Zärtlich getröstet

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Zuerst scheint der Defekt des Fahrstuhls mehr eine amüsante Unterbrechung ihres Büroalltags zu sein: Sharon und der attraktive John, den sie nur flüchtig kennt, unterhalten sich prächtig. Doch als sich auch nach Stunden noch nichts tut - zudem jetzt das Licht ausgeht, gerät Sharon in Panik. Zärtlich versucht John sie zu beruhigen. Und plötzlich - beide wissen hinterher nicht mehr, wie es geschah - lieben sie sich voller Leidenschaft. Minuten, die ihr ganzes Leben verändern …


  • Erscheinungstag 29.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759162
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Kane Haley lehnte sich in seinem Sessel zurück. Seine Gedanken wanderten zu der bevorstehenden Lunchverabredung. Zuvor hatte er jedoch noch eine kleine Angelegenheit zu erledigen, dann …

Eine Stimme am anderen Ende der Leitung unterbrach seine Überlegung. Bereits seit einigen Minuten war sein Anruf in der Warteschleife, und er wurde allmählich ungeduldig. „Hören Sie, Mr. Haley, es tut mir leid.“

„Ich verstehe nicht ganz. Was tut Ihnen leid?“

„Ihre Spermienspende, die bei unserer Samenbank deponiert wurde, ist versehentlich verwendet worden“, sprudelte der Mann hervor.

Kanes Sessellehne stellte sich ruckartig auf. Langsam sagte er: „Wollen Sie damit sagen, mein Baby sei im Besitz einer unbekannten Frau?“ Er hob die Stimme. „Irgendeiner …? Wer ist es?“

„Wir sind nicht befugt, Ihnen darüber Auskunft zu geben. Aber es passierte, weil die Frau zu den Angestellten Ihrer Firma zählt. Aus diesem Grund zweifelte unser Mitarbeiter auch nicht, dass sie gerade Ihre Spende wünschte. Sollten Sie aufgrund dieses Versehens irgendwelche Unannehmlichkeiten haben, bitten wir um Entschuldigung.“

„Unannehmlichkeiten? Irgendwelche …? Verflixt. Nennen Sie mir den Namen der Frau.“

„Das dürfen wir nicht, Mr. Haley. Eine Anzeige wäre uns sicher.“

Was Kane wenig interessierte. Zum Teufel, vielleicht sollte er persönlich die Firma verklagen. Zu der Spermienspende hatte er sich bereit erklärt, weil sein bester Freund, Bill Jeffers, an Krebs erkrankt war und sich einer Strahlentherapie unterziehen musste. Zuvor wollte er seine eigenen Spermien für die Zukunft sichern. Um ihn zu unterstützen, hatte Kane ihn zur Samenbank begleitet. Der diensthabende Arzt schlug Kane vor, selbst auch eine Spermienspende zu hinterlassen, falls sich herausstellen sollte, dass die Spermien seines Freundes nicht zu verwenden waren.

Heute hatte Kane erfahren, dass die Frau seines Freundes schwanger geworden war … auf natürliche Weise. Grund genug für Kane, sofort die Samenbank aufzufordern, seine Spermienspende zu vernichten.

Zu spät.

„Aber Sie dürfen mir sicher mitteilen, wann das passiert ist?“

„Erst kürzlich. Doch wie gesagt, ich bin nicht befugt, weitere Informationen zu erteilen. Vielen Dank.“

Danach ertönte das Amtszeichen. Was nun? Sollte Kane Maggie bitten …? Nein, er hatte keine Lust, mit seiner unglaublich tüchtigen Sekretärin dieses Problem zu erörtern, die an ihren Boss ebenso hohe Ansprüche stellte wie an sich selbst. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er ihr eingestehen sollte, so sorglos mit seinen Spermien umgegangen zu sein.

Gut, diese Angelegenheit musste er also selbst in die Hand nehmen. Ich werde mir meine weiblichen Angestellten anschauen, beschloss er, und herausfinden, welche ein Kind erwarten.

Um dann nach dem Namen des Vaters zu fragen?

Eine solche Frage konnte er unmöglich stellen. Nein, nein! Dazu fehlte ihm die Berechtigung.

