Schweig still, verräterisches Herz!

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Es soll die Hochzeit des Jahrhunderts werden: Von Geburt an ist Miss Elin Morris dem Duke of Baynton versprochen. Reichtum, Einfluss und ein äußerst attraktiver Gatte - bei diesen Aussichten sollte Elin eigentlich vor Glück im siebten Himmel schweben. Doch insgeheim schlägt ihr Herz noch immer für einen Mann aus ihrer Vergangenheit: Lord Benedict Whitridge, den Bruder ihres Verlobten! Ihn muss sie unbedingt vergessen, bevor sie zum Altar schreitet! Aber ausgerechnet kurz vor der Hochzeit taucht Benedict wieder in London auf. Gegen ihren Willen entfacht Elins verbotenes Verlangen erneut …


  • Erscheinungstag 29.09.2017
  • Bandnummer 98
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768195
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Pamela Jaffee

Ich habe auf das richtige Buch gewartet,
um es Dir zu widmen, und hier ist es nun.

Auch wenn keine Katzen darin vorkommen.

Hätte daran denken sollen,
Katzen aufzunehmen.

*** Notiz fürs nächste Buch! ***

Zu Ehren von

Miss Elin Morris

und ihren Eltern Mr. und Mrs. Fyclan Morris

bitten Sie

Gavin Whitridge, Duke of Baynton, und

Marcella, Dowager Duchess of Baynton,

am Dienstag, den 11. April 1809, zum Ball.

Der Tanz beginnt um 22.00 Uhr.

Vor Mitternacht wird es eine höchst wichtige Ankündigung geben.

Ein kaltes Souper wird serviert.

U.A.w. g. Menheim House

1. KAPITEL

Ganz London, einschließlich des Gesindels, wusste bereits, worin die äußerst wichtige Ankündigung bestehen würde, die auf dem Ball gemacht werden sollte. Es rankte sich kein Geheimnis darum, auch wenn die Gäste der Herzoginwitwe von Baynton im Augenblick der Verkündung sicher überrascht tun würden.

Man nannte es die Partie des Jahrhunderts.

Ihr Sohn, der Duke of Baynton, der reichste und unzweifelhaft auch attraktivste Junggeselle Londons, würde seine Verlobung mit Miss Elin Morris bekannt geben, auch bekannt als die Morris-Erbin. Zwei große Vermögen und zwei herrliche Landsitze, die am Fluss Trent in Leicestershire aneinandergrenzten, würden miteinander vereint werden.

Und alle rechneten mit dieser Ankündigung, weil allgemein bekannt war, dass Elin dem Duke beinahe seit ihrer Geburt versprochen war. Ja, sie war bei Hof vorgestellt worden und hatte ihre Londoner Saison erlebt, aber das alles war eine reine Formsache gewesen. Der Duke gehörte ihr. Baynton, Inbegriff eines vornehmen Lords, der Unvergleichliche gehörte ihr.

„Und ich bin seiner nicht wert“, flüsterte Elin und blieb stehen, nachdem sie die letzten zehn Minuten hektisch auf und ab gegangen war in dem Versuch, ihre aufs Äußerste gespannten Nerven und ihren verwirrten Verstand zu beruhigen.

Ihr Schlafzimmer im elterlichen Stadthaus wäre einer Prinzessin würdig gewesen. Die in Blautönen gehaltenen indischen Teppiche lagen dick und weich unter ihren bestrumpften Füßen. Die Möbel waren verschwenderisch vergoldet, wie es dem Stil ihrer Eltern entsprach.

Die Einrichtung ihres Zimmers daheim in Heartwood, dem Landsitz der Familie, der an den Familiensitz der Bayntons grenzte, folgte ihrem eigenen schlichteren Geschmack. In London jedoch ging es nach ihren Eltern. Sie waren Geschöpfe der Großstadt, Lieblinge der vornehmen Gesellschaft, bekannt für ihre Großzügigkeit und ihre tiefe, treue Liebe zueinander.

Und Elin? Nun, ihr einziges Kind zog das ruhigere Leben in Heartwood vor. Das alles würde sich natürlich ändern, sobald sie Bayntons Duchess geworden war. Die Gattin eines derartig wichtigen Mannes konnte nicht zurückgezogen auf dem Land leben.

Sie erhaschte einen Blick auf sich im Spiegel, eine verlorene Gestalt in zarten Unterröcken, mit blassem Gesicht und einem Schopf üppiger brünetter Locken. In ihren riesigen dunklen Augen spiegelte sich ihre Erregung.

„Es ist ja nicht so, als würde ich Baynton nicht wollen“, versuchte sie ihrem Spiegelbild zu erklären. „Ich dürfte ihn nicht bekommen. Nicht ohne ihm zu sagen …“

Die Tür zu ihrem Schlafzimmer flog auf und riss sie aus ihren Gedanken. Ihre Mutter stürmte herein, geschmückt mit den berühmten Morris-Diamanten. Jennifer Morris trug ein Kleid aus belgischer Spitze in Saphirblau, ihrer Lieblingsfarbe, die genau zu ihren Augen passte. Ihr blondes Haar zeigte kaum eine Spur von Grau. Sie glühte vor Vorfreude auf den bevorstehenden Abend. Auf großen Gesellschaften war sie in ihrem Element, sie genoss es, im Mittelpunkt zu stehen. Auf diesen speziellen Abend freute sie sich seit zwanzig Jahren, seit dem Moment, in dem der alte Duke of Baynton vorgeschlagen hatte, ihre Kinder sollten einmal heiraten.

Jenny schloss die Tür, erfasste die Lage mit einem Blick – Elin noch im Unterrock, das Haar wild gelockt – und sah zu dem Essenstablett, das auf dem Schreibtisch vor dem Fenster zum Garten stand.

„Was haben wir denn da? Du hast ja noch gar nichts gegessen! Sarah sagte, sie hätte versucht, dich zum Essen zu bewegen, aber ich sehe, dass du noch keinen Bissen angerührt hast.“ Ihre Mutter kam auf sie zu. Jenny war einen halben Kopf größer als ihre Tochter. Liebevoll umfasste sie Elins Gesicht. Der Rosenduft ihres Parfüms hüllte sie beide ein. „Elin, du musst etwas essen. Das hier ist dein großer Abend. Du wirst heute Abend völlig in Atem gehalten werden. Ständig wirst du Leute um dich herum haben, die deine Aufmerksamkeit wollen, du wirst kaum dazu kommen, dich hinzusetzen, geschweige denn, etwas zu essen. Die Köchin hat extra Hühnchen mit dieser französischen Sahnesauce gekocht, die du so magst. Und dann, Herzblatt, musst du dich ankleiden. Rufen wir doch schon einmal Sarah, damit sie dir die Haare frisiert, während du isst. Wir wollen Baynton und seine Gäste doch nicht warten lassen …“

Elin fasste nach der Hand ihrer Mutter, bevor Jenny sich abwenden konnte.

