Julia Best of Band 194

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

JEDE SÜNDE WERT ... von DARCY, EMMA
Mit rauer Stimme flüstert der attraktive Mann Tammys Namen. Warum hat ihre Freundin Celine nie erwähnt, wie sexy und smart ihr Bruder Fletcher ist? Auf Celines Hochzeitsfeier zieht er Tammy sinnlich an sich. Dieser Mann will alles von ihr. Nur eine Heirat scheint für ihn niemals infrage zu kommen.

ALS SPIEL FING ES AN von DARCY, EMMA
Bei einem Galopprennen trifft Daisy den Milliardär Ethan Cartwright. Sie widersteht seinem Charme und ignoriert seine Tipps für Pferdewetten. Doch dann engagiert er sie als Verwalterin für sein Anwesen. Es beginnt ein sinnliches Spiel, das viel gefährlicher für ihr Herz ist als jede riskante Wette.

VERRATENE LEIDENSCHAFT von DARCY, EMMA
Immer freitags meldet sich Jake bei der bezaubernden Laura und lädt sie in die besten Sterne-Restaurants ein. Diese Nächte gehören nur der Leidenschaft. Trotzdem fragt Jake sich, ob er nicht den größten Fehler seines Lebens begeht. Denn Laura ist die Tochter seines ärgsten Feindes …


  • Erscheinungstag 24.11.2017
  • Bandnummer 0194
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708955
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emma Darcy

JULIA BEST OF BAND 194

1. KAPITEL

Die erste Hochzeit

„Es tut mir leid, dass ich dir Fletcher als Begleiter zumuten muss, Tammy, aber es ging nicht anders. Wir haben ihn zu einem Gefolgsmann des Bräutigams gemacht, damit er einen festgelegten Platz beim Essen hat und sich nicht einfach unter die Gäste mischen kann. Mein Bruder ist nämlich so überheblich, dass er wahrscheinlich jeden Tischnachbarn vor den Kopf stoßen würde. Nun wird er am langen Ende der Hochzeitstafel sitzen und wohl niemanden provozieren. Da dein Platz an der anderen Seite ist, brauchst du dich auch nicht lange mit ihm abzugeben.“

Das waren Celine Stantons entschuldigende Worte gewesen, die sich Tammy Haynes jetzt noch einmal durch den Kopf gehen ließ, während sie mit den anderen vier Freundinnen in der Brautjungfernlimousine zur Kirche fuhr. Obwohl alle fünf seit der Highschool mit Celine Stanton befreundet waren, hatte noch keine diesen Fletcher zu Gesicht bekommen. Von ihm war immer nur als „mein Bruder, das Superhirn“, die Rede gewesen, der „sein Ding“ in Übersee machte und kaum Berührungspunkte mit dem Leben seiner jüngeren Schwester hatte.

Er war erst gestern in Sydney angekommen und hatte sich wegen des Jetlags bei der Hochzeitsprobe entschuldigen lassen. Zähneknirschend gestand Celine ihm das zu, aber eigentlich passte es ihr gar nicht, und sie unterstellte ihm, dass er ihren Wunsch, alles möge an ihrem großen Tag perfekt sein, einfach ignorierte. „Er hätte ja auch einen Tag früher kommen können“, hatte sie geschimpft. „Er sagt, er bräuchte nur da entlangzugehen, und dann würde es schon klappen. Aber ich glaube, er hält es für unter seine Würde, überhaupt etwas zu proben, weil er so intelligent ist.“

Mit seiner überdurchschnittlichen Intelligenz konnte er bei seiner Schwester auf jeden Fall nicht punkten. Aber, dachte Tammy, es machte ihn doch zu einem ganz außerordentlichen Mann, der ihre Neugier weckte. Es gab schließlich nicht allzu viele Leute, die so viel erreicht hatten wie er.

Erst vor kurzem stand ein Artikel über ihn im „Time Magazin“, mit der Überschrift: „Computergenie des Jahres“. Detailgenau wurde darin aufgeführt, wie bemerkenswert er war. Schon als Grundschüler hatte er internationale Mathematikwettbewerbe gewonnen und ging bereits zur Uni, als seine Altersgenossen gerade einmal mit einer weiterführenden Schule begannen. Mit sechzehn verließ er die Universität von Sydney mit einem herausragenden Abschluss, woraufhin ihn der Dekan einer amerikanischen Elitehochschule bat, doch bei ihm zu promovieren. Den Doktor der Mathematik machte er dann mit sage und schreibe einundzwanzig Jahren.

Direkt danach wurde er treibende Kraft einer Softwareschmiede, die ein Logistikprogramm entwickelte, mit dem man internationale Transportprobleme lösen konnte. Er und sein Team verkauften es an Regierungen und Internetfirmen auf der ganzen Welt und machten damit Millionen. Trotzdem ließ Celine kein gutes Haar an ihm.

„Er ist sogar noch überheblicher geworden, seitdem er so unverschämt viel Geld verdient“, hatte sie geschimpft, als sie Tammy auf seine Gesellschaft vorbereitete. „Jeder bewundert ihn, und Frauen werfen sich ihm gleich reihenweise an den Hals. Aber lass dich nicht von seinem Geld blenden, Tammy. Glaub mir, du möchtest nicht mit ihm leben.“

Den Hinweis hätte sie sich sparen können. Tammy wollte sowieso nichts mit einem reichen Mann zu tun haben. Was die bei einer Frau anrichten konnten, sah sie an ihrer Mutter. Sie hatte ihre Schönheit eingesetzt, um sich vermögende Ehemänner zu angeln, die sie fallen ließen, sobald eine attraktivere Frau auf der Bildfläche erschien. Bei keiner ihrer Ehen war Liebe im Spiel gewesen, und auch nicht bei ihren Affären. Es machte Tammy ganz krank, mit ansehen zu müssen, dass ihre Mutter sich immer mehr um ihr Aussehen sorgte, je älter sie wurde. Inzwischen war sie regelrecht sportsüchtig, um schlank und fit zu bleiben, und schreckte auch vor Schönheitsoperationen nicht zurück. Als sei man nur etwas wert, wenn man jung und schön war.

Nein, nein, nein … Für kurze Zeit der Spielball eines reichen Mannes zu sein, gehörte eindeutig nicht zu Tammys Lebenszielen. Wenn sie jemals heiraten sollte, dann, weil sie den Mann aufrichtig liebte und er ihre Liebe erwiderte. Wie bei Celine und Andrew. Deshalb beschloss Tammy jetzt, Fletcher Stanton als Kuriosum zu sehen. Sollte er doch arrogant sein. Nichts konnte ihr diesen besonderen Tag verderben, an dem die erste ihrer fünf Schulfreundinnen heiratete. Vor Jahren hatten sie einander das Versprechen gegeben, bei der Hochzeit einer jeden als Brautjungfern zur Verfügung zu stehen.

Celine, als erste Braut, fuhr jetzt mit ihren Eltern in der Limousine hinter ihnen, und die anderen – Kirsty, Hannah, Lucy und Jennifer – waren mit Tammy in der Brautjungfernlimousine.

Alle sechs waren immer füreinander da, teilten Freud und Leid und konnten sich unbedingt aufeinander verlassen. Was Tammy betraf, hatten ihr die Freundinnen sogar die mangelnde Wärme zu Hause ersetzt. Zwar hatten sich ihre Wege in beruflicher Hinsicht inzwischen getrennt, ihre Freundschaft war aber immer noch genauso stark wie früher, und Tammy hoffte, dass es auch immer so bleiben würde.

Jetzt unterhielten sich die Freundinnen aufgeregt, und Tammy beteiligte sich an ihrem lebhaften Gespräch und dachte nicht mehr an ihren problematischen Begleiter.

Hannah war ganz begeistert von den kupferfarbenen Strähnen, die sie sich extra hatte machen lassen, damit sie farblich zu Lucys natürlichem Rotbraun passte. Am Altar würden dann zwei Rothaarige, zwei Blonde – Celine und Kirsty – und zwei Brünette stehen. Wobei Jennifers Haar dunkelbraun war und Tammys beinah schwarz. Auch die Brautjungfernkleider sahen ganz wunderbar aus. Sie bestanden aus weich fallendem Organza und besaßen einen Volant aus dem gleichen Stoff am Ausschnitt und am Saum. Kirstys Kleid war rosa, Hannahs gelb, Lucys grün, Jennifers blau und Tammys lilafarben. Zusammengenommen bildeten die Freundinnen einen romantischen regenbogenfarbenen Rahmen für das Brautpaar.

Aufgedreht verließen sie vor der Kirche die Limousine und warteten lächelnd, bis die Braut ausstieg. Dann überprüften sie, ob Celines Schleier hübsch fiel und sie den Brautstrauß richtig hielt. Währenddessen scherzten sie mit Celines Vater, der seine Tochter stolz anstrahlte. Im Vorraum zum Kirchenschiff kontrollierten sich die Brautjungfern ein letztes Mal gegenseitig und stellten sich dann für die Prozession zum Altar auf, entschlossen, diesen wichtigen Tag im Leben ihrer Freundin ehrenvoll zu begehen.

Als das Orgelspiel begann, war Tammy sehr aufgeregt. Sie sollte den anderen voranschreiten und hatte plötzlich Angst, aus dem Takt zu geraten.

„Los!“, zischte Jennifer hinter ihr.

Jeder in der Kirche drehte sich um. Tammy zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und versuchte sich daran zu erinnern, wie sie alles geprobt hatten. Lächle, sagte sie sich, als sie Andrew ebenfalls lächelnd vor dem Altar stehen sah – ein glücklicher Mann, der auf seine Braut wartete. Dann ließ sie den Blick über die Reihe seiner Gefolgsleute gleiten, die neben ihm standen. Der letzte musste Celines Bruder sein, wahrscheinlich ein Klassenstrebertyp mit Hornbrille, Hühnerbrust und hängenden Schultern von all der Arbeit am Computer.

Nur, dass er kein bisschen diesem Bild entsprach!

Darüber war sie so erstaunt, dass sie beinah gestolpert wäre. Doch irgendwie gelang es Tammy, halbwegs normal weiterzugehen, während sich ein ganzer Schwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch niederließ und ihren gesunden Menschenverstand ausschaltete. Fletcher Stanton sah einfach großartig aus, und sie vergaß völlig seinen viel gepriesenen Intellekt. Und seine Millionen. Was sein Äußeres betraf, war er einfach ein Traumtyp.

