Wollen Sie mich heiraten?

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Verzweifelt steht Jenny vor der Wedding Chapel in Las Vegas, als eine starke Hand sie von hinten festhält. Sie dreht sich um - und sieht in die Augen von sexy Mick Tarantelli. Ist er ihr Retter? Wird er sie noch in diesem Sommer heiraten und den Familienfluch brechen?


  • Erscheinungstag 11.01.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787738
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die Braut trug Tupfen.

Elvis Pailletten.

Der Kopfgeldjäger Jeans.

Und der Bräutigam Handschellen.

Jenny Blake umklammerte die Plastikstiele ihres Brautbuketts, das aus Papiergardenien bestand, ein bisschen fester und starrte ihren Bräutigam an. So kurz vor dem Ziel, dachte sie. Wäre der Kopfgeldjäger nur fünf Minuten später auf der Bildfläche erschienen, wäre sie verheiratet gewesen.

Doch jetzt war alle Mühe vergebens. Sie richtete ihren Blick auf den Mann, der sich als Mick Tarantelli, von Beruf Kopfgeldjäger, vorgestellt hatte. Ein großer schlanker Mann mit nachtschwarzem Haar und Augen, die noch dunkler wirkten. Er hatte ihren Bräutigam so fest im Griff, dass Jenny klar war, dass er nicht die Absicht hatte, ihn so bald wieder loszulassen.

Aus den Lautsprechern über ihren Köpfen, die hinter überdimensionalen Bildern verborgen waren, die den King, festlich gewandet in schwarzem Samt, zeigten, ertönten die Klänge von „Hunka-Hunka burnin’ Love“ und füllten die kleine Kapelle. Reverend Elvis Throckmore signalisierte seiner Frau mit wilden Gebärden, die Musik abzustellen.

Elvis Presley wurde brutal mitten im Lied das Wort abgeschnitten, und das Grüppchen, das sich in der Love Me Tender Wedding Church versammelt hatte, starrte einander an.

„Sorry, Honey“, sagte Jennys verhinderter Bräutigam schließlich. „Aber ich fürchte, die Hochzeit ist verschoben.“

„Für wie lange?“, hörte sie sich fragen.

„Schätzungsweise …“ Der Kopfgeldjäger unterbrach sich und umfasste den Ellbogen des Bräutigams fester. „Fünf oder zehn.“

„Jahre?“, fragte Jenny und starrte in die schwarzen Augen.

„Nein“, entgegnete er. „Minuten.“

Sie erkannte Sarkasmus, wenn er ihr begegnete, und normalerweise war sie durchaus schlagfertig. Aber im Augenblick war Jenny zu sehr damit beschäftigt, sich selbst zu bemitleiden.

Es war alles ihre Schuld. Wie üblich hatte sie es bis zur letzten Minute auf die lange Bank geschoben. Wenn sie schon vor Monaten angefangen hätte, sich darum zu kümmern, wäre das nicht passiert. Aber wer hätte gedacht, dass es so schwierig sein würde, einen Ehemann zu finden?

„Ach, seien Sie nicht so“, versuchte der Bräutigam sein Glück, „lassen Sie mich ihr wenigstens noch einen Abschiedskuss geben.“

Jenny trat instinktiv einen halben Schritt zurück.

Tarantelli registrierte es und hob leicht eine schwarze Augenbraue. „Ich glaube nicht, dass die Lady interessiert ist.“

„Natürlich nicht“, sagte Jenny kurz angebunden. „Wir haben uns ja eben erst kennengelernt.“

Reverend Elvis Throckmore schüttelte leicht den Kopf und schnalzte missbilligend mit der Zunge.

Der Kopfgeldjäger straffte sich, legte dem Bräutigam wie zufällig eine Hand auf die Schulter und schaute Jenny an. „Sie kennen ihn nicht?“

Sie befingerte nervös die papierenen Blütenblätter ihres Brautbuketts, während sie den Mann, den sie fast geheiratet hätte, mit einem Blick aus den Augenwinkeln streifte und angesichts des knallroten Sportsakkos, das er über einem pinkfarbenen Hemd trug, das praktisch bis zum Bauchnabel offen stand, peinlich berührt zusammenzuckte. In dem schwarzen Haar, das seine Brust bedeckte, glitzerte eine fünfreihige Goldkette.

