Julia Best of ... Band 181

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

WEIHNACHTSENGEL SUCHT MÄRCHENPRINZ von FIELDING, LIZ
Warum weiß eine gebildete junge Frau wie Annie so wenig von den alltäglichen Dingen des Lebens? Selfmade-Millionär George hat keine Ahnung. Aber er spürt, dass die engelhafte Schöne, die zur Weihnachtszeit in sein Leben und sein Herz geschneit ist, etwas vor ihm verbirgt …

DEIN IST MEIN GANZES HERZ von FIELDING, LIZ
Enttäuscht will Juliet nichts mehr von Liebe wissen. Da steht auf einmal ihr Jugendschwarm Greg vor ihr: unverändert sexy und plötzlich sehr interessiert. Juliet ist glücklich - bis sie merkt, dass Greg nicht der ist, für den er sich ausgibt. Hat ihr Herz sich erneut geirrt?

EIN TRAUMMANN ZU WEIHNACHTEN? von FIELDING, LIZ
Liebe bloß als Publicity? Schockiert entflieht Lucy im Cinderella-Kleid ihrem falschen Prinzen und den Reportern - und läuft dem attraktiven Nathaniel in die Arme. Doch während sie glaubt, nun wirklich ihren Traummann gefunden zu haben, sucht er wohl nur eine Affäre …


  • Erscheinungstag 25.11.2016
  • Bandnummer 181
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707385
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Liz Fielding

JULIA BESTSELLER BAND 181

PROLOG

Daily Chronicle, 19. Dezember 1988

Marquis und Ehefrau bei Hilfseinsatz getötet

Der Marquis und die Marquise von St. Ives, deren märchenhafte Romanze die Herzen der Nation eroberte, wurden gestern von Rebellen ermordet, die das Feuer auf ihr Fahrzeug eröffneten, als sie sich einem Flüchtlingscamp in der vom Krieg zerrissenen Region Mishona näherten. Der Fahrer und eine einheimische Mitarbeiterin, die für die medizinische Wohltätigkeitsorganisation Susie’s Friends tätig war, starben ebenfalls bei dem Angriff.

Ihre Majestät, die Königin, sandte ein Beileidsschreiben an den Herzog von Oldfield, den verwitweten Vater des Marquis, und an die sechsjährige Tochter des Paares, Lady Roseanne Napier.

Die Marquise von St. Ives, Lady Susanne Napier, gründete die Organisation als Ärztin kurz nach ihrer Hochzeit gemeinsam mit ihrem Mann.

Daily Chronicle, 24. Dezember 1988

Wir alle müssen jetzt ihre Familie sein …

Die sechsjährige Lady Roseanne Napier hielt die Hand ihres Großvaters, als die sterblichen Überreste ihrer Eltern gestern Nachmittag in der Familiengruft zur letzten Ruhe geleitet wurden. In seiner Trauerrede sagte er: ‚Wir alle müssen jetzt ihre Familie sein …‘

Daily Chronicle, 18. Dezember 1998

Ein wahrer Engel …

Am heutigen zehnten Todestag ihrer Eltern, die ermordet worden waren, während sie Hilfsaktionen im vom Krieg zerstörten Mishona organisierten, eröffnete Lady Rose Napier das ‚Susanne House‘, ein Kinderhospiz, das zu Ehren ihrer Mutter so benannt wurde. Nachdem sie die Plakette enthüllt hatte, sprach Lady Rose mit den Kindern, die im ‚Susanne House‘ betreut werden, und deren Eltern. „Sie ist noch so jung und war doch so fürsorglich und rücksichtsvoll“, berichtete eine Krankenschwester. „Ein wahrer Engel. Ihre Mutter wäre sehr stolz auf sie gewesen.“

Ihre Mutter ist nicht mehr da, um es ihr zu sagen. Deshalb sagen wir es: Wir sind alle stolz auf Sie, Lady Rose.

1. KAPITEL

Annie unterdrückte ein Gähnen. Der Raum war heiß, die Essensgerüche verursachten ihr leichte Übelkeit. Am liebsten hätte sie den Kopf auf den Tisch gelegt, die Augen zugemacht und einfach abgeschaltet.

Das wäre zu schön gewesen.

Sie musste noch einen Besuch in einem Krankenhaus überstehen, und danach drei Stunden Wagner bei einer Wohltätigkeitsgala, ehe überhaupt an Schlaf zu denken war. Selbst dann konnte sie oft nicht schlafen, egal wie erschöpft sie war. Sie hatte schon alles ausprobiert: ein beruhigendes Bad, ein Lavendelkissen, jede Form von Entspannungstechnik. Alles ohne Erfolg. Aber ihren Geist zu beruhigen war nicht das eigentliche Problem.

Annie hatte eine tüchtige persönliche Assistentin, die sich um alle Einzelheiten ihres Lebens kümmerte und dafür sorgte, dass sie immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Einen Redenschreiber, der ihr sorgfältig gewählte Worte in den Mund legte, wenn sie dort eintraf. Eine Stilberaterin, die sicherstellte, dass Annie, wann immer sie in der Öffentlichkeit auftrat, auf der Titelseite erschien.

Das war das Problem.

Ihr Geist war leer. So wie ihr ganzes Leben.

Gleich musste sie aufstehen und zu diesen wunderbaren Menschen sprechen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, um das Leid in der Welt zu lindern.

Sie waren gekommen, um Lady Rose zu sehen, sich von ihr zu noch größeren Anstrengungen inspirieren zu lassen. Ihre Anwesenheit garantierte, dass auch die Presse hier war und über die Arbeit dieser Leute berichten würde.

Vielleicht.

Ihr Hut, aus dunkelgrünem Samt und mit einer Feder geschmückt, würde vermutlich größeren Raum einnehmen als die Hilfsorganisation, die sie mit ihrem Auftritt unterstützte.

Annie tat mehr für die Auflagenhöhe von Magazinen und Zeitungen als für die zahlreichen Rettungskräfte, die von einem Moment zum nächsten alles stehen und liegen ließen und ihr Leben riskierten, um den Opfern in Kriegs- oder Katastrophengebieten zu helfen. Ein Argument, das sie ihrem Großvater gegenüber schon mehrfach vorgebracht hatte.

Als Pragmatiker hatte er ihre Einwände beiseite gewischt und sie daran erinnert, dass alle von ihrem Erscheinen profitieren würden, einschließlich der britischen Modeindustrie.

Dass er recht hatte, machte es nicht besser.

Annie wollte mehr sein als nur ein Covergirl oder eine Mode-Ikone. Ihre Eltern hatten vor Ort gearbeitet, um Menschenleben zu retten, und sie hatte in ihre Fußstapfen treten wollen.

Schnell verbannte sie den Gedanken. Öffentlichkeitsarbeit war ihre einzige Begabung, und die sollte sie auch nutzen. Doch als Annie ihren Platz am Rednerpult einnahm und Applaus aufbrandete, hörte sie nur einen einzigen stummen Schrei, der die Leere in ihrem Kopf ausfüllte.

Neiiiinnn …

„Freunde“, begann sie, sobald es ruhig wurde. Sie machte eine Pause, sah sich um, fand bekannte Gesichter im Publikum. Menschen, die ihre Eltern gekannt hatten. Dann atmete sie tief durch und lächelte. „Ich hoffe, ich darf Sie so nennen …“

Mit gerade mal achtzehn Jahren hatte sie auf Drängen ihres Großvaters die Schirmherrschaft von ‚Susie’s Friends‘ übernommen. Nur ein kleiner Trost für den Verlust ihres Traums, so wie ihre Mutter Medizin zu studieren.

Dieser Traum wurde zunichtegemacht, als Annie mit sechzehn Jahren durch ein Foto, auf dem sie einem sterbenden Kind die Hand hielt, über Nacht von einem behüteten Teenager zu einer Ikone geworden war. Ihr Großvater hatte ihr die Fakten vor Augen gehalten.

Es sei unmöglich. Ihre Mitstudenten, sogar ihre Patienten, würden von den Medien belästigt werden, weil sie jetzt der Öffentlichkeit gehörte. Dann hatte er ihr erklärt, dass sie auf diese Weise wesentlich mehr für die Organisationen erreichen könnte, für die sich ihre Mutter eingesetzt hatte.

Jetzt, zehn Jahre danach, war sie Schirmherrin von mehr als fünfzig Wohltätigkeitsorganisationen. Wie viel Lächeln, Händeschütteln, Benefiz-Galas? Wie vielen Kindern hatte sie die Hand gehalten, wie viele Babys auf dem Arm gehabt? Und keins davon ihr eigenes.

In den Medien wurde Annie beschrieben als die ‚meistgeliebte Frau Großbritanniens‘. Aber da sie in einem isolierten Raum lebte, davor geschützt, dasselbe Schicksal zu erleiden wie ihre Eltern, war dies eine Liebe, die sie niemals wirklich erreichte.

Doch die Medien waren wie ein hungriges Tier, das gefüttert werden musste, und offenbar war es Zeit, dass die Geschichte sich weiterentwickelte. Zeit für einen Ehemann und Kinder, um das Image abzurunden. Etwas so Wichtiges überließ ihr Großvater natürlich weder dem Zufall noch Annie selbst.

Auf gar keinen Fall sollte etwas so Unerfreuliches daraus werden wie die leidenschaftliche Romanze ihres Vaters mit einer völlig unpassenden Frau, durch deren Ideale beide schließlich getötet worden waren.

Nein, der Herzog hatte bereits den perfekten Kandidaten gefunden, nämlich Rupert Devenish, Viscount Earley, den er so geschickt in ihr Leben eingeschleust hatte, dass Annie es kaum gemerkt hatte. Adelig, reich und unglaublich attraktiv, war er der ideale Ehemann.

Wenn sie nicht sehr aufpasste, würde sie in ein paar Monaten einen Ring am Finger tragen und in einem Jahr in einem ‚Märchenkleid‘ auf jeder Titelseite prangen. Allein die Vorstellung lastete schwer wie Blei auf ihrem Herzen. Sie hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen, ohne irgendeinen Ausweg, und die glitzernden Kronleuchter schienen sie zu erdrücken.

Sie grub die Fingernägel in ihre Hand, nahm einen Schluck Wasser und ließ den Blick über all die bekannten Gesichter schweifen. Dann ignorierte sie die sorgfältig vorbereitete Rede und fing einfach an, über ihre Eltern zu sprechen, wobei ihre Worte direkt aus dem Herzen kamen.

Nach der Veranstaltung wandte sie sich an den Hotelmanager, der sie zur Tür begleitete. „Wieder ein wunderbares Essen, Mr. Gordon. Wie geht es Ihrer kleinen Tochter?“

„Viel besser, danke, Lady Rose. Sie hat sich so über die Bücher gefreut, die Sie ihr geschickt haben.“

„Sie hat mir einen ganz süßen Brief geschrieben.“ Annie blickte auf die hellrosa Rose in ihrer Hand.

Wie sie sich danach sehnte, wenigstens nur ein einziges Mal etwas Ausgefallenes in Violett oder Orange geschenkt zu bekommen. Aber diese spezielle Rose war nach ihr benannt worden, und ein Teil aller Verkaufserlöse ging an das ‚Susanne House‘. Ihr etwas anderes zu verehren wäre daher völlig undenkbar gewesen.

„Würden Sie ihr das hier von mir geben?“ Damit reichte sie ihm die Rose.

„Madam.“ Rot vor Freude nahm er die Blume, und Annie hätte ihn am liebsten umarmt.

Stattdessen legte sie ihm flüchtig die Hand auf den Arm, ehe sie sich zu Rupert umdrehte, der bereits an der Tür wartete.

Da stand sie plötzlich ihrem Ebenbild gegenüber.

