Die irische Heilerin

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Irland, 1175: Als die Heilerin Eileen zu einem Schwerverletzten gerufen wird, sieht sie entsetzt: Es ist der Kämpfer Connor MacEgan, vor dem sie seit sieben Jahren ein Geheimnis hütet, von dem er nie erfahren darf! Schreckliche Wunden zeichnen seine Hände. Verbittert verlangt der irische Recke eine Wunderheilung von ihr, damit er wieder sein Schwert führen kann. Aber das liegt nicht in Eileens Macht. Nur die innigen Gaben von Liebe und Leidenschaft kann sie ihm schenken, die er in sinnlichen Nächten mit offenen Armen annimmt -- und so nicht nur ihrem Herzen, sondern auch ihrem Geheimnis gefährlich nah kommt ...


  • Erscheinungstag 01.02.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776237
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Irland, 1175

Eileen! Auf dem Feld liegt ein toter Mann!“ Lorcan stürmte in die Steinhütte und hüpfte vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen.

Ein toter Mann? Eileen Ó Duinne ließ eine der Zwiebeln, die sie am Morgen gesammelt hatte, zu Boden fallen und stand auf. „Bist du dir sicher, dass er nicht mehr lebt?“ Sie spürte, wie sie die vage Hoffnung hegte, dass der Mann noch atmete.

Lorcan zuckte die Schultern. „Er hat sich nicht bewegt. Und da ist überall Blut.“

Vermutlich hatte der Junge recht. Eileen versuchte, ihre geringe Zuversicht nicht zu groß werden zu lassen. Doch wenn der Verletzte noch nicht tot war, konnte sie ihn vielleicht retten.

„Wo hast du ihn gefunden?“

„Ich zeig es dir.“ Lorcan schien einen Augenblick zu überlegen, dann trat ein besorgter Ausdruck in seine braunen Augen. „Werde ich Schwierigkeiten bekommen, weil ich es dir erzählt habe? Er ist doch schon tot.“

Eileen schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Sorgen. Es war richtig von dir, mir davon zu berichten.“

Es ist verboten zu helfen, warnte sie sich im Stillen selbst. Wenn das Clanoberhaupt Séamus Ó Duinne es herausfand, würde er sie bestrafen. Es war ihr nicht mehr erlaubt, als Heilerin einem der Mitglieder des Stammes zu helfen.

Aber darüber konnte sie sich jetzt keine Gedanken machen. Belisama, bitte, lass ihn noch am Leben sein.

Lorcan folgte ihr in die Krankenhütte, wo sie frische Leinenbandagen, Beinwell und Schafgarbe in ihren Korb packte. Sie drehte sich um und sah Lorcan an. „Bring mich zu ihm.“

Der Junge eilte in Richtung der nördlichen Weiden davon. Eileen lief an einigen der benachbarten Cottages vorbei, direkt hinter ihm her. Einer der Männer unterbrach seine Arbeit auf dem Feld und sah ihr voller Abneigung hinterher. Eileen wandte nur mit Mühe den Blick von ihm ab.

Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, was er denken könnte, redete sie sich gut zu. Du hast nichts Falsches getan. Trotzdem fühlte sie, wie ihr die Demütigung die Wangen rot färbte. Die Dorfbewohner hatten das Unglück, das ihr anhaftete, nicht vergessen.

Der Morgentau benetzte den Saum ihres Rocks, während sie hinter Lorcan herlief. Der Junge rannte voraus und zeigte auf die windgeschützte Seite des Hügels.

Hohe Wildgräser wiegten sich in der sommerlichen Brise. Der Körper des Mannes lag mit dem Gesicht nach unten auf einem kleinen niedergedrückten Grasflecken. Die unnatürliche Position seiner Glieder ließ einen Sturz vom Pferd vermuten. Sein Blut färbte das Grün dunkel, und Eileens Hände zitterten, als sie die Finger nach ihm ausstreckte.

Ein leises Stöhnen drang aus seiner Kehle. Gesegnete Heilige. Er lebte.

Den Heiligen sei Dank. Sie hatten ihr eine zweite Chance gegeben, sich zu beweisen, und sie hatte vor, sie zu nutzen.

„Geh und hol Riordan“, sagte sie zu Lorcan. „Ich brauche seine Hilfe, um den Mann von hier wegzubringen. Sag ihm, er soll eines seiner Pferde mitbringen.“

Sie würde diesen Mann nicht sterben lassen. Egal, was alle anderen von ihren Fähigkeiten dachten, sie würde ihn heilen.

Nachdem Lorcan losgelaufen war, drehte sie den Mann auf den Rücken. Beim Anblick seines zugeschwollenen Gesichts blieb ihr beinahe das Herz stehen. Trotz seiner Verletzungen erkannte sie ihn. Connor MacEgan. Sie hatte nicht gedacht, dass sie ihn je wiedersehen würde.

Angst und eine verzweifelte Sehnsucht erfüllten sie, und sie kämpfte mühsam um Fassung. Von allen Männern, die das Schicksal in ihre Hände geben konnte, warum musste ausgerechnet er es sein?

Sein Gesicht, das Gesicht eines von Gottes Engeln, hatte sie, seit sie ein Mädchen war, bis in ihre Träume verfolgt. Seine festen Lippen, seine gerade Nase und das entschlossene Kinn ließen deutlich die Spuren seiner Wikingervorfahren erkennen. Sein dunkelgoldenes Haar war von Blut verklebt, das langsam aus einer Platzwunde an seiner Schläfe herunterlief.

Einst hatte sie ihn geliebt. Schmerz durchfuhr sie bei der Erinnerung, aber sie unterdrückte das Gefühl. Ihre Hände zitterten, als sie seine Tunika aufschnürte. Mit ihrem Dolch zerschnitt sie den graubraunen Wollstoff und enthüllte die muskulöse Brust eines Kriegers. Er hatte mehrere Wunden von Dolchen, aber die Schnitte waren nicht tief. Fast sah es aus, als wäre er gefoltert worden …

Sie drängte den schrecklichen Gedanken beiseite. Wie lange lag er hier schon? Die bleiche Farbe seiner Haut ließ sie sich besorgt fragen, wie viel Blut er wohl verloren hatte. Könnte es schon zu spät sein, um ihn noch zu retten?

Denk nicht darüber nach. Sie tupfte schnell seine Brust ab und wandte ihre Aufmerksamkeit anschließend seiner Kopfverletzung zu. Mit einem festen Druck im Schläfenbereich versuchte sie die Blutung zu stillen. In diesem Moment bemerkte sie die dunkel verfärbten Schwellungen an seinen Händen und Handgelenken. Die Knochen waren offensichtlich gebrochen und würden geschient werden müssen.

Er darf nicht sterben. Sie musste ihn in die Krankenhütte bringen, um seine Hände behandeln und die tieferen Wunden nähen zu können, aber das konnte sie ohne Hilfe nicht tun. Wo blieb Lorcan mit Riordan?

Weit und breit war am Horizont nicht eine Spur von den beiden sichtbar. Sie konnte kaum darauf hoffen, dass ihr jemand anderes zu Hilfe kommen würde. Die meisten der Dorfbewohner hielten sie für verflucht.

Sie zog eine Zwiebel aus ihrem Korb, schnitt sie auf und drückte sie vorsichtig gegen Connors Brust. Danach verband sie die Wunden und betete, dass die Zwiebel die Fieberdämonen fernhalten würde.

Endlich hörte sie das Geräusch eines sich nähernden Pferdes, und ihr Atem wurde etwas ruhiger. Sie winkte Riordan zu, während er abstieg. Er war ein kräftiger Mann, gewöhnt an die Arbeit auf dem Feld. Gut einen Kopf größer als die meisten anderen, konnte man ihn nicht übersehen. Seine Wangen waren gerötet, und er war leicht an seinem leuchtend roten Haar zu erkennen.

Der offensichtliche Ausdruck von Freude auf seinem Gesicht zeigte deutlich, wie glücklich er darüber war, dass sie nach ihm geschickt hatte. Seit sie sich als Witwe bezeichnen konnte, fand er immer wieder Ausreden, sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Er war der eine Mann, von dem sie sich sicher sein konnte, dass er ihr helfen würde.