Als ihr Blick zu den wulstigen Lippen und den kleinen grünen Augen weiterwanderte, gelang es Jenny kaum, einen Schauder zu unterdrücken.

Kennen? Wenn sie dem Mann in einer dunklen Seitenstraße begegnet wäre, hätte sie mit ihrer Handtasche wild um sich geschlagen und wäre schreiend in die entgegengesetzte Richtung davongerannt. Dabei könnte sie jetzt schon mit ihm verheiratet sein.

„Nein“, sagte sie schließlich. „Ich kenne ihn nicht.“

Der Kopfgeldjäger schaute auf seinen Gefangenen hinunter und sagte: „Himmel, Jimmy. Ich habe dich anscheinend wirklich unterschätzt. Jetzt reißt du schon wildfremde Frauen auf, um sie zu heiraten. Die wievielte ist das? Nummer sechs?“

„Acht“, korrigierte Jimmy und rückte sich stolz sein Revers gerade.

„Acht?“, wiederholte Jenny.

„Oh ja.“ Mick Tarantelli schaute sie an. „Jimmy ist sozusagen ein Profi-Bräutigam.“

„Ach du Schreck.“

„Problematisch ist nur“, fuhr er fort, „dass Jimmy nichts von Scheidung hält, stimmt’s, Jimmy?“ Tarantelli packte den kleineren Mann am Revers und zog ihn auf die Zehenspitzen.

„Scheidungen“, protestierte Jimmy mit erstickter Stimme, „sind die Geißel Amerikas. Alle lassen sich heutzutage scheiden. Ich trage nur meinen Teil dazu bei, dass das anders wird, das ist alles. Irgendjemand muss schließlich die Moral hochhalten.“

Tarantelli lachte.

„Er ist ein Bigamist?“, fragte Jenny ungläubig. Gab es in Las Vegas wirklich so viele Frauen, die verzweifelt gern verheiratet wären? Sie hatte geglaubt, sie wäre die einzige.

„Unter anderem“, erwiderte der Kopfgeldjäger.

Daraufhin drehte er sich um und strebte, einen protestierenden Jimmy im Schlepptau, auf den Torbogen, der zum Ausgang führte, zu.

„Das macht vierzig Dollar, junge Frau.“

Jenny riss den Blick von ihrem entschwindenden Bräutigam los und schaute den Priester an.

Als er ihr die Hand hinstreckte, brach sich das Licht in den Pailletten auf seinem weißen Anzug.

„Aber es gab doch gar keine Hochzeit.“

„Das spielt keine Rolle“, erklärte er, sich mit der Linken das pomadisierte Haar glatt streichend. „Sie bezahlen für die Zeit und die Benutzung der Kapelle.“

In Elvis’ Augen trat ein harter Glanz, den die Augen des echten Elvis nie gezeigt haben würden, dessen war Jenny sich sicher. Aber sie hatte keine Zeit, sich herumzustreiten. Sie kramte in ihrer winzigen roten Vinylhandtasche, um nur wenige Sekunden später zwei Zwanziger herauszukramen, die sie dem Reverend wortlos in die Hand drückte.

Bevor er sein gemurmeltes „Danke, danke vielmals, vielen Dank“ zu Ende gebracht hatte, war sie schon aus der Tür und rannte hinter Mick Tarantelli und seinem Gefangenen her.

Ein Kopfgeldjäger, dachte sie verwundert. Wer hätte geglaubt, dass solche Leute wirklich existierten? Das letzte Mal hatte sie einen Kopfgeldjäger in einem Film mit John Wayne gesehen.

Kopfschüttelnd schloss Mick die Wagentür auf, half einem mit Handschellen gefesselten Jimmy auf den Vordersitz, achtete darauf, dass die Verriegelung unten war, und warf die Tür zu. Jimmy war ihm heute schon einmal entwischt, ein zweites Mal würde ihm das nicht passieren.

