Julia Bestseller Band 170

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DIE SCHÖNE MIT DEM FLAMMENHAAR von GRAHAM, LYNNE
Scheich Jasim ist sich absolut sicher: Die junge Elinor will die Ehe seines Bruders zerstören und den Thron ins Wanken bringen! Um das zu verhindern, verführt Jasim die süße Nanny mit dem unschuldigen Lächeln lieber selbst - mit ungeahnten Folgen für das Königreich …

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Alissa soll den russischen Milliardär Sergej heiraten - an Stelle ihrer Zwillingsschwester! Wider Erwarten verliebt sie sich beim ersten Treffen in Sergej, der sie leidenschaftlich umwirbt. Wird sie ihn wieder verlieren, wenn er hinter den Schwindel der Schwestern kommt?

DIE GELIEBTE DES GRIECHISCHEN REEDERS von GRAHAM, LYNNE
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  • Erscheinungstag 22.01.2016
  • Bandnummer 170
  • ISBN / Artikelnummer 9783733703172
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lynne Graham

JULIA BESTSELLER BAND 170

1. KAPITEL

Seine Königliche Hoheit Prinz Jasim bin Hamid al Rais runzelte die Stirn. Sein Berater hatte ihm gerade mitgeteilt, dass die Frau seines Bruders ihn sprechen wollte. „Du hättest mir sagen können, dass die Prinzessin hier ist. Für meine Familie habe ich immer Zeit“, ermahnte er den Berater.

In Finanzkreisen war Jasim bekannt für seine scharfsinnige Planung und die Zielstrebigkeit, mit der er die Firma Rais International Empire zum Erfolg führte. Sämtliche Mitarbeiter hatten einen gesunden Respekt vor ihrem Vorstandsvorsitzenden. Er war ein anspruchsvoller Arbeitgeber, der hohe Maßstäbe setzte und nur Spitzenergebnisse akzeptierte.

Das Durchsetzungsvermögen war ihm in die Wiege gelegt worden. Seine ehrgeizige Familie und die Palastpolitik spornten ihn immer wieder zu Höchstleistungen an. Jasim war Anfang dreißig, groß und athletisch gebaut. Durch sein gutes Aussehen und seine unerhört männliche Ausstrahlung hatte er eine unwiderstehliche Wirkung auf die Damenwelt.

Seine in Frankreich geborene Schwägerin Yaminah war etwas älter als er. Sie war zierlich und eher unauffällig, hatte braunes Haar und ein rundliches Gesicht. Sofort erkannte er, dass sie sich nur mühsam beherrschen konnte. Offenbar war sie zutiefst aufgewühlt.

Jasim begrüßte seine Schwägerin herzlich und mitfühlend. Für diese Unterhaltung musste er einen Minister der Regierung warten lassen. Doch Jasim war weltgewandt genug, um sich nichts anmerken zu lassen. Er bestellte Erfrischungen und bot Yaminah einen Platz an, als hätte er alle Zeit der Welt.

„Fühlt ihr euch wohl in Woodrow Court?“, erkundigte er sich. Sein älterer Bruder Kronprinz Murad hatte mit seiner Familie vorübergehend Jasims Landsitz in Kent bezogen, während er in der Nähe einen noblen Herrensitz im englischen Stil errichten ließ.

„Oh ja. Es ist ein wunderschönes Anwesen, und alles ist bestens“, gab Yaminah rasch zurück. „Wir wollten dich allerdings nicht aus deinem Haus verdrängen, Jasim. Warum kommst du nicht am Wochenende zu uns?“

„Natürlich, wenn ihr möchtet. Aber glaube mir, in meinem neuen Stadthaus fühle ich mich sehr wohl. Für mich ist es also kein Opfer, in der Stadt zu wohnen“, erwiderte er freundlich. „Deswegen bist du jedoch sicher nicht hergekommen. Etwas bedrückt dich.“

Yaminah presste die Lippen zusammen. Offensichtlich war sie den Tränen nahe. Verlegen entschuldigte sie sich, zog ein Taschentuch hervor und betupfte sich die Augen. „Ich sollte dich damit eigentlich nicht belästigen, Jasim …“

Er setzte sich auf das Sofa gegenüber seiner Schwägerin. „Du belästigst mich nie“, beruhigte er sie. „Also? Was hast du auf dem Herzen?“

Einige Male atmete Yaminah tief durch. „Es … geht um unser Kindermädchen.“

Jasim lächelte verständnisvoll. „Sagt dir das Kindermädchen nicht zu, das meine Mitarbeiter für deine Tochter eingestellt haben? Dann entlasse es.“

„Ich wünschte, es wäre so einfach.“ Yaminah seufzte und blickte nervös auf das zerknüllte Taschentuch in ihren Händen. „Die Kinderfrau ist wirklich tüchtig, und Zahrah hängt sehr an ihr. Ich fürchte, das Problem ist … Murad.“

Jasim wurde ganz still, doch wie stets beherrschte er sich und zeigte keine Regung. Sein Bruder war von jeher ein Frauenheld gewesen, und seine erotischen Eskapaden hatten ihn mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht. Diese Schwäche für schöne Frauen konnte für den zukünftigen Herrscher des kleinen, sehr konservativen Ölstaates Quaram gefährlich werden. Schlimmer noch: Falls Murad direkt vor der Nase seiner liebenden Ehefrau etwas mit einer Angestellten anfing, schlug das wirklich alles!

„Ich kann das Kindermädchen nicht entlassen. Murad würde toben, wenn ich mich einmische. Bisher ist es wohl nur ein Flirt, Jasim. Aber das Mädchen ist bildhübsch“, fuhr seine Schwägerin mit zittriger Stimme fort. „Wenn es gehen muss, wird die Sache an die Öffentlichkeit dringen. Und wie du selbst weißt, kann Murad sich keinen weiteren Skandal leisten.“

„Da gebe ich dir recht. Die Geduld des Königs mit ihm ist erschöpft.“ Grimmig überlegte Jasim. Das ohnehin schon schwache Herz seines Vaters würde die Aufregung nicht überstehen, wenn erneut in aller Öffentlichkeit über die Affären seines Erstgeborenen getratscht wurde. Wann nahm Murad endlich Vernunft an und hielt sich zurück? Warum wollte er nicht begreifen, dass er Rücksicht auf die Familie nehmen musste? Weiblichen Versuchungen schien er einfach nicht widerstehen zu können.

Und diesmal fühlte Jasim sich mitverantwortlich für die Entwicklung der Dinge. Schließlich hatten seine Leute das verflixte Kindermädchen eingestellt. Er hätte von vornherein verbieten müssen, eine attraktive junge Frau für die Stelle auszusuchen.

Bittend sah seine Schwägerin ihn an. „Wirst du mir helfen, Jasim?“

Er warf ihr einen resignierten Blick zu. „Von mir wird Murad keinen Rat annehmen.“

„Sicher, er ist so halsstarrig und lässt sich von niemandem etwas sagen. Aber du könntest mir trotzdem helfen“, drängte Yaminah.

Innerlich kämpfte Jasim mit sich. Seine Schwägerin überschätzte seinen Einfluss auf den älteren Bruder. Als Thronerbe von Quaram war Murad sich seines hohen Standes nur zu bewusst. Und obwohl Jasim sehr an seinem Bruder hing, wusste er eines: Murad ließ sich von niemandem dreinreden. „Und wie könnte ich dir helfen?“

Unsicher biss Yaminah sich auf die Lippe. „Wenn du dich für das Mädchen interessieren würdest, dann würde sich das Problem von selbst lösen“, schlug sie vor und schien sich für die Idee zu begeistern. „Du bist jung und ledig, während Murad fünfzig und verheiratet ist. Bestimmt zögert das Mädchen nicht lange und wendet sich dir zu …“

Abwehrend hob Jasim die Hand. Der Vorschlag war völlig verrückt. „Bitte, Yaminah, sei doch vernünftig.“

„Ich bin vernünftig. Außerdem würde Murad sich zurückziehen, wenn er merkt, dass du ein Auge auf das Mädchen geworfen hast“, beharrte seine Schwägerin. „Ständig betont er, wie sehr er sich wünscht, dass du endlich die richtige Frau kennenlernst …“

„Aber nicht ausgerechnet eine, auf die er es abgesehen hat“, bemerkte Jasim trocken.

„Da irrst du dich. Seit deiner … unerfreulichen Beziehung zu dieser Engländerin vor einigen Jahren macht Murad sich Sorgen um dich. Du bist immer noch nicht verheiratet. Erst gestern hat er es wieder erwähnt. Wenn er annehmen müsste, dass du dich für Elinor Tempest interessierst, würde er sie in Ruhe lassen“, erklärte Yaminah im Brustton der Überzeugung.

Jasims Miene wurde finster. An diese Episode in seinem Leben wollte er lieber nicht erinnert werden. Vor drei Jahren hatte er heiraten wollen. Kurz davor hatte die Regenbogenpresse die fragwürdige Vergangenheit der Auserwählten ans Tageslicht gezerrt. Jasim war sehr wütend gewesen, und gleichzeitig hatte er an seiner Menschenkenntnis gezweifelt.

Seitdem zog er es vor, ledig zu bleiben und sich gefühlsmäßig auf niemanden einzulassen. Für ihn waren Frauen nur noch Betthäschen: Für eine Weile hatte er Spaß mit ihnen – aber mehr nicht. Je weniger er von einer Frau erwartete, umso unkomplizierter lebte es sich.

Jasmin hatte eigentlich nicht vor, Yaminahs Bitte nachzukommen. Dennoch beschäftigte ihn ihr Besuch. Er wollte mehr über die Frau wissen, auf die seine Schwägerin eifersüchtig war. Nachdem sie gegangen war, beauftragte er seinen Vertrauten: Er sollte die Mitarbeiter befragen, die das Kindermädchen eingestellt hatten.

Am späten Vormittag erhielt er bereits Nachricht. Die ersten Auskünfte klangen immerhin so beunruhigend, dass er sich das Porträtfoto von Elinor Tempest genauer ansah.

Sie war zwanzig, hatte einen auffallend rosigen Teint, ungewöhnlich grüne Augen … und langes, leuchtend rotes Haar. Bisher war Jasim nie auf diese Haarfarbe geflogen. Doch das Kindermädchen seines Bruders war wirklich etwas Besonderes – eine natürliche Schönheit.

Allerdings gab es Jasim zu denken, dass Elinor Tempest sich nicht über eine anerkannte Arbeitsvermittlung um die Stelle beworben hatte. Offensichtlich hatte Murad das Mädchen persönlich vorgeschlagen und darauf bestanden, dass es eingestellt wurde. Demnach musste sein Bruder die junge Frau bereits gekannt haben …

Was Jasim da entdeckt hatte, gefiel ihm gar nicht. Wie konnte sein Bruder unter dem eigenen Dach so eine Dreiecksgeschichte unterhalten? Und welches Mädchen nahm eine Stelle an, die auf eine Affäre mit dem verheirateten Arbeitgeber hinauslief? War da vielleicht sogar mehr, als Yaminah befürchtete? Hatte Murad bereits etwas mit dem Kindermädchen seiner Tochter?