In diesem Moment klopfte es an seiner Bürotür. Maggie trat ein. „Gehen Sie zum Lunch aus?“

„Ja, … oh ja. Aber ich …“ Endlich kam ihm die rettende Idee. „Ich muss Sie etwas fragen, Maggie. Wissen Sie, wer von unseren weiblichen Angestellten schwanger ist?“

Maggie starrte ihn an und nickte. „Ja, das weiß ich.“

„Verstehe. Unterstützen wir sie auf irgendeine Weise?“

Maggie blinzelte und errötete. „Wir bieten ihnen an, für ärztliche Leistungen aufzukommen.“

„Ach so. Ich überlege, ob wir nicht mehr tun sollten. Einen Kinderhort aufmachen, zum Beispiel. Ich las neulich einen Artikel, in dem es hieß, dass es sich für eine Firma auszahlt, wenn sie ihre Mitarbeiter auch in privaten Angelegenheiten unterstützt.“

„Tatsächlich?“

„Ja. Dann werde ich mich also morgen nach den Wünschen unserer schwangeren Angestellten erkundigen. Dafür benötige ich aber eine Namensliste.“

„In Ordnung.“

„Sie können mir die Liste beschaffen?“ Wie immer war Kane von der Kompetenz seiner Sekretärin fasziniert.

„Ich werde mein Bestes tun.“ Maggie legte Kane einen Stapel Unterlagen auf den Schreibtisch, bevor sie sich zum Gehen wandte.

Morgen. Morgen würde Kane wissen, wer im Besitz seines Babys war.

1. KAPITEL

Sharon Davies ging zu den Fahrstühlen. Dabei gab sie sich sicher und selbstbewusst, als sei ihr Leben vollkommen in Ordnung, ruhig und glücklich.

Sie hatte einen guten Job bei der Kane Haley AG, einer stark wachsenden Steuerberatungsgesellschaft in Chicago. Sie liebte ihre Arbeit, besaß eine großartige Familie, draußen schien die Sonne, und heute Morgen hatte sie zu Hause einen Schwangerschaftstest gemacht.

Als sich eine der Fahrstuhltüren öffnete, zögerte Sharon einen Moment, aber dann schubste sie jemand von hinten an. „Nun machen Sie schon, Lady. Ich hab ’ne Menge auszuliefern.“

„Entschuldigung“, murmelte Sharon und trat beiseite. „Gehen Sie nur vor. Ich nehme den nächsten.“

Zusammen mit anderen Passanten betrat der Bote den Aufzug und blickte Sharon an. „Kommen Sie schon. Es ist Platz genug.“

„Nein. Nein, ich … ich kann nicht.“ Sharon trat einen Schritt zurück.

Er sah sie an, als sei sie nicht ganz bei Verstand. Mag sein, dachte sie, andererseits gibt es sicher nicht viele Menschen, die von sich behaupten können, in einem Fahrstuhl schwanger geworden zu sein. Nämlich in genau diesem hier.

Die Tür schloss sich, und Sharon blickte auf ihr Spiegelbild in der Tür. Sie sah absolut nicht aus wie eine Frau, die schnelle Männerbekanntschaften suchte. Sie trug ein graues wollenes Kostüm mit einer lila Seidenbluse, deren Knöpfe bis auf den obersten alle geschlossen waren. Der Rock war schmal geschnitten, hatte jedoch eine moderate Länge. Die Schuhe mit den flachen Absätzen trugen auch nicht dazu bei, die Blicke der Männer auf sich zu ziehen.

Vor zwei Monaten hatte sie auch nicht anders gewirkt. Aber heute, nach einem chaotischen Morgen, an dem ohnehin schon alles falsch lief, kam sie zu spät zur Arbeit. Sie hasste Aufzüge. Aber der Gedanke, die Treppe zum sechzehnten Stock hinaufzusteigen, war auch nicht gerade verlockend. Nichts gegen Gymnastik, aber so verrückt war sie nun auch wieder nicht.

Der nächste Aufzug wartete. Sharon atmete tief durch und betrat die Kabine. Sie kreuzte die Arme vor der Brust. Niemand sollte merken, wie stark ihre Hände zitterten. Dann lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die Wand und schloss die Augen. Sofort sah sie Jacks Gesicht vor sich – allerdings wirkte es heute nicht beruhigend auf sie.

Ihr war eher nach Weinen zumute. Sie riss die Augen wieder auf und blinzelte mehrmals. Sie wollte nicht weinen.