„Ich kann das nicht. Ich dachte, ich könnte, aber ich kann nicht.“

„Doch, du kannst“, erwiderte ihre Mutter. „Du bist dazu bestimmt. Dazu geboren. Elin …“ Sie hielt inne, schloss die Augen, als suchte sie nach den richtigen Worten oder nach Geduld. Als sie sie wieder aufschlug, zeigte sich darin liebevolle Sorge. „Elin, verzeih dir. Du hast einen Fehler gemacht. Es hätte nicht passieren dürfen, aber es ist geschehen. Aber es liegt schon so viele Jahre zurück. Wie alt warst du damals, fünfzehn?“

„Beinahe sechzehn.“

„So jung. Woher hättest du es wissen sollen? Du hast Benedict vertraut. Dein Vater und ich haben ihm auch vertraut.“

„Ich war so dumm.“ Bei der Erwähnung von Benedict Whitridges Namen bildete sich ein harter Klumpen in ihrer Brust. Ben war ihr bester Freund gewesen, und er hatte ihr geraubt, was er hätte beschützen sollen – ihre Unschuld. Zudem war er der jüngste Bruder ihres Verlobten.

Die Erfahrung war nicht nur schmerzhaft und demütigend gewesen, er war auch noch am nächsten Tag abgereist. Er war gegangen und hatte eine Laufbahn beim Militär eingeschlagen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Ohne sie vorzuwarnen, dass er gehen und nicht da sein würde, um ihr Mut zuzusprechen, wenn sie ihn am meisten brauchte.

Ihre Mutter führte Elin zum Frisiertisch. Sanft drückte sie Elin auf den Hocker nieder, kniete sich dann vor sie auf den Teppich und ergriff ihre Hände.

„Meine Tochter, wir haben darüber schon gesprochen. Ich dachte, du hättest dir vergeben. Es war keine schöne Episode in deinem Leben, aber es ist ja nichts Schlimmes daraus erwachsen.“

„Ich habe mir vergeben.“ Elins Stimme klang auch in ihren eigenen Ohren falsch. „Ich finde nur, dass Baynton davon erfahren sollte.“

„Dass sein Bruder seine Verlobte missbraucht hat? Willst du ihm etwa das erzählen?“

„Ich würde nicht verraten, wer es war.“ Vor allem, da Baynton und sein Bruder sich nicht immer grün waren.

Ursprünglich hatte es drei Söhne gegeben. Doch dann war Gavins Zwillingsbruder Jack eines Nachts aus Eton verschwunden. Manche behaupteten, er sei davongelaufen. Andere glaubten eher an ein Verbrechen. Jedenfalls hatte man seither nichts mehr von ihm gesehen oder gehört.

Nach dem Verschwinden seines Sohns hatte der alte Duke unbedingt verhindern wollen, dass sein dritter Sohn dasselbe Schicksal erlitt. Oder dieselbe Gelegenheit bekam davonzulaufen. Der alte Duke war ein strenger Zuchtmeister gewesen. An seinen Erben stellte er hohe Anforderungen. Ben hatte oft das Gefühl, er sei nur ein Anhängsel.

„Ein Ersatz“, hatte Ben immer behauptet, oft sehr bitter. „Immer auf Distanz gehalten.“

Nach Jacks Verschwinden hatte sein Vater ihn in Trenton behalten, dem Landsitz der Familie, und ihn einer Reihe von Hauslehrern anvertraut. Elin war seine einzige Gefährtin gewesen.

Als einziges Kind von Eltern, die oft in London weilten, hatte Elin Bens Gesellschaft geschätzt. Sie hatte ihm vertraut und konnte bis zu diesem Tag nicht glauben, dass er ihr die Unschuld geraubt hatte, um damit seinen ältesten Bruder zu treffen, wie ihre Mutter behauptete. Andererseits war allgemein bekannt, dass zwischen den Brüdern ein ständiger Konkurrenzkampf herrschte. Ihrem Vater gefiel es so.

Angesichts des Verrats eines Freundes, dem sie vertraut hatte, war für Elin der Verlust ihrer Jungfräulichkeit jedoch eher zweitrangig. Sie hatte gewusst, dass er sich nach Unabhängigkeit sehnte. Er war ganz versessen darauf gewesen, sich ein Offizierspatent zu kaufen und in die weite Welt hinauszuziehen.

Allerdings hätte sie nie damit gerechnet, dass er sie bewusst missbrauchen könnte. Das schien so gar nicht zu ihm zu passen. Ihre Mutter hatte ihr jedoch versichert, dass dies typisch für Männer sei und einer der Gründe, warum ihre Eltern sie von jetzt an besser beschützen würden.

Und das hatten sie getan.

Elin war nun dreiundzwanzig. Ben war für sie nur noch eine harte Lektion, die sie gelernt hatte.

Zu ihrer Mutter sagte sie nun: „Von den beiden Brüdern heirate ich den besseren … Baynton ist allerdings für seine Integrität bekannt. Ist es klug, die Ehe mit einem Betrug zu beginnen?“

„Und du könntest ihm tatsächlich erzählen, was passiert ist, ohne ihm zu verraten, wer der Mann war?“, fragte ihre Mutter ungläubig und schüttelte den Kopf. „Er würde es wissen wollen oder vor Eifersucht verrückt werden. Herzblatt, wenn es um den Stolz eines Mannes geht, wird er alle Hebel in Bewegung setzen, um die Wahrheit herauszufinden. Du weißt doch, wie beharrlich dein Vater sein kann.“

Elin nickte. Fyclan Morris’ Geschichte war allgemein bekannt. Er war ein irischer Niemand gewesen und hatte sich bis in die Spitzen der Gesellschaft emporgearbeitet.

„Nun, Baynton ist noch hartnäckiger. Ihm gegenüber ehrlich zu sein könnte all deine Chancen auf eine glückliche Ehe zerstören. Er würde die Verlobung nicht lösen, das verbietet ihm seine Ehre. Und das hier bedeutet deinem Vater so viel.“

Ihrer Mutter bedeutete diese Ehe ebenfalls sehr viel. Jenny Tarleton war eine Mesalliance eingegangen.

Fyclan war voll Selbstvertrauen und großartiger Träume gewesen. Er hatte ihr gesagt, dass seine Kinder eines Tages Herzöge und Prinzen sein würden. Seine Großmutter, eine Angehörige des fahrenden Volks in Irland, hatte es ihm prophezeit. Wenn Jenny mit ihm davonliefe, wenn sie gegen den Willen ihrer Familie mit ihm durchbrenne, würde sie es nicht bereuen.

Inzwischen war Fyclan einer der geachtetsten Geschäftsleute Londons und sicherlich der reichste. Durch Elin würde die Prophezeiung nun in Erfüllung gehen.

„Ich weiß, was euch diese Hochzeit bedeutet“, sagte Elin so sanft, wie sie konnte. „Aber ich fände es richtig, Baynton von meiner Indiskretion zu erzählen. Ich war dumm.“

Ihre Mutter beugte sich vor.

„Meine geliebte Tochter, es gibt keine Frau, die nicht irgendwann in ihrem Leben einmal eine Dummheit begeht. Du bist zu weit gegangen, aber seien wir doch ehrlich – du wärst nicht die erste Frau, die sich zu ihrem Mann ins Ehebett legt, nachdem sie ihre Unschuld an einen anderen verloren hat, und du wirst auch nicht die letzte sein.“

Elin wusste, dass das stimmte. Sie hatte andere junge Frauen miteinander flüstern gehört.

