Historical Lords & Ladies Band 71

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SCHICKSALHAFTES WIEDERSEHEN von BRENDAN, MARY
Die Schande lastet auf lsabel Forrester. Vor acht Jahren hat sie sich in einer traumhaften Liebesnacht einem Mann hingegeben, den sie kaum kannte. Mit skandalösen Folgen … Erst jetzt, als sie den attraktiven Colonel Etienne Hankins, kennenlernt, scheint das Glück zu ihr zurückzukehren. Ganz offensichtlich fühlt sich der vermögende Gentleman sehr zu ihr hingezogen. Doch was, wenn er von ihrem unehelichen Sohn erfährt?

DER BARON UND DIE WIDERSPENSTIGE SCHÖNE von MALLORY, SARAH
Ein Raunen geht durch die feine Londoner Gesellschaft: Luke Ainslowe, Baron Darvell, ist wieder zurück! Alle Damen liegen dem begehrten Junggesellen zu Füßen, wollen in seinen starken Armen dahinschmelzen … Nur die einzige junge Dame, die der Baron will, zeigt ihm die kalte Schulter: die zauberhafte Carlotta. Wird sie ihm verzeihen, dass er ihr im vergangenen Sommer heiße Küsse raubte - und sie dann verlassen musste?


  • Erscheinungstag 04.01.2019
  • Bandnummer 0071
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737214
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Mary Brendan, Sarah Mallory

HISTORICAL LORDS & LADIES BAND 71

PROLOG

Ich will aber nicht, dass du heute Abend ausgehst. Bleib doch zu Hause, bei mir und bei den Kindern.“

Die Frau, an die sich dieser flehentliche Appell richtete, hätte genauso gut taub sein können; jedenfalls schenkte sie dem großen, attraktiven Herrn, der ihn hervorgebracht hatte, nicht die geringste Aufmerksamkeit. Geduldig sah er zu, wie sie sich die üppigen dunklen Locken kleidsam über die eleganten weißen Schultern drapierte und dabei den Kopf vor dem Spiegel in der Eingangshalle drehte und wendete.

„Meine Güte, so sieh mich doch an! Antworte mir!“

Die dunkelhaarige Schöne wandte sich mit einem Rascheln ihres scharlachroten Satinkleides um. „Was ist heute Abend nur mit dir, Benjamin?“, erkundigte sie sich. „Fühlt Mrs. Smith sich etwa nicht wohl? Wenn du glaubst, ich tue dir den Gefallen und spiele mit dir glückliche Familie, nur weil deine Geliebte nicht wohlauf ist, bist du noch dümmer, als ich dachte.“ Sie legte den Kopf in den Nacken und betrachtete ihn aus schmalen Katzenaugen. „Deine chère amie mag indisponiert sein, doch mein Bekannter ist es nicht“, schnurrte sie mit beleidigender Gleichgültigkeit. „Lord Ballantine wird jede Minute hier sein, um mich in die Oper auszuführen.“

Als er erfuhr, wer an diesem Abend ihr Begleiter sein sollte, eilte er raschen Schrittes zu seiner Gattin und fasste sie am Arm.

„Dein Galan kann warten … oder sich der nächsten albernen Gans auf seiner Liste widmen. Bestimmt bleibst du heute Abend nicht Ballantines einzige Eroberung. Und was meine Geliebte angeht, so fühlt sie sich prächtig und würde sich wie immer sehr freuen, mich zu sehen. Was ich von meiner vornehmen Gemahlin leider nicht behaupten kann.“ Er schloss die Augen und lockerte den Griff mit entschuldigender Miene. „Allmählich wird es Zeit, dass wir versuchen, unsere Ehe in Ordnung zu bringen. Die Kinder sind inzwischen alt genug, um die ewige Disharmonie zu spüren. Sie haben nicht darum gebeten, auf die Welt gebracht zu werden – oder in einer so trostlosen Atmosphäre aufzuwachsen.“

„Die Kinder! Immer dasselbe Lied! Wir sollten so leben, wie es unseren Kindern gefällt! Manchmal wünschte ich, ich wäre nach Frankreich zurückgekehrt. Mit meiner Familie auf dem Schinderkarren dem Schafott entgegenzurollen wäre vielleicht angenehmer gewesen, als deine ekelhaften Berührungen zu erdulden.“

Ihr Gatte lächelte dünn und ließ sie los. „Du? Meine ekelhaften Berührungen erdulden? Seit wann denn das? Kannst du dich vielleicht erinnern, wann du mich das letzte Mal in dein Bett gelassen hast? Ich wüsste nicht, wann ich in den letzten fünf Jahren meine ehelichen Rechte genossen haben sollte!“

Unter ihrer makellosen Schminke wurde die Frau bleich. „Und ich, mon cher, wüsste nicht, wann ich sie je genossen hätte. Du hast deinen Erben, und dazu noch eine Tochter. Lass mich in Ruhe. Ich habe dir gegenüber alle meine Pflichten erfüllt, mehr kann und will ich nicht tun.“ Sie ging an ihm vorüber Richtung Eingangstür. Am Fuß der Treppe blieb sie plötzlich stehen. „Was versteckst du dich hier? Spionierst du deiner Mama nach? Sofort ins Bett mit dir, aber schnell! Morgen geht es ja zum Glück wieder zurück in die Schule.“

Schweigend sah der Junge die Frau aus großen samtbraunen Augen an. Sie zuckte zusammen unter dem unverwandten, durchdringenden Blick, doch dann wanderte der Blick weiter zu ihrem Ehemann.

„Hinauf mit dir, aber sofort!“ Die Stimme der Frau war scharf geworden. „Soll dein Lehrer etwa erfahren, dass du Nachhilfe brauchst in Zucht und Benimm?“

Der Knabe sah rasch zu seiner Mutter, doch die interessierte sich bereits nicht mehr für ihn, da in diesem Moment der Butler erschien.

„Lord Ballantines Kutsche wartet draußen“, meldete der alte Dienstbote in neutralem Ton.

„Méchant …“, murmelte die Frau leise. Während sie sich dramatisch eine Zobelstola um die schmalen Schultern schlang, erklärte sie: „Ich stamme aus uraltem gräflichem Geblüt, und doch habe ich einen unverschämten Sohn und einen Gatten, der zu feige ist, ihn zu bestrafen.“

„Und ich bin der Sohn eines Earl; meine Herkunft ist weitaus vornehmer als die deine, und doch fordert meine Frau einen Skandal heraus wie eine gewöhnliche …“ Der Mann presste die Lippen zusammen, als er aus dem Augenwinkel sah, wie sein Sohn die Finger um das Treppengeländer krampfte.

„Du bist der jüngere Sohn eines … Niemands …“, spottete sie, bereits im Gehen.

Der Butler schloss die Tür hinter ihr und zog sich dann diskret in die Schatten zurück. Nur ein Hauch teuren französischen Parfüms kündete noch von ihrer Anwesenheit.

Der Mann streckte die Hand aus. Sofort kam der kleine Junge über die kalten Fliesen getappt und schmiegte sich an den Vater. Der legte ihm die langgliedrigen Finger auf den Kopf. Als er sprach, war seine Stimmer tränenerstickt.

„Wenn du einmal groß bist, Etienne, wähle deine Frau mit Umsicht. Du musst dich dabei von Vernunft und Respekt leiten lassen. Aus Treue oder Pflichtgefühl zu heiraten oder auch aus … Liebe ist unklug. Es ist oft falsch, das Richtige zu tun.“

1. KAPITEL

Wäre er irgendwo anders gewesen als in Irland, hätten ihn diese klaren braunen Augen, dieser ernste, fast dreiste Blick vielleicht aus dem Gleichgewicht gebracht, schließlich hatte er sich schon mit vielen Frauen vergnügt – aber in Irland? Was für eine feuchte, trostlose Gegend! Vor heute hatte er noch nie einen Fuß auf diesen quatschenden, platschenden Boden gesetzt. Und trotzdem … Wenn er sich das Gesicht des Knaben so ansah, kam es ihm doch bekannt vor.

Das Kind stand ganz still und erwiderte seinen Blick, ohne sich etwas aus dem Regen zu machen, der ihm das blonde Haar durchnässte. Der Hengst schnaubte, sodass das rosige Kindergesicht von einer Atemwolke eingehüllt wurde, und schlug mit dem Huf gegen die am Boden liegende Mütze. Dies erregte die Aufmerksamkeit des Reiters. Kurz zuvor war der Knabe auf die Straße gestürmt, hatte lachend die Mütze gejagt, die ihm der Wind vom Kopf geweht hatte. Pferd und Reiter mussten ausweichen und wären beinahe gestürzt.

Das Gesicht des Reiters hatte sich verfinstert, doch nun war er froh, dass er den Jungen nicht angeschrien hatte, obwohl der natürlich Tadel verdient hatte. Er hätte ihn über den Haufen reiten und sich dabei auch noch selbst das Genick brechen können. Brüsk deutete er auf die Mütze und schnippte mit den Fingern. Gehorsam hob der Knabe die Mütze auf. Er schien keine Angst zu haben. Stattdessen lächelte er.

„Du solltest besser aufpassen. Ein Pferd wie meines hätte einen kleinen Jungen unter den Hufen zermalmen können.“

Das schien den Knaben nicht besonders zu beeindrucken. „Wie heißt er denn?“, erkundigte er sich und strich dem Pferd über die Flanke.

„Storm.“

„Und Sie?“

Der Mann machte Miene, die zittrig vorgebrachte Frage unbeantwortet zu lassen, und verbesserte den Jungen stattdessen: „Höflicher wäre es zu sagen, ‚und Sie, Sir‘“, doch dann stellte er sich dennoch vor: „Ich heiße Etienne …“ Der Rest ging unter in einer in rauem Irisch hervorgestoßenen Tirade.

„Heilige Mutter Gottes, da dreh ich dir nur eine Sekunde den Rücken, um ein bisschen mit Mrs. O’Flaherty zu plaudern, und schon läufst du mir davon. Na, was wohl deine Mama sagen wird, wenn sie von all dem Schabernack erfährt, und … Himmel, du bist ja klatschnass!“ Eine Frau, die sich mit einer Hand den Hut, mit der anderen den Mantel festhielt, kam über die Straße auf sie zugerannt. Sie packte den Jungen am Arm und zog ihn in einen geschützten Ladeneingang, wobei sie ohne Unterlass zeterte. Den Fremden auf dem mächtigen Hengst bedachte sie nur mit einem scharfen Seitenblick.

Etienne sah dem Jungen nach, der im Weggehen immer wieder mit den Stiefelspitzen gegen die Furchen in der Straße stieß. In Etienne regte sich eine frühe Kindheitserinnerung und entlockte ihm ein Lächeln. Doch dann zügelte er das Pferd und verfluchte sich zum hundertsten Mal dafür, dass er im „Fiddle & Flute“ keine Kutsche gemietet hatte. Wenn der Schmied nicht so lang, gebraucht hätte, dem Zugpferd ein Hufeisen anzupassen, hätte er die Strecke nach Waterford recht bequem hinter sich bringen können. Stattdessen fühlte er sich unwohl und verärgert, wobei ihm durchaus bewusst war, dass es nicht nur damit zu tun hatte, dass er hungrig und durchnässt war. Er wurde das Gefühl nicht los, dass eben etwas ganz Bedeutsames geschehen war. Leise fluchend spornte er sein Pferd an. Es war bloß ein Kind gewesen, der Fratz irgendeines irischen Bauern. Der Knabe hatte mit ihm nichts zu tun. Schließlich habe ich Irland zuvor noch nie betreten, rief er sich in Erinnerung, ehe er den Hengst im Galopp ausgreifen ließ.

„Hast du mich etwa nur deswegen eingeladen, um zuzusehen, wie ich an der Influenza sterbe?“

Connor Flinte, Earl of Devane, wandte sich von dem gotischen Fenster ab und grinste den Mann an, der soeben die große, gemütliche Bibliothek betrat und sich die Wassertropfen aus dem dunklen Haar schüttelte.