Er hatte ein markantes Gesicht. Nase, Kinn und Wangenknochen waren ausgeprägt, die Brauen schwarz und gerade, sie betonten die dicht bewimperten, dunkelbraunen Augen. Sein fest umrissener Mund verfügte über sehr sinnliche Lippen. Seine Haare waren genauso dunkel wie Tammys, wobei ihm eine Locke vorwitzig in die attraktive Stirn fiel. Er war der Größte in der Reihe, hatte aber nichts Schlaksiges. Jeder Mann sah in einem ordentlich geschnittenen Anzug gut aus, aber Fletcher einfach großartig.

Offenbar lächelte sie immer noch, denn er erwiderte ihr Lächeln und zeigte dabei strahlend weiße Zähne. Und blitzte es da etwa interessiert in seinen Augen? Fand er sie attraktiv? Freute er sich, dass sie während der Hochzeitsfeierlichkeiten seine Partnerin war? Aufgeregt nahm Tammy ihren Platz als fünfte Brautjungfer neben dem Altar ein.

Auf jeden Fall sah sie heute so gut aus wie noch nie. Normalerweise achtete sie nicht besonders auf ihr Äußeres. Es sollte nicht zur wichtigsten Sache in ihrem Leben werden. Aber heute war es etwas anderes. Schließlich wollte sie in Celines Vorstellung von der perfekten Hochzeit passen.

Die Brautjungfern waren von einer Kosmetikerin und einer Friseurin gestylt worden. Danach erkannte sich Tammy kaum wieder. Gekonnt aufgetragener Lidschatten ließ ihre etwas dunklen Augen lebhafter erscheinen. Verschiedene Rougetöne milderten ihre runden Wangen und belebten ihre sonst ziemlich helle Haut. Ihr Mund sah voll und verführerisch aus, nachdem mit etwas Lippenstift und Gloss nachgeholfen worden war. Was Tammys sommersprossige Nase betraf, ließ ein gut deckendes Make-up die Pünktchen wie durch Zauberhand verschwinden. Dazu kam, dass ihr langes, normalerweise glattes Haar ihr nun in sexy Ringellöckchen um die Schultern schwang.

Tammy fand sich richtig hübsch und war begeistert, dass ein Mann wie Fletcher Stanton Notiz von ihr nahm – eine merkwürdig neue und angenehme Erfahrung, die ihr eine Vorstellung davon gab, warum ihre Mutter so viel Aufhebens um ihr Äußeres machte. Tammy erkannte jetzt, dass sich all die Mühe womöglich lohnte … Obwohl es natürlich furchtbar oberflächlich war, nur danach zu gehen, erinnerte sie sich dann. Dabei bemühte sie sich, nicht allzu aufgeregt darüber zu sein, dass sie den heutigen Tag mit diesem Fletcher verbringen würde.

Realistisch betrachtet, war es ja auch eine Zwangsverbindung: Brautjungfer und alleinstehender Bruder der Braut. Mit seinem bemerkenswerten Aussehen und den Millionen auf dem Konto war er bestimmt daran gewöhnt, dass täglich wunderschöne Frauen um seine Aufmerksamkeit buhlten. Dass sie, Tammy, nun wenigstens hübsch aussah, machte es für ihn wahrscheinlich erträglicher. Andererseits durfte sie auch nicht vergessen, dass Celine gesagt hatte, er sei arrogant und überheblich.

Wegen seines Intellekts oder wegen seines guten Aussehens? Womöglich trug beides dazu bei.

Tammy beschloss, sich nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Dieser Fletcher gehörte ihr, zumindest für den Rest des Tages. Sie wollte das Beste daraus machen und war auch gern bereit, den Funken Interesse zu nähren, den sie in seinen Augen gesehen hatte. Außerdem hatte sie ja nichts zu verlieren. Wenigstens würde sie einmal die Erfahrung machen, den bestaussehenden Mann einer Gesellschaft an ihrer Seite zu haben.

Die Trauung begann, und Tammy konzentrierte sich auf die Zeremonie. Celine verdiente ihre volle Unterstützung – als erste der Freundinnen, die heiratete. Vielleicht bin ich die Nächste, dachte Tammy, als sie hörte, wie der Geistliche sagte: „Von diesem Tag an füreinander einzustehen …“ Dabei stellte sie sich Fletcher als Bräutigam vor. Aber da ging doch ihre Fantasie mit ihr durch. Sie hatte den Mann ja noch nicht einmal kennengelernt.

Doch bald wäre es so weit …

Schließlich wurden Andrew und Celine zu Mann und Frau erklärt und unterschrieben die Heiratsurkunde. Der Organist begann einen Hochzeitsmarsch zu spielen. Braut und Bräutigam führten den Auszug aus der Kirche an, wobei Brautjungfern und Gefolgsmänner sich ihnen anschlossen. Endlich stand Tammy Fletcher Stanton gegenüber. Von Nahem war er noch atemberaubender. Auf der Stelle wurden ihre Knie weich, und um das zu überspielen, flüchtete sie sich in Smalltalk.

„Hallo, ich bin Tammy Haynes.“

Er nahm ihren Arm und nickte ihr zu. „Ich weiß“, sagte er dann leise mit sexy Anklang in der Stimme. „Celine hat mir schon alles von dir erzählt.“

„Oho!“ Tammy schluckte trocken und fragte sich sofort, was genau Celine ihm wohl über sie erzählt hatte. Hoffentlich war sie nicht auch als arrogant und überheblich beschrieben worden. „Was hat sie denn über mich gesagt?“, fragte sie zaghaft.

Er schien amüsiert. „Sie hat mir gesagt, dass du eine sehr gute Freundin bist und ich dich nett behandeln soll.“

„Nun … das war lieb von ihr“, erklärte Tammy erleichtert.

„Und ich soll aufpassen, was ich zu dir sage, weil du von euch die mit der schärfsten Zunge bist.“

Fletchers Blick wanderte zu ihren gloss-glänzenden Lippen. „So ein herrlicher Kussmund“, sagte er dann neckend, „und intelligent reden kann er auch noch. Ich freue mich darauf, dich kennenzulernen.“

Tammy atmete tief ein und wandte den Blick von ihm ab, um sich zu sammeln. Fletcher Stanton brachte sie völlig durcheinander. Sie konnte nur noch daran denken, wie gern sie seinen Mund geküsst hätte. Das änderte sich erst, als sie die letzte Kirchenbank vor dem Ausgang erreichten.

„Wieso heißt du Fletcher? Der Name ist doch ziemlich unüblich, als Vorname, meine ich.“

„Weil meine Mutter von Marlon Brandos Darstellung des Fletcher Christian im Film ‚Meuterei auf der Bounty‘ ganz hingerissen war. Ich heiße mit zweitem Vornamen sogar Christian, genauso wie Celine mit zweitem Vornamen Dion heißt, nach der Sängerin. Was Eltern ihren Kindern manchmal aus rein persönlichen Vorlieben antun …“ Er lächelte wehmütig. „Warum denken sie nie daran, was andere Kinder mit diesen Namen machen?“

„Wie würdest du deine Kinder nennen?“

„Paul, Steven, John …“ Er zuckte die Schultern, und Tammy warf ihm einen fragenden Blick zu.

„Was ist mit Mädchennamen?“

„Magst du deinen?“ In seinen Augen blitzte es herausfordernd.

Auch sie zuckte jetzt die Schultern. „Er ist okay und hat mir noch keinen Ärger gemacht.“

Fletcher zog ungläubig eine Augenbraue hoch. „Gab es da nicht einen Fernsehkinderstar, der Tammy hieß und zuckersüß aussah? Als ich deinen Namen hörte, habe ich gedacht, du bist blond und redest ohne Unterlass.“

„Tja, da muss ich dich enttäuschen. Zumindest was die Haarfarbe angeht.“

Er lachte laut auf. „Ich bin froh, dass du der anderen Tammy nicht ähnelst.“

„Eigentlich heiße ich Tamalyn, doch die meisten nennen mich Tam oder Tammy.“

„Ah! Das passt schon besser zu dir. Es klingt irgendwie exotisch.“

Ihr Herz tat einen Sprung. Exotisch? War das sein Eindruck von ihr? Das musste an den Locken liegen. Wenn Fletcher sie morgen mit ihren glatten Haaren sah … Aber heute war heute, und sie würde den Eindruck, den sie auf diesen Mann machte, nicht herunterspielen. Stattdessen griff sie das Bild auf.

„‚Tama‘ ist ein indianisches Wort für Blitz“, erklärte sie. „Meine Mutter hat noch ein ‚Lyn‘ darangehängt, damit es schöner klingt.“

„Blitz …“ Er grinste. „Hast du vor, mich zu treffen?“

„Nur, wenn du mich unfreundlich behandelst.“

„So, so …“

Als sie gemeinsam die Kirche verließen, schien die Sonne nicht nur für die Braut, sondern auch für ihre fünfte Brautjungfer. Tammy war bester Laune. Fletcher genoss ihre Gesellschaft. Er fand sie exotisch. Das Leben war schön.

Sie konnten sich allerdings erst einmal nicht weiter unterhalten, weil der Fotograf ihnen ständig neue Plätze auf der Kirchentreppe zuwies, um die unterschiedlichsten Gruppenfotos zu machen. Als er vorschlug, sie und Fletcher sollten enger beieinanderstehen, hatte Tammy nichts dagegen. Daraufhin legte ihr Fletcher einen Arm um die Taille und zog sie an sich. Dabei reichte sie ihm gerade einmal bis zur Schulter. Einen großen, starken Mann neben sich zu haben, gab ihr das wunderbare Gefühl, gut aufgehoben zu sein – auch wenn so ein Gedanke natürlich völlig altmodisch war. Aber Fletcher Stanton sprach eindeutig Urinstinkte in ihr an.

„Hm … sogar dein Parfüm riecht exotisch“, raunte er ihr jetzt ins Ohr, sodass ihr unter seinem warmen Atem ein wohliger Schauer über den Rücken lief.

„Es heißt ‚White Diamonds‘ – ‚Weiße Diamanten‘“, erklärte sie und war froh, dass Jennifer darauf bestanden hatte, ihr ein bisschen von dem kostbaren Duft aufzusprühen.

In Fletchers Augen glitzerte es amüsiert. „‚White Diamonds‘ klingt kühl. Das Parfüm sollte ‚Purple Passion‘ heißen, ‚Glühende Leidenschaft‘.“

Sie kicherte, ohne es zu wollen, und Jennifer warf ihr einen fragenden Blick zu. „Was ist denn so komisch?“

„Nichts“, prustete Tammy kopfschüttelnd und versuchte vergeblich, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.