Während er um den braunen Sedan herumging, vernahm Mick das Geklapper von Stöckelabsätzen, das näher kam. Er verzog das Gesicht und schaute auf die Uhr. Acht Uhr abends. Seit neun Uhr heute Morgen war er schon auf den Beinen und suchte nach Jimmy Baldini, „Jimmy, die Lippe“ genannt, und jetzt war er hundemüde. Zu müde, um sich die Klagen einer verhinderten Braut anzuhören.

Ganz besonders nicht einer, die nicht einmal intelligent genug war, um zu kapieren, was für ein Glück sie gehabt hatte.

„Mister!“, rief sie von Weitem. Mick stöhnte. „Tut mir leid“, fuhr sie ein wenig atemlos fort, nachdem sie sich zu ihm gesellt hatte, „aber ich kann mich nicht mehr an Ihren Namen erinnern.“

„Tarantelli“, sagte er. „Mick Tarantelli.“

„Ach ja, natürlich.“

Sie stand dicht vor ihm, und Mick schaute ihr in ihre großen blauen Augen. Hübsch, dachte er flüchtig. Viel zu hübsch für einen wie Jimmy.

Kaum war ihm der Gedanke durch den Kopf geschossen, rief Mick sich zur Ordnung. Es spielte keine Rolle, wie hübsch sie war. Sie ging ihn nichts an, und dabei würde es auch bleiben.

„Hören Sie, Lady“, sagte er düster, „ich bin hundemüde und hungrig und schlecht gelaunt.“ Nachdem er die Arme über der Brust verschränkt hatte, fügte er hinzu: „Und nicht in der Stimmung, mir irgendwelchen Liebeskummer anzuhören.“

„Und wie wär’s, wenn wir vernünftig miteinander reden?“

Mick hob die Augenbrauen. War anscheinend nicht so leicht von etwas abzubringen, die Lady. Er musterte sie genauer. Sie war klein, aber durchaus wohlproportioniert, alles war am rechten Fleck. Kurven wie ein Las-Vegas-Showgirl, dachte er. Nur mit ihrem Geschmack, was ihre Kleidung anbelangte, schien es etwas zu hapern.

Das rote Kleid mit den riesigen weißen Tupfen war nicht gerade ein Hit, aber es war hübsch anzusehen, wie es sich über ihrem prächtigen Busen spannte. Der Saum hörte in der Mitte der Oberschenkel auf und gab den Blick auf kurze, allerdings wohlgeformte Beine frei. Dann registrierte er ihre schwindelerregend hohen Absätze. Sie war noch kleiner, als er gedacht hatte.

„Haben Sie genug gesehen?“, fragte sie.

Langsam hob er den Blick. „Fürs Erste.“

Sie verzog leicht das Gesicht, dann zwang sie sich zu einem kleinen Lächeln. „Mr Tarantelli …“, begann sie.

„Mick.“

„Mick.“ Sie nickte und legte die Hände fest an die Hüften. „Ich möchte Ihnen nur erklären …“

„Hören Sie, Lady, Sie brauchen mir nichts zu erklären.“ Genau gesagt hoffte er, dass sie ihm nichts erklären würde. Er wollte nicht mehr wissen, als er ohnehin schon wusste. Entschlossen ging er um sie herum und schloss die Fahrertür auf. „Es interessiert mich nicht, warum Sie Jimmy, die Lippe, heiraten wollen.“

„Die Lippe?“

Widerwillig lachte er auf. „Sie kennen ihn wirklich nicht, stimmt’s?“

„Das hab ich bereits gesagt.“

Ein heißer Wüstenwind wirbelte ihren kurzen Rock so hoch, dass Mick nichts anderes tun konnte, als von fünfzig rückwärts zu zählen, um sich wieder daran zu erinnern, worum es hier eigentlich ging.