Ein Blick in die langen Wandspiegel ringsum hätte zwei hochgewachsene, schlanke junge Frauen gezeigt, beide das hellblonde Haar zu demselben eleganten Knoten geschlungen, und beide mit denselben strahlend blauen Augen.

Annie hatte schon seit Jahren von der Existenz ihres Doubles gewusst. Sie hatte Fotos in Zeitschriften und Zeitungen gesehen und angenommen, dass die verblüffende Ähnlichkeit durch Bildbearbeitung zustande gekommen war. Doch das stimmte nicht.

Sekundenlang erstarrten beide. Annie, die mehr Erfahrung darin hatte, schwierige Situationen zu überspielen und anderen ihre Befangenheit zu nehmen, sprach als Erste.

„Das Gesicht kenne ich“, meinte sie und fügte lächelnd hinzu: „Aber ich fürchte, mir ist der Name entfallen.“

Ihr Double, die in Anbetracht der Umstände bemerkenswert Haltung bewahrte, antwortete: „Lydia, Madam. Lydia Young.“ Doch als Annie ihre Hand nahm, merkte sie, dass diese zitterte. „Es tut mir so leid. Ich versichere Ihnen, das hier war nicht geplant. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie hier sein würden.“

„Das ist doch kein Problem.“ Interessiert erkundigte Annie sich: „Haben Sie – oder ich? – hier einen Termin?“

„Hatte. Eine Produkteinführung.“ Lydia zuckte verlegen die Achseln und wurde rot. „Eine neue Teesorte.“

„Na, dann hoffe ich mal, dass sie gut ist“, sagte Annie.

„Sie ist zumindest teuer.“ Lydia erwiderte das Lächeln. „Ich setze mich am besten zehn Minuten hinter die Säule da hinten, ja? Obwohl die Fotografen sich bestimmt darüber freuen würden, wenn wir zusammen das Hotel verlassen, haben mir meine Kunden längst nicht genug gezahlt, um eine solche Publicity zu rechtfertigen.“

„Es würde auf jeden Fall die Illusion zerstören“, pflichtete Annie ihr bei. Sie wollte weitergehen, hielt jedoch noch einmal inne. „Rein interessehalber, Lydia. Wie viel kostet es, ich zu sein?“, fragte sie. „Nur für den Fall, dass ich mir vielleicht mal einen Tag freinehmen möchte.“

„Für Sie gar nichts, Lady Rose.“ Lydia gab ihr die Rose, die sie zwangsläufig dabeihatte, und knickste flüchtig. „Rufen Sie mich einfach an. Jederzeit.“

Einen Moment lang sahen sie einander an, ehe Annie an der Rose roch. „Die haben irgendwie keinen besonderen Charakter, oder? Keinen Duft, keine Dornen.“

„Nun ja, es ist November. Vermutlich wurden sie im Gewächshaus herangezogen.“

So wie ich, dachte Annie im Stillen.

Auch sie besaß kaum Charakter, lediglich ein künstlich erzeugtes Image als der ‚Engel der Nation‘.

Rupert schaute zurück, um festzustellen, was sie aufgehalten hatte, und meinte mit einem ungeduldigen Unterton: „Rose, wir sind spät dran.“

Beide Frauen warfen einen schnellen Blick in seine Richtung. Dann zog Lydia mit einem ‚Gib-dem-Kerl-den-Laufpass‘-Ausdruck die Brauen hoch, der genau Annies Gedanken widerspiegelte.

„Sie haben wohl keine Lust auf eine dreistündige Wagner-Oper heute Abend?“, fragte sie. Aber dann schüttelte sie sofort den Kopf. „Nur ein Scherz. Das würde ich Ihnen nie zumuten.“

„Ich meine es so, wie ich es gesagt habe.“ Lydia holte eine Karte aus ihrer kleinen Clutch-Handtasche. „Rufen Sie mich an. Jederzeit.“

Drei Wochen später, als die Spekulationen in der Presse über eine bevorstehende Verlobung ihren Höhepunkt erreichten, suchte Annie Lydias Karte heraus und wählte die entsprechende Nummer.

„Lydia Young?“

„War Ihr Angebot wirklich ernst gemeint?“

George Saxon, die bloßen Füße auf dem Geländer seines Strandhauses in Kalifornien, ein Laptop auf dem Schoß, gab es auf, an dem Problem zu arbeiten, das ihn seit Wochen beschäftigte. Stattdessen begann er, im Internet durch die Schlagzeilen der Londoner Zeitungen zu surfen.

Sein Blick blieb an dem Bild eines Paares hängen, das gerade irgendeine Gala verließ. Sie war eine dieser hochgewachsenen, aristokratischen Frauen, hellblond und mit klassischer Hochsteckfrisur. Der weite Ausschnitt des exklusiven Abendkleids zeigte Höhlungen an ihren knochigen Schultern, die noch tiefer waren als die in ihren Wangen.

Doch nicht ihre Magerkeit hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sondern ihre Augen. Zwar lächelte sie in die Kamera, aber ihre großen blauen Augen schienen ihn direkt anzusehen und ihm einen stummen Hilferuf zu senden.

Rasch kehrte George wieder an das Programm zurück, das er gerade entwickelte. Manchmal löste sich eine Blockade, wenn man gelegentlich abschweifte. Bei diesem hartnäckigen Fall jedoch nicht. Deshalb hatte er auch sein Büro und seine Wohnung in Chicago verlassen, um der hektischen Vorweihnachtszeit zu entfliehen und den Frieden und die Wärme hier am Strand zu genießen.

Hinter ihm im Haus klingelte das Telefon. Wahrscheinlich sein Steuerberater, sein Anwalt oder das Büro. Aber beruflicher Erfolg hatte ihn gelehrt, nicht bei jedem Läuten des Telefons aufzuspringen. Dafür gab es schließlich Anrufbeantworter.

„George? Es geht um deinen Dad …“

Annie warf eine Reisetasche auf den Rücksitz des kleinen roten Autos, Lydias ganzer Stolz, und setzte sich ans Steuer. Ehrfürchtig fuhr sie mit den Händen über das Lenkrad, wie um sich zu vergewissern, dass es echt war.

Dass sie tatsächlich flüchten konnte.

Vor drei Stunden hatte Lady Rose Napier ohne ihren ständigen Begleiter ein Londoner Hotel betreten. Der jährliche Pink-Ribbon-Lunch fand für ein ausschließlich weibliches Publikum statt. Zwei Stunden später war Lydia an ihrer Stelle aus dem Hotel gekommen. Und vor zehn Minuten hatte Annie völlig unbemerkt dasselbe Hotel verlassen.

Inzwischen würde Lydia sich an Bord eines Privatflugzeugs befinden, das sie zu einem einwöchigen Luxusurlaub nach Bab el Sama bringen sollte, dem Feriendomizil von Annies Freundin Lucy al-Khatib.

Dort angekommen, musste Lydia nichts weiter tun, als sich gelegentlich für die Paparazzi auf der Terrasse oder am Strand blicken zu lassen, die zweifellos auf dem Meer in kleinen Booten hockten, die Kameras mit großen Teleobjektiven gezückt, in der Hoffnung, Annie in diesem ‚Liebesnest‘ mit Rupert in flagranti zu erwischen.

Na, da konnten sie lange warten.

Annie grinste vor sich hin. Sie hatte ihrem Großvater gesagt, sie brauche etwas Zeit, um sich über ihre Zukunft klar zu werden. Oh nein. Sie würde keine einzige Sekunde der kostbaren Zeit, die Lydia ihr geschenkt hatte, mit irgendwelchen Gedanken an Rupert Devenish verschwenden.

Ihr blieb gerade mal eine Woche, um anonym zu sein und der abgeschotteten Welt zu entfliehen, in der sie seit dem Tod ihrer Eltern lebte. Mit der realen Welt in Berührung zu kommen, so wie diese es getan hatten. Einfach sie selbst zu sein. Ohne Pläne, ohne Termine. Das Leben einfach so zu nehmen, wie es kam.

Im Rückspiegel überprüfte Annie ihr Aussehen. Sie hatte überlegt, ob sie eine Perücke tragen oder ihr Haar färben sollte. Tag und Nacht mit einer Perücke herumlaufen war ihr jedoch zu anstrengend, und das Färben hätte zu viel Zeit gekostet. Daher hatte Annie es sich aus einem rebellischen Impuls heraus einfach mit einer Nagelschere abgeschnitten. Als sie schließlich mit dem Schnippeln aufgehört hatte, war das Ergebnis so abschreckend, dass sie froh war über die Wollmütze, die Lydia ihr gegeben hatte.

Nun zog sie die Mütze tief über die Ohren. Hoffentlich würde Lydia, die als Doppelgängerin dazu verpflichtet war, ihrem Vorbild zu folgen, ihr verzeihen. Dann schob Annie sich die Hornbrille über die Nase hoch und lachte. Ein berauschendes, wenn auch etwas beängstigendes Gefühl von Freiheit erfüllte sie. Noch nie war sie bisher ganz auf sich allein gestellt gewesen. Fröstelnd stellte sie die Heizung im Auto an.

„Nein, nicht beängstigend“, sagte sie laut vor sich hin. Entschlossen fuhr sie zum Ausgang des Parkplatzes. „Sondern eine Herausforderung.“ Und an der Schranke gab es auch schon die erste Herausforderung.

Lydia hatte das Parkticket vorne auf der Ablage hinterlassen, und Annie steckte es in den Automaten, damit sich die Schranke öffnete. Dummerweise spuckte das Gerät das Ticket aber gleich wieder aus. Sie versuchte es anders herum, ebenso erfolglos, begleitet von dem ungeduldigen Hupen mehrerer Wagen, die hinter ihr warteten.

„Was ist das Problem, Lady?“

Annie zuckte zusammen, da sie fürchtete, erkannt worden zu sein. Sie schaute auf. Der Parkwächter, der gegen die Kälte eine Nikolausmütze trug, sah sie finster an.

„Also?“, fragte er barsch.

„Oh. Äh … Ich habe das Ticket eingesteckt, aber es ist nichts passiert.“

„Haben Sie gezahlt?“

„Gezahlt?“, fragte sie verblüfft. „Wo denn?“

Er seufzte. „Können Sie nicht lesen? Am Eingang steht ein drei Meter hohes Schild.“ Da sie ihn immer noch verständnislos ansah, sagte er sehr langsam: „Sie müssen zahlen, bevor Sie wegfahren. Da drüben.“ Er zeigte auf den Gebührenautomaten, und da das Hupen drängender wurde, setzte er ironisch hinzu: „Lassen Sie sich ruhig Zeit.“

Blödmann, dachte Annie verärgert. Sie nahm ihre Handtasche, lief zu dem Automaten, las die Anweisungen durch, steckte dann mit zitternden Fingern das Parkticket hinein, ebenso wie die angezeigte Summe.

Als sie zu ihrem Wagen zurückeilte, rief sie den übrigen Fahrern „Sorry, sorry!“ zu, ehe sie sich hinters Steuer klemmte und endlich losfahren konnte.

Wenig später kämpfte sie sich gemeinsam mit Tausenden von anderen Autofahrern durch den dichten Weihnachtsverkehr und fuhr Richtung Westen aus dem Londoner Stadtgebiet hinaus.

Annie kam gut durch, doch der blassblaue Winterhimmel war bereits rosa überhaucht, die Bäume schwarz am Horizont, als sie die Abfahrt nach Maybridge erreichte. Ein hübsches Städtchen mit hervorragenden Geschäften und ein beliebter Ausflugsort, der genau die richtige Größe hatte. Ein guter Ort, um in das Abenteuer zu starten, dachte Annie, die auf die Ringstraße abbog und sich auf die Suche nach dem Motel machte, das sie im Internet gefunden hatte.

Ein Platz zum Übernachten, wo sie sich überlegen konnte, was sie mit ihrer kurzen Freiheit anfangen wollte.