„Lebt der Mann noch?“, rief er zu ihr hinüber.

„Sein Atem geht sehr schwach. Ich brauche deine Hilfe, um ihn zur Krankenhütte zu bringen.“ Sie stützte Connors Oberkörper und brachte ihn in eine sitzende Position. Während ihrer Anstrengungen war er vollkommen regungslos geblieben.

Als Riordan Connors Gesicht sah, verwandelte sich seine anfängliche Hilfsbereitschaft in Ärger und Eifersucht. „Connor MacEgan.“ Sein Tonfall klang bitter. „Du solltest den Bastard einfach da liegen lassen.“

„Ich bin eine Heilerin“, sagte Eileen scharf. „Und wenn es der Teufel selbst wäre, der meine Hilfe bräuchte, ich würde sie ihm geben.“

Connor könnte sehr wohl der leibhaftige Teufel sein, dachte sie. Bei ihm konnte sie sich nicht in ihre stille Welt zurückziehen, in der nichts außer ihrer Heilkunst existierte. Seine Anwesenheit allein genügte, um sie aus der Ruhe zu bringen.

Riordan grummelte etwas, half ihr aber dennoch, den Verletzten auf das Pferd zu heben. Connors Körper blieb weiterhin bewegungslos, sein Kopf lag weich auf der Mähne des Tieres. Als Eileen den Hengst zurück zu ihrer Unterkunft auf ihrem Stück Land führte, verspürte sie das plötzliche Verlangen, ihn anzutreiben, schneller zu gehen.

„Was hat Connor MacEgan hierher zurückgebracht?“, fragte Riordan. „Ich dachte, er würde wieder bei seiner Familie sein.“

„Wenn er überlebt, kannst du ihn das selbst fragen.“

Ein düsterer Ausdruck huschte über Riordans Gesicht. „Ich helfe ihm nur deinetwegen, Eileen. Ich habe nicht den Wunsch, mit ihm zu sprechen.“

Sie verbarg ihre Verärgerung, während sie das Pferd weiter antrieb. „Wir müssen uns beeilen. Er muss überleben.“

„Warum? Weil du noch immer Gefühle für ihn hast?“

„Wenn er stirbt, beweist das nur erneut, dass ich verflucht bin. Ich kann nicht noch einen weiteren Verletzten verlieren. Wenn er es schafft, lässt Séamus mich vielleicht wieder als Heilerin wirken.“

„Niemand weiß, dass du ihn gefunden hast“, bemerkte Riordan. „Lorcan hat ihn entdeckt. Das wird jeder noch vor Anbruch der Dunkelheit wissen.“ Da war sie sich ganz sicher. „Hast du ihn wieder nach Hause geschickt?“

„Ja, hab ich.“

„Das ist gut.“ Eine tiefe Angst ergriff sie. Der Gedanke, dass Connor vielleicht nie wieder aufwachen würde, ließ sie vor Kälte erzittern. Auf dem Pfad zu ihrem Land hatte er sich noch immer nicht bewegt.

„Es gefällt mir trotzdem nicht. Wir sollten ihn stattdessen zu Séamus bringen.“

Eileen war nicht bereit, diese Chance ungenutzt verstreichen zu lassen, schon gar nicht wegen der Eifersucht eines einzelnen Mannes. Sie legte ihre Hand auf Riordans Schulter. „Mach dir keine Gedanken. Sobald er wieder gesund ist, wird er seiner Wege gehen.“ Ihre Berührung ließ einen Funken des Interesses in seinen Augen aufblitzen, und sie wünschte sich plötzlich, sie hätte die impulsive Geste unterdrückt.

Er drückte ihre Hand, und ein weiteres Mal huschte ein Ausdruck der Sehnsucht über sein Gesicht. Eileen erinnerte sich daran, dass ein zuverlässiger, guter Ehemann wie Riordan eine vernünftige Wahl wäre. Sie hatte ihre Träume von einem attraktiven Krieger schon lange begraben. Männer wie Connor MacEgan beachteten sie gar nicht.

Nach wenigen Augenblicken erreichten sie das kleine Stück Land, das sie ihr Eigen nannte. Als sie an den Reihen der angepflanzten Kräuter vorbeigingen, dachte Eileen an Iriswurzeln und Ringelblumen, sollten sich Connors Verletzungen verschlimmern. Sie sandte ein stilles Gebet sowohl an den christlichen Gott als auch an die Götter der Heilung ihrer Vorfahren.

„Bring ihn in die Krankenhütte“, sagte sie zu Riordan. Die steinerne Behausung, einige Schritte von ihrer eigenen Unterkunft entfernt, diente der Versorgung und Pflege der verwundeten und nicht gesunden Mitglieder ihres Clans.

In den letzten zwei Monaten hatte ihr keine einzige Person genug vertraut, um sich dort von ihr behandeln zu lassen. Aber sie hatte sie trotzdem peinlich sauber gehalten und gehofft, dass eines Tages ein Dorfbewohner sie um Hilfe bitten würde. Doch in ihrem tiefsten Inneren fürchtete sie, dass ihr Clanoberhaupt sie zwingen würde, ihr Land zu verlassen, sobald eine andere Heilerin ihren Platz für sich beanspruchte. Séamus hatte ihr nicht vergeben.

Sie spürte eine große Bitterkeit in sich. Männer waren gestorben, weil sie zu stolz oder zu abergläubisch waren, um ihre Hilfe anzunehmen.

Sie öffnete die Tür aus gegerbtem Fell und bückte sich unter dem Bündel gefärbter Wolle hindurch, das dort hing, um böse Geister abzuwehren. Innen war es kühl, und es roch nach feuchter Erde. Riordan legte Connors schlaffen Körper auf eines der Lager, die mit weichem Stroh gepolstert waren. Dass er so gar nicht reagierte, ließ schlimmere Verletzungen befürchten, aber sie mochte die Hoffnung noch nicht aufgeben.

„Brauchst du ein Feuer?“, fragte Riordan.

Eileen zögerte. Auch wenn sie wusste, dass er ihr nur helfen wollte, arbeitete sie lieber allein. „Ich werde selbst eins entzünden.“

„Es macht mir keine Mühe.“

Er begann damit, draußen Torf zusammenzusammeln, um es in die Hütte zu bringen, aber Eileen stellte sich ihm in den Weg. Sie wollte nicht, dass der beißende Geruch des Rauchs die Heilung behinderte. „Danke, Riordan. Ich komme jetzt allein zurecht.“

„Ich will nicht, dass du allein mit ihm bist. Man kann ihm nicht trauen.“

Sie unterdrückte ein Seufzen. „Er ist bewusstlos, Riordan. Ich bezweifle, dass er auch nur seinen Kopf heben könnte.“

Ihre Logik schien ihn etwas zu beruhigen, und er legte den Stapel Torf wieder auf den Boden. „Soll ich heute Abend wiederkommen?“ Neue Zuversicht erfüllte sein Gesicht.

„Vielleicht ein anderes Mal.“

Seine Schultern fielen herab. „Wir sollten einen Boten zu MacEgans Familie schicken. Ich kümmere mich gern darum.“

Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „So sehr liegt es dir also am Herzen, ihm zu helfen?“

Mit einem Blick zur Tür der Krankenhütte verschränkte Riordan die Arme vor der Brust. „Es liegt mir am Herzen, ihn schnell wieder von hier fortzubringen.“

„Du hast nichts von ihm zu befürchten.“

„Ich werde morgen vorbeischauen, falls du meine Hilfe brauchst.“

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich komme schon zurecht, danke.“

Erst als er gegangen war, konnte sie endlich richtig durchatmen. Auch wenn er ihr nur seine Hilfe anbieten wollte, hatte Riordans Anwesenheit doch ihre Konzentration gestört.

Sie arbeitete schnell und warf den Torf in eine Feuerstelle außerhalb des Cottage. In wenigen Augenblicken entfachte sie ein Feuer und schob schwere Flusssteine in die Flammen, um sie zu erhitzen. Sie hängte einen Kessel mit Wasser über das Feuer, um es zum Kochen zu bringen.