Der Eifer, mit dem Connor auf seinen Gast zueilte, verriet echte Freude. „Begrüßt man etwa so seinen Gastgeber? Seinen lang entbehrten Kameraden? Das ist mir ja ein schöner Dank für meine Gastfreundschaft, also wirklich!“, schalt Connor mit wahrem irischem Charme.

„Na, Connor, du musst zugeben, dass dieses Wetter einfach fürchterlich ist! Ist es in Irland etwa immer … so verdammt nass?“

Der Earl of Devane hob eine Augenbraue. „Nass? Hör bloß auf, das ist doch gar nichts. Wart ab, bis es hier einmal wirklich zu regnen anfängt. Aber im Ernst, ich freue mich, dich zu sehen, Etienne. Warum hat Gallagher dich eigentlich nicht angekündigt?“ Stirnrunzelnd blickte Connor zur Tür, doch sein braver Butler war nirgends zu sehen.

„Ach, ich hab ihm gesagt, er soll sich keine Mühe machen. Er schien leicht beunruhigt; das Dach über eurem Eingang leckt, und als ich ankam, war er gerade dabei, mit ein paar Lakaien Eimer aufzustellen. Das hat mich daran erinnert, dass ich mich mal um das Dach von Redgrave Park kümmern müsste.“

„Willst du von hier aus direkt nach Redgrave Park weiterreisen? Oder hast du vor, in London einen Zwischenstopp einzulegen?“, fragte Connor seinen ehemaligen Offizierskameraden. „Wenn du nach London reist, hätte ich eine Bitte an dich. Würdest du einen wichtigen Brief für meinen Anwalt in Cheapside mitnehmen?“

Etienne verzog amüsiert die Lippen. „Oh, ich könnte mir durchaus vorstellen, dass ich über London nach Suffolk reise. Und ich spiele gern den Briefträger für dich.“

„Wie geht es Lady Avery? Ist sie immer noch verrückt nach dir?“, fragte Connor halb bewundernd, halb spöttisch, als er an die schöne Witwe dachte, die schon seit vielen Jahren die Geliebte seines Freundes war. Viele vermögende, einflussreiche Männer hatten sich um sie bemüht und versucht, sie ihm abspenstig zu machen. Doch sie war ihrem Colonel treu geblieben, angeblich sogar während der langen Monate, die er mit der Armee unterwegs war.

„Soweit ich weiß, geht es ihr sehr gut“, erwiderte Etienne grinsend. „Ihrem letzten Brief nach zu urteilen, wird sie entzückt sein, mich zu sehen. Es wäre unhöflich, sie nach einem halben Jahr Abwesenheit zu enttäuschen.“ Sein Lächeln wurde nüchterner. „Und ich sollte auch Miss Caroline Greenwood aufsuchen, bevor ich mich nach Redgrave Park aufmache.“

Auf Connors fragenden Blick hin erklärte er: „Für mich wird es allmählich Zeit, an eine Ehefrau und einen Erben zu denken. Als ich das letzte Mal in London war, habe ich Miss Greenwood einige Aufmerksamkeit geschenkt. Sie scheint recht fügsam und ist auch ganz hübsch. Sie errötet nicht, stottert nicht und kichert auch nicht ohne Unterlass. Ich möchte eine anständige Gastgeberin, die sich zu benehmen weiß. Sie ist noch jung, an die neunzehn, würde ich sagen. Davon abgesehen, scheint sie genau die Richtige.“ Er lachte. „Und ihre Eltern sind gern bereit, die Zeche zu zahlen. Sie haben angedeutet, dass ich mit einer sehr großen Mitgift rechnen dürfte. Ihr Vater ist mit mir in Verbindung geblieben. Jetzt, wo ich endgültig zurück bin, werden sie wohl von mir erwarten, dass ich da weitermache, wo ich vor dem Krieg aufgehört habe. Werde ich wohl auch.“

„Wie romantisch“, murmelte Connor.

Etienne warf ihm unter dichten dunklen Brauen einen scharfen Blick zu. „Was hat denn Romantik damit zu tun?“, fragte er sarkastisch. „Wir haben festgestellt, dass es Lady Avery gut geht wie eh und je. Meine Eheschließung wird sie nicht weiter bekümmern.“

Als ob er sich seiner Rolle als Gastgeber jetzt erst bewusst würde, bot Connor seinem Besuch einen bequemen Sessel am Feuer an. Dann zog er seinen eigenen Sessel an den riesigen Kamin. Mit einem erschöpften Seufzer ließ Etienne sich in die weichen Lederpolster sinken. Lässig streckte er die muskulösen Beine aus und lehnte den Kopf zurück. Erfreut nahm er ein bauchiges Brandyglas mit einer großzügig bemessenen Menge bernsteinfarbener Flüssigkeit entgegen.

Nachdem die Männer bedächtig einen Schluck getrunken, einander in Augenschein genommen und nichts Kommentarwürdiges entdeckt hatten, wandte Etienne seine Aufmerksamkeit der Person zu, die ihn so interessierte. Er richtete die dunklen Augen auf Connor und beugte sich vor. „Wenn wir schon von Romantik sprechen … nun ja, sicher ist dir klar, dass ich hier nicht deinetwegen eine Lungenentzündung riskiere. Wo ist dein schönes, raffiniertes Eheweib? Es wird Zeit, dass ich sie kennen lerne.“

Sobald Rachel erwähnt wurde, wurden Connors Züge weich. „Sie ist mit ihrer Schwester im Dorf. Außerdem erwarten wir jeden Augenblick deine Mutter.“

„Meine Mutter?“

„Sie ist seit einiger Zeit zu Gast bei den Ormondes. Hast du das nicht gewusst?“

Etienne zuckte mit den Schultern. „Nein. Ormonde ist ein Vetter meines Vaters. Ich weiß schon seit langem, dass meine Mutter eine Schwäche für ihn hat.“

„Höre ich da eine Spur Feindseligkeit heraus?“

Etienne stürzte den Inhalt seines Brandyglases hinunter, ehe er erwiderte: „Es ist mir völlig gleichgültig, mit wem sie ihre Zeit verbringt. Wir stehen einander nicht nahe, das weißt du doch. Es waren immer nur meine Großeltern, die uns zusammengehalten haben. Dahin muss ich auch noch, bevor ich nach Suffolk zurückkehre, nach Cambridge, um zu sehen, wie es ihnen geht. Sie sind beide schon zweiundachtzig Jahre alt.“

Etienne wich Connors mitfühlendem Blick aus. Stattdessen richtete er die schokoladenbraunen Augen auf die lodernden Flammen.

„Wie lange kannst du bleiben?“

Etienne sah ihn an. Was er im Gesicht seines Freundes entdeckte, brachte ihn zum Lachen. „Täuscht mich mein Gefühl, oder habe ich hier jemanden vor mir, der sich nach etwas männlicher Gesellschaft sehnt, selbst wenn er einen Brief hat, der dringend nach London gebracht werden müsste? Sind die Damen etwa in der Überzahl, Connor, hmm?“

Sein Freund wirkte leicht verlegen. „Der Brief ist eigentlich nicht so wichtig, aber deine Gesellschaft schon. Ich dachte, ich könnte dich dazu überreden, mindestens eine Woche zu bleiben und dich reizenderweise deiner Mutter und meiner Schwägerin zu widmen.“

Etienne sank lachend in den Sessel zurück. „Du lieber Himmel! Wie lang bist du jetzt verheiratet? Zu lange für solche Mätzchen, möchte man meinen! Flitterwochen dürfen drei, höchstens sechs Monate dauern! Wenn ich mich nicht irre, bist du jetzt schon über eineinhalb Jahre verheiratet!“

„Ich habe meine Schwägerin sehr gern, aber manchmal möchte ein Mann auch tagsüber mit seiner Frau allein sein.“

„Verstehe.“ Etienne lächelte ihn beruhigend an. „Und wahrer Freund, der ich bin, tue ich dir gern eine Woche den Gefallen. Aber dann habe ich das dringende Bedürfnis, nach London zu Lady Avery zu reisen … du verstehst?“

Connor nickte grinsend.

„Deine Gemahlin muss ja ganz bezaubernd sein“, erklärte Etienne bewundernd. „Ich kann es gar nicht abwarten, sie endlich kennen zu lernen.“

Isabel Forrester streifte sich angewidert die feuchten Handschuhe ab und schüttelte sie energisch aus, während sie ihrer älteren Schwester antwortete. „Ich komme mit in den Salon, das verspreche ich dir. Aber erst muss ich nachsehen, wie es Marcus geht. Heute vor dem Frühstück hat er gesagt, dass es ihm nicht gut gehe. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, weil ich ihn bei diesem Wetter in die Schule geschickt habe. Aber er übertreibt ja gern, wenn es ihm in den Kram passt.“ Sie seufzte viel sagend. „Ob Noreen wohl neue Klagen von Vater Maguire bringt?“

Zu aufgeregt von den Neuigkeiten ihres Butlers, um sich groß um den Gesundheitszustand ihres Neffen zu kümmern, schwang Rachel ihren Schutenhut hin und her. „Na, halte dich bitte nicht allzu lange auf. Gallagher sagt, dass Colonel Hankins bereits eingetroffen ist. Ich glaube, er ist sehr reich und verfügt über gute Verbindungen. Ich habe ihn einige Male von weitem gesehen. Das ist zwar schon lange her, aber damals hat er einen guten Eindruck auf mich gemacht. Eigentlich hielt ich ihn für ein Prachtexemplar von einem Mann.“

„Gewiss, meine Liebe“, stimmte Isabel ihr trocken zu, da ihr nur zu bewusst war, dass Rachel nicht nachließ in ihren Versuchen, die Schwester unter die Haube zu bringen – und nicht nur die Schwester, sondern jede unverheiratete Dame, die sich im Umfeld eines halbwegs annehmbaren Junggesellen aufhielt. „Aber denk nur, wie lang das zurückliegt; inzwischen hat er bestimmt nachgelassen. Schlechte Zähne, Haarausfall …“

„Wenn ihm tatsächlich die Haare ausgehen sollten, musst du ihm einen Tiegel deines Haarwuchsmittels verkaufen; er wird dir noch am selben Tag einen Heiratsantrag machen.“

Das entlockte Isabel ein Lächeln. Mit den Kräutern aus ihrem Heilkräutergarten hatte sie für eine Wöchnerin im Dorf eine Haartinktur bereitet; die Frau war entzückt, als ihr Haar wieder dichter wurde. Isabel führte den Erfolg allerdings eher auf den Umstand zurück, dass das Kind abgestillt und die Mutter zu neuen Kräften gelangt war als auf irgendein aus Rosmarin und Lavendel gebrautes Wundermittel.

Rachel Flinte, Countess of Devane, war sich bewusst, dass ihr Mann sie in der Bibliothek von Wolverton Manor erwartete, damit sie einen seiner ältesten Freunde begrüßte, daher legte sie Mantel und Hut ab und reichte sie einem Lakaien. Dann warf sie das goldblonde Haar zurück, zupfte ein paar Locken zurecht und machte sich auf den Weg in die Bibliothek.

„Madam? Das Dinner ist bereit, Madam. Sind Sie wach?“

Die Stimme mit dem starken irischen Akzent drang bis in Isabels Träume und riss sie aus dem Schlaf. Blinzelnd schlug sie die Augen auf und sah Noreen Smiths sommersprossiges Gesicht direkt vor sich. Sie rieb sich die Augen, stützte sich auf den Ellbogen und blickte auf die Uhr. Es war kurz vor acht. Isabel stöhnte.

Noreen hob die rötlichen Brauen, verdrehte die Augen und schürzte die Lippen. Dieser Gesichtsgymnastik entnahm Isabel, dass die Zofe ihr Widerstreben, zum Abendessen hinunterzugehen, für ungezogen hielt.