Die Tür öffnete sich in der obersten Etage, wo sich Sharons Büro befand. Rasch verließ sie den Aufzug, setzte ein freundliches Lächeln auf, um ihre männlichen Kollegen zu begrüßen, während sie zu ihrem Schreibtisch eilte. Dort fühlte sie sich sicherer. Nicht, dass man ihr die Schwangerschaft ansehen würde. Noch nicht. Als Erstes wollte sie sich jedoch einen Termin bei ihrer Frauenärztin geben lassen.

Sie nahm den Telefonhörer auf und wählte die Nummer ihrer Arztpraxis. Nach einem kurzen Gespräch legte sie wieder auf. Morgen früh um neun Uhr! Zumindest diese kleine Angelegenheit wäre geregelt.

Anschließend machte sie sich auf den Weg zum Büro ihres Chefs. Andrew Huffman stellte so etwas wie eine Vaterfigur für sie dar, seit ihr Vater Sharons Mutter und seine vier Kinder verlassen hatte. Sharon war die Älteste.

Der Kampf, der auf die Trennung ihrer Eltern folgte und noch andauerte, erinnerte Sharon jeden Tag daran, dass sie den Männern – jedenfalls den meisten – nicht trauen durfte. Immerhin konnten ihre Geschwister das College besuchen. Sharons Mutter arbeitete hart, und seit dem vierzehnten Lebensjahr trug auch Sharon zum Lebensunterhalt der Familie bei.

Mit achtzehn Jahren, gleich nach der Highschool, hatte Sharon in der Kane Haley AG angefangen. Dabei hatte sie das Glück, in der Abteilung von Andrew Huffman arbeiten zu dürfen. Andy ermutigte sie, sich durch die Weiterbildungskurse der Firma und durch Abendkurse weiterzuqualifizieren. Mit dieser Zusatzausbildung konnte sie dann Zug um Zug auch größere Verantwortung übernehmen.

Erst im August dieses Jahres hatte sie ihr Diplom gemacht, und Andy war darüber nicht weniger erfreut als sie selbst. Als sie jetzt an seine Bürotür klopfte, wusste sie, dass er im Rollstuhl hinter seinem Schreibtisch saß. Obwohl er kurz vor seiner Pensionierung stand, verfügte er noch immer über die Energie eines jungen Mannes.

„Herein.“

„Andy? Morgen früh habe ich einen Arzttermin. Ich werde also nicht vor zehn oder halb elf hier sein. Geht das in Ordnung?“

„Sicher. Haben Sie Probleme?“

„Nein. Ich will nur sichergehen in einer Sache.“ Ohne die Bestätigung eines Arztes wollte sie niemandem von ihrer Schwangerschaft erzählen. Diese Heimtests erschienen ihr doch nicht ganz zuverlässig.

„Okay. Vielleicht habe ich ja schon nächste Woche gute Nachrichten für Sie – bezüglich Ihres eigenen Projektes.“ Andy lächelte verschmitzt.

Sharon versuchte, Begeisterung zu zeigen. „Tatsächlich? Wissen Sie schon Genaueres?“

„Das darf ich noch nicht verraten. Machen Sie einfach so weiter wie bisher.“

Sharon ging an ihren Arbeitsplatz zurück. Sie und Andy hatten schon mehrmals darüber geredet, dass sie ein Projekt in eigener Regie übernehmen sollte. Solange sie noch kein Diplom hatte, konnte er ihr eine solche Verantwortung nicht übertragen, aber er hatte versprochen, sie würde diese Chance jetzt bekommen.

Gestern noch wäre sie vor Freude in die Luft gesprungen.

Heute zweifelte sie, ob sie den Job überhaupt schaffen konnte.

Sharon konnte kaum noch der Versuchung widerstehen, ihre Freundin Jennifer Martin anzurufen. Jen war Leiterin der Krankenversicherung. Sie war es auch, die Sharon auf die Idee mit dem Heimtest gebracht hatte. Als Sharon einmal beim Lunch über Müdigkeit und gelegentliche Schwindelgefühle klagte, hatte Jen sogleich gemeint, sie höre sich an, als ob sie schwanger sei.

Beide hatten lachen müssen, denn Jen kannte sich aus. Einen Monat, nachdem ihr Verlobter bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, hatte Jen herausgefunden, dass sie ein Baby erwartete.

Aber Jen ahnte nicht, dass sie Sharon zu dem Test inspiriert hatte, denn sie wusste nichts von dem Vorfall im Fahrstuhl. Außer Sharon und Jack wusste niemand etwas davon.