„Benedict ist weg“, fuhr ihre Mutter fort. „Er kämpft auf irgendeinem entlegenen Schlachtfeld, um seiner Eitelkeit zu schmeicheln. Er wollte seinen Bruder verletzen, und wenn du Baynton erzählst, was passiert ist, hat er es geschafft.“

Einen Augenblick lang saß Elin schweigend da. Dann entzog sie ihrer Mutter ihre Hände und drehte sich zum Spiegel. Die Qual in ihrem Blick war verschwunden. Entschlossen hob sie das Kinn.

„Schickst du nach Sarah? Ich muss mich anziehen.“

„Wirst du Baynton alles gestehen?“ Ihre Mutter stand auf.

„Das hat wohl nicht viel Sinn, oder?“

Ihre Mutter hauchte einen Kuss auf den wilden Lockenschopf.

„Nur die Zukunft zählt, mein Herzblatt. Baynton wird dir ein wunderbarer Ehemann sein. Euer Sohn wird großartig. Ja, ich hole Sarah, und vergiss nicht, ein, zwei Bissen zu dir zu nehmen.“

Sie bewegte sich zur Tür, doch Elin hatte noch eine letzte Frage auf dem Herzen, etwas, was sie schon immer hatte wissen wollen, nachdem ihre Eltern sich so nahe standen.

„Weiß Vater eigentlich, was zwischen Ben und mir vorgefallen ist?“

Ihre Mutter blieb an der Tür stehen, eine Hand schon am Knauf.

„Männer sind in derlei Dingen nicht so geschickt wie wir Frauen. Er hätte Benedict zum Duell gefordert. Ein ausgewachsener Mann kann sich aber unmöglich mit einem Siebzehnjährigen duellieren.“

Sie öffnete die Tür.

„Das ist dein Abend. Hab keine Angst vor deinem Schicksal. Dieser Abend soll voller Freude sein. Und wenn du Menheim betrittst …“, damit meinte sie das Londoner Stadthaus der Bayntons, „… dann sieh zum Salon, denn eines Tages wird dort dein Bildnis hängen, das Bildnis einer jungen Duchess. Porträts deiner Kinder werden ringsum an den Wänden hängen. Und Baynton wird dich mehr als alle anderen schätzen.“ Mit diesen Worten verließ sie den Raum, gehüllt in eine Wolke Parfüm.

Elin sah sich im Spiegel an. Seit jener schicksalhaften Nacht hatte sie sehr zurückgezogen gelebt.

„Mein Sohn wird ein Duke sein“, flüsterte sie und lauschte den Worten, die ihre Eltern so stolz machten. Doch sie empfand nichts dabei.

Das Mindeste, was sie allerdings tun konnte, war, ihren Eltern Freude zu machen, sie glücklich zu machen. Baynton war ein guter Mensch. Sie kannte ihn nicht besonders gut, weil er so unglaublich wichtig und daher ständig beschäftigt war, doch sie mochte seine Mutter. Sie respektierte Marcella und wünschte sich, sie wäre nur halb so würdevoll und gütig wie die Herzoginwitwe.

Es klopfte, und dann trat Sarah ein, um Elin beim Ankleiden zu helfen.

Nur wenige Frauen waren so tatkräftig wie die Dowager Duchess of Baynton. Sie war zehn Jahre älter als Jennifer Morris, wirkte jedoch eher wie eine Gleichaltrige.

Für diesen Abend hatte die Herzoginwitwe ihren blutroten Granatschmuck ausgesucht. Er blitzte an ihrem Hals, ihren Handgelenken und Fingern und hob sich von dem Silbergrau ihres Kleides ab. Ihr weißblondes Haar wurde von einem granatroten Band zurückgehalten. Sie wirkte königlich und anmutig, und so fiel auch die Begrüßung ihrer liebsten Freunde aus, die sie im oberen Salon empfing, der sonst der Familie vorbehalten war. Sie waren nicht allein. Im Raum drängten sich Bayntons Verwandte, von denen Elin ein paar kannte, viele jedoch auch nicht. Unten im Ballsaal hörte man, wie das Orchester die Instrumente stimmte.

„Jenny, Sie strahlen ja förmlich“, sagte die Herzoginwitwe zur Begrüßung. „Und Sie, mein lieber Fyclan, so attraktiv.“

Elins Vater sah wirklich gut aus. Er mochte vielleicht nicht so groß sein wie seine Frau, doch er hatte eine Präsenz an sich, mit der er auf sich aufmerksam machte. Das dunkle Haar und die exotische Form ihrer braunen Augen hatte Elin von ihm. Sein Haar, das einst rabenschwarz gewesen war, war inzwischen silbergrau.

Überraschenderweise waren die Jahre nicht freundlich zu ihm gewesen. Er nutzte einen Gehstock, und das nicht nur als Accessoire. Elin und ihre Mutter sorgten sich beide um ihn. Er arbeitete einfach viel zu hart.

An diesem Abend jedoch sollte gefeiert werden. Fyclan küsste die Herzoginwitwe freundschaftlich auf die Wange.

„Sie sehen ebenfalls großartig aus, Euer Gnaden.“

Marcella lachte, eine Gefühlsregung, die rasch in Tränen umzuschlagen drohte. Sie presste die Hand an die Wange.

„Tut mir leid, Fyclan, es liegt nicht an Ihrer Bemerkung. Mein Ehemann hatte sich so auf diesen Abend und die Verbindung zwischen unseren Familien gefreut. Sie wissen, dass er große Stücke auf Sie hielt?“

„Ja, und ich vermisse seine Freundschaft jeden Tag.“

„Ja“, stimmte die Herzoginwitwe zu und sah Elin mit einem traurigen Lächeln an. „Und ich habe Ihnen nicht einmal gesagt, wie wunderschön Sie sind, meine Elin. Sie sehen aus wie die junge Helena von Troja“, erklärte sie. „Dieser zarte Pfirsichton steht Ihnen ganz hervorragend zu Gesicht. Ihre Mutter und ich wussten sofort, dass es das Richtige ist, als wir es sahen, und die Goldbänder in Ihren Locken sind wirklich reizend.“

Elin errötete bei diesem Kompliment. Doch bevor sie antworten konnte, sagte die Herzoginwitwe ruhig: „Sie und Gavin hätten schon vor Jahren heiraten sollen. Ich bedauere so sehr, was alles geschehen ist.“

Jenny legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter.

„Meine Liebe, es ist doch nicht Ihre Schuld, dass Ihr Mann krank wurde. Wir wollten doch nur mit der Hochzeit warten, bis es ihm wieder besser geht.“

„Aber es ging ihm nicht wieder besser.“ Wieder füllten sich die Augen der Herzoginwitwe mit Tränen über den Verlust ihres geliebten Ehemanns. Elin und Gavin hätten sich schon vor vier Jahren verloben sollen, doch die Krankheit und der darauffolgende Tod des Dukes, ganz zu schweigen von all den Herausforderungen, denen Gavin sich stellen musste, als er die Herzogswürde übernahm, hatten dazu geführt, dass die Hochzeit verschoben worden war.

„Tut mir leid“, sagte Marcella, nahm das Taschentuch entgegen, das ein Lakai ihr reichte, und tupfte sich die Wangen ab, „dass ich so eine Heulsuse bin. Ich muss damit aufhören, sonst überstehe ich diesen Abend nicht.“

„Uns ist allen klar, wie schwer das ist“, versicherte Elins Mutter ihr.