„Komm, sag schon“, drängte die Freundin und sah zu Fletcher.

„Tamalyn hat einen glühenden Verehrer“, meinte dieser seelenruhig.

„Tamalyn?“ Jennifer war erstaunt, dass Fletcher die Freundin bei ihrem vollen Vornamen nannte.

„Er findet, der Name passt besser zu mir“, erklärte Tammy und begann wieder zu kichern.

Fletcher drückte ihre Taille, und Tammy hoffte, dass sie mit ihrem Gekicher die exotische Wirkung auf ihn nicht zunichte gemacht hatte. Aber das mit dem glühenden Verehrer war einfach zu viel gewesen.

„Du kannst uns den Witz ja im Auto erklären“, sagte Jennifer. „Es geht weiter.“

Und tatsächlich: Celine und Andrew schritten bereits die Kirchentreppe hinunter, während die anderen Gäste sie mit Reis bewarfen. Die Brautjungfern mussten wieder in die Limousine und die Gefolgsleute des Bräutigams in ihren Wagen. Die nächste Station war „Boronia House“ – das Hotel, in dem der Empfang und das anschließende Essen stattfanden. Fletcher hatte immer noch einen Arm um ihre Taille gelegt. Tammy schenkte ihm ein Lächeln und machte sich zögerlich frei.

„Bis gleich.“

„Ja, bis gleich, ich freue mich schon darauf.“

Tammy schwebte im siebten Himmel, als sie ihren Freundinnen zum Wagen folgte. Fletcher und sie kamen hervorragend miteinander aus. Die Anziehung war gegenseitig. Sie fand ihn auch nicht überheblich oder arrogant und wusste gar nicht, wieso Celine das von ihm behauptet hatte. Vielleicht gab es da eine kleine Geschwisterfehde, weil sich Celine als kleine Schwester gegenüber ihrem älteren, erfolgreichen Bruder zurückgesetzt fühlte.

Aber Celine hatte auch gesagt, dass er Menschen gern vor den Kopf stieß. Vielleicht riss er sich jetzt zusammen und behandelte sie nur nett, weil es die Hochzeit seiner Schwester war. Wie auch immer … Für Urteile irgendwelcher Art war es viel zu früh. Abgesehen davon, fühlte sich Tammy einfach zu gut, um alles zu hinterfragen.

Genieß es, sagte sie sich und stieg lächelnd zu ihren Freundinnen in die Limousine. Sie saß noch nicht richtig, als die anderen sie bestürmten.

„Wow! Da hast du ja wohl den Hauptpreis gezogen!“, rief Kirsty. „Mein Begleiter ist dagegen eine Niete.“

„Ja … da hast du vielleicht Glück gehabt, Tam!“, fiel Hannah ein. „Egal, wie viel Kohle der Typ hat … Er ist auch so einfach der Hammer!“

„Wieso hat uns Celine eigentlich nie erzählt, dass ihr Bruder so ein gut aussehender Mann ist? Sie hat ihn immer nur das Superhirn genannt“, beschwerte sich Lucy.

„Langweilig kann er auch nicht sein, weil sich Tammy mit ihm vor Lachen ja kaum noch halten konnte“, meinte jetzt Jennifer zu den anderen, bevor sie sich direkt an ihre Freundin wandte. „Was hat er zu dir gesagt? Und wieso hat er dich Tamalyn genannt? Seid ihr euch schon nähergekommen?“

„Er fand mich exotisch, da habe ich ihm gesagt, dass ich eigentlich ‚Tamalyn‘ heiße und was mein Name bedeutet.“

„Exotisch? Du?“ Die anderen prusteten vor Lachen.

„Macht es nicht kaputt! Schließlich sehe ich nicht jeden Tag so aus, oder rieche so gut. Danke, übrigens, Jennifer … Da kann ich mein Aussehen doch einmal zu meinem Vorteil nutzen, oder?“

„Natürlich, Süße, mach was draus!“, riefen die anderen im Chor.

Mit diesem Satz hatten sie sich immer angefeuert, und Tammy dachte, wie glücklich sie sich schätzen konnte, all die Jahre so gute Freundinnen gehabt zu haben. Sie hoffte, dass sie es auch bleiben würden, obwohl einige von ihnen inzwischen eine feste Beziehung hatten. Seitdem Celine mit Andrew ausging, war sie für die Freundinnen nicht mehr jederzeit verfügbar. Wenn sie erst einmal alle in festen Händen waren, würden sie sich bestimmt noch seltener sehen. Aber das war der Lauf der Dinge. Tammy hoffte nur, dass sie nicht allzu weit auseinander ziehen würden.

Daran sollte sie sich heute mit Fletcher gelegentlich erinnern, damit sie sich nicht zu etwas hinreißen ließ, das ohnehin aussichtslos war. Fletchers Leben spielte sich schon jetzt vor allem in den großen Metropolen der Welt ab, ein ganzes Weltmeer von Sydney und dem Leben entfernt, das Tammy für sich geplant hatte.

Doch, wer wusste schon, was die Zukunft brachte?

Im Augenblick wusste Tammy nur, dass Fletcher Stanton an der nächsten Station des Hochzeitskonvois auf sie wartete. Diesem Gedanken, der ihr einen wohligen Schauer nach dem anderen bescherte, wollte sie sich jetzt einfach nur hingeben.

2. KAPITEL

Boronia House und seine Anlagen waren als Kulisse für eine Hochzeitsfeier geradezu ideal. Die Fassade allein bildete schon einen herrlichen Hintergrund. Erbaut im Kolonialstil, war das Gebäude im Erdgeschoss zu allen Seiten von einer Veranda umgeben. Im ersten Stock befand sich ein Balkon, der ebenfalls um das ganze Haus lief und über große französische Fenster zu erreichen war. Weiße Säulen unterbrachen die kunstvoll geschmiedeten Eisenverzierungen an den Dachrinnen und dem Balkon. Vor dem Hotel beschatteten alte Pinienbäume wunderbare Azaleenrabatten. In der Mitte des perfekt geschnittenen Rasens befand sich eine in voller Blüte stehende Magnolie. Einige bereits abgefallene rosa und lila Blütenblätter hoben sich kontrastreich vom sie umgebenden Grün ab.

Der Fotograf hatte gerade Braut und Bräutigam vor diesem Baum in Stellung gebracht, als Fletcher Stanton begann, den guten Eindruck, den er bei Tammy hinterlassen hatte, zunichtezumachen.

„Wie romantisch es hier aussieht!“, hatte sie ganz glücklich festgestellt und geseufzt.

„Ja, Celine gebührt die Bestnote für die Auswahl ihrer Bühne“, pflichtete er ihr noch bei. Doch dann … „Aber ich muss mich schon fragen, ob ihr dieser ganze Traum von einer perfekten Hochzeit nicht zu Kopf gestiegen ist.“

Die anderen waren bereits ins Hotel gegangen, um etwas zu trinken. Tammy hingegen war bei Fletcher geblieben, um sich mit ihm zu unterhalten. Aber diese Andeutung gefiel ihr gar nicht.

„Was meinst du damit?“

Er zuckte die Schultern. „Celine ist erst dreiundzwanzig und hat noch nicht einmal einen Job. Es ist dumm, so früh zu heiraten.“

Tammy schwieg empört.

„Würdest du das tun?“, fragte er dann und lockte sie damit aus der Reserve.

„Ja, wenn ich einen Mann aufrichtig lieben würde, und er mich auch.“

Fletcher sah sie missbilligend an. „Du würdest dich also binden, bevor du wirklich weißt, was in dir steckt? Bevor du weißt, was dir das Leben zu bieten hat?“

Damit war klar, dass er nicht vorhatte, sich zu binden.

„Ich weiß nicht, warum mit der Ehe alles andere enden sollte?“, meinte Tammy kämpferisch. „Die Ehe ist dazu da, Erfahrungen noch schöner zu machen, weil man sie mit jemandem teilen kann.“

„Wie oft wird denn eine Ehe diesem Ideal gerecht?“, fragte er zynisch. „Die Statistik sagt sogar, dass besonders sehr jung geschlossene Ehen auch sehr früh wieder geschieden werden.“

Jung oder alt, Tammy hatte während ihrer Ausbildung zur Krankenschwester einander hingebungsvoll verbundene Paare aller Altersgruppen gesehen. Eine Ehe funktionierte, wenn die Partner sich aufrichtig liebten.

„Ich bin der Meinung, dass es noch dümmer ist, wenn man sein Leben von statistischen Auswertungen bestimmen lässt. Außerdem gibt es immer Ausnahmen von der Regel“, antwortete sie hitzig und richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf Celine und Andrew, die einander verliebt ansahen. Und nicht nur für den Fotografen.

Es war schwierig, einen Seelenverwandten zu finden, und das hatte nichts mit dem Alter zu tun. Leider kam Fletcher Stanton bei ihr dafür nun nicht mehr infrage. Verärgerung und Enttäuschung darüber setzten Tammy stark zu. Der Mann sah so gut aus, fühlte sich so gut an und war ihr bis vor einer Minute auch noch sympathisch gewesen.

„Da hast du recht: Man sollte sich das Leben nicht von Statistiken diktieren lassen“, sagte er nun und hatte damit wieder ihre volle Aufmerksamkeit … und ihr Wohlwollen. So arrogant konnte jemand ja nicht sein, wenn er für Gegenargumente zugänglich war. Tammy wartete gespannt darauf, was er noch zu sagen hatte.