Anschließend trat sie zurück in die Krankenhütte und setzte sich neben Connor. Für einen winzigen Moment öffneten sich flatternd seine Lider. Sie erstarrte, weil sie nicht wusste, wie er auf seine Umgebung reagieren würde. Aber in dem dämmrigen Licht zeigte er keinerlei Zeichen des Erkennens. Es war, als könnte er sie überhaupt nicht sehen.

Eileen unterdrückte ihre Enttäuschung, als sich seine Augen wieder schlossen. Sie veränderte ein wenig seine Position, damit er bequemer lag. Seine Hände waren auf beinahe das Doppelte ihrer normalen Größe angeschwollen, die Haut prall gespannt von Blut. Wenn Winter wäre, hätte sie die Schwellungen mit Schnee lindern können. So goss sie stattdessen kaltes Wasser in Holzschüsseln und legte seine Hände vorsichtig hinein.

Sie eilte nach draußen und lief in ihre eigene Hütte, um passende Schienen zu holen. Schnell sammelte sie sauberes Leinen und Holz zusammen, aber in ihrer Eile ließ sie das Bündel fallen. Das war der Augenblick, in dem sie das Zittern ihrer Finger bemerkte. Sie musste ihr rasendes Herz beruhigen und sich ganz auf die Behandlung konzentrieren.

Hör auf, dich wie ein dummes Mädchen zu benehmen, warnte ihre innere Stimme sie. Er wird sich vermutlich nicht einmal an dich erinnern.

Sie hüllte das Leinen und die Schienen in eine Falte ihres wollenen Umhangs und benutzte ihn, um alles in die Krankenhütte hinüberzutragen.

Beim Feuer hielt sie kurz an und füllte eine Schüssel mit heißem Wasser aus dem Kessel. Die Flusssteine! Beinahe hätte sie sie vergessen. Sie legte die Schienen und Bandagen auf der Schwelle der Hütte ab und stellte den Topf mit dem heißen Wasser neben ihre Kräuter. Danach kehrte sie noch einmal zum Feuer zurück und benutzte einen eisernen Stab, um die heißen Granitsteine in das Innere der Hütte zu rollen, um sie auf diese Weise zu erwärmen.

Connor hatte das Bewusstsein noch immer nicht wiedererlangt. Eileen nahm einen tiefen Atemzug und sammelte sich. Sie kniete sich neben ihn und schnitt ihm die Reste seiner blutgetränkten Tunika mit einem Dolch vom Leib. Er bewegte sich kein einziges Mal. Stimmen des Zweifels fingen an, ihr Selbstvertrauen zu untergraben. Was, wenn er schon zu weit über die Schwelle zwischen Leben und Tod gewandert war?

Hör auf, dir Sorgen über das zu machen, was du nicht zu ändern vermagst. Konzentriere dich auf das, was du ändern kannst. Sie durchsuchte ihr Gehirn nach den Lehren, die sie von der alten Heilerin Kyna empfangen hatte. Lilienwurzeln und Malvenblätter, falls die Schwellungen noch zunahmen. Würde das ausreichen? Connor war der Pflegesohn des Clanoberhaupts, die Familie liebte ihn sehr. Wenn es ihr gelang, ihn zu heilen, würde das vielleicht die feindlichen Gefühle mildern, die sie ihr entgegenbrachten.

Eileen entfernte die Leinenbandage und die Zwiebel. Anschließend tauchte sie ein Tuch in sauberes Wasser und wusch das Blut von seinem Gesicht. Sie intonierte einen leisen Heilgesang, nicht zuletzt, um ihre aufgewühlten Gefühle zu beruhigen.

Ein weiteres Mal untersuchte sie die Wunden auf seiner Brust und entschied, welche Schnitte genäht werden mussten. Als ihre Finger über seinen Oberkörper wanderten, schweiften ihre Gedanken ungewollt ab.

Der verbotene Geschmack seines Kusses hatte einst ihre Träume erfüllt. In einer mondhellen Nacht hatte Connor sie umarmt, unwillkürlich erinnerte sie sich an das Gefühl seiner harten Muskeln auf ihrer Haut. Ein Zittern durchlief sie, und Eileen unterdrückte die früher so vertrauten Gefühle des Verlangens. Sie stand auf und zwang sich, sich wieder auf seine Verletzungen zu konzentrieren.

Als sie von Connor wegtrat, ging sie an einigen Bündeln getrockneter Kräuter vorbei, die von der Decke hingen. Der aromatische Duft half ihr, ihre Gedanken zu klären. Sobald sie an dem kleinen Tisch ankam, wo sie die Medikamente aufbewahrte, entschied sie sich für Beinwell. Sie griff nach Stößel und Mörser und zerdrückte die Wurzeln, bis sie einen feuchten Brei ergaben. Danach goss sie heißes Wasser darüber.

Eileen setzte sich neben Connor und stellte den Mörser in der Nähe ab. Sie fädelte einen Faden in eine Nadel aus Knochen und begann, den tiefen Riss an seiner Schläfe zu nähen. Seine wächserne Haut, seine Reglosigkeit trotz der Nadelstiche ließen sie befürchten, dass er doch noch sterben würde.

Ein leises Gefühl von Bedauern entfaltete sich tief im Inneren ihres Herzens. Sie hatte versucht, ihn zu hassen, die Gefühle, die sie einst für ihn gehabt hatte, zu verdrängen. Aber ein Teil von ihm würde immer bei ihr sein, egal, wie sehr sie die Vergangenheit vergessen wollte.

Eileen hielt die von Schnitten durchzogene Haut auf seiner Brust zusammen und schloss auch diese Verletzungen mit kleinen Stichen. Schon unzählige Schnitte hatte sie genäht und selbst die schlimmsten klaffenden Wunden geheilt, diesmal war es ihr jedoch, als würde die Nadel in ihr eigenes Fleisch dringen.

Warum erschreckte es sie so, ihn um sein Leben kämpfen zu sehen? Sie hatte gedacht, ihre Gefühle für ihn lange hinter sich gelassen zu haben.

Nun strich sie den warmen Kräuterbrei auf seine Brust und verband sie ein weiteres Mal. Es war an der Zeit, ihre Aufmerksamkeit etwas anderem zuzuwenden – seinen Knochen. Der unnatürliche Winkel des Gelenks und die dunkelvioletten Verfärbungen an seiner rechten Hand ließen auf ein gebrochenes Handgelenk schließen. Seine linke Hand hatte geschwollene Finger und aufgeschlagene Knöchel.

Seltsam. Diese Verletzungen stammten nicht aus einem Kampf. Jemand hatte ganz bewusst versucht, die Knochen zu zertrümmern. Wieder kam ihr der Gedanke an Folter. Ihr Magen zog sich zusammen, und Zweifel überfielen sie.

Hatte sie das Wissen, solche komplizierten Wunden zu heilen? Oder noch schlimmer, hätte sie den Mut, seine Hände zu amputieren, wenn es nötig werden würde, um sein Leben zu retten? Sollte sich die Haut grün oder schwarz färben, würde sie keine Wahl haben. Ihr Herz schien zu stolpern, und ihr wurde übel bei dem Gedanken, ihm solche Schmerzen bereiten zu müssen. Sie schickte wieder ein Gebet gegen die Dämonen der Krankheit gen Himmel.

„Mutter, ist alles in Ordnung?“ Ihre Tochter Rhiannon trat in die Hütte. Eileen erstarrte kurz bei ihrem Anblick. Das hatte sie ganz vergessen. Ihre Tochter, die bei einer Pflegefamilie aufwuchs, kam häufig zu Besuch, um die Heilkunst von ihr zu lernen.

Eileen warf einen schnellen Blick zu Connor hinüber und sah, dass er noch immer bewusstlos war. Sie legte ihren Arm um Rhiannon und führte sie aus der Hütte. „Es ist alles in Ordnung.“

Auf Rhiannons Gesicht zeigte sich Verwirrung. „Willst du, dass ich dir helfe? Der Mann in der Hütte …“

„Heute nicht.“ Eileen bemühte sich, ihre Stimme ganz ruhig klingen zu lassen. „Aber du kannst für ihn beten.“

Rhiannon sah sie mit kritischem Blick an. „Werden die Gebete helfen, ihn zu heilen?“ Sie drehte ihren dunkelbraunen Zopf zwischen den Händen. Ein besorgter Ausdruck trat auf ihr Gesicht.