„Aber John hätte Besseres von mir erwartet.“ Seufzend nahm Marcella sich zusammen. „Ach, ich habe Ihnen noch gar keine Erfrischung …“, begann sie, hielt aber inne, als ihr Sohn in der Tür erschien.

Sofort richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit auf ihn.

Gavin Whitridge, der Duke of Baynton, betrat den Raum mit demselben Elan wie seine Mutter. Er war über einen Meter achtzig groß und besaß ein umwerfendes Lächeln. In seiner eleganten Abendgarderobe bot er einen Anblick, den tags darauf jeder Dandy zu kopieren versuchen würde, allerdings erfolglos, denn der Duke of Baynton war wahrhaft einzigartig. So bemerkenswert. So männlich.

Er war berühmt für seine tiefblauen Augen, seine breiten Schultern, das kantige Kinn und die geradeste Nase, die je das Gesicht eines Mannes geschmückt hatte. Sein dichtes Haar war tiefschwarz.

Er war ein so erstaunliches Exemplar männlicher Schönheit, dass Elin immer ein wenig eingeschüchtert davon war.

Die Verwandten drängten sich um ihn, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wichen dann jedoch zurück, als sie sahen, dass er nach jemandem Ausschau hielt. Sein Blick fiel auf Elin.

Sofort ging er auf sie zu. Sein Blick wanderte beifällig an ihr auf und ab, und er lächelte. Er mochte sie. Er war erfreut, und zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass seine offene Bewunderung ihre erregten Nerven beruhigte.

Gavin war neun Jahre älter als sie und widmete sich unermüdlich seinen herzoglichen Pflichten. Vor dem Tod seines Vaters hatte man von ihm erwartet, kleinere Aufgaben zu übernehmen, die ihn aber dennoch vollauf in Atem gehalten hatten. Mitunter hatte er ihre Familie zu Veranstaltungen begleitet, doch hatten sie beide wenig Gelegenheit bekommen, miteinander zu plaudern oder entspannt in Kontakt zu kommen. Immer mussten sie irgendwelche Erwartungen erfüllen, damals genau wie heute.

„Sie sind schön“, sagte er nun mit leiser Stimme und bot ihr die Hand.

Elin fand es schwer, seinem intensiven Blick standzuhalten. Sie bot ihm die behandschuhten Finger, doch statt sich darüberzuneigen und einen Kuss daraufzuhauchen, nahm er ihre Hand ganz in seine.

„Kommen Sie.“ Er zog sie durch die versammelten Verwandten zur Tür.

„Baynton“, sagte seine Mutter, „wohin gehst du? Wir müssen Aufstellung nehmen zum Empfang unserer Gäste … Und du hast noch kein Wort des Willkommens geäußert.“

Er lachte, und es klang kraftvoll und sicher.

„Willkommen“, verkündete er und winkte, während er mit Elin weiter zur Tür ging. „Geh schon mal ohne uns nach unten, Mutter. Wir kommen gleich nach, versprochen.“

Mit diesen Worten zog er Elin durch den Flur in eine holzgetäfelte Bibliothek. Der Raum war gemütlich und diente ihm offensichtlich als Arbeitszimmer. Hier war die einsetzende Musik nicht mehr zu hören.

Baynton schloss die Tür.

Verlegen ging Elin zum Schreibtisch. Überquellende Bücherregale zogen sich an den Wänden entlang. Kein Wunder, dass kein Laut in diesen Raum drang. Auf dem Kaminsims stand eine vergoldete Uhr, auf dem Schreibtisch ein goldgefasstes Kristalltintenfass mit Schreibfeder.

„Elin, sehen Sie mich an.“

Sie tat, worum er sie gebeten hatte.

Ernsthaft musterten sie einander. Die brennende Sorge in ihr ließ ein wenig nach.

Er tat den ersten Schritt, ging auf sie zu und hielt erst inne, als er kurz vor ihr stand. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Als er das bemerkte, stützte er sich auf der Lehne eines Ledersessels ab, um auf Augenhöhe zu kommen.

„Sind Sie bereit zu alldem, Elin?“

Die Frage erstaunte sie. Hatte er etwa Zweifel?

„Ich glaube schon, Euer Gnaden …“

„Gavin. Sagen Sie Gavin zu mir.“ Schweigen senkte sich herab, nur durchbrochen vom Ticken der Uhr auf dem Kaminsims. Dann sagte er: „Wir werden Mann und Frau sein. Ich habe lang darauf gewartet. Mich danach gesehnt.“

Sie hätte ihm gern gesagt, dass sie ebenfalls auf diesen Moment gewartet hatte, doch vor Schüchternheit blieben ihr die Worte im Halse stecken. Ja, Schüchternheit und auch ein wenig Hoffnung. Was er da tat, war gut. Fürsorglich. Einen fürsorglichen Mann könnte sie lieben. Sie könnte ihn lieben.

Und er begehrte sie.

Er zeigte nicht nur Bewunderung für sie, sondern auch einen gewissen Eifer, den sie reizend fand. Diese Seite an ihm kannte sie noch nicht, sie hatte sich nie vorgestellt, dass er sie heiraten wollte. Sie hatte angenommen, dass es für ihn nichts als eine Pflicht war, zwar ehrenvoll, aber doch eine Pflicht, die ihm sein Vater auferlegt hatte.

Genau wie sie es von ihren Eltern befohlen bekommen hatte … doch nun änderten sich ihre Gefühle.

Elin behielt diese Gedanken für sich. Für irgendwelche Erklärungen war es noch zu früh.

Ben fiel ihr ein … Ben und das, was sie einst zwischen ihnen vermutet hatte.

Gavin war nicht Ben, doch solange er der Verletzliche war, war sie in Sicherheit.

Ihre Zurückhaltung schien ihn nicht zu verärgern. Stattdessen schenkte er ihr noch ein Lächeln, das so strahlend war, dass ihr beinahe schwindelig wurde. Er holte einen Samtbeutel aus seinem schwarzen Frack.

„Diese Kette hat mein Vater meiner Mutter geschenkt.“ Er zog den Beutel auf und ließ ein cremeweißes Perlencollier in seine Hände gleiten. „Angeblich hat sie einmal Maria Stuart gehört. Er wollte, dass es von einer Braut der Bayntons auf die nächste übergeht. Würden Sie mir und meiner Familie die Ehre erweisen, dieses Geschenk anzunehmen und heute Abend zu tragen?“ Er stand wieder auf, legte den Beutel auf dem Sessel ab und streckte ihr das Collier entgegen, um es ihr umzulegen. „Darf ich?“

Nun war Elin tatsächlich sprachlos. Etwas so Schönes wie diese Perlen hatte sie noch nie gesehen. Wie hatte sie nur Zweifel haben können, was diesen Mann anging? Diese Heirat?

Und sie schämte sich, dass sie ihre Jungfernschaft, das einzig wahre Geschenk, das sie ihrem Ehemann hätte machen können, an den falschen Mann verschwendet hatte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Obwohl sie sie wegblinzelte, bemerkte Gavin sie sofort.

„Was habe ich getan? Habe ich Sie unglücklich gemacht? Sie brauchen das Collier nicht zu tragen …“ Er machte Anstalten, die Kette wieder in den Beutel gleiten zu lassen.