Wenn sie doch bloß wüsste, wer Jack war.

„Der Test war korrekt, Miss Davies. Sie sind in der achten Woche schwanger. Ihr Baby entwickelt sich gut. Ich sehe keinerlei Probleme. Trotzdem möchte ich Ihnen noch einige Vitamine verschreiben und einen genauen Untersuchungsplan aufstellen.“

Die ältere Frau im weißen Kittel lächelte Sharon an, während sie sich auf der Patientenkarte Notizen machte. „Nun, wie heißt der Vater?“

Sharon blickte sie an. Seit sie vor acht Jahren bei der Kane Haley AG angefangen hatte, kam sie zu Dr. Norman in die Praxis. Sie befand sich im selben Gebäude wie Sharons Arbeitsplatz, und das war überaus praktisch.

„Oh. Ich gebe keinen Vater an.“ Ruhig legte Sharon die Hände im Schoß zusammen.

„Sie wissen nicht, wer der Vater ist?“, fragte Dr. Norman in scharfem Ton.

„Ich weiß, wer er ist, möchte den Namen aber nicht in meinen Papieren nennen. Es ist mein Baby, und ich werde für es sorgen.“

„Ach so. Er ist verheiratet.“ Die Ärztin presste die Lippen aufeinander.

War Jack verheiratet? Sharon glaubte es nicht, war sich ihrer Sache aber nicht vollkommen sicher. Als er sie im Fahrstuhl in seinen Armen hielt und zärtlich liebkoste, redeten sie zwar miteinander und vertrauten sich die intimsten Abschnitte ihres Lebens an. Dabei hatte er ihr auch von seiner Frau und dem ungeborenen Sohn erzählt, die bei einem Autounfall vor acht Jahren ums Leben gekommen waren.

Über sein Leben heute hatte Jack ihr eigentlich gar nichts erzählt. Vielleicht, weil sie sich auf eine intime Weise nahe waren und berührten, die seiner jetzigen Situation nicht angemessen war. Aber Sharon war so verängstigt gewesen und hatte in ihrer Panik geglaubt, sterben zu müssen, dass sie am liebsten mit ihm verschmolzen wäre.

„Miss Davies? Sharon? Ist alles in Ordnung?“, fragte die Ärztin.

„Ja. Warum?“

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich fragte, ob Ihre Familie … Vielleicht haben Sie ja finanziell keine Probleme, da Sie versichert sind, aber eine Geburt ist auch eine emotionale Angelegenheit. Wird Ihre Familie Ihnen helfen?“

„Ja, meine Familie wird für mich da sein.“

„Ich muss Ihnen dennoch anraten, den Vater zu nennen, selbst wenn Sie nicht mehr mit ihm zusammen sind. Er hat das Recht, über seine zukünftige Vaterschaft informiert zu werden.“

Sharon blickte geradeaus. Selbst wenn sie Jack die Folgen ihrer seltsamen Fahrstuhlfahrt mitteilen wollte, war ihr nur bekannt, dass er Jack hieß. Kein Familienname. Sie war nicht einmal sicher, ob sie ihn wieder erkennen würde. Bevor der Aufzug stecken blieb, hatte sie den Mann nicht einmal angesehen. Und dann ging ja das Licht aus …

An seinen Geruch erinnerte sie sich. Ein wundervoller männlich herber Duft, frisch und aufreizend zugleich. Sharon hörte auch noch seine Stimme, dieses sexy Murmeln, mit dem er sie tröstete und faszinierte und die Gefahr vergessen ließ.

Nur seinen Namen, den kannte sie nicht.

„Ich möchte Ihnen empfehlen, einen Mütterkursus zu besuchen. Aber dort brauchen Sie einen Partner.“ Als Sharon nicht antwortete, fuhr sie fort: „Sie können auch allein hingehen, aber mit einem Freund würden sie sich wohler fühlen.“

„Gut. Wann soll ich mit dem Kurs beginnen?“

„Nicht vor dem fünften Schwangerschaftsmonat. Hier gebe ich Ihnen noch Literatur zu Ihrer weiteren Information. Wenn Sie noch Fragen haben, rufen Sie die Schwester an.“

Die Ärztin erhob sich und reichte Sharon die Unterlagen und ein Rezept.

