Historical Saison Band 51

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MISS CLAIRES FLAMMENDE SEHNSUCHT von SCOTT, BRONWYN
Mutig, sinnlich und unbeschreiblich anziehend - ja, seine neue Französisch-Lehrerin ist eine Frau ganz nach seinem Geschmack! Und sie scheint seine vorsichtigen Avancen durchaus zu erwidern … Aber Jonathon Lashley darf seiner feurigen Begierde nach Claire nicht nachgeben. Er muss eine Vernunftehe eingehen!

DAS MÄDCHEN UND DER PRINZ von SCOTT, BRONWYN
Seine Augen haben die Farbe von schokoladenbrauner Seide, und der Blick ist so verführerisch wie eine Liebkosung: In Evie erwacht ein nie gekanntes Verlangen, als sie Dimitri das erste Mal begegnet. Doch für einen waschechten Prinzen ist ein einfaches Mädchen wie sie ganz bestimmt keine angemessene Gattin …


  • Erscheinungstag 02.01.2018
  • Bandnummer 0051
  • ISBN / Artikelnummer 9783733734183
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Bronwyn Scott

HISTORICAL SAISON BAND 51

1. KAPITEL

London, Mai 1821

Alles begann mit drei Worten. „Ich erwarte ein Kind.“ Der Satz riss Claire unsanft aus ihren, wie sie zugeben musste, recht eigenwilligen Gedanken. Hatte Beatrice tatsächlich eben gesagt, sie erwarte ein Kind? Claire starrte ihre Freundin zutiefst verwirrt an, bis die Worte zu ihr durchgedrungen waren. Beatrice war guter Hoffnung. Enceinte. Unwillkürlich wechselte Claire ins Französische, ihre unfehlbare Methode, mit allem fertig zu werden. In einer schwierigen Situation klang alles immer besser, wenn man es auf Französisch sagte.

Doch dann traf sie der Schreck mit aller Kraft. Guter Hoffnung bedeutete, dass ein Baby auf dem Weg war, und das bedeutete auch, dass gewisse andere Dinge vorher geschehen sein mussten, wenn man nicht gerade die Jungfrau Maria war. Beatrice, eine ihrer besten Freundinnen, mit der sie als Kind gespielt hatte, mit der sie in die Gesellschaft eingeführt worden war, und von der sie nie geglaubt hätte, sie könnte irgendwelche Geheimnisse vor ihr haben – diese Beatrice hatte einen Liebhaber gehabt und es ihr nicht gesagt! Und offenbar auch sonst niemandem, Evies und Mays verblüfften Mienen nach zu urteilen. Beide waren blass und bestürzt, gewiss nicht anders als Claire selbst, und suchten wohl wie sie auch nach einer Antwort auf eine so ungeheure Enthüllung.

Währenddessen saß Bea einfach nur stumm und ebenso blass da und wartete geduldig auf eine Reaktion. Das war ganz und gar nicht, womit Claire heute gerechnet hatte. Ihre heutige Begegnung in der winzigen Dachkammer in Evie Milhams Stadthaus hätte eigentlich so verlaufen sollen wie alle anderen davor – geheim und dem Selbstmitleid gewidmet. Sie hätten den Mangel an männlicher Aufmerksamkeit oder Intelligenz beklagen, ein wenig Kuchen essen und danach wieder heimgehen sollen, um sich eine Woche darauf erneut zu treffen und genau dasselbe zu wiederholen. Es war ein tröstliches Ritual, das sie in den drei Jahren, seit sie in die Gesellschaft eingeführt worden waren, beibehalten hatten. Damals waren ihre Hoffnungen, wenn schon nicht sehr groß, so doch gewiss größer gewesen als nach drei Jahren auf dem Heiratsmarkt, auf dem sich leider kein Interessent für sie gefunden hatte.

Irgendeine von ihnen musste etwas sagen. Doch selbst die sonst so schlagfertige May schien keinen passenden Kommentar parat zu haben. Erst jetzt fiel Claire auf, wie fest ineinander verschränkt Beatrices Hände in ihrem Schoß lagen, während Beatrice der Reaktion ihrer Freundinnen harrte.

Plötzlich begriff Claire. Ihre Freundin wartete darauf, dass sie sie verurteilten. Und gewiss waren sie auch nicht die Ersten, die davon erfuhren. Gewiss hatte Beatrice diese Situation bereits mit ihrer Familie durchgemacht. Offenbar glaubte sie zu wissen, dass auch ihre Freundinnen sie von sich stoßen und zu gesellschaftlicher Verbannung verdammen würden. Im Vergleich dazu verblassten Claires eigene Schwierigkeiten ganz und gar. Sie hatte sich eigensüchtig von ihren Sorgen vereinnahmen lassen, während Beatrice mit sehr viel größeren Problemen zu kämpfen hatte. Dabei hätte sie nicht gezwungen sein dürfen, es ganz allein zu tun.

Wie gern hätte sie ihr geholfen, wenn sie nur gewusst hätte, auf welche Weise. Claire brauchte mehr Informationen, und dieser Gedanke verlieh ihr die Kraft zu fragen: „Wie? Wann? Und vor allem: Wer?“

Beatrice schluckte mühsam, und die stille Evie warf Claire einen vorwurfsvollen Blick zu und nahm Beatrices Hand. „Bea. Du brauchst es uns nicht zu sagen, wenn du nicht willst.“

Doch Bea schüttelte den Kopf mit den dunklen Locken. „Doch. Ihr habt ein Recht darauf, es zu erfahren. So viel bin ich euch schuldig. Ihr werdet Entscheidungen treffen müssen.“ Sie sah jede von ihnen nacheinander an und holte tief Luft, als ob sie Mut fassen wollte. Es brach Claire fast das Herz. Wie gern hätte sie ihrer Freundin gesagt, dass alles wieder gut werden würde, aber sie konnte nicht. Vielleicht würden die Dinge für Beatrice Penrose niemals wieder gut werden.

Beatrice begann zu sprechen. „Im Winter wurde ich mit dem Freund eines Nachbarn bekannt, der für längere Zeit zu Besuch war. Wahrscheinlich wäre es passender zu sagen, dass er sich auf Genesungsurlaub befand. Das war wohl auch der Grund, weswegen er sich in Sussex aufhielt und nicht in London oder an einem anderen sehr viel interessanteren Ort. Mit seinem guten Aussehen und seinen vornehmen Manieren wurde er natürlich von dem gesamten Landadel ohne Zögern akzeptiert. Also tat ich es auch.“ Sie nestelte geistesabwesend an dem Stoff ihres Rockes. „Auf dem Land ist es im Winter so langweilig, und er war aufregend, neu. Keiner hatte sich je so für mich interessiert wie er.“

Claire nickte mitfühlend. Es tat ihr leid, dass sie fort gewesen war. Ihre Familie hatte sich zu der Zeit im Lake District aufgehalten. Und so war sie nicht dort gewesen, um Beatrice vor der Gefahr zu schützen. Ebenso wenig wie May, die mit ihrer Familie in London gewesen war, oder Evie, die eine ihrer Schwestern besucht hatte. Beatrice war völlig auf sich allein gestellt gewesen. Einsam und allein.

Aus Erfahrung wusste Claire ebenso wie ihre Freundinnen, wie es war, aus dem einen oder anderen Grund von den Gentlemen ignoriert zu werden. Sie selbst war nun einmal zu gebildet mit ihrem Talent für Sprachen, das die meisten Männer verunsicherte, die kaum ihre Muttersprache meistern konnten, geschweige denn eine Fremdsprache. Evie war zu unauffällig, sodass sie meistens einfach übersehen wurde. May war zu scharfzüngig und mit ihrem Talent fürs Lauschen wusste sie so ziemlich alles über jeden, eine Tatsache, die jeden Gentleman in Schrecken versetzen musste, der es vorzog, dass seine Geheimnisse auch geheim blieben.

„Er und ich unternahmen viele Spaziergänge, auf denen wir über alles Denkbare sprachen – die Pflanzen- und Tierwelt, die jüngsten Erkenntnisse der Royal Society. Und er hörte mir wirklich zu, wenn ich meine Meinung kundtat.“ Beatrice klang wehmütig, und Claire wunderte sich, wie das sein konnte. Immerhin hatte dieser Mann sich als wahrer Schurke entpuppt. Doch dann erkannte sie Beas Dilemma. Bea wollte ihn hassen, aber sie konnte nicht. Obwohl er sie im Grunde ruiniert hatte.

„Die Tatsache, dass er mir wirklich zuhörte, erwies sich als sehr viel verführerischer, als ich jemals gedacht hätte. Besonders da er mich dabei mit Augen angesehen hatte, deren Grau einen an die Farbe eines Wintersturms erinnerte. Ich war sicher, dass er mich auf die wunderbarste Weise zu schätzen wusste.“

Betroffen unterdrückte Claire einen Seufzer. Für diesen gespielten Respekt hatte Beatrice ihm das Kostbarste gegeben, das sie besaß. Sie hatte ihm ihren guten Ruf anvertraut. Und sich selbst unwiderruflich geschadet, wie sich herausstellte.

Beatrice senkte den Blick, ein trauriges Lächeln um die Lippen. „Das Schlimme ist, dass ich noch immer denke, es kann unmöglich alles nur Einbildung gewesen sein. Gewiss fand er mich in gewissem Maß interessant. Selbst jetzt, kurz vor der Katastrophe, kann ich nicht glauben, dass er nichts für mich empfunden hat. Es kann doch niemandem möglich sein, so tiefe Gefühle zu heucheln. Aber das werde ich wohl niemals erfahren.“ Unwillkürlich legte sie eine Hand auf ihren flachen Bauch.

„Wie weit ist deine Schwangerschaft schon fortgeschritten, Bea?“, fragte Claire.

„Acht Wochen.“

Lange genug, dass sie sich nicht geirrt haben konnte. Allerdings irrte Bea sich auch nur selten. Bei ihren Freundinnen war sie dafür bekannt, dass sie meist wusste, was sie tat.

„Und der Vater? Wie lange ist der schon fort?“, fragte May, die wie immer direkt auf den Kern eines Problems zusteuerte. Sie sah Claire und Evie einen unruhigen Blick tauschen, ließ sich aber natürlich nicht abhalten. „Nun, wir müssen es wissen“, erklärte sie entschlossen. „Wirst du ihn heiraten?“

Bea zuckte anmutig mit den Schultern. „Die Frage ist nicht wichtig. Vielleicht würde ich es, wenn er hier wäre, wenn unsere Affäre für ihn mehr gewesen wäre als ein flüchtiges Vergnügen.“

Bewundernd sah Claire ihre tapfere Freundin an. Selbst mit einem Baby im Bauch würde Beatrice sich nicht bereit erklären, einen Mann zu heiraten, wenn er sie nicht liebte. Wie immer zeigte sie sich kompromisslos, wenn es um ihre moralische Integrität ging. Ein beneidenswerter Charakterzug, der auch Claire einst eigen gewesen war, den sie aber irgendwann im Verlauf der vergangenen drei Jahre verloren hatte, ironischerweise vielleicht gerade weil sie versucht hatte, ihn sich zu erhalten. Sie konnte nicht genau sagen, wann ihre Entschlossenheit, sich selbst treu zu bleiben, nachgelassen hatte. Vielleicht mit Rufus Sheridens Antrag, den sie zurückgewiesen hatte, weil sie glaubte, seine ungeteilte Zuneigung zu verdienen, oder vielleicht auch bei jenem Zwischenfall mit Cecilia Northam. Seit damals schien alles bergab zu gehen für Claire, und sie war nicht mehr so sicher, wer sie war und was sie sich zutrauen konnte.

