Wenn ein Boss so zärtlich küsst

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Katie genießt die Stunden der Leidenschaft - und ahnt nicht, dass ihr Traum am Morgen zerplatzen wird: Nolan will keine gemeinsame Zukunft. Sie muss ihn vergessen! Das würde ihr allerdings sehr viel leichter fallen, wenn ihr Liebhaber dieser Nacht nicht auch ihr Boss wäre …


  • Erscheinungstag 25.09.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779764
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Freitagabend vor Halloween

Es wurde Zeit.

Katie Ledbetter schraubte den Deckel vom fast leeren Einweckglas, salutierte kurz und stürzte den letzten Schluck Tequila, Limettensaft, Curaçao und zerstoßenes Eis hinunter.

Wow, das brannte. Trotzdem – der Alkohol vertrieb die letzten Selbstvorwürfe, mit denen sie sich seit dem Spätsommer herumquälte.

Sie war jetzt wieder bereit für den achten Höllenkreis nach Dantes Göttlicher Komödie – auch bekannt unter der Bezeichnung Partnersuche. Zwei Monate waren jetzt vergangen – genug Zeit für ein Herz, um zu heilen, sogar für ein so ramponiertes Herz wie ihrs.

Und welcher Anlass eignete sich besser für diesen Zweck als eine Nacht, in der sich alle Menschen verkleideten und ihr wahres Ich verbargen?

Bei der jährlichen Halloweenparty im Blue Creek Saloon waren Täuschmanöver zumindest beabsichtigt. Heute Nacht durfte jeder sich als etwas anderes oder jemand anderes ausgeben, ob sexy oder witzig oder Superheld – sogar als glücklich.

Außerdem gab es da diesen schneidigen Piraten auf der anderen Seite des Saloons.

Er war Katie gleich nach ihrer Ankunft aufgefallen, auch wenn sie ihn nur flüchtig gesehen hatte. Seitdem bevölkerten noch weitere Piraten den Raum.

Doch dieser eine Freibeuter wirkte irgendwie anders.

Sogar auf die Entfernung konnte sie sein maskiertes Profil über dem hochgestellten Kragen seines Mantels und unter dem Dreispitz sein langes Haar erkennen. Der Säbelrassler wirkte allerdings ganz schön bedrückt, so, wie er in sein Bierglas starrte. Er kam ihr etwas einsam in dem Raum voller feierlustiger Menschen vor.

Tja, gleich und gleich gesellt sich eben gern und erkennt sich sofort.

„Du siehst total scharf in dem Outfit aus!“, sagte ihre Freundin Peggy Katz, die sich mit einem Drink in der Hand zu ihr stellte.

Katie, die gerade auf den Typen hatte zugehen wollen, schwankte für einen Moment auf ihren hohen Absätzen. Eine Menschentraube schob sich vor ihr Gesichtsfeld, sodass sie ihren Piraten nicht länger sehen konnte. Ihre Enttäuschung ignorierend, drehte sie sich um und stützte eine Hand in eine Hüfte. „Findest du?“

Sie hatte sich als Schurkin Harley Quinn aus dem Batman-Comic verkleidet und trug ein schwarz-rotes Korsett, Fischnetzhandschuhe und einen weiten Tüllrock. Eine blonde Perücke mit zwei Pferdeschwänzen verbarg ihr langes rotes Haar, und ihr weiß geschminktes Gesicht war mit einer schwarzen Maske bedeckt.