George Saxon presste den Kiefer zusammen, um sich zu beherrschen.

„Das kann kein anderer übernehmen“, beharrte sein Vater.

Eine Krankenschwester erschien und prüfte den Tropf. „Ich muss Mr. Saxon jetzt versorgen“, erklärte sie. Und mit einem betonten Blick zu George fügte sie hinzu: „Warum nehmen Sie Ihre Mutter nicht mit nach Hause? Sie ist schon den ganzen Tag hier.“

„Nein, ich bleibe.“ Seine Mutter drückte seinem Vater die Hand.

Sein Vater ignorierte sie und hielt George am Arm fest, als dieser gehen wollte. „Sag, dass du’s machst!“

„Reg dich nicht auf“, meinte seine Mutter beruhigend. „George wird sich schon um die Werkstatt kümmern. Er lässt dich nicht im Stich.“ Bittend sah sie ihren Sohn an.

„Natürlich wird er mich im Stich lassen“, sagte sein Vater, bevor George Gelegenheit hatte zu antworten. „Er wollte sich doch noch nie die Hände schmutzig machen.“

„Das reicht!“, mahnte die Schwester.

Ohne auf seine Mutter zu warten, verließ George das Zimmer.

In dem Raum für Angehörige holte sie ihn ein. „Es tut mir leid …“

„Du sollst dich nicht für ihn entschuldigen!“ Er schenkte ihr eine Tasse Tee aus der Thermoskanne auf dem Teewagen ein. „Dir ist doch klar, dass er so nicht weitermachen kann?“

„Bitte, George“, sagte sie nur.

„Ich kümmere mich um alles, was getan werden muss“, erwiderte er. „Aber vielleicht ist es an der Zeit für euer kleines Häuschen am Meer?“

Seine Mutter schüttelte den Kopf. „Dann wäre er innerhalb eines Jahres tot.“

„Das ist er auch, wenn er so weitermacht.“ Um sie nicht noch mehr zu beunruhigen, fragte er dann: „Kommst du hier alleine zurecht? Hast du überhaupt schon was gegessen?“

„Wenn ich Hunger habe, besorge ich mir was.“ Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich bin dir ja so dankbar, dass du nach Hause gekommen bist. Dein Dad wird es dir zwar nicht selbst sagen. Du weißt ja, wie stur er sein kann. Aber er ist froh, dass du da bist.“

Der Berufsverkehr nahm immer mehr zu, bis Annie die andere Seite von Maybridge erreicht hatte. Nicht an so viel Verkehr gewöhnt und verwirrt durch die Verkehrsschilder, verpasste sie die Abzweigung zu dem Motel, was ihr allerdings erst auffiel, als sie an dem hell erleuchteten Gebäude vorbeifuhr.

Mit einem Schimpfwort, das sie sonst nie benutzte, nahm sie die nächste Ausfahrt, und anstatt einfach auf der Ringstraße zurückzufahren, bog sie nach links ab, in der Annahme, dass sie dieser Weg zu dem Motel bringen würde. Eine Viertelstunde später fand sie sich auf einer unbeleuchteten Landstraße wieder, die in eine völlig falsche Richtung ging. Annie musste sich eingestehen, dass sie sich verirrt hatte, und sobald sie die Toreinfahrt zu einer Weide im Scheinwerferlicht erkannte, hielt sie an.

Sie schlug das Lenkrad ein und setzte den Wagen zurück. Die Einfahrt war unerwartet tief, sodass die Hinterräder mit einem harten Aufschlag vom Asphalt rutschten und der Unterboden über die Kante schleifte.

Annie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann drehte sie das Lenkrad in die richtige Richtung und drückte leicht aufs Gaspedal.

Die einzige Reaktion war ein entsetzliches Geräusch.

Einen Moment lang saß George im Auto und schaute hoch zu dem Schild ‚George Saxon und Sohn‘ über der Werkstatt. Erst als er ausstieg, merkte er, dass das Licht darin noch brannte. Vermutlich war es in der allgemeinen Aufregung nach dem Zusammenbruch seines Vaters vergessen worden.

Mit dem Schlüssel, den seine Mutter ihm gegeben hatte, schloss George die Seitentür auf. Nur zwei der Plätze waren besetzt.

Auf dem einen stand der alte Bentley, um den sein Vater sich solche Sorgen machte. Ein schöner, ausgefallener Wagen, der ständig als Hochzeitslimousine gebucht wurde und dringend neue Bremsbeläge benötigte.

Als George das Licht ausschalten wollte, hörte er das klirrende Geräusch eines Maulschlüssels, der auf den Betonboden fiel, und einen gedämpften Fluch.

„Hallo?“

Keine Antwort. George ging um den Bentley herum und entdeckte unter der Kühlerhaube ein Paar Füße in teuren Sportschuhen, die im Takt zu irgendeiner Musik wippten. Er stieß einen der Füße leicht mit seiner Schuhspitze an, woraufhin die Bewegungen aufhörten.

Dann schoben sich endlos lange Beine in einem Overall unter dem Bentley hervor, gefolgt von einem schlanken Rumpf. Und schließlich erschien ein Mädchengesicht.

„Alexandra?“

„George?“, gab sie spöttisch zurück. „Gran hat mir erzählt, dass du kommst, aber ich hab eigentlich nicht dran geglaubt.“

„Was tust du hier?“, fragte er. Außerdem, wieso hatte seine Mutter ihn nicht vorgewarnt, dass seine Tochter hier war?

„Mum ist in den Flitterwochen mit Ehemann Nummer drei“, antwortete diese, als ob das alles erklärte. Dann stellte sie die Füße auf dem Boden auf und kam mühelos in einer einzigen geschmeidigen Bewegung hoch. „Inzwischen heiße ich übrigens bei allen Xandra.“

„Xandra“, wiederholte er. Sie war nach ihrer Großmutter mütterlicherseits benannt worden. Eine Frau, die ihn am liebsten standrechtlich dafür erschossen hätte, dass er ihrer kleinen Prinzessin die Unschuld geraubt hatte.

Wenn er jetzt zeigte, dass er mit der neuen Abkürzung durchaus einverstanden war, würde seine Tochter garantiert sofort wieder einen Rückzieher machen. Egal, was er tat, es war nie richtig. George hatte sich so viel Mühe gegeben, sie so sehr geliebt, aber es war immer ein Kampf zwischen ihnen gewesen. Nur zu gern hätte er ihre Mutter dafür verantwortlich gemacht, aber es war nicht ihre Schuld. Er hatte einfach keine Ahnung, wie er als Vater sein sollte. Ein Vater, den ein kleines Mädchen anlächelte, zu dem es hinlaufen würde.

„Wo deine Mutter sich aufhält, interessiert mich nicht“, erklärte er. „Allerdings möchte ich gerne wissen, warum du hier bist und nicht im Internat.“

Mit einem achtlosen Schulterzucken erwiderte sie: „Ich bin beurlaubt.“

„Beurlaubt?“

„Auf unbestimmte Zeit.“ Wieder hob sie die Schultern. „Jedenfalls bis nach Weihnachten. Aber ist ja auch egal. Ich werde sowieso nicht wieder hingehen, und wenn sie mich dafür bezahlen würden.“

„Das halte ich für unwahrscheinlich.“

„Tja, wenn du ihnen anbietest, ihnen ein neues Labor zu bauen, hätten sie sicher nichts dagegen.“

„In dem Fall würde ich dafür bezahlen, dass sie dich wieder aufnehmen“, entgegnete er. „Was hat deine Mutter dagegen unternommen?“

„Gar nichts. Hab ich dir doch gesagt. Sie liegt an irgendeinem Strand rum und hat das Telefon abgeschaltet.“

„Du hättest mich anrufen können.“

„Und dann? Hättest du etwa alles stehen und liegen lassen und wärst über den Atlantik geflogen, um Daddy zu spielen? Woher sollte ich denn wissen, dass es dir nicht am sonst was vorbeigeht?“

George biss die Zähne zusammen. Er war genau wie sein eigener Vater. Unfähig, eine Bindung zu seinem Kind aufzubauen, das beinahe sein ganzes Leben zerstört hätte. Dieses Kind, das von dem Augenblick an, als es ihm unwillig in die Arme gelegt wurde, sein Herz erobert hatte.

Er hätte alles für sein kleines Mädchen getan. Alles, außer seinen Traum aufzugeben, für den er mit allen Mitteln gekämpft hatte.

Alles Geld der Welt, das Haus, das seine Exfrau verlangt hatte, die teure Schule, nichts davon hatte aufwiegen können, dass er sie vermeintlich im Stich gelassen hatte.

„Tun wir mal einen Moment lang so, als wäre dies nicht der Fall“, antwortete er in sachlichem Ton. „Was hast du verbrochen?“

„Nichts.“ Xandra wurde ein wenig rot. „Also, nichts Besonderes.“ Sie legte eine Pause ein. „Ich hab bloß das Auto der Direktorin kurzgeschlossen und damit eine kleine Spritztour gemacht. Das ist alles.“

Da er nichts sagte, fuhr sie fort: „Ehrlich, wer hätte schon gedacht, dass die alte Hexe so empfindlich ist?“

„Du bist noch zu jung zum Autofahren!“ Da sie so schnell gewachsen und schon fast eine junge Frau geworden war, setzte George hinzu: „Stimmt doch, oder?“

Sie hob lediglich die Brauen. Doch er hatte recht. Bei ihrer Geburt war er neunzehn gewesen. Das bedeutete, dass seine Tochter erst im Mai siebzehn wurde. Es dauerte also noch ein halbes Jahr, bis sie überhaupt den Führerschein in England machen durfte.

„Du hast ein Auto geklaut, bist ohne Führerschein und ohne Versicherung damit gefahren?“ Irgendwie gelang es George, einen neutralen Ton zu wahren. „Das nennst du ‚nichts Besonderes‘?“

Er brauchte gar nicht erst zu fragen, wer ihr das Autofahren beigebracht hatte. Nämlich sein Vater, der auch ihm eine alte Klapperkiste geschenkt und damit auf dem Feld hinterm Haus losgelassen hatte, sobald seine Füße die Pedale berührten. George Saxon senior war der Meinung, dass den Saxons das Fahren im Blut lag. Da Xandra den Wagen von Mrs. Warburton auch noch kurzgeschlossen hatte, war Autofahren wohl nicht das Einzige, was sie von ihrem Großvater gelernt hatte.

„Was hast du unter dem Bentley gemacht?“, wollte George wissen.

„Ich hab ihn bloß mal angeguckt. Er braucht neue Bremsbeläge.“ Da klingelte plötzlich das Telefon. Xandra streckte den Arm aus, lehnte sich an ihrem Vater vorbei und nahm das Telefon von der Wand. „George Saxon und Enkelin.“

Wie bitte?

„Wo sind Sie?“, erkundigte sie sich und griff nach einem Stift. „Sind Sie allein? Okay, bleiben Sie am Auto.“

Als George ihr den Hörer aus der Hand nehmen wollte, wich sie zurück.

„Wir sind in zehn Minuten bei Ihnen.“ Damit legte sie wieder auf. „Eine einsame Frau, die auf der Longbourne Road liegen geblieben ist“, erklärte Xandra. „Ich hab gesagt, dass wir sie abschleppen.“

„Das habe ich gehört. Und wie willst du das anstellen?“, fragte George wütend.

„Mit dem Abschleppwagen.“

„Hier ist aber niemand, der das Auto reparieren würde.“

„Du bist da, und ich auch. Granddad sagt, ich kann genauso gut mit Motoren umgehen wie du früher.“

Wenn sie glaubte, dass ihn das beruhigte, irrte sie sich gewaltig.