Mays Wangen röteten sich vor Wut. „Wie unverfroren von diesem Mann, dich zu schwängern und dann einfach sitzen zu lassen, statt sich ehrenhaft zu verhalten!“

Sofort schüttelte Beatrice den Kopf. „Er weiß es nicht, May“, sagte sie sanft, Mays aufbrausende Bemerkung ignorierend. „Er reiste ab, bevor … nun, bevor ich selbst es wusste. Bitte verurteile ihn nicht vorschnell.“ Sie seufzte. „Es war die wundervollste Woche meines Lebens. Er brachte mir Blumen. Er lächelte mich auf eine Weise an, die mich jede Vernunft vergessen ließ. Wisst ihr, er verführte mich nicht. Ich habe mich voller Freude in diese Verrücktheit gestürzt. Den ganzen Winter über unternahmen wir Spaziergänge in der Kälte, und eine Woche davon verbrachten wir wie ein geheimes Liebespaar in verlassenen Landhäusern und auf warmen Heuböden. Eines Tages sagte er mir, er müsse wegen einer Geschäftsangelegenheit in eine Stadt, die einen Tagesritt von uns entfernt lag, und er kam nicht wieder.“

„Wir haben ein wenig Zeit. Das ist doch gut“, meinte Evie ermutigend, immer noch Beas Hand in ihrer. „Das Baby wird um Weihachten herum geboren, also sollte man es dir erst ganz am Ende der Saison ansehen können. Die Mode dieses Jahr verlangt eine sehr viel weitere Taille. Ich könnte sofort damit anfangen, unsere Kleider umzuändern.“ Evies Talent mit Nadel und Faden war unbestreitbar, und sie sprach allen aus der Seele. Sie würden ihre Freundin jetzt nicht im Stich lassen. Alle lächelten Beatrice aufmunternd zu.

Ganz offensichtlich war sie gerührt. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie hilflos fortwischte. „Ach, zum Kuckuck, ich wollte doch nicht weinen. Die ganze Woche über habe ich kaum etwas anderes getan. Ich danke euch, ich danke euch allen. Damit habe ich nicht gerechnet.“

„Womit hast du nicht gerechnet?“, fragte Claire empört. „Hast du geglaubt, wir würden dich beim ersten Anzeichen eines Problems verlassen? Nach allem, was wir miteinander durchgemacht haben, solltest du wissen, dass wir aus härterem Holz geschnitzt sind.“

May beugte sich vor und legte genau wie Evie ihre Hand auf Beas. „Du warst für mich da, als meine Familie meinen Geburtstag vergaß. Du hast sogar einen Kuchen für mich gebacken und eine ganze Flasche Brandy aus dem Vorrat deines Vaters gestohlen.“ Daran erinnerte Claire sich auch. Mays Bruder hatte ein hervorragendes Amt bei der Regierung erhalten, und ihre Eltern waren nach London gefahren, um mit ihm zu feiern, hatten May aber zu Hause gelassen. Allein. An ihrem siebzehnten Geburtstag, dem letzten Geburtstag ihrer Kindheit.

„Wir haben uns an jenem Abend ganz schön betrunken, wenn ich mich noch recht erinnere“, sagte sie lächelnd.

„Du hast mir bei den Hochzeiten meiner beiden Schwestern geholfen“, warf Evie ein. „Ich hatte so viel damit zu tun, die Spitze und Perlen an ihre Kleider zu nähen, dass ich es nicht schaffte, mich um mein eigenes Kleid zu kümmern. Aber du bist die ganze Nacht mit mir aufgeblieben, um mir damit zu helfen.“

„Bis heute greife ich nur widerwillig nach einer Nadel!“, sagte Beatrice lachend.

Claire legte ihre Hand auf die Hände ihrer Freundinnen. „Und du warst bei mir, als ich Sheriden abwies. Und auch bei so vielen anderen Gelegenheiten.“ Ihr versagte die Stimme, sodass Claire sich räuspern musste. „Bea, du warst immer für uns alle da, wenn wir dich am meisten brauchten. Wir würden nicht einmal im Traum daran denken, dich deinem Schicksal zu überlassen.“

Dabei ging es nicht nur um einen geretteten Geburtstag oder einige Nadelstiche. Sie waren füreinander da gewesen, wann immer alle anderen sie vergessen hatten. Sie wussten, wie weh es tat, von der eigenen Familie – wenn auch unabsichtlich – ignoriert zu werden, wie schwer es war zu akzeptieren, dass auch ihre Zukunft wahrscheinlich nicht anders aussehen würde. Sie alle waren von den Gentlemen des ton ignoriert worden.

Für sie würde es kein galantes Liebeswerben geben. Jene Gentlemen hatten jahrelang in den Londoner Ballsälen regelrecht durch sie hindurchgesehen, weil sie zu klug oder zu schüchtern, zu unauffällig oder zu freimütig waren für den Geschmack des ton.

May befreite ihre Hand und brach die Stille, die sich über den Raum gelegt hatte. „Beatrice erwartet ein Baby! Wir sollten das feiern.“ Sie griff unter ihren Sessel und zog den Korb hervor, den sie mitgebracht hatte. „Und ich weiß genau, wie wir es feiern werden. Mit Apfelsaft und dem Schokoladenkuchen unserer Köchin.“

Wenn das May nicht wieder ähnlich sah, genau im richtigen Moment zu tun, was die Stimmung heben würde. Claire lächelte erleichtert. Nicht, weil May den Kuchen mitgebracht hatte, wenn er auch mehr als willkommen war, sondern weil sie das Wichtigste erkannt hatte. Dieses Baby mochte ja in etwas zu unorthodoxen Umständen gezeugt worden sein, aber es war deutlich zu sehen, dass Beatrice es schon jetzt liebte. May verteilte die Tassen mit dem Apfelsaft und danach kleine Stücke vom Schokoladenkuchen, bis nur noch eins auf dem Teller liegen blieb.

Sie tippte sich mit einem ihrer langen, schlanken Finger ans Kinn. „Wie wollen wir entscheiden, wer das letzte Stück bekommt? Wie wäre es mit unserem Unglücks-Spiel?“

Lachend streckte Beatrice schon die Hand nach dem Kuchen aus. „Das ist leicht. Ich bin die Unglücklichste von uns. Ich erwarte ein Kind, und der Vater des Kindes hat sich in Luft aufgelöst.“

„Nein, reicht nicht.“ May schob den Teller aus Beatrices Reichweite. „Du magst ja keinen Vater für dein Baby haben, aber du hast drei Tanten, die darauf brennen, das kleine Schätzchen nach Strich und Faden zu verwöhnen. Vielmehr sollte ich das Stück kriegen, weil meine Eltern mir androhen, mich nächstes Jahr um dieselbe Zeit mit unserem schielenden Pfarrer Ely zu verheiraten, wenn ich bis dahin keinen Mann gefunden habe.“ Sie drückte den Handrücken dramatisch an die Stirn und seufzte übertrieben. Allerdings wusste Claire, dass die Sache alles andere als zum Lachen war. Pfarrer Ely, fünfundvierzig Jahre alt, schieläugig und leicht gebückt, predigte jeden Sonntag von der erbarmungslosen Bestrafung aller Sünder. Ein unpassenderer Gatte für die unverblümte May war unvorstellbar. Ebenso unwahrscheinlich war, dass May sich in ein solches Los schicken würde. Sie würde vielmehr einen Ausweg finden. Das tat sie immer.

Evie schüttelte den Kopf. „Aber, May, bis dahin muss noch ein Jahr vergehen. Und inzwischen könnte alles Mögliche geschehen. Ein Duke könnte kommen, und du könntest ihn einfangen …“ Sie schnippte mit den Fingern. „… einfach so. Dir bleibt genügend Zeit dafür. Mir aber keine. Andrew ist wieder daheim und verkündet jedem, dass er die Absicht hat zu heiraten. Und zwar sofort.“

„Das sind großartige Neuigkeiten“, beschwichtigte Claire sie freundlich. „Er ist endlich nach zwei Jahren Abwesenheit zurück, und er ist bereit, sich eine Frau zu nehmen.“

„Er muss mich aber erst bemerken. All die Jahre bin ich nur Luft für ihn. Warum sollte es jetzt anders sein?“, sagte Evie verzweifelt. Alle wussten von ihrer geheimen, unerwiderten Liebe zu Andrew Adair, ihrem Freund aus Kindertagen. „Als er fort war, konnte ich mir wenigstens einreden, dass er nicht unerreichbar ist. Ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte, wenn er heiratet und ich mir eingestehen muss, dass es keine Hoffnung mehr gibt.“ Sie erschauderte, und Claire konnte sie gut verstehen. Ein Leben lang würde Evie Andrew und seiner Frau auf diversen Gesellschaften in Little Westbury begegnen und zusehen, wie Andrews Kinder auf seinem Stammsitz aufwuchsen. Auch Claire war in letzter Zeit von einer ähnlich fürchterlichen Vorstellung gequält worden.

Das war der Nachteil, wenn man in einer recht kleinen Gemeinde lebte. Man konnte ihr nicht entkommen. Es sei denn, Evie heiratete und verließ so die Gegend. Nach Claires Meinung verdiente Andrew Adair die Liebe ihrer Freundin sowieso nicht so sehr, wie Evie anzunehmen schien. Am Ende würde er sie doch nur enttäuschen.

„Er fängt doch gerade erst mit seiner Suche nach einer Frau an. Männer sagen, sie wollen heiraten, und dann brauchen sie doch eine Ewigkeit dazu, sich zu entscheiden“, warf May fröhlich ein. „Erinnert ihr euch an Viscount Banning? Bei ihm dauerte es über drei Jahre, bevor er sich entscheiden konnte. Tut mir leid, kein Kuchen für dich. Du hast genau wie ich noch viel Zeit.“ Sie sah Claire fragend an. Oh nein, nicht hier, dachte Claire erschrocken. Nicht heute. Das war ihre ganz private Hölle, die sie den anderen noch nicht mitteilen wollte. Jetzt bedauerte sie, dass sie es May verraten hatte, denn der schienen ihre warnenden Blicke nicht aufzufallen. „Sag es ihnen, meine Liebe. Wenigstens bekommst du so vielleicht den Kuchen.“

„Was ist denn, Claire?“, fragte Beatrice sofort interessiert.

Nichts ist“, stieß Claire hervor und bedachte May mit einem mörderischen Blick. „Wir sollten uns besser auf Beatrices Problem konzentrieren.“

„Nein, sollten wir nicht“, meinte Beatrice bestimmt. „Uns bleiben noch sieben Monate, in denen wir uns um mich Sorgen machen können. Außerdem wäre es mir ganz lieb, wenn ich mich weniger mit mir beschäftigen könnte. Sag du es uns, May.“

May kam ihrem Wunsch gern nach. „Es ist Lashley. Wie ich aus sicherer Quelle aus dem Auswärtigen Amt erfahren habe, soll er für einen traumhaften diplomatischen Posten nach Wien versetzt werden, und Cecilia Northam tut alles, um ihn als seine Frau begleiten zu können.“

Claire hätte fast gestöhnt vor Entsetzen. „Sichere Quelle“ bedeutete, dass May es von ihrem Bruder Preston gehört hatte, der mit Sir Owen Danvers befreundet war, dem Leiter des Zentralen Europäischen Diplomatenkorps. Wenn Preston es sagte, dann war es wahr. Claire wünschte, es wäre nicht so, denn es war das Schlimmste, was ihr hätte geschehen können – dass Jonathon Lashley sich entschließen könnte zu heiraten, ohne je einen Blick auf sie geworfen zu haben, ohne dass sie die Gelegenheit gehabt hätte, ihn für sich zu gewinnen.