Nicht zu fassen! Der bloße Gedanke an eine skandalöse Affäre im unmittelbaren Umfeld seiner Schwägerin und seiner Nichte weckte Jasims Zorn. Er selbst hatte es auf schmerzliche Weise erfahren müssen: Der königliche Status und der Ölreichtum der Familie Rais machten ihn und seinen Bruder zur Zielscheibe für geldgierige Frauen. Mithilfe gerissener Schachzüge und ihrer verführerischen Schönheit hofften diese Frauen, reich zu werden. Murad war bereits mehrfach Opfer solcher Erpressungsversuche geworden, bei denen die Polizei eingeschaltet werden musste. Und trotzdem riskierte sein Bruder wieder einen handfesten Skandal, dessen Auswirkungen Quaram und die Grundfesten der Monarchie erschüttern konnten.

Jasims Entscheidung war getroffen. Einer Krise musste man auf den Grund gehen und schleunigst Abhilfe schaffen. Also wollte er das Wochenende in Woodrow Court verbringen und die Lage prüfen. So oder so würde er Yaminahs Haushalt von dem berechnenden Weibsbild befreien, das alles bedrohte, was ihm lieb und wichtig war …

„Meine Güte, was ist denn mit dir passiert? Du siehst ja toll aus!“ Staunend begutachtete ihre Freundin Louise Elinors aufregende Verwandlung. „Sonst kleidest du dich eher wie eine Großmutter!“

Die direkte Bemerkung traf Elinor, und sie schlug die Augen nieder. An ihrer Zurückhaltung in Modedingen war ihr Vater schuld: Er hatte sie jedes Mal mit spitzen Äußerungen überschüttet, wenn ihm ihre Kleider zu figurbetont oder ihre Röcke zu kurz vorgekommen waren. Als Universitätsprofessor und intellektueller Snob hatte Ernest Tempest seine einzige Tochter stets erbarmungslos kritisiert. Jetzt wohnte sie zwar nicht mehr zu Hause und konnte sich frei entfalten. Doch ohne das gute Zureden der Verkäuferin hätte sie trotzdem nicht gewagt, dieses Kleid anzuziehen.

Unwillkürlich erinnerte Elinor sich, wie sie am Nachmittag vor dem Spiegel gestanden hatte. Das eng sitzende Modell betonte ihre schlanke Figur und ließ viel von ihren langen Beinen erkennen. Als ihre Freundin sie weiterhin aufmerksam betrachtete, strich Elinor sich unsicher über den perlenbesetzten Ausschnitt. „Ich habe mich auf Anhieb in das Kleid verliebt“, gestand sie.

Louise verdrehte die blauen Augen. „Du kannst dir den letzten Schrei in Sachen Mode ja auch leisten. Wie lebt sich’s eigentlich bei der Königsfamilie von Quaram? Dein Gehalt musst du wahrscheinlich schon auf ein Konto in einer fernen Steueroase überweisen.“

„Du machst wohl Witze“, gab Elinor schnell zurück. „Außerdem ist das Geld alles andere als leicht verdient. Ich muss hart dafür arbeiten und unzählige Überstunden leisten.“

„Ach was! Du betreust doch nur ein kleines Mädchen, und das ist meist im Kindergarten.“ Louise drückte Elinor ein volles Cocktailglas in die Hand. „Trink aus. Schließlich musst du zur Feier deines einundzwanzigsten Geburtstags in Stimmung sein.“

Elinor trank das viel zu süße Gemisch, obwohl es ihr nicht schmeckte. Sie wollte sich mit der temperamentvollen Louise nicht anlegen, die in jedem Alkoholverweigerer eine persönliche Herausforderung sah.

Sie hatten sich bei der Erzieherinnenausbildung kennengelernt und waren seitdem Freundinnen geblieben. Dennoch klang immer ein wenig durch, dass Louise erst nach Monaten eine annehmbare Anstellung gefunden hatte und sie Elinor um ihr Glück beneidete.

„Wieso so viele Überstunden?“, fragte Louise.

„Der Prinz und seine Frau fliegen oft ins Ausland oder verbringen die Wochenenden in London. Deshalb muss ich oft tagelang und rund um die Uhr bei Zahrah in Woodrow Court bleiben. Freizeit habe ich dann so gut wie gar nicht. Manchmal komme ich mir eher wie ihre Mutter vor“, räumte Elinor ironisch ein. „Und bei allen Unternehmungen muss ich natürlich dabei sein … sogar bei Schulfeiern.“

„Bei dem vielen Geld, das du verdienst, musst du eben ein paar Nachteile in Kauf nehmen“, bemerkte Louise trocken.

„Man kann nicht alles haben.“ Elinor zuckte die Schultern. „Außerdem stammen die übrigen Angestellten alle aus Quaram und sprechen nur Arabisch. Da komme ich mir häufig ziemlich einsam vor. Können wir gehen? Der Wagen wartet.“

Prinz Murad hatte von Elinors Geburtstag erfahren und ihr Gratisgutscheine für einen exklusiven Londoner Nachtklub geschenkt. Obendrein sollte sie ein Chauffeur in einer Luxuslimousine nach London fahren und am Ende des Abends zum Herrenhaus zurückbringen.

„Einundzwanzig wird man nur einmal im Leben“, hatte Zahrahs Vater wohlwollend gemeint. „Genießen Sie Ihre Jugend aus vollen Zügen – sie vergeht viel zu schnell. An meinem einundzwanzigsten Geburtstag hat mein Vater mich zur Falkenjagd in die Wüste mitgenommen. Und dabei hat er mir eingetrichtert, was ich nie vergessen dürfte, wenn ich an seiner Stelle König werde.“ Murad hatte ein Gesicht geschnitten. „Damals ahnte ich nicht, dass ich noch dreißig Jahren später auf die Thronbesteigung warten würde. Aber natürlich würde ich es nicht anders wollen. Mein Vater ist ein weiser Herrscher. Jeder hätte es schwer, in seine Fußstapfen zu treten.“

Prinz Murad ist ein gütiger Mann, dachte Elinor bei sich. Sie bewunderte seinen ausgeprägten Familiensinn, seine Wertvorstellungen von Liebe, Vertrauen und Loyalität. Elinor war erst zehn gewesen, als ihre Mutter gestorben war. Sie hatte den Verlust nie verwunden. Ihr Vater hatte ihr kaum Werte vermittelt. Wäre er doch bloß ein wenig wie der warmherzige, freundliche Prinz Murad!

Während Louise beim Anblick der Luxuslimousine in Begeisterungsstürme ausbrach, musste Elinor an ihren Vater denken.

Er hatte sich nie wirklich für sie interessiert. Sosehr sie sich in ihrer Ausbildung auch angestrengt hatte, ihr Abschluss war ihm nicht gut genug gewesen. In seinen Augen hatte sie zu wenig erreicht. Er hatte ihr sogar vorgeworfen, eine schwere Enttäuschung für ihn zu sein. Als sie ihm eröffnet hatte, dass sie als Kindermädchen arbeiten wollte, hatte er aufgebracht reagiert. Er hatte erklärt, dass sie damit nicht mehr als eine bessere Dienerin wäre.

Die lieblosen Kinderjahre hatten Elinor geprägt. Oft hatte sie das Gefühl gehabt, gar keine Familie zu haben. Später hatte ihr Vater wieder geheiratet – ohne sie zur Hochzeit einzuladen.

„In einer Zeitschrift habe ich einen Artikel über Prinz Murad gelesen“, bemerkte Louise. „Darin wurde erwähnt, dass er eine Schwäche für schöne Frauen und viele Affären gehabt habe. Also sei lieber auf der Hut bei dem alten Knaben.“

Elinor überlegte nur kurz. „Ich kenne ihn ganz anders. Mir gegenüber gibt er sich eher väterlich …“

„Sei nicht so naiv. Fast alle älteren Männer sind scharf auf hübsche junge Mädchen.“ Louise lächelte wissend. „Und wenn du ihn an deine Mutter erinnerst …“

„Das ist ziemlich unwahrscheinlich“, unterbrach Elinor sie abweisend. „Mum war klein und blond und hatte blaue Augen. Ich sehe ihr überhaupt nicht ähnlich.“

Louise zuckte die Schultern. „Wie du meinst. Aber wenn du ihn nicht an deine Mutter erinnerst … warum hat er dann ausgerechnet dir, einer völlig Fremden, die Stelle als Kindermädchen angeboten?“

„So einfach war es auch wieder nicht“, wehrte Elinor ab. „Der Prinz hat meinen Namen zwar oben auf die Liste gesetzt. Doch ich wurde ebenso kritisch unter die Lupe genommen wie alle anderen Bewerberinnen. Er hat mir erzählt, dass er mir weiterhelfen will, weil meine Mutter ihm einst viel bedeutet hat. Außerdem fand er, ich würde altersmäßig gut zu seiner Tochter passen. Ich hatte Glück, die Stelle zu bekommen, das gebe ich zu. Aber dabei ist alles rechtens zugegangen.“

Louise gab sich jedoch nicht zufrieden. „Würdest du mit ihm schlafen, wenn er sich an dich heranmachen würde?“

„Natürlich nicht! Meine Güte, er ist fast so alt wie mein Vater!“, gab Elinor entrüstet zurück.

„Über Prinz Jasim würdest du bestimmt nicht so denken“, behauptete Louise. „In dem Artikel über Prinz Murad war auch ein Foto von seinem Bruder. Der Mann ist Mr Sex persönlich: eins sechsundachtzig, ledig, Typ Hollywoodstar.“

„So? Jedenfalls habe ich ihn noch nicht kennengelernt.“ Elinor blickte aus dem Fenster auf die hell erleuchteten Straßen Londons. Louises zweideutige Anspielungen nervten sie. Wenn ihr etwas an Prinz Murads Verhalten fragwürdig erschienen wäre, hätte sie den Job bei ihm und seiner Frau mit Sicherheit nicht angenommen. Nach einem unerfreulichen Zwischenfall bei ihrem früheren Arbeitgeber war sie äußerst wachsam, was männliche Annäherungsversuche betraf.

„Schade, dass der zukünftige König klein und dicklich ist und schütteres Haar hat“, seufzte Louise. „Obwohl viele Frauen sich daran kaum stören würden.“

„Mich würde schon der Umstand abschrecken, dass er verheiratet ist“, betonte Elinor.

„Um die Ehe des Thronfolgers scheint es allerdings nicht allzu gut bestellt sein: Nach so vielen Ehejahren haben sie nur ein kleines Mädchen“, beharrte Louise. „Es wundert mich, dass der Mann noch nicht an Scheidung gedacht hat. Schließlich hat er immer noch keinen männlichen Erben.“

„Es gibt ja bereits einen weiteren Anwärter auf den Thron“, gab Elinor zu bedenken, „nämlich den jüngeren Bruder des Prinzen. Er steht in der Thronfolge an zweiter Stelle.“

„Allein das dürfte ihn zu einer heiß begehrten Partie machen.“ Louises Miene nahm einen berechnenden Ausdruck an. „Andererseits lebst du seit drei Monaten bei seinen Verwandten und hast ihn nie getroffen. Da sollte man sich von ihm vielleicht doch nicht allzu viel versprechen.“

Elinor behielt für sich, dass die Liebe zu einem arabischen Prinzen ihrer verstorbenen Mutter Rose kein Glück gebracht hatte. Rose hatte Murad an der Universität kennengelernt. Bei beiden war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Elinor besaß immer noch den Verlobungsring, den ihre Mutter von Murad erhalten hatte.

Doch das Glück des jungen Paares war nicht von Dauer gewesen. Die Königsfamilie hatte Murad gedroht, ihn zu enterben und ins Exil zu verbannen – keinesfalls hatte der Prinz eine Ausländerin heiraten dürfen. Als folgsamer Sohn war er schließlich nach Quaram zurückgekehrt. Rose hatte Ernest Tempest geheiratet, obwohl die beiden grundverschieden gewesen waren. Ihre Ehe war nicht sehr glücklich gewesen.

