Julia Collection Band 124

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EINE FRAU MIT VERGANGENHEIT von HOFFMANN, KATE
Auf der Flucht vor ihrem Verlobten landet Payton im australischen Outback - direkt in den Armen eines aufregenden Fremden. Hals über Kopf stürzt sie sich in eine leidenschaftliche Affäre mit Brody Quinn. Doch schneller als gedacht holt ihre Vergangenheit sie ein …

DIR KANN ICH NIE WIDERSTEHEN von HOFFMANN, KATE
Als der Tierarzt Teague Quinn nach Australien zurückkehrt und seine Jugendliebe Hayley wiedersieht, steht sein Herz erneut in Flammen. Es dauert nicht lange, bis sich das erotische Knistern in einem wilden Liebesakt entlädt. Doch bald holt die Vergangenheit Teague und Hayley ein …

VERFÜHRUNG FÜR FORTGESCHRITTENE von HOFFMANN, KATE
Wie lange soll ich denn noch warten! Allmählich wird Gemma ungeduldig. Callum umwirbt sie altmodisch romantisch, um sie von seinem Leben in Australien zu überzeugen. Dabei will Gemma mehr - und beschließt, den ersten Schritt in Richtung Verführung zu machen …


  • Erscheinungstag 14.09.2018
  • Bandnummer 124
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711351
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Hoffmann

JULIA COLLECTION BAND 124

PROLOG

Queensland, Australien – Januar 1994

„Wie kann ein Berg Zauberkräfte haben?“, fragte sein ältester Bruder Callum, der am Fuß des riesigen Felsbrockens stand, und Brody schaute nach oben. „Es ist doch bloß ein verdammter großer Stein.“

„Sieh dich mal um, Depp!“, rief Teague, der mittlere von ihnen, von der Spitze des Felsens herunter. „Siehst du vielleicht noch andere Felsbrocken wie diesen hier? Gramps sagte, er liegt hier, weil er Zauberkräfte hat. Wenn man oben auf diesem Felsen steht und sich etwas wünscht, geht es in Erfüllung. Aborigines haben ihn hergebracht, und die verstehen was von Zauberei.“

„Ich glaube, Gramps war nicht ganz richtig im Kopf“, spottete Callum. „Ich würde nicht alles glauben, was er gesagt hat.“

Brody trat näher. „Das ist nicht wahr. Und es ist nicht nett, schlecht über die Toten zu sprechen.“

„Er hat auch behauptet, hier draußen seien Schätze versteckt“, meinte Callum. „Er hat mir sogar erzählt, als kleiner Junge habe er danach gegraben.“

„Hilf mir mal rauf.“ Brody boxte seinen Bruder gegen die Schulter.

„Nein, wir müssen zurück. Mum wird das Abendessen schon fertig haben.“

„Aber ich will hinaufklettern.“ Er ließ nicht locker. Es war schon schwer genug, der Jüngste zu sein, deshalb hasste er es, wenn Callum ihn herumkommandierte. Wenigstens war Teague immer auf der Suche nach Abenteuern und behandelte ihn, Brody, als wären sie gleich alt und nicht achtzehn Monate auseinander. Callum war stets der Vorsichtige. Er war drei Jahre älter als er, benahm sich aber schon wie ein Erwachsener.

„Du wirst herunterfallen und dir die Birne aufschlagen“, prophezeite Callum ihm. „Und ich bekomme die Schuld, wie immer, wenn ihr zwei Blödmänner irgendwelchen Mist baut.“

„Cal, hilf ihm rauf“, rief Teague. „So hoch ist es gar nicht, und ich werde ihn festhalten.“

„Du brauchst mich nicht festzuhalten“, erklärte Brody. „Ich bin kein Baby mehr.“

Widerstrebend verschränkte Callum seine Finger, und er stelle einen Fuß auf die Räuberleiter, sodass Teague ihn auf den Felsen ziehen konnte.

„Wow“, sagte Brody. „Das ist hoch. Ich wette, ich kann ganz Queensland von hier oben sehen.“

„Du bist schon auf Windräder geklettert, die sind viel höher“, sagte Callum, der ebenfalls den Felsen erklomm. „Und von denen kann man nicht einmal Brisbane sehen, dabei liegt das in Queensland.“

„Wünsch dir was“, forderte Teague ihn auf. „Dann werden wir sehen, ob es funktioniert.“

„Ich muss erst nachdenken.“ Er wollte so viele Dinge. Einen Computer, Videospiele, ein Mountainbike, doch es gab etwas, was er mehr als alles andere wollte. Er hatte es seinen Brüdern nie erzählt, aus Angst, sie könnten ihn auslachen, schließlich war die Chance nur sehr gering, dass er jemals von der Farm wegkam.