„Wir haben Gäste, Madam … aus England“, erklärte Noreen bedeutungsvoll. Noreen war Rachels Dienerin, hatte die frisch gebackene Countess of Devane nach Irland begleitet und war ihr weiterhin treu ergeben. Isabel hingegen war fast eine Fremde für sie, obwohl Noreen den Merediths seit über zehn Jahren diente.

„Sie sind im Handumdrehen fertig“, erklärte sie energisch. „Und es besteht kein Grund, sich um den jungen Herrn Sorgen zu machen. Er ist müde und liegt schon im Bett. Er hat meinem Sam in den Ställen geholfen …“ Noreen presste die Lippen zusammen. Ihr Ehemann neigte dazu, den vaterlosen kleinen Jungen zu sehr zu verwöhnen. Geschäftig goss sie warmes Wasser in die Waschschüssel.

Isabel stand auf und ging zu ihrem Kleiderschrank. Unschlüssig zog sie eine Abendrobe aus smaragdgrüner Seide hervor.

„Ihre Schwester trägt heute das neue kirschrote Satinkleid“, erklärte Noreen hilfreich. „Darin sieht sie wie eine Prinzessin aus. Und Mrs. Hankins ist gerade gekommen, nur von ihrer Zofe begleitet. Beide patschnass und windzerzaust, aber die Dame hat nur gelächelt und sich bedankt, als ich ihr das Haar frisiert habe. Nett und liebenswürdig, genau das ist sie. Und sie trägt lavendelblaue Seide.“

Isabel spritzte sich warmes Wasser ins Gesicht und trocknete sich dann ab, bevor sie sich in dem kleinen Spiegel am Waschtisch betrachtete. Ernst inspizierte sie ihren ungewöhnlich blassen Teint und die zarten Gesichtszüge. Sie schob sich eine vorwitzige goldbraune Locke aus dem Gesicht. Kirschrot würde ihr niemals stehen, und wie eine Prinzessin würde sie auch niemals aussehen. Auf ihre Schwester Rachel hingegen traf beides zu. Reuig verzog sie den Mund. Mrs. Hankins war also bereits eingetroffen. Sie legte das Handtuch zur Seite. „Rachel trägt ihr neues rotes Kleid? Dann nehme ich das smaragdgrüne, Noreen.“

„Ich bin wirklich froh, dass Sie dem üblen Wetter getrotzt haben, Colonel Hankins, und rechtzeitig zum Dinner erschienen sind. Connor sagt, Sie hätten sich bereit erklärt, eine Weile bei uns zu bleiben. Connor hat mir eine ganze Menge über Sie erzählt.“

„Tatsächlich? Hoffentlich nur Gutes.“

„Bestimmt nichts Schlimmes, wirklich nicht“, erklärte Rachel lachend. „Aber mein Mann musste wohl auch diplomatisch sein, damit Sie sich nicht mit Geschichten über seine Sünden rächen.“ Neckend blickte sie in die humorvollen tiefbraunen Augen ihres Gastes. Nun beeil dich doch, Isabel, er ist wirklich umwerfend, dachte sie dabei aufgeregt. „Vermutlich gäbe es da einiges zu berichten, oder?“ Als der Colonel sie fragend ansah, erklärte sie: „Ich meine Connors Sünden. Bestimmt waren Sie und Connor keine Engel, als sie bei der Armee waren.“

„Da fällt mir jetzt nichts Schreckliches ein, Madam, das versichere ich Ihnen“, beruhigte Etienne sie, während er sich insgeheim gratulierte, bei der Wahrheit geblieben zu sein. Sich in der Fremde der Sünde zu ergeben, war nicht schrecklich, sondern überaus angenehm gewesen. Dennoch, als er in das rosige Gesicht der Countess blickte, schien es ihm ratsam, das Thema zu wechseln. „Tut mir leid, dass ich Ihre Hochzeit verpasst habe, Madam.“

„Ach, da waren Sie nicht der Einzige“, erklärte Rachel ihm schüchtern. „Außer Connor und mir waren nur noch zwei Trauzeugen dabei. Nicht einmal unsere Eltern waren anwesend. Aber wirklich schade, dass Sie nicht zu unserem Hochzeitsfest kommen konnten, das wir ein paar Wochen später gefeiert haben, es war ganz wunderbar. Connor hat versucht, zu Ihnen Kontakt aufzunehmen, doch Sie waren leider schon wieder im Ausland.“

Etienne beobachtete, dass die Countess nervös mit ihrem Fächer spielte. Anscheinend befürchtete sie, dass er ihre jugendlichen Eskapaden ansprach, die damals die vornehme Gesellschaft erschüttert hatten. Mit neunzehn hatte sie Connor kurz vor der Hochzeit sitzen lassen, und sechs Jahre später, als sie längst als alte Jungfer galt, hatte sie ihm ein zweites Mal das Jawort gegeben. Connor hatte nie aufgehört, sie zu lieben, trotz all der Qualen, die sie ihm bereitet hatte. „Ich bin froh … sehr froh, dass sich für euch alles zum Besten gewendet hat. Hatte ja mal den Anschein, als würde nie etwas daraus werden.“

„Ja, eine lange Zeit hatte es diesen Anschein.“ Rachel legte den Kopf schief und begegnete seinem aufmerksamen Blick. Natürlich kannte der Freund ihres Mannes die ganze Geschichte – wie sehr sie Connor verletzt und zur Verzweiflung gebracht hatte. Vermutlich wusste er auch, dass sie in den sechs trostlosen Jahren ohne Connor andere Männer zurückgewiesen hatte. Sie konnte nicht sicher sein, ob er hinter seiner charmanten Fassade die Wahl seines Freundes nicht missbilligte. Nicht dass sie erwartet hätte, er könnte sie nach so kurzer Bekanntschaft sofort ins Herz schließen, sie hingegen spürte, dass sie nach ihrem kurzen Gespräch schon anfing, ihn zu mögen. Ihre Wangen begannen zu brennen, aber nur, weil sie nicht wollte, dass Colonel Hankins sie auf Grund ihrer früheren Eskapaden vorschnell beurteilte. Ihr Blick blieb an seiner breiten Brust hängen, und sie verfiel auf ein neues Thema. „Also, Colonel Hankins, Ihre Weste sieht einer von Connors Westen verblüffend ähnlich. Sie müssen wohl beim selben Schneider arbeiten lassen. Connor schwört auf Goldman & Stein in der Draper’s Lane.“

Etienne sah auf die gemusterte Seidenweste und dann auf die Frau, die ihn aus reiner Verlegenheit so streng musterte. Wie arrogant er damals gewesen war – zu glauben, er habe das Recht, sich einzumischen, nur weil er Connors bester Freund war. Und er konnte von Glück sagen, dass Connor und seine Liebste nicht entdeckt hatten, was er zu tun versucht hatte. Zum Glück war kein Schaden entstanden. Lady Devane machte auf ihn einen charmanten Eindruck; er begann sie zu mögen.

„Wie aufmerksam von Ihnen, Madam. Es handelt sich tatsächlich um die Weste Ihres Mannes. Mein Koffer ist auf dem Weg vom ‚Fiddle & Flute‘ irgendwo verloren gegangen. Connor hat mir freundlicherweise ein paar Kleidungsstücke geborgt, damit ich trocken und faltenfrei zum Dinner erscheinen kann.“ Er öffnete den schwarzen Frackrock, um die perlgraue Weste und den Rest seiner elegant gewandeten Gestalt zur Schau zu stellen. „Alles, was ich heute Abend trage, hat mir Ihr großzügiger Ehemann zur Verfügung gestellt.“ Rachel warf einen züchtigen Blick auf die eindrucksvolle Gestalt. Sie errötete noch stärker, als ihr unwillkürlich ein heiseres Lachen entschlüpfte. „Und es steht Ihnen ganz vorzüglich, Sir“, murmelte sie. „Sie und Connor haben anscheinend dieselbe Größe.“

„Womit protzt du da vor meiner Frau herum, Hankins?“, erkundigte sich Connor spöttisch.

„Nur mit deinem hervorragenden Kleidergeschmack, Connor … womit denn sonst?“

„Hör bloß nicht auf das, was er sagt, Rachel, er ist ein Schwerenöter, dem man keine Frau anvertrauen kann.“

„Ich finde ihn aber ziemlich Vertrauen erweckend“, beschied Rachel ihren Mann mit einem spitzbübischen Lächeln.

Etienne nahm das Kompliment mit einem Neigen des Kopfes zur Kenntnis, wobei eine Haarsträhne im Kerzenschein kastanienbraun aufschimmerte. „Vielen Dank, Mylady.“

„Ach, hören Sie doch auf mit diesem Madam und Mylady“, rief Rachel, die jetzt, wo ihr Gatte an ihrer Seite weilte, in seltsam koketter Stimmung war. Sie blickte sich um und entdeckte Mrs. Hankins, die gemütlich in einem Sessel am Feuer saß und an ihrem Ratafia nippte. „Ich werde jetzt ein wenig mit Ihrer Mutter plaudern, Colonel, um sie über die on-dits auszufragen, die im ton die Runde machen. Und wenn meine Schwester dann immer noch nicht aufgetaucht ist, gehe ich sie selbst holen, ehe wir hier alle hungers sterben.“

„Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, Rachel, aber hier bin ich“, erklang da beschwichtigend Isabels melodische Stimme.

2. KAPITEL

Wie alt ist ihr Sohn, Mrs. Forrester?“

Bedächtig legte Isabel den Suppenlöffel hin. „Er ist gerade sieben geworden, Mrs. Hankins.“

„Und wie heißt er?“

„Marcus.“

„Ah, was für ein schöner Name. Ist Marcus nach seinem Papa benannt? Schläft er schon, oder darf er noch einmal zu uns herunterkommen? Ich würde mich freuen, ihn kennen zu lernen.“ Ein leichter französischer Akzent verlieh Claudine Hankins’ Stimme eine musikalische Note.

„Er ist bereits im Bett, weil er morgen früh aufstehen muss, um in die Schule zu gehen.“ Selbst jetzt noch, wo so viele Jahre und Meilen zwischen ihr und den neugierigen Augen und bösen Zungen in England lagen, fühlte Isabel sich unbehaglich, wenn es um persönliche Fragen ging.

Beim ersten Gang hatten sie über alltägliche Nichtigkeiten geplaudert, und Isabel hatte fröhlich in Mrs. Hankins’ Klagen über das entsetzliche Wetter eingestimmt. Nun hatte sich die Unterhaltung bedenklich persönlichen Themen zugewandt, auch wenn Isabel klar war, dass hinter dem Geplauder ihrer Tischnachbarin keinerlei finstere Absichten lauerten. Nein, sie machte auf sie einen netten Eindruck und schien auch eifrig darauf bedacht zu gefallen.

Ihr Blick fiel auf Connor und Rachel, die mit ihrem weltgewandten Gast ins Gespräch vertieft waren. Von dieser Tischhälfte hörte man mehr Gelächter als Besteckgeklirr.

Die Atmosphäre war erfüllt von einem Gefühl guten Einvernehmens. Isabel kam weiteren Fragen seitens Mrs. Hankins zuvor, welche die Harmonie hätten gefährden können, indem sie selbst eine Frage stellte. „Kennen Sie die Ormondes gut? Rachel sagt, sie seien schon eine ganze Weile dort zu Gast. Ich bin ihnen einmal begegnet, vor etwa drei Monaten, gleich nach meiner Ankunft in Irland. Ich fand sie sehr nett.“

Die Ormondes waren Nachbarn der Devanes. Lord Ormonde, ein Witwer, lebte mit seiner alten Mutter und zwei halbwüchsigen Töchtern in dem großen, zugigen Schloss. Rachel und Isabel waren einmal zum Lunch in Ormonde Castle geladen, waren aber nicht bis zum Dinner geblieben, da sie befürchteten, sich dort Frostbeulen zu holen.

