraten hatte, indem er ihm die geliebte Frau wegnahm. „Hat Dwayne gesagt …?“

„Wer unser richtiger Vater ist?“

„Ja.“

„Er weiß es nicht. Abby hat es ihm nicht verraten.“

„Er muss doch wenigstens eine Ahnung haben …“

„Vielleicht einer der Footballspieler, mit denen sie ausging. Laura hat schon eine Vorstellung, wie man der Sache auf den Grund gehen könnte. Sie lässt nicht locker, weil das zu dem großen Bericht über Adoption gehört, an dem sie arbeitet.“

Jake runzelte die Stirn. Zachs gute Freundin Laura Ramirez war Reporterin. Sie stand im Ruf, nie aufzugeben und alle Geheimnisse aufzudecken. Die Frage war nur, zu welchen Ergebnissen sie diesmal gelangen würde und ob es vielleicht besser war, diese Geheimnisse nicht anzutasten.

„Ich halte das für keine gute Idee“, sagte er vorsichtig.

„Wir müssen Bescheid wissen“, erwiderte Zach.

„Wozu? Was bringt das denn?“

„Na schön, ich will eben wissen, wer unser Vater ist.“ Zach lächelte. „Stell dir vor, dass wir unser sportliches Talent von ihm geerbt haben. Mom war Cheerleader, hübsch und beliebt.“

Jake lachte bitter. „Und sie beging hinter den Tribünen mit einem sportlichen Sexprotz den größten Fehler ihres Lebens.“

„Du kannst sie gar nicht beurteilen“, entgegnete Zach zornig. „Mom war die liebenswerteste und reizendste Frau, die ich jemals kannte, bis ich Georgia traf. Sie muss einen guten Grund gehabt haben, uns zu trennen.“

„Wahrscheinlich hoffte sie, wir würden nie zusammentreffen“, sagte Jake scharf. „Mir tut es jedenfalls leid, dass sich ihre Hoffnung nicht erfüllt hat.“

„Und mir tut es leid, dass du so denkst. Ich teile deine Einstellung nicht.“

Jake hielt dem Blick seines Bruders stand. War das eine Herausforderung oder ein Friedensangebot? Für ihn spielte es keine Rolle, weil er nichts mit Zach Rawlings zu tun haben wollte. „Möchtest du noch etwas?“

„Ich muss dich um einen Gefallen bitten“, gestand Zach.

Jake verschlug es die Sprache, dann wurde er wütend. „Du hast wohl den Verstand verloren, Rawlings! Du könntest blutend am Boden liegen, und ich würde über dich hinwegsteigen. Das weißt du!“

„Es geht nicht um mich.“ Jake riss sich den Hut vom Kopf und fuhr sich durch das Haar. „Ich wusste, dass es keine gute Idee ist.“

„Dann hau ab“, verlangte Jake.

„Hör mich doch wenigstens an“, verlangte Zach gereizt. „Ich habe ein Mädchen, das in Schwierigkeiten steckt und …“

„Was?“, schrie Jake, ließ den Eimer fallen und packte seinen Bruder am Hemd, während es über ihren Köpfen donnerte. „Du mieser Kerl! Jetzt hast du schon eine andere? Ich schwöre dir, wenn du Georgia wehtust …“

„Du hast mich falsch verstanden!“ Zach wehrte sich gegen Jakes harten Griff. „Nimm dich zusammen, Mann! Ich liebe Georgia mehr als mein Leben! Es geht um Shelby.“

„Um wen?“

„Shelby Hartman, meine ehemalige Partnerin. Sie blieb bei der Polizei von Dallas, als ich zu den Texas Rangers ging.“

Jake ließ los. „Was ist mit ihr?“, fragte er misstrauisch.

„Sie hatte einen … Unfall.“

„Was für einen Unfall?“

„Schon mal von Gus Salvatore gehört?“

„Nein“, erwiderte Jake.