Elin fasste ihn am Handgelenk, um ihm Einhalt zu gebieten. Das brachte sie ihm näher. Ihre Röcke streiften seine Beine. Sie spürte seine Körperwärme. Seine Rasierseife roch würzig, männlich. Das gefiel ihr.

„Das Collier ist wunderschön, Gavin. Ich bin nur so überwältigt von Ihrer Großzügigkeit. Sie erweisen mir damit eine große Ehre. Mir und meiner Familie.“ Und letztes bedeutete ihr mehr als erstes.

„Sie sind meine zukünftige Frau. Ich habe jede Absicht, Sie zu ehren“, sagte er. Seine galanten Worte trafen sie ins Herz, noch während sein Blick von ihren Augen zu ihren Lippen wanderte.

Plötzlich wurde ihr der Mund trocken, zu trocken für einen Kuss, und sie befeuchtete die Lippen … einladend.

Er lächelte. Diesmal war sein Lächeln nicht blendend, sondern bewundernd. Wenn er sie so ansah, fühlte sie sich wahrhaftig begehrt.

„Wir werden sehr gut miteinander auskommen, Elin“, versprach er. „Und nun werde ich Sie küssen.“

„Ich weiß.“ Ihre Stimme war heiser geworden.

„Gut“, erwiderte er. Er atmete tief durch und beugte sich zu ihr herab. Ihre geschlossenen Lippen trafen sich, streiften sich, hielten einen Augenblick Kontakt, und dann zog er sich zurück. Elin wollte den Kuss verlängern. Sie streckte die Hand nach seinen Rockaufschlägen aus, streifte dabei seinen Rock mit ihren Brüsten. Sie hatte noch nicht genug. Sie wollte mehr. Dieser winzige Kuss hatte nicht mehr vermocht, als das lang vergessene Feuer in ihr zu wecken … das Feuer, das sie einst mit Ben entdeckt hatte …

Die Tür zur Bibliothek flog auf und krachte gegen die Wand.

Der Duke und Elin fuhren erschrocken zusammen. Gavin stellte sich zwischen sie und die Tür, die Perlen immer noch in der Hand.

„Euer Gnaden“, stammelte Sawyer, der Butler von Menheim, an der Tür, „tut mir leid, dass Sie gestört wurden. Ich habe versucht, ihn aufzuhalten. Er wollte nicht auf mich hören.“

Mich aufhalten?“, wiederholte der ungebetene Gast. „Mich daran hindern, meinen geliebten Bruder zu besuchen?“ In der harten Stimme lag keinerlei Zuneigung.

Bruder? Unmöglich. Elin beugte sich vor, um an Baynton vorbeizusehen.

Er war es tatsächlich.

In der Tür stand Benedict Whitridge, Lord Ben, wie er in Menheim genannt wurde, oder Major Whitridge, wie er in seinem anderen Leben hieß. Seine Uniform war von der Reise zerknittert, und seine Haltung war so zornig, dass zu befürchten stand, er könnte sich jeden Augenblick auf seinen Bruder stürzen.

Doch das waren nur oberflächliche Veränderungen.

Wahrhaft schockiert war Elin von den weitreichenderen Veränderungen. Er war inzwischen größer als sein Bruder, ebenso breitschultrig, aber immer noch von sehniger Gestalt und mit den langen muskulösen Oberschenkeln eines Reiters. In den Augenwinkeln hatte er Fältchen, als hätte er lange Zeit damit zugebracht, in die Sonne zu blinzeln oder zu lachen. Statt der glatten Haut der Jugend wies das harte Kinn nun Bartstoppeln auf.

Und seine Brauen waren dicker, lebendiger. Elin hatte Bens Augenbrauen immer gemocht, weil sie lauter als Worte verrieten, was in ihm vorging. Im Augenblick betonten sie die lebhafte Intelligenz in seinen Augen, die von einem helleren Blau waren als die des Dukes.

Von den beiden Brüdern war Gavin der klassisch attraktive. Beide jedoch waren von einer überlebensgroßen Präsenz.

Baynton war eher für seinen guten Charakter bekannt, Ben jedoch wusste mit seinem Charakter zu bezaubern, seinem Humor, seine geistreichen Bemerkungen über das Treiben der Welt, in der sie lebten. Er hatte sie zum Lachen gebracht.

Bis zu dem Tag, an dem sie nicht mehr lachte.

Bis zu dem Tag, an dem er ihr das junge, vertrauensvolle Herz brach.

Gavin schob die Perlen in die Tasche.

„Schon gut, Sawyer. Bitte kümmern Sie sich um meine Gäste. Und was dich angeht, Bruder, so werden wir später miteinander reden. Jetzt werde ich unten erwartet.“ Er sprach im kühlen Ton eines Mannes, der Gehorsam gewohnt war.

Zur Antwort knallte Ben die Tür zu.

„Dann warten deine Gäste eben, Bruder. Wir reden jetzt.“

2. KAPITEL

Lord Benedict Whitridge – nun Major Whitridge in Diensten seiner Majestät – hatte nicht die Absicht gehabt, Menheim je wieder zu betreten.

Er war fertig gewesen mit seiner Familie und zufrieden mit seiner militärischen Laufbahn – bis Gavin alles ruiniert hatte.

Und es freute ihn sehr zu beobachten, wie sich in der Miene seines Bruders erst Erschrecken und dann Entrüstung darüber abzeichnete, dass jemand es wagte, so mit ihm zu reden.

War es vernünftig, Gavin so anzugreifen? Nein, doch Ben war über Vernunft längst hinaus.

„Du hast alles zerstört, was ich mir aufgebaut habe. Alles, woran mir etwas lag.“

„Ich habe doch nicht …“, begann Gavin, doch Ben war nicht bereit, sich seine Ausreden und Banalitäten anzuhören. Er hatte die Motive seines Bruders schon erraten, und sie waren ihm zutiefst zuwider.

„Ich hatte eine Karriere, wurde geachtet“, stieß Ben hervor. „Ich war ein Krieger.“

„Ich weiß. Ich habe entsprechende Berichte erhalten. Man hält viel von dir …“

„Warum hast du mich dann nach Hause beordert? Warum hast du dem ein Ende gesetzt?“

Gavins Blick wurde scharf, unnachgiebig. Er straffte die Schultern. Er war der Duke. Ein Duke rechtfertigte sich nicht.

Ben musste sich zurücknehmen, kämpfte gegen den Drang an, mit Gewalt eine Reaktion zu erzwingen. Gavin konnte ihn nicht zwingen, seinen Diktaten zu folgen – nur dass er es doch getan hatte.

„Mach es rückgängig“, befahl Ben. „Mach rückgängig, was du getan hast. Du hast dafür gesorgt, dass man mich meines Kommandos enthebt, aus der Armee ausschließt, mir alles nimmt, was mir etwas bedeutet. Sag Whitehall, dass du einen Fehler gemacht hast. Dass deine Einmischung ungerechtfertigt war. Dass meine Entlassung aufgehoben werden soll. Du hast die Macht dazu, Baynton. Übe sie aus.“

„Das kann ich nicht. Unser Land steht im Krieg“, antwortete Baynton, als würde das alles erklären.

