Julia Collection Band 109

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  • Erscheinungstag 21.07.2017
  • Bandnummer 0109
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709396
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Michelle Reid, Lynne Graham, Diana Hamilton

JULIA COLLECTION BAND 109

1. KAPITEL

Zwischen den zerwühlten Bettlaken erkannte Marco Bellini ein langes schlankes Bein und eine sanft gerundete Hüfte. Der Rest war von der blütenweißen Baumwolldecke bedeckt, an deren oberen Ende Antonias Arm und dichtes, rötlichblondes Haar hervorlugten.

Marco lehnte sich an das Geländer und lächelte, während er einen Schluck Kaffee trank. Es war noch früh am Morgen, doch die Sonne brannte ihm schon heiß auf den Rücken. Er war nach dem Duschen gleich hinausgegangen, nur ein weißes Badehandtuch um die Hüften geschlungen. Hier in seinem Sommerhaus hoch oberhalb von Portofino konnte er es sich erlauben, halb nackt auf der Terrasse zu stehen. Außer den Möwen, die die Stille mit ihrem Geschrei brachen, gab es keine Schaulustigen.

Natürlich, Antonia hätte ihn durch die offene Terrassentür sehen können, wenn sie nicht noch geschlafen hätte. Doch da sie nicht wie er um neun Uhr in Mailand sein musste, gab es für sie keinen Grund, so früh aufzustehen.

Aber wenn sie jetzt aufwacht, kann ich für nichts garantieren. Termine hin oder her. Er würde das Badetuch fallen lassen und zu ihr ins Bett kommen, ganz klar.

Marco nahm noch einen Schluck Kaffee, heiß, schwarz und stark. Er genoss es unglaublich, Antonia im Schlaf zu beobachten.

Seit einem Jahr war er jetzt mit dieser wunderschönen Frau zusammen. Antonia war immer elegant und perfekt gekleidet, doch wenn sie nackt war, raubten ihm ihr fantastischer Körper und die sanfte Haut fast den Verstand. Sie strahlte eine so natürliche Schönheit aus, dass keine andere Frau mit ihr konkurrieren konnte. Marco war stolz darauf, dass er ihr Liebhaber war. Mächtig stolz.

Liebe ich sie? fragte er sich plötzlich. Nein, gab er sich gleich darauf selbst die Antwort. Er liebte ihre Schönheit, ihre Eleganz und die Gefühle, die sie ihn ihm weckte. Er würde ihr jederzeit das Leben retten und seins dafür riskieren. Aber wahre Liebe ging tiefer. Er müsste sie als die Frau lieben, die sie war – und das tat er nicht.

Er seufzte. In diesem Moment schob sich eine Wolke vor die Sonne, und eine Möwe schien ihren Protest hinauszuschreien. Plötzlich schmeckte der Kaffee bitter. Marco stellte die Tasse ab, drehte sich um und blickte hinaus auf das blaue Wasser des Mittelmeers. Wenn er doch nur gewusst hätte, was er tun sollte.

Niemals würde er sich von Antonia trennen. Aber das bedeutete, dass er auf jeden Fall Schwierigkeiten bekommen würde. Dort drüben hinter den Bergen und jenseits der fruchtbaren Täler braute sich etwas zusammen. Seine herrische Mutter und sein kranker Vater, der sich sehnlichst wünschte, die Hochzeit seines Sohnes zu erleben, machten ihm Probleme.

Es würde ihm nicht schwerfallen, Antonia zu heiraten. Auch ohne sie zu lieben. Sie war jung und schön, und sie vergötterte ihn. Doch welche Eltern würden es ihrem einzigen Sohn verzeihen, dass er eine Frau wie Antonia heiratete? Für den Erben des riesigen Bellini-Vermögens war eine solche Verbindung schlicht unmöglich.

Antonias Vergangenheit würde sie verfolgen. So eine Frau würde ihm und seiner Familie keine Ehre machen. Sie war die perfekte Geliebte, aber das war auch alles.

Marco seufzte erneut. Vielleicht hatte Antonia es gehört, denn sie bewegte sich. Er nahm die Tasse zur Hand und beobachtete Antonia. Sie drehte sich langsam auf den Rücken und streckte, ohne die Augen zu öffnen, den Arm aus. Sie will mich streicheln, dachte Marco. Diese Geste war ihm so vertraut, dass er glaubte, ihre Hand auf seiner Brust zu spüren. Er bekam eine Gänsehaut. Es gefiel ihm, dass sie beim Aufwachen zuerst an ihn dachte.

Als sie begriff, dass Marco nicht neben ihr lag, öffnete sie die Augen. Sekundenlang zögerte sie, dann richtete sie sich mit einer einzigen Bewegung auf und sah sich um.

Sie entdeckte ihn und lächelte. „Hallo“, murmelte sie sanft.

Er warf ihr einen zärtlichen Blick zu, während sein Körper anfing, auf diese Frau, die ihn immer wieder zutiefst berührte, zu reagieren.

Graziös stand sie auf. Dann hob sie die Arme und reckte und streckte sich, während Marco ihren herrlichen Körper betrachtete. Ihre leicht gebräunte Haut schimmerte wie feine Seide. Das wunderschöne Haar fiel ihr in weichen Wellen über den Rücken. Noch nie hatte Marco eine Frau getroffen, die so makellos und hinreißend war wie Antonia. Ihr Gesicht, ihr Haar, ihr Körper, die Art, wie sie sich bewegte: alles faszinierte ihn.

Jetzt kam sie auf ihn zu. Ihr Anblick erregte die Sinne aller Männer und beflügelte deren Fantasie, dessen war er sich sicher. Sogar die Sonne schien von ihr begeistert zu sein, denn sie kam in dem Moment hinter der Wolke hervor, als Antonia die Terrasse betrat, und schien sie in ein goldenes Licht zu hüllen.

Ich kann verstehen, dass Stefan Kranst von ihr wie besessen war und die Schönheit ihres nackten Körpers auf die Leinwand bannen musste, dachte Marco verbittert. Der Künstler hatte sie in jeder nur möglichen Stellung gemalt. Jahrelang war sie das einzige Modell des Malers gewesen.

In seinem Bestreben, Antonia auf diese Weise unsterblich zu machen, hatte er die Fantasie der Betrachter angeregt. Die Gemälde mit ihrem nackten Körper schmückten die Wände der Reichen und Berühmten. Wenn Antonia einen Raum betrat, hielten alle, die die Werke des Malers kannten, inne und hatten das Gefühl, sie würden sie schon lange und intim kennen.

Seltsamerweise war es ihr völlig egal. Es war ihr nicht peinlich, und sie wurde nie verlegen. Antonia fühlte sich wohl in ihrem Körper und hatte kein Problem mit den Bildern des Künstlers.

Sie war als Stefan Kransts Aktmodell bekannt, und das brachte Marco einen gewissen Ruhm unter seinen männlichen Bekannten ein, die ihn irgendwie beneideten. Es war ein zweifelhafter Ruhm, auf den er hätte verzichten können, er konnte jedoch damit umgehen. Genau wie Kranst war er wie besessen von dieser Frau.

Antonia blieb schweigend vor ihm stehen. Sie blickte ihn unverwandt an, während sie ihre Hand auf seine legte, in der er die Tasse hielt. Ihre Augen schimmerten im Sonnenschein wie Topase. Marco sah sie an, und langsam führte sie die Tasse an ihre Lippen. Dann trank sie einige Schlucke Kaffee, ehe sie die Tasse wieder an Marcos Lippen führte.

Das Spiel gefiel ihm, und er trank gehorsam den Kaffee. Dabei sahen sie sich in die Augen, und es kam ihm vor wie eine einzige Verführung. Schließlich schob Antonia seine Hand, in der er die Tasse hielt, weg, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.

Das Aroma des Kaffees lag noch in der Luft, und sie schmeckten ihn auf ihren Lippen. Antonias Brüste waren nur wenige Zentimeter von Marcos Brust entfernt, und er spürte die Reaktion seines Körpers unter dem Badetuch.

Es war ein Liebesspiel der ganz anderen Art und so intim, dass es ihn im Innersten rührte. Als sie sich zurückzog, schien das Leuchten in ihren Augen unendlich viel zu versprechen. Vielleicht spiele ich mit, überlegte er. Doch momentan war er damit zufrieden, sich passiv zu verhalten und sich von Antonia verführen zu lassen.

Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du hast ohne mich geduscht“, beschwerte sie sich.

„Du hast noch geschlafen“, erinnerte er sie lächelnd.

Diese Antwort schien sie nicht zu überzeugen, denn sie verzog schmollend die Lippen und nahm ihm die Tasse aus der Hand. Dann stellte sie sie weg, griff nach seinen Händen und legte sie sich um die schmale Taille. Schließlich legte sie ihm die Arme um den Nacken. Mit einem kleinen Schritt stand sie dicht vor ihm und schmiegte sich an ihn. Er spürte ihre herrlichen Brüste an seiner Brust und ihre Hüften an seinen. Antonia neigte den Kopf etwas zur Seite, öffnete die Lippen und küsste Marco noch einmal.

Sein Körper reagierte heftig auf ihre Zärtlichkeiten. Er begehrte sie viel zu sehr, als dass er ihr hätte widerstehen können. Diese Frau war etwas ganz Besonderes, und er wollte sie nicht verlieren.

„Was ist los?“ Sie hob den Kopf, als Marco erbebte.

„Die Sonne ist hinter den Wolken verschwunden, es ist kühl“, antwortete er.

Das stimmte. Es kam ihm vor wie ein schlechtes Omen, dass die Sonne ausgerechnet in dem Augenblick verschwand, als er über die Zukunft nachdenken wollte.

„Du bist ein Softie“, sagte sie lächelnd, während sie ihm mit den Fingern durchs Haar fuhr. „Du solltest mal bei solchem Wetter auf einem Balkon in England stehen. Als Italiener würdest du wahrscheinlich Frostbeulen bekommen.“

Eigentlich sollte ich jetzt lachen oder eine lustige Bemerkung machen, dachte er. Aber es gelang ihm nicht, denn er stellte sich Antonia plötzlich nackt auf einem Balkon in England vor, so wie Kranst sie gemalt hatte.

„Du musst es ja wissen“, erwiderte er ironisch.

Antonia stand da wie erstarrt. Sie war so schockiert, als hätte er sie geohrfeigt. Ihr Blick wirkte nicht mehr warm und zärtlich, sondern ausgesprochen kühl. Sie löste sich von ihm, drehte sich schweigend um und ging zurück ins Schlafzimmer.