„Es kann zumindest nicht schaden.“

„Lass mich dir doch helfen“, bettelte ihre Tochter.

„Nein.“ Ihre Antwort kam schärfer, als sie beabsichtigt hatte. Eileen zwang sich zu einem Lächeln. „Es wird ihm bald besser gehen. Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.“ Die Lüge vergrößerte ihre Schuld nur noch.

„Du bist eine gute Heilerin, Mutter. Egal, was sie behaupten“, sagte Rhiannon und fügte mit leuchtenden Augen hinzu: „Ich will so sein wie du.“

Eileens Haut überzog sich vor Verlegenheit mit einer sanften Röte. „Ich hoffe, dass du einmal eine viel bessere Heilerin als ich sein wirst.“ Sie war dankbar, dass sie so ein enges Verhältnis zu ihrer Tochter hatte. Die meisten Kinder standen ihren Pflegeeltern näher als ihrem eigenen Fleisch und Blut. Aber Rhiannons häufige Besuche sorgten dafür, dass ihre Tochter sie mit jedem vergehenden Jahr nur umso mehr liebte.

„Sie holen eine neue Heilerin“, berichtete Rhiannon ihr mit einem Stirnrunzeln. „Ich habe gehört, wie Tómas davon gesprochen hat.“

„Wann?“

„Noch diese Woche.“ Rhiannon nahm die Hand ihrer Mutter. „Aber sie kann unmöglich so gut sein wie du. Es war nicht deine Schuld, was passiert ist. Sie …“

„Es ist mir gleichgültig“, unterbrach Eileen sie. „Deine Pflegeeltern werden schon auf dich warten. Du gehst jetzt besser.“

„Kann ich dich morgen sehen?“

„Nicht solange der Mann noch da ist.“

„Aber warum denn nicht? Ich habe dir doch auch schon vorher bei der Versorgung von Kampfwunden geholfen.“

„Tu bitte einfach, was ich dir sage. Wenn er zu seinen Leuten zurückgekehrt ist, kannst du wieder zu mir kommen.“ Eileen zog ihre Tochter nah zu sich heran und umarmte sie. Ihr dunkles braunes Haar streichelnd, murmelte sie: „Wir werden uns hinterher wiedersehen.“

Rhiannon erwiderte ihre Umarmung. „Ich komme bald wieder, um dich zu besuchen, Mutter. “

„Ich liebe dich, mein Kind. Sei artig.“ Sie stupste ihre Nase gegen die von Rhiannon.

„Werd ich.“

Eileen wartete, bis ihre Tochter die Kuppe des Hügels erreicht hatte, bevor sie zu Connor zurückkehrte. Sie dankte den Heiligen, dass Rhiannon sie nicht weiter ausgefragt hatte.

Im Inneren der Hütte lag Connor noch immer völlig bewegungslos. Aber als sie seine rechte Hand hob, zuckte er zusammen. Es war die erste körperliche Reaktion, die sie an ihm beobachtet hatte. Gut. Vielleicht würde er doch überleben. Es sah so aus, als hätte jemand mit einem Hammer auf seine Finger geschlagen. Dieselbe Behandlung war seinem rechten Handgelenk zuteil geworden.

Solch ungewöhnliche Wunden. Wenn seine Feinde ihn töten wollten, hätte ein einfacher Pfeil oder Dolch ins Herz genügt. Dies war eine Bestrafung gewesen, so schien es jedenfalls. Connor hatte keine Waffen bei sich gehabt, was nahelegte, dass er ein Gefangener war. Man hatte ihn einfach in der Mitte des Feldes zurückgelassen, und wenn Lorcan ihn nicht zufällig gefunden hätte, würde er vermutlich immer noch dort liegen.

Sie musste die Knochen richten. Als sie in ihrem Vorrat nach hölzernen Schienen in der richtigen Form und Größe suchte, kehrten ihre Gedanken noch einmal zu Rhiannon zurück. Liebe erfüllte sie, als sie an das kleine Mädchen dachte. Sie konnte sich ein Leben ohne ihre Tochter nicht vorstellen.

Niemand würde ihr Rhiannon wegnehmen. Vor allem nicht Connor MacEgan – der Mann, der sie gezeugt hatte.

Seine Hände brannten wie Feuer. Schmerz, wie er ihn noch nie zuvor erlebt hatte, durchströmte ihn. Connor zuckte, und seine Muskeln spannten sich in der schrecklichen Agonie.

„Versuch, still zu liegen. Ich muss die Knochen richten.“

Connor konnte genauso wenig ruhig liegen bleiben, wie er den gedämpften Schmerzensschrei unterdrücken konnte, der ihm aus der Kehle drang. Die Frau bewegte einen weiteren der gebrochenen Knochen, und er betete darum, dass ihn wieder die gesegnete Dunkelheit umfangen würde.

Aber ihr Tun machte das unmöglich. So konzentrierte er seine Gedanken stattdessen auf das, was passiert war. Flüchtige Bilder von Flann Ó Banníons Männern, die ihn am Boden hielten, schossen durch seinen Kopf. Er hatte gegen sie gekämpft, während ihre Waffen in sein Fleisch schnitten. Aber der Schmerz war nichts gegen das, was dann kam. Seine ehemaligen Freunde hielten ihn fest, während das Clanoberhaupt mit einem steinernen Hammer weit ausholte.

Ein wahnsinniger Schmerz raste während des zerschmetternden Schlags durch seine Finger und sein Handgelenk. Ein Schrei löste sich aus seiner Kehle, als sie seine andere Hand zerschlugen. Danach hatte er dankenswerterweise das Bewusstsein verloren.

Aber die Pein, die ihm die Heilerin zufügte, stellte jene, die ihm seine Feinde bereitet hatten, noch in den Schatten. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie er entkommen war, aber Ó Banníons Abschiedsworte hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt. „Nun wirst du nie wieder eine andere Frau anfassen.“

Die Heilerin richtete einen weiteren Knochen, und er schnappte vor Schmerz nach Luft. „Vorsicht.“

„Ich bin beinahe fertig.“

„Gott sei Dank.“

„Dann fange ich mit der anderen Hand an.“

Die andere Hand? Himmel, die Frau war von den sibh dubh gesandt worden, um ihn zu quälen. Dunkle Geister zeigten mehr Gnade als sie. Noch niemals hatte er solche Leiden gekannt wie die entsetzlichen Schmerzen in seinen Händen. Er hielt seine Augen geschlossen und versuchte, die Qualen in eine hintere Ecke seines Kopfes zu verbannen.

„Wo bin ich?“, fragte er schließlich. Er atmete nur vorsichtig, in der Hoffnung, den stechenden Schmerz in seinen Rippen zu verringern.

„Erinnerst du dich nicht? Du bist hier in Banslieve aufgewachsen. Beim Clan Ó Duinne.“

Er hatte das Land seiner Pflegefamilie nicht mehr besucht, seit er ein Jüngling von siebzehn Jahren war. Aber er hatte gute Erinnerungen an Banslieve.

Connor betrachtete die Frau, die sich um seine Wunden kümmerte. Ihr geflochtener Zopf ähnelte dem dunklen Braun polierten Holzes. Ihre Augen waren von einem sanften Graugrün.

„Dein Name ist Eileen?“, fragte er. Als sie das bejahte, überlegte er, ob sie dasselbe junge Mädchen war, das selten gesprochen und sich immer in den Schatten versteckt hatte. „Ich erinnere mich an dich.“

Sie starrte ihn an, und für einen Augenblick glaubte er, einen Vorwurf in ihren Augen zu sehen. Das kurze Aufblitzen des Ärgers verschwand, und sie war wieder ganz ruhig. „Das ist schon sehr lange her. “

„Wo ist Kyna?“ Als er die alte Heilerin erwähnte, trat ein trauriger Ausdruck auf ihr Gesicht.

„Sie ist im letzten Winter gestorben. Jetzt bin ich die Heilerin.“

„Gibt es noch eine andere Heilerin im Dorf?“ Er traute Eileen nicht. Sie war viel zu jung, um Kynas Wissen zu haben.