„Lord Ormonde ist ein Vetter meines verstorbenen Mannes“, erklärte Mrs. Hankins. „Er war einer der Trauzeugen meines Mannes. Danach hatten wir eine Weile den Kontakt verloren … bis mein Mann den Verletzungen erlegen ist, die er bei Waterloo davontrug. Vincent war bei der Beerdigung. Im nächsten Jahr starb dann Vincents Frau, und seither stehen wir uns ziemlich nahe.“ Sie faltete die Hände auf dem Tisch. „Vincent kommt mich öfter in Chelsea besuchen und bringt auch seine Töchter mit. Ich glaube, er hofft darauf, dass die ältere – und hübschere – einen Ehemann findet. Die Besuche sind immer sehr schön. Wenn man verwitwet ist, passiert es leicht, dass das Leben öde und leer wird. Aber das wissen Sie sicher auch.“ In ihrer Stimme schwang Mitgefühl. „C’est tragique, dass Sie allein mit einem kleinen Jungen zurückblieben! Ein Junge braucht einen Vater. Le pauvre petit! Ist Ihr Gatte an einer Krankheit gestorben? War er noch jung?“

„Er war Soldat und noch recht jung …“, flüsterte Isabel verlegen, während sie sich fragte, wie es angehen konnte, dass sie schon wieder über ihre Lage sprachen. Rasch erstickte sie jede weiteren Diskussionen im Keim. „Tut mir leid, ich spreche nicht gern darüber.“

Naturellement! Bitte verzeihen Sie!“, wisperte Mrs. Hankins. Tröstend tätschelte sie Isabels schmale Hand. „Manchen Leuten tut es gut, wenn sie darüber sprechen können. Vincent redet gern von seiner Frau und wie schön sie es vor ihrer Krankheit miteinander hatten …“

„Ormonde hört sich einfach gern reden. Anscheinend ist das ansteckend. Ich fürchte, du hast zu viel Zeit mit ihm verbracht, liebe Mutter.“

Erschrocken über diese ziemlich barsche Unterbrechung, stieß Mrs. Hankins ein verlegenes Lachen aus. Ihre Wangen waren rosa angelaufen, doch ihre dunklen mandelförmigen Augen verrieten nicht nur Entrüstung, sondern auch Kummer. „Ich versichere Ihnen, Mrs. Forrester, dass ich Sie nicht verletzen wollte.“ Sie warf ihrem Sohn einen zornigen Blick zu.

Isabel legte den Kopf schief, um ihren unerwarteten Retter zu betrachten. Sie war schockiert, nicht nur, weil Colonel Hankins seine Mutter öffentlich zurechtgewiesen hatte, sondern auch, weil seine Stimme ihr irgendwie bekannt vorkam.

Der Colonel fing Isabels Blick auf und hielt ihn mit einer Intensität fest, dass sie wie gebannt dasaß. Dann verzog er den Mund zu einem intimen Lächeln, das in ihr ziemlich gemischte Empfindungen hervorrief.

Als dieser Mann ihr heute Abend vorgestellt worden war, hatte er sich ihr gegenüber mit makelloser Höflichkeit betragen – mehr nicht. Als sie am Tisch saßen, hatte er sie nur einmal angesehen und ihr höflich zugelächelt, sich dann aber Rachel zugewandt. Diese Gleichgültigkeit hatte Isabel seltsam verletzt, denn sie spürte, wie sich Sehnsucht in ihr regte. Rachel hatte recht. Er war wirklich ein beeindruckender Mann, eine imposante Erscheinung und eine glänzende Partie. Zwar trug er keinen Titel und war nicht gut aussehend im herkömmlichen Sinn, doch er besaß eine magnetische Anziehungskraft, und sie wusste unwillkürlich, dass die Frauen ihn attraktiv fanden. Doch derartig begehrenswerte Junggesellen waren nicht für sie bestimmt, nur für ihre Schwestern. Isabel Forrester, geborene Meredith, war von Schatten und Geheimnissen umgeben, ebenso ihr Sohn. Männer wie den Colonel ignorierte sie lieber, sonst würde sie nur ruhelos werden. Trotzdem verspürte sie den Wunsch, dass er ihr mehr Interesse entgegenbrächte. Nun tat er es, richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf sie – und es erregte sie nicht nur, sondern machte sie auch ein klein wenig nervös.

Vorhin, als Connor seine Frau und sie zum Dinner geführt und sie auf den breiten Rücken von Colonel Hankins gestarrt hatte, der seine Mutter in den Speisesaal geleitete, hatte Isabel die Großzügigkeit ihrer Schwester und ihres Schwagers als demütigende Bürde empfunden. Sie und ihr Sohn wohnten nicht nur umsonst unter ihrem Dach, bei Gelegenheiten wie dieser teilte Rachel ihren wunderbaren Mann sogar mit ihrer Schwester, damit Isabel auch einmal spüren konnte, wie es war, von einem feinen Gentleman geehrt und beschützt zu werden. Warum ihr das an diesem Abend so viel ausmachte, wo Connors Fürsorge sie doch sonst kaum aus dem Gleichgewicht brachte, war ihr ein Rätsel.

Sie wandte den Blick ab von den dunklen Augen, die nun unverwandt auf sie gerichtet waren. „Kennen Sie die Fitzgeralds, Mrs. Hankins?“, erkundigte sich Isabel freundlich, um ihrer Tischnachbarin zu zeigen, dass sie ihr nichts nachtrug. „Ich habe mich mit Clodagh Fitzgerald und ihrem Bruder Liam ein bisschen angefreundet. Sie betreiben weiter nördlich eine Molkerei.“

Nach dem Dinner zog Isabel sich zu einer der Terrassentüren zurück und blickte hinaus in die Dunkelheit. Es überraschte sie nicht, als sie gleich darauf hörte, wie sich über das glänzende Parkett Schritte näherten. Das Herz schlug ihr bis zum Halse, doch war ihr durchaus bewusst, dass sie sich vor allem deswegen von den anderen abgesetzt hatte, weil sie hoffte, er möge zu ihr herüberkommen.

„Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen.“

„Ich wüsste nicht, warum, Sir. Ich kann mich nicht entsinnen, dass Sie etwas Tadelnswertes begangen hätten.“ Isabel bedauerte sogleich ihren gereizten Ton. Schließlich stand sie hier allein am Fenster, weil sie gespürt hatte, dass ihn das anlocken würde. Und nun bedauerte sie bereits, dass ihre List von Erfolg gekrönt war, und wies seine höfliche Bemerkung unfreundlich zurück. Schließlich brauchte er sich für die Neugier seiner Mutter nicht zu entschuldigen, vor allem nachdem diese schon selbst um Verzeihung gebeten hatte.

Sie starrte nach draußen auf das im Mondlicht geisterhaft schimmernde Strauchwerk. Innerlich verkrampfte sie sich immer mehr.

Der Colonel lehnte sich neben sie an den Türrahmen. Sie brauchte den Blick nur ein kleines Stückchen weiterwandern zu lassen, um in sein markantes Gesicht zu sehen oder seine kraftvolle Gestalt verstohlen in Augenschein zu nehmen. Und sie wollte ihn anschauen. Sein Gesicht war so interessant, dass sie den Blick einfach nicht abwenden konnte, egal was die Etikette sagte.

Seine Züge waren rau, wettergegerbt, keinesfalls das, was man landläufig mit attraktiv bezeichnete. Darin unterschied er sich von Connor, der mit seinem rabenschwarzen Haar und dem wundervoll gleichmäßigen Gesicht ein wahrer Adonis war. Doch der Colonel besaß eine ebenso machtvolle Präsenz wie Connor; als er ihr vorgestellt wurde, war sie wie gelähmt gewesen. Völlig verzaubert hatte sie dagestanden, seine Hand in der ihren. Erst der leicht amüsierte Zug um seinen Mund hatte sie wieder zur Vernunft gebracht.

„Sie wirken immer noch, als hätte meine Mutter sie aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie neigt manchmal zu taktloser Neugier.“ Seine Stimme hatte einen scharfen Unterton – eine Reaktion auf ihren kühlen Empfang.

„Ich habe keinen Anstoß daran genommen, wirklich nicht.“ Isabel rang sich ein versöhnliches Lächeln ab. Bestimmt fand er ihre Stimmungsschwankungen seltsam. Er konnte schließlich nichts dafür, wenn sie ihn nach so kurzer Bekanntschaft schon … verwirrend fand. Leichthin fügte sie hinzu: „Ich finde Ihre Mutter nett, auch wenn ich sie noch nicht gut kenne. Aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass sie wirklich versucht, Anteil am Schicksal anderer zu nehmen.“

Diese Beobachtung entlockte ihm ein spöttisches Lachen. „Sie befasst sich viel lieber mit den Schwierigkeiten fremder Leute als mit ihren eigenen, das stimmt wohl. Sind wir einander eigentlich schon einmal irgendwo begegnet?“

Überrascht betrachtete Isabel ihn genauer. „Nein … Wie kommen Sie darauf?“ Mit heftig klopfendem Herzen fragte sie sich, ob er wie sie das Gefühl hatte, sie würden einander kennen. Sie wusste selbst, wie lächerlich das war – die Begegnung mit einem Mann wie ihm hätte sich sicherlich in ihr Gedächtnis gegraben.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, als Ihre Schwester und Connor sich vor Jahren verlobten, hätten wir vielleicht miteinander zu tun haben können.“

Isabel entspannte sich unmerklich. „Nicht dass ich wüsste.“

Er lächelte. „Nein, ich kann mich auch nicht erinnern – und ein solches Ereignis hätte ich doch bestimmt nicht vergessen!“

„Wie freundlich von Ihnen, Sir“, erwiderte Isabel mit einer Spur Schärfe im honigsüßen Ton. Es machte ihr immer noch zu schaffen, dass er sie anfangs kaum wahrgenommen hatte. Sie blickte wieder durchs Fenster in der Hoffnung, er möge gehen … nein, eigentlich in der Hoffnung, sie könne ihn zum Bleiben veranlassen, wenigstens noch ein Weilchen. Auf einmal mochte sie auf seine ruhige, charmante Art nicht verzichten. Ihr fiel ein unverfängliches Gesprächsthema ein. „Ihre Mutter hat einen sehr angenehmen französischen Akzent, Sir. War Ihr Vater auch Franzose?“

Der Colonel lächelte sie reuig an und lieferte dann einen genauen Abriss seiner Herkunft. „Nein. Er war Engländer, ein Hauptmann des Königlichen Dragonerregiments. Meine Mutter entstammt dem französischen Adel; ihr Vater war ein Graf. Zu ihrem Glück hielt sie sich bei Ausbruch der Französischen Revolution auf der anderen Seite des Ärmelkanals auf. Natürlich blieb sie nur zu gern bei ihren englischen Freunden. Ihre gesamte Familie – Vater, Mutter, Bruder und unzählige Tanten, Onkel, Vettern und Cousinen – starb unter dem Fallbeil. Ich habe keinen mehr kennen lernen können.“

Isabel war so erschüttert, dass sie ihn nur anstarren konnte. Voll Staunen und Mitgefühl ruhte ihr Blick auf seiner reglosen Gestalt.