Mit schlechtem Gewissen beobachtete er, wie sie den Raum in Richtung Badezimmer durchquerte. Am liebsten wäre er hinter ihr hergelaufen und hätte sich entschuldigt. Aber dazu war es zu spät. Sie schloss die Tür hinter sich ab. Ihm war klar, dass er sich anstrengen musste, um das, was er angerichtet hatte, wieder in Ordnung zu bringen.

„Verdammt“, fluchte er leise.

In diesem Moment kam die Sonne wieder zum Vorschein. Er sah der Möwe zu, die über seinen Kopf hinwegflog. Dann runzelte er die Stirn. Auch wenn er den Schaden, den er mit seiner kleinen Bemerkung angerichtet hatte, wiedergutmachte – die eigentlichen Probleme ließen sich dadurch nicht lösen.

Mit geschlossenen Augen stand Antonia im Bad. Sie wartete darauf, dass der Schmerz nachließ, den sie empfand. Nicht Marcos Worte hatten sie so verletzt, sondern die Art, wie er sie seine Verachtung hatte spüren lassen.

Immer wieder lief alles auf Stefan hinaus. Marco konnte sich offenbar nicht damit abfinden, dass ihr Leben nicht erst begonnen hatte, als sie ihn kennenlernte. Er hielt an geradezu archaischen Prinzipien fest. Auch wenn das nicht zu einem Mann passte, der stets von sich behauptete, flexibel, modern und tolerant zu sein.

Eines Tages bin ich stark genug, mich dagegen zu wehren, dass er sich das Recht herausnimmt, so mit mir zu reden, überlegte sie.

Aber noch war es nicht so weit. Wenn sie anfing, sich zu wehren, musste sie auch die Beziehung selbst infrage stellen. Und dann musste sie damit rechnen, Marco für immer zu verlieren.

Sie spürte, dass der Augenblick der Entscheidung näher rückte. Der Schmerz, den sie immer wieder nach Marcos Sticheleien empfand, verschwand dieses Mal rascher. Sie öffnete die Augen und betrachtete sich im Spiegel.

Ich bin mit einem Mann liiert, der nicht verheiratet ist, mich aber trotzdem wie eine heimliche Geliebte und nicht wie eine Partnerin behandelt, sagte sie sich und verzog spöttisch das Gesicht. Die Geliebte eines Mannes zu sein hieß, dass der Mann keine Achtung vor ihr hatte. Dem Ansehen eines Mannes hingegen schadete es nicht, wenn er die Affäre einer Frau war.

Letztlich ging es Marco nur um Sex. Antonia wohnte in seinem Haus, sie schlief in seinem Bett. Und sie war finanziell von ihm abhängig. Dafür konnte er sich ihrer Loyalität und ihres Körpers sicher sein.

Das ist eigentlich gar nicht so schlecht für eine Frau, die kein eigenes Vermögen hat, dachte sie frustriert. Wenn sie Marco nicht so verzweifelt liebte, könnte sie das Leben genießen, das er ihr bot. Aber sie liebte ihn nun mal und war unglücklich.

„Marco gehört zur Elite“, hatte Stefan erklärt, als er versucht hatte, ihr die Idee auszureden, mit Marco nach Italien zu gehen. „Er will deinen Körper, aber das ist auch alles. Du kommst nicht aus seinen Kreisen und passt auch nicht hinein. Die Leute der High Society heiraten nur untereinander.“

Dass Stefan recht gehabt hatte, hatte Antonia schon bald einsehen müssen. Am besten sollte ich meine Sachen packen und gehen, sagte sie sich. Und das würde sie auch eines Tages tun. Sie nahm es sich jedenfalls vor.

Sie stellte sich unter die Dusche und beschloss, Marco für die Beleidigung büßen zu lassen. Sie musste lächeln bei dem Gedanken, Marco Bellini, diesem arroganten und selbstgerechten Mann, eine Lektion zu erteilen. Ihre Laune wurde gleich besser.

Als sie aus dem Badezimmer kam, war Marco nicht mehr da. Antonia ging hinunter und begegnete Nina, dem Hausmädchen.

„Signor Bellini ist vor zehn Minuten nach Mailand gefahren“, erklärte die junge Frau. „Ich soll Sie an die Party heute Abend erinnern. Sie möchten bitte vorsichtig fahren, weil in der Hochsaison starker Verkehr nach Mailand herrscht.“

Antonia bedankte sich und lächelte belustigt. Das war typisch für Marco. Er war rasch und heimlich verschwunden, weil er genau wusste, dass er sie verletzt hatte. Zugleich tat er so, als wäre alles in Ordnung, und ließ sie an die abendliche Party erinnern.

Und warum das alles? Weil er als erfolgreicher Unternehmer, der dafür bekannt war, rücksichtslos und eiskalt zu sein, es nicht ertragen konnte, wenn zwischen ihnen Unstimmigkeiten bestanden. Obwohl er sie nicht so liebte, wie sie es sich wünschte, hatte er sie doch gern und fühlte sich unbehaglich, wenn er sie verärgert oder aufgeregt hatte. Da Marco ein sehr egoistischer Mensch war, legte er Wert auf ein möglichst harmonisches Privatleben.

Er hatte einen ersten kleinen Schritt getan, um die ihm so wichtige Harmonie wiederherzustellen. Weitere kleine Schritte werden folgen, dachte Antonia, während sie am Frühstückstisch saß. Sie frühstückte zum ersten Mal allein, seit sie vor einer Woche in Portofino angekommen waren. Bisher hatten sie die Zeit gemeinsam verbracht und kaum etwas anderes getan, als sich zu lieben und zu schlafen.

Der Urlaub hier in seinem Sommerhaus in Portofino war so etwas wie ein Geburtstagsgeschenk für sie. Auch den roten Sportwagen, einen Lotus, der im Hof stand und mit dem sie nach Mailand fahren würde, hatte er ihr zum Geburtstag geschenkt. Im vergangenen Jahr hatte sie einen kleinen Fiat bekommen. Doch da waren sie auch erst einen Monat zusammen gewesen.

Die Geschenke, die ich vielleicht als Prämien für gute Dienste bezeichnen sollte, werden großzügiger, je länger ich bei ihm bin, überlegte sie. Wie würde die Prämie zu ihrem nächsten Geburtstag aussehen?

Vielleicht war sie dann gar nicht mehr mit ihm zusammen. Der Gedanke schmerzte, und sie verdrängte ihn sogleich wieder. Schließlich stand sie auf und ging nach oben, um zu packen.

Eine Stunde später saß sie in der eleganten weißen Hose und einem T-Shirt in dem roten Lotus. Das Haar hatte sie kunstvoll zu einer modischen Frisur hochgesteckt. Sie las, was auf dem Zettel stand, den Marco ihr auf das Armaturenbrett gelegt hatte.

„Respektiere die Kraft des Wagens, dann wird er Dich respektieren“, stand darauf. „Ich wünsche mir, dass Du heil und gesund bei mir ankommst.“

Antonia lächelte liebevoll, jedoch nicht wegen der Nachricht selbst, sondern weil Marco sich Zeit genommen hatte, ihr etwas zu schreiben, ehe er in seinen Ferrari gestiegen war.

Das war der nächste dieser kleinen Schritte. Sie lächelte noch, als sie in den ersten Gang schaltete und losfuhr, zurück nach Mailand. Was würde Marco sich sonst noch alles einfallen lassen?

Er war ein sehr guter Taktierer. Er wartete, bis sie seiner Meinung nach die Vororte von Mailand erreicht haben musste, ehe er ihre Nummer wählte. Und dann läutete ihre Freisprechanlage im Auto.

Sie überlegte, ob sie das Läuten ignorieren und ihn schmoren lassen sollte. Schließlich konnte sie der Versuchung nicht länger widerstehen und drückte auf den Knopf, um die Verbindung herzustellen.

„Hallo, Liebes.“ Seine tiefe Stimme klang sanft, herzlich und verführerisch. Antonia bekam eine Gänsehaut. „Du musstest dich wahrscheinlich auf den Verkehr konzentrieren und konntest dich deshalb nicht sogleich melden“, stellte er spöttisch fest.

Er weiß, dass ich überlegt habe, mich gar nicht zu melden, schoss es ihr durch den Kopf. „Was willst du?“, fragte sie kurz angebunden.

„Das kommt darauf an, wo du jetzt bist“, antwortete er anzüglich.

„Momentan spaziere ich nackt durch Monte Napoleon. Etwas anderes erwartest du ja auch nicht von mir“, entgegnete sie in Anspielung auf seine Bemerkung am frühen Morgen. Monte Napoleon war ein vornehmes Wohnviertel in Mailand.

Eigentlich hätte er sich jetzt schuldig fühlen müssen. Er lachte jedoch nur anerkennend. Antonia wünschte, sie könnte ihn hassen. Aber sie empfand etwas ganz anderes als Hass und hatte Mühe, sich auf den dichten Verkehr zu konzentrieren.

„Ich habe das Mittagessen bei Dino’s ausfallen lassen, nur um mit dir zu reden“, sagte er dann.

„Pech für dich, mein Lieber“, erwiderte sie. „Das hättest du nicht tun sollen, es wäre auf jeden Fall die bessere Alternative gewesen.“

„Du schmollst wie eine Primadonna“, hielt er ihr vor.

Er hatte recht, das tat sie, und sie hatte auch Grund dazu. Sie durfte jedoch die versteckte Warnung nicht in den Wind schlagen. „Du hast mir erklärt, du hättest mehrere Meetings heute.“ Ihre Stimme klang jetzt weniger spöttisch. „Ein Mittagessen bei Dino’s dauert meist stundenlang.“

„Manchmal bin ich selbst überrascht über meine Leistungsfähigkeit“, antwortete er betont locker.

„Und über deine Eitelkeit“, fügte sie hinzu.

„Ja, darüber auch“, gab er arrogant zu.

Antonia musste lächeln. Seine Arroganz und seine Eitelkeit trugen zu seiner charismatischen Ausstrahlung bei. Außerdem sah er ungemein gut aus, wie Antonia sich eingestand, während sie über die Stadtautobahn in die Stadtmitte fuhr. Er hatte einen herrlichen Körper und war ein fantastischer Liebhaber.

„Ehrlich gesagt, das Mittagessen bei Dino’s wäre für mich sowieso nicht infrage gekommen“, erklärte er in dem Moment. „Dafür haben die Meetings heute Morgen zu lange gedauert. In einer halben Stunde fängt das nächste an. Jetzt sitze ich hier an meinem Schreibtisch, esse ein Sandwich, habe die Zeitung vor mir liegen und sehne mich danach, etwas Nettes von dir zu hören.“

„Ah ja.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein.