Allerdings hatte sie es nicht anders verdient. Was hatte sie schließlich je getan, um Jonathons Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Im Gegensatz zu Evie, die von Natur aus zurückhaltend war, hatte Claire sich freiwillig dafür entschieden, der Gesellschaft nach einer katastrophalen ersten Saison den Rücken zu kehren. Also hatte sie sich es nur selbst zuzuschreiben.

„Es war nie viel mehr als ein unerreichbarer Traum“, sagte sie leichthin, als wäre es ihr gar nicht so wichtig. Die Angelegenheit ließ sich gewiss nicht mit dem Kummer einer Schwangerschaft ohne Gatten vergleichen. Doch ihre Freundinnen sahen sie voller Mitgefühl an. Sie wussten, dass Claire sich schon seit Jahren nach dem verwegenen Jonathon Lashley verzehrte. Er war ihr Idol gewesen, seit alle vier neunjährigen Mädchen in den wundervollen Sommermonaten damals in Sussex hinter Mays älterem Bruder und dessen Freund hinterhergelaufen waren. Jonathon hatte sich den kleinen Mädchen gegenüber immer sehr liebenswert verhalten, und diese Freundlichkeit, zu der er schließlich nicht verpflichtet gewesen war, hatte Claires Herz erobert. Und noch heute gehörte ihr Herz unverändert ihm. „Lashley hat mich in den Jahren, seit ich in die Gesellschaft eingeführt wurde, nicht mehr als zweimal angesehen.“

„Du gibst dir ja auch keine Chance, Claire“, sagte Beatrice streng. „Du bist hinreißend. Jede Frau würde ihr Leben geben für dein Haar – weiche braune Wellen wie eine Tasse schöner, starker Kaffee. Du musst mir erlauben, dir einmal das Haar zu frisieren, und Evie könnte ein oder zwei Kleider für dich aufputzen.“

Claire schüttelte den Kopf. „Ja, sicher. Schönes braunes Haar. Nur leider ist derzeit blondes Haar Mode und blaue Augen mehr als hellbraune.“ Aber die Mode machte nicht bei der äußeren Erscheinung halt.

Die englische Gesellschaft, da machte Claire sich nichts vor, bevorzugte nicht nur ein gewisses körperliches Ideal, sondern auch ein geistiges. Hohlköpfige junge Damen waren nun einmal lieber gesehen als eine, die sich mit einem Gentleman in vier Sprachen unterhalten konnte. Ihr einziger Versuch, sich einen Mann zu angeln, hatte ihr das nur allzu unmissverständlich vor Augen geführt. Sir Rufus Sheriden, seines Zeichens Baronet, hatte auch keinen Zweifel daran gelassen. In einer Ehe mit ihm würde weibliche Intelligenz nicht geduldet werden. Sobald sie das erkannt hatte, hatte Claire sich zurückgezogen. Sie weigerte sich, für irgendeinen Mann das Dummerchen zu spielen. Nach einer Weile hatte Sir Rufus seine Werbung um sie beendet. Es gab genügend andere Damen, die nur allzu bereit waren, sich seinen Bedingungen zu beugen.

„Und warum sollte Lashley mich auch beachten, wenn er Cecilia Northam zur Hand hat?“ Es tat weh, aber es war die Wahrheit. Welcher Mann würde ein Mauerblümchen ansehen, wenn er einen vollkommenen Garten vor Augen hatte – Cecilia mit ihren hellblonden Locken, den strahlenden blauen Augen und der porzellanzarten Haut. Cecilia hatte alles, was ein englischer Gentleman sich nur von einer Braut erhoffen konnte.

„Weil du viel besser bist als sie“, sprach Beatrice ihr Mut zu, aber es änderte nichts an den Tatsachen. Cecilia war wie Salz in Claires Wunde. Sie war der Liebling des ton. Zwar war sie gemeinsam mit ihnen in die Gesellschaft eingeführt worden, aber im Gegensatz zu ihnen sofort überall beliebt gewesen. Auch für sie war es die vierte Saison, aber die Erfahrungen, die sie in der Gesellschaft gemacht hatte, waren so viel angenehmer. Es war sonnenklar, dass sie jeden Mann haben konnte, den sie wollte. Sobald sie sich dazu entschloss.

Schon oft hatte Claire darüber nachgedacht, wie schade es doch war, dass Männer nicht sehen konnten, wie Cecilia Northam wirklich war. Oder vielmehr, wie entsetzlich, dass Jonathon es nicht sehen konnte. Gewiss, Cecilia war sehr schön, aber sie war ebenfalls hinterhältig, und sie hatte es geschafft, einen Zirkel der arglistigsten jungen Damen um sich zu versammeln – alles Frauen wie sie und darauf bedacht, die begehrtesten Partien zu ergattern. Was Claire auch völlig gleichgültig gewesen wäre. Cecilia konnte jene begehrten Partien gerne haben. Doch jetzt schien sie ihr Interesse ausgerechnet auf Jonathon gerichtet zu haben, und das war Claire alles andere als gleichgültig. Offenbar würde die Freundlichkeit doch nicht den Sieg davontragen, was immer einem die Märchen aus ihrer Kindheit auch vormachen wollten.

Früher einmal hätte sie sich tapfer gewehrt. Aber jetzt war sie nicht mehr tapfer. Es hatte keinen Sinn. Tapferkeit zählte nicht mehr. Dafür hatte Cecilia gesorgt, ebenso wie Rufus Sheriden und die Londoner Gesellschaft an sich. Claire war nicht sicher, wann sie sich verändert hatte, aber es war geschehen.

„Nein.“ Beatrice erhob sich abrupt, und Claire erstarrte. Dieses störrische Recken des Kinns hatte sie schon oft bei Beatrice gesehen. Und wenn Beatrice sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie nicht aufzuhalten. „Das werden wir nicht zulassen. Ich mag ja ruiniert sein, aber es gibt keinen Grund, weswegen ihr drei euch mit einer Zukunft zufriedengeben solltet, die ihr nicht selbst gewählt habt.“

Claire wollte widersprechen, doch Beatrice kam ihr zuvor. „Man hat uns vernachlässigt und vergessen, und das ist nicht ausschließlich unsere Schuld. Dennoch sind wir teilweise selbst verantwortlich. Wir ließen zu, dass uns der ton behandelte, als wären wir mit dem Schicksal einverstanden, einen Pfarrer oder arme dritte Söhne eines Baronets zu heiraten.“

„So ist es doch aber. Was können wir denn tun?“, fragte Evie zögernd.

„Wir können unsere besonderen Talente für die Verbesserung unseres Lebens nutzen statt zu unserem Schaden.“ Etwas begann, sich in Claire zu rühren. Ihr gefiel der Gedanke – Verbesserung und kein Schaden. Es klang wie etwas, das die armen Arbeiter kurz vor beim Peterloo-Massaker hätten anstimmen können, als sie für ihre Rechte demonstriert hatten. Beatrice war dabei, aufgeregt auf und ab zu gehen, und Claire spürte, wie sie von der Leidenschaft ihrer Freundin angesteckt wurde. „Es ist so offensichtlich. Warum haben wir es nur nie vorher begriffen? Wir müssen kämpfen für das, was wir wollen. Es ist ein ganz einfaches Naturgesetz. Wenn ein Geschöpf keine Anreize erhält, stirbt es.“ Sie blieb abrupt vor ihren Freundinnen stehen und sah zuerst Evie an. „Wir werden deine Fertigkeiten mit Nadel und Faden brauchen, damit du hinreißende Kreationen für jene schneiderst, die herausstechen müssen. Claire, du bringst uns einige französische Ausdrücke bei, die wir in die Unterhaltung einfließen lassen können, jetzt da Französisch wieder in Mode kommt. May, du kannst uns helfen, Nachforschungen über unsere Jagdbeute zu betreiben – wo sie sein wird und wann, und vor allem, was für ein Mann es ist. Am besten fängst du gleich mit Lashley an.“

Claires Begeisterung über Beatrices Kreuzzug verwandelte sich in Entsetzen. Warum Lashley? Und Beatrice antwortete, als könnte sie ihre Gedanken lesen: „Bei dir ist wirklich Eile geboten, Claire, also kümmern wir uns zuerst um dich. Außerdem wird es höchste Zeit, dass du endlich diesen Idioten Sheriden vergisst. Du hast dich viel zu lange von seiner Meinung von dir einschüchtern lassen. Und du musst auch Cecilias gemeinen Streich mit dem rosafarbenen Kleid vergessen. Ich glaube nicht, dass es Lashley überhaupt aufgefallen ist, und Jahre sind seitdem vergangen.“

Claire stöhnte auf. „Das beweist ja, was ich sage. Er hat den peinlichsten Moment meines Lebens nicht einmal bemerkt.“

„Es beweist gar nichts“, widersprach Beatrice. „Höchste Zeit, dass wir alle vergessen. Wir haben uns zu lange erlaubt, selbstmitleidig zu sein. Aber jetzt ist genug. Ich musste erst schwanger werden, um zu erkennen, dass ich mich nicht mit dem Leben abfinden muss, das die gute Gesellschaft mir diktiert. Ich will nicht, dass ihr eine ähnliche Tragödie erlebt, bevor auch euch die Augen aufgehen. Jede von uns kann das Leben leben, das sie sich ersehnt, allerdings nur dann, wenn wir darum kämpfen und füreinander einstehen.“

Sie sah Claire fest in die Augen, und Claire spürte, wie etwas Warmes, lang Vergessenes, langsam tief in ihr zum Leben erwachte – vielleicht der Hauch dessen, was sie einmal gewesen war und was sie hatte sein wollen, bevor alles ganz anders gekommen war.

„Wir beginnen mit dir, Claire. Auf keinen Fall werden wir zulassen, dass Cecilia Northam dir Lashley wegnimmt. Nicht ohne einen Kampf, bei Gott. Wir haben ihr viel zu lange erlaubt, ihren Kopf bei allem durchzusetzen, und ohne guten Grund.“ Beatrice hob ihre Tasse mit dem Apfelsaft wie zu einem Toast. „Hiermit verkünde ich die Gründung des ‚Vereins der vergessenen Mädchen‘. Gemeinsam werden wir uns voller Entschlossenheit daranmachen, uns zu verbessern, in Gesellschaft Mut zu zeigen und uns gegenseitig zu beschützen. Wir werden unsere Lebensumstände verändern, indem wir ein Leben zu unseren eigenen Bedingungen führen. Denn, meine Damen, nichts wird sich ändern, wenn wir nicht dafür Sorge tragen.“

2. KAPITEL

Sie waren es, die sich ändern mussten. Beatrices Worte gingen Claire selbst drei Tage später nicht aus dem Sinn. Sie mussten aufhören, alles hinzunehmen, und für das Leben kämpfen, nach dem sie sich sehnten. Prinzipiell war Claire nicht dagegen. Beatrices feurige Rede hatte sie innerlich beflügelt. Aber musste ausgerechnet sie die Erste sein?

Claire strich unruhig über den seidenweichen Stoff ihres Kleides – das durch Evies Änderungen viel eleganter geworden war – und stieg hinter ihren Eltern die Stufen zu Worth House hinauf, wo sie dinieren würden. Der „Verein der vergessenen Mädchen“ hätte mit einer von ihnen anfangen sollen, deren Erfolg wahrscheinlicher gewesen wäre. Nichts konnte einen so schnell entmutigen wie der Versuch, das Unmögliche zu erreichen. Sie wusste das besser als jeder andere. Sie hatte es einmal versucht. Und genau das war diese Mission – ein Experiment, das zum Scheitern verurteilt war. Jonathon hatte sie drei Jahre lang nicht beachtet, warum sollte er es ausgerechnet jetzt doch noch tun? Oder sonst irgendjemand? Immerhin hatte sie es drei Jahre lang darauf angelegt, nicht beachtet zu werden, damit die Leute sich nicht daran erinnerten, dass sie das Mädchen war, das bei seiner Einführung in die Gesellschaft beim größten Ball der Saison genau das gleiche Ballkleid getragen hatte wie Cecilia Northam.