Etienne drehte den Kopf und sah sie ebenfalls wie gebannt an. Ihr süßes, feenhaftes Äußeres hatte ihn überrascht. Connor hatte ihm erzählt, dass die verwitwete Schwester seiner Frau mit ihrem kleinen Sohn bei ihnen wohne, und aus irgendeinem Grund hatte Etienne eine junge Matrone erwartet. Das war Isabel Forrester nun keineswegs. Obwohl ihn das vage Gefühl nicht losließ, er habe sie schon einmal gesehen, vermochte er sich einfach nicht vorzustellen, dass er diese Frau, dieses außergewöhnliche Gesicht, die herrlichen Augen hätte vergessen können. Er erklärte es sich damit, dass er wohl irgendwo einmal ein Bild von ihr gesehen haben musste. Dennoch konnte er die Vorstellung nicht verscheuchen, die ihm immer wieder in den Sinn kam: Er sah sie als efeubekränzte Waldnymphe, die auf einer schattigen Lichtung ruhte, umgeben von Feen und Elfen. Vermutlich handelte es sich um eine Buchillustration. Die anmutige Nymphe, die er soeben bewunderte, trug statt eines Efeukranzes ein grünes Band, das beinahe dieselbe Farbe aufwies wie ihre bezaubernden Augen. Die Locken, die viel zu üppig wirkten, als dass man sie mit einem einzigen Satinband hätte bändigen können, waren in ihrem Nacken zu einem dicken Zopf geflochten. Ihr Haar war von einer ungewöhnlichen goldbraunen Farbschattierung.

Das Aussehen ihrer Schwester hatte ihn beeindruckt. Rachel war ebenso schön, aber auf ganz andere Art. Die porzellanblauen Augen und das goldblonde Haar der Countess of Devane würden bei allen Männern auf Beifall stoßen – wenn sie den Blick lang genug von ihrer üppigen Gestalt losreißen könnten. Isabel Forresters Reize waren subtilerer Natur: Sie war klein, gertenschlank, fast schon zu schmal. Doch wenn sie in Bewegung war, umschmiegte ihr seidenes Gewand sie an genau den richtigen Stellen.

Als Connor ihm erzählt hatte, dass seine Schwägerin ihren Sohn bei ihnen aufzog, hatte er sich eines so ernsten Tones befleißigt, dass Etienne wusste, mehr Information könnte er seinem Freund nicht entlocken. Er hatte diese indirekte Warnung zur Kenntnis genommen und das Thema auf sich beruhen lassen. Vielleicht sollte er verhindern, dass seine Mutter die junge Frau weiter ausfragte. Allerdings freute er sich auch über ihre Neugier, wusste er jetzt doch immerhin, dass Isabel Forrester einen siebenjährigen Sohn hatte und dass ihr Gatte Soldat gewesen war.

Aus dem Alter ihres Sohnes schloss er, dass sie mindestens vor acht Jahren geheiratet haben musste – zu einem Zeitpunkt, als sie selbst noch sehr jung gewesen war. Er nahm an, dass es um die Zeit von Connors und Rachels erster Verlobung herum gewesen sein musste. Wann ihr Mann wohl gestorben war? Erst vor kurzem? Nein, dann trüge sie ja noch Trauer. Er wollte mehr erfahren, und mit einem etwas reuevollen Lächeln gestand er sich ein, dass er ebenso neugierig war wie seine Mutter. Doch warum sollte er sich näher mit ihr befassen? Bald wäre er in London – und müsste sich über andere Frauen den Kopf zerbrechen. Eine leidenschaftliche Geliebte und eine Gattin in spe warteten dort schon auf ihn.

Etiennes Gedankenstrom wurde von einem leisen Ausruf unterbrochen. „So viele Verwandte, die der Schreckensherrschaft zum Opfer fielen! Wie furchtbar!“

„Ich habe sie ja nicht gekannt. Sie schieden aus dem Leben, als ich gerade erst geboren war. Meine Großeltern väterlicherseits leben jedoch noch, und es geht ihnen gut. Ich habe eben nur ein Großelternpaar.“ In seinen Augen lag ein warmer, humorvoller Schimmer, als er hinzufügte: „Manchmal denke ich, sie sind als Verwandtschaft mehr als genug.“ Er schwieg kurz und meinte dann: „Allerdings hätte ich meine französischen Verwandten schon gern kennen gelernt.“

„Aber natürlich“, stimmte Isabel ernsthaft zu. „Es ist nicht recht, dass man einem Kind die Verwandten nimmt.“

„Beim Dinner hat Ihre Schwester gesagt, dass sie England und ihre Freunde und Verwandten dort sehr vermisst.“ Etienne warf einen Blick auf den Earl und die Countess of Devane, die mit seiner Mutter vor dem lodernden Kaminfeuer saßen und plauderten. „Ich könnte mir vorstellen, dass sich der Earl überreden ließe, für die Saison nach London zu fahren. Würden Sie mitkommen?“

Isabel zuckte gewollt lässig mit den Schultern. „Mir gefällt es in Irland sehr gut. Wenn meine Schwester mit ihrem Mann nach London fährt, bleibe ich wohl lieber hier.“ Sie war sich seines Blickes sehr bewusst, ebenso der Schweigsamkeit, die ihr verriet, dass er auf eine nähere Erläuterung dieser erstaunlichen Bemerkung wartete. Warum sollte sie wohl auf dem Landsitz ihres Schwagers wohnen bleiben, weit entfernt von Heim und Familie, wenn ihre Schwester nicht mehr dort weilte? Sie fühlte sich zu einer Erklärung verpflichtet und wünschte, sie hätte den Mund gehalten.

„Mein Sohn geht im Dorf zur Schule. Ich möchte nicht, dass der Unterricht unterbrochen wird. Er hat Freunde gefunden … macht Fortschritte …“, fügte sie lahm hinzu.

„Ihr Sohn besucht die Dorfschule?“ Isabel hörte die versteckte Überraschung sofort heraus. Das sie die Schwägerin eines Earl war, würden die meisten Leute mutmaßen, dass ihr Sohn von einem Hauslehrer unterrichtet wurde, bis er alt genug war, um auf eine vornehme Privatschule geschickt zu werden. Das wäre bei dem Neffen eines wohlhabenden Gentleman zu erwarten.

Etienne betrachtete ihre Miene, beobachtete, wie sie mit fahrigen Gesten immer wieder ihr Seidenkleid glatt strich. Sie war aufgeregt. Vermutlich war dies darauf zurückzuführen, dass sie sich schämte, ihrem Sohn keine angemessene Ausbildung bieten zu können. Vielleicht hatte der Tod ihres Mannes sie in einer prekären finanziellen Lagen zurückgelassen. Allerdings sah sie nicht ärmlich aus: Ihre Kleidung war erlesen. Er wusste von früher, dass Connor sehr selbstlos sein konnte. Der Schwester seiner Frau gegenüber würde er sich bedingungslos großzügig zeigen. Wenn sie sich für ihren Sohn eine gute Schulbildung wünschte, würde Connor dafür zahlen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und wo kam eigentlich ihr Vater ins Spiel? Edgar Meredith war doch kein armer Mann. Sollte nicht er seinen Enkel unterstützen? Wenn der Junge auf die Dorfschule ging, würde er sich mit den Sprösslingen der Handwerker und Bauern gemein machen, sicher alles intelligente Knaben, ihm gesellschaftlich jedoch kaum ebenbürtig.

„Es ist Ewigkeiten her, seit wir zum letzten Mal gemeinsam diniert haben, und wenn wir es endlich einmal wieder tun, dann machst du mir Vorwürfe wegen meiner Plauderei. Also werde ich jetzt versuchen, es dir recht zu machen, und ganz still sein. Was hast du denn so getrieben, mon cher? Und wohin gehst du als Nächstes? Lädst du mich vielleicht zu dir nach Redgrave Park ein?“

Etienne quittierte die Unterbrechung seiner Mutter mit einem kühlen Lächeln. „Du musst dir etwas mehr Mühe geben, maman, wenn du es mir tatsächlich recht machen willst. Nein, du kannst nicht mit nach Redgrave Park kommen, ich fahre nicht direkt nach Suffolk. Ich habe in der Stadt zu tun. Wenn du gerade nicht weißt, was du treiben sollst, frag doch Vincent, vielleicht freut der sich, wenn du bei ihm in Irland bleibst“, schlug er in ätzendem Ton vor.

Mrs. Hankins zuckte anmutig mit den Schultern. „Peut-être; aber in diesem Irland ist es so kalt und feucht. Nichts als Regen und Sturmböen.“ Unter gesenkten Lidern warf sie ihrem Sohn einen Blick zu. „Vielleicht weiß ich ja, was dich nach London führt. Hat es vielleicht mit einer gewissen Miss Caroline Greenwood zu tun?“ Mrs. Hankins warf Isabel einen verschwörerischen Blick zu. „Bevor ich die Stadt verließ, habe ich ein paar Gerüchte aufgeschnappt. Hoffentlich erwartest du von deiner maman nicht, dass sie die Gazetten studiert, um sicherzugehen, ob ihr Sohn sich vermählt. Willst du deine Verlobung bald öffentlich anzeigen, mon fils? Wenn ja, dann lass dir gesagt sein, dass deine Schwester Monique fuchsteufelswild sein wird, wenn sie es von anderen oder aus der Zeitung erfährt.“

Eindeutig verärgert darüber, dass seine Privatangelegenheiten hier in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wurden, schob Etienne sich die kastanienbraune Haarsträhne aus der Stirn, die ihm beinahe in die Augen fiel. Dann streifte er Isabel mit einem harten Blick, worauf diese ihn leicht benommen anlächelte.

„Wenn ich beschließe zu heiraten, wirst du zu den Ersten gehören, die davon erfahren, maman, darauf gebe ich dir mein Wort.“

Isabel dachte schon, er wolle sich umgehend entschuldigen, doch er war bereits ungeduldig einen Schritt zur Seite getreten. Aber er zögerte und sah sie noch einmal an. „Connor sagt, ich müsste eine Weile hier bleiben, um Ihnen Gesellschaft zu leisten. Reiten Sie gern aus?“

Wenn Isabel nicht noch ganz benommen gewesen wäre von der Neuigkeit, dass dieser Mann so gut wie verlobt war, hätte seine Offenheit sie sehr verletzt. Doch so erwiderte sie nur: „Ja, ich reite gern.“

„Gut. Wir sollten morgen zusammen ein wenig frische Luft schnappen.“ Mit dieser Bemerkung und einer eleganten Verbeugung zog er sich zurück.

3. KAPITEL

Sam sagt, er musste nicht in die Schule gehen, weil ein Stallbursche nämlich nichts zu wissen braucht außer wie man Pferde versorgt. Ich will später mal mit Sam arbeiten. Warum muss ich dann was lernen?“

Entnervt schloss Isabel die Augen, als sie die schauderhafte Erklärung ihres Sohnes hörte. Marcus verbrachte viel zu viel Zeit mit Sam Smith, aber sie brachte es nicht übers Herz, ihm das Vergnügen zu versagen, das er in Gesellschaft des Stallburschen fand. Ihr einsamer Sohn vergötterte jeden Mann, der ihm ein wenig Zuneigung und Zeit schenkte.

Noreen, die gerade Mäntel und Hüte holte, kniff verärgert die Lippen zusammen, als sie solcherart mit den rauen Weisheiten ihres Mannes konfrontiert wurde. Nicht dass Marcus gelogen hätte – Noreen hatte von ihrem Mann schon ähnliche Bildungstheorien zu hören bekommen. Mit hochroten Wangen gelobte sie sich insgeheim, dass sie Sam Smith schon noch den Kopf waschen würde, wenn sie mit ihm allein war, ob ihm das nun passte oder nicht.

„Du gehst in die Schule, Marcus, und du ziehst auch deinen Mantel an und knöpfst ihn zu. Es ist kalt draußen, auch wenn die Sonne scheint.“

Marcus quittierte die Ermahnungen seiner Mutter mit einem finsteren Stirnrunzeln und blickte dann Unterstützung heischend zu Noreen, doch die Zofe hielt den Kopf abgewandt.

„Außerdem hab ich Kopfweh.“ Marcus legte sich die Hand auf die Stirn, wie er es bei seiner Mutter gesehen hatte, wenn diese sich nicht wohl fühlte.