„Ich wünsche Celine, dass sie mit Andrew glücklich wird“, erklärte er lächelnd. „Und was ist mit dir, Tamalyn, bist du glücklich?“

„Ja, das bin ich“, antwortete sie lächelnd. Was auch stimmte, solange sie nicht in die Waagschale warf, dass sie immer noch Single war. Wobei sie insgeheim hoffte, dass sich das bis zum Ende des Tages änderte. „Ich bin Krankenschwester, und dieses Jahr mache ich eine Weiterbildung zur Hebamme. Das war immer mein Ziel.“

„Zur Hebamme …“ Er betrachtete sie neugierig. „Wieso?“

„Weil es nichts Aufregenderes gibt, als ein neues Leben auf diese Welt zu bringen.“

Er wirkte erstaunt. „Machen dir die schreienden Babys nichts aus?“

„Sie schreien nur, wenn ihnen etwas fehlt, und ihre Bedürfnisse sind leicht zu befriedigen.“

„Ich schätze, das mit den Bedürfnissen wird immer schwieriger, je älter die Leute werden“, erklärte er nachdenklich. „Mit der Zeit werden sie komplexer.“

„Wie komplex sind deine denn?“

Die Frage schien ihn zu überraschen, aber dann begann er, schallend zu lachen. „Oh, meine sind im Augenblick auch nur ganz grundsätzlicher Natur“, antwortete er schließlich, „und kein bisschen komplex.“ Dabei sah er sie so eindeutig zweideutig an, dass Tammy das Blut in die Wangen schoss und ihre Gedanken verrücktspielten. Da war es wieder, das Verlangen … Ob sie auch in anderen Ländern als Hebamme arbeiten konnte? Ob er sich wieder in Australien niederlassen würde? Schließlich machte es der Stand der Technik möglich, jederzeit und überall verfügbar zu sein. In dem Artikel über ihn hatte Tammy auch gelesen, dass einer seiner Programmierer in Canberra wohnte. Bestimmt konnte Fletcher nach Sydney zurückkehren, wenn er das wollte.

„Woran arbeitest du denn gerade?“

Er zuckte die Schultern. „Lauter Tagesgeschäft. Ich passe unser Programm an die Bedürfnisse der jeweiligen Kunden an.“

„Das scheint dich zu langweilen.“

„Es ist wie Windelnwechseln“, meinte er lächelnd. „Ich bin lieber bei der Geburt dabei, so wie du. Die Entwicklung neuer Ideen, neuer Herangehensweisen an Probleme ist sehr spannend. Aber das Alltagsgeschäft fordert einen nicht wirklich, oder?“

Wie clever, seine Arbeit mit ihrer in Verbindung zu bringen! Aber wäre ein Genie wie er wirklich an einer Krankenschwester wie ihr interessiert, abgesehen von der sexuellen Anziehungskraft?

„Tammy?“, rief in diesem Moment Celine, sodass Tammy gar nicht weiter darüber nachdenken konnte. „Komm mit Fletcher zu uns, damit der Fotograf euch beide vor der Magnolie aufnehmen kann. Das wird bestimmt toll aussehen, mit deinem lilafarbenen Kleid.“

„Da müssen wir der Braut wohl Folge leisten“, raunte Fletcher seiner Begleiterin zu und nahm ihren Arm.

Kurz darauf trafen die anderen Hochzeitsgäste ein und wurden auf den Balkon im ersten Stock geleitet. Von dort aus konnten sie bei kleinen Erfrischungen und Getränken zusehen, wie sich der Fotograf immer neue Posen für das Brautpaar und sein direktes Gefolge einfallen ließ. Einmal wollte er sogar, dass die fünf Brautjungfern sich bei den Händen fassten und im Kreis um die Braut tanzten.

„Sehr hübsch“, meinte Fletcher, als Tammy wieder zu ihm kam, bevor er spöttisch hinzufügte: „Wobei ich Celine eigentlich nie als Maibaum gesehen habe.“

Wie konnte man so eine schöne Szene nur so missinterpretieren, dachte Tammy und sagte ihm das auch. „Heute ist Celine für uns die Hauptperson. Wir haben ihr mit dem Ringelreihen die Ehre erwiesen. Es war eine Hommage für uns an sie.“

„Warum, weil sie geheiratet hat?“, fragte er ungläubig. „Ist das euer wichtigstes Ziel im Leben?“

Er hörte sich an, als wären Tammy und ihre Freundinnen ein Haufen dummer Gänse, deren einziges Lebensziel die Ehe darstellte. Okay, vielleicht erhofften oder erträumten sie es sich, eines Tages zu heiraten. Aber keine von ihnen sah die Ehe als allein selig machend an. Eine solche Verbindung wäre nur mit dem richtigen Mann die Erfüllung, und Celine war nun einmal sicher, dass sie ihn mit Andrew gefunden hatte.

„Celine glaubt, dass die Ehe mit Andrew das Beste für sie ist“, erklärte Tammy deshalb, „und ich würde ihr da nicht widersprechen.“ Das war als Warnung an Fletcher gedacht, endlich still zu sein.

Doch den Gefallen tat er ihr nicht. „Wie, um alles in der Welt, soll Celine denn mit ihren dreiundzwanzig Jahren wissen, was das Beste für sie ist?“

Als ob er so viel mehr Erfahrung hatte! Tammy warf ihm einen verächtlichen Blick zu. „Was hat denn das Alter damit zu tun? Um den richtigen Lebenspartner zu finden, braucht man vor allem Einfühlungsvermögen und Gespür für die eigenen Bedürfnisse. Vielleicht hat ja all die Kopfarbeit, die du leisten musst, dafür gesorgt, dass du deinem Bauchgefühl nicht mehr traust.“

Fletcher zwinkerte ihr amüsiert zu. „Wenn du dabei von meinen sexuellen Bedürfnissen sprichst …“

„Beim Gespür für den richtigen Partner sollte nicht nur das Sexuelle eine Rolle spielen“, erwiderte Tammy beleidigt.

„Aber die Chemie muss stimmen“, beharrte er. Offensichtlich versuchte er nicht einmal, ihre Sichtweise zu verstehen.

„Nun, dann lass dir eins gesagt sein. Auch wenn die Chemie stimmt, kann es sich mit der Anziehungskraft schnell erledigt haben, wenn andere Dinge nicht passen.“

Er grinste. „Celine hatte recht: Du hast eine spitze Zunge.“

„Bei dir hatte sie auch recht: Du bist arrogant und glaubst, alles besser zu wissen.“

Bevor sie ihre Bemerkung bereuen konnte, wandte Tammy sich von ihm ab. Sie würde sich nicht auf seine Seite ziehen lassen, auch wenn er umwerfend gut aussah. Glücklicherweise wurde nun zu Tisch gebeten. Damit saß er am anderen Ende der Tafel, außer Hör- und Sichtweite. Trotzdem fiel es Tammy schwer, nicht an ihn zu denken, auch wenn sie sich besonders angeregt mit ihren Freundinnen unterhielt. Die wollten natürlich wissen, ob da etwas mit Fletcher lief. Aber Tammy tat das entschieden ab.

„Vergesst es! Ein toller Körper ist nun mal nicht alles!“

Dem stimmten die Freundinnen seufzend zu, und das Thema Fletcher wurde fallen gelassen. Aber so sehr sich Tammy auch bemühte, sich zu amüsieren, fühlte sie sich doch niedergeschlagen. Fletcher hatte bei ihr heute eine Menge neuer Empfindungen geweckt. Hätte sie vielleicht doch nicht so abweisend sein sollen?

Glücklicherweise sorgte Celine nach dem Essen dafür, dass sich diese Frage klären ließ, als sie alle gemeinsam zur Toilette gingen, um sich frisch zu machen.

„Läuft da etwa was zwischen dir und meinem Bruder, Tammy?“, fragte sie und runzelte ein wenig besorgt die Stirn.

„Wir haben nur ein bisschen geflirtet. Du hast mir nicht gesagt, dass er so gut aussieht.“

Celine schnitt eine Grimasse. „Fletcher ist das Paradebeispiel für ein männliches Alphatier. Aber hat er dich mit seinem angeblich überragenden Intellekt nicht vor den Kopf gestoßen?“

„Na ja“, Tammy zuckte die Schultern, „ich musste ihn einige Male in die Schranken weisen.“

„Na, da bin ich aber froh, dass du dich nicht total von ihm hast einwickeln lassen. Fletcher steht auf sehr lockere Beziehungen, und ich meine: locker. Keine Frau ist gut genug, um sein Interesse für längere Zeit aufrechtzuerhalten. Abgesehen davon, fliegt er am Montag wieder zurück nach London. Er ist aus deinem Leben verschwunden, bevor du ihn richtig kennengelernt hast.“

„Kein Problem“, antwortete Tammy und konzentrierte sich darauf, ihre Lippen nachzuziehen. Nun brauchte sie sich wenigstens keine Gedanken mehr darüber zu machen, was mit Fletcher Stanton hätte sein können. Er war eindeutig nicht der Richtige für sie.

Als Tammy allerdings etwas später mit ihm tanzen musste, sprach ihre körperliche Reaktion eine andere Sprache.

Nach dem Anschneiden der Hochzeitstorte folgte der Hochzeitswalzer. Die Brautjungfern und die Gefolgsmänner des Bräutigams sollten auf die Tanzfläche, sobald Celine und Andrew ein kleines Solo dargeboten hatten. Als fünfte Brautjungfer musste Tammy mit dem fünften Gefolgsmann tanzen.

„Bist du bereit?“, fragte Fletcher leise, als er neben sie trat.

Tammy wich seinem Blick aus. Während sie daran dachte, dass sie Fletcher gleich berühren würde, begann ihr Puls zu rasen, und ein wahrer Hormoncocktail braute sich in ihr zusammen.

„Ich hoffe, du kannst Walzer tanzen“, sagte sie kühl und hoffte, damit auch ihr Mütchen zu kühlen.

„Bis drei zu zählen, kriege ich gerade noch hin“, antwortete er belustigt. „Eins, zwei, drei … eins, zwei drei.“

„Gute Mathenoten bedeuten noch lange nicht, dass man auch Rhythmusgefühl hat!“

„Wir sind dran“, erklärte er, nahm ihre Hand, die er nicht nur hielt; er schob seine Finger zwischen ihre. Außerdem drückte er Tammy so fest an sich, dass sie einen Arm um seinen Nacken legen musste. Damit bestätigte er ihr nur noch einmal, dass er Ansprüche auf sie erhob und keineswegs die Absicht hatte, sie nach dem Tanz ziehen zu lassen. Dann hielt er perfekt den langsamen, sinnlichen Takt von „Moon River“, den Celine sich als Hochzeitswalzer ausgesucht hatte. Fletcher tanzte göttlich. Tammy schmolz dahin und schmiegte sich schließlich regelrecht an ihn. Sie hatte noch nie einen so hervorragenden Tanzpartner gehabt. Wie er wohl im Bett war?

Glücklicherweise hörte die Musik in diesem Moment auf und bewahrte Tammy davor, noch weiter darüber nachzudenken oder Dinge zu tun, die sie später vielleicht bereuen würde. „Ich muss jetzt den Kuchen servieren“, erklärte sie.

„Wie viele Aufgaben als Brautjungfer hast du denn heute Abend noch?“

„Das ist die letzte.“

„Gut! Dann komme ich wieder zu dir, wenn der Kuchen verteilt ist.“ Langsam nahm er den Arm von ihrer Taille. Dabei sah er Tammy so tief in die Augen, dass es ihr heiß und kalt den Rücken hinunterlief. Sie atmete tief durch. Es würde ihr wahnsinnig schwerfallen, ihm zu widerstehen.