„Ich soll mich wirklich vor dir auf die Knie werfen, stimmt’s?“, fragte er reumütig.

„Ja, das ist keine schlechte Idee.“

„Wie interessant“, sagte er leise. „Die Vorstellung gefällt mir. In dieser Position hätte ich mehrere Möglichkeiten, wie ich dich um Verzeihung bitten könnte.“

Antonia konnte sich nicht mehr beherrschen, sie lachte laut auf. Marco lehnte sich in seinem luxuriös ausgestatteten Büro im Sessel zurück und lächelte sehr zufrieden. Dann wechselte er geschickt das Thema und sprach von allgemeinen Dingen. Er wollte wissen, wie sie den Nachmittag verbringen würde. Und er überlegte mit ihr, wann sie am Abend zu seinem Freund Franco und dessen Frau Nicola fahren würden, die ihren ersten Hochzeitstag feierten.

Als das Gespräch beendet war, war Marco sich ziemlich sicher, dass Antonia ihm die dumme Bemerkung verziehen hatte. Er konnte sich wieder entspannen.

Er packte das Sandwich aus und griff nach der Zeitung. Dann legte er die Füße auf den Schreibtisch und machte es sich für die nächste halbe Stunde bequem.

Als er die Zeitung aufschlug, war seine gute Laune wie weggeblasen. Auf dem Foto, das ihm ins Auge fiel, erkannte er Stefan Kranst. Er stand in einer der bekanntesten Galerien Mailands. In dem ganzseitigen Artikel wurde Werbung gemacht für die Romano-Galerie, wo der Künstler in der kommenden Woche seine Gemälde ausstellte.

Aber das beunruhigte Marco weniger als der Verdacht, Antonia habe gewusst, dass Kranst nach Mailand kommen würde. Sie hatte es ihm gegenüber jedoch nicht erwähnt.

Wusste sie es wirklich? Wollte sie Stefan Kranst heimlich treffen? Es wäre nicht das erste Mal.

Obwohl sie Kranst verlassen hatte und jetzt mit Marco in Mailand zusammenlebte, hatten sich die beiden nicht endgültig getrennt. Marco hatte zufällig herausgefunden, dass sie während ihres gemeinsamen Aufenthalts in London Anfang des Jahres einen ganzen Tag mit Kranst verbracht hatte.

„Du kannst mir nicht vorschreiben, wen ich sehen darf und wen nicht“, hatte sie erklärt, als er ihr Vorhaltungen gemacht hatte. „Stefan wird für mich immer ein ganz besonderer Mensch bleiben. Und wenn du damit nicht zurechtkommst, ist es dein Problem und nicht meins, Marco.“

Er hatte das Gefühl gehabt, sie würde ihn verlassen, wenn er auf seinem Standpunkt beharrte. Deshalb hatte er geschwiegen. Ihm war bewusst geworden, dass Kranst noch Macht über Antonia hatte, und er hatte zum ersten Mal in seinem Leben gespürt, wie quälend Eifersucht sein konnte.

Es gefiel Marco nicht, dass er nachgegeben hatte. Genauso wenig gefiel ihm, dass Kranst ausgerechnet jetzt nach Mailand kommen musste, wo Marco ernsthaft über seine Beziehung mit Antonia nachdachte.

Entweder war es eine perfekte zeitliche Abstimmung von Kranst, oder es war ein weiteres schlechtes Omen. Wie auch immer, Marco rührte das Sandwich nicht an, und seine Laune erreichte einen Tiefpunkt. Während der Meetings am Nachmittag stellte er sich immer wieder Antonia und Kranst zusammen im Bett vor.

Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Er eilte in sein Büro und wählte die Nummer ihres Handys. Es war jedoch abgestellt, was ihn sehr irritierte. Dann erinnerte er sich, dass sie in seine Wohnung hatte gehen wollen, und rief dort an. Es schaltete sich aber nur der Anrufbeantworter ein.

Antonia stand vor einem Haus in einer Seitenstraße in einem weniger vornehmen Stadtteil und steckte den Schlüssel ins Schloss. Nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte, ging sie über den engen Flur und dann die Treppe hinauf, vorbei an den Büros von kleinen Firmen. Einige der Mieter kannten Antonia, andere nicht. Die meisten musterten sie neugierig und lächelten höflich, ohne sie jemals anzusprechen. Und das war ihr recht. Was sie hier machte, sollte ihr Geheimnis bleiben.

Auf dem obersten Flur steckte sie einen anderen Schlüssel in das Schloss der einzigen Tür und ging hinein. Dann schloss sie sorgfältig hinter sich ab, drehte sich um und lächelte.

2. KAPITEL

Als Antonia einige Stunden später Marcos Wohnung betrat, blieb sie sekundenlang stehen, um die Umgebung in sich aufzunehmen, die so ganz anders war als die, die sie soeben verlassen hatte.

Sein Apartment lag im obersten Stock eines modernen Gebäudes in der Innenstadt und war ein kleines Paradies. Nichts fehlte, und man hatte weder Mühe noch Kosten gespart, um ein harmonisches Ambiente zu schaffen.

Der große Flur war hell und luftig. Die Räume waren in einer geschmackvollen Mischung aus Alt und Neu eingerichtet. Nichts beleidigte das Auge. Es gab große Zimmer für offizielle Anlässe und kleinere für die private Nutzung. Die Küche war mit den modernsten Geräten ausgestattet, und alle vier Schlafzimmer hatten ein angrenzendes Badezimmer. Der Fußboden war mit bester italienischer Keramik ausgelegt, und an den Wänden hingen wertvolle Gemälde.

Wie seine Vorfahren, die Kunstsammler gewesen waren, hatte Marco ein Auge für das Besondere. Er und seine Mutter waren als Kunstförderer für ihre Großzügigkeit bekannt. Wenn sie etwas kauften, wurden andere aufmerksam. Und da er sich auf seinen guten Geschmack verlassen konnte, hatte er keine Bedenken, die Werke unbekannter Maler neben die von sehr berühmten Künstlern zu hängen.

Für solche Gedanken habe ich jetzt keine Zeit, mahnte Antonia sich. Sie hatte sich verspätet und war sich bewusst, dass sie gerade noch vor Marco nach Hause gekommen war.

Ich lebe gefährlich, überlegte sie, während sie ins Schlafzimmer eilte. Wenn Marco kam, wollte sie so tun, als wäre sie schon lange da und hätte sich auf den Abend vorbereitet.

Sie hätte sich jedoch nicht zu beeilen brauchen. Er erschien erst, als sie schon fertig angezogen war und anfing zu befürchten, es sei etwas passiert.

Plötzlich riss er die Schlafzimmertür auf und kam herein.

„Du bist spät“, sagte sie sogleich vorwurfsvoll.

„Das weiß ich selbst“, fuhr er sie an und ging an ihr vorbei, ohne sie anzusehen.

Antonia runzelte die Stirn, während sie beobachtete, wie er das Jackett aufs Bett warf. Offenbar hatte er schlechte Laune.

„Hattest du einen anstrengenden Tag?“, fragte sie.

„Ja“, antwortete er gereizt.

„Deshalb lächelst du nicht und gibst mir keinen Kuss zur Begrüßung, stimmt’s?“, versuchte sie zu scherzen, obwohl ihre Stimme ernst klang. Dafür, dass er sich zuvor so sehr bemüht hatte, seinen Fehler wiedergutzumachen, benahm er sich ausgesprochen seltsam.

Er schien es selbst zu merken, denn er stand sekundenlang da und bewegte die Schultern, als wollte er sie entspannen und das, was ihn belastete, abschütteln. Antonia betrachtete seine kräftigen Muskeln, die sich unter dem hellblauen Seidenhemd abzeichneten, und es überlief sie heiß. Sie wollte zu ihm gehen und ihm helfen, sich zu entspannen. Doch in dem Moment seufzte er und drehte sich zu ihr um.

Seine Miene verriet Unwillen, und in seinen Augen blitzte es zornig auf. Er war ungewöhnlich blass und musterte sie flüchtig von oben bis unten, ehe er sich wieder abwandte.

Antonia war alarmiert. „Was ist los?“, fragte sie scharf.

„Nichts“, antwortete er kurz angebunden. Dann seufzte er noch einmal und fügte hinzu: „Gib mir zehn Minuten, damit ich mich wieder wie ein Mensch fühlen kann. Dann können wir uns unterhalten.“

„Okay“, stimmte sie zu. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie vorsichtig sein und ihn in Ruhe lassen musste, wenn er so gereizt war. Sie verließ das Schlafzimmer und überlegte, was an diesem Nachmittag passiert sein mochte.

Im Wohnzimmer schenkte sie ihm seinen Lieblingswhisky ein. Dann wartete sie darauf, dass er sich zu ihr gesellte.

Schließlich kam er herein. Offenbar haben ihm die zehn Minuten nicht gereicht, sich wieder zu beruhigen, schoss es ihr durch den Kopf. Sein Haar war noch feucht vom Duschen, und er versuchte ungeduldig und mit finsterer Miene, die Manschetten seines weißen Seidenhemds unter den Ärmeln seines schwarzen Dinnerjackets hervorzuziehen.

„Hier, das hilft vielleicht.“ Antonia reichte ihm das Glas Whisky.

„Nein, ich habe keine Zeit. Außerdem muss ich fahren, deshalb trinke ich jetzt keinen Alkohol.“ Er drehte sich zu dem Spiegel um und zog die Fliege zurecht.

Während Antonia das Glas wieder hinstellte, begriff sie, dass seine schlechte Laune nichts mit seiner Arbeit zu tun hatte, sondern eher etwas mit ihr.

Sie beschloss, ihn direkt darauf anzusprechen, um die Sache zu klären. „Verrat mir bitte, was ich dir getan habe.“

„Wer behauptet denn, du hättest mir etwas getan?“ Er blickte auf die Uhr. „Wenn du fertig bist, können wir gehen.“

Sie sah an sich hinunter. Das rote Seidenkleid hatte sie sich extra seinetwegen an diesem Nachmittag gekauft, weil er diese Farbe liebte. Das Haar hatte sie hochgesteckt, nur einige weiche Strähnen umrahmten ihr Gesicht, und der Lippenstift passte farblich perfekt zu dem Kleid.

Es tat ihr weh, dass Marco sie ignorierte. Obwohl seine Stimme sanft klang, war die Botschaft klar. Eisiges Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Antonia bezweifelte nicht, dass er sie absichtlich verletzte. Am meisten quälte es sie, dass es an diesem Tag schon zum zweiten Mal geschah.