In der hohen Halle von Worth House mit dem blau geäderten Marmorboden, den breiten, überwölbten Nischen und kostbaren Statuen überall spürte Claire, wie ihre Anspannung den Höhepunkt erreichte. Die Absicht, seine Lebensumstände zu verändern, war ja theoretisch schön und gut, aber die Absicht dann auch in die Tat umzusetzen, war etwas ganz anderes. Ein kleiner Trost war immerhin, dass May heute bei ihr sein würde – gemeinsam mit ihrer Mutter war sie die Gastgeberin des Abends –, aber es half Claire nicht über das Wissen hinweg, dass Jonathon Lashley und seine Eltern ebenfalls anwesend sein würden, ganz zu schweigen von Cecilia Northam und deren Familie.

Natürlich waren noch mehr Gäste geladen worden, jeder sehr wahrscheinlich von vornehmerer Herkunft als die Weltons. Claires Vater war ein bescheidener Mann und zurückhaltend, besaß aber den alten Adelstitel eines Viscounts, und somit wurden er und seine Frau überall gern eingeladen.

Der Butler führte sie in den Salon, und sofort war May an Claires Seite und hakte sich bei ihr unter. Claires Anspannung ließ langsam nach. May und auch Beatrice waren dabei gewesen, als Claire ihren einzigen Verehrer zurückgewiesen hatte und den Zorn ihrer Familie ertragen musste. Und May war auch Zeugin von Cecilias gemeinem Streich gewesen. Ohne May hätte Claire sich wahrscheinlich schon vor Jahren mit ihren Büchern aufs Land zurückgezogen. Wahrscheinlich hätte sie jetzt sechs Sprachen gesprochen und nicht nur vier.

„Du siehst wunderschön aus“, flüsterte May ihr zu und sah selbst in ihrem mitternachtsblauen Seidenkleid hinreißend aus.

„Findest du?“ Claire zupfte verlegen am Mieder ihres Kleides. Erst kürzlich hatte Evie den alten eckigen Ausschnitt in einem moderneren umgewandelt, der die Schultern halb frei ließ und auch sonst viel zu viel entblößte, wie Claire fand. Zu allem Übel war der Stoff unter der Brust geschickt gerüscht, sodass sie sehr viel voller erschien.

May klopfte ihr auf die Finger. „Hör auf, den Stoff hochzuziehen. Der Schnitt ist gut, mehr als gut. Evie hat sich selbst übertroffen.“ Das Kleid sah wirklich sehr viel schöner aus. Claire hatte es kaum wiedererkannt, als Evie damit fertig gewesen war. Es war ganz einfach nur so, dass sie nicht an einen solch gewagten Stil gewöhnt war. Ein solches Kleid passte nicht zu einem Mädchen wie ihr – einem Mädchen ohne Aussichten, das sozusagen mit der Tapete verschmolz. In einem solchen Kleid fiel ein Mädchen auf. Claire war nicht entgangen, dass einige der männlichen Gäste ihr bereits mit den Blicken folgten. Was sie ziemlich unruhig machte. Sie war es nicht gewöhnt, angesehen zu werden – nur übersehen zu werden.

Andererseits lautete der Plan ja gerade, die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Nie wieder sollte sie mit dem Hintergrund verschmelzen, als wäre sie gar nicht da. Und wenn sie anders sein wollte, dann musste sie auch anders aussehen. Sie konnte von Glück sagen, dass es Evie gelungen war, aus einem Teil ihrer insgesamt langweiligen Garderobe ein solch elegantes Kleid zu erschaffen.

Claires Freundinnen hatten sich für ein blaues Kleid entschieden. „Ätherisch“, hatte Evie es genannt. Sie hatte in ihr kleines Notizbuch gekritzelt und wahre Wunder vollbracht. Nachdem sie das Mieder abgeändert hatte, hatte sie breites schokoladenbraunes Ripsband am Saum angebracht und dünnere Seidenbänder am Mieder und den kleinen Puffärmeln – ein eindrucksvoller Kontrast zum Himmelblau, der gleichzeitig Claires cognacbraune Augen betonte.

Claire musste zugeben, dass sie sich auch anders fühlte als sonst – vielleicht mehr als ihr lieb wäre. Aber auch wenn ein Kleid ihre Erscheinung verändern konnte, so doch sicher nicht ihr Wesen, oder? Mutig ließ sie den Blick durch den Saal schweifen und entdeckte Jonathon schon bald – dunkelhaarig und hochgewachsen, stand er am breiten Kamin, der die Wand an der anderen Seite des Saals beherrschte. Er lächelte ungezwungen, während er sich unterhielt. Claire glaubte nicht, ihn je ohne dieses Lächeln gesehen zu haben oder ohne dieses Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte, wo er auch war – die Verkörperung eines Mannes von Welt.

Kein Wunder, dass man ihm einen wichtigen diplomatischen Posten anvertrauen wollte. Er war geistreich, charmant, gebildet, und er war in vieler Hinsicht talentiert – er sang an musikalischen Abenden, konnte fechten, boxen, reiten und schießen. Er war einfach vollkommen, genau wie Da Vincis Universalgenie.

Im Moment unterhielt er sich mit seinem Vater und Lord Belvoir, Cecilias Vater. Cecilia Northam stand an seiner Seite, heute in einem erlesenen rosafarbenen Seidenkleid, die Hand stolz und besitzergreifend auf Jonathons Arm, als würde er bereits ihr gehören. Ihre Blicke begegneten sich. Cecilia musterte abschätzig Claires Ballkleid.

Claire glaubte, noch die verletzenden Worte von damals hören zu können. Mir steht es besser. Viel besser. Du hättest wissen sollen, dass du auf keinen Fall meine Lieblingsfarbe tragen kannst. Seit damals hatte Claire nie wieder Rosa getragen.

Doch dieses Kleid war nicht wie das rosafarbene von damals. Evies blaue Schöpfung ähnelte in nichts dem pinken Seidenkleid, das Cecilia heute trug. Und dennoch spürte Claire, wie ihr Selbstbewusstsein ins Schwanken geriet. „Ich komme mir vor, als hätte man mich den Löwen vorgeworfen“, flüsterte sie May zu.

„Dann sei wie Daniel. Sieh ihnen erhobenen Hauptes in die Augen und lass sie alle wissen, dass du in dieser Saison Ernst machen wirst. Und zwar ab heute Abend.“

Während sie im Saal die Runde machten und hier und da stehen blieben, um mit der einen oder anderen Gruppe von Gästen ein paar Worte zu wechseln, gab Claire sich alle Mühe, gelassen zu wirken. May sagte leise zu ihr: „Cecilia ist nicht die Einzige, die dich bemerkt hat. Sogar Lashley hat ein- oder zweimal zu dir herübergeschaut. Natürlich diskret.“

Natürlich. Jonathon war stets diskret. Zögernd sah Claire zu ihm hinüber, insgeheim erschauernd vor Freude über Mays Worte. Alles an Jonathon zeugte von seinem guten Geschmack, von seiner Kleidung und seinen Manieren bis zu seiner Art, sich zu unterhalten. Wenn er mit jemandem sprach, bekam sein Gegenüber das Gefühl, dass Jonathon ihm wirklich zuhörte. Zumindest hatte Claire diese Erfahrung gemacht bei den wenigen kurzen Gesprächen, die sie mit ihm im Lauf der Jahre geführt hatte. Wenn auch „Gespräch“ nicht wirklich der richtige Begriff war. Eher hatte es sich um ausgedehnte Begrüßungen gehandelt. Im Gegensatz zu anderen Männern, die lediglich höflich waren, wie die Gesellschaft es von ihnen verlangte, bevor sie zu den Frauen weitergingen, für die sich wirklich interessierten, hatte Jonathon sich immer die Zeit genommen, eine Frage zu stellen und sich die Antwort dann auch anzuhören. Claire konnte sich die Anziehungskraft gut vorstellen, die Beatrices Geliebter auf ihre Freundin ausgeübt hatte. Die Fähigkeit, zuhören zu können, wurde sehr unterschätzt.

Sie und May hatten sich gerade von einer Gruppe getrennt und schlenderten zur nächsten, als Claire Jonathons Blick auf sich spürte. Sie sah ihm einen winzigen Moment in die Augen. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen, und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dieses Lächeln sei nur für sie gedacht. Ihr Herz klopfte schneller, und sie sah hastig fort.

Es war eine dumme, unnötige Reaktion. Sie wollte doch seine Aufmerksamkeit erregen, so wie Cecilia Northam es offenbar tat. Claire wollte diejenige sein, die ihre Hand auf seinen Arm legte und ihm in das attraktive, markante Gesicht und die dunkelblauen Augen sehen durfte.

„Komm.“ May zog sie am Arm mit sich. „Lass uns zu ihm und den anderen gehen. Dort sind wir noch nicht gewesen. Und später habe ich Neuigkeiten für dich.“

Claire erstarrte. Die alte Claire gewann die Oberhand über die neue Claire mit ihrem neuen Kleid und der modernen Frisur. Jetzt sollte sie mit Jonathon reden? „Nein, das ist unmöglich. Was soll ich denn sagen?“ Sie war nicht darauf vorbereitet. Außerdem war sie doch eben erst angekommen.

„Wie wäre es mit ‚Guten Abend‘? Er hat dir zugelächelt. Das ist praktisch eine Einladung.“ May lachte. Aber sie hatte gut lachen. Ihr war nicht zumute, als könnte sie keinen Ton herausbringen, wann immer Jonathon in ihrer Nähe war. Andererseits ging es May niemals so. Es war eine ihrer Stärken und gleichzeitig ein Fluch. Wenn Claire sich in all den Jahren zu zurückhaltend benommen hatte, so konnte man von May genau das Gegenteil behaupten.

„Nein“, beharrte Claire. „Noch nicht. Lass uns bis nach dem Dinner warten.“

May lächelte nur, sodass ihr Grübchen in der einen Wange erschien. Ein sehr schlechtes Zeichen, dachte Claire unwohl, und ein beklommenes Gefühl überkam sie. May gab doch sonst nicht so schnell auf.

Minuten später begriff Claire, was gespielt wurde. Sie hatte sich kaum hingesetzt, als sie Jonathons Stimme vernahm. „Miss Welton, es ist mir ein Vergnügen, Sie heute Abend wiederzusehen.“

Sie sah auf und begegnete Jonathons klugen blauen Augen, fast von derselben Farbe wie ihr Kleid. „Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“ Die Worte sprudelten hervor, bevor sie sich dessen bewusst wurde. Viel zu sehr rang sie noch mit der Tatsache, dass er ihr genau gegenübersaß, um darauf zu achten, was sie von sich gab. Die ganze Zeit, während sie zu Tisch saßen, würde sie ihn nach Herzenslust betrachten dürfen.

Aber welche Dame würde je solche kühnen Worte aussprechen? Noch dazu bei einem vornehmen Dinner. Kein Wunder, dass Jonathon amüsiert lächelte. Das kam davon, wenn man wagte, ein solches Kleid zu tragen – man wurde ebenso kühn wie dessen Ausschnitt. Claire senkte schnell den Blick und beschäftigte sich mit ihrer Serviette, um sich von ihrem Fauxpas abzulenken. Man sollte meinen, dass sie sich inzwischen daran gewöhnt hätte, ihn anzusehen. Immerhin tat sie es schon fast ihr ganzes Leben. Aber dennoch bekam sie nie genug von seinem Anblick und war sich jeder seiner Züge nur allzu bewusst – seines eleganten Kinns, seiner sinnlichen Lippen. Besonders seiner Lippen. Sie unterdrückte ein Stöhnen. Das waren recht unziemliche Gedanken, wenn man sich mitten in einer Dinnergesellschaft befand.