„Nein.“ Ihre Lippen verzogen sich in verärgertem Stolz. „Ich bin die einzige.“

Er vermochte keine Rücksicht darauf zu nehmen, wenn er sie kränkte. Würde sie die Knochen nicht ordentlich richten, konnte er den Gebrauch seiner Hände ganz verlieren. Krieger zu sein, das war sein Leben. Er schloss die Augen, als ein weiterer flammender Schmerz durch seine Finger pulsierte.

Flann Ó Banníon hatte Connors Bestrafung befürwortet, weil er falschen Zeugenaussagen glaubte. Und alles wegen eines Verbrechens, das er nicht begangen hatte. Zorn brannte in ihm genau wie Wut über den Verrat. Flann war einst sein Freund gewesen und sein Lehrer im Schwertkampf.

„Wie schlimm ist es?“, fragte er.

„Wie schlimm ist was?“

„Meine Hände. Werde ich sie je wieder benutzen können?“ Er musste wissen, ob er seine Hände verlieren würde. Seine Haut prickelte, und ihm war plötzlich kalt vor Angst.

„Ich weiß es nicht.“

Er wurde ganz still. Sein ganzes Leben lang war er ein Krieger gewesen. Er hatte gegen die Normannen gekämpft, gegen feindliche Clans, bis sein Schwert ein natürlicher Teil seiner selbst geworden war.

„Was ist mit meinem Schwert? Werde ich wieder kämpfen können?“

Er versuchte, sich aufzusetzen, aber eine sanfte Hand hielt ihn zurück. „Auch das weiß ich nicht. Immerhin bist du am Leben, und dafür solltest du dankbar sein.“

Noch während ihrer Antwort fühlte er die eisige Hand des Schicksals, die sich spottend nach ihm ausstreckte. Er konnte sich kein anderes Dasein als das eines Kriegers vorstellen.

„Schlaf jetzt“, flüsterte Eileen und hielt einen Heiltrank an seine Lippen. Er schluckte das bittere Gebräu und fühlte sich, als wäre er versteinert. Wenn er tatsächlich nie wieder sein Schwert würde führen können, dann war er so gut wie tot.

2. KAPITEL

Beltane, sieben Jahre zuvor, 1168

Eileen Ó Duinne bürstete ihr langes braunes Haar und flocht es mit den blauen Bändern, die ihr Vater ihr geschenkt hatte. Sie trug ihr bestes Gewand, ein fröhliches Kleid von der Farbe des Himmels über einem cremefarbenen Unterkleid, dem leine. Sie fühlte sich viel erwachsener, als ihre sechzehn Jahre vermuten ließen. Heute Abend würde das Beltane-Fest stattfinden, ein uraltes Ritual, das das Leben feierte und wichtig war, um dem Dorf dauerhaftes Glück zu garantieren. Sie lächelte verträumt, als ihre Gedanken sich in der Möglichkeit, wahre Liebe zu finden, verloren.

Eine Hand zog an ihrem Zopf, und sie schrie auf. Ihr älterer Bruder Cillian grinste sie an. Mit dunkelbraunem Haar und lachenden grünen Augen war Cillian sowohl ihr Lieblingsbruder als auch der Fluch ihres Lebens. „Und? Hast du vor, heute Nacht einen Mann zu finden?“

„Natürlich nicht“, log sie mit flammend rotem Gesicht. „Sie beachten mich ohnehin nicht.“

Ihr Bruder schüttelte nur den Kopf. „Sie beachten dich mehr, als du denkst, Eileen.“

„Du musst wohl eine andere Schwester meinen.“

„Du bist meine einzige Schwester“, stellte Cillian fest. „Und wenn sie alle nicht erkennen können, was du wert bist, werde ich sie am besten einmal ordentlich verprügeln.“

Sein Kompliment zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. „Ich habe heute Morgen mein Gesicht drei Mal mit Tau gewaschen“, gab sie zu. „Ich glaube aber nicht, dass es schon gewirkt hat.“ Man sagte, dass wahre Schönheit zu denen kommen würde, die am Morgen von Beltane in Tau badeten. Sie hatte immer noch die Hoffnung, dass sich der Erfolg vielleicht später am Tag einstellen würde.

Beltane war die Nacht, in der viele junge Frauen Erfüllung in den Armen eines attraktiven Verehrers finden würden. Letzten Mittsommer war sie zum ersten Mal geküsst worden. Es war enttäuschend gewesen, ein Wirrwarr aus feuchten Zungen und Lippen. Die Erinnerung ließ sie erschaudern, aber sie gab nicht dem Jungen die Schuld. Sie hatte auch nicht viel Erfahrung gehabt.

„Ich weiß, an wen du denkst, Eileen Ó Duinne. Du willst, dass Connor MacEgan sich dir verspricht.“ Cillian begann, ihr Luftküsse zuzuwerfen, und Eileen schlug nach ihm.

„Hör auf damit“, warnte sie ihn. „Solltest du nicht eigentlich Holz für die Beltane-Feuer sammeln?“ Sie wusste, dass ihr Vater und ihr anderer Bruder Bradan damit beschäftigt waren, das Vieh zusammenzutreiben. Wenn sie es zwischen den Beltane-Feuern hindurchführen würden, wäre das Wohl der Herde für ein weiteres Jahr gesichert.

„Damit bin ich seit Stunden fertig“, antwortete Cillian. Ein wissendes Lächeln verzog sein Gesicht. „Und ich werde mir eine hübsche cailín suchen, die mir die Splitter herausziehen kann.“

Also wollte auch ihr Bruder heute Nacht nicht allein bleiben, sondern sich ein Mädchen suchen. „Da wirst du aber eine Menge Glück brauchen“, sagte sie schnippisch.

„Genau wie du“, antwortete er. „Ich habe nämlich schlechte Nachrichten für dich.“ Er stieß ein übertriebenes Schluchzen aus, als wenn sein Herz brechen würde. „Connor ist ausgesucht worden, um die Rolle des Belenus zu spielen. Du wirst ihn heute Nacht also bestimmt nicht zum Liebhaber haben. Und Lianna wird die Göttin Danu sein.“

Es fiel ihr nicht schwer, sich Connor als keltischen Sonnengott vorzustellen. Aber Eileens gute Laune war trotzdem verschwunden. Connor würde heute Nacht also Liannas Begleiter sein. Sie würden die Heilige Ehe vollziehen und sich lieben.

Sie zitterte, wenn sie nur daran dachte. Warum nur war nicht sie ausgewählt worden? Kaum dass der Gedanke durch ihren Kopf schoss, verwarf sie ihn auch schon wieder. Ihr unauffälliges Gesicht und die nicht zu bändigende Masse ihrer braunen Locken ließen sie neben Liannas schwanengleicher Schönheit wie ein Spatz wirken. Mehr als einmal hatte ein junger Mann einfach an ihr vorbeigeschaut, seine Aufmerksamkeit ganz auf Lianna gerichtet.

„Kopf hoch, Schwester“, sagte Cillian. „Ich könnte Connor für dich festhalten, und du könntest ihm einen Kuss stehlen. Ich glaube nicht, dass er zu großen Widerstand leisten würde.“

Sie stemmte die Fäuste auf die Hüften. „Wenn du ihm gegenüber auch nur ein Wort davon erwähnst, werde ich …“

Aber ihr Bruder lachte nur und rannte aus dem Haus. Eileen unterdrückte ein gequältes Stöhnen. Cillian wusste, dass sie heimlich von Connor träumte. Aber wenn ihm sein Leben lieb war, würde er es niemandem verraten.

Sie nahm ihren brat und wickelte den wollenen Umhang um ihre Schultern. Auf der Schwelle blies ihr ein sanfter Wind von den Hügeln entgegen und besänftigte ihre verletzten Gefühle. Heute Nacht wollte sie ihre Mädchenzeit hinter sich lassen und sich einem der Männer des Clans hingeben und versprechen.

An diesem Abend suchten Liebespaare die Dunkelheit und feierten auf ihre eigene Weise die Feuer. Alles war möglich, selbst Magie. Und es würde wohl auch etwas Magie brauchen, wenn Connor MacEgan sie bemerken sollte.

Eileens Mund wurde trocken bei dem Gedanken an ihn. Auch wenn er nur ein Jahr älter als sie selbst war, hatte er doch den größten Teil seines Lebens damit verbracht, dafür zu trainieren, ein Krieger zu werden. Er bewegte sich mit Geschmeidigkeit und Kraft, ein Mann auf dem Weg, eine Legende zu werden.