„Dieser Tanz gehörte auch zu meinen Aufgaben als Brautjungfer“, sagte sie dann. „Ich denke, dabei sollten wir es auch belassen.“

„Aber wir tanzen so wunderbar zusammen. Warum sollten wir es nicht noch ein bisschen genießen?“

Weil es keine gute Idee ist, mit dem Feuer zu spielen, lag Tammy auf der Zunge. Doch das sollte sie ihm nicht sagen, denn wüsste er, dass sie kurz davor stand, schwach zu werden.

„Was tanzt du denn am liebsten?“, hakte er nach.

„Salsa“, antwortete sie, wobei sie nicht wusste, ob ihr lieber wäre, wenn Fletcher den lateinamerikanischen Tanz nicht beherrschte oder dass er ganz hervorragend Salsa tanzte, weil sie den Tanz so gern mochte.

Fletcher lächelte zufrieden. „Wenn wir zusammen Salsa tanzen, schwebst du im siebten Himmel.“

„Vielleicht, vielleicht aber auch nicht“, antworte Tammy so gelassen wie möglich. „Entschuldige mich bitte, die Pflicht ruft.“

Als sie davonging, spürte sie, wie sich sein Blick in ihren Rücken brannte. Dieser Fletcher war unglaublich draufgängerisch. Sollte sie es wirklich riskieren, mit ihm Salsa zu tanzen? Besser nicht. Zweifellos würde das noch mehr sexuelle Wünsche in ihr wachrufen, und vielleicht wäre sie dann nicht mehr stark genug, um ihm zu widerstehen.

Doch es sollte sich eine wunderbare Entschuldigung ergeben, um Fletchers Flirtversuchen für den Rest des Abends auszuweichen. Celines zehnjähriger Cousin Ryan hatte zu viele Süßigkeiten gegessen und fühlte sich nicht gut. Tammy bot an, sich um ihn zu kümmern. Zunächst ging sie mit ihm an die frische Luft, und dann setzten sie sich auf der Veranda auf eine Bank. Der Junge legte den Kopf in ihren Schoß und war bald eingeschlafen. Nun hatte Tammy ausreichend Zeit, um über Celines Bruder nachzudenken. Hatte sie nicht an ihrer Mutter gesehen, dass reiche Männer nie blieben, wenn sie bekommen hatten, was sie wollten? Nämlich Sex. Hätte Fletcher sie unter normalen Umständen überhaupt attraktiv gefunden? Exotisch? Das war sie bestimmt nicht. Blieb allerdings die Frage, warum sie sich so stark zu ihm hingezogen fühlte.

Wie auch immer … Bestimmt war es besser, Abstand zu einem Mann zu wahren, der so zynisch über die Liebe und die Ehe dachte.

Als Braut und Bräutigam langsam begannen sich von den Gästen zu verabschieden, kamen Ryans Eltern zu Tammy auf die Veranda, um den Jungen abzuholen. Tammy gesellte sich gerade rechtzeitig wieder zu den anderen Brautjungfern, als der Strauß geworfen wurde. Kirsty fing ihn. Die Feier war zu Ende, und alle begleiteten das Hochzeitspaar lachend hinaus, wo die Fahrer der Limousinen bereits warteten.

Als Tammy gerade einsteigen wollte, kam Fletcher auf sie zu.

„Wo bist du gewesen?“

„Ich habe mich um einen Gast gekümmert, dem es schlecht geworden ist“, erklärte Tammy und reichte Fletcher zum Abschied die Hand. „Auf Wiedersehen! Ich wünsche dir für Montag einen guten Flug zurück nach London.“

Ihre betont unpersönlichen Worte riefen ein spöttisches Blinzeln in seine Augen. „Ich schätze mal, du musst morgen gleich wieder arbeiten.“

„Ja“, antwortete sie bestimmt.

„Es war mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen, Tamalyn“, erklärte er genauso kühl und höflich, wie sie es getan hatte. „So oft werde ich nicht vom Blitz getroffen“, fügte er dann überraschend und mit einem neckischen Lächeln hinzu.

Ihre Wege trennten sich, und auch wenn es keine Zukunft für sie beide geben konnte, wurde es Tammy schwer ums Herz. „Wer weiß“, sagte sie deshalb, „vielleicht treffen wir uns einmal wieder.“

Dann entzog sie ihm die Hand und stieg in den Wagen, bevor das Bedauern darüber, nicht mit Fletcher geschlafen zu haben, stärker wurde als das Bewusstsein, dass er nicht gut für sie war.

3. KAPITEL

Die zweite Hochzeit

Würde Fletcher Stanton auch da sein?

Diese Frage beschäftigte Tammy, seitdem Kirsty ihre Verlobung mit Paul Hathaway bekannt gegeben hatte. Zeitgleich erfuhr Tammy, dass es sich bei dessen Bruder Max um das mathematische Superhirn aus Fletchers Hightech-Team handelte, das in Canberra wohnte. Natürlich war es höchst unwahrscheinlich, dass ein Arbeitskollege des Bruders des Bräutigams zu dessen Hochzeit eingeladen wurde, aber …

Tammy hätte Kirsty einfach fragen können, ob Fletcher auf der Gästeliste stand. Doch die Blöße wollte sie sich nicht geben. Es wäre doch ein wenig auffällig, Interesse an einem Mann zu zeigen, von dem sie seit Celines Hochzeit vor sechs Monaten nichts mehr gehört hatte.

Na gut, sie war es gewesen, die ihm einen Korb gegeben hatte. Dennoch … Fletcher war ihr einfach nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Andere Männer, mit denen sie sich über die Jahre getroffen hatte – nette, anständige Kerle – hatten niemals dieses sexuelle Interesse in ihr geweckt. Außerdem hatte sie sich von ihnen auch niemals so herausgefordert gefühlt wie von Fletcher.

Sie wollte ihn einfach wiedersehen … Vielleicht würde sie dann die dumme Angewohnheit lassen, das Foto von ihnen beiden unter der Magnolie herauszuholen, um sich zu fragen, ob es falsch gewesen war, ihn abzuweisen.

Am Morgen der zweiten Hochzeit fuhr Tammy in die Stadt, um sich mit ihren Freundinnen in einem Friseursalon zu treffen. Ihr war regelrecht schlecht vor Aufregung. Es war ein großer Tag – Kirsty heiratete –, und Fletcher Stanton sollte da eigentlich keine Rolle spielen.

Als Tammy im Salon ankam, waren die anderen bereits da.

„Oh, was ich gestern Abend bei unserer Girlsparty ganz vergessen habe“, erklärte Kirsty gerade, „Celines Bruder kommt auch zur Hochzeit.“

„Fletcher?“ Celine wirbelte in ihrem Salonstuhl herum … und entdeckte Tammy, die wie angewurzelt stehen geblieben war und verzweifelt versuchte, so ungerührt wie möglich zu wirken.

„Fletcher hat Max gefragt, ob er zur Hochzeit kommen könne“, erklärte Kirsty.

„Er hat ihn gefragt?“ Celine konnte es nicht glauben.

„Ja, in einer E-Mail, die er Max am Donnerstag geschickt hat.“

„Wie ungewöhnlich für Fletcher!“ Celine schüttelte den Kopf. „Ich wusste ja gar nicht, dass er gerade in Australien ist.“

„Das ist er nicht. Er kommt heute Morgen mit dem Flugzeug an“, fuhr Kirsty fort.

„Sich einfach so selbst einzuladen! Das passt gar nicht zu Fletcher“, bemerkte Celine stirnrunzelnd.

Kirsty zuckte die Schultern. „Ein Gast mehr oder weniger macht keinen Unterschied. Zum Essen servieren wir Fingerfood. Es gibt keine Sitzordnung.“

Celine sah besorgt zu Tammy, der man nun den Platz neben Jennifer zuwies. „Hat Max gesagt, warum Fletcher kommen wollte?“, setzte Celine ihre Befragung fort.

„Nicht, dass ich wüsste. Max hat Paul angerufen und ihm Fletchers Wunsch unterbreitet. Paul hat mich gefragt, ob ich einverstanden wäre.“

Jennifer blinzelte Tammy zu. „Vielleicht bekommst du jetzt deine zweite Chance. Er war ziemlich enttäuscht, als du ihm das letzte Mal entwischt bist, und hat überall nach dir gefragt.“

„Das ist ein halbes Jahr her“, erinnerte Tammy sie und versuchte, ihren plötzlich stark erhöhten Herzschlag zu ignorieren. „Und ich habe ihm einen Korb gegeben, weißt du noch?“

„Trotzdem war er an dir interessiert“, schaltete sich nun Lucy ein. „Vielleicht ist er seitdem ein bisschen sanftmütiger geworden und nicht mehr so arrogant. Es wäre doch eine Schande, es mit einem solchen Traumtypen nicht wenigstens zu probieren.“

„Jetzt hör aber auf, Lucy!“, fuhr Celine dazwischen. „Fletcher behandelt Frauen, als gäbe es sie am laufenden Meter. Ihm nachzujagen wäre wohl das Dümmste, was Tammy tun könnte.“

„Nicht, wenn es ihr gelingt, ihn an sich zu binden“, erklärte Lucy, die sich nicht so leicht unterkriegen ließ. „Ich wette, dass man es nicht bereut, mit ihm ins Bett zu gehen“, fügte sie dann schwärmerisch hinzu.

„Und was hätte ich davon?“, herrschte Tammy sie an. „Er lebt in Übersee.“

„Bestimmt ein wunderbar leidenschaftliches Erlebnis, an das du dich für den Rest deiner Tage erinnern kannst“, antwortete Lucy und sah sie dann fragend an. „Hattest du schon einmal so ein Erlebnis, Tam? Ich meine, du redest nie über dein Sexleben. Du hörst uns immer nur zu.“

„Weil ich eure Geschichten interessanter finde. Und ja, ich hatte schon einige umwerfende Momente mit einem Mann.“

Mit Fletcher Stanton, um genau zu sein, als wir Walzer getanzt haben.