„Vielen Dank, Dr. Norman.“

Sharon ging, steckte die Unterlagen aber in ihre Handtasche für den Fall, dass ihr jemand aus ihrem Büro über den Weg lief. So lange wie möglich sollte niemand etwas erfahren. Bis ihr Körper sich so verändert haben würde, dass es nicht mehr zu verbergen war.

Die Arztpraxis befand sich im zwölften Stock. Sharon nahm die Treppe. Bis zu ihrer Firma, die ihre Büros vom vierzehnten bis zum sechzehnten Stockwerk hatte, war es nicht weit. In der kleinen Cafeteria, die sich im fünfzehnten Stock befand und auch als Aufenthaltsraum für die Angestellten diente, wollte sie eine Pause machen, statt direkt wieder an die Arbeit zu gehen.

Einige ihrer Freundinnen winkten Sharon zu, und sie eilte zu ihnen.

„Hi, Sharon. Setz dich zu uns.“ Obwohl Maggie die Assistentin des Firmeninhabers Mr. Haley war, gab sie sich nicht anders als die anderen Freundinnen von Sharon.

„Ich hole mir eben noch einen Saft“, erwiderte Sharon.

Als sie an den Tisch zurückkehrte, fragte Lauren Conner: „Und was ist mit deiner üblichen Sodawasser-Diät?“

„Oh, ich kämpfe gegen eine Erkältung an. Ich brauche Vitamine.“

„Ich hätte eigentlich Lust auf Kuchen“, meinte Maggie. „Aber in meinem Alter merke ich schon, dass alles, was man isst, Wirkung zeigt. Es ist so unfair.“

Sowohl Lauren als auch Sharon lachten. Sie waren Mitte zwanzig, aber Maggie war schon dreiunddreißig.

„Ich glaube, Maggie, dir bleiben noch ein paar Jahre“, versicherte Sharon.

„Das will ich hoffen, aber ich brauche meine ganze Energie, um mit Kane Schritt zu halten.“

Jennifer Martin betrat die Cafeteria und gesellte sich sofort zu ihnen. „Hi. Tut mir leid, dass ich so spät komme. Der Big Boss hatte noch einige Fragen an mich.“ Sie blickte Maggie an. „Wusstest du davon?“

Maggie verspeiste weiter ruhig ihre Weintrauben. „Meinst du die Kinderbetreuung, die im Gespräch ist?“

„Ja.“

Sharon richtete sich in ihrem Stuhl auf. „Kinderbetreuung?“, fragte sie nach.

Jen und Maggie nickten.

Lauren klatschte in die Hände. „Wie schön für dich, Jen. Das wird dir riesig helfen, nicht wahr?“

„Es wäre toll“, stimmte Jen zu. „Als Kane mich darauf ansprach, glaubte ich zu träumen.“

Jen war seit mehr als sieben Monaten schwanger, hatte ihre Schwangerschaft aber bis vor Kurzem erfolgreich geheim gehalten. „Selbst wenn das Projekt noch Zukunftsmusik ist, kann man sich doch schon auf eine großartige Neuerung freuen.“

„Kane hatte diese Idee bestimmt erst kürzlich. Er sagte, ein Zeitungsartikel habe ihn darauf gebracht“, erläuterte Maggie. „Heute Morgen gab ich ihm eine Liste mit den Namen aller schwangeren Angestellten. Ich habe aber nur diejenigen angeführt, die ihre Schwangerschaft bereits angegeben haben.“

Jen kicherte. „Vor Staunen hätte ich beinahe meine Schwangerschaft ausposaunt. Ich habe mich natürlich beherrscht. Kane ist entschlossen, diesen Gedanken mit einem Komitee zu diskutieren. Matt Holder und ich sind mit dabei. Eine Frau, die bald niederkommt und ein eingefleischter Junggeselle. Wer immer die anderen Mitglieder sein werden, ich hoffe nur, sie haben bereits Erfahrung mit Babys.“

„Nun, Kane selbst gehört dann ja wohl nicht dazu. Er ist geschieden und hat keine Kinder“, betonte Maggie.

„Faszinierend, dass er auf die Idee gekommen ist, nicht wahr?“, meinte Sharon. „Er ist eben ein sehr guter Arbeitgeber.“

„Ja. Das ist er wirklich“, stimmte Maggie lebhaft zu.

Alle vermuteten, dass Maggie in ihren Boss verliebt war. Sie würde es aber niemals zugeben, und keiner käme auf den Gedanken, sie darauf anzusprechen.