„Wir haben schon die letzten fünfzig Jahre mehr oder weniger im Krieg gestanden. Vater wusste das, als er mich weggeschickt hat.“

Ich hingegen werde nicht zulassen, dass du dich in Gefahr begibst. Ich brauche dich, Ben. Der Titel braucht dich.“

„Der Titel? Der verdammte Titel?“ Ben hätte am liebsten die Faust in die Wand gerammt. „Ist das alles, was für dich zählt? Es geht um mein Leben, Gavin.“ Ben schlug sich an die Brust. „Meines. Nicht deins. Ich weiß, dass du tun kannst, was immer du möchtest. Das gilt für dich, wie es für meinen Vater gegolten hat, aber ich habe ein Recht darauf, mein eigenes Leben zu führen.“

„Und ich muss den Titel schützen.“ Gavin tat einen Schritt auf ihn zu, was im Augenblick vielleicht nicht besonders klug war. „Ich brauche dich, Ben“, sagte er. Sein Ton war leise, versöhnlich. „Wenn mir etwas zustößt, musst du wissen, was zu tun ist.“

„Warum?“ Ben war ehrlich verwirrt, und in diesem Augenblick entdeckte er Elin.

Als er sie erkannte, als ihm klar wurde, was hier geschah, wurde ihm schwindelig.

Seit dem Moment, da er ins Zelt seines Vorgesetzten zitiert und seines Kommandos enthoben worden war, war Bens Welt in Aufruhr. Er hatte eine Infanterieabteilung befehligt und darauf gewartet, dass sein Freund, Generalleutnant Arthur Wellesley, der vor Kurzem zum Oberbefehlshaber über sämtliche britisch-portugiesische Truppen ernannt worden war, aus London zurückkehrte.

Ben war in der Schlacht bei La Coruña vor wenigen Monaten dabei gewesen, als die Briten Prügel bezogen hatten. Der Rückzug hatte ihm nicht gefallen. Da er sowohl in Indien als auch auf der Iberischen Halbinsel unter Wellesley gedient hatte, hatte er das Gefühl, dass sie nun endlich der richtige Mann in den Kampf gegen die Franzosen führte.

Außerdem hatte Wellesley Ben einen persönlichen Brief geschrieben, in dem er seine Rückkehr ankündigte und versprach, ihn zum Oberstleutnant zu befördern, sobald er in Portugal eingetroffen war. Da Ben die Hilfe seiner Familie beim Erwerb eines Offizierspatents nicht hatte annehmen wollen und sich die Beförderung auf dem Schlachtfeld verdienen musste, war dies die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte.

Doch all das war nun verloren. Als er gegen seine Entlassung protestiert hatte, hatte man ihn im Stabsquartier darüber informiert, dass sie nationalen Interessen diene. Sie hatten ihm nicht erklärt, was sie damit meinten, doch Ben wusste Bescheid. Gavin wollte, dass er nach Hause kam, aber das ergab einfach keinen Sinn.

An jenem Tag war Ben aus dem Stabsquartier marschiert und ohne auch nur einmal innezuhalten an Bord des nächsten Schiffs nach London gegangen. Gut möglich, dass er und Wellesley auf dem Ärmelkanal aneinander vorbeigesegelt waren.

Ben wollte nichts anderes als zu seinen Männern zurückkehren, seine Truppe anführen, und nun stand Elin plötzlich vor ihm.

Elin.

Er hatte sie als junges Mädchen in Erinnerung. Es schockierte ihn, sie nun als Frau zu sehen – obwohl sie immer noch dieselbe Wirkung auf ihn hatte. Es hatte eine Zeit gegeben, da er an nichts anderes denken konnte als an sie. Sie aus seinen Gedanken zu verbannen hatte ihn ein hartes Stück Arbeit gekostet. Er hatte sich gezwungen, sie loszulassen.

Nun wurde ihm klar, dass er nichts vergessen hatte.

Zögernd machte er einen Schritt Richtung Tür. Er war so erpicht darauf gewesen, Gavin zur Rede zu stellen, dass ihm viele wichtige Details gar nicht aufgefallen waren. Jetzt aber bemerkte er sie.

Der Duke gab einen Ball. Ben hatte das Haus selten so hell erleuchtet gesehen wie an diesem Abend. Es war für ein wahrhaft denkwürdiges Ereignis herausgeputzt worden. Die Eingangshalle war voller elegant gekleideter Menschen, und das Orchester spielte mit großer Leidenschaft.

Und nun stand Elin vor ihm. Auch sie trug elegante Ballkleidung.

Mit den Jahren war sie nur noch schöner geworden. Sie hatte ihn schon immer an die Waldgeister erinnert, die laut seiner Nanny in den Wäldern um Trenton hausten. Elin war zierlich und zart und doch voll Tatkraft.

Ihre Zofe hatte sich bemüht, die herrliche Lockenpracht zu einer Frisur zu bändigen, die in der Londoner Gesellschaft eher akzeptiert werden würde. Das musste beide ziemliche Mühe gekostet haben. Er erinnerte sich daran, dass ihre Zöpfe oft in Auflösung begriffen waren und wie herrlich ihr Haar aussah, wenn sie es ganz offen trug.

Doch die größte Veränderung waren ihre Rundungen, die köstlich schwellenden Brüste und die Hüften und Schenkel, die sich durch den dünnen Stoff abzeichneten.

Die Erinnerung ist ein trügerisches Ding. Ja, er wusste noch, wie er diese Brüste voll Eifer mit den Händen bedeckt hatte. Er erinnerte sich auch noch daran, wie sein Vater ihn ausgepeitscht hatte, und natürlich an seine Verbannung …

Ben tastete nach seinem Zorn, doch zu seiner Überraschung hatte er sich vollkommen aufgelöst, war bei Elins Anblick von ihm gewichen. Warum verblüffte es ihn so, sie hier anzutreffen? Dafür gab es keine Erklärung. Sie gehörte Gavin. Sie war immer für den Duke bestimmt gewesen. Das hatte sie ihm oft genug erzählt.

„Vermutlich seid ihr beiden jetzt verheiratet.“

Er klang harsch. Er fühlte sich auch so.

„Heute Abend ist der Verlobungsball“, erwiderte Gavin. „Als Vater starb, haben wir die Heirat verschoben. Seine Pflichten zu übernehmen hat ein wenig länger gedauert als erwartet.“

„Nun, das erklärt den ganzen Quatsch unten.“

Elin hatte noch nichts gesagt. Ben fiel es schwer, den Blick von ihr zu wenden. Sei zornig. Bleib zornig.

Sein Bruder trat vor, verdeckte Ben den Blick auf Elins zarte Gestalt.

„Ich bin froh, dass du hier bist.

„Ich will aber nicht hier sein.“ Da war er wieder, sein Zorn. Er hatte den Halt wiedergefunden. „Und wenn ihr heiraten wollt, was soll dann das Gerede von wegen, du würdest mich brauchen? Innerhalb eines Jahres wirst du einen kleinen Duke gezeugt haben, den ersten von einer ganzen Schar. Ich bin nur vorübergehend dein Erbe. Du brauchst mich nicht.“

„Niemand weiß, was das Leben noch bringen mag“, erwiderte sein Bruder. „Mit Vaters Tod haben wir schließlich auch nicht gerechnet. Er war sehr gesund, stark, doch dann wurde er krank und war von einem Augenblick auf den anderen tot. Ich könnte morgen schon sterben, bevor Elin ein Kind zur Welt bringt, und dann musst du mit den Pflichten vertraut sein, die mit dem Titel einhergehen.“

„Du könntest jetzt auf der Stelle sterben, Bruder, wenn du nicht rückgängig machst, was du mir angetan hast. Ich habe keinerlei Wunsch, der nächste Duke zu werden.“

Der Duke musterte ihn einen langen Moment. Er wurde gerühmt für seine Menschenkenntnis. Es hieß, dass er andere noch besser durchschauen konnte als sein Vater. Ben hielt das für Unsinn.