„Und du begleitest deine Leute nicht mal ins Ausland“, erinnerte Louise sie nun. „Mit meiner Familie war ich immerhin zehn Tage auf Zypern.“

„Reisen ist mir nicht so wichtig“, wehrte Elinor ab. Die ständigen Spitzen ihrer Freundin nervten sie. Allmählich fragte sie sich, warum sie an dieser Freundschaft überhaupt festhielt.

Nachdem sie wenig später in dem exklusiven Klub ihre Gutscheine vorgelegt hatten, wurden sie mit kostenlosen Getränken ihrer Wahl verwöhnt. Das war auch gut so: Die unerhörten Preise an der Bar hätten sie sich nicht leisten können.

Heute ist mein Geburtstag, sagte Elinor sich im Stillen. Inständig versuchte sie, die Enttäuschung abzuschütteln, die sie die ganze Woche über erfüllt hatte.

Durch die Arbeit als Kindermädchen fühlte sie sich oft einsam und sehnte sich nach der Gesellschaft Erwachsener. Da sollte sie es genießen, endlich einmal einen Abend lang unbeschwert ausgehen zu können. Zwar stand ihr ein Wagen zur Verfügung, aber Woodrow Court lag weit draußen auf dem Land. Bis auf kurze Fahrten in die nächste Kleinstadt gab es kaum Möglichkeiten zur Ablenkung.

Zahrahs Eltern reisten viel und ließen ihre Tochter zu Hause, damit sie der Schule nicht fernbleiben musste. Daher war Elinor in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Ihre Arbeitgeber erwarteten von Elinor, dass sie ständig für ihr einziges Kind da war.

Noch in der Nacht sollte sie in der Limousine nach Woodrow Court zurückgebracht werden. Der Prinz wünschte nicht, dass seine Tochter bis zum Morgen den Hausangestellten überlassen blieb. Nach Louises angriffslustigen Bemerkungen hätte Elinor jedoch sowieso keine Lust dazu gehabt, bei der Freundin zu übernachten.

„Man wird auf dich aufmerksam.“ Louise seufzte neidisch.

Unwillkürlich verkrampfte Elinor sich und bemühte sich, nicht in die Richtung zu blicken. Solche Zusammentreffen mit Vertretern des männlichen Geschlechts hatte sie oft als anstrengend oder sogar demütigend erlebt. Mit fast einem Meter achtzig war sie auffallend groß und selbst auf flacheren Absätzen kaum zu übersehen. Ein paarmal hatten Männer sie aufgefordert und dann schleunigst den Rückzug angetreten, wenn Elinor aufgestanden war und sie überragte.

Schon als Teenager war sie ein Mauerblümchen gewesen. Damals hatte sie bereits erfahren müssen, dass Männer meist kleine, zierliche Mädchen bevorzugten. Neben denen konnten sie sich groß fühlen. Natürlich wusste Elinor, dass sie attraktiv war und eine gute Figur hatte. Trotzdem machte ihre Größe ihr das Leben nicht leicht. Männer beachteten sie zwar. Doch sie scheuten sich davor, Elinor näher kennenzulernen.

Stunden später verabschiedete Elinor sich von Louise, die einen Bewunderer gefunden hatte. Für Elinor war der Abend besonders schmerzlich verlaufen. Ein junger Mann war an ihren Tisch gekommen. Als er gemerkt hatte, dass er ihr kaum bis an die Schulter reichte, war er entsetzt geflüchtet. Mit seinen Kameraden hatte er sich dann den restlichen Abend über sie lustig gemacht. Elinor hatte daraufhin ein bisschen zu viel getrunken, um sich nicht anmerken zu lassen, wie unglücklich sie war.

So atmete sie erleichtert auf, als die Limousine in die von Bäumen gesäumte Auffahrt von Woodrow Court einbog. Sie fuhr durch die eindrucksvolle Bogeneinfahrt auf den kiesbedeckten Hof, der sich über die gesamte Breite des mächtigen Tudorbaus erstreckte. Nun fiel Elinor auch auf, dass im Innern mehr Lichter brannten als sonst.

Als sie den Wagen verließ, stieg ihr die kühle Nachtluft zu Kopf wie vorher der Alkohol. Sie atmete einige Male tief durch, um die Benommenheit zu vertreiben. Dennoch fiel es ihr nicht ganz leicht, schnurgerade auf die offene Haustür zuzugehen.

Etwas unsicher durchquerte sie die Eingangshalle, in der ihre Schritte widerhallten. In diesem Moment wurde sie auf einen Mann aufmerksam, der aus der Bibliothek kam … ein Fremder, der so umwerfend aussah, dass ihr der Atem stockte. Überrascht blieb sie stehen und musterte ihn.

Glattes dunkles Haar, hohe Wangenknochen, arrogante Nase, markantes Kinn. Etwas an diesem Gesicht schlug sie sofort in den Bann. Die dunklen Augen des Fremden strahlten Mut und Kühnheit aus und leuchteten golden auf, als er in den Lichtkegel des Deckenlüsters trat. Elinors Herz begann zu hämmern wie beim Joggen.

Jasim war verstimmt. Bei der Ankunft hatte er feststellen müssen, dass sein Bruder und dessen Frau übers Wochenende verreist waren. Außerdem war auch das Kindermädchen, das er unter die Lupe nehmen wollte, ausgeflogen. Er hatte schon geglaubt, dass er praktisch umsonst hergekommen war.

„Miss Tempest?“

„Ja …“ Mit zittriger Hand hielt Elinor sich am Pfosten des massiven hölzernen Treppengeländers fest. Immer noch konnte sie den Blick nicht vom Gesicht des Fremden abwenden. „Entschuldigung, aber Sie sind …?“

„Prinz Murads Bruder Jasim“, erwiderte er. Sein Interesse als Mann war erwacht, doch er musterte sie kühl.

Ob sie seinen Bruder auch so fasziniert ansah? Welcher Mann würde sich nicht geschmeichelt fühlen, wenn eine Frau ihn wie ein übernatürliches Wesen betrachtete? Sie kam ihm weit gefährlicher vor, als er gedacht hatte. Diese Frau war atemberaubend! Ihr Kleid betonte die aufregenden Rundungen ihres Körpers und gab viel von ihren unglaublich langen Beinen frei. Auf dem Foto hatte das Rot ihrer Haare eher aufdringlich auf ihn gewirkt. Nun bemerkte er, wie es sich in seidigen Wellen über ihren Rücken ergoss. Und nur kostbarste Smaragde konnten es mit dem erstaunlichen Grün ihrer Augen aufnehmen.

Mit diesem herrlichen Haar, den großen Augen und dem üppigen Mund war sie buchstäblich der Stoff, aus dem Männerträume waren. Jasim war vollkommen hingerissen. Es dauerte einige Augenblicke, bis er sich wieder gefangen hatte.

„Haben Sie getrunken?“, fragte er schroff, obwohl er sich den Reizen dieser Frau nicht entziehen konnte.

Elinor schoss das Blut in die Wagen. „Ich … Ein wenig“, gab sie verlegen zu und atmete tief ein, sodass sich ihre Brüste unter dem dünnen Stoff des Kleides bewegten. „Sonst trinke ich kaum etwas, aber heute war ein besonderer Anlass.“

Jasim hatte Mühe, den Blick nicht zu tief wandern zu lassen. „Wenn Sie für mich arbeiten würden, dürften Sie in diesem Aufzug nicht herumlaufen.“

„Dann ist es ja gut, dass ich nicht für Sie arbeite“, setzte Elinor dagegen. „Außerdem habe ich heute Abend frei und kann tun und tragen, was ich will.“

„Trotzdem würde ich so ein Auftreten nicht dulden, solange Sie unter meinem Dach leben.“

Der Mann kam näher. Er war fast einen Meter neunzig groß – sehr viel größer als sein älterer Bruder. Überhaupt sah er Prinz Murad gar nicht ähnlich. Prinz Jasim war ungewöhnlich breitschultrig und athletisch gebaut. Erst in dem Moment fiel es ihr ein: Die beiden waren Halbbrüder und hatten verschiedene Mütter.

„Was ist, wenn Zahrah aufwacht und Sie in diesem Zustand sieht?“, fragte Jasim streng. Wenn sie seinen Bruder genauso wie ihn anschaute, konnte er gut verstehen, wieso Murad bei dieser Frau in Versuchung geraten war. Ihr sinnlicher Mund war eine einzige erotische Herausforderung.

„Die Kinderfrau, die seit Zahrahs Geburt hier ist, schläft gleich nebenan“, erklärte Elinor fest. „Im Übrigen finde ich Ihre Vorhaltungen äußerst unpassend.“

Die respektlose Antwort überraschte Jasim. Elinor Tempest gab sich sehr selbstbewusst und ganz und gar nicht unterwürfig. Darüber hinaus war ihm nicht entgangen, dass sie mit einer Limousine vorgefahren war. Sein Bruder musste ihr den Wagen zur Verfügung gestellt haben. Somit schienen sich Yaminahs schlimmste Befürchtungen zu bestätigen. „Reden Sie mit meinem Bruder auch so?“, fragte er schneidend.

„Ihr Bruder, mein Arbeitgeber, ist sehr viel angenehmer und kritisiert entschieden weniger als Sie. Ich arbeite nicht für Sie und habe das Recht, in meiner Freizeit auszugehen.“ Trotzig warf Elinor den Kopf zurück. Ihre Kopfschmerzen wurden stärker. Schon im Nachtklub war ihr Selbstwertgefühl auf eine harte Probe gestellt worden. Noch mehr würde sie nicht schweigend hinnehmen. „Und wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt ins Bett gehen.“

Ihre aufsässige Art machte Jasim wütend. Am liebsten hätte er sie ins Bett getragen und sie so lange geliebt, bis sie nach mehr gebettelt hätte. Doch er riss sich zusammen und unterdrückte sein Verlangen. Bisher hatte er sich bei keiner Frau von seinen Gelüsten hinreißen lassen – nicht einmal bei seiner Exverlobten. Als Elinor nun allerdings die Treppe hinaufstieg, wurde ihm eins klar: Er würde keine Ruhe finden, bis er sie geliebt hatte.

Plötzlich rutschte sie mit ihrer hochhackigen Sandalette auf einer Stufenkante ab. Mit einem erschrockenen Aufschrei griff sie suchend nach dem Geländer. Jasim reagierte jedoch blitzschnell und bewahrte sie vor einem Sturz.

„Auch aus Sicherheitsgründen sollten Sie nicht so viel trinken“, ermahnte Jasim sie.

„Ich brauche Ihre Hilfe nicht.“ Aufgebracht streifte Elinor sich die Sandaletten ab und nahm sie in die Hand, um weiteren Pannen vorzubeugen. „Ich kann Leute nicht leiden, die andere ständig belehren wollen. Jetzt fehlt nur noch, dass Sie mir predigen: Das habe ich Ihnen gleich gesagt.“

Der Duft ihres Haares und ihrer Haut machten Jasim verrückt. Sie duftete nach Pfirsich. Unwillkürlich musste er an heißen Sonnenschein – und an noch heißeren Sex denken. Er schätzte sie als sehr sinnlich und leidenschaftlich ein. Ihre ganze Erscheinung vermittelte ihm, dass sie alles andere als unschuldig war.