„Also, wenn dich noch ein Polizist, Cowboy oder Clown anmacht und mich ignoriert, dann nehme ich das persönlich.“

„Soll das ein Witz sein? Du bist eine tolle Hexe, sogar unter der verrückten orangefarbenen Perücke und dem schwarzen Umhang. Ist dir nicht zu warm darin?“

„Nein. Außerdem habe ich einiges zu verbergen. Meine Sanduhrfigur ähnelt nämlich eher diesem Einweckglas hier!“ Peggy schüttelte ihr fast leeres Glas. „Lust auf Nachschub?“

„Klar, warum nicht?“ Anders als ihrer Freundin war Katie schon ziemlich warm, aber vermutlich lag das eher an den vielen Menschen als am Alkohol, auch wenn sie ihren letzten Drink viel zu schnell geleert hatte. „Wie spät mag es wohl sein?“

Peggy zog ihr Handy aus ihrer Tasche. „Fast Mitternacht. Jetzt sag nicht, du willst schon gehen. Ich habe nur jedes zweite Wochenende die Chance, die Sau rauszulassen. Vorausgesetzt, Bruce lässt sich dazu herab, seine väterlichen Pflichten zu erfüllen.“

Dies hatte Peggys Exmann in den zwei Jahren seit ihrer Scheidung nicht oft getan, aber in letzter Zeit schien er es nachzuholen.

Katie und Peggy wollten nach der Party nebenan in der Pension übernachten, in der Peggys Schwester – sie arbeitete als Krankenschwester und weilte gerade in Brasilien – ein Zimmer gemietet hatte. Das hieß, sie konnten den Wagen stehen und die Margaritas fließen lassen.

Katie schüttelte den Kopf und reichte Peggy ihr Glas. „Ich halte durch, bis man uns rauswirft. Wir mischen uns unter die Leute und checken neue Männer, stimmt’s?“

„Hey, ich bin beim Baggern nur deine Komplizin – nicht dass du eine Wingwoman nötig hättest. Aber halt dich von den schlimmen Jungs fern.“

Katie lächelte verkrampft. „Spielverderberin.“

„Ich spreche aus Erfahrung!“

Diese Erfahrung teilte Katie. Sie war im Laufe der Jahre mit genug Typen zusammen gewesen, die zu wild gewesen waren, um von ihr gezähmt zu werden. Also hatte sie sich das letzte Mal jemanden mit einem Stern am Hemd und olivfarbenem Hut gesucht. Die Männer von den Wyoming Highway Patrols gehörten schließlich zu den Guten, oder?

„Geh schon, ich hol den nächsten Drink.“ Peggy drehte sich um. „Misch dich unter die Leute und sprich Männer an, was das Zeug hält. Ich finde dich schon.“

Katies Lächeln erlosch, als ihre Freundin in der Menge verschwand. Es war für sie kein Problem, sich unters Volk zu mischen, aber einen neuen Mann kennenzulernen, das war in Anbetracht der niedrigen Bevölkerungszahl in Destiny in Wyoming echt herausfordernd. Allerdings lagen die Städte Laramie und Cheyenne keine Fahrtstunde entfernt, und die Halloweenparty in Destiny hatte sich im Laufe der Jahre herumgesprochen.

Es würde sich hier doch wohl ein interessanter Mann auftreiben lassen, der … mehr wollte.

Obwohl Katie seit der siebten Schulklasse Beziehungen hatte, war ihr schon oft das Herz gebrochen worden. Trotzdem hoffte sie weiterhin, eines Tages jemanden zu finden, den sie liebte und der ihre Gefühle erwiderte.

Das letzte Mal war es ein stellvertretender Sheriff und alleinerziehender Vater gewesen. Genau das Richtige für sie.

Zumindest hatte sie das gedacht.

Sie hatte bei Jake alles richtig gemacht. Sie hatte drei Monate mit dem ersten Sex gewartet und noch ein paar Monate mit dem Kennenlernen seiner beiden niedlichen Töchter. Als er sie dann im Juni – kurz vor ihrem ersten Jahrestag – dazu überredet hatte, bei ihm einzuziehen, war sie davon ausgegangen, endlich am Ziel ihrer Träume zu sein. Sie hatte von einem Verlobungsring geträumt, einer Hochzeit, einem weiteren‒ gemeinsamen Kind …

In diesem Augenblick kehrte Peggy mit zwei Margaritas zurück. „Vergiss ihn. Und sag nicht, du weißt nicht, von wem ich spreche!“, fügte sie hinzu. „Ich sehe an deinem Blick, was in dir vorgeht.“