„Das kann ich nicht“, sagte Gavin schließlich. „Auch wenn mir nichts passiert, bevor Elin mir einen Erben schenkt, auch wenn sie mir eine ganze Schar Söhne schenkt, so muss doch jemand da sein, dem ich vertraue, der den nächsten Duke nötigenfalls an meiner statt leiten kann. Und das bist du, Ben. Du bist der Einzige, dem ich vertrauen kann. Wenn ich dir dein Kommando zurückgeben könnte, würde ich es tun. Aber du wirst hier gebraucht.“

„Wozu denn? Um auf deinen Tod zu warten? Ich bin ein Mann, Gavin, und kein Schoßhund.“

„Mir ist bewusst, dass ich einen hohen Preis von dir verlange“, erwiderte sein Bruder, der allmählich doch ein wenig ärgerlich wurde. „Wenn Jack hier wäre, wäre das seine Rolle. Aber er ist nicht da, und so musst du das übernehmen.“

„Seine Rolle?“, wiederholte Ben. „Abzuwarten, bis ich gebraucht werde? Auf Gesellschaften Däumchen drehen, während du zu all den wichtigen Sitzungen gehst? Ein Gentleman sein? Nach deiner verdammten Pfeife tanzen? Kein Wunder, dass Jack Reißaus genommen hat.“

„Er hat nicht Reißaus genommen. Das hätte er nie getan.“

Ben lachte scharf auf.

„Oh doch, Gavin. Ich weiß noch, wie er und Vater sich immer gestritten haben. Er hatte genauso wenig Lust auf ein verplantes Leben wie ich.“ Er trat einen Schritt vor. „Du brauchst mich nicht, Gavin. Du wirst noch lange nicht sterben.“

Ein Schatten huschte über das Gesicht seines Bruders.

„Das kannst du nicht wissen.“

„Ich bin mir ziemlich sicher“, erwiderte Ben. „Du wirkst gesund und munter, und ich sehe nicht ein, warum ich verlieren soll, was ich mir aufgebaut habe, nur weil dich dein Tod sentimental macht.“

Dieser Pfeil traf sein Ziel.

„Ich bin nicht sentimental, sondern praktisch“, erwiderte Baynton. Seine Haltung wechselte von brüderlich zu herzoglich. „Ich akzeptiere, dass du meine Entscheidung nicht billigst. Doch die Sache ist entschieden. Finde dich damit ab, Ben. Deine Ausbildung beginnt demnächst.“

„Mein Bruder, wenn du mich nicht in den Krieg zurückkehren lässt, werde ich dir die eine oder andere Sache beibringen. Du bist nicht Vater, und ich bin kein fügsamer Knabe, den du am Gängelband führen kannst. Ich werde deinen Erwartungen nicht entsprechen. Du sorgst dich, welchen Schaden dein Tod dem Titel zufügt? Mach dir lieber Sorgen, welche Schäden ich verursachen kann.“

„Unsere Familie trägt die Verantwortung für den Titel …“, begann Gavin und klang dabei genau wie der verdammte Tugendbold, der er war.

Ben unterbrach ihn.

„Du bist ein verdammter Narr. Und doch kann ausgerechnet ich dich verstehen. Vater hat dich zu dem Mann geformt, den er sich gewünscht hat. Du hast keine Ahnung, wie es ist, dein eigenes Leben zu führen. Du bist voller Gebote und Verbote. Sieh dich vor, sie werden alles Leben aus dir herauspressen, aber ich werde mich diesem Druck nicht beugen. Hast du mich verstanden? Ich bin kein verdammtes Lämmchen.“

„Ich auch nicht.“

Gavin tat einen Schritt auf ihn zu. Sie waren sich sehr ähnlich, wurde Ben plötzlich klar, sie waren beide die Söhne ihres Vaters. Keiner würde klein beigeben. Wie zur Bestätigung sagte Gavin: „Ich habe dafür gesorgt, dass dein Offizierspatent annulliert wird. Du wurdest aus der Armee entlassen. Ich gebe dir heute Abend Zeit, wieder zur Vernunft zu kommen und deine Pflichten anzuerkennen. Wir reden dann morgen über die Sache.“

„Es gibt nichts zu besprechen“, antwortete Ben, und der Zorn über die Eigenmächtigkeit seines Bruders brodelte in jedem Wort.

„Von mir aus.“ Gavin wandte sich an Elin. „Tut mir leid, dass Sie das mit anhören mussten, aber es war nicht zu umgehen.“ Er bot ihr den Arm. „Sollen wir uns zu unseren Gästen gesellen? Es ist höchste Zeit.“

„Ja, ja, bitte“, murmelte Elin. Sie legte die Hand auf den dargebotenen Arm. Gavin führte sie zur Tür, als wäre sie ein besonderer Preis – und das war sie ja auch.

Es hatte eine Zeit gegeben, da sie Ben alles bedeutet hatte.

Doch sie hatte ihm nicht gehört. Bis auf eine Nacht.

Hatte sein Vater recht gehabt? Hatte er sie nur deswegen begehrt, um seinem Bruder eins auszuwischen?

Im Augenblick war Ben sich nicht ganz sicher, wie die Antwort ausfallen würde.

Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, als sie den Raum verließen.

Ben blieb allein zurück. Allein und in einer Uniform, die er nicht länger tragen durfte.

Sein Bruder hatte ihn an einen Ort zurückgeholt, an dem er nicht sein wollte. Und Elin war das Symbol all dessen. Doch sie hatte sich verändert. Die Frau, der er eben begegnet war, war nicht die Gefährtin seiner Jugend. Dieses Mädchen hätte sich zu seiner Verteidigung aufgeschwungen. Sie hätte ihn aufgefordert, für das einzustehen, was er für richtig hielt.

Doch sie hatte ihre Seele verkauft, um Duchess zu werden. Bayntons Duchess.

Nicht einmal angesehen hatte sie ihn, als sie aus dem Zimmer gegangen war.

Ben ging zu einem Tischchen, auf dem mehrere Karaffen standen. Er goss sich eine großzügige Portion ein und leerte das Glas auf einen Zug.

Es würde eine lange Nacht werden.

Elin fühlte sich dem Zusammenbruch nahe, und das nicht aus Nervosität wegen des vor ihr liegenden Abends.

Dass Ben so plötzlich wieder in ihr Leben getreten war, und das ausgerechnet in diesem Moment, hatte sie völlig durcheinandergebracht. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte, vor allem, nachdem sie den Streit zwischen den Brüdern mitbekommen hatte. Es hatte sich angefühlt wie der Kampf der Titanen.

Baynton schien der Zwischenfall nicht im Geringsten zu bekümmern. Er war wieder derselbe eifrige Mann wie vor Bens Eindringen. Oben an der Treppe blieb er sogar stehen und zog die Perlen aus der Tasche.