Sie warf May, die einige Stühle weiter entfernt saß, einen verärgerten Blick zu. Ihre kleine Intrigantin von Freundin hatte natürlich selbst die Tischordnung so arrangiert. Nun, daran ließ sich jetzt nichts ändern. Ihre Rache musste bis später warten. Insgeheim fürchtete sie, dass May noch mehr geplant haben könnte, um Claire in Jonathons Fokus zu rücken. Es sähe ihr jedenfalls ähnlich. Der Gedanke war aufregend und gleichzeitig beunruhigend. Claire wünschte, May hätte sie in ihre Pläne eingeweiht. Nein, eigentlich doch nicht. Wenn sie es vorher gewusst hätte, wäre sie nur noch aufgeregter gewesen. Jetzt blieb ihr nichts weiter übrig, als wachsam zu bleiben und ihre Chance zu nutzen.

Allerdings war sie im Augenblick zu kaum mehr fähig, als sich an Jonathon sattzusehen, während ihnen der erste Gang serviert wurde. Eine ganz besonders faszinierende Locke seines Haars schien sich nicht zügeln zu lassen. Claire vertiefte sich so in seinen Anblick, dass sie kaum darauf achtete, was er zu ihr sagte.

Sie schnappte nur ein Wort auf und zuckte insgeheim zusammen. Ohne zu überlegen, erwiderte sie: „Sie meinen ‚bonschu‘. Die Franzosen betonen das R am Ende von ‚bonjour‘ nicht so stark.“

Jonathon musterte sie eingehend, ein freundliches Lächeln um die Lippen, als hätte sie ihn nicht eben recht unhöflich unterbrochen und darüber hinaus verbessert. Entsetzt hielt Claire den Atem an. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Doch dann stieß May sie unter dem Tisch gegen das Schienbein, um sie recht schmerzhaft daran zu erinnern, dass sie nie wieder vor der Welt zurückschrecken wollte. Nicht in Evies Kleid, nicht mit Beatrices Frisur und nicht, nachdem May alles getan hatte, um diese Situation überhaupt möglich zu machen.

Heute Abend vertrat sie auch ihre Freundinnen. Claire wusste, sie musste tapfer sein. Aber es war wirklich nicht leicht, lieber Himmel, nachdem sie Jonathon Lashley, einen zukünftigen Diplomaten, korrigiert hatte. Noch dazu in aller Öffentlichkeit. An der Dinnertafel in Gegenwart weiterer achtzehn Gäste. Gewiss hatte sie so seine Aufmerksamkeit erregt, wenn auch vielleicht nicht auf die beste Art und Weise. Lieber Gott, die Leute begannen, sie anzustarren.

„‚Bonschu‘“, verbesserte sich Jonathon ungerührt. Man zerstreute unerwünschtes Interesse am besten, indem man so tat, als wäre nichts Besonderes geschehen. „Ich weiß die Gelegenheit zu schätzen, mich zu verbessern.“ Aber warum hatte sie es getan? Noch dazu an der Dinnertafel. Nachdenklich betrachtete er die Frau ihm gegenüber.

Miss Welton besaß jetzt seine ganze Aufmerksamkeit, während sie davor vor allem ihrem Kleid gegolten hatte. Das Kleid war ihm aufgefallen, sobald Claire hereingekommen war, doch jetzt fiel auch sie ihm auf. Was an sich schon seltsam war. Bisher war sie nie besonders auffallend gewesen. Selbstverständlich kannte er sie. Sie war eine Freundin von Prestons Schwester und auf dem Land eine Nachbarin der Worths. Einige Jahre waren schon vergangen, seit sie in die Gesellschaft eingeführt worden war, und so waren sie sich natürlich hier und da bei diversen Londoner Bällen und Abendveranstaltungen begegnet. Sie hatte ihm immer den Eindruck vermittelt, dass sie nicht bemerkt werden wollte. Also hatte er sie nicht bemerkt. Nicht richtig. Bis heute.

Heute war sie anders. Ihr Auftritt in diesem hinreißenden blauen Kleid war dezent, aber dennoch außergewöhnlich. Wahrscheinlich kannten die Damen einen ausgefalleneren Ausdruck für dieses Blau, aber ihn erinnerte es an einen englischen Sommerhimmel, und an ihr sah es hinreißend aus, wenn dieser besondere Blauton allerdings, ebenso wenig wie der Schnitt des Kleides, zu einer Dame passen wollte, die nicht auffallen wollte. Vielleicht deutete Miss Welton ja damit an, dass sie entschlossen war, in dieser Saison einen Gatten für sich zu angeln? Oder vielleicht hatte sie bereits einen? Nach seiner Erfahrung achtete eine Dame darauf, wie sie sich kleidete, wenn es einen Mann gab, den sie damit beeindrucken wollte.

Was eine Dame allerdings nicht tat, war, einen Mann zu verbessern. Und doch hatte Miss Welton genau das getan und damit alle Blicke auf sich gezogen. Insgeheim gratulierte er ihr zu ihrer Kühnheit. Miss Welton hatte offenbar entschieden, aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen. Wenn ihm auch lieber gewesen wäre, sie hätte es nicht mit einem Kommentar über sein Französisch getan. Nun, die eigentliche Schuld traf natürlich nicht sie. Schließlich konnte sie nicht ahnen, wie empfindlich er zurzeit in dieser Hinsicht war. Die Franzosen sprachen tatsächlich nicht jeden Buchstaben in ihren Wörtern aus, was ihn leider nicht davon abhielt, es dennoch zu tun – und noch dazu völlig falsch. Was ihn störte, denn er war es nicht gewohnt, irgendetwas falsch zu machen.

Cecilia, die Dame an seiner Seite, lächelte eher frostig, ein Zeichen dafür, dass sie nicht ganz so nachsichtig war wie er. Sie beugte sich leicht zu ihm, als sollte nur er ihre Worte hören. Doch sie sprach laut genug, um von jedem am Tisch leicht verstanden werden zu können. Was zweifellos ihre Absicht war. „Ich wusste gar nicht, dass wir eine Franzosenfreundin unter uns haben, Lashley.“

Jonathon runzelte die Stirn. Wieder hefteten sich alle Blicke auf die junge Frau. Das war keine freundliche Bemerkung. Abgesehen davon, dass er es nicht nötig hatte, von Cecilia verteidigt zu werden, sah er keinen Grund, weswegen sie Miss Welton derart angreifen musste. Sie eine Franzosenfreundin zu nennen, war das Unhöflichste, was Cecilia hätte sagen können, ohne offen feindselig zu wirken, und Miss Welton wusste es natürlich. So wie jeder andere Gast auch. Alle hatten aufgehört zu essen, die Blicke fasziniert in ihre Richtung gewandt. Der Krieg mochte ja seit sieben Jahren vorbei sein, doch eine Vorliebe für etwas Französisches zu zeigen, was es auch sei, war noch immer nicht gern gesehen.

Jonathon schaute Miss Welton eindringlich an, als könnte er ihr so etwas Stärke vermitteln. Er sah an der Art, wie sie die Finger um den Stiel ihres Weinglases schloss, dass sie kurz davor war, sich betreten zurückzuziehen.

Wagen Sie es nicht, sich zu entschuldigen, Miss Welton. Ich habe einen Fehler gemacht, und Sie haben mich darauf hingewiesen. Sie haben nichts falsch gemacht.

Wenn sich jemand entschuldigen musste, dann Cecilia. Ihre Worte waren völlig inakzeptabel gewesen, und es missfiel ihm, wenn jemand angefeindet wurde – ganz besonders eine Frau, die sich den heutigen Abend ausgesucht hatte, um aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen.

Zu seinem Entzücken straffte Miss Welton die Schultern und sah Cecilia direkt in die Augen. „Französisch ist die Sprache der Diplomatie auf dem Kontinent, Miss Northam. Man muss kein Franzosenfreund sein, um einzusehen, wie wichtig es ist, in dieser Sprache bewandert zu sein.“ Sie brachte ein gelassenes Lächeln zustande, als wollte sie zu verstehen geben, dass nichts sie dazu bringen würde, sich wegen ihres Wissens zu schämen. Jonathon hätte ihr am liebsten applaudiert.

„Sie haben großes Glück, diese Sprache so gut zu beherrschen.“ Er lächelte und wusste sehr gut, dass er sich mit seiner Unterstützung klar und deutlich gegen Cecilia stellte. Was sie nicht erfreuen dürfte.

Auf seiner anderen Seite meldete sich jetzt May Worth zu Wort. „Miss Welton spricht fließend Französisch, ebenso wie drei weitere Sprachen.“

Jonathon hob interessiert die dunklen Brauen und versuchte, nicht allzu fasziniert in ihre cognacfarbenen Augen zu blicken oder gar auf den Ansatz ihrer Brüste. Ihr Mieder war nicht tiefer ausgeschnitten als das jeder anderen anwesenden Dame, aber aus irgendeinem Grund fand er ihres unvergleichlich verführerischer. „Ist das wahr, Miss Welton? Ich wusste nicht, dass Sie über solch erstaunliche Sprachkenntnisse verfügen.“

Er beneidete sie darum, was jeden hier am Tisch gewiss erstaunen würde. Wenn er ihre Kenntnisse gehabt hätte, hätte es viele seiner Probleme gelöst. Wenn er Französisch sprechen könnte, wäre ihm der Posten in Wien endgültig sicher, und den wollte er aus persönlichen Gründen unbedingt bekommen. Leider war es ihm bisher und seit er aus Waterloo heimgekehrt war, nicht gelungen. Trotz unzähliger Lehrer und obwohl er die Sprache ohne Probleme lesen und schreiben konnte, war er nicht dazu in der Lage, sie richtig auszusprechen.

Ein Lakai servierte ihm eine wunderschön angerichtete Platte mit Boeuf Bourguignon. Na herrlich. Ein französisches Gericht. Jetzt verspottete sogar das Essen ihn. Und danach würde er sich auch noch einer gewiss wütenden Cecilia stellen müssen – der hübschen, launenhaften Cecilia, die angeblich die ideale Gattin für ihn abgeben würde. Man erwartete von ihm, dass er am Ende der Saison um sie anhielt. Sie war eine weitere Station auf dem Weg zu seinem wichtigen Posten in Wien und der Inbegriff englischer Schönheit, wie die Franzosen es sich vorstellten. Und er war bereit, sie zu heiraten, wenn es nötig war, ebenso wie er auch Französisch lernen würde. Das waren lediglich die letzten zwei Hindernisse, die er noch überwinden musste. Er war es seinem Bruder schuldig. Er würde dazu beitragen, dass noch zu seinen Lebzeiten der Frieden gesichert sein würde und niemand mehr zu sterben brauchte.

Jonathon warf Miss Welton noch einen letzten Blick zu, den sie flüchtig erwiderte, bevor sie sich dem Mann an ihrer Seite widmete. Welche Sprachen beherrschte sie außerdem noch und warum? Hatte sie vor, sie auch anzuwenden, oder waren sie ihr sonst auf eine Weise nützlich? Cecilia zupfte an seinem Ärmel, da er zu viel Zeit hatte verstreichen lassen, ohne sich mit ihr zu beschäftigen. Doch bevor er sich ihr zuwandte, sah er Miss Welton mit ihrem schönen Mund ein einziges Wort formen: Merci. Kein Zweifel, seine Neugier war geweckt, wenn es sich auch ganz und gar nicht gehörte.