„Mr … äh … ich meine, Mick“, sagte sie schnell, „ich will Ihnen nur erklären, warum es für mich so wichtig ist, dass Sie mir gestatten, Mr Lippe zu heiraten, ehe Sie ihn mitnehmen.“

„Was?“ Ihre Bemerkung brachte ihn aus der Fassung. Er starrte sie verdutzt an. War so etwas möglich? Brachte sie nicht einmal das Wissen, dass Jimmy ein Bigamist war, von ihren Plänen ab?

Mick beobachtete, wie der Wüstenwind in ihrem kinnlangen honigblonden Haar spielte und ihr eine goldene Strähne ins Gesicht wehte. Sie hob eine Hand und strich sie sich aus dem Auge, wobei er widerwillig ihre anmutigen Bewegungen registrierte. Wie feingliedrig diese Hand war.

Sofort verdrängte er diesen Gedanken.

„Sagen Sie, haben Sie noch alle Tassen im Schrank, Lady?“

„Ich heiße Jenny, Jenny Blake.“ Sie streckte ihm die rechte Hand hin.

„Also gut, Jenny Blake“, begann er, nachdem er ihr die Hand geschüttelt hatte, mit in die Ferne gerichtetem Blick, um nicht in Versuchung zu geraten, wieder auf ihre Brüste zu schauen. „Statt so eine dämliche Bitte zu äußern, sollten Sie mir lieber dankbar sein, dass ich Sie vor einer Riesendummheit bewahrt habe.“

„Sie verstehen mich nicht.“

„Falsch, Jenny Blake“, konterte er und stützte sich mit einem Ellbogen auf das staubige Dach seines Wagen auf. „Sie verstehen mich nicht.“ Mit einer Kopfbewegung auf den Vordersitz fuhr er fort: „Der gute Jimmy da drin hätte Sie geheiratet und mit Ihnen die Hochzeitsnacht verbracht, und sobald es hell geworden wäre, hätte er sich mit Ihrem ganzen Hab und Gut aus dem Staub gemacht.“

Sie wurde so rot, dass es Mick sogar trotz des herrschenden Zwielichts nicht verborgen blieb. Unglaublich. Eine Frau, die noch erröten konnte. Und ausgerechnet sie hatte sich von allen Männern, die in Las Vegas herumliefen, Jimmy als Ehemann auserkoren.

„Es gibt keine Hochzeitsnacht“, sagte sie.

„Da haben Sie verdammt recht. Es gibt tatsächlich keine.“

„Mr Tarantelli, Sie verstehen mich nicht.“

„Wieder ins Schwarze getroffen, Honey. Ich verstehe Sie wirklich nicht.“ Er straffte die Schultern, legte die Hand auf den Türgriff und machte die Tür auf. „Aber das ist auch besser so, denn ich will Sie gar nicht verstehen.“ Mit einem Blick über die Schulter in ihre Richtung fügte er hinzu: „Und jetzt werde ich Jimmy der Polizei übergeben, falls Sie nichts dagegen haben. Und dann gehe ich schlafen.“

„Aber Sie können ihn nicht mitnehmen.“

Was ging ihn das alles an? Es war nicht seine Schuld, wenn diese verrückte Frau wirklich um jeden Preis eine Laus wie Jimmy heiraten wollte. Und es war gewiss nicht seine Schuld, dass ihn ihr Gesichtsausdruck an alle verzweifelten Kinder in sämtlichen Lassie-Filmen, die er je gesehen hatte, erinnerte.

Zähneknirschend riss er seinen Blick von ihr los, stieg in seinen Wagen und knallte entschlossen die Tür zu. Je eher er nach Hause kam, desto besser. Er kurbelte sein Fenster hinunter, legte den Ellbogen auf den Rahmen und sagte ruhig: „Auf Wiedersehen, Jenny Blake.“

Dann schaltete er in den Rückwärtsgang, warf einen Blick über die Schulter und stieß zurück.

„Oje, T…“, brummte Jimmy.

„Du hältst die Klappe“, fuhr Mick ihn ungnädig an. „Wenn du mir heute Morgen nicht abgehauen wärst, wäre es überhaupt nicht so weit gekommen.“

„Aber, T…“, versuchte der andere erneut sein Glück.