„Überrascht mich nicht. Er legt keinen Wert darauf, in der Öffentlichkeit bekannt zu werden. Allerdings hat er seine Finger so ziemlich in jedem illegalen Unternehmen in der Gegend von Dallas und Ft. Worth stecken. Shelby hat sich freiwillig als verdeckte Ermittlerin gemeldet, wurde aber verpfiffen. Der Verräter sitzt wahrscheinlich in den Reihen der Polizei, aber das ist eine andere Geschichte. Salvatore wollte sie für immer zum Schweigen bringen. Zum Glück trafen im letzten Moment ihre Kollegen ein.“

„Kein Beruf für Zartbesaitete. Geht es ihr wieder gut?“

„Sie wurde aus dem Krankenhaus entlassen, aber gut geht es ihr noch lange nicht. Sie steht unter Hochspannung, Jake, und ist total verkrampft. Jetzt braucht sie einen ruhigen, sicheren Ort, an dem sie keinen Finger rühren muss und verwöhnt wird, während sie sich erholt.“

„Nicht hier“, erklärte Jake schroff.

„Es ist nur für einige Wochen.“

„Nein.“

„Verdammt, Jake, man erzählt sich auf der Straße, dass auf ihren Kopf ein Preisgeld ausgesetzt wurde. Salvatore ist untergetaucht, aber er wird nicht riskieren, dass Shelby vor Gericht gegen ihn aussagt.“

„Und du willst sie hierherbringen? Warum denn, um Himmels willen?“

„Die Ranch ist perfekt. Bei der Polizei wissen nur zwei Leute Bescheid, der Captain und ich. Hier ist es einsam und friedlich. Und wer würde mir schon zutrauen, dass ich meine ehemalige Partnerin ausgerechnet bei einem Mann unterbringe, der mich auf den Tod nicht ausstehen kann?“

„Wenigstens in dem Punkt hast du absolut recht“, bestätigte Jake. „Vergiss es! Die Lazy L ist kein Versteck, und ich bin kein Babysitter. Such dir einen anderen Dummen.“

„Versteh das doch! Entweder die Ranch oder ein von der Polizei abgesichertes Haus, und das wäre schlimmer als das Gefängnis. Wenn du mir bloß zuhören …“

„Geh zum Teufel!“, rief Jake und drehte sich um.

Zach hielt ihn fest. „Warte! Was ist denn aus der edlen, selbstlosen Säule der Gemeinde geworden? Georgia hat mir erzählt, dass du leidenschaftlich gern Hilflosen und Bedrängten hilfst. Sie hat dich in den Himmel gelobt, bis ich es nicht mehr hören konnte. Was ist aus dem Mann geworden, der noch nie seine Hilfe verweigert hat?“

Jake riss sich los. „Er hat die christliche Nächstenliebe an den Nagel gehängt, weil er vor zwei Wochen am Hochzeitstag gemerkt hat, dass er dafür nichts bekommt.“

„Ach, darum geht es also?“, fragte Zach zornig. „Einer guten Polizistin, die schwere Zeiten durchgemacht hat, würdest du schon helfen, mir aber nicht.“

„Du bist ein kluger Junge.“

„Kriegst du das nicht endlich in deinen Schädel hinein?“, schrie Zach. „Ich habe dir Georgia nicht weggenommen! Sie ist dir weggelaufen!“

Jake schlug zu, ohne nachzudenken. Seine Faust landete an Zachs Kinn, und es tat ihm verdammt gut.

Zach landete im Staub der Koppel.

Im nächsten Moment riss Zach seinen Bruder zu Boden. Sie wälzten sich hin und her, schlugen aufeinander ein und ließen dem bisher unterdrückten Zorn freien Lauf.

Zach versetzte Jake einen Schlag in die Rippen und musste dafür einen Hieb gegen die Schläfe einstecken. Sie waren gleich groß, gleich stark und gleich wütend, und sie schlugen sich in stummer Wut. Zach besaß das bessere Training, doch Jake glich das durch gerechtfertigte Empörung aus. Fäuste flogen, Stiefel scharrten über den Boden, Stöhnen erfüllte die schwüle Luft.