Sein Haar hatte die Farbe polierten Goldes, und er war so groß, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzuschauen. Mit seinen grauen Augen konnte er jeder Frau, die er ansah, das Gefühl geben, schön zu sein. Sie hatte ihn über die Felder reiten sehen, beobachtet, wie seine kräftigen Schenkel das Pferd auf gekonnte Weise lenkten. Ein aufgeregtes Flattern breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, wenn sie nur an ihn dachte.

War es so falsch, dass sie sich wünschte, heute Abend in Connors Armen zu liegen und die Geheimnisse zwischen Mann und Frau kennenzulernen?

Aber solche Gedanken waren töricht. Sie vergaß sie am besten ganz schnell und hoffte lieber darauf, dass überhaupt jemand sie als passende Braut in Betracht ziehen würde.

„Eileen! Komm und hilf mir“, rief ihre Mutter. „Ich muss die Körbe für das Festmahl bereiten.“

Eileen wickelte frische Brotlaibe in Leinen und brach ein Stück ab, um es für die Feen auf die Schwelle zu legen. Sie hatten aufgepasst, keine Geräte mit Klingen bei der Zubereitung der Brote zu verwenden, da Eisen tödlich für Feen war. Heute Nacht war der Schleier zwischen dieser Welt und der des Feenvolks durchlässig. Die Gabe würde Glück bringen.

„Bist du fertig?“, fragte ihre Mutter. Eileen nickte und hob ihren Korb hoch. Draußen war unterdessen auf jedem der beiden Hügel des Dorfes ein kleiner Berg aus Holz aufgeschichtet und für die Freudenfeuer vorbereitet worden. Alle Herde waren am vorigen Tag gelöscht worden und würden neu an den Beltane-Feuern entzündet werden.

Die Sonne ging in einem Meer von scharlachroten und violetten Tönen unter, und es wurde langsam dunkel. Bald war die Zeit gekommen, das heilige Holz zu entflammen.

Ihr Vater und ihre Brüder standen mit ihren Tieren inmitten der anderen Männer des Clans und warteten darauf, das Vieh zwischen den Feuern hindurchzutreiben. Eileen folgte ihrer Mutter durch die Menge. Als sie an den Hütten vorbeigingen, sah sie auf einigen der Dächer voll erblühte Weißdornzweige liegen. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Für sie hatte kein Geliebter Blumen gebracht.

„Vergiss nicht“, sagte ihre Mutter eindringlich, „wenn irgendeiner der jungen Männer versucht, dich zu etwas zu zwingen …“ Ihre grünen Augen blickten besorgt, und um ihre Mundwinkel bildeten sich Falten. Sie schien sich mit etwas zu quälen, das sie nicht richtig zu formulieren wusste.

Eileen umarmte ihre Mutter zärtlich. „Dann werde ich ihm deutlich zu verstehen geben, dass ich dafür noch nicht bereit bin.“ Sie verstand die Ängste ihrer Mutter, auch wenn es keinen Grund dazu gab.

„Es ist deine Entscheidung, wenn du heute Nacht einen Liebhaber nehmen und die Göttin Danu ehren willst, Tochter. Aber keiner verlangt es von dir. Du bist noch so jung.“ Auch wenn ihre Mutter die Götter ihrer Vorfahren ehrte, wirkte es nicht so, als sei sie schon bereit dafür, dass ihre Tochter zur Frau wurde.

„Mir wird nichts passieren, Mutter.“ Und das würde es auch nicht, davon war Eileen überzeugt. Sie straffte die Schultern und zwang sich, aufmunternd zu lächeln.

Um sie herum vermischten sich die Laute der Schafe und Pferde mit den Stimmen der Menschen. Die Luft war erfüllt von Blumenduft, und vor sich sah sie Lianna und Connor. Beide trugen grüne Kleidung, und Liannas Haar zierte eine Krone aus Weißdorn und Schlüsselblumen. Des Kriegers Hals schmückte eine passende Girlande.

Eileen trat näher und wünschte sich von ganzem Herzen, dass sie Liannas Platz einnehmen könnte. Sie wandte sich ab, um sich dem Kreis der anderen Mädchen anzuschließen, dabei stieß sie mit einem Mann zusammen. Eachan fing sie auf, bevor sie fallen konnte. Er hielt sie so lange fest, bis sie die Balance wiedergefunden hatte. „Schau einer an. Es passiert nicht jeden Tag, dass mir eine hübsche cailín vor die Füße fällt.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, und die Falten um seine Augen vertieften sich amüsiert. Eachan, der beinahe so alt wie ihr Vater war, hatte sich ihr gegenüber immer sehr zuvorkommend verhalten.

„Es tut mir leid.“ Eileens Gesicht rötete sich, und sie versuchte, nicht weiter seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Das muss es nicht. Und darf ich sagen, dass du heute Abend hübscher aussiehst als die Maikönigin?“

Eileen konnte in seinen Augen sehen, was seine Absichten waren, und sie beschloss, dass sie ihm zu verstehen geben würde, was sie wirklich fühlte. „Wenn du das sagst, lügst du.“

„Ich lüge nicht. Jeder kann sehen, dass Lianna nur Stroh im Kopf hat. Du stellst sie weit in den Schatten.“

Eileen vermutete, dass Eachan zu viel Met getrunken hatte. „Ich muss jetzt gehen.“ Sie entschuldigte sich und suchte sich einen Platz, wo sie bleiben und Connor und Lianna beobachten konnte. Lianna lachte, als Connors Ellenbogen über ihre Brust strich.

Eileen erstarrte, als hätte Connor sie und nicht Lianna berührt. Ihre Haut brannte – eine Antwort auf die beobachtete Geste, und ihre Brustspitzen härteten sich gegen die Wolle ihres Kleides.

„Ein MacEgan-Bastard“, hörte sie neben sich, und Eileen hatte keine Mühe, die Eifersucht in Tómas’ Stimme zu erkennen. Er, der einen ganzen Kopf kleiner als Connor war, hasste es, dass nicht er als Liannas Partner auserkoren worden war. „Er sollte überhaupt nicht hier sein. Er gehört zu seinem eigenen Clan.“ Eileen versuchte gar nicht erst darauf hinzuweisen, dass Connor, seit er ein Baby war, als Pflegekind bei den Ó Duinnes lebte. Tómas wollte Lianna zur Braut, und daraus machte er auch kein Geheimnis.

„Wenn er sie anfasst, bring ich ihn um“, drohte er leise.

„Und damit bringst du Unglück über uns alle, wenn du so etwas Dummes wirklich tust“, schalt Eileen. „Er ist auserwählt. Es gibt nichts, was dagegen spricht und was man unternehmen könnte, um dies zu ändern.“

„Ich werde nicht zulassen, dass er sie berührt.“ In Tómas’ Stimme war ein dunkler Unterton zu hören, der sie beunruhigte.

„Ta, das wirst du dennoch müssen. Und wenn du dich jetzt nicht wie ein schmollender Junge benimmst, kommt sie vielleicht später zu dir. “

„Und was weißt du schon davon, Eileen? Kein Mann hier will ein hässliches Mädchen wie dich zur Braut.“

Seine Worte verletzten sie, aber sie hob ihr Kinn. „Ich weiß genug, um zu erkennen, wenn ich einen Jungen Unsinn reden höre und wohlgemerkt – keinen Mann.“

Tómas ließ sie stehen, und Eileen blinzelte einige Male, nachdem er verschwunden war. So schaffte sie es, nicht zu weinen. Offensichtlich hatte der Beltane-Tau noch nicht sein Wunder auf ihrem Gesicht vollbracht.

Sie schloss sich den Tänzern an und versuchte, sich nicht zu bedrückt zu fühlen, wenn die jungen Männer die anderen Mädchen sehnsuchtsvoll anlächelten. Sie würde mindestens eine ebenso gute Ehefrau wie jede von ihnen abgeben. Hatte die Dorfheilerin Kyna ihr nicht beigebracht, wie man Kranke gesund pflegte?