„Genug, Jimmy.“ Mick warf seinem Gefangenen einen kurzen Blick zu. „Gott allein weiß, wie du auch nur eine einzige Frau finden kannst, die bereit ist, dich zu heiraten, aber ich gehöre nicht zu deiner Fangemeinde. Also stopf dir jetzt mal für eine Weile eine Socke rein, verstanden?“

Jimmy zuckte die Schultern, aber er schwieg.

Mick seufzte und stieß noch ein Stück weiter zurück. Dann drehte er sich um, legte den Vorwärtsgang ein, schaute durch die Windschutzscheibe und fluchte.

„Ich hab die ganze Zeit versucht, es Ihnen zu sagen.“ Jimmy lachte, hörte jedoch sehr schnell auf, als Mick ihm einen bösen Blick zuwarf.

Mick schaltete auf Parken, stieß die Tür auf und war mit einem Satz draußen. Der Motor tuckerte schnell vor sich hin, und Micks Zorn kochte mit derselben Geschwindigkeit hoch. Er stemmte die Fäuste in die Hüften und schaute auf die Frau hinunter, die über seiner Kühlerhaube hing.

2. KAPITEL

Jennys Finger umklammerten den Scheibenwischer. Um nicht abzurutschen, krallte sie sich mit der rechten Hand in die Ritze der Motorhaube, während sie, unter sich den vibrierenden Motor, mit gekrümmtem Rücken, die Knie angezogen und mit hin und her wackelndem Kopf über der Haube hing.

Schwer schluckend starrte sie zu Mick Tarantelli auf. Obwohl sie ihn nicht genau erkennen konnte, weil sie von dem vibrierenden Motor so durchgeschüttelt wurde, spürte sie doch, dass er wütend war. Na wenn schon, sie hatte sich den Abend auch anders vorgestellt.

„Was, zum Teufel, haben Sie sich dabei gedacht?“, herrschte er sie an.

„Ich wollte Sie aufhalten.“

„Warum?“

„Weil ich heiraten muss.“

Als er nicht gleich antwortete, begann sie nervös an ihrer Unterlippe herumzukauen. In seine braunen Augen trat ein nachdenklicher, fast mitfühlender Ausdruck. In Jenny keimte ein Hoffnungsfunke auf. Vielleicht würde am Ende doch noch alles gut werden. Vielleicht war der Kopfgeldjäger ja doch nicht ganz herzlos. Bestimmt würde er einsehen, wie wichtig diese Hochzeit für sie war. Sie musste es ihm nur erklären.

Oh Himmel, zweifellos war die Idee, Jimmy, die Lippe, zu heiraten, nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen. Aber ihr lief die Zeit davon, sie hatte keine andere Wahl.

Obwohl, meldete sich eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf, zählt eine Ehe mit einem Bigamisten überhaupt?

Jenny runzelte die Stirn und schob den ärgerlichen Gedanken energisch beiseite. Eine Ehe war eine Ehe. Nirgendwo stand geschrieben, dass es eine gute Ehe sein musste.

Mick Tarantelli schien zu einer Entscheidung gelangt zu sein, denn er bückte sich jetzt, steckte den Kopf in die Fahrertür, und gleich darauf erstarb der Motor. Jenny seufzte erleichtert auf, wenngleich sie sich noch immer nicht von der Stelle rührte. Sie war wild entschlossen, ihren Platz erst dann zu verlassen, wenn sie dem Kopfgeldjäger das Versprechen abgepresst hatte, ihren Bräutigam erst nach der Trauung zu entführen.

Nachdem er den Motor ausgemacht hatte, wandte sich Mick ihr wieder zu und starrte auf sie hinunter. Jenny spürte plötzlich, wie ihr der Mund trocken wurde. Was für ein herrliches Braun seine Augen hatten! In der Kapelle waren sie einfach nur dunkel gewesen, aber hier draußen, im Zwielicht, hatten sie die Farbe alten teuren Cognacs angenommen.

„Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“, fragte er plötzlich.