Murad war viel zu vertrauensselig. Sein älterer Bruder neigte dazu, den Verlockungen einer erfahrenen jungen Verführerin allzu leicht zu erliegen. Daher traf Jasim einen Entschluss. Elinor Tempest musste schnell zu Fall gebracht werden.

Er begleitete sie nach oben und bemühte sich dabei, die Fassung zu bewahren.

„So, das wär’s“, meinte Elinor, als sie ihr Zimmer erreichten. Sie wollte ihn loswerden. Ihr Kampfgeist war gebrochen, sie fühlte sich müde und erschöpft. „Sie haben mir den krönenden Abschluss zu einem schrecklichen Geburtstag geschenkt. Und jetzt lassen Sie mich bitte in Ruhe.“

Jasim stand an der Tür und betrachtete sie. Er durfte es sich nicht mit ihr verderben. Warum hatte er sich so angriffslustig aufgeführt? Er begehrte diese Frau. Sein Blut war in Wallung geraten – er musste sie einfach haben. Wenn er mit ihr schlief, würde Murad sie fallen lassen. Allerdings wäre mit ihr ins Bett zu gehen kein Opfer. Vielmehr wäre es ihm ein Vergnügen. Schon stellte er sich vor, wie ihr flammend rotes Haar über die Kissen floss. Er malte sich die Freuden aus, die ihm diese unerwartete Begegnung bereiten würde.

Die strengen Palastregeln in Quaram sahen einzig und allein die Fortführung der Linie vor. Auf erotische Spielchen hatte Jasim lange verzichten müssen. Jetzt konnte er es kaum erwarten, sich den aufregenden Verlockungen erneut hinzugeben. Dass seine Beute dabei nicht mitspielen könnte, kam ihm gar nicht in den Sinn. Bisher hatte ihn noch keine Frau zurückgewiesen …

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen dachte Elinor beim Duschen schuldbewusst an ihren Zusammenstoß mit Prinz Jasim. Sie hatte sich lächerlich gemacht, sich sogar ziemlich danebenbenommen. Wäre sie nur nicht beschwipst gewesen! Dabei hatte sie ein halbes Jahr lang keinen Alkohol angerührt. Obendrein war sie verbittert gewesen, weil sie die erbetenen zwei Tage nicht freibekommen hatte.

Was sollte sie jetzt tun? Auf keinen Fall durfte sie ihre gut bezahlte Stellung aufs Spiel setzen. Außerdem brauchte sie ein gutes Zeugnis des Arbeitgebers, wenn sie sich um die nächste Stelle bewarb. Meine Güte, das fehlte ihr gerade noch – dass sie gefeuert wurde, weil sie bei einem hochwohlgeborenen Prinzen kein Blatt vor den Mund genommen hatte! Sie hatte gewusst, wen sie vor sich hatte. Und trotzdem hatte sie ihn nicht einmal mit Sir angeredet. Dabei war sie sonst so höflich und taktvoll. Warum hatte sie den Mund nicht halten können?

Bei der Rückkehr aus dem Nachtklub war sie sowieso enttäuscht und reizbar gewesen. Das unerwartete Auftauchen des umwerfenden Prinzen hatte sie aus der Bahn geworfen. Und seine kritischen Vorhaltungen hatten das Übrige getan. Bei Prinz Murad hatte sie oft Ähnliches beobachtet: Er konnte sehr empfindlich sein und schon beim kleinsten Anlass aus der Haut fahren. Prinz Murad neigte zu königlichen Zornesausbrüchen. Da würde es ihr sein Bruder sicher nie verzeihen, wie ungehörig sie sich ihm gegenüber verhalten hatte. Bestimmt beschwerte er sich bei Prinz Murad über sie.

Seufzend rang Elinor nach Fassung. Heute war Sonntag, und Zahrah bekam Reitunterricht. Da Elinor selbst eine gute Reiterin war und die Stallungen eine beneidenswerte Auswahl an edlen Tieren beherbergten, begleitete sie ihren Schützling oft. Wie gewöhnlich schlüpfte sie also in die abgetragene dunkelblaue Reithose, zog ein gelbes T-Shirt und die Reitstiefel an. Bevor sie ihr Zimmer verlassen konnte, klopfte es an der Tür.

Elinor öffnete und war überrascht, als einer der Diener ihr einen Korb mit herrlichen Rosen überreichte.

Kaum zu glauben, dass die prächtigen Blumen für sie waren! Überwältigt roch sie an den rosa Blüten, die einen betörenden Duft verströmten. Danach las sie neugierig das Kärtchen im beigefügten Umschlag.

Alles Gute nachträglich zum Geburtstag!

Und ich bitte um Entschuldigung. Jasim

Elinor war sprachlos. Er entschuldigte sich und gratulierte ihr sogar zum Geburtstag! Deutlich hatte sie sein Bild wieder vor sich. Prinz Jasim sah unverschämt gut aus, aber sie hatte ihn auch als arrogant, herrisch und unerhört stolz erlebt. Ganz sicher war er ihr nicht wie ein Mann vorgekommen, der jemanden um Verzeihung bat. Im Gegenteil: Sie hatte ihn eher so eingeschätzt, als ob er unbedingt das letzte Wort haben musste – und zwar knallhart.

Doch dieser Eindruck hatte offenbar getäuscht. Zum ersten Mal bekam Elinor von einem Mann Blumen, und nach dem enttäuschenden Geburtstag beeindruckte die Geste sie umso mehr.

In dem Moment kam Zahrah ins Zimmer gestürmt. Die Vierjährige war ein hübsches, quicklebendiges Kind mit seidigen dunklen Locken und strahlenden braunen Augen.

„Hallo, Elinor!“, begrüßte die Kleine sie und umarmte sie überschwänglich. „Kommst du mit frühstücken?“

Gemeinsam gingen sie nach unten. Elinor wollte gerade das kleine Esszimmer betreten, als der Butler Ahmed sie aufhielt. Wie üblich übersetzte das Kind und erklärte ihr, dass sie heute mit ihrem Onkel Jasim frühstücken würden. Daraufhin wurden sie in den großen offiziellen Speisesaal geführt.

Unter Jubelgeschrei stürmte Zahrah in den Raum und warf sich Jasim in die Arme. So konnte Elinor sich etwas fangen, während er die Zeitung niederlegte. Dann stand er vom Tisch auf, um sie zu begrüßen. Durch die hohen Fenster fiel strahlendes Sonnenlicht herein, das seine gebräunten Züge markant und ungemein vornehm wirken ließ. Wieder einmal konnte Elinor ihn nur gebannt ansehen.

Mit seiner starken Persönlichkeit beherrschte er den Raum. Ihr Herz raste, sie atmete viel zu schnell. Als er nun das Kind in seinen Armen anlächelte, war sie auf seltsame Art zutiefst gerührt.

„Miss Tempest …“, begann er ruhig und rückte ihr einen Stuhl neben sich zurecht. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass er ebenfalls Reitkleidung trug und darin weltgewandt und sportlich zugleich aussah. „Bitte leisten Sie uns Gesellschaft.“

Elinor musste sich zwingen, an dem langen Tisch entlangzugehen. Sie würde Jasim sehr viel näher sein, als es ihrem Seelenfrieden guttat. In ihrem Bauch spürte sie die Schmetterlinge. Plötzlich wusste sie nicht mehr, was sie mit den Händen anfangen sollte. Verrückt, aber sie fühlte sich auf einmal so gehemmt und unsicher wie ein Schulmädchen. „Danke für die Blumen. Das war sehr großzügig von Ihnen“, entgegnete sie schnell, um es hinter sich zu bringen. Währenddessen plauderte Zahrah mit Ahmed über die Frühstücksflocken, die sie am liebsten aß.

Mit seinen goldbraunen, von langen schwarzen Wimpern umrahmten Augen sah Jasim sie an. Es kam ihr vor, als würde ihr Herz bei diesem Blick für einen Schlag aussetzen. „Nicht der Rede wert“, wehrte er locker ab.

„Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen“, brachte sie stockend hervor. „Letzte Nacht … habe ich mich Ihnen gegenüber sehr … ungehörig benommen.“

„Eine völlig neue Erfahrung für mich.“

So dürfte ein Panther schnurren, wenn man ihn streichelt, dachte Elinor. Doch eigentlich hätte er etwas galanter auf ihre Entschuldigung reagieren können. „Niemand widerspricht oder streitet mit Ihnen?“, fragte sie etwas forscher.

„Niemand.“ Sein Ton ließ anklingen, dass das selbstverständlich war.

Donnerwetter! Jasim war verblüfft. Dieses schüchterne Erröten … und wie scheu sie ihn unter den Wimpern hervor ansah! Eine gekonnte Schau, die sie da abzog. Kaum zu glauben, dass das dieselbe kampflustige Rothaarige von der Nacht zuvor war! An diesem Morgen sprach sie leise und zögernd, schien ihn nicht einmal direkt ansehen zu können … Alles an ihr signalisierte Unsicherheit und sexuelle Unerfahrenheit – genau richtig dosiert, um einen älteren Mann zu verzaubern.

Kein Wunder, dass Murad es wegen der berechnenden kleinen Hexe auf Ärger mit seiner Frau ankommen ließ. Doch ihn konnte sie mit dieser Nummer nicht betören. Aber natürlich war er in diesen Dingen sehr viel erfahrener als sein Bruder. Er war bestens vertraut mit den Verführungskünsten einer Elinor Tempest und ihresgleichen. Zweifellos hatte Yaminah genau das bei ihrer Einladung im Sinn gehabt: Sie war mit ihrem Mann übers Wochenende verreist, damit Jasim freie Bahn hatte. Und er hatte vor, die Gelegenheit zu nutzen.

„Warum war Ihr Geburtstag so schrecklich?“ Jasim lehnte sich zurück. Er war gespannt, was die Schöne ihm jetzt auftischte.

Unwillkürlich verkrampfte sie sich. „Das wäre hier nicht passend, Sir.“

Er runzelte die Stirn. „Ich entscheide, was passend ist. Tun Sie sich also keinen Zwang an.“

Sein bestimmender Ton irritierte Elinor für einen Moment. Nur gut, dass Zahrah das folgende Schweigen mit ihrem fröhlichen Geplauder überbrückte.

„Na gut, Sie können es mir auch später erzählen“, entschied Jasim. „Ich begleite Sie und Zahrah zu den Ställen.“

Die Aussicht darauf beunruhigte Elinor. Forschend sah sie ihn an und erschauerte, als sie den begehrenden Ausdruck in seinen Augen bemerkte. Schnell senkte sie den Blick. Auf einmal hatte sie keinen Appetit mehr auf ihren Toast.

Fand Prinz Jasim sie etwa attraktiv? Ach was! Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass dieser Mann sich für sie interessierte. Solche Gedanken waren reines Wunschdenken. Vielleicht war Jasim seinem freundlichen Bruder einfach ähnlicher, als sie vermutet hatte. Möglicherweise wollte er ihr über die peinliche nächtliche Begegnung hinweghelfen.

Elinor kletterte auf den Beifahrersitz, während Ahmed Zahrahs Kindersitz auf der Rückbank eines chromblitzenden Range Rovers befestigte. Sie beobachtete, wie Jasim um die Kühlerhaube herumging. Eine leichte Brise zerzauste sein dunkles Haar, seine Gesichtszüge wirkten kraftvoll und unternehmungslustig.