Katie trank einen großen Schluck vom Cocktail. „Ich habe nicht wirklich an ihn gedacht. Okay, du hast recht, aber bei meinem Pech mit Männern …“

„Du hast Glück mit Männern! Du hast nur noch niemanden gefunden, der das Gleiche will wie du.“

Katie schluckte. „Autsch.“

„Mir ging es vor ein paar Jahren genauso wie dir. Ich habe mir viel zu lange eingeredet, dass er sich ändern wird. Aber noch mal von vorn anfangen? Lieber nicht! Ich habe ja schon einen Mann und der reicht mir.“

Katie lächelte. Sie liebte Peggys achtjährigen Sohn mit dessen Zahnlücken, roten Locken und seiner Begeisterung für den Actionfilm Justice League über Comic-Superhelden. „Curtis ist toll, aber er zählt doch nicht.“

„Er ist das Einzige, was zählt!“

Katies Freundin hatte recht. Kinder hatten Vorrang, grundsätzlich.

Katie war so fest davon überzeugt gewesen, dass sie sich bereitwillig um Jakes drei- und fünfjährige Töchter gekümmert hatte, nachdem sie bei ihm eingezogen war. Wegen seiner Arbeitszeiten hatte sie die beiden Kinder abends oft betreut, bis er weit nach Mitternacht zurückgekehrt und nach einem gelegentlichen und, okay, ziemlich lustlosen Quickie eingeschlafen war.

Im Laufe der Zeit war alles zur Gewohnheit geworden, und Katie hatte sich eingeredet, dass das Leben nun einmal so sein musste, wenn man Kinder hatte. Von daher war sie fassungslos gewesen, als Jake ihr keine zwei Monate später mitgeteilt hatte, dass er zu seiner Doch-noch-nicht-ganz-Exfrau zurückkehren würde.

Das war Ende August passiert.

Inzwischen musste sie sich allerdings eingestehen, dass sie Jakes Töchter und deren Lachen und Zuneigung mehr vermisste als den Mann, der die Stadt verlassen hatte, kaum dass Katie in ihre Wohnung über einer leerstehenden Ladenfläche in der Stadt zurückgezogen war.

„Du hättest dir einen der Murphy-Brüder krallen sollen, als du noch die Chance dazu gehabt hattest!“, riss Peggy sie aus ihren Gedanken. „Als du dort angefangen hast, waren alle sechs noch Single.“

Katie ignorierte ihren sich beschleunigenden Herzschlag und gab ihre Standardantwort auf diese alte Leier. „Die Murphy-Brüder sind meine Vorgesetzten.“

„Nicht alle.“

„Doch, jeder hat einen Anteil an der Firma. Außerdem war Bryant schon mit Laurie zusammen, als ich vor fünf Jahren bei ihnen angefangen habe. Und Ric – na ja, der war doch gerade erst mit der Highschool fertig.“

„Als wärst du so viel älter gewesen. Du hattest gerade deinen Collegeabschluss in der Tasche.“

Das stimmte.

Katie war den Murphys bei einer Jobmesse begegnet. Nach nur einem Besuch im idyllischen Destiny und der Zentrale von Murphy Mountain Log Homes sowie im zweistöckigen Blockhaus auf der Ranch der Murphys hatte sie den Vertrag als Assistentin unterzeichnet.

Derjenige Bruder, mit dem sie das Vorstellungsgespräch gehabt hatte, war über eins achtzig groß und hatte traurige dunkle schokoladenbraune Augen – das hatte bei ihrer Entscheidung keine Rolle gespielt …

„Die Typen fallen um wie die Fliegen!“, fuhr Peggy fort. „Zwei sind schon verheiratet und kriegen bald Nachwuchs und zwei weitere haben Freundinnen in England. Bleiben also nur noch der in Übersee stationierte Ric und Nolan …“

„Spar dir die Leier, Peg, ich weiß besser als die meisten anderen, was im Leben der Murphys vor sich geht, trotz Destinys blühender Gerüchteküche.“

„Diese Gerüchteküche munkelt, dass der der einzige noch hier lebende Singlebruder nicht mehr mit der stellvertretenden Highschooldirektorin ausgeht“, flötete Peggy. „Verrätst du mir Näheres?“

Nein, das tat Katie nicht. Sie redete nicht gern über die Murphys. Schon gar nicht über Nolan.