„Zieh den Mantel an, Marcus“, befahl Isabel und versuchte ihrem widerspenstigen Sohn einen Ärmel überzustreifen. „Meine Güte! Wenn du dich weigerst, zu Vater Maguire in die Schule zu gehen, werde ich wohl Mr. O’Dare rufen müssen, damit er dich wieder zu Hause unterrichtet.“ Der Drohung fehlte es an Überzeugungskraft: Der nervöse Hauslehrer mit dem verkniffenen Gesicht, den sie kurz nach ihrer Ankunft in Irland engagiert hatte, würde sich kaum bereit erklären, auf seinen alten Posten zurückzukehren, da der Mann von ihrem wilden, schwierigen Sohn ebenso eingeschüchtert schien wie von der Tatsache, dass er den Neffen des Earl of Devane instruierte. Er hatte sich diesem widerspenstigen Kind ohnehin nur deshalb so beharrlich gewidmet, weil Connor ihm mehr zahlte als das übliche Honorar.

„Wenn der wiederkommt, laufe ich weg! Ich hab dir doch gesagt, dass ich Rechenaufgaben nicht leiden kann!“, fauchte Marcus sie an.

„Hallo, was haben wir denn da für einen jungen Mann, der lieber wegläuft, als seine Aufgaben zu machen?“, erklang da eine amüsierte Stimme.

Isabel lächelte Claudine Hankins zerstreut an, die soeben die elegant geschwungene Eichentreppe herunterkam. Mrs. Hankins trug ein grünsamtenes Reitkleid mit Zobelbesatz, das so exzellent geschnitten war, dass es sich an ihre Gestalt schmiegte. Für eine Frau über fünfzig ist ihre Figur beneidenswert mädchenhaft, dachte Isabel, während sie zusah, wie die Französin den passenden Hut aufsetzte. Offensichtlich verfügte Mrs. Hankins über die nötigen Mittel, um sich schöne Kleider zu kaufen.

Mit neugierigem Lächeln ging Claudine auf Marcus zu. Der Knabe sah sie nicht minder neugierig an.

„Sag Mrs. Hankins Guten Tag, Marcus“, wies Isabel ihren Sohn an und schob ihn auf die Dame zu.

Claudine beugte sich zu dem Jungen hinunter, um das hübsche, ernsthafte Gesicht genauer zu betrachten. „Aha! Endlich bekomme ich dich einmal zu sehen! Wo hast du dich denn verborgen gehalten, junger Mann? Seit Tagen freue ich mich schon darauf, dich kennen zu lernen.“ Die Frau richtete sich auf und sah Isabel an. „Was für ein schönes Kind, und es sieht meinen Enkeln so ähnlich! Meine Tochter Monique hat Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen, die gerade drei Jahre alt geworden sind. Sophies Haar ist genauso blond“, sie strich Marcus über den Kopf, „und Phillipes Augen sind ebenso rund und glänzend, nur dass sie ganz braun sind, nicht grünbraun wie deine, junger Mann. Und so frech blitzen sie auch nicht. Aber er kann auch ein richtiger Lauser sein, sagt seine Mama. Gehst du jetzt zur Schule, Marcus?“

Eine Weile sah Marcus noch störrisch drein, doch dann wurden die Zornesfalten von einem Lächeln geglättet. „Ja, Madam“, sagte er höflich.

C’est très bien. Ein Knabe muss brav sein und sein Pensum lernen, dann kann er eines Tages ein sinnvolles Leben führen.“

„Ein Stallbursche führt aber auch ein sinnvolles Leben. Zumindest finden die Pferde das.“

„Das schon“, stimmte Isabel sanft zu. „Aber auch ein Stallbursche muss erst einmal zur Schule gehen … falls er den Beruf wechseln und doch lieber an der Universität studieren möchte. Vielleicht möchte er ja sogar einmal Bankier werden wie sein Großvater.“

„Mein Großvater kann mich nicht leiden, also will ich auch kein Bankier werden. Vielleicht werde ich ja Matrose“, erklärte Marcus munter, schob die Arme in den Mantel und knöpfte das Kleidungsstück gehorsam zu. „Sam sagt, er wär gern einer der Matrosen gewesen, die auf der Victory in den Krieg gesegelt sind und einen Haufen Franzmänner umgebracht haben.“

„Aber dein Großvater mag dich doch“, korrigierte Isabel ihn heiser. Mit einem verlegenen Blick entschuldigte sie sich bei Mrs. Hankins für die franzosenfeindliche Bemerkung.

Doch diese tat die Beleidigung ihrer Landsmänner mit einem Schulterzucken ab. „Du bist eben ganz auf englischer Seite, Marcus. Ich kann viele dieser Franzosen auch nicht leiden.“ Ihre Stimme war rau vor Bewegung, und Isabel dachte wieder daran, was Colonel Hankins ihr erzählt hatte, nämlich dass ihre ganze Familie umgebracht worden war. Doch fand sie, dies sei nicht der rechte Zeitpunkt für Beileidsbekundungen.

„Komm jetzt“, wies Noreen ihren Schützling an. „Wenn wir nicht bald losgehen, kommst du noch zu spät. Die Kutsche wartet schon. Und zu spät willst du doch nicht kommen, sonst ist Vater Maguire zornig auf dich.“

Isabel bückte sich und drückte ihrem Sohn einen flüchtigen Kuss aufs Haar. „Sei brav!“, rief sie ihrem davoneilenden kleinen Jungen nach. Samuel Smith hielt den Wagenschlag der luxuriösen Kutsche offen.

„Da kann er aber froh sein, dass er in so großem Stil zur Schule fahren kann“, bemerkte Mrs. Hankins leichthin. Anscheinend hatte sie sich von ihrer melancholischen Anwandlung erholt.

„Ja … die anderen Schüler gehen fast alle zu Fuß.“

„Es überrascht mich …“ Taktvoll hielt die Mutter des Colonel inne.

Isabel wusste, dass sie ihrer Überraschung darüber Ausdruck hatte verleihen wollen, dass ihr Sohn überhaupt auf eine Dorfschule ging.

Nach kurzem Schweigen schloss Mrs. Hankins: „Marcus könnte doch auch zu Hause unterrichtet werden, non?“

„Das wurde er auch eine Zeit lang. Aber es … hat ihm nicht gut getan. Er langweilt sich so schnell. Da ist es am besten, wenn er zusammen mit seinen Freunden lernen kann.“

„Er sieht aus wie sein Papa.“

Isabel fuhr herum und warf Mrs. Hankins einen erschrockenen Blick zu. „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Nun, Ihnen sieht er nicht ähnlich, obwohl er blond und hübsch ist und grünbraune Augen hat. Da habe ich eben angenommen, dass er seinem Vater nachkommt. Habe ich recht? Gleicht er seinem Vater?“

„Wohl schon“, gab Isabel schwach zu.

Claudine Hankins lachte leise. „Ich habe meine Lektion gelernt und sage jetzt nichts mehr. Sonst tadelt mich mein Sohn bloß wieder. Es hat mich sehr bedrückt, dass er mich gleich am ersten Abend so heruntergeputzt hat. Mir schmerzt davon immer noch der Kopf.“ Sie rieb sich die Stirn. „Aber ein Ausritt in der frischen Luft vertreibt ja die schlechte Laune. Ich habe mich vor dem Frühstück mit ihm bei den Ställen verabredet. Es scheint ein herrlicher Tag zu werden. Möchten Sie heute vielleicht einmal mitkommen?“

„Nein … danke“, lehnte Isabel rasch ab, wie jedes Mal, wenn man sie zu einem Ausritt einlud. Die Hankins’ waren nun schon seit einigen Tagen zu Gast, doch Isabel verspürte immer noch leise Entrüstung bei der Vorstellung, Colonel Hankins könnte sich verpflichtet fühlen, Zeit mit ihr zu verbringen. Sie sah Mrs. Hankins aufmerksam an. Die Mutter des Colonel wirkte tatsächlich etwas blass. „Ich kann Ihnen ein Kopfschmerzmittel bereiten, wenn Sie möchten.“

„Kennen Sie sich denn mit Kräutern aus?“, fragte Mrs. Hankins und presste sich ein letztes Mal die Hand auf die Stirn.

„Ich habe mich schon immer für Kräuterheilkunde interessiert, und meine Mutter war dankbar, dass ich mich unseres Kräutergartens angenommen hatte. Ein sehr nützlicher Teil des Gartens, wenn man eine sechsköpfige Familie mit all ihren diversen Wehwehchen zu versorgen hat.“

„In Frankreich geriet man leicht in den Verdacht der Hexerei, wenn man derartige Heilmittel verabreichte.“ Mrs. Hankins schnalzte mit der Zunge. „Das war dumm, es Ihnen gegenüber zu erwähnen. Auf diesem Gebiet sind wir inzwischen ja weitaus zivilisierter.“

„Ich weiß aber, dass es stimmt. Vor einem Jahrhundert hätte man mich wegen meiner Mittelchen vielleicht noch gebrandmarkt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt“, erklärte Isabel gelassen.

„Und mit dieser fürchterlichen Erkenntnis muss ich Sie nun leider allein lassen.“ Mrs. Hankins zog die Lederhandschuhe an und strich sie glatt. Sie sah sich in der Eingangshalle um. „Haben Sie meinen Sohn heute Morgen schon gesehen?“ Als Isabel den Kopf schüttelte, fügte die Französin hinzu: „Ich sollte wohl hinausgehen, vielleicht wartet er ja schon bei den Ställen und bricht voll Zorn auf, weil ich ihn so lange warten ließ.“

Isabel hatte Colonel Hankins an diesem Morgen noch nicht gesehen. Am gestrigen Abend hatte er sie beim Dinner wieder einmal gefragt, ob sie mit ihm einen Morgenspaziergang unternehmen wolle. Doch sie hatte nicht die Absicht, sich von diesem arroganten Colonel Hankins – was fiel dem Mann eigentlich ein? – irgendwohin begleiten zu lassen.

Außerdem hatte Isabel einen ausgezeichneten Grund, nicht mit den beiden auszureiten: Sie hatte mit Clodagh vereinbart, sie nach Waterford zum Markt zu begleiten, wenn es nicht regnete. Und entgegen aller Wahrscheinlichkeit regnete es tatsächlich nicht. Sie ging zu dem großen Fenster am Eingang und blickte hinauf zum Himmel. Während sie noch über die Unberechenbarkeit des irischen Klimas nachdachte, näherte sich Colonel Hankins.

Ohne den Kopf zu drehen, war Isabel sich seiner sofort bewusst, als er lässig die Treppe hinunterkam. Fast instinktiv wusste sie, dass er eine Hand am Treppengeländer hatte und in der anderen eine Reitgerte trug. Sie wusste, dass die Sonnenstrahlen, welche durch die hohen Fenster in die Halle fielen, sein dunkelbraunes Haar aufleuchten ließen. Sie wusste genau, in welchem Moment er wahrnahm, dass sie reglos und halb von der Fensterlaibung verborgen am Fenster stand. Blicklos starrte sie auf die Landschaft und fragte sich, ob sie bleiben sollte, wo sie war, wie versunken in die Aussicht, um ihm so Gelegenheit zu geben, ihr auszuweichen. Sie hielt die Stellung. Sollte er entscheiden.

Im nächsten Moment stand er neben ihr am Fenster und begrüßte sie mit einem höflichen „Guten Morgen“.

Isabel wurde flau im Magen, als sie ihn so nah bei sich spürte, und hasste sich deswegen. Sie benahm sich wie ein albernes verliebtes Schulmädchen und nicht wie eine Frau Mitte zwanzig mit einem siebenjährigen Sohn, die sich nie wieder von einem Mann in den Bann schlagen lassen wollte. Vor allem nicht, wenn der Mann kurz davor stand, sich zu verloben. Gesittet erwiderte sie die Begrüßung und lächelte ihn zudem auch noch freundlich an. Doch als das Schweigen zwischen ihnen immer lastender wurde und sie beide angelegentlich die dahinjagenden Wolken betrachteten, merkte Isabel, wie sich eine verräterische Röte in ihre Wangen stahl. Wieder ärgerte sie sich über sich, dass sie sich von seiner Nähe so irritieren ließ. Eben hatte sie ihm einen verstohlenen Blick zugeworfen und bei seinem Anblick auch noch unwillkürlich die Luft angehalten. Einfach lächerlich!