„Darf ich?“, fragte er.

Pflichtbewusst ließ Elin sich das Collier um den Hals legen.

„Wunderschön“, murmelte er. Er hob den Blick zu ihrem Gesicht. „Sie sind wunderschön.“ Er neigte sich zu ihr, als wollte er sie küssen, und Elin verspürte leichte Panik.

Was wäre, wenn Ben jetzt auf den Flur träte? Was würde er denken?

Warum sollte sie das kümmern?

„Ben ist ja sehr wütend“, hörte sie sich sagen.

Gavin zog sich zurück. In seiner Miene malte sich Besorgnis.

„Tut mir leid, dass Sie den Streit mit angehört haben. Mein Bruder ist stur.“

„Sie auch.“

Ihre Bemerkung schien ihn zu verblüffen, denn er lachte auf.

„Ich habe schon gehört, dass Sie kein Blatt vor den Mund nehmen. Das stört mich nicht. Machen Sie sich wegen Ben keine Gedanken. Er wird schon wieder zur Vernunft kommen.“ Sein Ton war zuversichtlich.

Elin war sich da nicht so sicher.

„Baynton, kommst du heute noch mal zu uns runter?“, rief eine lachende männliche Stimme. Etliche Gäste, die sich in der Eingangshalle drängten und darauf warteten, empfangen zu werden, stimmten in das Lachen ein. Man hatte Elin und den Duke oben an der Treppe entdeckt.

Gavin wusste, wer ihn gerufen hatte. Er nahm Elins Arm und geleitete sie nach unten.

„ Du wirst doch wohl einem Mann einen wonnigen Moment nicht missgönnen, wenn er eine bezaubernde Frau am Arm hat, Rovington.“ Lord Rovington war einer von Bayntons engsten Freunden.

Elin errötete ob des Kompliments, fühlte sich jedoch ein wenig unwohl. Sie stand nicht gern im Mittelpunkt. Und während sie jetzt die Treppe nach unten ging, richteten sich alle Augen auf sie. Sie spürte, wie sie abschätzten, ob sie seiner Behauptung entsprach. War sie wirklich bezaubernd? Oder wenigstens hübsch? Elin sah das Urteil in den Seitenblicken, die sich die Frauen zuwarfen.

Baynton war sofort von seinen Gästen umringt, den wichtigsten Vertretern aus Politik und Gesellschaft. Von allen Seiten stürmten sie auf ihn ein und verlangten nach seiner Aufmerksamkeit.

Selbst während des Empfangs wandten sie sich mit ihren Anliegen an ihn, nutzten diese Gelegenheit für ihre eigenen Zwecke. Er ging mühelos mit ihnen um. Er erinnerte sich an alle Namen und bezog Elin elegant mit ins Gespräch ein. Manchmal natürlich nutzte er sie auch, um gewisse Leute loszuwerden.

Sie war sich über ihre Rolle im Klaren. Sie lächelte und nickte. Diese Seite der vornehmen Gesellschaft missfiel ihr. Sie fühlte sich künstlich und oberflächlich an. Ihre Mutter hatte kritisiert, dass sie zu viel erwarte, und vielleicht tat sie das auch.

Gegen die ländlichen Tanzgesellschaften in ihrem heimatlichen Heartwood hatte Elin nie etwas einzuwenden gehabt, doch ein Londoner Ballsaal war etwas anderes. Das hatte sie während ihrer ersten Saison gelernt. Während ihre Eltern im Getümmel und den vielfältigen Möglichkeiten der Großstadt aufblühten, musste Elin ständig gegen den Drang ankämpfen, sich zu verstecken … vor allem an diesem Abend.

Das Lächeln, mit dem man ihr begegnete, war oft nicht aufrichtig gemeint, vor allem nicht, wenn es von heiratsfähigen jungen Damen kam, die selbst gern einen solchen Preis wie Baynton ergattert hätten. Selbst die Töchter ihres Vetters Robbie Morris, der ihrem Vater als Sekretär diente, konnten ihren Neid nicht verbergen.

Es war ein wenig überwältigend.

Allmählich bekam Elin das Gefühl, das Lächeln sei auf ihrem Gesicht festzementiert. Sie konnte sich nicht entspannen, weil ständig neue Gäste durch die Tür kamen.

Endlich flüsterte Marcella etwas in Gavins Ohr. Er entschuldigte sich vom Empfang.

„Wir müssen den Ball eröffnen“, erklärte er den Leuten, die er noch nicht offiziell begrüßt hatte. Er nahm Elins Hand.

Mit klopfendem Herzen folgte sie ihm auf die Tanzfläche. Rasch nahmen andere Paare neben ihnen Aufstellung, und auf Bayntons Signal hin begann das Orchester zu spielen.

Monatelang hatte Elin sich auf diesen Moment vorbereitet, hatte unzählige Tanzstunden genommen. Ihr Tanzlehrer hatte erklärt, es wäre doch nett, wenn der Duke sich wenigstens einmal zu ihnen gesellen könnte. Das war jedoch nicht möglich gewesen. Für etwas so Frivoles wie Tanzstunden war Baynton einfach zu beschäftigt.

Allerdings zeigte er rasch, dass er keine Tanzstunden brauchte. Er besaß eine athletische Anmut und schien sich nicht daran zu stören, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Schließlich stand er schon den größten Teil seines Lebens im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses.

Elin war sich ihrer selbst nicht sehr sicher. Glücklicherweise machte sie ihre Sache ganz gut, aber sie war froh, als die Musik endete.

Gavin beugte sich über ihre Hand und küsste sie auf die Finger, während alle anderen zusahen. Unter den weiblichen Gästen erhob sich halb bewunderndes, halb neidisches Gemurmel, und die eine oder andere Bemerkung verschwand hinter eilends gehobenen Fächern. Elin hätte gern so getan, als würde sie es nicht bemerken. Ihre Mutter hatte sie immer gedrängt, nicht so empfindlich zu sein gegenüber den Launen anderer, doch ihre Mutter blühte in Gesellschaft auch auf. Sie sollte sich bemühen, ihr ähnlicher zu werden.

Gavin beugte sich vor und raunte ihr ins Ohr: „Ich bringe Sie zu Ihren Eltern.“ Er legte ihr die Hand ins Kreuz, um sie zu führen. Die Geste war unbedeutend, aber überraschend intim, und unwillkürlich legte sie die Hand auf seinen Arm, um ihn wegzuschieben – ob aus Schüchternheit oder Verlegenheit, hätte sie nicht sagen können.

Sie waren kaum ein paar Schritte gegangen, als Sir William Johnson, ein Gentleman, der sich oft ratsuchend an ihren Vater wandte, auf Gavin zutrat und ihn wegen einer „delikaten Staatsangelegenheit“ um einen Augenblick seiner Zeit bat.

Falls Gavin sich über dieses Ansinnen ärgerte, ließ er es sich nicht anmerken.

Autor

Cathy Maxwell

Cathy Maxwell beschäftigt sich am liebsten mit der Frage, wie und warum Menschen sich verlieben. Obwohl sie bereits über 35 Romane veröffentlicht hat, bleibt die Liebe für sie weiterhin eines der größten Mysterien! Um weiter zu diesem Thema zu forschen, verlässt sie gerne ihr gemütliches Zuhause in Texas und...

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