„Ruf sie zurück.“ Er schlug das Telefonbuch auf. „Sag ihr, wir suchen jemand anders, der ihr hilft.“

„Ich hab mir ihre Nummer nicht aufgeschrieben.“

„Macht nichts. Ihr ist sicher egal, wer bei ihr auftaucht. Hauptsache, sie bekommt Hilfe.“ George wählte die Nummer einer anderen Werkstatt. Kaum klingelte es, da hörte er die Tür des Abschleppwagens zuschlagen. Beim dritten Klingeln wurde der Motor gestartet.

George drehte sich um, als eine Stimme am anderen Ende der Leitung sich meldete. „Longbourne Motors. Was kann ich für Sie …?“

Die Seitentür der Werkstatt stand weit offen, und draußen durchdrangen die Scheinwerfer des Abschleppwagens die Dunkelheit.

„Sorry.“ George ließ den Hörer fallen, rannte seiner Tochter hinterher und riss die Fahrertür auf, als der Wagen sich vorwärtsbewegte. „Halt sofort an!“

Doch Xandra ignorierte ihn.

„Alexandra! Wehe!“ Er hängte sich an die Tür und musste neben dem Wagen herlaufen, während sie diesen über den Hof fuhr.

„Es ist Granddads Geschäft.“ Sie drückte leicht aufs Gaspedal, wodurch sie ihn zwang, schneller zu laufen. „Ich werde es nicht zulassen, dass du die Werkstatt schließt.“ Nachdem sie auf diese Weise ihren Standpunkt klargemacht hatte, ging sie vom Gaspedal, bis der Wagen stoppte. Dann wandte sie sich an ihren Vater. „Ich liebe Autos und Motoren. Ich will das Geschäft übernehmen und Rennfahrerin werden.“

„Was?“

„Granddad wird mich sponsern.“

„Du bist erst sechzehn.“ George war entsetzt. „Du weißt doch gar nicht, was du wirklich willst.“

Noch während er es sagte, klang ihm die Stimme seines Vaters im Ohr: Du bist dreizehn, Junge, und hast den Kopf voller Blödsinn. Du weißt noch gar nicht, was du willst.

Das hatte er auch dann noch behauptet, als George sich bei verschiedenen Universitäten bewarb. Er wusste, dass er von seinem Vater mit keinerlei Unterstützung rechnen durfte, sondern alles selbst finanzieren musste.

Selbst als sein ‚Blödsinn‘ in jeden neuen Motor auf der ganzen Welt eingebaut wurde, war sein Vater davon überzeugt gewesen, dass George unrecht hatte.

„Rutsch rüber“, sagte er jetzt.

Xandra hielt das Lenkrad fest. „Was hast du vor?“

„Da deinetwegen eine einsame Frau auf einer dunklen Landstraße schon fünf Minuten länger wartet als nötig, bleibt mir keine große Wahl. Du kannst sie abschleppen.“

„Ich?“

„Ja, du. Allerdings hast du für eine Woche schon mehr als genug Verkehrssünden begangen. Also fahre ich.“

2. KAPITEL

Sobald Annie den Abschleppwagen mit dem Blinklicht auf dem Führerhaus erblickte, stieß sie einen erleichterten Seufzer aus. Direkt vor ihrem Auto kam er zum Stehen.

Nachdem ein Lastwagen, der auf dieser engen Straße viel zu schnell unterwegs gewesen war, die Kühlerhaube ihres Autos nur um wenige Zentimeter verfehlte, hatte sie es fluchtartig verlassen. Seitdem stand sie zitternd vor Kälte mit dem Rücken am Weidetor.

Der Fahrer sprang heraus und leuchtete mit einer starken Taschenlampe über und um Annies Auto herum. Sie hielt die Arme hoch, um sich gegen das blendende Licht zu schützen.

„George Saxon.“ Er senkte die Lampe ein wenig. „Ist mit Ihnen alles in Ordnung?“

„J … j … ja“, antwortete sie zähneklappernd. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber der leicht ungeduldige Unterton in seiner Stimme war nicht ganz das, was sie sich erhofft hatte. „Trotz eines Lkw-Fahrers, der mir beinahe die Kühlerhaube abgerissen hat.“

„Sie hätten die Warnblinkanlage einschalten sollen“, entgegnete der Mann ungerührt. „Das Standlicht bringt gar nichts.“

„Wenn der Kerl sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten hätte, hätte er mich gesehen“, gab Annie verärgert zurück.

„Auf dieser Straße gilt lediglich die nationale Geschwindigkeitsbegrenzung von hundertzehn Stundenkilometern.“

„Ich habe die Schilder gesehen. Aber dummerweise bin ich davon ausgegangen, dass es sich dabei um die Höchstgeschwindigkeit handelt, und nicht um eine Vorschrift“, erklärte sie aufgebracht.

„Stimmt“, gab George zu. „Aber bloß weil andere Leute sich dämlich verhalten, heißt das nicht, dass man es selbst genauso machen muss.“

Erst der Parkwächter, und jetzt dieser Mechaniker. Allmählich nervte es Annie, ständig mit gereizten Männern zu tun zu haben, die mit ihr redeten, als stünde auf ihrer Stirn ‚Schwachkopf‘ geschrieben.

Andererseits, in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich jetzt schön in der Wärme und dem Luxus von Bab el Sama entspannen könnte, anstatt hier im Dezember auf einer englischen Landstraße zu frieren, war dies nicht ganz abwegig.

„Also.“ Mit der Taschenlampe wies George auf ihren Wagen. „Was ist das Problem?“

„Ich dachte, es wäre Ihr Job, mir das zu sagen“, erwiderte sie. Für heute hatte sie endgültig genug von männlicher Anmaßung.

„Na schön.“ George gab sich einen Ruck. „Fangen wir mit den wesentlichen Dingen an. Ist Ihnen das Benzin ausgegangen?“

„Für wie blöd halten Sie mich?“

„Das versuche ich gerade festzustellen“, meinte er in übertrieben geduldigem Ton. „Vielleicht erzählen Sie mir einfach, was passiert ist, und dann sehen wir weiter.“

Das klang nach einem Waffenstillstand, und Annie kam vom Tor ein paar Schritte vor. Fröstelnd sagte sie: „Ich habe die falsche Abzweigung genommen und wollte dann …“

Sie stieß einen Schrei aus, als sie in ein Loch stolperte und mit ausgestreckten Armen versuchte, sich abzufangen. Tatsächlich bekam sie weiches Wildleder zu fassen, und George Saxon, der wie ein Fels in der Brandung stehen blieb, als sie mit ihm zusammenprallte, fing sie auf. Während Annie keuchend nach Luft schnappte, hielt er sie fest.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich dann.

Wange, Nase und Hände an seine Brust gepresst, war sie kaum imstande zu antworten. Doch in seinen starken Armen, sein warmer Atem an ihrer Haut, fühlte sie sich sicher und geborgen.

Annie konnte sich nicht daran erinnern, jemals einem Mann, den sie nicht kannte, so nahe gewesen zu sein. Er rückte etwas von ihr ab, um sie prüfend anzusehen.

„Ich glaube schon“, sagte sie rasch. Sie riss sich zusammen und löste sich ebenfalls ein wenig von ihm. Allerdings lockerte sie ihren Griff erst dann, als sie leicht auftrat, um ihren Knöchel zu testen.

Es schien nichts passiert zu sein, aber sie wollte nichts überstürzen.

„Jedenfalls geht es mir besser als dem Auto“, erklärte sie.

George sah sie weiter an. Nicht mit dem ehrerbietigen Respekt, den sie gewohnt war, sondern mit einem Blick, bei dem sie sich schutzlos und verletzlich fühlte. Verlegen ließ sie seine Jacke los und schob ihre Brille zurecht, die seitlich verrutscht war.

„Es war dunkel“, berichtete Annie weiter. „Und als ich auf dieser Toreinfahrt wenden wollte, war es um einiges abschüssiger als gedacht. Diese Einfahrt ist in einem sehr schlechten Zustand“, fügte sie hinzu. Sie versuchte ihr Bestes, um sich von dem Geruch nach Leder und männlichem Duft zu distanzieren. Davon, wie sich seine breite Brust angefühlt hatte, seine muskulösen Schultern, die kräftigen Hände.

Nur leider hörte sie sich dadurch an wie eine aufgeblasene, säuerliche Herzoginwitwe.

„Gut genug für einen Traktor.“ George ließ die Hände sinken und trat einen Schritt zurück. „Es ist nicht die Aufgabe des Bauern, Wendebuchten für Frauen zur Verfügung zu stellen, die keine Karte lesen können.“

„Ich …“ Annie hätte beinahe verraten, dass sie gar nicht auf die Karte geschaut hatte, doch sie besann sich gerade noch rechtzeitig. Er hielt sie ohnehin schon für einen Dummkopf, da musste sie diesen Eindruck nicht zusätzlich bestätigen. „Nein. Na ja. Jedenfalls bin ich dabei mit dem Unterboden des Wagens an irgendwas hängen geblieben. Als ich versuchte wegzufahren, gab es ein grässliches Geräusch und …“ Sie hob die Schultern.

„Und?“, hakte er nach.

„Und gar nichts“, fuhr sie ihn an. „Das Auto hat sich nicht mehr bewegt.“ Sie rieb sich die Hände an ihren Jackenärmeln. „Können Sie es reparieren?“

„Nicht hier.“

„Oh.“

„Kommen Sie.“ Offenbar wegen ihrer Bemerkung über den unebenen Boden nahm er ihren Arm und führte sie bis zum sicheren Asphalt zurück. Dann öffnete er die hintere Tür der Fahrerkabine. „Gehen Sie lieber aus dem Weg, solange wir Ihren Wagen aufladen.“

Das Innenlicht ging an, sodass Annie mehr von George erkennen konnte. Außer dem Wildleder-Blouson trug er nicht wie erwartet einen Overall, sondern eine elegante helle Hose. Und statt Arbeitsstiefeln teuer aussehende Halbschuhe. Ganz offensichtlich hatte George Saxon nicht die geringste Absicht gehabt, irgendwelche Reparaturen durchzuführen.

Ihre Miene verriet wohl, was sie dachte. Denn er schien mit der Taschenlampe auf eine große, aber sehr schlanke Gestalt in einem dunklen Overall, die bereits ein Seil an Annies Wagen befestigte.

„Sie ist die Mechanikerin“, meinte George sarkastisch. „Ich bin bloß der Fahrer.“

Sie? Annie war erstaunt. George schaute an ihr vorbei und rief: „Wie läuft’s dahinten?“

„Noch zwei Minuten.“

Annie, die sich an dem Griff festhielt, um in die Kabine hochzusteigen, konnte sehen, dass das junge Mädchen sich anstrengte.

„Ich denke, sie könnte etwas Hilfe gebrauchen“, sagte sie.

Gereizt betrachtete George die Frau, die er wegen seiner Tochter am Hals hatte. „Tun Sie sich keinen Zwang an.“

„Alles klar“, rief Xandra in diesem Moment. „Ich hab’s.“

„Ihre Bedenken waren anscheinend überflüssig“, stellte er achselzuckend fest.

„Sind Sie sicher?“, rief Annie zurück. Dabei ließ sie George keine Sekunde aus den Augen.

Ihr Ausdruck erinnerte ihn an seine Grundschullehrerin Miss Henderson, die imstande gewesen war, eine ganze Klasse ungezogener Kinder mit einem einzigen Blick zur Ruhe zu bringen. Vielleicht lag es an der Wollmütze und der Hornbrille. Obwohl er zugeben musste, dass Miss Henderson keine so feinen Züge gehabt hatte und auch nie so gut gerochen hatte.

„Fertig!“, rief Xandra.

„Na, zufrieden?“, fragte er.

Annie schaute ihn sekundenlang an, ehe sie mit einem kühlen Nicken in die Kabine stieg, wobei sie es ihm überließ, die Tür hinter ihr zuzuschlagen, als ob sie die Königin höchstpersönlich wäre.