„Ihre Mutter ist gerade zu den Ställen gegangen, um Sie dort zu suchen.“ Die Bemerkung geriet ihr recht lässig. „Sie wollte Sie nicht warten lassen, damit Sie nicht ungeduldig werden und allein losreiten.“

„Verstehe; sie hat mich als übellauniges Ungeheuer dargestellt.“

„Aber nein, gar nicht.“ Isabel wollte die Spannungen, die zwischen Mutter und Sohn bestehen mochten, auf keinen Fall noch verschärfen. Bei mehreren Gelegenheiten hatte sie bemerkt, dass ihr Verhältnis nicht das harmonischste war.

Er schwieg, doch ein verstohlener Blick verriet ihr, dass er lächelte. Die Vermutung lag nahe, dass er damit ihre Diplomatie würdigte, ihren Wunsch, nett zu sein. Vielleicht erachtete er Nachgiebigkeit für selbstverständlich. Aber sie war keiner seiner Soldaten!

Herausfordernd wandte sie sich zu ihm um. „Hat Ihre Mutter recht? Sind Sie ein übellauniges Ungeheuer, Colonel Hankins?“

„Manchmal …“, räumte er ohne Reue ein. In seiner Stimme schwang Amüsement mit, was sie noch mehr aufbrachte.

Isabel sah wieder nach draußen und hob nur kurz die schmalen Brauen.

„Wollen Sie denn gar nicht wissen, wann und warum?“

„Also, wann? Und warum?“, tat Isabel ihm den Gefallen, allerdings nicht ohne ironischen Unterton.

„Immer wenn ich meinen Willen nicht bekomme. Und wenn ich wegen irgendetwas enttäuscht bin. So wie jetzt.“

„Erwarten Sie, dass ich um eine nähere Erklärung bitte?“

„Natürlich.“

„Also bitte, erklären Sie mir das.“

„Wenn ich Sie jetzt frage, ob Sie mit mir ausreiten, werden Sie wieder ablehnen. Dann habe ich meinen Willen nicht bekommen und bin dementsprechend enttäuscht. Vermutlich sollte ich Sie gar nicht erst fragen.“

Isabel verbarg ein Lächeln. „Kümmern Sie sich doch bitte nicht weiter um Connors Aufforderung, mir Gesellschaft zu leisten, Sir. Es wäre mir wirklich nicht recht, wenn Ihre charmanten Versuche sich zu einer regelrechten Prüfung auswüchsen … für uns beide.“

„Ich weiß, dass ich das nicht hätte sagen dürfen. Es war wirklich eine höchst dumme Bemerkung. Es stimmt, Ihr Schwager hat mich tatsächlich gebeten, Ihnen und meiner Mutter in dieser Woche Gesellschaft zu leisten, aber das ist nicht der Grund, aus dem ich frage. Ich möchte mit Ihnen ausreiten.“

„Tut mir leid; für heute Morgen habe ich bereits eine andere Verabredung getroffen.“

„Was denn?“

„Ihre Hartnäckigkeit ist wirklich unziemlich, Colonel Hankins. Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich bin mit einer Freundin verabredet. Heute ist in Waterford Markt, und wir gehen einkaufen.“

„Es ist doch noch sehr früh; zum Einkaufen haben Sie später auch noch Zeit.“

„Hat Ihre Mutter Ihnen denn nicht beigebracht, Sir, dass man eine Abfuhr mit Gleichmut und Höflichkeit hinnehmen soll?“

„Bringen Sie das Ihrem Sohn bei?“

Isabels kokettes Lächeln erlosch, und sie wandte sich ab. Nach angespanntem Schweigen flüsterte sie: „Ja, genau das sage ich ihm.“

„Wo ist er denn?“

„Er ist gerade in die Schule gegangen.“

„Schade, dass ich ihn verpasst habe. Ich weiß, dass Sie nicht zu dieser unchristlichen Zeit auf den Beinen sind, um mir bei meinem Morgengalopp nachzuwinken. Bringen Sie ihn jeden Morgen zur Tür?“

„Ja, natürlich.“

„Ja, natürlich …“, wiederholte Etienne leise.

„Haben Sie daran etwas auszusetzen?“, fragte Isabel abwehrend.

„Nein, überhaupt nicht. Mir hätte es auch gefallen, wenn meine Mutter mich immer zur Tür gebracht hätte. Die ein, zwei Mal im Jahr, wo ich wieder ins Internat geschickt wurde, hätten schon gereicht. Offensichtlich sind Sie eine gute Mutter.“ Die Bemerkung erforderte keine Antwort. Mit einem kurzen Nicken stieß er sich von der Wand ab und ging.

Isabel stand immer noch da, ganz verwirrt, als Connor und Rachel herunterkamen. Ihr Schwager sah in seiner Reitkleidung wie immer höchst attraktiv aus, und ihre Schwester verkörperte in ihrem marineblauen Kostüm mit den Goldknöpfen und dem geflochtenen Schnurbesatz die Eleganz in Person.

„Geh schon vor und lass Willow für mich satteln, ich möchte mit Bella plaudern. Die letzten Tage hab ich sie kaum zu Gesicht bekommen“, wies Rachel ihren Ehegatten an.

An Rachels entschlossenem Blick konnte Isabel schon ablesen, was nun bevorstand, und kam ihrer Schwester zuvor mit einem „Ja, Colonel Hankins ist sehr attraktiv, er ist charmant und wäre ein guter Fang. Worüber sich eine gewisse Miss Caroline Greenwood freuen darf. Seiner Mutter ist vor ein paar Tagen entschlüpft, dass er kurz vor der Verlobung steht.“

Rachel stöhnte. „Die doch nicht! Lieber Himmel! Ob Connor das wohl weiß? Er hat gar nichts erwähnt.“

„Vielleicht hat Connor es keiner Erwähnung für wert befunden“, meinte Isabel. „Warum sagst du, ‚die doch nicht?‘“

„Ach, die ist so … so fad, und ihre Eltern, vor allem ihre Mutter – die, nebenbei bemerkt, aussieht wie ein Pferd –, sind neureiche Aufsteiger. Jeder weiß, dass Mrs. Greenwood ganz versessen auf einen Titel für ihre Caroline ist. Würde mich überraschen, wenn er sie heiratet. Dazu ist sein Geschmack doch viel zu gut.“

Isabel zuckte mit den Schultern, hoffte allerdings insgeheim, dass Rachel recht behielt. Warum sollte ein solcher Mann in eine vulgäre Familie einheiraten wollen? Es sei denn … „Vielleicht ist er ja in sie verliebt“, meinte sie über die Schulter gewandt, schon unterwegs, um ihren Mantel und ihren Hut zu holen.

Rachel lachte auf. „Also da müsste ich mich ganz schön in ihm getäuscht haben. Ihre Familie hat Geld … jede Menge Geld … Kohlebergwerke, glaube ich. Aber Connor sagt, dass Hankins jetzt schon in Geld schwimmt und von seinem Onkel und seinem Großvater auch noch einiges zu erwarten hat.“

Isabel knüpfte die Bänder ihres Schutenhutes unter dem Kinn. „Titel? Welchen Titel will Mrs. Greenwood denn von ihm ergattern? Frau des Colonel?“

„Hankins’ Großvater ist ein Earl, und er ist über achtzig.“ Nach kurzem Schweigen fuhr Rachel fort: „Ich glaube, du gefällst Colonel Hankins. Ihr verbringt jeden Abend miteinander, plaudert oder spielt Schach. Hat er mit dir geflirtet?“

„Nein. Wir haben uns nur viel zu erzählen.“ Auf Rachels spitzbübischen Blick hin erklärte Isabel lachend: „Am ersten Abend sind wir zum Beispiel ins Gespräch gekommen, weil er sich dafür entschuldigen wollte, dass seine Mutter sich so angelegentlich nach Marcus und meinem Ehemann erkundigt hat.“

„Das war wirklich ein wenig unfein. Aber ich bin mir sicher, dass keinerlei Bosheit dahinter steckte. Wenn ich gedacht hätte, dass sie dich so ausfragt über … diese Dinge, hätte ich sie gar nicht erst eingeladen.“

„Es ist ja kein Schaden entstanden.“

„Auf mich wirkt es immer so, als würde er mit dir flirten“, beharrte Rachel. „Wenn ihr zusammen seid, kommt er mir immer so … glühend vor.“

Isabel lächelte nur ausdruckslos. Weder letzten noch irgendeinen anderen Abend hatte er mit ihr geflirtet, doch an diesem Morgen schon … ganz eindeutig. Und sie hatte sich darauf eingelassen, obwohl sie wusste, dass er so gut wie verlobt war und sich nicht wirklich für sie interessierte. Eigentlich sollte sie sich Sorgen machen deswegen. Doch sie tat es nicht. Seit sie Marcus’ Vater getroffen hatte, war dies das erste Mal, dass sie die Aufmerksamkeiten eines Mannes genießen und darauf reagieren konnte – so unaufrichtig sie auch waren.

Doch man hatte ihr erst vor kurzem ein unschickliches Angebot gemacht. Nicht dass sie glaubte, Colonel Hankins wolle ihr ebenfalls etwas so ausgesprochen Vulgäres antragen. Er war der Freund des Earl of Devane, der wiederum mit ihrer Schwester verheiratet war. Eine Liaison zwischen ihnen wäre überaus geschmacklos. Und außerdem, dachte sie mit einem verstohlenen Lächeln, um sich selbst ein wenig aufzuheitern, war es wirklich unfassbar, wie eingebildet sie war: Sie kannte den Mann doch noch keine Woche. Bisher hatte der Colonel nur ein wenig mit ihr geflirtet – und sie wappnete sich, um seine unmoralischen Annäherungsversuche abzuwehren. Aber wenn sie denn tatsächlich kämen … würde sie sie überhaupt abwehren?

4. KAPITEL

Leise summend ging Isabel durch ihr Zimmer und stellte ihre Einkäufe auf einen Stuhl, als Noreen anklopfte und ihr eine Botschaft brachte.

„Von Mrs. Hankins, Madam.“ Die Irin stieß die Erklärung hastig hervor, als hätte sie es eilig, wieder hinauszukommen.

„Noreen?“

Zögernd trat die Dienstbotin wieder ins Zimmer.

„Marcus ist weder in seinem Schlafzimmer noch im Kindertrakt. Lernt er vielleicht in der Bibliothek?“

„Äh … ich glaube … äh, höchstwahrscheinlich ist er in die Ställe gegangen, zu Sam“, murmelte Noreen. „Ich hab gesehen, wie er die Richtung genommen hat.“

„Hat Marcus erzählt, wie es ihm heute in der Schule ergangen ist?“

Noreen lief dunkelrot an. „Nein, Madam. Aber Vater Maguire hat ganz schön geschimpft, als ich ihn abholen kam. Ich wollt’s Ihnen auch noch erzählen … sobald Sie ein bisschen Atem geschöpft haben.“ Noreen linste auf Isabels Hut, der immer noch auf ihren dichten goldbraunen Haaren saß. „Dieser kleine Teufelsbraten Michael Murphy ist ein schlechter Einfluss, Madam, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Seit dem Tag, wo er Ihren Sohn mitten im übelsten Wetter mit in die Stadt genommen hat und ich völlig außer mir war vor Sorge um ihn, ist mir der Bursche nicht mehr geheuer … Vater Maguire sagt, die beiden wären heut Nachmittag beim Angeln gewesen. Der junge Herr sollt sich lieber fern halten von diesem Murphy-Jungen. Bestimmt kommt der Pfarrer noch höchstpersönlich vorbei, um Ihnen alles zu erzählen.“

Isabel blickte auf das Kuvert, das sie noch in der Hand hielt. „Danke, Noreen“, war alles, was sie sagte, ehe sie die Dienstbotin entließ. Dann schloss sie die Augen und grub die Zähne in die Unterlippe. Noreen hatte ihr gerade ziemlich unverblümt erklärt, dass es ihrem Sohn ihrer Meinung nach grundsätzlich an Disziplin mangele und dass sie ihren Erziehungspflichten nicht nachkäme.