3. KAPITEL

Sag schon! Was für Neuigkeiten hast du?“ Claires Neugier war kaum auszuhalten, als sie und May sich endlich in der Kutsche der Worths auf den Weg zu Lady Stamfords Ball aufmachten. Mays Eltern befanden sich mit der übrigen Familie in der Stadtkutsche. Sich zu gedulden, bis sie allein waren, ging fast über Claires Kräfte, besonders da sie sicher war, dass es um Jonathon ging und May es immer schaffte, die interessantesten Dinge zu erfahren.

May zwinkerte ihr zu. „Lashleys Französischlehrer hat ihn verlassen. Keiner weiß, aus welchem Grund, aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass er jetzt keinen mehr hat, der ihn unterrichten könnte.“

Enttäuscht stieß Claire den Atem aus, den sie unbewusst angehalten hatte. „Ist er nicht ein wenig zu alt, um einen Lehrer zu haben?“ Warum wollte er überhaupt Französisch lernen? Mit seinen achtundzwanzig Jahren hatte er die Universität bereits seit Langem hinter sich und war in allem, was er tat, vollkommen. Doch dann runzelte sie die Stirn. Auf der letzten Dinnerparty war er nicht vollkommen gewesen. Sein Französisch war erbärmlich. Und obwohl sein Lehrer aus Paris kam, schien er in seinem Beruf nicht sehr erfolgreich zu sein.

May lehnte sich in die weichen Polster zurück, ein selbstgefälliges Lächeln spielte um ihre Lippen. „Ich bin noch nicht fertig. Während Evie fleißig dein Kleid umgeändert hat, war ich auch fleißig. Jonathon Lashley kann kein Französisch sprechen, und wenn sein Leben davon abhinge. Und das meine ich wörtlich. Preston sagt, man hat Lashley ein Ultimatum gestellt: Entweder er lernt bis August, sich einigermaßen anständig auf Französisch zu unterhalten, oder er verliert seinen diplomatischen Posten.“

Entsetzt sah Claire ihre Freundin an. Das wurde ja immer schlimmer. Sie hatte ihn also nicht nur in Anwesenheit so vieler Menschen verbessert, sondern auch in einer Sache, die ihn sehr schmerzen musste. Lieber Himmel, gewiss verabscheute er sie jetzt. Und trotzdem hatte er sie nicht mit einer grausamen Bemerkung zum Schweigen gebracht, selbst als er dank Cecilia die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Stattdessen hatte er sich mit Worten und freundlichen Blicken für sie eingesetzt. Vielleicht würde sie heute Nacht davon träumen. Sie hoffte es sehr. Sie wollte sich daran erinnern, wie er sie über den Tisch hinweg angelächelt hatte, und an jedes seiner Worte. Fast hätte man es als ein richtiges Gespräch bezeichnen können. Da war jener Moment gewesen, als er sich Cecilia zugewandt hatte, Claire aber irgendwie glaubte, er hätte gern noch etwas gesagt, sie etwas gefragt. Sie seufzte wehmütig. Wie gern wollte sie glauben, wenn auch nur für einen Augenblick, dass sie Jonathon Lashley verzaubert hatte …

Ungeduldig schnippte May mit den Fingern und holte Claire damit in die Gegenwart zurück. Offenbar hatte sie ihrer Fantasie zu sehr die Zügel schießen lassen. „Muss ich es dir denn noch deutlicher machen? Spring in die Bresche, Claire! Sei seine Heldin in dieser schwierigen Stunde. Lehre ihn Französisch, sichere ihm seinen Posten in Wien.“ Ihre Augen funkelten vor Tatendrang. „Wer weiß, ob er dir nicht noch ewig dankbar sein wird.“

Das konnte sie wirklich tun. Oder vielmehr, das Mädchen im himmlischen blauen Kleid konnte das tun. Claire richtete sich abrupt auf. Bei den vielen Möglichkeiten, die sich vor ihr eröffneten, begann ihr, ein wenig schwindlig zu werden. Mays Vorschlag war genial – die vielen Stunden, die sie ganz allein zusammen verbringen würden, und noch dazu der anregende Gegenstand ihres Unterrichts. Nicht ohne Grund hieß es, dass Französisch die Sprache der Liebe sei.

Nachdenklich nagte sie auf ihrer Unterlippe. „Da ist nur ein Problem. Wie kriege ich ihn dazu, zu mir zu kommen?“ Er brauchte ja nicht ausgerechnet sie, sondern einfach jemanden, der Französisch sprechen konnte. „Nichts garantiert uns, dass er mich aufsucht.“ Oder dass sie ihn erfolgreich unterrichten würde. Warum sollte ihr gelingen, was einem echten Franzosen nicht gelungen war? Aber diesen Zweifel behielt sie lieber für sich.

May blieb unverzagt. „Nachdem wir beim Dinner die Samen gesät haben? Mehr brauchen wir vielleicht gar nicht zu tun. Hast du bemerkt, wie er dich angesehen hat, als ich deine vier Sprachen erwähnte? Es war, als sähe er dich plötzlich mit anderen Augen. Seine Zeit läuft aus. Er braucht jemanden, und zwar sofort. Er ist verzweifelt, Claire.“ Genau wie ich.

Verzweifelt? Claire fuhr leicht zusammen. Das war nicht unbedingt die beste Empfehlung. Ihr wäre es lieber gewesen, er würde zu ihr kommen, weil er sie respektierte, nicht aus Verzweiflung. Aber sie war schließlich auch verzweifelt und konnte ihn deswegen sehr gut verstehen. Sie wusste besser als die meisten, dass Leute in ihrer Lage nicht wählerisch sein durften. „Wir verlassen uns ein wenig zu sehr darauf, dass er schon irgendwie zu mir finden wird“, warnte sie May.

Ungeduldig zuckte May mit den Schultern. „Dann schreib ihm einen Brief. Hilf ihm, zu dir zu finden. Was hast du schon zu verlieren? Sag ihm, du hättest von seiner Situation gehört, und wärst froh, ihm zu helfen. Er wird dich nicht bloßstellen, weil es auch für ihn zu peinlich wäre. Ein Skandal ist das Letzte, was er sich im Moment leisten kann. Wenn wir Glück haben, nimmt er dein Angebot an, und wenn nicht, wird er nur höflich ablehnen. In beiden Fällen wirst du nicht schlimmer dastehen.“

Was im Grunde bedeutete, sie stand bereits so schlimm da, dass sie nichts zu verlieren hatte. Für Lashley galt das aber nicht. Claire wurde klar, dass Jonathon nur dann besser dastehen würde, wenn er auf ihr Angebot einging. Wenn nicht, riskierte er sogar, etwas zu verlieren, das ihm teuer war.

Von allen Dingen, die sie gehofft hatte, einmal mit Jonathon Lashley gemein zu haben, musste es ausgerechnet ihre Verzweiflung sein.

„Jonathon, ich bin verzweifelt, vollkommen verzweifelt. Als du das letzte Mal bei einem Empfang Französisch gesprochen hast, hättest du fast einen Krieg verursacht!“ Hinter seinem Schreibtisch in einem der Regierungsgebäude von Whitehall sitzend, warf Sir Owen Danvers, Leiter des diplomatischen Korps für alle Belange in Zentraleuropa, Jonathon einen aufgebrachten Blick zu.

„Ich sprach ein Adjektiv falsch aus“, stellte Jonathon klar. Das war zwei Wochen her, und er war es müde, darüber zu reden oder auch nur daran zu denken. Eine weitere Erinnerung an alles, was jetzt anders war.

„Und verursachtest beinahe einen Krieg!“, wiederholte Danvers entschieden. „Das scheint dir nicht bewusst zu sein.“ Er senkte die Stimme. „Ich brauche dich in Wien. Du bist der richtige Mann für die Arbeit dort. Und dennoch hast du den französischen Gesandten beleidigt.“

Er hatte das Wort beaucoup benutzen wollen, das ganz harmlos einfach nur „viel“ bedeutete. Als er es aussprach, kam leider beau cul heraus. Selbstverständlich ohne jede Absicht, hatte er dem Gesandten mitgeteilt, er habe ein schönes Hinterteil. Im Grunde verlieh man diesem einzelnen Zwischenfall viel zu viel Gewicht. Es war ja schlussendlich nicht zu einem Krieg gekommen, und da erschien es ihm recht kleinlich, so penetrant auf seinem Fehlverhalten herumzureiten.

Jonathon strich sich mit der Hand durchs Haar und atmete aus. Er selbst zog vor zu denken, dass ein möglicher Krieg verhindert worden war und nicht fast begonnen hatte. Allerdings hatte er schon immer zu den Menschen gehört, die die Dinge von der positiven Seite betrachteten. Danvers offenbar nicht. Wie sehr Jonathon jedoch auch versuchte, die Sache abzutun, er konnte nicht leugnen, dass ihm ein solcher Fehler vor sieben Jahren nicht unterlaufen wäre.

„Du musst meine Lage verstehen“, fuhr Danvers fort. „Du bist ein brillanter Kopf, wenn es darum geht, die Nuancen des Ottomanischen Reiches und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zu begreifen. Du erfasst das empfindliche Gleichgewicht dort wie kein anderer. Du kannst Französisch mühelos lesen, weswegen du ideal bist, wenn es darum geht, Dokumente zu übersetzen und Korrespondenz zu lesen. Du kannst es im Notfall auch schreiben, was die geringste meiner Sorgen ist. Aber du kannst es ums Verrecken nicht sprechen. Nicht mehr. Es gab einmal eine Zeit, da war dein Französisch, verdammt noch mal, fließend.“

Das war das Problem. Vor dem Vorfall hatte er fließend Französisch gesprochen – bevor sein Bruder Thomas verschwunden war. Damals war irgendetwas mit seinem Gehirn geschehen. Jonathon erhob sich und trat an das hohe Fenster, das den Blick auf die Themse freigab. Danvers’ Büro befand sich nicht irgendwo im finsteren Inneren von Whitehall, denn es gehörte einem Mann, der in England großen Einfluss besaß, und sogar weit über England hinaus. Jonathon konnte sich vorstellen, dass Owen Danvers viele düstere Geheimnisse kannte.

Heute kümmerte ihn nur eine Sache: Owen Danvers hatte die Macht, ihn zu zerstören, selbst wenn er ein alter Schulfreund war. Seine Versetzung nach Wien hing von Danvers’ Empfehlung ab. Jonathon schenkte sich aus der Kristallkaraffe auf einer Anrichte neben dem Fenster ein Glas Brandy ein. „Du weißt, was dieser Posten für mich bedeutet, Owen“, sagte er leise, ohne sich zu seinem alten Freund umzublicken. Er nahm scheinbar gelassen einen Schluck. Der Posten bedeutete ihm alles. Er würde den Verlust seines Bruders mit dem Bemühen um Frieden rächen. Er könnte dem Opfer, das sein Bruder bei Waterloo gebracht hatte, einen Sinn geben. Er könnte der Welt beweisen, dass er mehr war als der Sohn eines Viscounts, mehr als ein Mann, dessen Wert nach seiner Herkunft und seinem Vermögen gemessen wurde.

„Verdammt, natürlich weiß ich das, Jonathon. Ich hätte dich schon längst deiner Wege geschickt, wenn ich nicht wüsste, wie hart du dafür gearbeitet hast und wie sehr du es willst.“ Owen Danvers seufzte. Er war zwei Jahre älter als Jonathon und dennoch war Jonathon ihm damals als Sohn eines Viscounts voraus gewesen, da Owen lediglich der Sohn eines bescheidenen Baronets war und sehr viel mehr hatte kämpfen müssen, um an die Spitze zu kommen. Und jetzt hatte Owen es geschafft, war an der Spitze und hatte, was Jonathon wollte.