Durch die Windschutzscheibe begegneten sich ihre Blicke, und eine seltsame Erregung erfasste Elinor. Hitze durchflutete sie, sie bewegte sich nervös auf dem Sitz. Ihre unwillkürliche Reaktion erschreckte sie. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass sie sich körperlich so stark zu einem Mann hingezogen fühlen könnte. Leicht atemlos verfolgte sie, wie er kurz darauf die Handbremse löste und den Motor startete.

„Mögen Sie Pferde?“, fragte Jasim.

„Seit meiner Kindheit bin ich eine echte Pferdenärrin“, gestand Elinor lächelnd. „Ich war im gleichen Alter wie Zahrah, als ich die erste Reitstunde bekam. Ein Nachbar hatte einen Stall. Nach der Schule bin ich immer hingegangen und habe ihm bei den Pferden geholfen.“

„Haben Sie mal ein eigenes Pferd gehabt?“

Elinor wurde traurig. „Ja. Mit neun bekam ich eine Stute. Mein Vater hat sie verkauft, als ich vierzehn war. Er fand, dass ich zu viel Zeit mit Starlight verbringen würde. Ich sollte mich ausschließlich um die Schule kümmern.“

„Das muss Sie sehr mitgenommen haben.“

„Ich war am Boden zerstört.“ Elinor schwieg. Wie grausam sie dieser Verlust getroffen hatte, ließ sich nicht in Worte fassen. Ihr Vater hatte ihr vorher nichts gesagt. Sie hatte sich von ihrer geliebten Starlight nicht einmal verabschieden können. Das Pferd war das letzte Band zu ihrer verstorbenen Mutter gewesen – und der einzige Freund, der ihr durch die unglücklichen Kinderjahre geholfen hatte. „Aber sie war noch jung. Ich hoffe, sie hat eine neue Besitzerin gefunden, die sie ebenso geliebt hat wie ich.“

„Das klingt, als wäre Ihr Vater sehr streng gewesen“, bemerkte Jasim, der mehr aus Elinor herausholen wollte. Es überraschte ihn nicht, dass sie ihm als Erstes eine Mitleidsgeschichte servierte. Damit wollte sie sich in ein günstiges Licht rücken.

„Zu streng. Danach durfte ich mich für nichts mehr außer der Schule interessieren. Ich war froh, als ich von zu Hause wegkam“, erwiderte Elinor. Wie erleichtert war sie damals gewesen, nicht mehr ständig kritisiert und wegen ihrer Prüfungsnoten mit verletzenden Vorwürfen überschüttet zu werden! Später hatte sie eingesehen, dass sie eben eine Durchschnittsschülerin und nicht etwa dumm gewesen war. Doch mit sechzehn hatte sie den Worten ihres Vaters geglaubt. Und er hatte ihr das Gefühl gegeben, ein hoffnungsloser Versager zu sein. Die Folge war, dass es um ihr Selbstwertgefühl selbst heute noch schlecht bestellt war.

Jasim presste die Lippen zusammen. Auch das bestätigte seine Vermutung. Es kam ihm nur verständlich vor. Sicher hatte der besorgte Vater seine missratene Tochter einfach zügeln wollen. Vermutlich war sie damals wahllos durch die Betten gehüpft.

Jasim dachte daran, wie Elinor ihn kurz zuvor angesehen hatte. Er bemerkte, wie sich ihre aufgerichteten Brustspitzen deutlich unter dem T-Shirt abzeichneten. Ganz offensichtlich war sie schnell erregt. Es reizte ihn, wie stark sie auf ihn reagierte.

Hitze durchschoss ihn von Kopf bis Fuß. Im Stillen ärgerte Jasim sich darüber, dass die schöne Hexe diese Wirkung auf ihn hatte. Nur sexuelle Erfüllung konnte dieses Problem lösen – und er hatte nicht vor, lange darauf zu warten. Aber das würde auch nicht nötig sein …

Hastig erinnerte Jasim sich selbst daran, dass seine Nichte anwesend war. Er verdrängte die leidenschaftlichen Fantasien und die heftige Ungeduld, die er in Elinors Gegenwart verspürte.

„Ich zeige Ihnen die Zuchthengste“, schlug er vor.

Da es für Zahrahs Reitstunde noch zu früh war, freute Elinor sich auf die Führung. Es war viel interessanter, wenn der Besitzer ihr persönlich seine Pferde vorführte. Natürlich war sie vor den Ausritten oft in den Stallungen gewesen. Von den Zuchthengsten hatte sie sich bisher allerdings ferngehalten.

Die edlen Tiere waren in einem eindrucksvollen, makellos sauberen Gebäudekomplex untergebracht, an den sich Weiden und bei jedem Wetter nutzbare Koppeln anschlossen. Ein ganzer Stab von Fachleuten war mit der Pflege der Pferde betreut. Der Manager kam aus seinem Büro, um Jasim zu begrüßen. Hinter ihm eilten auch der auf dem Anwesen wohnende Tierarzt und weiteres Betreuungspersonal herbei.

Obwohl Elinor eine Pferdenärrin war, konnte sie dem Gespräch bald kaum mehr folgen. Fachmännisch wurde über Gewinnchancen und neue Sieger auf den Rennbahnen geredet. Irgendwann schlenderte sie davon und sah nach, ob Zahrahs Pferd gesattelt war. Kurz darauf erschien bereits der Reitlehrer des Mädchens. Die beiden verschwanden, um mit dem Unterricht zu beginnen.

„Reiten Sie Amaranth?“, fragte der Stallmeister Elinor.

„Ja.“ Liebevoll begrüßte sie den großen braunen Wallach. Das Tier hatte sie an der Stimme erkannt und scharrte in seiner Box ungeduldig mit den Hufen. Sie tätschelte Amaranth und ließ ihn heraus. Der Stallmeister hatte ihr das Pferd erst anvertraut, nachdem sie es einen Monat lang regelmäßig besucht hatte. Auch das war ein Grund, warum Elinor die Stelle nicht aufgeben wollte: Hier konnte sie kostenlos reiten, wann immer es ihre Zeit zuließ.

Jasim wollte sich von seinen Angestellten verabschieden, als er Elinor herausreiten sah. „Sie lassen das Kindermädchen Amaranth reiten?“, fragte er tadelnd.

„Elinor ist ihm gewachsen, Euer Hoheit“, versicherte der Stallmeister ihm. „Sie reitet ausgezeichnet.“

Prompt gab sie ihm Gelegenheit, sich selbst davon zu überzeugen. Sie trieb den Wallach auf eine Einfriedung zu und setzte so leicht und geschmeidig darüber hinweg, dass selbst Jasim beeindruckt war.

Bald hörte Elinor hinter sich Hufgetrappel und blickte sich um. Auf dem Rücken seines mächtigen Hengstes Mercury holte Jasim schnell auf. Spontan trieb sie Amaranth zum Galopp quer über das üppig blühende Parkland an, das Woodrow Court zu einem wahren Reiterparadies machte.

Jasim war verblüfft. Dieses Teufelsmädchen besaß tatsächlich den Nerv, ihn zum Wettreiten herauszufordern! Dabei war er sich sicher gewesen, dass sie das Pferd zügeln und auf ihn warten würde. Normalerweise ritt er nicht mit Frauen aus. Sie neigten dazu, ständig zu plaudern oder zu flirten, und dabei konnte er sich nicht entspannen. Doch Elinor gab ihm Gelegenheit zu einem sportlichen Wettrennen. Bewundernswert, wie sie ihr Pferd beherrschte! Das Mädchen konnte wirklich reiten!

Am See brauchte Amaranth eine Verschnaufpause. Elinor zügelte den Wallach, brachte ihn im Schatten einer Baumgruppe zum Stehen und stieg ab.

Jasim sprach in sein Handy, während er auf Mercury heranritt. Geschmeidig ließ er sich zu Boden gleiten und beobachtete Elinor. Sie nahm die Reitkappe ab, schüttelte ihr seidiges langes Haar und reckte sich – wobei sich ihre festen kleinen Brüste gegen das T-Shirt pressten. Er war überzeugt davon, dass sie ihn dadurch nur auf ihre Reize aufmerksam machen wollte. Trotzdem verfehlte der billige Trick seine Wirkung nicht.

Verlangen erfüllte ihn mit einem Mal, und er spürte, wie sein Körper allzu deutlich reagierte. Da die Reithose nicht viel verbarg, nahm er rasch seine Kappe in die Hand und wandte sich ab. Er ging zum Seeufer hinunter, um seine verrücktspielenden Hormone unter Kontrolle zu bekommen. So etwas war ihm seit der Teenagerzeit nicht mehr passiert. Er ärgerte sich über sich selbst.

Verträumt blickte Elinor über den See und bewunderte die blühende Sommerlandschaft ringsum. In Woodrow Court fühlte sie sich manchmal einsam. Dennoch würde sie diese Umgebung und das Gefühl der Freiheit, das sie hier verspürte, nie gegen den Lärm und die Hektik der Großstadt eintauschen wollen.

„Sie sind eine ausgezeichnete Reiterin“, stellte Jasim ruhig fest.

Sie bemerkte das Funkeln in seinen Augen. Offenbar hatte ihr Verhalten ihm ganz und gar nicht gepasst. „Ohne meinen großen Vorsprung hätten Sie mich auf Mercury spielend geschlagen“, erwiderte sie, um einen möglichen Patzer auszubügeln.

Schweigend sah er sie an. Er war es nicht gewöhnt, abgehängt zu werden. Er war ehrgeizig und kampferprobt und empfand es als selbstverständlich, bei allem stets der Erste zu sein. Selbst sein bester Freund hätte ihn als schlechten Verlierer bezeichnet. Doch Elinors vergnügtes und doch so unschuldiges Lächeln verzauberte ihn. Es nahm ihm den Wind aus den Segeln. Jetzt verstand er, was sein Bruder an ihr fand. Natürlich legte sie es bewusst darauf an, ihn einzufangen – das stand für Jasim fest. Umso erstaunlicher, dass selbst er ihrem Zauber erlag.

Unter seinem eindringlichen Blick wurde Elinor heiß. Sie atmete die frische Luft tief ein. In Murads konservativer Familie konnte es ihrem Ruf nur schaden, wenn sie hier mit Jasim allein war. „Ich muss jetzt zurück“, erklärte sie. „Zahrahs Reitstunde ist bald zu Ende.“

„Die Kinderfrau kommt vom Haus herüber und holt sie ab. Sie brauchen sich deswegen also keine Gedanken zu machen. Ich habe uns Erfrischungen bestellt … Ach, da sind sie ja schon.“

Erstaunt folgte Elinor seinem Blick. Über das Gras kam ein Geländewagen auf sie zugeholpert. „Sie haben uns Erfrischungen bestellt … hierher?“

Belustigt zog Jasim eine Braue hoch. „Warum nicht?“

Typisch! dachte Elinor. Er kam gar nicht auf die Idee, sich zu fragen, warum sie so reagierte. Erneut führte er ihr vor Augen, welche Kluft zwischen ihnen bestand. Außerdem störte es Elinor, dass er ihr Tagesprogramm einfach über den Haufen warf. Er hatte die Kinderfrau beauftragt, sich um Zahrah zu kümmern – dabei gehörte das ganz klar zu Elinors Aufgaben. Und jetzt hatte er Erfrischungen mitten in den Park bestellt. Aber nun … Für Jasim und seinen königlichen Bruder war es selbstverständlich, dass jeder Befehl ausgeführt wurde.