Die sechs Brüder und deren Eltern – die Firmengründer – hatten Katie von Anfang an herzlich aufgenommen, auch wenn es Katie erst schwergefallen war zu glauben, dass die Zuneigung und Gastfreundschaft ehrlich gemeint waren. Die Murphys waren inzwischen fast so etwas wie eine Familie für sie geworden. Sie wollte das gute Verhältnis nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

„Warum ist heute eigentlich keiner von ihnen hier?“, fuhr Peggy fort.

Katie war froh über den Themenwechsel. „Den werdenden Müttern ging es nicht gut, also nehme ich an, dass ihre Männer bei ihnen zu Hause geblieben sind. Und Nolan ist auf Geschäftsreise, würde aber sowieso nicht kommen.“

„Ist er nicht …?“ Peggy verstummte und warf einen Blick auf ihr aufleuchtendes Handy. „Was zum … Das ist mein Ex! Ich wusste ja gleich, dass es zu schön ist, um wahr zu sein. Rühr dich nicht von der Stelle, ich bin sofort zurück.“

Katie schob sämtliche Gedanken an Nolan beiseite – etwas, worin sie langjährige Übung hatte. Um sich abzulenken, betrachtete sie die vielen selbst gemachten und die ebenso zahlreichen gekauften Kostüme.

Hm, vielleicht sah sie ihren Piraten ja wieder … Oh ja, da stand er!

Diesmal konnte sie ihn eingehender betrachten, auch wenn er ihr den Rücken zuwandte. Er hatte seinen Mantel ausgezogen, unter dem er ein weißes Hemd mit weiten Ärmeln und eine dunkle Weste trug. Der Hut war verschwunden, und sein langes Haar – vermutlich eine Perücke – fiel ihm auf die sexy breiten Schultern. Um den Kopf hatte er sich ein Seidentuch geschlungen.

Junge, Junge, der Freibeuter sieht aus wie direkt einem Dreimaster entsprungen.

Katie ließ den Blick zu seiner engen Kniebundhose und seinen hohen Stulpenstiefeln gleiten. Vom breiten Ledergürtel um seine feste Taille hing ein Schwert.

Hm, netter Anblick.

Der Möchtegern Captain drehte sich zu ihr um. Seine Maske war ähnlich groß wie ihre und bedeckte daher fast sein ganzes Gesicht. Katie konnte nur sein markantes Kinn und seine sexy Lippen mit einem kleinen Ziegenbärtchen darunter sehen.

Als ihre Blicke sich trafen, stockte Katie der Atem, und sie erschauerte. Wenn sie Peggy nicht versprochen hätte, sich nicht von der Stelle zu rühren, dann würde sie jetzt zu ihm gehen.

Aber vielleicht kam er ja zu ihr.

Sie hob eine Hand. Der Alkohol gab ihr den Mut, dem Piraten einen kleinen Wink zu geben, doch ein paar Nachtschwärmer versperrten ihr die Sicht. Als sie vorbeigegangen waren, war der Typ schon wieder verschwunden.

Verdammt!

Nolan Murphy beschloss aufzubrechen, sobald er sein letztes Bier ausgetrunken hatte. Er war müde, verschwitzt und genervt.

Und erstaunlich angetörnt.

Was für ein seltsamer Ausklang einer völlig verrückten Woche.

Im Blue Creek Saloon war es bullig heiß, weshalb Nolan seinen schweren Mantel ausgezogen und mehrere eiskalte Bier gekippt hatte. Letzteres auch, um zumindest für eine Weile seinen anstrengenden neuen Auftraggeber zu vergessen.