Was war los mit ihm? Was wollte er ihr mit seinen rasch wechselnden Stimmungen sagen?

Hatte er genug von ihr? Irritierte sie ihn so sehr, dass er sie immer wieder verbal angreifen musste?

Das vermutete sie schon eine Zeit lang. Doch sie hatten gerade erst eine Woche in perfekter Harmonie verbracht, und Antonia hatte angefangen zu glauben, sie bilde sich seine zunehmende Gereiztheit nur ein.

Aber jetzt wurde dieser Verdacht stärker denn je. Wollte er die Beziehung beenden? Hatte er nur deshalb eine Woche Urlaub mit ihr gemacht, um zu retten, was vielleicht gar nicht mehr zu retten war?

Er hat mich an einem einzigen Tag zwei Mal absichtlich verletzt, wiederholte sie insgeheim.

„Liebes?“ Offenbar wartete er immer noch auf ihre Antwort.

Der Kosename ließ sie zusammenzucken. „Ja“, erwiderte sie ruhig, „ich bin so weit.“

Wie weit war sie wirklich? Kann ich mich schon von ihm trennen? überlegte sie, während sie ihre Abendtasche in die Hand nahm.

Ein heftiger Schmerz durchfuhr sie und raubte ihr sekundenlang den Atem. Sie wartete darauf, dass der Schmerz verschwand. Doch je sicherer sie sich war, dass Marco die Beziehung beenden wollte, desto schlimmer wurde es. Dabei hatte sie immer gewusst, dass es nur eine vorübergehende Affäre sein konnte. Es gab Leute, die ihr gern versicherten, Marco sei schon länger mit ihr zusammen als mit irgendeiner anderen Frau vor ihr. Diese Leute vergaßen jedoch nie hinzuzufügen, Marco würde natürlich nur eine Frau aus seinen Kreisen heiraten. Eine Frau mit Geld, Stil, Klasse und von bester Herkunft, die seine Eltern als Schwiegertochter akzeptieren könnten.

So eine unbedeutende Engländerin wie mich, die noch nicht einmal ihren Vater kennt, würde er nie heiraten, sagte Antonia sich. Seine Verwandten würden sich sicher nicht mit ihr an einen Tisch setzen, denn alle waren der Überzeugung, sie sei ein Aktmodell gewesen.

„Was ist das?“, ertönte Marcos Stimme in ihre Gedanken hinein. Sie blinzelte und begriff schließlich, dass er das Geschenk meinte.

„Es ist für Franco und Nicola. Ich bin heute Nachmittag einkaufen gegangen. Wir hatten ja noch nichts für die beiden, deshalb …“

Sekundenlang stand Marco reglos da. Sie hat ein Geschenk für meine besten Freunde gekauft, und ich habe geglaubt, sie hätte sich heimlich mit Stefan Kranst getroffen, dachte er schuldbewusst. Er wusste nicht, was er machen und wie er sich aus der Affäre ziehen sollte.

„Es tut mir leid, Liebes“, war alles, was ihm dazu einfiel. „Daran hätte ich selbst denken müssen.“ Er merkte, dass sie die Lippen verzog, als er sie mit dem Kosenamen anredete.

„Ach, es ist schon okay. Ich habe es von deinem Geld bezahlt“, erwiderte sie und ging steif an ihm vorbei.

Marco fluchte insgeheim und ärgerte sich über seinen hässlichen Verdacht. Er folgte ihr und gestand sich ein, dass er es geschafft hatte, ihr und sich den Abend zu verderben.

Sie sah fantastisch aus. Aber das konnte er ihr nicht mehr sagen, dazu war es zu spät. Das kurze rote Kleid schmiegte sich verführerisch an ihren herrlichen Körper. Am liebsten hätte Marco sie gestreichelt, doch diese Möglichkeit hatte er sich durch sein Verhalten verbaut.

Antonia öffnete die Wohnungstür. Sie überließ es ihm, hinter ihnen abzuschließen, und holte den Aufzug. Schweigend fuhren sie nach unten.

Eins muss man den Engländern lassen, sie verstehen es glänzend, einen zu Eis erstarren zu lassen, überlegte Marco und betrachtete Antonias eisige Miene.

„Möchtest du vielleicht, dass ich mich dafür entschuldige, dass ich meine schlechte Laune an dir ausgelassen habe?“, fragte er schließlich.

„Wie bitte? Du willst dich schon wieder entschuldigen?“, sagte sie langsam. „Nein, vergiss es. Es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass du mich beleidigt hast, und deine Entschuldigungen wären dann nichts anderes als eine leere Geste.“

Wahrscheinlich habe ich das verdient, gestand er sich ein. Es gefiel ihm jedoch nicht, wie ein Verbrecher behandelt zu werden, nur weil er einen harmlosen Fehler gemacht hatte.

War es wirklich nur ein harmloser Fehler? schoss es ihm durch den Kopf. Ja, das war es, gab er sich selbst die Antwort. Vielleicht hatte sie den Nachmittag nicht mit Kranst verbracht, aber sie wusste bestimmt, dass der Mann in Mailand war.

Marco wollte sie nicht fragen, denn er wollte ihre Antwort gar nicht hören. Dann müsste er sich mit dem Problem auseinandersetzen und würde vielleicht die Beziehung gefährden. Bis er sich entschieden hatte, wie es mit ihm und Antonia weitergehen sollte, wollte er nichts riskieren.

Schweigend fuhren sie im Aufzug nach unten und gingen dann nebeneinanderher über den Parkplatz zu seinem Ferrari. Den roten Lotus, an dem sie vorbeikamen, beachtete Antonia nicht.

Sie hat ihn erst wenige Tage und sieht ihn schon nicht mehr, das Geschenk hätte ich mir sparen können, überlegte Marco ärgerlich. Sie war begeistert gewesen, als er mit ihr sozusagen als Geburtstagsgeschenk für eine Woche weggefahren war. Für das Auto hatte sie sich jedoch nur höflich bedankt. Es hatte sie offenbar nicht beeindruckt.

Er hielt ihr die Tür des Wagens auf und ließ sie einsteigen. Marco nahm ihr dezentes Parfüm wahr und reagierte mit allen Sinnen auf ihre Nähe. Entschlossen ignorierte er die Reaktion seines Körpers und kniff die Lippen zusammen. Er war unzufrieden mit sich selbst, und seine Laune verschlechterte sich zusehends. Nachdem er Antonia das Geschenk für Franco und Nicola auf den Schoß gelegt hatte, machte er die Tür zu, ging um das Auto herum und setzte sich auf den Fahrersitz. Während er den Sicherheitsgurt befestigte, warf er Antonia einen flüchtigen Blick zu. Ihre Miene war verschlossen, und er fuhr los.

Das Schweigen zwischen ihnen wurde immer unerträglicher. Marco konnte es nicht mehr aushalten. „Verrätst du mir, was in dem Paket ist?“, fragte er so unbekümmert, wie es ihm unter den Umständen möglich war.

„Ein Bild“, erwiderte sie kurz angebunden.

Das hatte er sich schon gedacht. Er atmete tief ein, um nicht ungeduldig zu werden. „Was für eins?“

„Warum willst du das wissen? Befürchtest du, ich hätte etwas Geschmackloses für deine Freunde ausgesucht?“

Er gab es auf. Momentan konnte man mit ihr nicht reden. Schweigend legten sie den Rest der Fahrt zurück.

Franco und Nicola de Maggio wohnten in einem großen Haus in einem der vornehmen Viertel am Stadtrand. Da Antonia und Marco ziemlich spät kamen, war es schwierig, in der Einfahrt noch einen Parkplatz zu finden. Marco fluchte leise vor sich hin, während er versuchte, den Wagen zwischen zwei anderen zu parken. Als er schließlich den Motor abstellte, war die Atmosphäre zwischen ihnen zum Zerreißen gespannt.

Antonia hatte es eilig auszusteigen. Rasch löste sie den Sicherheitsgurt.

„Die schlechte Laune bleibt hier im Auto“, stieß er hervor. Seine Freunde brauchten nicht zu wissen, dass sein Liebesleben momentan nicht harmonisch war.

Sie lächelte ihn betont freundlich und irgendwie provozierend an.

„Steig aus“, forderte er sie auf.

Er hätte sich die Worte sparen können, denn Antonia hatte die Tür schon geöffnet. Sie stieg aus und atmete einige Male tief ein und aus. Vielleicht würde ihr das helfen, die innere Kälte zu vertreiben.

Aber das war eine törichte Hoffnung. Der Gedanke, Marco sei ihrer überdrüssig, hatte sich bei ihr festgesetzt. Deshalb ließ sich die innere Kälte trotz des warmen Sommerabends nicht so leicht vertreiben.

In seiner Wohnung war sie nahe daran gewesen, all ihren Mut zusammenzunehmen und die Beziehung zu beenden. Immerhin hatte sie noch ihren Stolz und wollte nicht an etwas festhalten, was dem Ende zuging, auch wenn Marco ausharren wollte, bis sich alles von selbst erledigte.

Doch als er sie an das Geschenk für Franco und Nicola erinnert hatte, hatte sie es sich anders überlegt. Die beiden waren nicht nur Marcos Freunde, sondern auch ihre. Zumindest Nicola war in dem einen Jahr ihre Freundin geworden. Es wäre ihr gegenüber nicht fair gewesen, wenn ich mich ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag von Marco getrennt hätte, hatte Antonia sich gesagt.

Außerdem wollte sie an der Party teilnehmen. Statt sich heimlich, still und leise davonzuschleichen wie ein Hund, der von seinem Herrn verstoßen wurde, wollte sie sich lächelnd und mit erhobenem Kopf verabschieden.

Morgen verlasse ich ihn, nahm sie sich vor, als sie neben Marco her auf das Haus zuging. Er legte ihr die Hand auf den Rücken, und der Ärmel seiner Jacke streifte ihren Arm. Sie nahm den Duft seines herben After Shaves wahr, und plötzlich kribbelte ihr die Haut. Dieser Mann mit seiner faszinierenden Ausstrahlung erregte sie viel zu sehr, egal, in welcher Stimmung sie war.

Aus dem Haus ertönte Musik und Gelächter. In der Eingangshalle blieb Antonia stehen und blinzelte. Es kam ihr vor, als hätte sie die feindselige und vergiftete Atmosphäre hinter sich gelassen und würde in eine Welt voller Heiterkeit und Wärme eintauchen.