„Wollen“ schien ihm ein so unzureichendes Wort zu sein. Er wollte es so sehr, dass er bereit war, sein ganzes Leben nach diesem Ziel auszurichten, ja, sogar dafür zu heiraten. Lord Belvoir, Cecilias Vater, war ein wichtiger Mann im Parlament und hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er ihn unterstützen würde, wenn Jonathon im Ausgleich dafür seine Tochter zur Frau nahm. Er hatte ebenfalls keinen Zweifel daran gelassen, dass auch das Gegenteil geschehen könnte. Falls Jonathon beschließen sollte, Cecilia doch nicht zu heiraten, würde er diese Unterstützung verlieren. Was Cecilia sich wünschte, das bekam sie auch. In der vergangenen Saison hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, die zukünftige Lady Oakdale zu werden, und sich seitdem in den Gedanken verbissen. Nun, irgendwann musste er schließlich heiraten, da konnte seine Wahl ebenso gut auf sie fallen.

Owen legte ihm eine Hand auf sie Schulter. „Er fehlt uns allen“, sagte er leise. „Thomas war ein tapferer Mann. Er starb im Dienst für sein Vaterland, edel und aufopfernd. Es ist viel Zeit seitdem vergangen, aber manchmal glaube ich, ich höre sein Lachen. Ich drehe mich im Klub um und rechne damit, ihn zu sehen, aber er ist nicht da.“

„Ich weiß. Ich auch.“ Jonathon hielt inne, um sich zu sammeln. „Glaubst du wirklich, er ist tot?“, fragte er kaum hörbar. Nach all dieser Zeit fanden zu viele Leute, dass es lächerlich von ihm war, noch immer an einer so aberwitzigen Hoffnung festzuhalten. Also äußerte er diesen Gedanken nur vor einigen auserwählten Freunden. Es hatte keine Leiche gegeben. Thomas war ganz einfach verschwunden.

Owen lachte nicht und versuchte auch nicht, ihm den Gedanken auszureden. „Es ist sehr lange her, Jonathon.“

Oh ja, sehr lange. Er hatte sieben Jahre Zeit gehabt, sich damit abzufinden, dass Thomas für immer fort war, und dennoch hatte er das ebenso wenig gemeistert wie sein Französisch. Und vielleicht würde es ihm auch niemals gelingen. „Er war einfach zu verdammt jung“, stieß er hervor, unfähig, den Schmerz zu unterdrücken. „Er hatte kaum seinen zwanzigsten Geburtstag hinter sich, kaum die Zeit, erwachsen zu werden.“

„Er hat sein Leben für uns geopfert.“ Owen räusperte sich. „Wir können dafür sorgen, dass sein Tod nicht umsonst war. Jonathon, ich brauche dich in Wien. Was muss ich dafür tun?“ Owen hielt inne. „Machst du denn Fortschritte?“, fragte er behutsam, freundlich.

„Ich brauche Zeit.“ Wenn auch selbst sieben Jahre nicht genug gewesen waren. Er versuchte, nicht an das Debakel vom gestrigen Abend zu denken. „Ich muss nur einen neuen Lehrer finden und den Unterricht fortsetzen“, sagte er so selbstbewusst, wie er nur konnte. Es war großes Pech, dass sein Lehrer ausgerechnet jetzt wegen eines Notfalls in der Familie nach Paris hatte abreisen müssen, aber vielleicht war das ja nicht so schlimm. Plötzlich musste er an ein Paar kluger brauner Augen denken und an eine höfliche Stimme. Die Franzosen betonen das R am Ende von ‚bonjour‘ nicht so stark. Vielleicht ließ sein Problem sich gar nicht durch weiteren Unterricht aus der Welt schaffen. Dennoch musste er es versuchen. Thomas zuliebe.

„Wir müssen den Posten besetzen, bevor die Saison vorüber ist, Jonathon. Elliot Wisefield platzt schon vor Ungeduld, so sehr drängt er auf deine Stelle, solltest du ausfallen, und wir brauchen bis Neujahr Ersatz für Lord Wareborne in Wien. Ich habe gute Männer dort drüben, wie zum Beispiel Viscount St Just, Matheson und Truesdale, aber Zentraleuropa ist kurz davor zu explodieren.“

Oder zusammenzubrechen, je nachdem, wie man es betrachtete. Aber sie wollten Wisefield schicken? Der Name ließ Jonathon schaudern. Sie waren schon in der Schule Rivalen gewesen, so wie er und Owen Freunde. Wie passend, dass sie auch jetzt um denselben diplomatischen Posten wetteiferten. Aber wie konnte Owen, wie konnte irgendjemand Wisefield auch nur in Betracht ziehen? Er mochte ja gerissen sein, über enzyklopädisches Wissen verfügen, wenn es um Geschichte ging, aber er besaß keinen Hauch von Feingefühl.

Jonathon protestiere jedoch nicht. Es gehörte sich nicht, einen Konkurrenten schlechtzumachen. Stattdessen musste er zuversichtlich bleiben. Owen Danvers sollte nicht denken, dass er bettelte. Schwäche überzeugte niemanden, nicht einmal einen guten Freund.

Ein selbstsicheres Lächeln um die Lippen, drehte Jonathon sich zu Owen um, das Lächeln, das er immer aufsetzte, wenn er allzu ängstliche Damen beruhigen wollte. „Das Ende der Saison passt gut. Danke, Owen.“

Danvers’ Miene wies zum ersten Mal so etwas wie Sorge auf, als er jetzt die Hand seines Freundes nahm und fest schüttelte. „Lass es mich dir noch einmal sagen: Ich will dich dort haben, Jonathon. Die Phanarioten erheben sich, die Griechen verlangen einen unabhängigen Staat. Die nächsten Jahre drohen, sehr unbeständig zu werden. Das Wiener Abkommen wird infrage gestellt werden. Und ob es gehalten wird oder nicht, wird von den Männern abhängen, die wir nach Wien schicken.“

„Das Abkommen muss gehalten werden. Es muss.“ Jonathon überlegte bereits fieberhaft, in welche Richtung geplant werden musste. Die Phanarioten, einflussreiche Griechen in Konstantinopel, glaubten, die Russen könnten ihnen bei ihrem Aufstand gegen das Osmanische Reich helfen, doch Russland wagte es nicht, sich ohne Frankreich und Großbritannien zu rühren. Das Osmanische Reich war schwach, doch war jetzt der richtige Zeitpunkt, es zu zerschlagen? Hunderte von Fragen regten sich, doch keine würde von Bedeutung sein, wenn er nicht endlich diese letzte Bedingung erfüllte.

„Weißt du schon, wer dich weiter unterrichten könnte?“, fragte Danvers.

„Ja, natürlich“, antwortete Jonathon mit einer Sicherheit, die er ganz und gar nicht empfand. Wieder dachte er an die braunen Augen und das hübsche blaue Kleid, das einen besonders reizenden Busen zur Geltung gebracht hatte. Es war Wahnsinn. Er kannte sie kaum, und jetzt machte er seine gesamte Zukunft von ihrer Hilfe abhängig. Miss Welton, Viscount Stanhopes Tochter, May Worths Freundin aus Sussex. Wie hieß sie noch gleich? Clarice, Clara, Clarinda, Catherine? Kein Name schien richtig zu sein. Claire. Das war es. Aber würde sie es für ihn tun? Konnte sie es überhaupt? War ihr Französisch wirklich so makellos, wie May angedeutet hatte? Er konnte es sich nicht leisten, sich mit Mittelmäßigkeit abzufinden. Er brauchte Vorzüglichkeit, und er brauchte sie schnell.

Hastig fasste er einen Plan, und der begann mit Blumen. Jonathon verließ Whitehall eilenden Schrittes und hielt auf den nächsten Blumenhändler zu. Obwohl er sich klarmachte, dass sein Verhalten an Verzweiflung grenzte, war er plötzlich voller Elan. Er erhoffte sich nicht wenig von einer Frau, deren Vorname ihm nur mit Mühe wieder eingefallen war.

„Mr. Jonathon Lashley wünscht Sie zu sprechen, Miss Welton.“

Die Ankündigung des Butlers ließ Claire unwillkürlich erschauern vor Erregung. Wie oft hatte sie sich vorgestellt, genau diese Worte zu vernehmen? Wie oft hatte sie von diesem Moment geträumt – dass Jonathon Lashley sie zu sehen wünschte? Dann zwang sie sich, nicht zu vergessen, weswegen er zu ihr kam. Denn in keinem ihrer Träume hatte er sie aufgesucht, um sich von ihr Französisch beibringen zu lassen. Wie es aussah, schien Mays Plan aufzugehen. Eigentlich hätte Claire außer sich sein müssen vor Entzücken, warum kam sie sich also ein wenig wie eine Betrügerin vor? Weil sie ihr Französisch benutzt hatte, wie man Käse in der Mausefalle benutzte, um eine Maus zu fangen?

„Bitten Sie ihn herein, Marsden“, sagte ihre Mutter sofort und hob die dünnen Augenbrauen. „Interessant.“

So sehr auch wieder nicht, wie Claire fand. Sie wusste schließlich genau, aus welchen Grund Jonathon hier war. Er hatte den Zeitpunkt seines Besuchs bewusst gewählt, um sich einer gewissen Ungestörtheit sicher zu sein. Die Zeit für einen Nachmittagsbesuch war fast vorbei, der Salon bei ihnen im Stanhope House war leer, da die letzten Besucher sich vor zehn Minuten verabschiedet hatten. Und es bestand nicht die Gefahr, dass noch irgendjemand kommen könnte. War es ihm so peinlich, bei ihr gesehen zu werden? Der Gedanke versetzte ihr einen Stich.

Claire und ihre Mutter erhoben sich, als Jonathon den Raum betrat und sich verbeugte. „Guten Tag, Lady Stanhope, Miss Welton. Ich hoffe, ich habe mich nicht verspätet?“ Er überreichte Claire einen Blumenstrauß aus frischen weißen Schneeglöckchen und buttergelben Rosen.

„Danke. Sie sind sehr schön.“ Sie nahm den Strauß entgegen. Seine Geste rührte sie, obwohl es völlig unvernünftig von ihr war. Es bedeutete nichts, sondern war reine Höflichkeit. Verlegen gab sie Marsden ein Zeichen, eine Vase zu bringen. „Möchten Sie eine Tasse Tee?“ Claire wies auf die Teekanne und die fantasievoll auf hübschen Tabletts angerichteten Kuchen.

„Ich habe eine Bitte an Sie“, begann Jonathon, sobald sie mit Tee und Kuchen Platz genommen hatten. Er balancierte seinen Teller auf einem Knie, die Finger fest um den zarten Henkel seiner Tasse geschlossen. Jetzt wurde es spannend. Claire betrachtete ihn aufmerksam. Wenn es nicht völlig unwahrscheinlich gewesen wäre, hätte sie sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass der so weltgewandte Jonathon Lashley aufgeregt war. Unmöglich. Allerdings hatte sie ja bereits feststellen können, dass er nicht so vollkommen war, wie sie geglaubt hatte. Wenn er Großmutter Highthornes Wedgwood-Porzellan noch etwas fester drückte, würde es wahrscheinlich zerbrechen.