Auf einmal stand sie Connor gegenüber. Seine Hand umschloss ihre im Tanz, und es war ein Wunder, dass seine Berührung keinen Blitzschlag auslöste. Nervöse Spannung lief durch ihren Körper.

„Hallo, Connor.“ Es klang, als würde ein einziges Quietschen aus ihr herauskommen. Bei der gesegneten Danu, was war mit ihrer Stimme passiert?

„Hallo.“ Er drehte sie im Kreis und lächelte sie freundlich an. „Ich wollte dir danken, dass du dich um meinen Hund gekümmert hast. Ulric scheint wieder genauso munter wie früher zu sein.“

„Es freut mich, dass es ihm besser geht.“ Sie hatte nicht mehr getan, als einen Minzaufguss für den Vierbeiner zu bereiten, nachdem er zu viel von den Tischabfällen gefressen hatte.

Connor nahm ihre rechte Hand und drückte sie. „Vielen Dank noch mal.“

Eileen beschloss, dass sie ihre rechte Hand nie wieder waschen würde. Die Partner wechselten erneut, und sie wurde davor bewahrt, sich unsterblich zu blamieren, da Eachan sich zu ihr gesellte.

„Du magst ihn, nicht wahr?“

„Tu ich nicht … er hat nur …“

Eachan lachte und nahm ihre Hände in die seinen. „Ein alter Mann wie ich kann mit dem jungen Connor natürlich nicht mithalten. Aber du bist ein vernünftiges Mädchen und jemand, der es wert ist, besser kennengelernt zu werden. Soll ich es ihm sagen und ein gutes Wort für dich einlegen?“

„Nein!“ Der Gedanke, dass Eachan sie Connor wie eine perfekte Zuchtstute anpreisen könnte, entsetzte sie.

Ein Lachen drang aus seiner Kehle, als er sie an den nächsten Tanzpartner weiterreichte. „Denk darüber nach, junge Eileen.“

Sie errötete. Auch wenn einige Männer benachbarter Clans auf Besuch waren, schenkten sie ihr keine Beachtung. Sie beobachtete, wie Männer und Frauen sich langsam zu Paaren zusammenfanden und sich in Vorbereitung auf die Feuer an den Händen hielten.

Sie stand noch immer allein herum und fühlte sich wie eine Außenseiterin. Selbst Eachan hatte sie trotz all seiner freundlichen Worte verlassen. Sie rieb sich die Arme und zwang sich zu einer Fröhlichkeit, die sie nicht fühlte.

Als die Holzhaufen entzündet wurden, standen die Menschen dabei und sahen zu, wie die Männer das Vieh zwischen den lodernden Feuern hindurchtrieben. Die rot-orangefarbenen Flammen bildeten einen starken Kontrast zum dunklen Himmel, der fast eine hypnotische Kraft ausübte. Connor und Lianna umkreisten die Flammen drei Mal, nahmen anschließend Anlauf und sprangen über das Beltane-Feuer.

Eileens Herz schlug schneller, als sie sich vorstellte, sie wäre diejenige, die über die Flammen hinwegfliegen würde. Connor fing Lianna in seinen Armen auf und beugte sich tief hinab, um sie zu küssen. Eileen wandte sich ab und tat so, als hätte sie es nicht gesehen.

Der Met floss in Strömen, und während das Fest weiterging, begannen die Paare im Unterholz zu verschwinden. Eileen hörte die Geräusche der sich liebenden Paare, und als sie die gedämpften Schreie der Befriedigung vernahm, regte sich etwas tief in ihr. Sie ging zum Rand der Lichtung und blieb nahe dem Waldesrand stehen. Dunkelheit umgab die Bäume, und die Schatten verbargen die Liebenden sicher.

Auf der erhöhten Plattform hielt Connor Liannas Hände in den seinen und flüsterte ihr etwas zu. Es war Zeit für das Mädchen, die Göttin zu ehren und sich mit Connor in der Hütte, die nur für diesen Zweck gedacht war, zu vereinigen. Lianna lächelte, doch ihr Blick ruhte auf Tómas. Das Gesicht dieses Mannes war starr vor Hass. Eileen befürchtete plötzlich, dass er wirklich etwas Unüberlegtes tun könnte.

Aus der Ferne konnte sie nun sehen, wie Connor Liannas Hände an seine Lippen hob. Wenige Augenblicke später verschwand ihre Freundin in der Hütte, um sich auf die kommende Nacht vorzubereiten. Während Connor die rauen Scherze der anderen Männer über sich ergehen ließ, bewegte sich auch Tómas in Richtung der Behausung.

Eileen traute ihm zu, das Ritual ohne Rücksicht auf die Konsequenzen zu stören. Verzweifelt blickte sie sich um, bis sie Liannas älteren Bruder Riordan erblickte.

„Ich mache mir Sorgen um deine Schwester“, sagte sie. „Tómas ist eifersüchtig auf Connor. “

Die Gelöstheit, mit der Riordan reagierte, zeigte, dass er eine gewisse Menge an Met getrunken hatte. „Lianna kann auf sich selbst aufpassen“, gab er Eileen zu verstehen. Seine Augen wurden dunkel, sein Ausdruck entspannte sich weiter. Er streckte die Hand aus und tätschelte ihr den Kopf. „Lauf weiter, Mädchen.“ Stolpernd wankte er auf eine Gruppe von Frauen zu.

Eileen wandte sich in die entgegengesetzte Richtung. Ihr Blut pulsierte vor Verlegenheit. Sie floh und drängte sich zwischen den Männern und Frauen hindurch. Vertraute Töne umgaben sie – in den Armen ihrer Mütter weinende Kinder und die verführerischen Laute aus dem kleinen Wäldchen. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, fand sie sich vor der Hütte wieder, in der das Ritual der Vereinigung stattfinden sollte.

Eine seltsame Vorahnung erfasste sie, und auf ihrer Haut spürte sie ein seltsames Prickeln. Was würde Lianna in diesem Moment empfinden? Wenn sie an ihrer Stelle wäre, könnte sie sicher kaum atmen. Allein der Gedanke, von Connor MacEgan geliebt zu werden, seinen starken Körper an dem ihren zu fühlen, ließ sie erschaudern.

Das flackernde Licht des Beltane-Feuers lockte sie in die Hütte, auch wenn sie nicht genau hätte sagen können, warum.

„Was machst du hier?“, flüsterte Lianna. „Er wird gleich kommen.“

„Ich weiß. Ich … ich wollte dir Glück wünschen.“

„Ich habe kein Glück, absolut nicht. Tómas wird vermutlich versuchen, Connor umzubringen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Er hat mich gewarnt, ich dürfe mich ihm auf keinen Fall hingeben.“

„Tómas kann nicht in das Ritual eingreifen. Er würde es nicht wagen, glaub mir.“

„Ich habe mich ihm versprochen“, gab Lianna zu. „Er denkt, dass kein anderer Mann das Recht hat, mich zu berühren. Und …“, sie errötete, „. ich bin keine Jungfrau mehr.“

Eileens Augen weiteten sich erschreckt. „Aber … was wirst du tun?“ Wenn Lianna nicht länger eine Jungfrau war, hatte der Akt keine Bedeutung.

„Es ist ohnehin nur heidnischer Unsinn“, meinte Lianna abfällig. „Nur eine Entschuldigung für einen Mann, sich mit einer Frau zu vereinigen. Connor wird es nicht bemerken, und es wäre ihm auch egal.“

„Wie kannst du das sagen? Sind wir nicht in diesem Jahr mit einer reichen Ernte gesegnet worden?“

Lianna schenkte ihr ein amüsiertes Lächeln. „Du glaubst wirklich daran, oder?“

„Natürlich tue ich das. Und du solltest es auch.“ Eileen war wie erstarrt vor Sorge, dass Liannas Täuschung großes Unglück über sie alle bringen würde.

„Warte.“ Liannas Augen glitzerten. „Du bist eine Jungfrau, oder?“

„Das ist wahr.“ Das plötzliche Interesse ihrer Freundin bereitete Eileen Angst.

„Gut.“ Mit einer schnellen Bewegung löschte Lianna die Fackel, die das Innere der Hütte erhellte. In der Dunkelheit konnte Eileen fast nichts mehr erkennen.