„Stets zu Diensten, Ma’am“, brummte George vor sich hin, während er zu Xandra ging, um ihre Arbeit zu überprüfen.

Sie hatte alles tadellos hingekriegt. „Okay, los geht’s“, meinte er.

Wieder in der Fahrerkabine, startete er den Motor und begann, Annies Wagen auf den Anhänger zu hieven. Doch als er im Rückspiegel die Straße kontrollieren wollte, sah er darin nur ein Paar großer Augen.

„Können wir Sie irgendwo absetzen?“, fragte er, während Xandra ebenfalls einstieg. Er wollte seine Passagierin so schnell wie möglich loswerden, um den Wagen zu Longbourne Motors zu bringen.

„Was? Nein. Ich kann nicht ohne mein Auto weg.“

„Heute Abend fahren Sie damit jedenfalls nirgendwo mehr hin. Sie wohnen nicht in der Nähe?“, meinte George.

„Nein. Ich mache Urlaub. Eine Autotour.“

„Allein? Im Dezember?“

„Was dagegen?“

„Tja, wenn’s Ihnen Spaß macht“, gab er zurück. „Allerdings wäre Maybridge im Winter nicht gerade meine erste Wahl.“

„Viele Leute kommen zum Weihnachtsmarkt her“, warf Xandra ein. „Der ist dieses Wochenende, und ich geh auch hin.“

„Du gehst nirgendwohin“, erklärte er. „Du hast Hausarrest.“ Dann fragte er: „Wo übernachten Sie heute?“

„Ich habe nicht gebucht, aber ich wollte eigentlich zu dem Motel an der Ringstraße.“

„Von hier aus müssten wir bis zur Autobahn fahren, um dorthin zu kommen“, sagte Xandra sofort. „Es ist viel einfacher, die Lady durchs Dorf zum Motel zu bringen, wenn wir erst mal wissen, wie lange es dauern wird, ihren Wagen zu reparieren.“ Dann drehte sie sich nach hinten um. „Entschuldigung, ich bin Xandra Saxon.“

Annie entspannte sich etwas. „Hallo, Xandra. Ich bin R…Ro…“, begann sie automatisch, bevor ihr einfiel, dass sie nicht als Rose Napier unterwegs war.

„Ro…o…owland“, stotterte sie daher, indem sie den ersten Namen nannte, der ihr einfiel. „Annie Rowland.“

Lydia hatte zwar vorgeschlagen, dass Annie ihren Namen übernehmen sollte, aber Annie hielt es für besser, einen zu benutzen, der ihr vertraut war. Ihre Mutter hatte sie früher Annie genannt, doch da ihr Großvater den Namen nicht mochte, wurde er von niemandem mehr benutzt außer den Hausangestellten, die sie schon seit ihrer Kindheit kannten. Durch die unerwartete Situation war ihr jedoch alles, was sie vorher so sorgfältig geübt hatte, vollkommen entfallen.

„Ro…o…owland?“ George Saxon schaute sie im Rückspiegel an.

„Annie reicht völlig.“ An Xandra gewandt, fragte sie: „Sie sind verwandt?“

„Nicht dass man es merken würde“, erwiderte diese in dem für Jugendliche typisch wegwerfenden Ton, wenn ihnen etwas wirklich wichtig war. „Meine Mutter hat das Heiraten zum Beruf gemacht. George war der Erste. Eine Mussheirat, wenn man nach dem Datum auf meiner Geburtsurkunde …“

„Schnall dich an, Xandra“, unterbrach er sie.

Er war ihr Vater? Aber die beiden schienen offenbar kein sonderlich gutes Verhältnis zu haben. Doch was wusste Annie schon von der Beziehung zwischen Vater und Tochter? Sie konnte sich nur noch daran erinnern, wie sehr sie sich gefreut hatte, wenn ihr Vater da war, und wie sicher sie sich in seinen Armen gefühlt hatte. Ob sie selbst wohl ein schwieriger Teenager gewesen wäre, wenn er noch gelebt hätte?

Zumindest wäre sie nicht so isoliert gewesen, von ihrem Großvater in Watte gepackt, weil er um ihre Sicherheit fürchtete. Sie wäre zur Schule gegangen und hätte Mädchen und Jungen in ihrem Alter getroffen. Sie hätte sich ver- und entliebt, ohne dass die Augen der ganzen Nation auf ihr ruhten. Sie wäre niemals ins Scheinwerferlicht getreten, dem sie nie wieder hatte entkommen können.

„Ist es Ihnen dahinten warm genug?“

„Ja, danke.“

Die Heizung funktionierte gut, und auf dem Rücksitz des Abschleppwagens fühlte Annie sich sicher. Auf jeden Fall sicherer als in Georges Armen. Aber natürlich war sie es auch gewohnt, hinten zu sitzen, während vorne ein Mann auf dem Fahrersitz saß.

Vor alldem hatte ich eigentlich flüchten wollen, dachte sie, wobei sie den Rücken ihres jetzigen Fahrers betrachtete.

George Saxon hätte ohne Weiteres einem Vergleich mit den besten Bodyguards standgehalten. Er besaß einen geraden, kräftigen Nacken, und das dichte dunkle Haar hatte genau die richtige Länge. Die breiten Schultern unter der weichen braunen Lederjacke waren auch nicht von schlechten Eltern. Nur schade, dass seine Manieren so zu wünschen übrig ließen.

Dennoch, Ruperts perfekte Manieren forderten sie förmlich dazu heraus, irgendetwas Unerhörtes zu sagen oder zu tun, um ihm überhaupt mal eine Reaktion zu entlocken. George Saxons Hände waren jedoch genau wie seine Augen alles andere als höflich.

Sein Griff war fest und sicher gewesen, fast schon unverschämt. Noch immer spürte Annie den Abdruck seiner Daumen an ihren Brüsten, als er sie aufgefangen hatte. Seine anmaßende Art vorhin hatte ihr einen Schauer über den Rücken rieseln lassen, der nichts mit der äußeren Kälte zu tun hatte.

George Saxon mochte kein Gentleman sein, aber er war echt. Gefährlich echt. Und er löste seltsam ungewohnte Gefühle in ihr aus. Allerdings hatte Annie kaum Zeit, genauer darüber nachzudenken. Denn es dauerte nicht lange, bis er von der Straße abbog und auf den Hof einer großen Werkstatt fuhr, auf deren Schild ‚George Saxon und Sohn‘ stand.

Das Gebäude wirkte vernachlässigt, und an einigen Stellen blätterte die Farbe ab. Es passt gar nicht zu ihm, dachte Annie bei sich, während George den Wagen rückwärts vor die Werkstatt setzte.

Xandra sprang hinunter, machte das Tor auf, und sobald er Annies Auto heruntergelassen hatte, löste sie die Halterung.

Zu Annie sagte George dann: „Auf der anderen Seite ist ein Warteraum für Kunden. Dort finden Sie einen Getränkeautomaten.“ Daraufhin stieg sie aus und ging davon. „Annie!“

Unvermittelt blieb sie stehen. Es war leicht, freundlich zu sein, wenn jeder einem mit Respekt begegnete. Aber nun musste sie erst einmal tief Luft holen, bevor sie sich umdrehte.

„Mr. Saxon?“, meinte sie höflich.

„Machen Sie die verdammte Tür zu!“

Sie war verblüfft. Noch nie hatte jemand so mit ihr gesprochen.

Da sie sich nicht rührte, setzte er bissig hinzu: „In aller Ruhe.“

Gewohnt, dass Türen für sie geöffnet und geschlossen wurden, hatte sie überhaupt nicht daran gedacht. Doch schließlich wollte sie ja ganz normal sein und wie eine ganz normale Frau behandelt werden. Offenbar gab es dabei einiges zu lernen. Sie ging zurück, um die Tür zuzuschlagen.

„Achten Sie nicht auf George“, meinte Xandra. Er fuhr weiter, um den Abschleppwagen abzustellen. „Er will nicht hier sein, deshalb lässt er’s an Ihnen aus.“

„Wieso? Ist er nicht der ‚und Sohn‘?“

Das Mädchen lachte ironisch. „Falsche Generation. Das ‚und Sohn‘ ist mein Granddad, aber der liegt gerade im Krankenhaus. Herzinfarkt.“

„Das tut mir leid. Wie geht es ihm?“

„Nicht gut genug, um die Werkstatt weiterzuführen, bis ich sie übernehmen kann.“ Xandra blinzelte etwas fort, was verdächtig nach Tränen aussah. Dann hob sie achselzuckend den Kopf. „Sorry, Familiensache.“ Sie betätigte den Schalter der Hebebühne. „Jetzt schau ich mir erst mal Ihr Auto an.“

Annie, verwirrt von den familiären Spannungen, wünschte, sie hätte auch etwas zu tun. Doch sie war entlassen worden, ebenfalls eine neue Erfahrung. Daher sagte sie: „Ihr Vater hat etwas von einem Warteraum gesagt?“

„Ach Quatsch. Da drin ist es eiskalt, und der Automat funktioniert schon seit Ewigkeiten nicht mehr.“ Xandra kramte einen Schlüssel aus ihrer Hosentasche und gab ihn Annie. „Gehen Sie rein, da ist es warm. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause. Tee und Kaffee stehen neben dem Wasserkocher, Milch ist im Kühlschrank.“ Sie beobachtete, wie der Wagen angehoben wurde. Da Annie noch da war, setzte sie hinzu: „Keine Angst, es wird nicht lang dauern, bis wir das Problem gefunden haben.“

„Sind Sie sicher?“, fragte Annie.

„Ich bin vielleicht noch jung, aber ich weiß, was ich tue.“

„Ja. Aber ich meinte eigentlich, ob ich wirklich ins Haus gehen soll.“

„Wenn Gran hier wäre, würde sie Sie selbst einladen“, erklärte Xandra.

In diesem Augenblick kam auch ihr Vater herein. In dem hellen Neonlicht hatte sein Gesicht keine dunklen Schatten mehr, aber es wirkte noch immer kantig. Es lag nichts Weiches in den schroffen Linien. Nur die vollen Lippen wiesen auf eine gewisse Sinnlichkeit hin, wodurch er für Annie noch gefährlicher wirkte.

„Sie sollten nicht hier drin sein“, sagte er.

„Ich gehe ja schon.“ Sie räusperte sich. „Kann ich Ihnen irgendwas machen?“

Verständnislos sah er sie an.

Annie ließ den Schlüssel am Finger baumeln. „Tee oder Kaffee?“

Einen Moment lang glaubte sie, er würde protestieren. Doch dann zuckte er lediglich die Achseln und antwortete: „Kaffee, wenn welcher da ist.“

„Xandra?“

„Egal.“ Sie duckte sich bereits unter die Hebebühne, wesentlich mehr an dem Wagen interessiert als an allem anderen.

Also ging Annie über den Hof, durch ein Gartentor, über einen gut beleuchteten Weg zur Rückseite eines lang gestreckten Steinhauses und schloss die Hintertür auf.

Der Hauswirtschaftsraum diente als Abstellkammer für Stiefel und Arbeitskleidung, wo man sich außerdem den gröbsten Schmutz abwaschen konnte. Als Annie in die Küche kam, wurde sie jedoch sofort von der wunderbaren Wärme eines alten Ölofens empfangen.

Hier sah es vertraut aus. An der Spüle füllte sie den Wasserkocher und stellte ihn dann an. Dieser Raum, der viel mehr war als bloß eine Küche, erinnerte sie an die Küchen der Häuser auf King’s Lacey, dem Anwesen ihres Großvaters in Warwickshire.