Das hatte Lucy natürlich nicht gemeint, aber der Tanz mit Fletcher gehörte tatsächlich zu den Highlights in Tammys Liebesleben. Sie hatte die körperliche Beziehung zu einem Mann nie so lässig handhaben können wie ihre Freundinnen. Für Tammy musste auch Liebe im Spiel sein, wenn sie mit einem Mann schlief. Für weniger war sie nicht zu haben. „Thema beendet!“, rief sie nun. „Wie soll ich mir die Haare machen lassen, Kirsty?“

Kirsty wollte, dass Tammys langes Haar gewellt und dann zu einem Seitenzopf zusammengenommen wurde, der ihr über die Schulter fiel. Sehr weiblich, aber war es auch sexy?, überlegte Tammy und hoffte insgeheim, dass sich Fletcher wieder zu ihr hingezogen fühlen würde. Sie wollte seine Nähe, um ihre Gefühle ihm gegenüber testen zu können.

Ob sein Wunsch, zur Hochzeit zu kommen, etwas mit ihr zu tun hatte? Bestimmt wusste er, dass sie als Kirstys Brautjungfer ebenfalls anwesend sein würde. Aber vielleicht hatte er auch nur ein geschäftliches Meeting mit Max und wollte das Berufliche mit dem Angenehmen verbinden.

Ob er sich noch genauso gut an sie erinnerte wie sie sich an ihn?

Tammy war so nervös, dass ihr die Stunden bis zur Trauung unendlich lang vorkamen. Vom Friseur aus ging es direkt ins Nagelstudio, und danach war eine Kosmetikerin in Kirstys Elternhaus bestellt worden.

Während Tammy beobachtete, welche Kunststücke die Frau an ihr vollbrachte, dachte sie, dass Fletcher sie nun wieder von ihrer besten, wenn auch gekünstelten Seite sehen würde. Ob er sie ohne Make-up auch anziehend fand?

Endlich kamen die Wagen, um sie zur Hochzeitsfeier zu bringen. Für den Empfang war eine unter Denkmalschutz stehende Villa im Sydney-Harbour-Nationalpark angemietet worden. Die Trauung sollte davor unter freiem Himmel stattfinden, während die Sonne langsam im Meer versank und die Harbour Bridge, das weltberühmte Opernhaus und die langgestreckte Landzunge mit ihren zahlreichen Buchten in ein goldenes Licht tauchte – eine außergewöhnliche Szenerie für eine Hochzeit.

Die Fahrt von Kirstys Elternhaus bis zum Haus im Park dauerte nicht lange, trotzdem zählte Tammy die Minuten, bis sie Fletcher wiedersehen würde. Ihr Herz raste, als die Wagen in eine lang gestreckte Auffahrt einbogen, die auf die imposante Villa mit ihrer großen Terrasse zulief. Dort tummelten sich bereits Hochzeitsgäste zwischen den Stuhlreihen, die man für die Zeremonie aufgestellt hatte. Es waren viel zu viele Menschen, um Fletcher sofort ausmachen zu können, und Tammy blieb auch keine Zeit, um sich länger damit zu befassen. Die Braut war schon da und sah in ihrem Kleid im altgriechischen Stil einfach wundervoll aus. Die Freundinnen stiegen bereits aus. Tammy musste ihnen folgen, um ihrer Rolle als Brautjungfer gerecht zu werden.

„Fletcher ist tatsächlich gekommen“, flüsterte ihr da Celine zu, als sie die Stufen zur Terrasse beschritten. „Er steht neben Andrew ganz hinten an den Stuhlreihen und sieht dich direkt an.“

Tammy wandte den Kopf, und als sich ihre Blick trafen, war sie wie elektrisiert. Allerdings war Fletcher zu weit weg, um den Ausdruck in seinen Augen beurteilen zu können. Aber Tammy fühlte, dass er sie fragend ansah. Ja, ja, ja, hätte sie ihm am liebsten zugerufen. Später dachte sie, sie hätte lächeln sollen, ein positives Signal geben, aber bevor sie wieder klar denken konnte, tippte ihr Celine auf den Rücken. „Geh weiter!“ Und Tammys Aufmerksamkeit galt wieder ihrer Aufgabe als Brautjungfer. Für Fletcher wäre später noch Zeit.

Doch während Tammy auf den Altar zuschritt, wäre sie vor Freude am liebsten in die Luft gesprungen. Gemessenen Schrittes zu gehen verlangte ihr jetzt das Äußerste ab. Zumindest fiel es ihr nun leicht, zu lächeln. Sogar in dem Maße, dass sie während der gesamten Zeremonie strahlte.

Das tat sie immer noch, als sich Fletcher einen Weg durch die Menge bahnte und dann langsam auf sie zukam.

„Tamalyn …“

Aus seinem Mund klang ihr Name wie ein Trommelwirbel, und der Blick seiner dunklen Augen schien sich dabei in ihre Seele zu brennen. Tammy überlief es heiß, und sie drückte ihren Brautjungfernstrauß fest an sich, als würde ihr das helfen, sich zusammenzureißen.

„Hallo“, sagte sie dann freundlich. „Ich hätte nicht gedacht, dass Hochzeiten dein Ding sind, Fletcher. Was machst du hier?“

„Da hatte das Schicksal seine Finger im Spiel, weil Kirsty Max’ Bruder geheiratet hat“, antwortete er und lächelte über den Zufall, ohne jedoch zu erwähnen, wie er ihn für sich genutzt hatte. „Ich darf sagen, dass es sich gelohnt hat, zu kommen, nur um dich wiederzusehen.“

„Das will ich mal als Kompliment auffassen“, sagte sie leichthin.

„Es ist mein Ernst“, beharrte er mit seiner sexy Stimme. „Jedes Mal, wenn wir uns sehen, trifft mich deine Schönheit wie der Blitz.“

Doch mit diesen Worten erreichte er bei Tammy nicht den gewünschten Effekt, ganz im Gegenteil. Sie gaben ihr das Gefühl, dass sie auf der Hut sein sollte. Schönheit konnte einen Mann wie ihn nicht halten. Das hatte sie bei ihrer Mutter miterlebt. Und so wie bei den beiden Hochzeiten sah sie normalerweise nicht aus. Sie wollte auch nicht, dass sich Fletcher nur wegen ihres Aussehens zu ihr hingezogen fühlte. Deshalb musste sie etwas dagegenhalten.

„Ja, aber Schönheit ist vergänglich, Fletcher. Du gewöhnst dich daran und ziehst weiter.“

„Ich trage die Erinnerung unseres letzten Zusammentreffens immer noch bei mir, auch die Wunden sind längst nicht verheilt.“

„Was denn für Wunden?“ Tammy zog eine Augenbraue hoch. Hatte es ihn wirklich berührt, dass sie ihm einen Korb gegeben hatte?

„Wunden vom Kampf.“ Er schnitt eine Grimasse. „Letztes Mal habe ich gegen dich verloren.“

Tammy sah ihn zweifelnd an. „Heißt das, dass du heute gewinnen willst?“, fragte sie dann und überlegte, ob er nur gekommen war, um sein verletztes Selbstbewusstsein wieder zu stärken.

„Habe ich denn eine Chance?“

„Das hängt davon ab, wie sehr du mich reizt.“

„Ich habe meine Lektion gelernt“, erwiderte er mit gespielter Ernsthaftigkeit. „Keine Bemerkungen mehr über die Ehen deiner Freundinnen.“

„Nette Dinge darfst du schon sagen“, meinte Tammy und hoffte, dass er in Bezug auf das Heiraten auch seine Meinung geändert hatte.

„Da konzentriere ich mich lieber auf dich.“ Sein Blick brannte sich in ihren, mit einer Zielgerichtetheit, die keine Ausflucht bot. „Bist du mit jemandem zusammen, Tamalyn?“

„Nein, und du?“, fragte Tammy mit einer Gegenfrage.

Er lächelte zufrieden. „Ich bin allein gekommen, in der Hoffnung, dass du mir heute Abend Gesellschaft leistest.“

„Tatsächlich? Ich dachte, du würdest dir noch die Wunden vom letzten Mal lecken.“

Nun lachte er übers ganze Gesicht. „Ich finde es sehr amüsant, mich mit dir zu messen.“

„Dann versuche ich mein Bestes, wann immer du mich herausforderst.“

„Sobald es deine Brautjungfernpflichten zulassen.“

„Bist du so wild auf meine spitze Zunge?“

Ihre Bemerkung konnte man auch anders verstehen, und Fletchers Augen leuchteten vor Verlangen. „Ich schätze mal, sie macht abhängig“, sagte er dann mit einem bedeutungsvollen Blick auf ihren Mund.

Er wollte sie heute Abend küssen. Daran bestand kein Zweifel. Und Tammy wollte es auch, und zwar so sehr, dass ihr jetzt die Worte fehlten.

„Tammy, die Fotos!“, durchbrach Jennifer in diesem Moment das Schweigen.

Tammy schluckte. „Ich muss gehen …“

Fletcher deutete eine kleine Verbeugung an. „Tu, was du nicht lassen kannst. Während du mit der Kamera flirtest, warte ich geduldig, bis ich an der Reihe bin.“

4. KAPITEL

Sobald die Fotosession vorbei war, steuerte auch Fletcher wieder auf Tammy zu, mit zwei Glas Champagner in der Hand und einer Bedienung mit Kanapees im Schlepptau.

„Wir könnten uns ein ruhiges Plätzchen suchen und die Aussicht genießen“, schlug er vor, nachdem sie sich etwas zu essen ausgesucht hatten. Dabei sah er Tammy mit einem Blick an, der in ihr sofort das Verlangen weckte.

„Geh du voran.“ Tammy zögerte nicht, auf Fletchers Vorschlag einzugehen. Sie wollte mit ihm allein sein und herausfinden, welche Gefühle er noch in ihr hervorrufen würde. Während sie sich einen Weg durch die Menge bahnten, legte er ihr beschützend einen Arm um die Taille. Wieder schwelgte Tammy in dem Gefühl, dass sich ein starker Mann um sie kümmerte. Fletcher führte sie einige Treppen hinunter zu einer etwas tiefer gelegenen Terrasse, von der man einen wunderbaren Blick auf den beeindruckenden Hafen hatte.

„Du kommst doch viel herum, Fletcher“, sagte Tammy, nachdem sie sich auf eine Bank gesetzt hatten. „Gibt es da Gegenden, die schöner sind als diese?“ Mit der Frage hoffte sie, auch ein bisschen mehr über sein Leben zu erfahren, das sich so sehr von ihrem unterschied.