Zwei Angestellte stiegen aus dem Auto und rollten einen kostbaren Teppich auf dem Rasen aus. Anschließend deckten sie ihn mit einer Auswahl heißer und kalter Getränke, Geschirr, Gläsern und kleinen Imbissen. Elinor war vollkommen erstaunt. Sie hatte höchstens erwartet, einen Plastikbecher in die Hand gedrückt zu bekommen.

Als sie sich stärkten, fiel Elinor auf, dass Jasim nur Wasser trank. Etwas später lehnte er sich gelöst an einen Baum, während sie schweigend Kaffee aus einer zarten Porzellantasse trank. Dabei beobachtete sie fasziniert, wie das Sonnenlicht auf Jasims markanten Zügen spielte und wie der Wind sein glänzendes dunkles Haar zerzauste.

„Und jetzt verraten Sie mir, wieso Ihr Geburtstag für Sie so enttäuschend war“, forderte er sie auf.

„Ich hatte gehofft, Sie würden meine dumme Bemerkung vergessen“, gab Elinor zurück.

Er lächelte ihr auf eine Weise zu, die ihr Herzflattern verursachte. Unauffällig musterte sie ihn, während sie ihm von den Nachtklubgutscheinen erzählte. Komisch – als sie von der Großherzigkeit seines Bruders schwärmte, presste er missbilligend die Lippen zusammen.

„Murad ist ein großzügiger Arbeitgeber“, sagte er nur.

Der Bericht bestätigte Jasims Vermutung. Yaminahs Besorgnis war also berechtigt. So viel Begünstigung kam nicht von ungefähr! Die Schöne musste mächtig mit Murad geflirtet und sich geschickt bei ihm eingeschmeichelt haben. Endlich verstand er, warum sein Bruder ihr die Familienlimousine zur Verfügung gestellt hatte. Natürlich hatte der Gute sicherstellen wollen, dass sie am Ende des Abends nach Woodrow Court zurückkehrte.

„Oh ja“, gab Elinor ihm recht. „Eigentlich mache ich mir nichts aus Nachtklubs. Dort lerne ich sowieso niemanden kennen. Den meisten Männern bin ich viel zu groß …“

„Aber genau richtig für mich“, unterbrach Jasim sie leise.

Diese persönlichen Worte machten sie verlegen. „Jedenfalls hat eine Frau es nicht leicht, wenn sie so groß ist wie ich.“

Jasim reichte ihr die Hand. „Stehen Sie auf und lassen Sie mich sehen.“

Verwirrt stellte Elinor ihre Tasse ab. Sie ergriff seine Hand und ließ sich von ihm auf die Füße ziehen. Als er sie lange betrachtete, spürte sie die Hitze in ihre Wangen steigen. Sie musste sich an den Baumstamm lehnen, weil die Knie unter ihr nachzugeben drohten.

„Sie haben fantastische lange Beine“, meinte Jasim und strich ihr eine seidige Haarsträhne aus dem Gesicht. „Und wunderschönes Haar und einen Mund, der eine Versuchung für jeden heißblütigen Mann darstellt.“ Er blickte auf ihre vollen Lippen, sodass sie erbebte. „Schon als ich Sie zum ersten Mal sah, wollte ich Sie küssen.“

„Sie waren wütend auf mich“, erinnerte sie ihn matt. Der Ausdruck in seinen Augen brachte sie völlig aus der Fassung.

„Und trotzdem habe ich mich gefragt, wie es wäre, Sie zu küssen“, entgegnete Jasim.

Er war ihr so nahe, dass sie kaum atmen konnte. Schließlich beugte er sich vor.

Es war viele Monate her, seit Elinor zum letzten Mal geküsst worden war – doch nie zuvor hatte es sich so angefühlt wie bei Jasim bin Hamid al Rais. Seine Leidenschaft überwältigte sie, als er mit unbeschreiblicher Sinnlichkeit mit der Zunge ihre geöffneten Lippen liebkoste. Ein süßes, fast quälendes Ziehen breitete sich zwischen ihren Schenkeln aus, und sie stöhnte leise. Ihre Brustspitzen prickelten und pressten sich schmerzhaft gegen ihren BH.

Halt suchend klammerte sie sich an Jasims Schultern. Als er sich nun sanft an sie schmiegte, konnte sie spüren, wie erregt er war. Unwillkürlich reagierte sie auf die intimen Berührungen. Zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhr sie, wie es war, einen Mann wirklich zu begehren. Die Stärke dieses Verlangens rüttelte sie auf und machte ihr bewusst, was sie tat.

Hastig riss sie sich von Jasim los und wandte das Gesicht ab. Mit zittrigen Fingern strich sie sich das Haar aus der Stirn. Sie fuhr sich über die brennenden Lippen und konnte kaum fassen, was sie empfunden hatte.

„Entschuldigung … aber das dürfen wir nicht tun“, flüsterte sie entsetzt.

Jasim hatte sich von der unerwarteten Zurückweisung erholt und deutete ihre Reaktion als geschickten Schachzug einer erfahrenen Frau. Nichts war quälender für einen Mann, als einen Vorgeschmack auf verbotene Früchte zu bekommen und dann abgewiesen zu werden. Auch ihm war der Kitzel einer atemlosen Jagd lieber als die schnelle Eroberung. Diesmal war er allerdings so erregt gewesen – fast wäre er bereit gewesen, das erotische Verführungsspiel deutlich abzukürzen.

„Und warum nicht?“, wollte er wissen.

„Ich arbeite für Ihre Familie. Uns trennen Welten. Wie viele Gründe soll ich Ihnen nennen?“, gab Elinor zu bedenken, obwohl sie ihn eigentlich nicht fortschicken wollte.

Jasim fasste einen Entschluss. Er würde ihr den Grund liefern, nach dem sie sich offenbar sehnte. Und dadurch würde er sie dazu bringen, seinen Bruder aufzugeben und sich ihm zuzuwenden. Ganz gegen seine sonst so gelassene, unverbindliche Art beschwor er sie: „Ich finde Sie unheimlich attraktiv. Ich bin kein Snob, Elinor. Glauben Sie mir, ich habe viele Frauen gekannt. Aber so habe ich noch nie empfunden. Wir müssen herausfinden, was uns zueinander zieht.“

Beunruhigt sah sie ihn an. Sie fühlte sich so stark zu ihm hingezogen und wollte ihm vertrauen. Doch gleichzeitig hatte sie Angst, verletzt zu werden – wie ihre Mutter bei jener Märchenromanze, die schnell zerbrochen war und sie für den Rest ihres Lebens unglücklich gemacht hatte.

„Ich glaube nicht, dass Ihr Bruder das billigen würde. Außerdem möchte ich meinen Job behalten“, erwiderte sie leise.

Jasim erschien das ihre ehrlichste Antwort zu sein. In welchen Bruder würde sie nun ihr Vertrauen setzen? Sicherlich würde sie nicht riskieren, sich zwischen alle Stühle zu setzen und beide Männer zu verlieren. Jasim nahm ihre Hand und drückte sie. „Ich verspreche Ihnen, dass Sie bei mir nichts zu befürchten haben.“

Elinor dachte noch immer über Jasims Versprechen nach, während sie sich auf dem Heimweg zu den Stallungen ungezwungen über Pferde unterhielten. Eine gewöhnliche Sterbliche konnte sich nur Probleme einhandeln, wenn sie sich mit jemandem aus dem Königshaus einließ – so viel stand für sie fest.

Die Kinderfrau war bereits bei Zahrah, als sie bei den Ställen ankamen. Die Betreuerin reagierte seltsam überrascht, Elinor mit Jasim zu sehen. Merkt man mir an, was geschehen ist? fragte sie sich verunsichert. Jasim bestand nun darauf, sie zum Herrenhaus zu begleiten – eine weitere Vorzugsbehandlung, die anderen auffallen musste.

Am Nachmittag nahm Elinor ihren gewohnten Alltag wieder auf und ging mit Zahrah einkaufen. Danach sahen sie sich im Kino einen neuen Kinderfilm an. Wie an den meisten Samstagen begnügten sie sich anschließend mit einem leichten Abendessen im Kinderzimmer. Nachdem Elinor die Kleine dann gebadet hatte, brachte sie Zahrah ins Bett, deckte sie liebevoll zu und gab ihr wie stets einen Gutenachtkuss.

Elinor war zu aufgewühlt, um den Abend vor dem Fernseher zu verbringen. Kurzerhand schlüpfte sie in einen Badeanzug, zog den Frotteemantel darüber und ging ins Hallenschwimmbad hinunter. Wenn Zahrahs Eltern zu Hause waren, schwamm sie dort nur zusammen mit dem Mädchen. Da sie jedoch verreist waren, fand sie nichts dabei, allein einige Bahnen zu ziehen.

Der Badebereich war riesig und bot alle modernen Annehmlichkeiten: Es gab einen eindrucksvollen Wasserfall, einen Whirlpool und auf einer Seite sogar einen ganzen Wellnessbereich.

Jasim trat aus dem Aufzug. Beeindruckt stellte er fest, dass Elinor im Wasser bereits auf ihn wartete. Die Schöne verlor keine Zeit. Offenbar wollte sie nicht riskieren, dass ein Mann das Interesse verlor, weil sie sich zu rar machte. Gebannt sah er zu, wie sie aus dem sprudelnden Whirlpool stieg und sich ins große Becken gleiten ließ. Dabei bot sich ihm die reizvolle Gelegenheit, ihren schlanken, kurvenreichen Körper zu bewundern.

Sie trug einen knappen roten Badeanzug, der nur wenig der Fantasie überließ. Die sanften Rundungen ihrer Brüste und ihr herzförmiger Po wirkten ungemein verlockend und hätten das Herz jedes Mannes höherschlagen lassen.

Gleichzeitig störte es Jasim, dass Elinor eine so starke Wirkung auf ihn hatte.

Dann bemerkte sie ihn. Ihre überraschte, scheue Reaktion kam ihm geradezu filmreif vor. Was für eine Schauspielerin! Wie viele Männer mochte sie auf diese Weise betört haben? Niemand wusste es besser als er: Eine Frau konnte von einem Mann praktisch alles haben, wenn sie ihn erst so weit hatte, dass er verrückt nach ihr war. Verbittert dachte er an seine eigene Vergangenheit.

Nachdem Jasim ins Wasser gesprungen war, hielt Elinor es für besser, nicht im Becken zu bleiben. Schließlich war dies sein Haus – und sein Pool. Was würden außerdem die Angestellten denken, wenn sie ihren Prinzen hier im Pool mit ihr sahen? Eilig kletterte sie aus dem Wasser und schlüpfte in ihren Bademantel.

Jasim schwamm zum Beckenrand und hievte sich heraus. Wasser tropfte von seinem durchtrainierten Körper, als er zu ihr herüberkam und ein Badetuch aufnahm. „Warum gehen Sie?“

„Ich halte das für besser“, erwiderte Elinor steif. Sie vermied jeden Blick zu ihm, während er sich abtrocknete.

Insgeheim war Jasim froh, dass er lockere und nicht zu eng sitzende Shorts trug. Verlangend betrachtete er Elinor und verharrte auf ihrem sinnlichen Mund. „Besser für wen? Sie begehren mich auch. Das können Sie unmöglich abstreiten.“

Die brutale Wahrheit ließ sie erröten. Mit zittrigen Fingern machte sie sich daran, ihren Bademantel zu gürten. Jasim schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Obwohl ihr das Angst machte, fühlte sie sich magisch zu ihm hingezogen. „Das ist nicht genug.“ Sie musste die Situation retten, ehe sie außer Kontrolle geriet!