„Hey, das reicht! Aufhören, oder soll ich die Polizei rufen?“

Der scharfe Ruf einer Frauenstimme ließ Jake und Zach erstarren. Jake hatte seinen Bruder am Kragen gepackt und die Faust erhoben. Zach setzte soeben zu einem Haken gegen das Kinn seines Bruders an. Gleichzeitig drehten sie sich zu der Blondine um, die mit gespreizten Beinen am Eingang der Koppel stand und die Stute am Zügel festhielt.

„Lieber Himmel!“ Ihre raue Stimme erinnerte an Lauren Bacall. „Nennt ihr das friedlich?“, fragte sie und betrachtete die Männer durch die Fliegerbrille mit Goldrand.

Zach und Jake stützten sich aufeinander, als sie schwankend auf die Beine kamen. Jake schob verlegen seinen Bruder von sich, putzte den Schmutz von Hemd und Jeans und sah sich nach dem Hut um. Er kam sich wie ein Schuljunge vor, der von der Lehrerin ertappt worden war.

Diese Frau war allerdings keine sanfte Lehrerin mit einem reizenden Gesicht wie Georgia.

Sie war nicht im eigentlichen Sinn schön, doch ihr Gesicht wirkte ungewöhnlich und geheimnisvoll. Das Kinn war für eine Frau zu kräftig und störte trotzdem nicht. Das blonde Haar war von helleren Strähnchen durchzogen und reichte bis zu den Schultern. Es sah aus, als würde das Haar nur manchmal flüchtig mit den Fingern gekämmt, doch Jake erinnerte es an eine Frau nach einer langen Liebesnacht – leicht zerzaust, anziehend und verlockend. Gleichzeitig ahnte er, dass er sich nicht vom Aussehen täuschen lassen durfte.

Sie war mittelgroß, drahtig und sportlich. Die Jeans schmiegte sich um schlanke Beine und Hüften. Unter einer uralten Jeansjacke, die fast vollständig ausgebleicht war, trug sie nur ein weißes T-Shirt. Als sie die Sonnenbrille abnahm und den Bügel in den Ausschnitt des T-Shirts schob, spannte es sich über kleinen, festen Brüsten. Die Brustspitzen schimmerten dunkel durch den Stoff.

Jake holte tief Atem, als sein Körper sofort reagierte. Der Geschmack von Blut auf den Lippen ernüchterte ihn jedoch rasch, und er blickte in grüne Augen, aus denen ihn ein herausfordernder Blick traf.

Zachs linkes Auge schwoll bereits zu. Er hob seinen Hut auf und ging auf die Frau zu. „Shelby …“

Jake unterbrach ihn vorwurfsvoll. „Du hast mir nicht gesagt, dass du sie mitgebracht hast!“

„Du hast mich nicht gefragt!“, fuhr Zach ihn an und setzte den Hut auf. „Shelby, du hättest im Wagen warten sollen.“

„Ich gehöre nicht zur geduldigen Sorte.“ Sie zog am Zügel der Stute. „Und dann kam sie mir entgegen. Los, beweg dich, du dummes Stück!“

Um diese Großstadtpflanze, die offenbar von Pferden nichts verstand, vor Schaden zu bewahren, griff Jake nach seinem eigenen Hut und nahm ihr die Zügel aus der Hand. Sie wich ihm hastig aus.

Shelby Hartman wirkte verkrampft und angespannt. Der Geruch von Desinfektionsmitteln, wie sie in Krankenhäusern üblich waren, erinnerte ihn daran, was sie durchgemacht hatte. So gesehen war ihr nervlicher Zustand erklärlich. Aus der Nähe erkannte er auch die dunklen Ringe unter ihren Augen und die Spuren von Stress, die sich um ihren sinnlichen Mund eingegraben hatten.

Jake nahm der Stute das Zaumzeug ab und schickte sie mit einem Klaps in die Koppel, wo sie sich sofort über das verschüttete Futter hermachte. „Vielen Dank für Ihre Hilfe“, sagte er, ließ sie und Zach aus der Koppel treten und schloss hinter ihnen das Tor. „Tut mir leid, dass Sie sich die Mühe machen mussten, Ma’am.“

Autor

Suzannah Davis
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