„Nein, nirgends ist es wie hier. Aber viele Orte haben ihren ganz eigenen Charme. Man kann sie eigentlich nicht miteinander vergleichen. Dabei gefallen mir die von Menschenhand geschaffenen Landschaften nicht so gut wie die ursprünglichen, wie zum Beispiel die Eisberge in Alaska, die Halong-Bucht in Vietnam oder die Serengeti in Kenia und Tansania … Warst du schon mal in Übersee, Tamalyn?“

Sie schüttelte den Kopf. „Dafür fehlte mir immer das Geld.“

„Krankenschwestern verdienen nicht besonders gut, hm?“, stellte er freundlich fest. „Hast du deine Ausbildung zur Hebamme inzwischen abgeschlossen?“

„Beinah.“ Sie lächelte. „Wie schön, dass du dich daran erinnerst.“

„Während des vergangenen halben Jahres habe ich mich an noch viel mehr von dir erinnert: an dein wildes schwarzes Haar, deine dunklen Augen, die schnelle Zunge, dein natürliches Rhythmusgefühl und deine Hilfsbereitschaft. Es gibt nichts von dir, das ich vergessen hätte.“

Das zu hören, schmeichelte und überraschte Tammy. „Dabei bin ich nicht einmal nett zu dir gewesen.“

„Nett?“ Er lachte. „Das kann ich jeden Tag von Frauen haben. Mir ist Esprit und Witz lieber. Sag mal, findest du das mit dem Babygeschrei immer noch so erfüllend?“

„Ja, obwohl es schlimm ist, wenn …“ Unwillkürlich traten ihr Tränen in die Augen. Sie hatte gedacht, sie hätte das tragische Ereignis der vergangenen Woche verarbeitet. Doch vielleicht hatte sie es nur verdrängt, und jetzt, da sie Fletcher beinahe davon erzählt hätte, war alles wieder ganz präsent. „Wir haben letzte Woche ein Baby verloren.“ Sie schüttelte den Kopf, um nicht endgültig in Tränen auszubrechen. „Es war schrecklich.“

„Es … Es ist doch nicht dein Fehler gewesen?“

„Nein.“ Tammy war gerührt, dass er sich Sorgen um sie machte. „Das Neugeborene hatte keinerlei Überlebenschancen. Das arme Kleine.“ Sie blinzelte, um die Tränen zu vertreiben, und sah dann mit einem zaghaften Lächeln zu ihm auf. „Ich weiß gar nicht, wieso ich dir das erzähle. Dich interessiert das doch gar nicht, oder?“

Er sah sie nur an – reglos –, als wäre er gelähmt davon, dass sie ihm ihr Herz ausgeschüttet hatte.

„Leben und Tod …“, sagte er schließlich mit gepresster Stimme. „Du kommst jeden Tag damit in Kontakt, während ich …“ Er schnitt eine Grimasse. „… nur mit Zahlen arbeite, völlig losgelöst von den Realitäten des Lebens.“ Er hob die Hand und strich ihr ganz sacht über die Wange.

„Es tut mir leid, Fletcher. Ich wollte dir das gar nicht erzählen. Du kannst doch auch unheimlich stolz auf das sein, was du leistest. Die meisten Leute wären nicht einmal in Ansätzen dazu in der Lage, und …“

Mit den Fingerspitzen berührte er ihre Lippen und stoppte damit ihren Versuch, seine Leistungen herauszustellen.

„Ich bin derjenige, der sich entschuldigen sollte“, erklärte er reuig. „Schließlich habe ich deine Arbeit nur mit Babygeschrei verglichen. Das war sehr abwertend. Es war mir nicht bewusst, dass es auch schmerzliche Momente dabei geben kann. Letztes Mal, als wir uns getroffen haben, klangst du so glücklich darüber, dass du Hebamme wirst.“

„Meistens ist es auch wundervoll“, versicherte sie ihm.

„Gut!“

Er lächelte, und Tammy hatte das Gefühl, als käme nach dem Regen die Sonne durch die Wolken. Es war nichts verdorben. Trotz ihrer Offenheit interessierte sich Fletcher immer noch für sie, und es war wunderschön, sich seiner Anteilnahme gewiss zu sein.

Sie blieben noch eine Weile auf der Terrasse und beobachteten, wie im Hafen nach und nach die Lichter angingen. Dann folgten sie den anderen Gästen ins Haus.

Es war kein formeller Empfang, eher eine Cocktailparty, bei der ständig Häppchen herumgereicht wurden. Tammy hätte nie gedacht, dass essen sexy sein könnte. Aber irgendwie wurde es mit Fletcher dazu. Als ihr etwas Mayonnaise aufs Kinn geriet, tupfte er sie weg und leckte dann so genüsslich an seinem Finger, dass es Tammy ganz heiß wurde. Unwillkürlich fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen, und das lag nicht an den servierten Köstlichkeiten. Sie wollte ihn schmecken, wollte alles erfahren, das ihn ausmachte.

Das schien ihm umgekehrt genauso zu gehen. Denn obwohl seine Schwester und Max Hathaway auch auf der Hochzeitsfeier waren, kümmerte er sich ausschließlich um Tammy. Keine ihrer Freundinnen unterbrach ihre Zweisamkeit, und auch Max Hathaway kam nur einmal kurz vorbei, um Hallo zu sagen. Dabei musterte er Tammy neugierig.

„Jetzt verstehe ich, warum du unbedingt eingeladen werden wolltest, Fletcher.“

„Danke, dass du mir den Gefallen getan hast.“

„Gern geschehen.“

Max nickte beiden zu und ging weiter, ohne mit Fletcher irgendeinen Termin für den nächsten Tag oder die kommende Woche zu vereinbaren.

Dann stimmte es also, dachte Tammy. Fletcher war ihretwegen gekommen. Aber für wie lange?

„Wann fliegst du zurück?“

Er stöhnte leise auf. „Morgen Nachmittag. Ich muss kommende Woche wieder in Washington sein.“

So blieb ihnen nur diese Nacht! „Dann ist das also wieder nur eine Stippvisite in Australien“, sagte sie, bemüht, nicht allzu enttäuscht zu klingen.

Fletcher suchte ihren Blick. „Nur der Gedanke an dich hat mich hierhergelockt“, versuchte er erst gar nicht, sein Verlangen zu verbergen.

„Mit welchem Ziel, Fletcher?“

„Was immer wir daraus machen“, antwortete er vielsagend.

Tammy schluckte. Was für eine unverbindliche Aussage. Sie wollte kein One-Night-Stand sein, den man möglicherweise irgendwann wiederholte oder auch nicht. Aus dem vielleicht auch mal so etwas wie eine Beziehung wurde oder auch nicht. Aber vielleicht musste sie das Risiko eingehen.

„Dann genieße ich lieber deine Tanzkünste, solange noch Zeit dazu ist“, erwiderte sie schließlich und rang sich ein Lächeln ab. „Wenn du Lust dazu hast.“

„Ich habe auf jeden Fall Lust auf dich“, antwortete er und zwinkerte ihr verführerisch zu.

Der Discjockey hatte seine Arbeit schon aufgenommen und spielte bekannte Popmusiktitel. Entsprechend voll war die kleine Tanzfläche. Dadurch konnte man keine eindrucksvollen Figuren aufs Parkett legen, sich aber beim Tanzen problemlos näherkommen – sehr nahe. Auch das beherrschte Fletcher – mindestens so gut wie die Walzerschritte auf Celines Hochzeit.

Tammy hatte nichts gegen seine sündig sinnlichen Bewegungen und Berührungen. Im Gegenteil, sie genoss es, dass er seine Hände über ihren Körper gleiten ließ und sie seine muskulösen Oberschenkel an ihrer Hüfte spürte.

Sie fühlte sich großartig und unheimlich sexy, und eine wunderbare Vorfreude breitete sich in ihr aus. Sie würde mit diesem Mann schlafen und wollte sich ihm dabei so stark ins Bewusstsein bringen, dass keine andere Frau jemals diesen Platz einnehmen konnte und er einfach zu ihr zurückkommen musste.

Die Musik machte eine Pause, und der Discjockey verkündete, dass nun einige Reden gehalten würden. Die Gäste begaben sich in den großen Saal. Die Kellnerinnen servierten eisgekühlten Champagner. Fletcher nahm zwei Gläser und reichte eines an Tammy weiter. Dann suchten sie sich einen Platz, um den Rednern zuzuhören.

Tammy konnte ihnen allerdings nicht wirklich folgen, weil ihre ganze Aufmerksamkeit Fletcher galt, der direkt hinter ihr stand. Er spielte mit ihrem Haar, strich ihr mit dem Finger über den bloßen Rücken und blies ihr spielerisch in den Nacken. „Können wir gehen, wenn die Reden vorbei sind?“, hörte sie ihn auf einmal flüstern.

„Wohin?“, fragte sie genauso leise zurück, während sie sich seiner Berührungen und seiner Nähe unglaublich bewusst war.

„Ich habe in einem Hotel in ‚Double Bay‘ eine Suite gebucht.“

„Das sind ja nur ein paar Kilometer!“

„Ja, und mein Wagen steht auf dem Parkplatz hier hinterm Haus. Wir könnten also sofort los.“

„Ich muss aber erst mit Kirsty sprechen.“

„Kirsty hat noch vier andere Brautjungfern. Da brauchst du doch nicht bis zum Schluss zu bleiben.“

„Das will ich auch nicht, aber ich kann nicht weggehen, ohne mich von ihr zu verabschieden. Meine Freundschaft mit Kirsty ist mehr wert als ein Schäferstündchen mit dir. Kirsty wird immer noch für mich da sein, wenn du schon lange wieder fort bist.“

Er biss die Zähne zusammen, als hätte sie ihn geohrfeigt. Kampfgeist leuchtete in seinen Augen auf und machte dann einer zielgerichteten Entschlossenheit Platz. „Ich bin auch nicht um die halbe Welt geflogen, nur für ein Schäferstündchen. Morgen werden wir beide wissen, welche Bedeutung wir dieser Sache zumessen können.“

„Ja, genau darauf freue ich mich“, sagte sie mutig. „Aber ich werde nicht mit dir gehen, bevor ich Kirsty nicht viel Glück für ihre Ehe gewünscht habe.“ Die Art von Glück, die Fletcher ihr womöglich niemals geben würde.

Sie kehrte ihm den Rücken zu und befürchtete schon, dass es vorbei wäre, noch bevor es richtig begonnen hatte. Aber da umfasste er ihre Taille, als wollte er wieder Besitz von ihr ergreifen. „Keine Sorge“, raunte er ihr ins Ohr. „Ich habe bis jetzt gewartet, da macht eine Stunde mehr oder weniger auch nichts aus.“

Er hatte gewartet? Auf sie?