Jasim ergriff ihre Handgelenke. Langsam, aber unaufhaltsam zog er Elinor an sich. „Das ist erst der Anfang …“

Wie eine Ertrinkende versank sie in den Tiefen seines Kusses, verlor völlig den Boden unter sich. Ein leidenschaftlicher Kuss führte zum anderen. Jasim küsste sie immer fordernder, bis sie fiebernd in seinen Armen lag und sich nach mehr sehnte.

„Hier ist nicht der richtige Ort, aber du bist unwiderstehlich“, flüsterte er atemlos an ihren Lippen. Dann hob er sie hoch und trug sie zum Aufzug.

Elinor hatte diesen Lift nie benutzt, da er direkt ins Hauptschlafzimmer des Hausherrn hinaufführte. Neben einem riesigen Diwanbett setzte er sie ab und streifte ihr den Bademantel von den Schultern, der in einem Haufen zu ihren nackten Füßen landete. Gebannt blickte sie Jasim in die Augen und öffnete die bebenden Lippen.

Sie platzte heraus: „Das dürfen wir nicht tun!“ Panik stieg in ihr auf, als ihr bewusst wurde, worauf sie sich eingelassen hatte. Wie naiv sie doch gewesen war! Natürlich hätte sie es wissen müssen: Jasim erwartete jetzt, dass sie mit ihm ins Bett ging!

Er führte ihre Hand zu seiner nassen Badehose, unter der sich deutlich seine harte Männlichkeit abzeichnete. „Bitte …“, flüsterte er. „Ich begehre dich so wahnsinnig, dass ich ohne dich nicht schlafen kann.“

Fast allem hätte Elinor widerstehen können. Doch das sinnliche Flehen in seiner Stimme berührte etwas tief in ihr und machte sie willenlos. Wann hatte ein Mann sie jemals so begehrt? Wann hatte sie je einen solchen Sturm des Verlangens entfacht? So oft in ihrem Leben hatte sie sich unbeholfen und unweiblich gefühlt. Sie blickte in Jasims leidenschaftlich funkelnde Augen und genoss es, dass er sich so nach ihr verzehrte.

Die Stimme der Vernunft in ihrem Innern warnte sie davor, sich hinreißen zu lassen. Aber war sie nicht immer viel zu vernünftig und beherrscht gewesen? Was konnte schon passieren, wenn sie sich ein einziges Mal auf etwas Unvernünftiges einließ? Im Moment war nur eins wichtig: Sie hatte sich unsterblich in Jasim verliebt!

An diesen Gedanken klammerte Elinor sich. Im Stillen sprach sie sich Mut zu. Sie war die Leidenschaft wert, die Jasim ihr entgegenbrachte. Und vielleicht erlebte sie es nie wieder, dass ein Mann sie „unwiderstehlich“ nannte …

3. KAPITEL

Ehe Elinor auch nur ahnte, was Jasim vorhatte, zog er ihr den Badeanzug bis zur Taille hinunter.

Als sich ihm ihre nackten Brüste entgegenwölbten, betrachtete er die prallen rosigen Spitzen. Unwillkürlich stöhnte er auf. „Du hast einen herrlichen Körper.“

Sanft und fordernd zugleich berührte er ihre zarten Rundungen, bis Elinor aufschrie. Nie gekannte Empfindungen breiteten sich in ihr aus. Elinor fand sich beängstigend schnell in einer unbekannten Welt wieder, die Jasim ihr eröffnete. Begierig verlangte sie nach mehr.

Er war nur zu bereit, ihr zu geben, wonach sie sich sehnte. Mit einer fließenden Bewegung drückte er sie aufs Bett und küsste ihre Brust. Er nahm eine der rosigen Knospen zwischen die Zähne und schloss die Lippen fest darum.

In süßer Qual krallte Elinor die Finger ins Laken. Eine seltsame, sich rasch ausbreitende Hitze zwischen ihren gespreizten Schenkeln nahm ihr den Atem und raubte ihr die letzten Hemmungen. Jasim liebkoste ihre Brüste und streichelte dabei ihren empfindsamsten Punkt. Bald bog Elinor sich ihm so heftig entgegen, dass sie über sich selbst erschrak.

„Ja, lass dich gehen“, raunte Jasim ihr zu. Im Nu befreite er sie von dem störenden Badeanzug, rollte sich vom Bett und entledigte sich der nassen Shorts.

Wieder übermannten Elinor Ängste und Zweifel. Alles ging viel zu schnell. Wie konnte sie es so weit kommen lassen, ohne an die Folgen zu denken? Zum ersten Mal mit einem Mann zu schlafen war ein gewagter Schritt. Es verwirrte sie, einen völlig nackten Mann vor sich zu haben – noch dazu einen, der für ihren unberührten Körper entschieden zu kraftvoll ausgestattet war.

Das Pochen ihres eigenen Herzens ängstigte und erregte sie zugleich. Sie fragte sich, ob sie das Richtige tat. Oder ließ sie sich etwa nur von der Leidenschaft mitreißen? War es vielleicht bloß das erhebende Gefühl, von diesem unglaublichen Mann so verzweifelt begehrt zu werden?

Siegessicher blickte Jasim sie an und staunte über sich selbst. So wie sie dalag, kam Elinor ihm wie eine Göttin vor. Ihr feurig rotes Haar bildete einen atemberaubenden Kontrast zu ihrer makellosen Haut. Noch nie hatte er eine Frau so begehrt – nicht einmal Sophia hatte diese Macht über ihn besessen …

Sophia! Nie wieder würde er sich von einer Frau verletzen oder zum Sklaven seiner Lust machen lassen!

„Ich möchte mit dir schlafen, Elinor“, gestand er und legte sich zu ihr. Er wollte sie so sehr. Es fiel ihm schwer, daran zu denken, warum er eigentlich mit ihr ins Bett gehen wollte … um sie davon abzubringen, etwas mit seinem Bruder anzufangen.

Beim Anblick seiner markanten Züge fühlte sich ihr Mund trocken an. Elinors Herz raste und schien die Brust sprengen zu wollen. „Ich habe noch nie so etwas gefühlt“, flüsterte sie.

Im Stillen tat Jasim dies als raffinierten Trick ab, seinem männlichen Ego zu schmeicheln. Erneut küsste er sie voller Verlangen.

Sogleich schmolz Elinor wieder dahin und vergaß ihre Bedenken. Sie genoss seine Nähe, den Duft seiner Haut, seine Liebkosungen. Wie eine lebendig gewordene Bronzestatue fühlte er sich an – heiß und hart und stark. Wie müsste es sein, ihn in sich zu spüren? Bei dem Gedanken erschrak sie über sich selbst.

Behutsam strich Jasim über ihren Venushügel und nahm zufrieden die kurzen Atemstöße wahr, die Elinor von sich gab. Sie fühlte sich wunderbar seidig an. Vorsichtig begann er, ihre empfindsamste Stelle mit dem Finger zu erkunden. Als sie sich stöhnend wand, bewunderte er insgeheim ihr schauspielerisches Können.

Sicherlich nahm sie wie Sophia an, dass ein arabischer Mann nur eine Jungfrau schätzen würde. Sophia hatte damals ein kleines Vermögen geopfert, um ihr Jungfernhäutchen durch eine Operation wiederherstellen zu lassen. Und er hatte sich tatsächlich täuschen lassen! Voller Verbitterung erinnerte Jasim sich daran.

„Was hast du? Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Elinor. Jasims Miene hatte sich verfinstert, während sie sich fast in ihrer Lust verlor. Es war wunderbar, was er mit ihr machte. Doch anscheinend hatte er nun gemerkt, wie unerfahren sie war. War er jetzt ernüchtert …?

„Alles ist bestens“, beruhigte er sie.

„Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen“, gestand Elinor ihm scheu. „Stört dich das?“

„Wie könnte mich das stören? Du schenkst mir etwas, das noch keinem Mann gehört hat“, erwiderte er. In allerletzter Minute versicherte sie ihm, dass sie Jungfrau war! Offenbar befürchtete sie, dass ihm diese kleine Kostbarkeit entgehen könnte. Sie wollte wohl nichts dem Zufall überlassen. Er konnte es zwar kaum erwarten, ihren herrlichen Körper zu spüren. Trotzdem hätte er ihr am liebsten auf den Kopf zugesagt, dass er ihren Schwindel durchschaut hatte und dass sie ihn mit ihren raffinierten Tricks nicht eine Sekunde täuschen konnte.

Ungeduldig schob Jasim sich zwischen ihre Schenkel. Er war so erregt, dass er bebte. Schließlich drang er in sie ein. Sachte drückte er ihre Beine weiter auseinander, um ihr näher zu sein. Dabei stieß sie einen schmerzvollen kleinen Schrei aus.

Er hielt inne. Dass sie die Jungfrauennummer so weit treiben würde, hatte er nicht gedacht.

Einen Augenblick lang lag Elinor starr da. „Tut mir leid, es hat etwas wehgetan … Aber es ist schon gut“, flüsterte sie. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken.

„Ich muss mich entschuldigen“, sagte Jasim und tauchte langsam weiter in ihre samtigen Tiefen ein. Mit diesem Spielchen kannte er sich aus. „Ich hätte sanfter sein sollen.“

Der Schmerz ebbte ab, und allmählich bewegte Jasim sich immer fordernder. Erneut umspülten Elinor die Wogen der Lust. Atemlos schlang sie die Arme um Jasims Nacken und überließ sich den Empfindungen, die ihre kühnsten Träume übertrafen. Schneller und kraftvoller durchflutete die lustvolle Strömung jede Faser ihres Körpers. Die intensiven Gefühle gipfelten schließlich in einer mächtigen Welle, von deren Kamm sie in ein süßes Tal hinabgetragen wurde.

Hinterher blickte Jasim ihr staunend und atemlos in die Augen. „Du hast mich ins Paradies geführt, Elinor. Glaube mir, dort bin ich noch nie mit einer Frau gewesen.“

Er hielt sie im Arm. Herz an Herz lagen sie da, und Elinor blinzelte die aufsteigenden Tränen fort. So hatte sie noch nie empfunden. Sie bedeckte Jasims Schulter mit kleinen Küssen und kämpfte ihre Verlegenheit und Scham nieder. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Wenigstens für einige Augenblicke wollte sie noch daran glauben.

„Ich sollte jetzt in mein Zimmer zurückkehren“, flüsterte sie etwas später.

Doch Jasim zog sie daraufhin wieder an sich. Sein Verlangen war längst nicht gestillt. „Heute Nacht bleibst du bei mir“, erklärte er rau.

Jetzt gehört sie mir!

Triumphierend schmiegte er sich mit neu auflodernder Erregung an sie. Eine einzige Nacht mit Elinor unter dem Dach, das auch seine Nichte beherbergte – mehr wagte er nicht, sich zu erlauben …

In den frühen Morgenstunden erwachte Elinor. Das Licht fiel dämmrig durch die Vorhänge herein und erhellte sanft den unbekannten prächtigen Raum. Mit einem Mal strömten die aufregenden Ereignisse der Nacht in ihr Bewusstsein zurück. Im ersten Moment erschreckte sie der Gedanke an die Folgen, die sie haben würden.