Die letzte Erinnerung an ihren Vater bestand darin, dass er sie mitgenommen hatte, um die Pächter zu besuchen, ehe er zum letzten Mal abgereist war. Annie hatte bunte Brauselimonade und Früchtepasteten bekommen, während er sich mit den Leuten unterhielt, die er seit seiner Jugend kannte. Er erkundigte sich nach Kindern und Enkeln, diskutierte über Futter- und Getreidepreise. Annie hatte mit den Kätzchen gespielt, die Hühner gefüttert, und die Leute hatten ihr frische Eier zum Mitnehmen geschenkt. Sie war einfach ein Kind gewesen.

Nachdenklich fuhr sie nun mit der Hand über den großen, glatt gescheuerten Küchentisch, betrachtete den breiten Geschirrschrank, auf dem sich die Papiere stapelten. Rasch wischte sie eine Träne fort, als sie die zwei alten Lehnsessel betrachtete, deren Lederpolster abgestoßen und verschlissen war, die hölzernen Armlehnen abgenutzt. Auf einem Sessel lag eine große rot getigerte Katze.

Neben einem der Lehnsessel sah Annie einen Ständer mit Automagazinen, neben dem anderen einen Korb mit Strickzeug. Sie ließ die Katze an ihrer Hand schnuppern, ehe sie anfing, sie zu kraulen, was mit einem lauten Schnurren belohnt wurde. Hier war es urgemütlich, das genaue Gegenteil von der hochmodernen Küche in Annies Londoner Apartment. Die einzigen elektrischen Geräte in diesem Raum waren der große Kühlschrank, der allerdings schon reichlich mitgenommen aussah, und ein kleiner Fernseher auf dem Regal neben dem Kamin.

Das alte Spülbecken stand voller Geschirr, was darauf schließen ließ, dass das Zeitalter der Spülmaschine den Haushalt der Saxons wohl noch nicht erreicht hatte.

Mittlerweile blieb Annie nicht mehr viel Zeit für Hausarbeit. Aber früher einmal, als sie klein war, hatte es eine Zeit gegeben, als sie auf einem Stuhl stehen und beim Abwasch oder Kuchenbacken helfen durfte. Selbst jetzt noch, wenn sie auf dem Land war, zog sie sich gerne ab und zu in die tröstliche Geborgenheit der Küche ihrer Kindheit zurück. Wenn auch nur nachts, nachdem das Personal nach Hause gegangen war, um die Leute nicht unnötig in Verlegenheit zu bringen.

Doch hier war niemand außer ihr. Annie zog die Mütze vom Kopf, schüttelte ihr kurzes Haar und freute sich darüber, wie leicht es sich anfühlte. Dann hängte sie ihre Jacke im Nebenraum auf, suchte sich ein Paar Gummihandschuhe und machte sich an die Arbeit.

Abwaschen war so normal, wie es nur ging, und nachdem Annie fertig war, lächelte sie befriedigt. Es war zwar nicht gerade das, was sie sich für heute Abend vorgestellt hatte, aber ein Abenteuer war es allemal.

Als die Hintertür aufging, trocknete das Geschirr im Abtropfgestell über der Spüle, und Annie hatte eine Kanne Tee für sich und Xandra sowie einen Becher Instant-Kaffee für George gemacht.

„Oh …“ Xandra blieb abrupt an der Küchentür stehen, sobald ihr Blick auf den Küchentisch fiel, wo Annie gerade Tassen und Untertassen bereitstellte. „Normalerweise hänge ich bloß einen Teebeutel in einen Becher.“ Schuldbewusst schaute sie zur Spüle und meinte verblüfft: „Sie haben auch noch abgewaschen.“

„Na ja, du hast mir ja gesagt, ich soll mich ganz wie zu Hause fühlen“, gab Annie trocken zurück.

Es dauerte einen Moment, bis Xandra begriff. Dann lachte sie. „Du bist ein Knaller.“

Ein Knaller? So hatte Anne noch nie jemand genannt.

„Kein Problem.“ Sie schenkte den Tee ein, solange Xandra sich die Hände in der Spüle schrubbte. „Ich nehme an, deine Großmutter ist bei deinem Großvater im Krankenhaus?“

Ehe Xandra antworten konnte, kam auch George Saxon in die Küche, begleitet von einem Schwall eiskalter Luft. Einen Augenblick lang starrte er Annie an, oder vielmehr ihr Haar, und sie wünschte, sie hätte ihre Mütze aufbehalten. Zu spät.

„Hat sie es Ihnen schon gesagt?“, fragte er, als er schließlich seinen Blick von ihr abwandte. Vermutlich sah sie fürchterlich aus.

„Was denn?“

„Dass Ihre Kurbelwelle gebrochen ist.“

„Nein.“ Seine grobe Unhöflichkeit ging ihr allmählich auf die Nerven. Ein echter Gentleman hätte ihre Frisur ignoriert, anstatt das Desaster mit unverhohlenem Entsetzen zu mustern. „Ich habe mir den Knöchel in diesem Loch ein bisschen verdreht. Aber falls sich die Dinge seit meinem Biologie-Unterricht nicht wesentlich geändert haben, glaube ich kaum, dass ich eine Kurbelwelle habe.“

Xandra verschluckte sich fast vor Lachen, was ihr einen finsteren Blick von ihrem Vater einbrachte.

„Die Kurbelwelle, die die Räder Ihres Wagens antreibt, ist gebrochen“, erklärte George ohne jeden Anflug von Humor. „Sie muss ersetzt werden.“

„Wenn ich wüsste, was eine Kurbelwelle ist, würde ich mir wahrscheinlich Sorgen machen“, sagte Annie. „Wie lange wird das dauern?“

Achselzuckend antwortete er: „Ich muss morgen früh telefonieren und schauen, ob es jemanden gibt, der die Sache als Notfall annimmt.“

„Warum?“, fragte sie.

Mit seinen grauen Augen sah er sie an, als ob sie ein Volltrottel wäre. „Ich nehme an, Sie wollen, dass der Schaden repariert wird.“

„Selbstverständlich. Deshalb habe ich Sie ja angerufen. Sie haben eine Werkstatt. Sie reparieren Autos. Also reparieren Sie es.“

„Tut mir leid, das ist unmöglich.“

„Es klingt aber nicht so, als würde es Ihnen leidtun.“

„Tut es auch nicht. Während Granddad hilflos im Krankenhaus liegt, will er die Werkstatt schließen, die seit fast hundert Jahren im Familienbesitz ist“, schaltete Xandra sich ein.

„Tatsächlich?“ Annie sah George unverwandt an. „Scheint mir nicht sehr anständig.“

Ungerührt erwiderte er ihren Blick. Seine Augen waren von kleinen Fältchen umgeben, die sie bei jedem anderen für Lachfältchen gehalten hätte.

„Dafür ist er extra den ganzen weiten Weg von Kalifornien hergekommen“, sagte Xandra, da er schwieg.

„Kalifornien?“ Nun, das erklärte die Fältchen, die offensichtlich eher vom Zusammenkneifen der Augen gegen die Sonneneinstrahlung herrührten als von einem ausgeprägten Sinn für Humor. „Wie interessant. Was tun Sie denn in Kalifornien, Mr. Saxon?“, erkundigte Annie sich mit ihrer Lady-Rose-Stimme.

Seine hochgezogenen Brauen zeigten, dass sie das seiner Meinung nach nicht das Geringste anging. Aber seine Tochter sprang nur allzu bereitwillig ein.

„Meine Mutter sagt, George ist ein Strandfaulenzer.“

An diesem Punkt hätte Lady Rose höflich lächelnd das Thema gewechselt, doch Annie tat das nicht.

„Und hat deine Mutter recht?“, fragte sie.

„Er geht nur dann zur Arbeit, wenn er Lust dazu hat, und er lebt am Strand. Also …“

Obwohl Annie ihn ansah und mit ihm redete, kamen die Antworten von seiner Tochter. Um Xandra zum Schweigen zu bringen, hob Annie daher die Hand und schaute George erwartungsvoll an.

3. KAPITEL

„Ich fürchte, es war Ihr Pech, dass meine Tochter Ihren Anruf entgegengenommen hat“, sagte George. „Wenn ich am Telefon gewesen wäre, hätte ich Ihnen gleich gesagt, dass Sie sich an jemand anders wenden sollen.“

„Verstehe. Warum haben Sie dann nicht einfach eine andere Werkstatt angerufen und denen gesagt, dass sie mich abholen sollen?“, fragte Annie verwundert.

„Das hätte zu lange gedauert, und da Sie alleine waren …“ Er beließ es dabei.

Sie aber nicht. „Ah, Sie sind also ein Gentleman-Strandfaulenzer?“

„Rechnen Sie lieber nicht damit“, entgegnete er.

Annie hatte jahrelange Erfahrung darin, Millionären für einen guten Zweck Geld zu entlocken. Und sie fand, dass dies eine ausgezeichnete Gelegenheit war, das Gelernte zu ihrem eigenen Nutzen einzusetzen.

„Schade, dass Ihre Liebenswürdigkeit nicht so weit reicht, meinen Wagen zu reparieren.“ Statt einer Antwort zog er lediglich seine Jacke aus und hängte sie über eine Stuhllehne. Deshalb fuhr Annie fort: „Also, George, nachdem Sie mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hierhergebracht haben, was schlagen Sie vor, soll ich jetzt tun?“

„Ich schlage vor, dass Sie Ihren Tee austrinken und sich dann ein Taxi rufen.“

Leider lief die Sache nicht ganz so wie erhofft.

„Ich dachte, Sie wollten mich dorthin fahren“, erinnerte sie ihn.

„Ich habe einen langen Tag hinter mir. Neben dem Telefon liegt ein Telefonbuch. Dahinten durch, im Eingangsflur“, ergänzte er. Nur für den Fall, dass sie glaubte, er würde es für sie tun. Nach einem kurzen Blick auf den Instant-Kaffee und die feinen Teetassen aus Porzellan, die Annie gerade auf den Tisch gestellt hatte, nahm er sich einen großen Becher von dem Abtropfgestell und schenkte sich Tee ein.

Als Lady war es Annies erster Impuls, sich dafür zu entschuldigen, dass sie den Saxons solche Umstände bereitete.

In dem Augenblick, als der Lastwagen sie in der Dunkelheit fast überfahren und sie geglaubt hatte, ihr letztes Stündlein sei gekommen, hätte Annie beinahe aufgegeben. Ein einziger Anruf hätte genügt, um sich von einem Chauffeur abholen zu lassen. Dann wäre sie nach Hause zurückgekehrt und hätte von ihrem großen Abenteuer nichts weiter gehabt außer einem grauenhaften Haarschnitt und einer Strafpredigt ihres Großvaters über verantwortungsloses Benehmen.

Aber Annie wollte die reale Welt erleben, und das bedeutete, sich sowohl den angenehmen als auch den unangenehmen Dingen zu stellen. Auf einer dunklen Landstraße eine Panne zu haben war kein Vergnügen. Doch Lydia hätte auch nicht einfach weggehen und es jemand anderem überlassen können, sich darum zu kümmern. Sie hätte sich mit dem Mechaniker auseinandersetzen müssen, der ihren Anruf angenommen hatte, und wenn auch noch so widerwillig.

Lydia hätte sich sicher nicht entschuldigt, sondern darauf bestanden, dass George seinen Job erledigte. Genau das würde Annie auch tun.

„Tut mir leid.“ Sie nahm ihre Teetasse und fuhr in äußerst höflichem Ton fort: „Ich fürchte, das ist absolut inakzeptabel. Als Sie auf meinen Anruf reagiert haben, sind Sie eine vertragliche Verpflichtung eingegangen, und ich bestehe darauf, dass Sie diese auch erfüllen.“

George Saxon, der gerade Zucker in seinen Tee tat, schaute auf. „Tatsächlich?“ Er wirkte nicht sonderlich beeindruckt.