Plötzlich stieß jemand einen lauten Schrei aus. Antonia sah, wie sich Nicola mit Franco im Schlepptau einen Weg durch die Menge bahnte und auf sie zueilte.

Franco de Maggio war groß, attraktiv und hatte dunkles Haar. Er sah Marco ähnlich. Die beiden hätten Rivalen sein können, aber sie waren seit ihrer Kindheit die besten Freunde.

Nicola hatte langes schwarzes Haar und wunderschöne dunkelbraune Augen. Sie trug ein schwarzes Seidenkleid, das ihre gute Figur betonte. Nicola de Maggio war alles, was Antonia nicht war: Sie war Italienerin und hatte reiche Eltern. Niemand bezweifelte, dass sie für Franco die richtige Frau war.

Sie gehörte hierher, in diese gesellschaftlichen Kreise, und sie strahlte so viel Herzlichkeit aus, dass es unmöglich war, sie nicht zu leiden.

Antonia hatte sie vom ersten Moment an gemocht. Jetzt waren sie gute Freundinnen. Dennoch war Antonia sich sehr bewusst, dass sie so etwas wie der Kuckuck im Nest war.

Nicolas und Francos Lächeln war echt und die Begrüßung herzlich. Endlich konnte Antonia sich unauffällig aus Marcos Griff lösen. Franco und Nicola bedankten sich für das Geschenk und versuchten zu raten, was es sein mochte. Schließlich legten sie es zu den anderen Geschenken, die erst später geöffnet werden sollten.

„Es kommt mir so vor, als hätten wir heute noch einmal geheiratet.“ Nicola seufzte glücklich. „Wenn es bei euch auch so weit ist, Antonia, kannst du nachempfinden, wie ich mich jetzt fühle.“

Marco versteifte sich, und Antonia stand wie erstarrt da. Nicola wurde blass, als sie merkte, wie ungeschickt ihre Bemerkung gewesen war.

„Liebes, ich glaube, du solltest genau erklären, was du damit meinst“, rettete Franco zum Glück die Situation und legte seiner Frau den Arm um die Schulter.

Es sah so aus, als wollte er Nicola beschützen und ihr sagen, es sei alles in Ordnung, er sei ja bei ihr. Marco würde mir niemals helfen, schoss es Antonia durch den Kopf.

„Wir bekommen ein Baby“, sagte Nicola. „Wir wollten noch nicht darüber reden …“

Antonia nahm sich zusammen und rief begeistert aus: „Das ist ja wunderbar!“ Lächelnd umarmte sie Nicola, und sie lächelte immer noch, als sie Franco auf die Wange küsste. Sie lächelte sogar Marco an, obwohl sie ihm viel lieber eine Ohrfeige gegeben hätte.

Er legte ihr den Arm um die Taille und zog Antonia an sich. Es war eine mutige Geste in Anbetracht des Schocks, den Nicola ihm versetzt hatte. „Das müssen wir feiern, nur wir vier“, erklärte er. „Bei einem Abendessen nächste Woche stoßen wir auf das Baby an.“

Nächste Woche bin ich nicht mehr hier, dachte Antonia. Dennoch zauberte sie ein Lächeln auf die Lippen.

„Das macht man doch erst nach der Geburt“, wandte Nicola ein.

„Dann stoßen wir eben auf die junge Mutter an.“ Marco gab Nicola einen freundschaftlichen Kuss.

Nicola war wieder glücklich. Franco schien jedoch neugierig zu sein, was sich zwischen Marco und Antonia abspielte. Aber er fragte nicht.

In dem Moment trafen die nächsten Gäste ein, und Nicola und Franco entschuldigten sich. Antonia löste sich aus Marcos Umarmung, und er ließ es zu.

Sie stürzte sich kopfüber ins Vergnügen. Es war ihre letzte Party in Mailand. Morgen verlasse ich Marco, sagte sie sich immer wieder, während sie lachte und fröhlich plauderte. Sie sprach gut Italienisch, denn sie hatte die ersten fünf Jahre ihres Lebens in Italien verbracht. Sie tanzte viel, aß wenig und trank ein Glas Champagner nach dem anderen, ohne es wirklich zu merken.

Nach einer Stunde gelang es Nicola, allein mit ihr zu reden. Sie wollte wissen, was los war. „Wenn ihr beide euch wegen meiner Bemerkung aus dem Weg geht, tut es mir leid“, erklärte sie. „Es ist mir sehr unangenehm, was ich da angerichtet habe.“

„Mach dir keine Gedanken“, beruhigte Antonia sie lächelnd. „Es ist wirklich nicht so schlimm.“

„Natürlich ist es schlimm“, entgegnete Nicola. „Ich habe dich verletzt und Marco verärgert. Er redet mit niemandem, während du die Party genießt, als wäre es deine letzte.“

Wie wahr, schoss es Antonia durch den Kopf. „Wenn Marco immer noch zornig ist wegen deiner harmlosen Bemerkung, dann ist das sein Problem“, erwiderte sie. „Was hat er denn von mir erwartet? Hat er geglaubt, ich würde das Thema aufgreifen und ihn fragen, wann er mich heiratet?“

„So lange wie mit dir war er mit keiner Frau zusammen“, stellte Nicola behutsam fest. Antonia konnte es nicht mehr hören, man hatte es zu oft erwähnt. Außerdem war es für sie ein Beweis mehr, dass er die Beziehung bald beenden würde. „Das muss doch etwas bedeuten, oder?“, fügte Nicola hinzu.

„Es bedeutet, dass er mit meinen Leistungen zufrieden ist“, antwortete Antonia ironisch. „Vielleicht kann ich mich vor Angeboten nicht retten, wenn es sich herumspricht, dass ich wieder zu haben bin.“

Nicola blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Marco sah es. Er stand an der Getränkebar und überlegte, was Antonia gesagt haben mochte. Bestimmt nichts Freundliches, das war ihm klar. Die Sache gefiel ihm nicht. Es war kein guter Tag gewesen, und er konnte die Entwicklung der Dinge offenbar nicht mehr kontrollieren. Jetzt war wieder etwas geschehen, was er nicht verstand. Antonia war zornig auf ihn, dessen war er sich bewusst. Er hatte schlechte Laune und hatte es wahrscheinlich verdient, dass sie ihm aus dem Weg ging. Aber sie hatte Nicola gegenüber soeben bestimmt nicht nur eine harmlose Bemerkung über seine schlechte Laune gemacht. Die Frau seines Freundes war sichtlich schockiert und erschüttert.

Nicola redete auf Antonia ein. Sie erklärte ihr wohl, dass Marco sie beide beobachtete, denn plötzlich drehte Antonia sich um und warf ihm einen kühlen Blick zu. Er hob leicht spöttisch das Glas, um ihr zu verstehen zu geben, dass es ihm völlig egal sei, ob sie ihn hasse oder nicht.

Aber es war ihm nicht egal. Und das war sein größtes Problem. Sie ging ihm so sehr unter die Haut, dass er sie am liebsten mit sich aus dem Raum genommen hätte, um allein mit ihr zu sein. Dann könnte er ihr beweisen und zeigen, wie sehr er sie begehrte. Warum, zum Teufel, sollte er sie überhaupt aufgeben?

In dem Moment spielte ihm das Schicksal einen Streich. So kam es ihm jedenfalls vor.

Neue Gäste trafen ein, und Antonia blickte zur Tür. Marco sah in dieselbe Richtung und hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen: Der Mann, der gerade hereinkam, war niemand anders als Stefan Kranst.

Antonias Miene hellte sich sogleich auf, und ihr Lächeln wirkte ganz bezaubernd. Und dann eilte sie Kranst entgegen. Sie erinnert mich an eine Taube, die endlich wieder nach Hause fliegen kann, dachte Marco verbittert.

3. KAPITEL

Marco beobachtete, wie Antonia und Stefan Kranst sich begrüßten. Sie lächelten sich an und redeten leise miteinander. Antonia legte ihm die Hand auf die Schulter, und Stefan Kranst umfasste ihre Taille. Dann küssten sie sich auf die Lippen.

Das ist nur ein Begrüßungskuss, versuchte Marco sich einzureden. Aber es stimmte nicht, und das schienen alle anderen auch zu spüren. Es wurde ganz still im Raum, alle drehten sich zu den beiden um und sahen zu, wie Marco Bellinis Geliebte ihren früheren Lover schamlos umarmte.

Stefan Kranst hatte blondes Haar, er war groß und ungefähr zehn Jahre älter als Marco. Genau wie Marco konnte er jede Frau haben, die er haben wollte. Seit Antonia ihn vor einem Jahr verlassen hatte, hatte er unzählige Male die Freundin gewechselt, wie Marco wusste.

Aber Antonia gehört jetzt zu mir, fügte er in Gedanken hinzu. Sie lebte mit ihm zusammen, schlief in seinem Bett und ließ sich ihre Kleider von ihm bezahlen. Deshalb hatte Kranst kein Recht, Antonia zu küssen.

Hitze breitete sich in ihm aus, er wollte seinen Besitz verteidigen, den Raum durchqueren und die beiden auseinanderreißen. Er stand jedoch reglos da, während er sich bemühte, sich zusammenzunehmen und keine Dummheit zu begehen. Alle beobachteten die Szene und schienen auf seine Reaktion zu warten. Vielleicht hofften sie sogar, er würde etwas Drastisches tun, was dann bei jedem Essen und auf jeder Party mindestens vier Wochen lang das Thema schlechthin sein würde.

Ihr Kleid war zu kurz, ihre Beine waren zu lang, und ihre schlanken Fesseln wirkten in den eleganten Schuhen mit den hohen Absätzen zu sexy. Marco wollte sich momentan nicht daran erinnern, dass er bis vor wenigen Minuten noch ganz anderer Meinung gewesen war.

Hatte sie sich etwa absichtlich so verführerisch gekleidet? Hatte sie gewusst, dass Kranst an diesem Abend kommen würde, und sich extra für ihn schön gemacht? Sie trug keinen BH, wie Marco bemerkte. Ihre Brüste und die Brustspitzen zeichneten sich unter dem Kleid deutlich ab. Er konnte sich vorstellen, was jetzt in Kranst vorging, denn dieser Kerl wusste genauso gut wie er, wie es war, Antonia in den Armen zu halten.

Marco ließ den Blick über ihre schlanke Gestalt gleiten. Nein, sie trug keinen Slip. Wahrscheinlich hatte sie nur so einen winzigen Stringtanga an. Als er sah, wie Kranst eine Hand über ihre Hüften gleiten ließ, empfand Marco es als persönliche Beleidigung, dass sie es zuließ. Der Mann benahm sich so, als hätte er immer noch das Recht, sie intim zu berühren.