Marcus mit Hausarrest zu bestrafen hatte wenig Sinn. Einmal hatte sie versucht, ihn in seinem Zimmer einzusperren, doch er war einfach aus dem Fenster geklettert, ohne sich weiter um die Gefahren zu kümmern. Körperliche Züchtigungen oder ihn ohne Essen ins Bett zu schicken zog sie nicht ernsthaft in Betracht. Sie ertrug die Vorstellung einfach nicht, ihm wehzutun.

Sie nahm die Tüte mit Bonbons, die sie für ihn mitgebracht hatte, und legte sie in eine Schublade. Sie hatte den Tag heute genossen, hatte sogar Colonel Hankins eine Weile vergessen, obwohl ihr gar nicht klar war, wieso dieser elende Kerl, den sie doch kaum kannte, ihre Gedanken dermaßen dominierte.

Seufzend sah Isabel das Briefchen an und öffnete das Siegel. In eleganter Handschrift erbat Mrs. Hankins ein Kopfschmerzmittel, wenn es nicht zu viel Mühe mache, denn die Schmerzen plagten sie doch noch sehr.

Isabel holte ein paar dunkle Gläser aus dem Schrank. Lavendel, Weidenrinde und Eisenkraut wurden sorgfältig abgemessen und vermischt. Dann verpackte sie die Kräutermischung in Papierbriefchen und steckte sie in die Gürteltasche. Sie wollte schon aus dem Zimmer gehen, als ihr auffiel, dass sie immer noch den Hut auf dem Kopf hatte. Mit einem müden Seufzen nahm sie ihn ab und legte ihn aufs Bett. Dann machte sie sich auf den Weg in den Ostflügel.

Auf ihr Klopfen ließ Mrs. Hankins sie unverzüglich ein und legte sich gleich darauf wieder aufs Bett. Mit besorgtem Stirnrunzeln betrachtete Isabel sie. Rasch kniete sie sich neben das Bett und rieb ihrer Patientin die kalten Hände. „Ist es seit heute Morgen denn schlimmer geworden?“

Mrs. Hankins nickte mit gesenktem Blick und erhob sich dann abrupt. „Nein. Es geht um etwas anderes. Ich habe zwar Schmerzen, aber ich glaube wohl eher, dass es mir im Herzen wehtut. Das ist mir jetzt wirklich unangenehm. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Wir kennen uns kaum, und doch muss ich Ihnen gegenüber etwas sehr Persönliches zur Sprache bringen. Dabei weiß ich, dass Sie über Ihren Verlust nicht sprechen möchten. Vielleicht wenn ich Ihnen etwas zeige … ach, ich weiß einfach nicht!“, rief sie plötzlich aus und schlug die Hände vors Gesicht. „Sie werden mich für eine Närrin halten, wenn sich meine Vermutung als falsch herausstellt. C’est incroyable!“ Sie ließ sich aufs Bett zurücksinken.

Isabel beugte sich über die Frau, schockiert von ihrer Not. Ihre elegante Frisur hatte sich aufgelöst, und die silbernen Haare hingen ihr ins Gesicht. Ihre Hände zitterten. „Sie sollten mir wirklich sagen, was Sie so bekümmert.“ Als Mrs. Hankins ihr zwischen tränenfeuchten Wimpern einen trostlosen Blick zuwarf, lächelte Isabel sie aufmunternd an.

Claudine nahm eine kostbare Schatulle aus Walnussholz von der Nachtkonsole und öffnete den Deckel. Darin befand sich Nähzeug – Faden, Schere und Nadeln, säuberlich aufgereiht –, und eine Miniatur in goldenem Rahmen. Mit ehrerbietiger Behutsamkeit nahm Mrs. Hankins das Bildnis heraus und hielt es Isabel hin.

Die Miniatur zeigte ein schönes blondes Kind mit ernsthaftem Gesichtsausdruck, das Isabels Sohn verblüffend ähnelte. Isabel lächelte ihr Gegenüber an. „Sie haben recht, Mrs. Hankins. Einer Ihrer Enkel ist Marcus tatsächlich wie aus dem Gesicht geschnitten. Das also ist der kleine Phillipe. Wie ernst er dreinsieht! Genau wie Marcus, wenn er eine seiner Launen hat.“

„Das ist weder Phillipe noch Sophie. Das ist Etiennes Bildnis, angefertigt vor über fünfundzwanzig Jahren. Damals war er ungefähr sechs.“

Isabel erstarrte. Diesen Namen hatte sie schon sehr, sehr lange nicht mehr gehört, doch hatte er sich für alle Zeiten in ihr Gedächtnis gebrannt und besaß immer noch die Macht, sie zu verletzen.

„Etienne?“, flüsterte sie heiser.

„Etienne … mein Sohn. Manchmal nennt er sich auch Steven, nur um mich aufzubringen, glaube ich, denn er weiß ganz genau, dass ich die französische Form seines Vornamens vorziehe. Schon als er klein war, hat er keine Gelegenheit ausgelassen, mich zu ärgern.“

„Colonel Hankins? Er heißt Etienne?“, stieß Isabel hervor. Ihr Mund war so trocken geworden, dass ihre Zunge förmlich am Gaumen festzukleben schien. Hör auf, dich so dämlich zu benehmen! schalt sie sich zornig. Etienne ist ein sehr häufiger französischer Vorname. Colonel Hankins hat eine französische Mutter. Was kümmert es mich? Und doch stürzte sie sich auf diese Neuigkeit und drehte sie im Geist hin und her.

Mühsam um Ruhe und Vernunft ringend, sagte sie: „Er sieht Marcus wirklich ähnlich. Aber blonde Kinder gleichen sich ja oft, finden Sie nicht auch? Die Züge sind so wenig ausgebildet, dass man die wichtigen kleinen Unterschiede kaum ausmachen kann …“

„Ich muss Ihnen etwas sagen“, unterbrach Mrs. Hankins Isabels vernünftige Erklärungen. „Sie mögen mich für verrückt halten, Sie können mir sagen, dass ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern soll, aber ich mache mir solche Sorgen! Vorhin bin ich an ein paar Dornenranken hängen geblieben und musste das passende Garn heraussuchen“, erklärte sie. „Und unter den Seidenfäden habe ich das Bild gefunden. Gestern hätte ich Ihnen nicht mal sagen können, wo ich es gelassen habe oder wann ich es zum letzten Mal ansah.“ Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. „Normalerweise bin ich keine große Näherin. Marie erledigt das für mich. Aber heute war meine Zofe auf dem Markt und noch nicht zurückgekehrt, und da habe ich es eben selbst … Ach, das alles spielt doch keine Rolle! Das Schicksal hat es so gefügt, dass ich es ausgerechnet heute gefunden habe. An dem Tag, an dem ich Ihren Marcus zum ersten Mal gesehen habe.“

„Ich verstehe nicht“, murmelte Isabel mit wild pochendem Herzen.

Mit müdem Seufzen setzte Mrs. Hankins sich aufs Bett. „Zuerst muss ich Ihnen ein wenig von unserer Familiengeschichte erzählen. Mein verstorbener Ehemann – Etiennes Vater – und ich führten keine glückliche Ehe. Es war eine Vernunftheirat: Ich hielt mich gerade in England bei einer Schulfreundin auf, als die Bastille erstürmt wurde. Ich war damals achtzehn, die Tochter eines französischen Grafen, und ich konnte nicht nach Hause zurückkehren, weil zu befürchten stand, dass ich ebenso in den Kerker wandern würde wie meine übrige Familie. Ich habe damals Schutz gebraucht, und Benjamin brauchte eine Frau, um es seinem Vater recht zu machen. Also haben wir geheiratet, ohne uns zu lieben, aber wir respektierten uns und waren außerdem verzweifelt.“

Mrs. Hankins lächelte traurig. „Unter den Umständen wenden sich die Dinge selten zum Guten. Es war vielleicht falsch, jedoch sicher unvermeidlich, dass wir uns beide anderweitig getröstet haben. Ich wurde zuerst untreu, wie ich zu meiner Schande gestehen muss. Benjamin hat ebenfalls jemanden gefunden, den er lieben konnte. Mrs. Smith war eine junge Witwe – behauptete sie zumindest. Ich glaube ja, dass sie eine Kurtisane war, die nie eine Kirche von innen gesehen hat. Sie bekam von Benjamin ein Kind, einen Sohn, der schon ein Jahr nach Etiennes Geburt auf die Welt kam. Ein gemeinsamer Freund sagte einmal, dass sich der Bastard und der legitime Sohn so ähnlich sähen, dass man sie für Zwillinge hätte halten können. Später schlug Etienne dann eher mir nach … sein Haar wurde dunkler, sein Aussehen französischer. Ich habe gehört, dass Mrs. Smiths Sohn blond geblieben sein soll. Ich muss es einfach wissen, bitte verzeihen Sie die Frage – aber mir will einfach nicht aus dem Kopf gehen, dass Sie vielleicht mit dem illegitimen Sohn meines Gatten verheiratet waren. Hieß Ihr Mann zufällig Christopher? Sie haben erzählt, dass er Soldat war. Nun, Christopher ging zur Armee. Als mein Ehemann sich weigerte, sich von mir scheiden zu lassen und sie zu heiraten, zog Mrs. Smith weit weg, irgendwo in die Nähe von York, und heiratete dort. Möglicherweise hieß der Mann Forrester.“

Isabel war wie betäubt. Sie hatte aufmerksam zugehört, und doch ließ sie nun das Gefühl nicht los, dass ihr etwas Wesentliches entgangen war. Langsam richtete sie den Blick auf Mrs. Hankins und sagte: „Nein, der Vater meines Sohnes hieß nicht Christopher. Ich hoffe, dass Sie das beruhigt.“

Mrs. Hankins entspannte sich sichtlich. „Es tut mir so leid, dass ich Sie mit alldem belästigt habe.“ Ihre Entschuldigung wurde von einem verlegenen Blick begleitet. „Aber das Bildnis, die Ähnlichkeit, und Ihre Schwester erzählte, dass Sie in York gelebt haben … das sind doch alles ausgesprochen merkwürdige Zufälle, finden Sie nicht?“

Isabel rang sich ein Lächeln ab. „Ja, allerdings – sehr merkwürdig.“ Ihre Gedanken waren in Aufruhr, zum Glück fiel ihr dann doch noch das Kopfschmerzmittel ein, und sie nahm die Briefchen aus der Gürteltasche. „Ich hole heißes Wasser, um die Kräutermischung aufzubrühen.“

Mrs. Hankins strahlte. „Ich glaube, ich brauche Ihre Medizin gar nicht mehr. Jetzt, wo ich alles losgeworden bin, geht es mir schon viel besser.“ Sie seufzte. „Ihre Schwester sagt, sie hätte spontan ein paar Gäste zum Dinner eingeladen. Vincent und seine Töchter kommen zum Essen und noch ein paar andere Nachbarn … die Fitzgeralds. Das sind doch Freunde von Ihnen, nicht wahr?“ Leise vor sich hin summend ging sie zum Schrank, öffnete ihn und inspizierte ihre Kleider.

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Mary Brendan
Mary Brendan wurde in Norden Londons als drittes Kind von sechs Kindern geboren. Ihr Vater hatte eine Klempnerfirma, und ihre Mutter, die sie zum Lesen und lernen anregte, arbeitete als Schulsekretärin.
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