„Laut den Bestimmungen des Dienstleistungsgesetzes“, fügte Annie mit der Haltung einer Frau hinzu, die tagtäglich vor Publikum sprach. „Neunzehnhundertdreiundachtzig.“ Das Gesetz gab es wirklich. Das Datum hatte sie sich allerdings gerade ausgedacht. Der Trick bestand darin, so zu tun, als wüsste man, wovon man redete, und ein genaues Datum verlieh auch dem absurdesten Argument ein gewisses Gewicht.

Dieses Mal lächelte George, wobei tiefe Linien um seinen Mund erschienen, und auch die Fältchen um seine grauen Augen zeigten sich deutlich. Vielleicht kamen sie ja doch nicht nur von der Sonne.

„Das haben Sie gerade erfunden, Annie“, gab er belustigt zurück.

Lächelnd schob sie die Brille zurück, die ihr ständig über die Nase herunterrutschte. „Ich warte einfach so lange, bis Sie es in der Stadtbücherei nachgeprüft haben.“ Damit ließ sie sich auf dem freien Lehnstuhl nieder. „Es sei denn, Sie haben ein Exemplar hier?“ Genüsslich trank sie ihren Tee. „Obwohl, da Sie mit den entsprechenden Vorschriften offensichtlich nicht vertraut sind, gehe ich davon aus, dass dies nicht der Fall ist.“

„Die Bücherei ist bis morgen früh geschlossen“, wandte er ein.

„Es gibt keine Abend-Öffnungszeiten? Wie ungünstig für Sie. Aber das macht nichts, ich kann warten.“ Sie hielt kurz inne. „Oder Sie können einfach meinen Wagen reparieren.“

George hatte es sofort gewusst, als Annie Rowland ihm in die Arme gefallen war und sich angefühlt hatte, als gehörte sie genau dorthin. Diese Frau bedeutete nur Scherereien. Dann hatte sie ihn im Rückspiegel mit ihren großen blauen Augen angeschaut, und jetzt, im Licht der Küche, verstärkte sich dieser Eindruck noch.

Nicht nur groß und blau wie die Glockenblumen im April, waren ihre Augen von langen dunklen Wimpern und perfekt gezupften Augenbrauen umrahmt, die so gar nicht zu der schrecklichen Frisur passten. Ebenso wenig wie zu der grässlichen Brille, die ihr immerzu von der Nase rutschte, als wäre sie ihr viel zu groß.

Während er sie musterte, war er plötzlich sicher, sie schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Als Annie die Brille wieder hochschob, war ihm klar, dass diese ihr nur dazu diente, um sich dahinter zu verstecken.

Alles an ihr war falsch.

Das Auto, auch als Neuwagen nicht gerade hochwertig, hatte seine besten Zeiten längst hinter sich. Ihr Haar war ein Albtraum, und ihre Kleidung kam aus dem Kaufhaus. Aber ihr feiner Duft, den sie vermutlich nach der morgendlichen Dusche aufgetragen hatte, stammte von einem echten Tausend-Dollar-Parfum.

Und dann ihre Stimme.

Niemand sprach so, wenn er nicht dazu geboren war. Nicht mal mit fünfundzwanzigtausend Pfund im Jahr im Internat von Dower House konnte man sich diesen aristokratischen Akzent erkaufen.

George rührte seinen Tee um und trank einen Schluck, während er sich seinen nächsten Schritt überlegte. „Ich organisiere Ihnen einen Mietwagen, bis Ihr Auto fertig ist“, bot er schließlich an. Bei Frauen half seiner Erfahrung nach am ehesten Geld, um ein Problem zu lösen. Aber zuerst wollte er ausprobieren, wie weit er mit schlichter Hilfsbereitschaft kam. „Wenn es Ihnen die Sache leichter macht?“

Behutsam stellte sie die zierliche Porzellantasse auf den Untersetzer zurück. „Tut mir leid, George. Ich fürchte, das ist ausgeschlossen.“

Wie ein Schachspiel, dachte er. Zug und Gegenzug. Und an ihr wirkte alles – die Stimme, die Haltung – so, als wäre sie es gewohnt, den Part der Königin zu spielen. Tja, Pech gehabt. Er war jedenfalls nicht bereit, den Bauern für sie zu geben. Immerhin hatte er schon Mike Jacksons Bentley am Hals. Einen solchen Spezialauftrag konnte man nicht so kurzfristig an eine andere Werkstatt vergeben, wie sein Vater sehr genau wusste. Ganz bestimmt würde George jedoch keinen Job annehmen, den jeder halbwegs vernünftige Mechaniker problemlos erledigte.

Vielleicht, wenn sie ihre Brille mal abnahm …

„Da Ihnen unnötige Unannehmlichkeiten entstanden sind, wäre ich aus Kulanz bereit, Ihnen alle Auslagen zu erstatten“, erklärte er. Es war ihm egal, wie viel es kostete, sie loszuwerden. Hauptsache, sie verschwand möglichst bald.

„Das ist ein sehr großzügiges Angebot, das ich aber leider nicht annehmen kann“, antwortete Annie. „Es geht hier nicht ums Geld, sondern um meinen Führerschein.“

„Sie haben doch einen gültigen Führerschein, oder?“ Wenn nicht, dann wäre sie schneller hier draußen, als er die Polizei rufen konnte.

„Allerdings“, erwiderte sie kühl. „Und er ist tadellos in Ordnung. Dummerweise habe ich ihn jedoch zu Hause liegen lassen. In meiner anderen Handtasche.“ Sie hob die Schultern. „Sie wissen ja, wie das ist.“ Dann lächelte sie George an und meinte: „Nein, wahrscheinlich nicht. Ein Mann braucht ja nur seine Brieftasche einzustecken und hat dann alles bei sich, was er braucht.“

„Und wo genau ist ‚zu Hause‘?“ Er blickte auf ihre Hand. Sie trug keinen Ring, aber das musste nichts heißen.

„In London.“

„London ist groß.“

„Das stimmt.“ Ohne seine Neugier zu befriedigen, fuhr Annie fort: „Ihnen ist sicher bewusst, dass mir ohne Führerschein niemand einen Mietwagen geben wird.“

Schachmatt.

„Also, echt!“, rief Xandra da ungeduldig aus. „Wenn du Annies Auto nicht reparieren willst, dann tu ich’s eben.“ Sie stellte ihre Tasse auf den Tisch und ging zur Tür. „Ich fang gleich damit an.“

„Solltest du nicht lieber an deine Großmutter denken?“, meinte George scharf. „Sie wäre sicher dankbar für ein warmes Essen, wenn sie aus dem Krankenhaus kommt. Oder erwartest du etwa, dass sie für dich kocht?“

„Sie hat …“ Xandra unterbrach sich und sagte stattdessen: „Ich bin hier nicht diejenige, die egoistisch ist.“

Da warf Annie ein: „Ich könnte doch das Essen machen.“

Erstaunt sahen beide sie an.

„Warum sollten Sie das tun?“, fragte George.

„Weil ich mein Auto repariert haben möchte“, gab sie zurück.

„Ein besseres Angebot kriegst du nicht“, erklärte Xandra schnell, bevor er ablehnen konnte. „Meine Kochkünste beschränken sich auf Baked Beans und Toast. Annie kann garantiert was Besseres zustande bringen.“ Sie warf ihr einen bittenden Blick zu.

„Können Sie das?“

„Tja.“ Annie wurde abgelenkt durch Xandras wildes Gestikulieren hinter dem Rücken ihres Vaters. Als er sich umdrehte, um zu sehen, wo sie hinschaute, meinte Annie: „Das ist sicher nicht schwierig.“

Mit schmalen Augen sah er sie an, denn ihm war klar, dass ihm irgendetwas entgangen sein musste. Er ließ seinen Blick noch länger auf ihr ruhen, als irritierte ihn irgendetwas an ihr.

Annie konnte es ihm nachfühlen. Er irritierte sie auch ungemein. Mit dem Zeigefinger schob sie die Hornbrille die Nase hoch. „Was meinen Sie, wie lange es dauern wird?“, erkundigte sie sich.

Er schaute sie noch ein paar Sekunden an, ehe er achselzuckend meinte: „Kommt drauf an, was wir sonst noch feststellen. Ein größerer Schaden löst meistens eine Kettenreaktion aus. Sie sagten, Sie machen eine Autotour?“

Sie nickte. „Das hatte ich eigentlich geplant. Shropshire, Cheshire. Ein bisschen Sightseeing und Shopping.“

„In London gibt es wohl nicht genug Sehenswürdigkeiten und Einkaufsmöglichkeiten?“, fragte er ungläubig.

„Na ja.“ Annie lächelte. „Sie wissen doch, was man über Veränderungen sagt.“

„Eine Veränderung tut so gut wie ein Urlaub?“ Noch immer wirkte George wenig überzeugt. „Es ist jedenfalls keine gute Jahreszeit, um irgendwo liegen zu bleiben. Vor allem, wenn man meilenweit von jeder Ortschaft entfernt ist.“

„Dafür gibt es gar keine gute Jahreszeit“, entgegnete sie.

„Aber es ist lange nicht so gefährlich, wenn die Tage länger und die Nächte warm sind.“ Er überließ es ihrer Fantasie, sich auszumalen, wie es wäre, mitten im Nirgendwo bei winterlicher Kälte und Dunkelheit eine Autopanne zu haben. Nachdem er somit seine Bedenken losgeworden war, fragte er hoffnungsvoll: „Haben Sie es eilig, irgendwo anzukommen?“

„Nein. Das ist ja das Schöne bei einer Autotour, dass man keine festen Pläne hat. Und da Xandra mir von dem Weihnachtsmarkt hier in Maybridge erzählt hat, möchte ich den gerne besuchen.“ Annie, die wusste, dass sie George damit ärgerte, setzte noch hinzu: „Ho-ho-ho.“ Einen Mann zu ärgern war auch eine ganz neue Erfahrung, die sie durchaus genoss.

Xandra prustete vor unterdrücktem Gelächter, woraufhin ihr Vater ihr einen vernichtenden Blick zuwarf. Zu Annie meinte er dann: „Haben Sie schon mit Ihrer Versicherung gesprochen?“

„Wozu?“

„Weil Sie einen Unfall hatten?“

„Oh. Ach ja.“ Die Vorstellung, ihre Versicherung zu kontaktieren, und was das für Folgen hätte, dämpfte ihre Stimmung sofort. „Irgendwie habe ich noch gar nicht daran gedacht.“

„Nein?“ Wieder sah George sie prüfend an. „Vielleicht sollten Sie es jetzt tun. Bei den voraussichtlich anfallenden Reparaturosten für einen so alten Wagen wird er allerdings vermutlich als Totalschaden verbucht.“

„Was? Das können die nicht machen!“

„Oh doch.“

„Aber nur, wenn ich den Schaden melde.“

Er antwortete nicht, und auch Xandra hielt sich diesmal zurück.

„Ich bin versichert“, erklärte Annie rasch. Sie konnte ihm sein Misstrauen nicht verdenken. Zuerst war sie nicht imstande, ihren Führerschein zu präsentieren, und jetzt wollte sie sich nicht an ihre Versicherung wenden. Jeder halbwegs intelligente Mensch wäre da auf die Idee gekommen, dass sie etwas zu verbergen hatte.

Annie hatte sich vorher vergewissert, dass Lydias Auto von ihrer eigenen Versicherung mit abgedeckt war. Aber so einfach war die Sache leider nicht. Falls sie nämlich einen Schaden in Maybridge meldete, obwohl sie angeblich gerade mit dem Flugzeug nach Bab el Sama unterwegs war, würde dies sicher einen großen Aufruhr verursachen.

Natürlich konnte sie das George unmöglich erzählen. Doch irgendetwas musste sie ihm sagen. Je länger sie zögerte, desto unwahrscheinlicher war es, dass er ihr glauben würde. Inzwischen fühlte Annie sich in dem tiefen Lehnstuhl entschieden im Nachteil. Deshalb stellte sie ihre Tasse ab und stand auf, damit sie George direkt in die Augen sehen konnte.