Dann hörte er sie leise lachen und betrachtete ihr schönes Gesicht. Sie legte Kranst eine Hand auf den Nacken, während sie sich so unbekümmert unterhielten, als wäre es ganz normal, sich in der Öffentlichkeit wie ein Liebespaar zu verhalten.

Marco fand es billig und dumm, was sie da tat. Oder war es etwa Absicht? Wollte sie ihm vielleicht damit beweisen, dass er nicht der Einzige war, der sich für sie interessierte?

Manchmal hasste Marco sie und verstand selbst nicht, warum er sie zugleich so heftig begehrte. Sie war nicht sein Typ, sie war zu jung, zu ungebildet und viel zu flatterhaft. Warum sonst hatte sie das auffallende rote Seidenkleid angezogen, in dem sie aussah wie eine exotische Blume, während alle anderen Frauen in elegantem Schwarz erschienen waren?

Auf einmal stellte sich jemand neben ihn. „Nun, mein Lieber, sie weiß jedenfalls, wie man einen Mann willkommen heißt“, ertönte Louisa Florenzas spöttisch klingende Stimme.

Marco biss die Zähne zusammen, setzte eine entspannte Miene auf und ignorierte Louisas bissige Bemerkung. Schweigend beobachtete er, wie Stefan Kranst Antonia auf die Tanzfläche führte.

Ihre Hand ruhte immer noch auf seinem Nacken, und Kranst umfasste ihre Taille. Während sie sich im Rhythmus der Musik bewegten, unterhielten sie sich. Sie waren so sehr ineinander vertieft, dass Antonia den Mann vergessen zu haben schien, mit dem sie hergekommen war.

„Ich finde es beeindruckend, wie arglos und offen sie ist“, versuchte Louisa ihr Glück noch einmal. „Den meisten Frauen wäre es ungemein peinlich, wenn sie ihrem ehemaligen Liebhaber in Gegenwart ihres neuesten Geliebten und dessen Freunden begegneten. Aber ihr macht das überhaupt nichts aus.“

„Hast du das Gefühl, es würde mich stören?“, fragte Marco betont gleichgültig.

Statt zu antworten, hakte Louisa sich bei ihm ein. „Wir hatten eine schöne Zeit zusammen, Marco, stimmt’s?“

Eine schöne Zeit? überlegte er, während er Antonia immer noch beobachtete. Sie tanzte geschmeidig und wirkte erotisch. Wenn sie sich noch enger an Kranst schmiegt, greife ich ein, nahm Marco sich vor. „Du warst eine Katze mit scharfen Krallen, Louisa“, erinnerte er sie schließlich spöttisch. „Deshalb hatten wir nur selten einmal eine schöne Zeit.“

„Aber ich habe in deinem Bett immer wie ein Kätzchen geschnurrt“, erwiderte sie.

Marco ärgerte sich. Damals hatte er wirklich gern mit ihr geschlafen. Doch jetzt konnte ihn nur noch Antonia mit ihrem sanften Stöhnen und ihren leisen, wie hingehaucht wirkenden Bitten verrückt machen.

„Und du hast meine Krallen doch manchmal ganz gern gespürt …“

„Davon habe ich immer noch Narben“, unterbrach er sie.

„Gut. Hoffentlich wirst du sie nie mehr los. Es gefällt dir nicht, dass deine Freundin auf der Tanzfläche einen anderen anhimmelt. Und mir gefällt es nicht, wenn ich dich mit ihr zusammen sehe. Solche Narben behält man das ganze Leben lang, Marco, das kann ich dir versichern.“

Sie hörte sich so verbittert an, dass er sich zu ihr umdrehte. Er sah ihr ins Gesicht. Sie war eine der schönsten Frauen Italiens. Dann lächelte er spöttisch. „Die Narben, die du von mir zurückbehalten hast, meine Schöne, rühren nur daher, dass ich den Geldhahn zugedreht habe.“

Der Vorwurf schien Louisa nicht sonderlich zu berühren. Sie hielt seinem spöttischen Blick stand. „Willst du damit andeuten, sie würde nicht dieselben Privilegien genießen wie ich damals?“

„Nein, das will ich nicht“, antwortete er und beobachtete wieder Antonia und Kranst, die eng umschlungen tanzten. „Aber sie hat bis jetzt noch keinen Gebrauch davon gemacht.“

„Was für eine clevere Frau!“, stellte Louisa fest.

Da bin ich anderer Meinung, dachte Marco. Antonia schüttelte gerade den Kopf, sodass der Strass, den sie sich in das rötlichblonde Haar gesteckt hatte, im Licht glitzerte und funkelte. Dann legte sie Kranst die Hand auf die Lippen, um ihn daran zu hindern, zu sagen, was er sagen wollte.

Wollte er sie etwa bitten, zu ihm zurückzukommen? Oder wollte er sie wieder malen? Redete er mit ihr über Sex wie Louisa soeben mit ihm, Marco?

Intimität ist etwas Teuflisches, sie verfolgt einen auch dann noch, wenn eine Affäre längst beendet ist, schoss es Marco durch den Kopf. Es gab dem Menschen, für den man nichts mehr empfand, eine gewisse Macht über einen, ohne dass man etwas dagegen tun konnte.

„Er begehrt sie immer noch“, erklärte Louisa.

Die Bemerkung traf Marco tief. „Wen er begehrt und wen nicht, das interessiert mich nicht“, antwortete er. Wichtiger war für ihn, ob Antonia diesen Mann begehrte.

Plötzlich durchfuhr ihn ein anderer Gedanke, der ihn sehr erschreckte. War es möglich, dass Antonia seiner überdrüssig war?

Es war für ihn eine ganz neue Erfahrung, so etwas befürchten zu müssen. Er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Keine seiner früheren Freundinnen hatte ihn von sich aus verlassen.

Aber nein, es ist ganz unmöglich, sagte er sich schließlich. Antonia betete ihn geradezu an. Wenn er zu ihr gehen und sie in die Arme nehmen würde, wäre sie innerhalb weniger Sekunden wieder seine anschmiegsame Geliebte. Kranst würde sie sogleich vergessen.

„Er sieht gut aus, mein Lieber“, unterbrach Louisa ihn in seinen Gedanken. „Er steht in dem Ruf, ein großartiger Liebhaber zu sein. Jedenfalls hat er einen herrlichen Körper. Und im Gegensatz zu dir ist er berühmt und bekannt, zumindest als Maler“, erklärte sie spöttisch. „Ich glaube, das Einzige, was du ihm voraus hast, ist dein Reichtum. Obwohl du behauptet hast, sie hätte noch keinen Gebrauch davon gemacht, dreht sich letztlich immer alles nur ums Geld.“

Zu seiner eigenen Überraschung musste Marco laut lachen. Er erinnerte sich daran, dass Antonia an diesem Abend an dem roten Lotus vorbeigegangen war, als existierte er überhaupt nicht. Und er dachte an den wertvollen Schmuck, den sie so gut wie nie trug und den er in seinem Safe verschlossen hatte. Sie bevorzugte Modeschmuck. Außerdem hatte er ihr ein Bankkonto eingerichtet, auf das er regelmäßig einen bestimmten Betrag überwies. Aber sie hatte kaum etwas davon abgehoben.

Nein, Geldgier konnte man Antonia wirklich nicht nachsagen. Eins hatte Louisa jedoch mit ihren Sticheleien erreicht: Seine schlechte Laune verschwand langsam. Er bedankte sich dafür bei ihr mit einem Kuss auf die Lippen. Sogleich klammerte sie sich an ihn, aber es berührte ihn nicht. Eigentlich schade, denn Louisa wäre, wenn es nach seiner Mutter ginge, die richtige Frau für ihn.

„Na bitte“, sagte Antonia. „Hatte ich nicht recht?“

Sie hatte gesehen, wie Marco Louisa Florenza geküsst hatte. Das war für sie der Beweis, der ihr noch gefehlt hatte. Jetzt war sie sich sicher, dass Marco ihrer überdrüssig war.

„Männer wie Bellini nehmen eine beendete Affäre nicht wieder auf“, antwortete Stefan ironisch. „Du hast mich doch vorhin auch geküsst“, stellte er fest. „Ich würde mich geschmeichelt fühlen, wenn du mich zu deinem neuen Liebhaber auserwählt hättest. Wir wissen jedoch beide, dass es nicht so ist.“

„Ich liebe dich mehr als sonst jemanden. Und ich wünschte, ich wäre ihm nie begegnet“, erwiderte Antonia so tragikkomisch, dass Stefan seufzte.

„Liebes, der Mann ist verrückt nach dir. Man erkennt doch auf den ersten Blick, wie gleichgültig ihm diese Frau ist. Er zahlt dir nur mit gleicher Münze heim, was du ihm angetan hast.“

„Wenn er mich wirklich liebte, wäre er schon längst hier und hätte dich zusammengeschlagen. Stattdessen lacht er mit ihr.“

„Oh, vielen Dank.“ Stefan war belustigt.

„Es ist sowieso alles deine Schuld“, erklärte sie leicht gereizt. „Er hat mich nur gesucht, weil er deine Bilder gesehen hat.“

„Ich habe dich nicht dazu ermutigt, dich in diesen Kerl zu verlieben.“ Jetzt musste Stefan lachen, und Marco hörte es. „Das hast du ganz allein geschafft, Antonia. Ich weiß genau, dass ich dich gewarnt habe.“

Das stimmt, gestand sie sich ein. Tränen traten ihr in die Augen. Als Stefan es bemerkte, seufzte er wieder und zog sie etwas fester an sich.

„Du bist mit ihm etwas über ein Jahr zusammen“, erinnerte er sie sanft. „So lange hat er es mit keiner anderen Frau ausgehalten.“

„Der Nächste, der das zu mir sagt, bekommt eine Ohrfeige“, antwortete sie verbittert.

„Trotzdem bedeutet es etwas, Liebes“, erklärte er. „Kannst du schwören, dass er irgendwie angedeutet hat, er wolle dich nicht mehr?“

Antonia lächelte spöttisch. Sie wusste genau, was in Marco vorging. Auch die Woche in Portofino kam ihr jetzt eher vor wie ein Abschiedsgeschenk. Kurz vor dem Urlaub hatten sie sich gestritten, weil er einige Tage bei seinen Eltern auf deren Landsitz in der Toskana hatte verbringen wollen. Es hatte Antonia gestört, dass er sie ihnen immer noch nicht vorstellen wollte.