Sie selbst hatte das Gefühl, gleich zerbersten zu müssen unter seinem intensiven Blick. Während er sprach, sah er sie so eindringlich an, dass ihr Puls zu rasen begann. Bisher hatte er noch nie so viele Worte auf einmal an sie gerichtet. Wenn sie etwas in der Hand gehalten hätte, hätte sie auch versucht, sich daran festzuhalten. Jetzt versuchte sie, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Ich brauche jemanden, der mich in französischer Konversation unterrichtet. Gestern Abend erwähnten Sie, dass Sie sich in der Sprache auskennen, Miss Welton.“ Er sah jetzt zu ihrer Mutter hinüber. „Wenn Sie es mir erlauben würden, wäre ich froh, könnte ich für die Dauer der Saison die Hilfe Ihrer Tochter beanspruchen.“

Er war gerade zu seiner Bitte gekommen, als es geschah. Ein leises Knirschen war zu hören, und Jonathons Teetasse brach entzwei, fiel auf den Teppich und der Tee ergoss sich über seiner hellbraunen Reithose. „Teufel! Das ist heiß!“ Er sprang sofort auf und schaute sich nach einer Serviette um, doch Claire war schneller.

„Oh, das tut mir leid! Erlauben Sie mir!“ Sie wischte hastig mit ihrer Serviette über die nasse Stelle. In diesem Moment dachte sie nur an das heiße Wasser, und dass es ihm wehtun musste. „Geht es Ihnen gut? Sie haben sich doch nicht verbrüht, oder?“ Sie presste den Stoff auf seinen Oberschenkel.

Plötzlich lag seine Hand auf ihrer und hielt sie fest. Seine Stimme klang kühl. „Es geht mir gut. Das trocknet gewiss rasch wieder. Vielen Dank, Miss Welton, für Ihre … äh … prompte Unterstützung. Ich denke, jetzt kann ich es selbst übernehmen.“

Claire setzte sich wieder in ihren Sessel und sah ihm zu, wie er den Tee abtupfte. Erst jetzt überkam sie tiefe, heiße Scham über das, was sie eben getan hatte. Sie spürte, wie sie errötete. Nur ein wenig weiter rechts, und sie hätte … lieber Himmel! Fast hätte sie den zukünftigen Viscount Oakdale begrapscht, und das auch noch in Anwesenheit ihrer Mutter!

„Ich bitte tausendmal um Vergebung, Lady Stanhope, für meine Ausdrucksweise und für die Tasse. Ich hoffe, es war kein Erbstück.“ Lashley blieb stehen, während er sich entschuldigte, und tat sein Bestes, den dunklen, nassen Fleck auf seiner Hose zu ignorieren, nachdem er von ihm abgelassen hatte.

„Es ist völlig unbedeutend, Mr. Lashley, machen Sie sich deswegen keine Gedanken.“ Claires Mutter lächelte, als wäre nichts Ungehöriges geschehen, als hätte ihre Tochter nicht fast gerade die intimste Stelle ihres Gastes grob berührt. „Ich bin nur froh, dass Sie nicht verletzt wurden.“

Oder von meiner Tochter belästigt. Sie kommt nicht oft aus dem Haus, wissen Sie, dachte Claire gedemütigt, als Lashley den Raum mit größerer Würde verließ, als den meisten Männern in seiner Situation möglich gewesen wäre. Würde sie ihm je wieder in die Augen blicken können? Allerdings würde sie es tun müssen, nicht wahr? Und da fiel ihr ein, dass sie seine Frage gar nicht beantwortet hatte.

Claire eilte zur Tür, wobei es ihr gleichgültig war, dass es sich nicht schickte, hinter einem Mann herzulaufen. Aber die guten Sitten hatte sie bereits hinter sich gelassen, als sie versucht hatte, seine Hose trocken zu reiben. „Mr. Lashley!“, rief sie und brachte ihn an der Haustür zum Stehen.

Jonathon wandte sich zu ihr um. „Ja, Miss Welton?“

„Ich habe Ihnen nicht geantwortet. Es wäre mir eine Ehre, Ihnen zu helfen.“

Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem ernsten Gesicht aus. Ihre Entscheidung erfreute ihn. Bildete sie es sich nur ein, oder schien er auch erleichtert zu sein? Es hatte sehr viel Charakterstärke dazu gehört, sie anzusprechen, so viel, dass er eine Teetasse zwischen den Fingern zerdrückt hatte. Nicht jeder Mann war stark genug zuzugeben, dass er Hilfe nötig hatte. „Wie passt es Ihnen morgens um elf?“

Er war einverstanden! Die Erkenntnis erfüllte Claire mit Erstaunen und Ungläubigkeit. Beatrices und Mays Plan würde tatsächlich funktionieren. Und was nun? Doch sie verschob den beunruhigenden Gedanken auf später. Im Augenblick war ihr einfach zu schwindlig zum Nachdenken. Jonathon sah sie mit leicht erhobenen Brauen an, als wartete er auf etwas. Ach ja, eine Antwort! Was für ein Tölpel sie doch sein konnte. Er würde sich fragen, wie sie die französische Sprache meisterte, wenn sie nicht einmal mit den grundlegendsten Regeln ihrer eigenen Muttersprache zurechtkam.

„Morgens um elf passt mir wunderbar.“ Sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr und versuchte, gelassen zu klingen, während sie innerlich vor Freude jubelte. Jonathon hatte Ja gesagt! Sicher, nur zu einigen Unterrichtsstunden mit ihr, aber es war ein Anfang.

4. KAPITEL

Der Unterricht erwies sich in jeder Hinsicht als Reinfall. Sie saßen seit einer Stunde zusammen, und Claire war am Ende ihrer Weisheit. Nie hätte sie gedacht, dass sie so schnell den Punkt erreichen würde, da ihr der Geduldsfaden riss – ganz besonders nicht, wenn es um Jonathon Lashley ging. Auch gelang es ihr offenbar nicht, die gewünschte Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, um nicht zu sagen, das Ganze kam einem völligen Misserfolg gleich.

Das Mieder von Evies jüngster Kreation – ein recht tief ausgeschnittenes blassgrünes Morgenkleid – war ein wenig zu eng, sicher dem Versuch geschuldet, ihren Busen leicht anzuheben, doch Lashley konnte nicht lange genug stillhalten, um das Ergebnis zu würdigen. Er erhob sich ständig von dem langen Tisch, an dem sie saßen, und durchquerte die ganze Bibliothek, um sich ans Fenster zu stellen, wo es nicht das Geringste von Interesse zu sehen gab. Claire schaute nach seinem vierten Abstecher selbst nach, um sich zu vergewissern. Vielleicht hatten die Gärtner sich ja entschlossen, nackt zu arbeiten. Aber nein. Gott sei Dank waren alle Gärtner vollständig bekleidet. Es gab nichts zu sehen, nur den Garten und die Mauer, die das Grundstück von der Gasse dahinter trennte.

Doch offensichtlich bedeutete „Sehenswürdigkeit“ für Lashley etwas ganz anderes als für sie. Jetzt war er schon zum achten Mal zum Fenster geschritten, und wenn es auch ein wahrer Augenschmaus für sie war, seine breiten Schultern in dem perfekt zugeschnittenen Gehrock und die langen, muskulösen Beine in der hellen Hose ohne auch nur den kleinsten Teefleck zu bewundern, während er in den auf Hochglanz polierten Stiefeln durch den Raum ging, war damit weder ihrem noch seinem Zweck gedient.

Am liebsten hätte sie ihn in seinen Sessel zurückgeschubst und angeschrien: „Bleiben Sie sitzen und sehen Sie mich an!“ Nicht nur, weil sie dieses lächerliche Kleid ganz allein für ihn angezogen hatte, sondern weil sie unmöglich Mays und Beatrices Ratschläge, wie man am besten die Aufmerksamkeit eines Mannes erregte, in die Tat umsetzen konnte, wenn er ständig davonlief. Er musste schon sitzen bleiben, damit sie sich über den Tisch lehnen und auf etwas im Buch weisen konnte. Er musste sitzen, damit sie sich hinter ihn stellen und ihre Brust leicht gegen seine Schulter drücken konnte, während sie ihm etwas erklärte. Aber ihre Freundinnen hatten es wohl nie mit einem Mann zu tun gehabt, der sich wie ein verflixter Springteufel aufführte.

Wie stellte er sich außerdem vor, dass sie ihm helfen konnte, wenn er nicht bei ihr blieb, um von ihr zu lernen? Eine Dame keifte gewiss nicht wie ein Fischweib, wenn sie sich in der Gegenwart eines Mannes befand, den sie beeindrucken wollte. Aber gute Manieren hatten sie bisher nicht sehr weit gebracht. Claire warf einen verzweifelten Blick auf die Uhr. Ihre Zeit war gleich vorbei, und sie hatten nichts geschafft. Lashley würde sie für unfähig halten. Diese Erkenntnis spornte sie zu einem letzten Versuch an. Was sie auch sein mochte, sie wusste, dass sie über ein äußerst gutes sprachliches Feingefühl verfügte, und das würde sie ihm auch beweisen. Claire holte tief Luft und klammerte sich an die letzten – winzigen – Überreste ihrer Geduld. „Lassen Sie es uns noch einmal versuchen, Mr. Lashley.“ Sie durchmaß den Raum bis zum Fenster, das Buch in der Hand, und murmelte leise vor sich hin: „Dağ sana gelmiyorsa, sen dağa gideceksin.“

„Was haben Sie gesagt?“ Lashley hob erstaunt den Kopf. Nun hatte sie endlich sein Interesse erweckt, wenn auch nicht durch einen französischen Satz. Eigentlich sollte es sie nicht wundern.

„Ich sagte, wenn der Berg nicht zu dir kommt, musst du zum Berg gehen. Es ist aus den Essays von …“

„Francis Bacon, ich weiß. Aber Bacon schrieb seine Essays auf Englisch“, entgegnete Lashley. „Ich vermute, das war Türkisch.“

„Ja, stimmt. Die meisten hätten es nicht erkannt.“ Es war eine angenehme Überraschung, aber es machte nicht die Tatsache wett, dass er sich nicht auf den Unterricht konzentrieren konnte. Er war ein erwachsener Mann, der wahrscheinlich mehrere Güter besaß und mit seinem Verwalter stundenlang über den Rechnungsbüchern sitzen musste. Claire konnte sich nichts Trockeneres vorstellen. Warum konnte er sich also nicht auf Französisch konzentrieren, das alles anderes als langweilig war?

„Und doch sprechen Sie Türkisch, Miss Welton? Ist es eine der vier Sprachen, die Sie beherrschen?“ Er erinnerte sich also an Mays Worte an der Dinnertafel. Sie errötete, insgeheim erfreut darüber, dass er etwas über sie im Gedächtnis behalten hatte.

„Es wird hoffentlich meine fünfte werden. Da das Osmanische Reich offenbar dazu bestimmt ist, im Fokus von England zu stehen, erschien es mir vernünftig, die Sprache zu lernen.“ Vielleicht bot sich jetzt die Gelegenheit, die sie gesucht hatte. Sie beugte sich vor und zeigte auf die Seite, wobei sie hoffte, auch tiefen Einblick in ihren Ausschnitt gewähren zu können. „Wir sind nicht hier, um Türkisch zu lernen, Mr. Lashley. Vielleicht versuchen wir es noch mal mit den französischen Sätzen? Lesen Sie den ersten vor, s’il vous plaît.“

Autor

Bronwyn Scott
Bronwyn Scott ist der Künstlername von Nikki Poppen. Sie lebt an der Pazifikküste im Nordwesten der USA, wo sie Kommunikationstrainerin an einem kleinen College ist. Sie spielt gern Klavier und verbringt viel Zeit mit ihren drei Kindern. Kochen und waschen gehören absolut nicht zu ihren Leidenschaften, darum überlässt sie den...
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