Sharon trank ihren Saft aus und erhob sich. Sie wusste, sie musste über viele Probleme nachdenken. „Ich mache mich jetzt lieber an meine Arbeit. Ich war heute noch gar nicht im Büro. Wir sehen uns.“

Damit eilte sie fort, bevor sie Dinge ausplauderte, die sie eigentlich für sich behalten wollte. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden hatte sich ihr Leben derart verändert, dass es ihr nicht leicht fiel, alles allein zu verarbeiten.

„Alles in Ordnung?“, fragte Andy, sobald Sharon sich zurückmeldete.

„Ja, bestens. Hab ich irgendetwas verpasst?“

„Nein, nur Arbeit, und davon habe ich Ihnen noch etwas aufgehoben.“ Andy lächelte verschmitzt.

Sharon erwiderte sein Lächeln. Auf dem Weg zu ihrem Schreibtisch grüßte sie die anderen Mitarbeiter. Sie war so dankbar, in der Abteilung für besondere Projekte zu arbeiten. Alle waren so freundlich. Das war natürlich Andy zu verdanken, der immer ein liebenswürdiges Lächeln für jeden hatte.

Nun war es sicher: Sie war schwanger. Sharon hatte sich schon immer Kinder gewünscht. Der Gedanke an eine Ehe konnte sie aber nicht begeistern. Glücklicherweise lebte sie in einer Zeit, in der Frauen sich nicht dem Zwang einer ungewünschten Ehe beugen mussten, weil sie das Pech hatten … Nein, solchen Gedanken wollte sie sich nicht weiter hingeben. Sie schätzte sich glücklich. Es gab so viele Frauen, die nicht schwanger werden konnten.

Auch wenn die Ärztin empfahl, den Vater zu nennen, sie würde es nicht tun. Immerhin hatte Jack damals das Krankenhaus verlassen, ohne Kontakt zu ihr aufzunehmen. Nach ihrer Rettung aus dem Fahrstuhl waren sie in zwei Krankenwagen zum nächsten Krankenhaus gebracht worden. Zwar erkundigte sich Sharon nach der Untersuchung und späteren Entlassung nach Jack, die Schwester konnte ihr aber nur mitteilen, dass er bereits gegangen war.

Offensichtlich war er nicht der Meinung, dass er Sharon etwas schuldete, und wollte auch nichts weiter mit ihr zu tun haben. Das war eindeutig.

Sie versuchte, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, und schob die trüben Gedanken beiseite. Sieben Monate blieben ihr noch, sich auf ihre Rolle als alleinerziehende Mutter einzustellen. Zu gegebener Zeit würde sie diese Probleme anpacken.

Nach dem Lunch läutete das Telefon. Andy bat Sharon in sein Büro.

Er nannte Sharon seine rechte Hand, und es war nicht ungewöhnlich, dass er sie in sein Büro kommen ließ, um bestimmte Angelegenheiten mit ihr zu besprechen. Deshalb dachte sie sich auch diesmal nichts dabei.

Aber als sie die Tür öffnete, sah sie den Firmenchef Kane Haley am Fenster stehen. Die lächelnden Mienen der beiden Männer überzeugten Sharon, dass sie keine unangenehme Überraschung zu befürchten hatte.

„Guten Tag, Mr. Haley. Was kann ich für Sie tun, Andy?“

„Nehmen Sie Platz, Sharon.“ Andy deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Sharon folgte seiner Aufforderung. Andy blickte Kane an.

„Sie arbeiten bereits seit acht Jahren bei uns, Sharon“, begann Kane. „Andy schwärmt immer in den höchsten Tönen von Ihnen. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass das Unternehmen Ihre Arbeit auch offiziell würdigt.“

„Meine Liebe, er versucht, Ihnen zu erklären, dass Sie nun den Titel Stellvertretende Direktorin Sonderprojekte führen. Mit einer angemessenen Gehaltserhöhung, selbstverständlich.“

Sharon blieb der Mund offen stehen. Dieser Posten war seit mehreren Jahren unbesetzt, und Andy hatte gesagt, er hielte ihn für überflüssig.

„Ich? Ich werde befördert? Mit einer Gehaltserhöhung?“ Plötzlich war ihr Kopf voll von all den Ausgaben, die sie nach der Geburt auf sich zukommen sah. Wie gut das passte! Ohne zu wissen, um wie viel es ging, war sie total begeistert.