„Hmmm?“

„Sie hätten mir gleich etwas von dem Baby sagen sollen.“

„Baby?“

„Himmel noch mal, Sie sollten in Ihrem Zustand wirklich nicht auf einer Kühlerhaube herumklettern“, sagte er ungehalten, streckte die Hände nach ihr aus und zog sie von dem Wagen herunter. „Am Ende tun Sie sich noch weh.“

Als sie mit den Füßen auf dem Schotterbelag aufkam, wäre Jenny fast hingefallen. Sie griff Halt suchend nach seinen Unterarmen, und nachdem sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, ließ sie ihn rasch los und straffte die Schultern. Er duftete nach Old Spice und nach noch etwas anderem, das sie nicht sofort einordnen konnte.

Old Spice. Sie hatte diesen Duft immer geliebt, aber heutzutage benutzte ihn kaum ein Mann mehr, weil auch in der Männerwelt die französischen Düfte auf dem Vormarsch waren.

Zu Mick Tarantelli schien Old Spice jedoch zu passen. Vielleicht lag es nur daran, dass die alten Werbespots ihr Gehirn einer Gehirnwäsche unterzogen hatten, aber er erinnerte Jenny an die verwegenen Männer, die sie immer mit diesem Rasierwasser assoziiert hatte.

Jetzt fing sie wirklich an herumzuspinnen. Höchste Zeit, damit aufzuhören.

„Sie sollten nicht so hohe Schuhe anziehen“, sagte Mick.

„Warum nicht?“, fragte sie mit Blick auf die achteinhalb Zentimeter hohen Absätze ihrer Sandaletten, die sie sich vorige Woche gekauft hatte.

„Nun, wegen des Babys natürlich. Das weiß schließlich jeder, dass Schwangere flache Schuhe tragen sollen. Damit sie nicht das Gleichgewicht verlieren.“

Vollkommen lachhaft, dachte Jenny. Als ob Schuhwerk etwas mit der Gesundheit einer schwangeren Frau zu tun hätte. Dann erst ging ihr ein Licht auf.

Schwanger?

„Von was für einem Baby reden Sie eigentlich?“, fragte sie.

„Na, von Ihrem.“

„Von meinem?“ Jenny schlug sich mit der Hand auf ihr freizügiges Dekolleté. „Ich bekomme kein Baby.“

„Aber sicher.“

„Na hören Sie mal, das muss ich ja wohl besser wissen, oder?“

„Und was sollte das dann, dass Sie heiraten müssten und so?“

Er ragte buchstäblich über ihr auf. Jenny war vorher nie in die Verlegenheit gekommen, dieses Wort benutzen zu müssen, doch jetzt gab es keine andere Vokabel, um zu beschreiben, was dieser große, zornige Kopfgeldjäger tat. Er war wirklich furchtbar groß.

Sie legte den Kopf leicht schräg und begegnete furchtlos seinem Blick. „Ich sagte, dass ich heiraten muss. Aber ich habe nicht gesagt, dass ich wegen eines Babys heiraten muss.“

„Na gut, und weswegen dann?“

„Wegen meiner Großmutter.“

Eine Sekunde verrann, dann zwei, dann drei. Jenny wartete.

Mick winkte entnervt ab. „Vergessen Sie’s, Lady. Ich will es nicht wissen.“

„Aber Sie müssen mich anhören“, forderte sie und folgte ihm, als er sich anschickte, wieder in sein Auto einzusteigen.

„Nein, das muss ich nicht. Und versuchen Sie bloß nicht noch mal, auf diese verdammte Kühlerhaube zu klettern. Diesmal könnte ich nämlich Gas geben.“

Mit diesen Stöckeln zu rennen war ein Fehler. Jenny wurde es in dem Moment klar, in dem sie mit dem Absatz in einem Loch hängen blieb. Gleich darauf landete sie auf dem heißen staubigen Asphalt. Sie hatte es in letzter Sekunde geschafft, ihren Sturz mit den Händen abzubremsen, sonst wäre sie aufs Gesicht gefallen, aber die winzigen Schottersteinchen bohrten sich schmerzhaft in ihre Handflächen und ihre Knie.