Das Projekt hätte eigentlich ein Selbstläufer werden sollen – eine Anlage mit Blockhäusern, ähnlich wie die Häuser seiner Familie auf der Ranch –, doch inzwischen war die Zusammenarbeit zur reinsten Hölle geworden. Nachdem Nolan vorhin von dem Kunden – ein Vater und seine drei anspruchsvollen erwachsenen Töchter – wieder einmal eine neue Liste mit Änderungen bekommen hatte, war er kurz entschlossen in Spokane in den Flieger gestiegen und nach Hause geflogen.

Er war nach dem Abendessen zu Hause angekommen und hatte seine Mutter nach Hause geschickt. Die hatte in seiner Abwesenheit auf seine drei Kinder aufgepasst. Doch anstatt sich einfach zu entspannen, hatte er sich von seinen Kindern dazu überreden lassen, sich ein albernes Kostüm anzuziehen und auf die jährliche Halloweenparty im Blue Creek Saloon zu gehen.

Gott sei Dank sah das Kostüm dank der Freundin seines Bruders einigermaßen passabel aus – die war Kostümdesignerin­ beim Film.

Aber der Eyeliner …

Als seine Tochter Abby darauf bestanden hatte, dass ein Pirat ohne Eyeliner kein echter Pirat war, hatte er sich von ihr das Zeug auftragen lassen – zumal es das erste Mal seit langer Zeit gewesen war, dass er und seine Sechzehnjährige sich unterhalten hatten, ohne sich zu streiten.

Die Zwillinge hatten sich ebenfalls eingeschaltet und ihn dazu überredet, sich seinen Vollbart abzurasieren und nur noch einen kleinen Ziegenbart und einen Backenbart stehen zu lassen.

Stolz auf ihr Werk hatten sie darauf bestanden, Selfies mit ihm zu knipsen, und drohten ihm im Scherz damit, die Fotos ins Netz zu stellen. Er hatte sie nur mit dem Angebot davon abbringen können, am Wochenende mit ihnen Schneemobil zu fahren – vorausgesetzt, die Wettervorhersage behielt recht. Abby, die bis Ende des Monats Stubenarrest hatte, würde er allerdings zu Hause lassen müssen.

Nolan trank einen Schluck Bier. Einerseits ließ er Abby nur ungern allein zurück, vor allem nach dem Mist, den sie letzten Monat gebaut hatte. Andererseits wollte er seine Eltern nicht schon wieder um Unterstützung bitten. Die beiden halfen ihm auch so schon mehr als genug. Eigentlich hatten sie sich inzwischen zur Ruhe setzen wollen, aber daraus wurde dank des turbulenten Liebeslebens der Brüder vorerst nichts. Alistair war wieder in die Firma eingestiegen und auch Nolan hatte mehr zu tun als je zuvor.

Seufzend trank Nolan sein Bier aus und stellte den leeren Krug auf einem Tisch ab. Er warf einen Blick auf sein Handy. Schon nach eins, und die Party war noch in vollem Gange. Es waren mehr Gäste von außerhalb gekommen als erwartet. Bisher war er nur wenigen Bekannten begegnet, die ihn jedoch nicht enttarnt hätten, wenn er ihnen nicht seine Identität verraten hätte.

Sein Kostüm schien verdammt überzeugend zu sein.

Er trank mehr oder weniger allein und wimmelte ab und zu mal eine Frau ab – natürlich ganz charmant und mit einem falschen Piratenakzent, der darauf schließen ließ, dass er zu viele Wiederholungen von Fluch der Karibik angeschaut hatte.

Und zu viel Bier intus hatte.