„Man könnte beinah glauben, du würdest dich meiner schämen“, warf sie ihm vor.

„Nimm bitte Rücksicht auf meinen Vater, er ist krank“, forderte Marco sie auf.

Er stritt jedoch nicht ab, dass er sich ihrer schämte. Seine Miene wurde so verschlossen wie immer, wenn die Rede auf seine Familie kam. Er fuhr allein in die Toskana. Und in den drei Tagen, die er dort blieb, rief er Antonia nicht ein einziges Mal an. Nach seiner Rückkehr war er so launisch und gereizt gewesen, dass sie über seinen plötzlichen Entschluss, mit ihr eine Woche in Portofino zu verbringen, überrascht gewesen war.

„Es kommt darauf an, was man darunter versteht“, erwiderte Antonia und lächelte Stefan an. „Er will mich immer noch in seinem Bett haben, aber wenn wir nicht zusammen drin liegen, ärgert er sich über mich.“

„Deshalb hast du dich mir wie ein ausgehungerter Vamp an den Hals geworfen. Er sollte sich noch mehr ärgern“, stellte Stefan fest. „Hast du den Wunsch zu sterben, Antonia? Egal, ob er dich liebt oder hasst, Marco Bellini darf man nicht vor seinen Freunden in Verlegenheit bringen und provozieren“, warnte er sie ernsthaft. „Er wird sich dafür rächen.“

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Marco mit Louisa auf die Tanzfläche kam. Als Stefan sich mit ihr zu der Musik drehte, entdeckte sie Nicola, die sie besorgt beobachtete. Franco stand mit zorniger Miene neben ihr. Plötzlich spürte Antonia die gespannte Atmosphäre um sie her, und sie begriff, warum Stefan sie gewarnt hatte.

Unheil bahnte sich an in Nicolas und Francos Wohnzimmer. Das hatte Antonia nicht beabsichtigt. Sie hatte nur Marcos Stolz verletzen wollen.

„Wie ist es dir gelungen, eine Einladung zu dieser Party zu bekommen?“, fragte sie Stefan. Ihr war klar, dass weder Franco noch Nicola so unsensibel waren, ihn einzuladen. Sie wussten, dass die Geliebte ihres besten Freundes zuvor mit dem Maler liiert gewesen war.

„Ich bin mit Rosetta Romano gekommen“, antwortete er. Die Frau war die Besitzerin der bekannten Galerie Romano. „Ich musste für einen anderen Künstler einspringen, der kurzfristig abgesagt hatte. Indem sie mich in der High Society Mailands herumreicht, macht sie zugleich Werbung für die Ausstellung.“

„Offenbar hat Signora Romano nicht geahnt, was für ein Missgriff es war, uns drei zusammenzubringen“, stellte Antonia spöttisch fest.

„Doch, das war ihr klar.“ Stefan verzog die Lippen. „Was meinst du, wie viel Publicity ihr diese Inszenierung einbringt?“

„Nicht nur ihr, sondern auch dir.“ Antonia wusste natürlich, dass Stefan Kranst nichts dagegen hatte, in die Mailänder Gesellschaft eingeführt zu werden. Es verstärkte das Interesse an seinen Bildern.

Er zuckte arrogant die Schultern. „Ich bin Künstler und kein Diplomat. Außerdem wollte ich dich wiedersehen.“ Er blickte sie an. „Es ist beinah unmöglich, dich telefonisch zu erreichen. Ich habe mehrmals mit der Haushälterin gesprochen, Antonia. Hast du meine Nachrichten erhalten?“

Antonia schüttelte den Kopf. „Wir waren eine Woche im Urlaub und sind erst heute Nachmittag zurückgekommen. Carlotta hat heute frei, ich habe noch nicht mit ihr reden können.“

„Dann kontrolliert dieser Kerl deine Post und Telefongespräche wohl noch nicht, oder?“ Stefan lächelte ironisch. „Ich hatte ihn schon im Verdacht, dich in jeder Hinsicht zu beaufsichtigen“, gab er zu. „Ich wette, in dem Moment, als ich eingewilligt habe, meine Bilder in Mailand auszustellen, hat dein Kunstförderer davon erfahren.“

Mit anderen Worten, Marco hat gewusst, dass Stefan in Mailand ist, und er hat es mir absichtlich verschwiegen, überlegte Antonia. In dem Moment hörte die Musik auf zu spielen. Stefan führte Antonia schweigend von der Tanzfläche. Wahrscheinlich hatte er recht. Marco war im Allgemeinen bestens darüber informiert, was auf dem Gebiet der Kunst in Mailand geschah.

Der gemeine Kerl, dachte sie zornig. Vielleicht wollte er sie nicht mehr, aber er wollte sie auch nicht mit dem Mann zusammen sehen, zu dem sie jederzeit zurückkommen konnte. Dazu war Marco viel zu selbstherrlich und arrogant.

„Hier.“ Stefan reichte ihr ein Glas Champagner. „Trink das, dann geht es dir besser.“

Obwohl ihr klar war, dass sie schon mehr als genug Champagner getrunken hatte, nahm sie das Glas in die Hand und leerte es in einem Zug.

In ihrem Blut schien sich der Champagner mit ihrem Zorn zu vermischen. Es war eine gefährliche Kombination. „Ich glaube, ich hasse ihn“, erklärte sie und war sehr zufrieden mit sich. Endlich hatte sie es laut ausgesprochen.

„Dann kann es jetzt interessant werden“, antwortete Stefan ruhig und blickte über ihre Schulter hinweg. „Das ist eine gute Gelegenheit, dich zu entscheiden, wie sehr du ihn hasst“, fügte er hinzu und sah sie spöttisch an. „Mach dich auf alles gefasst, meine Liebe.“

Auf einmal begriff sie, dass er von Marco redete. Sie öffnete die Lippen, und ihre Augen schienen ganz dunkel zu werden. Hilflos und unentschlossen stellte sie das leere Glas hin und griff nach Stefans vollem.

Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Du Dummerchen“, sagte er leise. „Ist dir denn nicht bewusst, dass du wahrscheinlich noch nicht bereit bist, dich mit ihm auseinanderzusetzen?“

Erst an diesem Morgen hatte sie sich eingestanden, dass sie noch nicht so weit war, sich von Marco zu trennen. Und jetzt musste sie damit rechnen, vor seinen Freunden nach Strich und Faden von ihm abgekanzelt zu werden.

„Sei tapfer, Liebes“, forderte Stefan sie sanft auf. „Guten Abend, Marco“, begrüßte er ihn dann und lächelte. „Es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen.“

Es war jedoch für alle drei kein Vergnügen. Antonia nahm sogleich den herben Duft von Marcos Aftershave wahr, der ihr so vertraut war, und dann war sie sich seiner Gegenwart mit allen Sinnen bewusst. Er stellte sich neben sie, und ihr kribbelte die Haut. Während sie das Glas krampfhaft festhielt, wartete sie darauf, dass er etwas Unverzeihliches tat oder sagte.

Er reichte jedoch Stefan die Hand, ohne sich seinen Ärger anmerken zu lassen. „Wie ich gehört habe, stellen Sie nächste Woche in Romano’s aus.“ Damit bestätigte er Antonia indirekt, dass er es gewusst hatte. Offenbar hatte er sie absichtlich nicht informiert.

„Ja, ab Samstag“, bestätigte Stefan. „Ich habe Antonia schon gefragt, ob Sie mit ihr am Freitagabend zu meiner Vernissage kommen“, fügte er hinzu. Wie leicht ihm die Lüge von den Lippen geht, dachte Antonia.

„Und sie hat natürlich erklärt, wir würden gern kommen“, antwortete Marco.

„Stimmt. Ich habe etwas für sie, was sie mitnehmen kann.“ Stefan lächelte, als er sah, dass sie die Stirn runzelte. Dann fuhr er ihr mit dem Finger übers Kinn, und sie war sich sicher, dass er es nur tat, um Marco zu ärgern. „Man kann es ein verspätetes Geburtstagsgeschenk nennen. Wenn Sie noch mein Bild Mirror Woman haben, Marco, könnte es auch für Sie interessant sein.“

„Das klingt spannend.“ Marco lächelte. Antonia versteifte sich jedoch, als Stefan das Gemälde erwähnte, das ihn berühmt und sie so bekannt und berüchtigt gemacht hatte.

Sie hatte es nur ein einziges Mal bei ihrer Ankunft vor einem Jahr in Marcos Wohnung gesehen. Es hatte in seinem Arbeitszimmer gehangen. Er hatte es ihr gezeigt, und sie war entsetzt gewesen. Sie hatte gar nicht gewusst, dass er es gekauft hatte.

Danach hatte Marco es in den Raum neben seinem Arbeitszimmer gehängt, wo er auch alle anderen wertvollen Gemälde und andere Kunstgegenstände aufbewahrte.

Jetzt deutete Stefan an, er hätte ein ähnliches Gemälde. Sie wusste natürlich, dass er Hunderte solcher Bilder malen konnte, ohne dass er sie als Modell brauchte. Dennoch war sie irritiert. Außerdem störte es sie, dass er sich in gewisser Weise über Marco lustig machte.

Marco nahm die ganze Sache so leicht, als berührte sie ihn nicht. Wenn er sowieso vorhatte, sich von ihr zu trennen, konnte es ihm ja auch egal sein. Unvermittelt drehte Antonia sich um und wollte weggehen. Dieses Spiel konnte sie nicht länger ertragen. Marco hielt sie jedoch an der Hand fest, obwohl sie versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen.

„Lass das“, forderte er sie auf und drehte sie zu sich um. Ihre Lippen zitterten, und sie war ganz blass. Marco kannte diesen Blick. Ihm war klar, dass sie verletzt war. Doch was hätte er tun sollen? Nicht er hatte sie verletzt, sondern Kranst.

Am liebsten hätte er diesen Mann zusammengeschlagen, weil er so unsensibel war und ausgerechnet das Bild Mirror Woman erwähnt hatte. Er musste wissen, wie sehr Antonia sich darüber aufregte, dessen war Marco sich sicher. Aber er war auch zornig auf Antonia, weil sie so empfindlich reagierte. Immerhin war sie Kransts Modell gewesen, das ließ sich jetzt nicht mehr ändern.