„Oh, um …“

Sie spürte es mehr, als dass sie sah, wie er sich bewegte. Dann waren seine Hände auf ihren Hüften, er hob sie auf und stellte sie wieder auf die Füße. Er ließ sie nicht gleich los, und Jenny ignorierte geflissentlich die Wärme, die seine Fingerspitzen an ihrer Taille ausströmten.

„Sind Sie okay?“, fragte er.

„Ich denke schon.“ Sie trat einen Schritt zurück, schaute auf ihre Knie und stöhnte. Ihre schwarzen, mit Glitzersteinen besetzten Strümpfe waren zerrissen, sodass ihre aufgeschürften blutenden Knie durchschimmerten, und ihre Handflächen sahen nicht besser aus.

Ehe sie sich’s versah, hatten sich ihre Augen mit Tränen gefüllt. Sie blinzelte heftig dagegen an. Heute klappte aber gar nichts. Und es war alles ihre Schuld.

Mick seufzte und fragte: „Wo steht Ihr Auto?“

„Ich habe keins“, erwiderte sie und rieb sich mit dem Handrücken über die Nase.

„Na prima.“ Er hielt inne, dann fragte er: „Wo wohnen Sie? Ich rufe Ihnen ein Taxi.“

„Ich will kein Taxi. Ich will heiraten.“ Ihre Knie begannen zu pochen, und ihre Handflächen fühlten sich an, als wäre sie mit der Käsereibe darübergefahren.

„Ihr Bräutigam hat andere Pläne“, entgegnete er. „In welchem Hotel wohnen Sie?“

Sie schniefte, beugte sich vor und zog ihre ruinierten Strümpfe von den abgeschürften Knien ab. „Im Sindbad.“

„Tz!“

Jenny richtete sich abrupt auf. „Was ist denn jetzt schon wieder?“

„Sie wollen Jimmy Baldini heiraten und wohnen im Sindbad?“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Lady, wenn Sie so weitermachen, werden Sie noch böse Scherereien bekommen.“ Entschlossen ergriff er ihren Ellbogen und zerrte sie auf die hintere Wagentür zu, wobei er in sich hineinmurmelte: „Ich sollte Sie wirklich in Ihrem eigenen Saft schmoren lassen. Machen Sie doch, was Sie wollen. Was geht es mich an, wo Sie wohnen? Himmel, ich kenne Sie nicht mal.“

Jenny zuckte bei jedem Schritt zusammen, so weh taten ihre Knie.

„Aber dann würde ich Sie wahrscheinlich heute Nacht irgendwann in den Nachrichten sehen“, fuhr er wie zu sich selbst fort. „‚Touristin mit aufgeschrammten Knien in einem Zimmer von Sindbad’s Sin Shop ermordet aufgefunden worden.‘ Nein. Das kann ich unmöglich zulassen.“ Mick zuckte die Schultern. „Ich würde vor Gewissensbissen nicht einschlafen können, und Sie haben ja gehört, dass ich hundemüde bin.“

Er riss die Tür auf und forderte sie mit einer Handbewegung auf einzusteigen.

„Sindbad’s Sin Shop?“, fragte Jenny, ohne sich von der Stelle zu rühren.

„Eine der schlimmsten Kaschemmen in Las Vegas“, gab er mit feierlichem Ernst zurück.

„Heute Morgen kam es mir durchaus seriös vor.“

„Sicher doch. Das Ungeziefer kriecht auch erst mit Einbruch der Dunkelheit aus den Löchern.“ Er deutete mit dem Kopf auf das Auto. „Da brauchen Sie sich nur den guten Jimmy anzuschauen.“

„Hey!“, ertönte eine eindeutig beleidigte Stimme.

„Du hältst die Klappe!“, blaffte Mick unfreundlich.

Jenny schaute zu ihm auf und beobachtete, wie ihm der Wüstenwind das dunkle Haar zerzauste. In seinem weißen T-Shirt, den Bluejeans und den schon leicht ramponierten Cowboystiefeln wirkte er vollkommen ungezwungen.

Autor

Maureen Child

Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal.

Ihre liebste...

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