Nicht dass er etwas gegen Sex einzuwenden hätte. Seit seiner Scheidung vor fünf Jahren hatte er nicht gerade wie ein Mönch gelebt, aber anscheinend bekam er eine gewisse Rothaarige nicht mehr aus dem Kopf – noch ein weiterer täglicher Kampf, denn die Frau arbeitete für ihn. Für seine ganze Familie genauer gesagt, weshalb er seine Hände hübsch bei sich behalten musste. Er hatte gedacht, seine Gefühle für Katie im Griff zu haben, zumal deren letzte Beziehung endlich das Richtige gewesen zu sein schien, aber jetzt …

Nolan verdrängte diese Gedanken. Es hatte keinen Zweck, sich mit etwas zu befassen, das nur Ärger machen würde. Nicht nur ihnen, Katie und ihm, sondern auch einer Menge anderer Menschen. Wenn er …

Verdammt, schon wieder spukt sie mir im Kopf herum!

Er ballte eine Hand zur Faust und versuchte, sich auf die einzige Frau zu konzentrieren, die heute seine Aufmerksamkeit erregt hatte.

Bei deren Anblick hatte er überraschend eine Erektion bekommen.

Als er das unbestimmte Gefühl hatte, dass ihn jemand beobachtete, drehte er sich um und sah ausgerechnet sie.

Auf den ersten Blick hatte er sie für einen sexy Clown gehalten. Dann hatte er festgestellt, dass sie sich als Batman-Schurkin verkleidet hatte. Cool. In seiner Jugend hatte er immer die bösen Mädchen bevorzugt.

Er war schwer in Versuchung gekommen, auf sie zuzugehen – etwas, das ihm sonst gar nicht ähnlich sah. Als sie dann aus seinem Gesichtsfeld verschwunden war, hatte er beschlossen, sein Bier auszutrinken und zu gehen, bevor er womöglich noch irgendwelche Dummheiten machte.

Am besten rief er einen seiner Brüder an. Sich in diesem Zustand hinters Steuer zu setzen, wäre völlig verantwortungslos gewesen.

Er setzte sich seinen Dreispitz auf und bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge am Rand der Tanzfläche.

„Da bist du ja, Schätzchen!“

Etwas Warmes mit sinnlichen Kurven, das sexy nach Vanille und Limette duftete, stieß mit voller Wucht gegen ihn. Instinktiv schlang Nolan seinen freien Arm um die schlanke Taille der Frau – vor allem, um zu verhindern, dass sie beide das Gleichgewicht verloren.

Zuerst nahm er an, dass sie ihn mit jemandem verwechselte, aber dann flüsterte sie ihm ins Ohr: „Bitte spielen Sie mit.“

Ihre Stimme klang irgendwie … seltsam vertraut. „Hey, kennen wir uns …?“

Die Blondine drückte ihn rasch an sich und drehte sich um, einen Arm um seine Taille geschlungen. „Siehst du!?“, sagte sie laut und mit einem nasalen Akzent. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich mit meinem Freund hier bin. Also kannst du jetzt verschwinden!“

Nolan hatte keine Ahnung, was hier los war.

Der kostümierte Typ vor ihm sah mit seinem roten Haar und seinem gelben Jogginganzug wie ein derangierter Clown aus. Er beäugte die sich an Nolan hängende Schönheit aggressiv.

Nolan zog sie an sich und betrachtete sie etwas eingehender. Zu seiner Überraschung hielt er exakt die Lady im Arm, die ihn vorhin so taxiert hatte, die sexy Harley Quinn … mitsamt Brooklyn-Akzent, in dem eine Spur Angst mitschwang.

„Mein Captain und ich haben noch Pläne, also kannst du gehen“, lallte sie und wedelte mit einem leeren Einweckglas herum. „Kein Interesse.“

„Das war vor ein paar Minuten aber noch ganz anders!“, antwortete der Clown.