„Nimm meinen Platz ein“, drängte Lianna sie. „Auf diese Weise garantierst du eine reiche Ernte. Connor wird den Unterschied nicht bemerken, und Tómas ist beruhigt.“ Bevor Eileen antworten konnte, setzte ihr Lianna die Krone aus Weißdorn und Blumen auf. Sie entfernte die Bänder und löste Eileens Haar, bis es ihr über die Schultern fiel.

„Wir sollten das nicht tun“, protestierte Eileen. Sie könnte Connor niemals auf diese Weise täuschen. Und außerdem war es falsch. Sie war nicht die Maikönigin. Wenn jemand es herausfand, würde sie bestimmt bestraft werden.

„Du willst ihn, oder?“

„Das macht keinen Unterschied. Er wird es bemerken, Lianna, und er wird mir die Schuld geben.“

Unnachgiebig zerrte die Freundin Eileen die Kleider vom Körper und zog danach ihr eigenes leine aus. „Ich werde dein Kleid tragen. Wir werden unsere Gewänder später zurücktauschen, bevor es einem Menschen überhaupt auffällt, was wir getan haben.“

Eileen leistete keinen weiteren Widerstand, weil sie tief in ihrem Herzen die Konsequenzen fürchtete, wenn das Ritual entweiht werden würde. Die Frau, die die Göttin personifizierte, musste eine Jungfrau sein. Es war viel wichtiger, eine Zeremonie in Reinheit zu vollführen, als die Tatsache, wer zur Maikönigin ernannt worden war.

Als sie sich nähernde Stimmen hörte, ergriff sie dennoch Panik. „Lianna, ich kann das nicht tun!“

Doch ihre Freundin war bereits aus der Hütte verschwunden. Nackt schlüpfte Eileen unter die Felldecken. Ihr Herz schlug in ihrer Brust in einem wilden Rhythmus. Connor würde ihre Täuschung durchschauen und sie vor den anderen demütigen. Angst durchströmte sie.

„Lianna?“, rief der Krieger in die Hütte hinein. „Bist du da?“

Jetzt war der Moment gekommen, die Wahrheit zu sagen und sich zu erkennen zu geben. Eine tugendhafte Frau würde sich niemals auf einen solchen Betrug einlassen.

Aber von allen Männern hier an Beltane wollte sie nur einen einzigen in ihren Armen halten: Connor MacEgan. Sie wusste, dass es nie geschehen würde, nicht wenn er wüsste, dass sie es war. Aber das Schicksal hatte ihr eine Chance gegeben.

Lianna hatte ihre Jungfräulichkeit bereits Tómas geschenkt. Wenn sie Liannas Platz einnahm, konnte Eileen eine reiche Ernte sichern. War es so falsch, Gutes für ihren Clan zu wollen?

Bevor sie der Mut wieder verlassen konnte, flüsterte sie: „Ich bin hier. “

Sie hörte, wie er in die Hütte trat und die lederne Türklappe hinter sich zuzog, bis sie von vollkommener Finsternis umgeben waren. Die weichen Felle schmiegten sich verführerisch schmeichelnd an ihre Haut, sinnlich und einladend.

Sie konnte nicht glauben, dass sie dieser Täuschung zugestimmt hatte. Aber jetzt war es zu spät, um sich noch anders zu entscheiden. Sie hörte das leise Geräusch von Connors Kleidung, die zu Boden fiel. Danach fühlte sie sein Gewicht, als er sich auf das Lager setzte.

„Du weißt, was von uns erwartet wird“, sagte er. Seine Stimme, tief und klangvoll, erschien ihr wie eine Liebkosung.

„Ich weiß es.“

Seine Hand fand ihren Haarkranz. Er nahm ihn ihr ab und ließ seine Finger durch die dichten Strähnen gleiten. Sie erzitterte, als seine Hände ihren Weg über ihre nackten Schultern fanden.

„Du bist wunderschön“, sagte er, und für einen Augenblick glaubte sie ihm. Sie streckte ihre Hand aus und legte sie an die seine.

Es ist falsch, dachte sie. Aber in dieser Nacht werde ich keine Reue empfinden. Wenn Lianna nicht die Rolle der Göttin übernehmen wollte, dann konnte Eileen es tun.

Connor beugte sich zu ihr. Er strich ihr mit seinen Händen sanft durch ihr Haar. Sein Mund glitt über ihre Lippen, neckte sie. Seine Zunge kostete ihre Lippen, und die leichte Berührung brachte ein heißes Feuer in ihr zum Lodern. Ihre Brüste spannten sich, als sein Mund sich auf den ihren senkte und Tausende von lustvollen Empfindungen weckte.

Eileen legte ihre Hände an seine warme und männlich-feste Haut. Sein Kuss schmeckte nach Met und Mädchenträumen. Er zog die Felle beiseite und umschloss ihre Brüste mit seinen Händen.

Jetzt schon mutiger, erwiderte Eileen seinen Kuss und ließ ihre Lippen gegen die seinen streichen. Seine Zunge drang in ihren Mund, und sie stöhnte, als sie dies spürte, so auch später, als er in ihren Körper eindrang. Eine beinahe schmerzhafte Glut entbrannte zwischen ihren Schenkeln.

Jeder Teil ihres Körpers erwachte unter seiner Berührung zum Leben, und sie vergaß alle Schuld. Dafür würde am Morgen Zeit genug sein.

Jetzt, in dieser Beltane-Nacht, gehörte Connor MacEgan ihr. Und sie würde jeden Augenblick davon genießen.

Connors Hand wanderte noch im Schlaf suchend hinüber zu Lianna, aber sie war fort. Nur ein kleiner Rest von Wärme auf dem Felllager zeugte noch von ihrer Anwesenheit in dieser Nacht. Er wachte auf, streckte sich und blickte auf den Platz, an dem sie sich geliebt hatten.

Das Ritual war zu einem Sakrament geworden, auch wenn er vorher nicht wirklich an den alten Mythos geglaubt hatte. In Liannas Armen zu liegen hatte jenen hitzigen Jugendtraum erfüllt, der seit so langer Zeit sehnsuchtsvoll in ihm war. Für ihn war es nur eine vorgezogene Hochzeitsnacht gewesen. Er wollte Lianna zur Frau.

Einen ansehnlichen Brautpreis hatte er schon für sie geboten, aber ihr Vater hatte abgelehnt. Wenn er daran dachte, war sein Stolz noch immer gekränkt. Mit den wenigen Kühen und Schafen, die ihm gehörten, schien es, dass seine Aussichten als gering eingeschätzt wurden.

Er stand auf und zog seine Hose an, in Gedanken noch immer bei ihr. Wenn Lianna zustimmen würde, sich ihm als Braut zu versprechen, könnten sie vielleicht den Widerstand ihres Vaters brechen. Er musste sie finden und fragen.

Für einen Moment blickte er auf die verlassenen Felle und wünschte, sie wäre noch nicht gegangen. Er wollte mit ihrer weichen Haut an der seinen aufwachen, den leichten Kräuterduft ihres Haars riechen. Der Gedanke weckte in ihm das Verlangen, sie wieder unter sich zu spüren.

Draußen fiel Regen, und beim Gehen spritzte Schlamm gegen seine Beine. Aber das war ihm egal. Trotz des nahenden Sturms schien seine Seele von Leichtigkeit erfüllt.

Das Stöhnen einer Frau erregte seine Aufmerksamkeit. Der Laut kam aus dem kleinen Wäldchen. Seine Schritte wurden langsamer, als er den Klang eines vertrauten Lachens vernahm. Schließlich sah er sie, mit nacktem Oberkörper, wie sie Tómas umarmte.

Es war, als würde sich eine Faust in seinen Leib rammen, als er sie so zusammen erblickte. Nur wenige Stunden zuvor hatte sich Lianna ihm hingegeben. Und nun Tómas. Seine Eifersucht konnte er kaum bändigen.

Autor

Michelle Willingham

Michelle schrieb ihren ersten historischen Liebesroman im Alter von zwölf Jahren und war stolz, acht Seiten füllen zu können. Und je mehr sie schrieb, desto mehr wuchs ihre Überzeugung, dass eines Tages ihr Traum von einer Autorenkarriere in Erfüllung gehen würde.
Sie besuchte die Universität von Notre Dame im Bundesstaat...

Mehr erfahren