„Oh, vielen Dank, Andy. Und vielen Dank, Mr. Haley. Ich verspreche, ich werde hart arbeiten.“

„Das tun Sie ja jetzt schon, meine Liebe“, lobte Andy. „Sie wollen es doch nicht übertreiben. Oder muss ich befürchten, dass Sie hinter meinem Job her sind?“

Als Sharon protestieren wollte, brachte er sie lachend zum Schweigen.

„Nun, wie schön, dass ich bei der Beförderung dabei sein konnte, Sharon“, freute sich Kane. „Glückliche Angestellte sind immer eine gute Motivation.“ Er löste sich vom Fenster und streckte Sharon eine Hand entgegen.

Sharon stand auf und nahm seinen Glückwunsch entgegen.

An der Tür blieb Kane noch einmal stehen. „Oh, ehe ich es vergesse, Andy: Wissen Sie, ob sich in Ihrer Abteilung einige Frauen befinden, die ein Baby erwarten?“

2. KAPITEL

Sharon sank in ihren Stuhl zurück. „Himmel, meine Knie zittern richtig vor Aufregung“, erklärte sie rasch.

„Gut.“ Kane nickte. „Mir gefällt Ihre Begeisterung.“ Dann blickte er fragend zu Andy. „Nun?“

„Nicht dass ich wüsste.“ Kanes Frage hatte Andy überrascht. „Michelle hat gerade Babyurlaub. Ihr Baby kam vor sechs Wochen. Wann wird sie wohl zurückkommen, Sharon?“

„Am nächsten Montag.“

„Was Michelle betrifft, so bin ich informiert“, sagte Kane. „Aber mir scheint, einige Frauen halten ihre Schwangerschaft so lange wie möglich geheim. Dabei würde die Kinderbetreuung umso mehr Nutzen bringen, je mehr Frauen in unserer Firma schwanger sind. Warum erzählen sie es bloß nicht?“

Sharon blinzelte und versuchte, sich in ihrem Stuhl ganz klein zu machen. Sie wollte zu dieser Diskussion nichts beitragen.

„Vermutlich befürchten sie, eine Schwangerschaft könnte ihrer Karriere schaden“, gab Andy stirnrunzelnd zu bedenken.

„Meinen Sie?“, fragte Kane. „Ich will aber nicht, dass meine Angestellten aus einem solchen Grund bestraft werden. Was sagen Sie dazu, Sharon?“

„Ich? Oh. Nein, ich glaube nicht, dass Frauen bestraft werden, wenn sie … Familie haben.“

Sharon wusste genau, warum sie ihr Geheimnis bewahrte. Sie war Single, und das würde Anlass zu Fragen geben. Allerdings hatte sie die Absicht, ihr Geheimnis bald zu offenbaren.

Auch Jen, die nicht verheiratet war, steckte in einer ähnlich peinlichen Situation. Während Kane und Andy sie erwartungsvoll anblickten, sagte sie: „Vielleicht hat die eine oder andere keinen Ehemann. Dann wird es problematisch.“

„Ja“, stimmte Kane ihr zu. „Aber wie reagiert eine Frau, die sich ein Kind wünscht und sich an eine Samenbank wendet? Würde sie ihre Schwangerschaft auch verbergen?“

Sharon fand, dass Kane sie noch eindringlicher ansah als zuvor. Was ging hier vor? „Ich weiß es nicht“, sagte sie leise.

Kane seufzte. „Ich auch nicht.“ Er sah zu Andy. „Teilen Sie mir bitte mit, wenn Sie von neueren Schwangerschaften erfahren, okay?“

„Sicher.“

Nachdem Kane hinausgegangen war, schwiegen Andy und Sharon einen Moment. Dann seufzte Andy. „Das war merkwürdig, nicht?“

„Ja.“ Sharon fühlte sich noch immer angespannt.

„Hier sind die Unterlagen, Ihre Beförderung und Gehaltserhöhung betreffend. Sehen Sie alles durch. Wir sprechen später darüber.“ Andy lächelte sie an.

Autor

Judy Christenberry

Judy Christenberry war nicht immer eine Autorin, aber schon immer eine Träumerin. Sogar als Kind hat sie sich selbst Geschichten erzählt, in denen sie stets die Heldin war. Aber erst mit 38 Jahren, ein Jahr nach dem völlig unerwarteten Tod ihres Vaters, schrieb sie ihre erste Romance. Denn damals wurde...

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