„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass ich Sie nicht bezahle. Ich habe Geld.“ Entschlossen zog sie den V-Ausschnitt ihres Pullovers herunter, griff in ihre Bluse, zog einen Stapel Fünfzig-Pfund-Noten aus einem BH-Körbchen und legte die Scheine auf den Tisch.

„Wow!“, meinte Xandra.

„Reichen tausend Pfund aus?“ Annie wiederholte die Prozedur auf der anderen Seite, ehe sie aufschaute und dem Blick von George begegnete.

„Geh und guck im Lager nach, was für Ersatzteile wir haben, Xandra“, befahl er, ohne Annie eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

Xandra wollte protestieren, besann sich jedoch eines Besseren, stampfte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.

Einen Moment lang herrschte angespannte Stille. Dann wies George auf den Stapel Banknoten. „Wo kommt das her?“

Jetzt erst merkte Annie, dass sie mit ihrer Aktion alles nur noch schlimmer gemacht hatte. Ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als ihm zumindest teilweise die Wahrheit zu sagen. „Es ist meins.“ Als er sich nicht rührte, fuhr sie fort: „Wirklich. Ich möchte meine Kreditkarten aus demselben Grund nicht benutzen, aus dem ich die Versicherung nicht anrufen kann.“

„Und wieso nicht?“, fragte er mit versteinerter Miene.

„Es ist schwer zu erklären.“

„Kein Führerschein, keine Versicherung und ein Haufen Bargeld? Kann ich mir vorstellen, dass das schwer zu erklären ist. Was genau ist Ihr Problem, Annie?“, wollte er wissen. „Vor wem laufen Sie weg? Der Polizei?“

„Nein! Nichts in der Art.“ Annie zögerte. „Es ist etwas Persönliches.“

George zog die Brauen zusammen. „Sie meinen, eine familiäre Geschichte?“

Vermutete er etwa, dass sie vor einem gewalttätigen Ehemann auf der Flucht war?

„Aber Sie tragen keinen Ring“, sagte er.

„Nein, ich bin nicht verheiratet.“

„Also ein Partner. Wieso dann all diese Ausflüchte?“ Er nahm einen Stapel Scheine in die Hand und schnippte darauf. „Und woher stammt das hier?“

„Meine Eltern haben mir ein bisschen Geld hinterlassen. Ich habe mich nicht getraut, Kreditkarten zu benutzen.“

„Oder die Versicherung zu verständigen.“

Annie nickte.

„Ist er gewalttätig?“

„Nein!“

„Aber er will Sie nicht gehen lassen.“

Sie schluckte, was er als Bestätigung auffasste. Das lief ja erstaunlich gut.

„Wie kann er Ihnen auf die Spur kommen? Sie verstehen sicher, dass ich an Xandra und meine Mutter denken muss.“

„Eine Sicherheitsfirma arbeitet für ihn, aber die glauben, ich hätte das Land verlassen. Solange ich nichts tue, womit ich Aufmerksamkeit errege, werden sie mich nicht finden.“

„Ich hoffe, Sie haben nicht auch Ihren Pass zurückgelassen.“

„Nein. Meine Kleidung und das Auto gehören der Freundin, die mir geholfen hat, wegzukommen“, meinte Annie. „Daher habe ich ihr gegenüber ein sehr schlechtes Gewissen. Können Sie den Wagen reparieren?“

George schaute sie lange an, bis er schließlich kopfschüttelnd sagte: „Vom ersten Moment an, als ich Sie gesehen habe, wusste ich, dass Sie mir Ärger machen würden. Ich weiß, ich werde es bereuen, aber ich will mal sehen, ob Ihr Auto zu retten ist, damit Sie weiterfahren können. Ich hoffe nur, der Name Annie Rowland taucht nicht irgendwann im Zusammenhang mit meinem in den Schlagzeilen auf.“

„Garantiert nicht“, versprach sie.

„Natürlich nicht. Wenn ich nämlich eins weiß, dann, dass Ihr Name nicht Rowland ist.“

„Aber Annie stimmt.“ Aus irgendeinem Grund war sie plötzlich froh, ihren eigenen Namen, den sie am liebsten mochte, benutzt zu haben.

„Belassen wir es einfach dabei.“ George stellte seinen Becher ab und ging zur Tür. „Aber was immer Sie fürs Dinner kochen, es sollte den Ärger wert sein, den Sie hier verursachen.“

„Besser als Baked Beans auf Toast wird es auf jeden Fall“, antwortete sie. „Danke, dass Sie mir vertrauen, George.“

„Wer sagt das?“ Mit erhobenen Brauen sah er sie an. „Sparen Sie sich Ihren Dank, und lassen Sie das Zeug da verschwinden.“ Er zeigte auf das Geld. Als Annie es wieder in ihren BH stecken wollte, hielt er sie zurück. „Nein! Nicht.“ Er atmete tief durch. „Warten Sie wenigstens, bis ich weg bin.“

Sie wurde feuerrot. „Tut mir leid.“

„Mir auch“, brummte er und verließ die Küche. „Mir auch.“

4. KAPITEL

Annie hatte gar nicht gemerkt, dass sie den Atem anhielt. Doch sobald die Hintertür ins Schloss fiel, presste sie ihre Hände an die heißen Wangen. „Puh!“

Das war knapp gewesen.

Aber sie schien noch einmal davongekommen zu sein. Jedenfalls fürs Erste. Immerhin hatte sie nicht direkt gelogen, sondern es George überlassen, seine Schlüsse zu ziehen. Allerdings war sie davon überzeugt, dass er die Wahrheit lieber nicht wissen wollte.

Sobald sie zum Kühlschrank ging, sprang die Katze von ihrem Stuhl und strich ihr hoffnungsvoll schnurrend um die Beine.

„Hallo, Kätzchen, möchtest du auch was?“ Annie goss etwas Milch in ein Schälchen. Dann hockte sie sich hin und beobachtete die Katze dabei, wie sie die Milch aufschleckte.

Unwillkürlich musste sie lachen. „Er hat gesagt, ich würde Ärger machen. Weißt du, Kätzchen, das ist das erste Mal in meinem Leben, dass mich jemand angeguckt und an Ärger gedacht hat.“ Die Katze schaute mit Milchtropfen am Mäulchen hoch und schnurrte. „Ja, du hast recht“, meinte Annie. „Es ist wirklich sehr erheiternd. Dafür hat es sich fast gelohnt, Lydias Auto zu Schrott zu fahren. Sag mal, würdest du George Saxon als Strandfaulenzer bezeichnen?“

Die Katze leckte sich mit der langen Zunge die letzten Tropfen von den Schnurrhaaren, was wie ein Kopfschütteln aussah.

„Nein, das dachte ich mir.“

Ein Strandfaulenzer hätte eine lockere, lässige Ausstrahlung gehabt. George Saxon dagegen war der angespannteste Mensch, dem sie je begegnet war.

Nun ja, mit einer Tochter wie Xandra hatte er wahrscheinlich auch Grund dafür. Andererseits, wenn er tatsächlich als Vater nie da gewesen war, hatte er es zweifellos verdient. Und wieso wollte er die Werkstatt schließen? Wie konnte er so etwas tun, während sein Vater im Krankenhaus lag? Schrecklich, aber eine Familienangelegenheit, die Annie nicht das Geringste anging.

Sie wollte nur ihr Auto repariert haben und weiterfahren. Sich die Gegend anschauen, unerkannt einkaufen gehen. Und obwohl sie etwas anderes behauptet hatte, würde sie um den Weihnachtsmarkt in Maybridge einen weiten Bogen machen.

Aber der Gedanke verursachte ihr ein schlechtes Gewissen. So als würde sie das Mädchen im Stich lassen, was natürlich Unsinn war. Ohne Xandra hätte irgendein anderer Mechaniker sie abgeholt.

Ein Mann ohne diese gleichgültige Arroganz, die in jeder Frau mit etwas Temperament den Widerspruchsgeist geweckt hätte. Einer, der sie nicht so festgehalten hätte, als wäre sie eine echte Frau, und nicht wie ein Stück zerbrechliches Porzellan. Jemand, der höflich gewesen wäre, keine unfreundlichen Bemerkungen über ihre Fahrkünste gemacht und ihr zugesagt hätte, den Wagen bis zum nächsten Tag voll funktionsfähig zurückzubringen, weil es so in seinen Vorschriften stand.

Mit anderen Worten: all das, was Annie eigentlich hinter sich lassen wollte. Was immer man George vorwerfen mochte, an Vorschriften hielt er sich jedenfalls nicht. Und mit einem Mann zu streiten, der keine Ahnung davon hatte, dass sie der Engel der Nation war, fand sie sehr viel spannender, als sich in einem Motelzimmer zu verkriechen. Ohne jede Gesellschaft außer dem Fernseher.

Trotz all seiner Fehler hatte George Saxon einen großen Vorteil. Er war das komplette Gegenteil von Rupert Devenish, der ihr noch nie ein „Puh!“ entlockt hatte.

Groß und breitschultrig, hatte George seinen muskulösen Körperbau zweifellos harter Arbeit zu verdanken. Genau wie die Linien in seinen Wangen und um seine Augenwinkel.

Aber man hätte ihn niemals als gut aussehend im klassischen Sinne bezeichnet. Im Gegenteil, seine Gesichtszüge zeigten, dass er schon einiges erlebt hatte, und wie der Bartschatten an seinem Kinn vermuten ließ, schien er nicht allzu sehr auf seine äußere Erscheinung zu achten. Kein Mann, der darauf wartete, dass eine Frau sich ihn als den idealen Ehemann aussuchte, dachte Annie. Eher einer, der, wenn er etwas sah, was er haben wollte, es sich einfach nahm.

Bei dieser Vorstellung überlief sie unwillkürlich ein Schauer. Nein, George war alles andere als ideal, und es wäre sicher am besten, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Dennoch entsprach er ihrem Bedürfnis nach Abenteuer auf geradezu perfekte Weise.

Er war aufregend, beunruhigend und ging ihr auf die Nerven.

Annie wollte Unruhe, um aus ihrem täglichen Trott auszubrechen. Sie wollte Aufregung und vielleicht sogar ein bisschen Wagemut. Bei dem Gedanken, was Wagemut in Bezug auf George Saxon bedeutete, musste sie schlucken.

Nein, er hatte recht. Sie sollte verschwinden. Gerade weil es sich so aufregend und reizvoll anfühlte. Sobald sie das versprochene Essen gekocht hatte, würde sie sich ein Taxi rufen.

Ihr Magen knurrte. Der Lunch war schon lange her, und außerdem war sie viel zu nervös gewesen, um mehr als ein paar Bissen herunterzubringen. In letzter Zeit hatte sie ohnehin kaum etwas gegessen. Eine Tatsache, die in einem der Klatschmagazine aufgegriffen worden war, das nach einem neuen Thema suchte. Eine Essstörung lieferte immer guten Stoff für eine Story.

Zum ersten Mal seit Monaten hatte Annie richtig Hunger. Deshalb ging sie wieder zu dem gut gefüllten Kühlschrank. Aber nicht nur Käse, Schinken, Eier und Gemüse regten ihren Appetit an. Sie hatte schon die große Fleischpastete im mittleren Fach erblickt, die nur noch in den Backofen geschoben werden musste.

Autor

Liz Fielding

In einer absolut malerischen Gegend voller Burgen und Schlösser, die von Geschichten durchdrungen sind, lebt Liz Fielding – in Wales

Sie ist seit fast 30 Jahren glücklich mit ihrem Mann John verheiratet. Kennengelernt hatten die beiden sich in Afrika, wo sie beide eine Zeitlang arbeiteten. Sie bekamen zwei Kinder, die...

Mehr erfahren