„N…nicht wirklich.“ Sie reichte das Glas an eine Kellnerin weiter. „Wollte mir nur die Zeit vertreiben.“

Der Typ machte ein finsteres Gesicht und ging einen Schritt auf sie zu. „Ich lass mich doch nicht von einer betrunkenen Schlampe an der Nase herumführen …“

„Das reicht, Kumpel!“, sagte Nolan mit einem falschen britischen Akzent und schob sich zwischen den Clown und die Lady. „Die Kleine ist schon vergeben. Also verzieh dich.“

„Und wenn nicht? Willst du mich dann zum Duell herausfordern, Captain Kangaroo?“

Das Schwert an Nolans Gürtel war zwar nur eine Requisite, konnte aber ganz schön Schaden anrichten. Trotzdem wollte Nolan sich nicht in einen Kampf verwickeln lassen.

Er hatte keine Ahnung, wer dieser Typ war. Er kam anscheinend nicht von hier. Die Frau vermutlich genauso wenig, aber es war offensichtlich, dass sie nichts mit diesem Clown zu tun haben wollte.

„Jetzt verschwinde schon endlich!“ Miss Quinn griff nach Nolans Weste und presste sich wieder an ihn … Das fühlte sich verdammt gut an. „Komm mit, Käpt’n Jack. Lass uns tanzen.“

Tanzen war das Letzte, wonach Nolan gerade zumute war – nach einer Schlägerei verlangte es ihn jedoch noch viel weniger. Er war einfach zu alt und ausgelaugt für solchen Blödsinn.

Also folgte er der schönen Unbekannten auf die Tanzfläche und beobachtete, wie der genervte Clown in der Menge verschwand. Jetzt wäre der passende Zeitpunkt, sich von dem beschwipsten und sehr sexy bösen Mädchen in seinen Armen zu verabschieden, aber aus irgendwelchen Gründen ließ ihn sein gesunder Menschenverstand im Stich.

Er schob es auf den Alkohol und zog Harley Quinn an sich.

2. KAPITEL

„Nicht gerade Sinatra, aber immerhin.“ Hingebungsvoll schmiegte Katie sich an den harten Körper des sexy Piraten. Hoffentlich klang sie immer noch wie die Schurkin aus Brooklyn, als die sie sich verkleidet hatte.

Dieser Typ hier war ihr im Grunde genauso fremd wie der Idiot von Clown gerade eben. Ihr Bauchgefühl sagte ihr zwar, dass sie dem Freibeuter vertrauen konnte, aber trotzdem …

„Halt dich fest, Seemann. Es könnte stürmisch werden.“

„Glaubst du nicht …“

Das Gefühl seiner warmen Arme um sich genießend, legte sie ihm eine Fingerspitze auf die Lippen. „Kein Gegrübel, kein Reden, keine Namen. Nur tanzen.“

Nolan verstummte und zog sie lächelnd an sich.

Zufrieden nahm sie ihre Hand weg und ließ sie über seinen weichen Ziegenbart und die in seinen Backenbart geflochtenen Perlen gleiten. Langsam strich sie ihm über den Adamsapfel und das Schlüsselbein, bevor sie die Hand auf seine Brust legte. Sie konnte seinen raschen Herzschlag spüren.

Sich in die Arme eines Fremden zu werfen, war zwar vermutlich keine gute Idee, aber der Idiot im Clownskostüm hatte sie einfach nicht in Ruhe gelassen. Dabei hatte sie noch nicht einmal mit ihm geflirtet.

Nachdem Peggy vor einer Stunde zu ihrem plötzlich erkrankten Sohn gefahren war, hatte Katie noch ein paar Margaritas gekippt und war gerade auf dem Weg nach draußen gewesen, als der Joker sich ihr in den Weg gestellt hatte.

Wer hätte gedacht, dass der einzige Typ, der heute ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, genau dann auftauchen würde, wenn sie ihn am meisten brauchte?

Der Captain war groß gewachsen. Sie schmiegte eine Wange an seine weiche Lederweste und spürte seinen muskulösen Bizeps unter den langen Strähnen seiner eindrucksvollen Dreadlockperücke. Tief einatmend, genoss sie seinen frischen sauberen Geruch mit einem Hauch Aftershave.

Autor

Christyne Butler
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