Nach den Reden folgte das Anschneiden der Hochzeitstorte und dann der Hochzeitswalzer, an dem auch Tammy mit der ihr zugeteilten Begleitung teilnehmen musste. Nachdem der Tanz vorüber war, verkündete Kirsty, dass sie sich frisch machen wolle. Tammy nutzte die Gelegenheit und folgte ihr.

„Ist es okay für dich, wenn ich die Feier etwas früher verlasse?“

„Na klar“, antwortete Kirsty und grinste vielsagend. „Und: Mach was draus, Süße!“, gab sie Tammy den Anfeuerungsruf der Freundinnen mit auf den Weg.

„Danke“, sagte Tammy. „Und viel Glück für dich und Paul.“ Dann verließ sie den Toilettenvorraum. Als sie Fletcher am Ende des großen Saals entdeckte, trat alles andere in den Hintergrund. Uns bleibt nur diese Nacht, dachte sie, und sofort begannen Schmetterlinge in ihrem Bauch zu flattern.

„Hast du dich von der Braut verabschiedet?“, fragte er, als sie bei ihm ankam.

„Ja, wir können jetzt gehen.“

„Dann mal los!“ Lächelnd nahm er ihre Hand.

Die frische Nachtluft wirkte belebend und kühlte Tammys vor Aufregung glühende Wangen, wobei sie ein herrlich wohliges Kribbeln überlief. Plötzlich frohlockte sie regelrecht. Sie wollte tanzen, sich vor Freude drehen, alle Ängste über Bord werfen und frei sein.

Wie merkwürdig. Unter ihren Freundinnen galt sie als die Vernünftige. Aber hier und jetzt verlor sie völlig den Kopf und warf ihre Grundsätze über Bord. Sie lachte bei dem Gedanken.

„Was ist denn so komisch?“, fragte Fletcher skeptisch.

„Ich, ich bin komisch“, antwortete sie aufrichtig. „Irgendwie habe ich heute Abend irgendetwas Abenteuerlustiges in mir.“

„Mir geht es ähnlich.“

Das erinnerte Tammy daran, dass sie in einem Punkt doch vernünftig sein sollte. „Ich habe nicht damit gerechnet, Fletcher, dass ich heute mit dir kommen würde. Ich nehme nicht die Pille, und …“

„Ich kümmere mich darum. Ich verhüte sowieso immer selbst. Aber ich finde es gut, dass du mich vorgewarnt hast, Tamalyn.“ Er drückte ihre Hand. „Einige Frauen sind da nicht so ehrlich.“

Obwohl er es freundlich gemeint hatte, fragte sich Tammy unwillkürlich, ob das alles bloß ein Spiel für ihn war. Aber es gab nur einen Weg, um das herauszufinden. Morgen wüsste sie mehr.

Fletcher führte sie zu einem silberfarbenen Sportwagen.

„Du darfst in Australien aber nicht rasen“, sagte sie amüsiert, als er ihr die Beifahrertür öffnete.

„Wenn das so ist …“ Fletcher zog Tammy in seine Arme. „… muss ich hier wohl erst einmal einen Boxenstopp einlegen.“

Ihr Herz tat einen Sprung. „Muss ich mich jetzt um dich kümmern?“, ging sie auf seine Anspielung ein.

„Oh ja, und wie.“ Sein Kuss unterband jeden weiteren Scherz ihrerseits. Wenn er sich nach ihr verzehrte, dann galt das umgekehrt für sie noch mehr. Sie erwiderte seinen Kuss bedingungslos und schlang ihm dabei die Arme um den Nacken. Dann schob sie ihm die Finger ins Haar und zog ihn zu sich herunter, damit sich das bereits hell lodernde Feuer der Leidenschaft zwischen ihnen weiter entfachte.

Er presste sie an sich, und Tammy spürte, wie sehr auch er sie begehrte. Was für eine Offenbarung. Dabei sehnte sie sich genauso nach ihm.

„Tamalyn … wenn wir jetzt nicht gehen …“

„Ja … schnell!“

Er half ihr beim Einsteigen, legte ihr sogar den Gurt an und küsste sie noch einmal stürmisch. Dann schloss er hastig die Tür und eilte um den Wagen herum. Als er neben Tammy saß, war auch sie immer noch ganz außer Atem.

Zärtlich nahm er ihre Hand. „Ich habe mich noch nie so nach einer Frau verzehrt wie nach dir.“

Für einen Moment genoss Tammy das Gefühl der Stärke. Doch was wäre morgen? Würde er sie dann noch immer wollen?

5. KAPITEL

Als sie bei dem kleinen exklusiven Hotel in Double Bay ankamen, wurde Tammy wieder daran erinnert, wie reich Fletcher war. Eigentlich hätte sie das schon an dem Sportwagen merken müssen, aber sie hatte den Wagen kaum realisiert und nur Augen für den Mann gehabt. Doch nun war es unmöglich zu übersehen, dass dieses Hotel zu den besten Häusern gehörte, die in und um Sydney zu finden waren. Es zählte zur Fünf-Sterne-Kategorie, und nicht selten stiegen Prominente hier ab. Tammy kannte es vom Namen her, war aber noch nie da gewesen.

Geld regiert die Welt … ging es ihr durch den Kopf, während sie das atemberaubende Foyer betrat und die luxuriöse Einrichtung auf sich wirken ließ. Alles hier strahlte Reichtum und Eleganz aus. Selbst die Aufzugtüren bestanden aus poliertem Messing. Fletcher hatte den Arm um sie gelegt und drückte den obersten Knopf. Er hatte gesagt, er habe eine Suite gebucht. Etwa das Penthouse?

Nicht dass es von Belang gewesen wäre. Tammy interessierte nur der Mann. Er hatte immer noch den Arm um sie gelegt, während sie im Aufzug fuhren. Jetzt dauerte es nur noch wenige Augenblicke, und sie wären allein in seiner Suite. Vor Aufregung und Vorfreude überlief Tammy eine Gänsehaut, und ihr Herz schlug wie wild.

Würde sie seinen Erwartungen entsprechen? Und er ihren? Für Tammys Zukunft schien viel davon abzuhängen, wie diese Nacht verlief. Wie wäre es, wenn sie nebeneinander aufwachten? Solche und ähnliche Fragen gingen ihr durch den Kopf. Doch als sie das Penthouse betraten, war Tammy so überwältigt von der üppigen Ausstattung, dass das Gedankenkarussell abrupt zum Stehen kam.

„Wow!“, rief sie beeindruckt.

„Gefällt’s dir?“, fragte Fletcher mit einem übermütigen Lächeln.

Zum Zeichen, dass es das nicht im Mindesten traf, seufzte sie leise auf. „Ich bin sprachlos.“

Er lachte. „Na, das ist doch mal was Neues!“

Ja, auch das, was gleich zwischen ihnen geschehen würde, wäre etwas Neues für Tammy. Noch nie hatte sie einen Mann so sehr begehrt, dass sie bereit gewesen wäre, sich ihm hinzugeben. Noch nie hatte sie einen Schritt gewagt, ohne zu wissen, wohin er sie führen würde. In dieser Nacht war alles neu für sie. Ob Fletcher das bewusst war?

Er drückte sie noch fester an sich und ging mit ihr zu der großen Schiebefenstertür, die auf den Balkon hinausführte. „Jetzt haben wir den Hafen ganz für uns allein“, raunte er ihr dabei ins Ohr, „und wir können nach Belieben genießen, was die Nacht uns Schönes zu bieten hat.“

Es war erstaunlich, wie sehr seine romantischen Worte ihr Verlangen noch zu steigern vermochten. Sie waren ja schon auf dem Parkplatz füreinander entbrannt, und Tammy hatte erwartet, dass Fletcher in der Suite sofort weitermachen würde, hatte dem sogar entgegengefiebert. Doch jetzt war es beinah eine Erleichterung, dass es ihm nicht nur um Sex ging und er auch noch andere Dinge mit ihr teilen wollte.

Nebeneinander standen sie am Balkongeländer und atmeten die salzige Meeresluft, während sie den einzigartigen Blick genossen, den sie von hier oben auf Sydneys beeindruckenden Hafen hatten.

„Du hast recht, Tamalyn“, sagte Fletcher wehmütig. „Nirgendwo auf der Welt ist es wie hier. Egal, wo ich gewesen bin oder hingehe, ich fühle mich nie richtig zu Hause. Aber ich muss dahin, wegen der Aufträge und der Kontakte. Eines Tages, wenn ich auch Arbeiten delegieren kann, die ich im Augenblick noch selber machen muss, komme ich zurück und lasse mich in Sydney nieder.“

Mit mir?, überlegte Tammy. Natürlich durfte sie ihre Frage nicht aussprechen und ihm damit quasi ihre geheimen Sehnsüchte offenbaren. Sie kannte diesen Mann ja kaum, wusste nur, dass er ihr Innerstes mehr berührte als jeder andere.

Ihr Schweigen brachte ihn dazu, sich ihr zuzuwenden. Dabei wickelte er sich eine ihrer lockigen Haarsträhnen um den Finger und zog sacht daran. „Kein Kommentar?“, fragte er dann.

Tammy bemühte sich, gelassen zu wirken. „Kannst du schon absehen, wann das sein wird? Wann du dich hier niederlassen wirst, meine ich?“

„Nein, irgendwann in ferner Zukunft. Aber als ich davon gehört habe, dass Kirsty Max’ Bruder heiratet, konnte ich nur noch an dich denken, Tamalyn …“ Er betonte ihren Namen so, dass sich Tammy unwillkürlich zu ihm hingezogen fühlte. „Ich will, dass das Jetzt, diese Nacht, nur uns allein gehört und etwas ganz Besonderes wird.“

Das Jetzt … Diese eine Nacht … Tammy atmete tief durch. Unabhängig davon, wie stark die Anziehungskraft zwischen ihnen war, hatte Fletcher sie gerade eindeutig wissen lassen, dass er sich morgen wieder aus ihrem Leben zurückziehen würde. Eine Eiseskälte bemächtigte sich ihres Herzens und ließ ihre Hoffnung auf Liebe schwinden. Sie hatte sich davon beeindrucken lassen, dass er ihretwegen um die halbe Welt geflogen war. Dabei bedeutete es gar nichts für ihn. Er hatte nur einem Drängen nachgegeben.

„Glaubst du, dass ich nach dieser Nacht weniger interessant für dich bin?“, fragte sie schließlich herausfordernd.

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
Mehr erfahren