Wie hatte sie sich nur auf diese Affäre einlassen können? Sie musste den Verstand verloren haben! Vor nicht einmal sechsunddreißig Stunden hatte sie Prinz Jasim kennengelernt. Und seitdem hatte sie die Nacht in seinem Bett verbracht und sich wieder und wieder von ihm lieben lassen – er war ein sehr anspruchsvoller und ausdauernder Liebhaber.

Zärtlich betrachtete Elinor ihn im Morgenlicht. Die edlen Gesichtszüge, der dunkle Bartschatten um den energischen, sinnlichen Mund. Ein fantastischer Mann! Selbst jetzt raubte sein Anblick ihr den Atem, und das ängstigte sie. An Liebe auf den ersten Blick hatte sie nie geglaubt.

Doch was sonst bedeuteten die starken Empfindungen, die sie erfüllten? Seit sie Jasim begegnet war, hatte sie sich Tag und Nacht mit ihm beschäftigt. Zu Pferde oder im Bett … er war ein Traummann! Aber eigentlich kannte sie ihn kaum. Und er hielt sicherlich nicht viel von ihr, nachdem sie ihm so willig in die Arme gesunken war.

Jasim stellte sich schlafend und ließ Elinors Musterung über sich ergehen. Im Stillen überlegte er, ob er sie jetzt ein weiteres Mal lieben könnte. Er konnte einfach nicht genug von ihr bekommen. Doch bald würden die Bediensteten aufstehen. Das Leben im Königspalast hatte ihn gelehrt, dass ein solcher Skandal im Haus schnell die Runde machte und ebenso schnell nach draußen gelangte – mit verheerenden Folgen.

Zufrieden hielt er sich vor Augen, dass er sein Ziel in Rekordzeit erreicht hatte. Sein Bruder würde nun keinen Blick mehr an Elinor verschwenden. Damit öffnete er die Augen. Sogleich setzte er sich auf und schlug die Decke zurück – und entdeckte den kleinen Blutfleck auf dem weißen Laken.

„Guten Morgen“, flüsterte Elinor verlegen.

Wie unglaublich schön und scheu sie war! Elinor war so süß und liebenswert!

Im Gegensatz zu Sophia war Elinor also wirklich Jungfrau gewesen. Und dennoch hatte er sie so stürmisch und fordernd geliebt. Eine Jungfrau! Einfach erstaunlich für eine Einundzwanzigjährige in einer Welt des schnellen Sex. Gewissensbisse überkamen ihn. Eine Jungfrau zu verführen wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Doch selbst wenn es ihm vorher bewusst gewesen wäre, hätte er sich dann zurückgehalten?

Ihre Unschuld musste Murad umso mehr gereizt haben.

Jasim konnte sich gratulieren. Diese Katastrophe hatte er abgewendet.

Er hatte verhindert, dass sein Bruder Yaminah verließ und sich eine zweite Frau nahm. Trotz seiner vielen Affären war Murad ein streng konservativer Mann. Jasim war sich sicher, dass sein Bruder Elinor gleich nach der ersten Nacht um ihre Hand gebeten hätte.

Voller Verlangen berührte Jasim sie und zog sie an sich. „Guten Morgen, Schatz“, begrüßte er sie sinnlich und liebkoste gleich darauf ihre verlockenden Brustspitzen.

Unwillkürlich verkrampfte sie sich. „Ich muss in mein Zimmer zurück …“

„Ein Diener wird deine Sachen für dich zusammenpacken.“ Jasim bettete sie auf die zerwühlten Kissen und beugte sich über eine ihrer aufgerichteten Knospen. Ein einziges Mal noch – und sei es bloß, um bis zum Abend durchzuhalten.

Eben war Elinor anschmiegsam und zu allem bereit gewesen. Jetzt lag sie stocksteif da. „Packen … für mich?“

Jasim wünschte sich, er hätte sie vorher noch einmal lieben können. Widerstrebend hob er den Kopf und blickte ihr in die Augen. „Du kannst nicht in Woodrow Court bleiben, Elinor.“

„Was willst du damit sagen?“ Verwirrt entzog sie sich ihm und bedeckte ihre Brüste. Plötzlich kam sie sich nackt vor.

Langsam atmete Jasim aus. „Nachdem wir miteinander geschlafen haben, kannst du unmöglich bleiben“, erklärte er ungeduldig. „Es wäre unangemessen und undenkbar, dass du meine Nichte weiter betreust.“

Die Worte schockierten Elinor zutiefst. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. „Soll das heißen, dass ich gefeuert werde, weil ich mit dir geschlafen habe?“

„So würde ich es nicht ausdrücken.“

Aufgebracht zog Elinor die Decke unters Kinn und kämpfte gegen die Tränen an. Sie musste sich verhört haben! Jasim hatte es so ruhig und höflich ausgesprochen, als würde er nett mit ihr plaudern. „Wie würdest du es dann ausdrücken?“

„Unsere Beziehung verlagert sich auf eine neue Ebene“, bemerkte er lässig und klang dabei fast kalt.

Fassungslos starrte sie ins Leere. „Was für eine Ebene?“

„Ich möchte, dass du nach London ziehst. Dort können wir uns öfter sehen.“

Erneut wurde ihr unangenehm bewusst, dass sie splitternackt war. „Aber ich arbeite gern hier. Ich habe Zahrah ins Herz geschlossen.“

„Tut mir leid, aber hier kannst du nicht bleiben. Unter den Augen meiner Familie kann ich keine Liebesbeziehung mit dir haben.“

„Weil du dich für mich schämst?“ Sie wusste nicht, ob sie wütend oder beleidigt sein sollte. Empört sprang sie aus dem Bett und hob ihren Bademantel auf.

„Nein. Aber damit würde ich mich taktlos und auf der ganzen Linie unmöglich verhalten. In London kann ich tun und lassen, was ich will. Und natürlich möchte ich dich öfter sehen.“ Fast beschwörend sah Jasim sie an. „Wir können die Uhr nicht zurückdrehen oder ungeschehen machen, was zwischen uns passiert ist. Du musst mir vertrauen. Verabschiede dich von Zahrah. Ich bringe dich noch vor dem Mittagessen von hier fort.“

Mit zittrigen Fingern hob Elinor ihren Badeanzug vom Boden auf. Sie stand unter Schock und wusste nicht, was sie tun sollte. In der letzten Nacht war Jasim ein überaus einfühlsamer Traumliebhaber gewesen. Und jetzt bestimmte er einfach über sie und stellte ihr ganzes Leben auf den Kopf. „Und wenn ich Nein sage? Wenn ich nicht mitspiele und sage: Vergessen wir, was war?“

„Du bist zu vernünftig, um dich gegen mich aufzulehnen, Elinor.“

Diesmal war der eisige Unterton nicht zu überhören. Ein Schauer überlief sie. Jasims Blick wirkte hart und kalt. Zum ersten Mal spürte sie die stählerne Kraft, die Macht und die Entschlossenheit, die in ihm steckten. Die Entdeckung machte ihr Angst. Er bestand darauf, dass sie Woodrow Court verließ. Und in dieser Situation sah auch sie keine Möglichkeit, zu bleiben. Sie würde ständig befürchten müssen, ihre Liebesbeziehung könnte entdeckt werden. „Ich wünschte, ich hätte vorher gewusst, auf was ich mich einlasse“, brachte sie matt hervor.

„Jetzt weißt du es“, bemerkte Jasim etwas freundlicher.

Am liebsten hätte Elinor ihn angeschrien, doch sie war zu erschüttert von der Entwicklung der Dinge. Nur nicht die Beherrschung verlieren! Zunächst musste sie ihre Gedanken ordnen. Sie hatte sich in Jasim verliebt. Allerdings gefiel es ihr gar nicht, wie er mit ihr umsprang. Konnte ein Königlicher Prinz ihr überhaupt Achtung entgegenbringen? Oder mehr in ihr sehen als eine willige Sexpartnerin? Sie hatte sich auf dieses Spiel eingelassen, ohne das Ziel so genau zu kennen. Jetzt war es zu spät, um gegen die Regeln aufzubegehren.

Wenn sie hier wenigstens ein gutes Zeugnis bekam, würde sie in London eine andere Stelle finden. Was auch immer sie tat, in Woodrow Court hatte sie ausgespielt.

Irgendwie gelangte Elinor in ihr Zimmer zurück, ohne jemandem zu begegnen. Unter der Dusche ließ sie den Tränen freien Lauf und kam zu einem schrecklichen Schluss: Es war ein großer Fehler gewesen, mit Jasim zu schlafen. Er wollte ihr ganzes Leben umkrempeln – und sie war nicht bereit, ihre Freiheit und ihre Unabhängigkeit aufzugeben.

Sobald Elinor sich angekleidet hatte, ging sie zu Zahrah. Sie erklärte dem Mädchen, dass sie unerwartet ihre Familie besuchen müsste. Sie hasste es, die Kleine anschwindeln zu müssen. Das Kind weinte, bis sie zum Frühstück hinuntergehen mussten. Es ging ihr ans Herz.

Doch Elinor war sich sicher, dass die Kleine ohne sie auskommen würde. Schließlich war da die Kinderfrau, die sich seit jeher um sie gekümmert hatte.

Nach dem Frühstück begann Elinor zu packen. Ein Diener holte ihr Gepäck ab.

Mittags rief Jasim sie über das Haustelefon an und teilte ihr mit: „Ich sehe dich dann in London. Schön, dass du vernünftig bist. Ich will und kann unsere Beziehung nicht vertuschen.“

Kurz darauf stieg Elinor vor dem Herrenhaus in den wartenden Wagen. Erst in dem Moment wurde es ihr bewusst: Sie hatte gar nicht gefragt, wohin sie gebracht wurde.

Am späten Nachmittag betrat sie mit dem Fahrer den Aufzug eines luxuriösen Apartmenthochhauses. Der Mann sprach nur Arabisch, sodass sie ihm keine Fragen stellen konnte. So erfuhr sie nicht einmal, ob Jasim hier wohnte, wenn er in London war. Quartierte er sie bei sich ein? Wohl kaum.

Tröstlich und beruhigend war, dass sich auf ihrem Konto ein ansehnlicher Geldbetrag angesammelt hatte. Sie war alles andere als mittellos und würde irgendwie durchkommen. Dennoch traf sie der plötzliche Umbruch in ihrem Leben schmerzlich – und dass sie sich in Jasim verliebt hatte, machte alles nur komplizierter.

Eine Stunde später betrat Jasim das Apartment. Sofort nahm er Elinor in die Arme und küsste sie leidenschaftlich. Offenbar wollte er sie daran erinnern, welche Macht er über sie besaß. Ihre Wangen glühten, in ihrem Bauch tanzten Schmetterlinge … Alles wird gut, redete sie sich im Stillen ein, als sie ihm ins Gesicht blickte. Sie musste ihrer Beziehung einfach mehr Zeit geben.

Doch die Zeit war kostbar, wie sich bald herausstellen sollte.

„Heute Abend fliege ich für zwei Wochen nach New York“, erklärte Jasim ihr eher beiläufig. Nur mit Mühe konnte Elinor ihre Enttäuschung verbergen. Er fuhr fort: „Deshalb habe ich dich herbringen lassen. Das Apartment gehört mir. Du wirst dich hier bestimmt wohlfühlen, während ich im Ausland bin.“

„Ich könnte mir auch ein eigenes Apartment leisten“, setzte Elinor dagegen, „aber dort würde ich wohl nicht lange wohnen. Kindermädchen leben meist in der Familie. Wenn du mir ein gutes Zeugnis besorgst, habe ich bei deiner Rückkehr sicher schon eine neue Stelle.“

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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