„Was man sät, das erntet man, Liebes“, stellte er mit grimmiger Miene fest. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es weg. Dann zog er sie auf die Tanzfläche. „Tanz jetzt“, forderte er sie auf und hielt sie fest, weil sie versuchte, sich von ihm zu lösen. „Vergiss nicht, wo du bist und wen du verletzt, wenn du mir eine Szene machst.“

In dem Moment tanzten Franco und Nicola neben ihnen. „Hallo, ihr beiden. Amüsiert ihr euch?“, fragte Nicola unbehaglich.

Sie weiß genau, dass ich mich überhaupt nicht amüsiere, dachte Antonia. „O ja, es gefällt uns gut“, erwiderte sie jedoch und lächelte, während sie in einer intimen Geste Marco die Hand auf den Nacken legte und ihm die Fingernägel in die Haut drückte. „Ich mag es, wenn Marco den Macho hervorkehrt.“

Franco warf Marco einen spöttischen Blick zu, und Nicola sah Marco gar nicht an. „Die Hauptsache ist, ihr seid glücklich“, sagte sie leise. Sie wirkte erleichtert, als Franco sie in eine andere Richtung dirigierte.

„Sie hasst Auseinandersetzungen.“ Marco seufzte. „Das war schon immer so.“

„Und ich hasse dich“, erklärte Antonia. „Seufzt du jetzt wieder so mitfühlend?“

Er war belustigt und zornig zugleich. „Nein, mit dir habe ich kein Mitleid. Du musst mit dem Kerl, den du hasst, nach Hause fahren. Und dann bekommst du deine gerechte Strafe.“ Er griff nach ihrer Hand, die sie ihm auf den Nacken gelegt hatte, und hielt sie fest. „Schau mich an, und lächle“, stieß er hervor. „Sonst küsse ich dich, dass dir Hören und Sehen vergeht.“

Wenn er glaubte, sie würde sich durch die Drohung einschüchtern lassen, hatte er sich getäuscht. Sie neigte den Kopf etwas nach hinten, und ihr Blick wirkte ungemein sinnlich. Schließlich stellte sie sich auf die Zehenspitzen und ließ ihre Zunge über Marcos Lippen gleiten.

Blitzartig breitete sich eine unerträgliche Hitze in ihm aus. Seine leidenschaftlichsten Gefühle wurden geweckt. Hatte sie Kranst etwa auch so geküsst? Und hatte sie in dem anderen Mann dieselben Regungen ausgelöst wie jetzt in ihm?

Mit seiner heftigen Eifersucht konnte Marco nicht umgehen. „Wir fahren nach Hause“, verkündete er deshalb.

„Ich möchte noch hier leiben“, erwiderte sie schmollend und spielte die perfekte Verführerin. In ihren Augen leuchtete es vielversprechend auf, und die Bewegungen ihres herrlichen Körpers wirkten geschmeidig und erotisch.

Irgendwie fand er sie ganz bezaubernd. Ihm gefiel ihre Art, ihn herauszufordern und vor aller Öffentlichkeit verführen zu wollen. Andererseits fragte er sich, ob Kranst sie dazu angeregt hatte. Marco legte ihr ärgerlich die Hand auf den Po und stellte fest, dass sie, wie er schon vermutet hatte, nichts anhatte unter dem roten Seidenkleid. Sogleich erinnerte er sich daran, dass Kranst ihr die Hand auf dieselbe Stelle gelegt hatte.

Als Antonia erbebte, fragte Marco sich, ob sie auf Kransts Berührung genauso reagiert hatte. Er sah aus den Augenwinkeln, dass Kranst sie beobachtete. Plötzlich überkam ihn grenzenlose Wut. „Ich bin zu allem bereit. Du auch?“

Ihre Lippen wurden ganz trocken. Marco war ein atemberaubend attraktiver Mann. Aber wenn er in so einer seltsamen Stimmung und noch dazu erregt war, weckte er in ihr Empfindungen, die sie nie gekannt hatte. Sie kam sich so schwach und hilflos vor, als wäre sie seine willige Sklavin.

Ich hasse ihn und alles, was sich hier abspielt, auch, dachte sie. „Okay“, erwiderte sie jedoch leise. „Wir können gehen.“

4. KAPITEL

Schweigend fuhren Marco und Antonia zu seiner Wohnung. Sie waren beide erregt und aus unterschiedlichen Gründen zornig. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt.

Kaum hatte Marco den Motor abgestellt, sprang Antonia aus dem Wagen. Sie eilte zum Aufzug und wagte es, allein nach oben zu fahren. Marco musste warten, bis der Aufzug zurückkam, und seine Laune verschlechterte sich immer mehr.

Als er ins Schlafzimmer ging, stellte er fest, dass Antonia sich im Badezimmer eingeschlossen hatte. Er hörte, dass sie duschte. Ihr rotes Kleid lag auf dem Fußboden, und die Schuhe waren nicht weit davon entfernt.

Frustriert zog er das Jackett aus. Er musste sich beherrschen, es nicht neben Antonias Kleid auf den Boden zu werfen. Doch ihm wurde bewusst, wie kindisch so ein Verhalten wäre. Er hielt inne und überlegte, was da mit ihm passierte. Zorn, Frustration und kindische Wutausbrüche waren normalerweise nicht sein Stil.

Am schlimmsten war, dass er sich wie ein eifersüchtiger Ehemann vorkam, der sich mit dem seltsamen Benehmen seiner Frau abfinden musste. Plötzlich verschwand sein Zorn. Er stand wie zu Eis erstarrt da. Dass Antonia ihn dazu bringen konnte, so heftig und für ihn untypisch zu reagieren, schockierte ihn.

Während Marco wenig später sein Jackett auf einen Kleiderbügel hängte, kam Antonia aus dem Badezimmer. Sie betrachtete seine breiten Schultern, seinen muskulösen Körper, die langen, kräftigen Beine und seine sonnengebräunte Haut. Am liebsten hätte sie ihn gestreichelt. Irgendwie wünschte sie, er würde nicht so perfekt wirken.

Schließlich drehte er sich zu ihr um. Trotz seiner eisigen Miene spürte Antonia die Reaktion ihres Körpers unter dem Morgenmantel aus Seide, den sie sich übergezogen hatte.

Sie wünschte sich, sie könnte Marco hassen, weil er solche Empfindungen in ihr auslöste, obwohl er sie nur verächtlich musterte und sich dann wieder abwandte.

„Du hast wieder mit Kranst gearbeitet“, erklärte er uninteressiert.

Ohne ihm zu antworten, durchquerte sie den Raum, hob das Kleid und die Schuhe auf und ging zum Kleiderschrank. Dann öffnete sie eine der Schranktüren.

„Antworte bitte“, forderte er sie kühl auf.

„Du hast mir keine Frage gestellt“, entgegnete sie genauso kühl, „sondern nur etwas behauptet.“

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass er die Lippen zusammenpresste. Unbeeindruckt stellte sie die Schuhe weg und zog einen Kleiderbügel heraus.

„Erklär mir, was seine Bemerkung, er hätte etwas Interessantes, zu bedeuten hat.“

Antonia zuckte die Schultern und hängte das Kleid in den Schrank. „Ich habe keine Ahnung“, erwiderte sie, obwohl es nicht ganz stimmte. Sie hatte eine Vermutung, und deshalb war sie sehr beunruhigt.

„Das glaube ich nicht. Du kennst den Mann doch gut genug, immerhin hast du fünf Jahre mit ihm zusammengelebt.“

Zehn Jahre habe ich mit ihm unter einem Dach gelebt, korrigierte sie ihn insgeheim. „Mit dir lebe ich schon ein Jahr zusammen und weiß immer noch nicht, wie du tickst.“ Sie machte die Schranktür wieder zu.

„Sehr witzig.“ Seine Stimme klang spöttisch. „Beantworte endlich meine Frage, und verrat mir, ob du wieder mit ihm gearbeitet hast.“

„Für einen Mann, der für seinen Scharfsinn und seine Intelligenz bekannt ist, bist du manchmal wirklich dumm und schwerfällig“, erwiderte sie spöttisch. „Überleg doch mal, wann ich das gemacht haben soll. Hätte ich überhaupt die Möglichkeit gehabt, mit Stefan zu arbeiten oder was auch immer?“

Marco gefiel es nicht, dass sie ihn verspottete. „Der Mann könnte irgendwo in Mailand ein Atelier haben, wo ihr euch regelmäßig trefft.“

„Ah ja, du glaubst wohl, ich könnte euch alle beide glücklich machen.“ Sie lachte verächtlich. Sie war jedoch auf der Hut, denn Marco war, ohne es zu wissen, nahe daran, ihr Geheimnis zu erraten, obwohl alles ganz anders war, als er vermutete.

Er bemerkte die Veränderung, die in ihr vorging. Sogleich nahm er ihre Hand und hielt sie mit ärgerlicher Miene fest. „Du verbirgst etwas vor mir“, stieß er hervor.

Antonia schwieg, und er fühlte sich in seinem Verdacht bestätigt. „Wenn ihr beide plant, mich am Freitag in Verlegenheit zu bringen, muss ich dich warnen. Du würdest es bereuen, mich kennengelernt zu haben.“

„Warum hörst du mir nicht zu?“, fuhr sie ihn an. „Ich weiß nicht, was Stefan vorhat.“

„Dann verrat mir bitte, warum dir plötzlich so unbehaglich zu Mute ist, wie ich deutlich spüre.“

„Du hast nicht das Recht, darauf zu bestehen, dass du alle meine Geheimnisse kennst“, entgegnete sie verbittert. „Ich bin nur deine Geliebte und nicht deine Frau.“

Seine Miene wurde eisig. „Ihr habt euch aneinandergeklammert und unterhalten, als würde es um etwas Wichtiges gehen. Ich will wissen, was ihr besprochen habt.“

„Wir haben über dich geredet und überlegt, ob es Zeit für mich ist, dich zu verlassen“, erklärte sie aufbrausend.

Marco war betroffen. „Heißt das, er will dich zurückhaben?“, fragte er leise.

„Er will mich immer zurückhaben“, erwiderte sie, ohne nachzudenken. „Wenn ich so weit bin, dass ich dich verlassen will, gehe ich wahrscheinlich wieder zu ihm.“

Autor

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Michelle Reid ist eine populäre britische Autorin, seit 1988 hat sie etwa 40 Liebesromane veröffentlicht.

Mit ihren vier Geschwistern wuchs Michelle Reid in Manchester in England auf. Als Kind freute sie sich, wenn ihre Mutter Bücher mit nach Hause brachte, die sie in der Leihbücherei für Michelle und ihre...

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Diana Hamilton gehört zu den populären britischen Autorinnen für Liebesromane. Seit 1986 wurden über 50 Romane von ihr veröffentlicht.

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