„Na los“, ermutigte Teague ihn. „Raus damit. Es geht aber nur in Erfüllung, wenn du es laut herausschreist.“

„Ich will Footballer werden“, schrie er. „Ich will eine richtige Schule besuchen und in einem richtigen Team spielen. Ich will berühmt werden, damit jeder meinen Namen kennt. Und ich will ins Fernsehen kommen.“ Zu seiner Überraschung lachten seine Brüder nicht.

„Das ist ein ziemlich großer Wunsch“, stellte Callum nüchtern fest.

„Jetzt bin ich an der Reihe“, sagte Teague. „Ich weiß genau, was ich mir wünsche. Ich will ein Flugzeug. Oder einen Helikopter. Ich will fliegen können, damit ich überallhin kann, einfach so. Ich könnte sogar über den Ozean fliegen und Amerika sehen oder Afrika oder den Südpol.“

„Du könntest mich zu meinen Footballspielen fliegen.“

Teague wuschelte ihm über den Kopf. „Ja, das könnte ich. Aber nur, wenn du mir Freikarten besorgst.“

Er wandte sich an Callum. „Und du?“

„Ich weiß, was ich will.“

„Du musst es laut sagen.“

Callum setzte sich, legte die Arme über die Knie und sah in die Ferne. „Was glaubt ihr, wie dieser Felsen wirklich hierher gekommen ist?“

„Ich glaube, er ist ein Meteor“, sagte Brody und setzte sich neben ihn. „Er stürzte vom Himmel.“

Callum strich über die glatte Oberfläche. „Vielleicht haben die Aborigines ihn hergebracht. Vielleicht war er so etwas wie das Stonehenge in England, ihr wisst schon, diese Kultstätte aus riesigen Steinen.“

„Ich glaube, es ist die versteinerte Kacke eines gigantischen prähistorischen Vogels.“ Teague setzte sich zu ihnen. Alle drei mussten sie lachen. Sie legten sich auf den Rücken und sahen in den wolkenlosen Himmel hinauf.

Brody rümpfte die Nase. „Wie kann Vogelkacke Zauberkräfte haben?“

„Vielleicht stammt sie von einem Zaubervogel“, schlug Teague vor. „Na gut, es ist ein Meteor oder ein Asteroid aus einem anderen Universum. Komm schon, Cal, du musst dir etwas wünschen.“

Callum atmete tief durch. „Ich wünsche mir, dass ich eines Tages einen Ort wie diesen habe.“

„Du willst einen Felsen?“, fragte Brody.

„Nein, Dummkopf. Eine Farm. So groß wie die Kerry Creek Farm oder am besten noch größer. Und ich werde die besten Rinder in ganz Queensland züchten.“

„Warum willst du auf einer Farm leben?“

„Weil es mir hier gefällt“, erwiderte Callum.

Brody schüttelte den Kopf. Sein Bruder hatte einfach keine Fantasie. Das Leben auf einer Farm war schrecklich langweilig, nie gab es irgendetwas Interessantes zu tun. Alle guten Sachen passierten in Städten wie Brisbane und Sydney. Callum sollte ruhig seine Farm haben, und Teague sein Flugzeug. Er wusste genau, dass sein Wunsch der beste war.

„Dad hat mir gesagt, er sei mit Mum hierher gegangen, als er ihr den Heiratsantrag gemacht hat“, erzählte Callum und stand auf, um den Horizont zu beobachten.

Brody tauschte einen Blick mit Teague, dann sahen sie schweigend woanders hin. Er hatte keine Ahnung, warum Callum mit diesem Thema angefangen hatte. Seit ungefähr einem Jahr verstanden seine Eltern sich nicht mehr. Wenn sie sich nicht gerade stritten, gingen sie sich aus dem Weg. Beim Abendessen war es entweder laut oder es herrschte tödliches Schweigen.

„Ich möchte meinen Wunsch ändern“, murmelte er und richtete sich ebenfalls auf. „Ich wünschte, Mum und Dad würden nicht mehr streiten. Ich wünschte, sie wären wieder wie früher.“ Er kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. „Wisst ihr noch, wie sie sich immer geküsst haben und Dad Mum so fest umarmte, dass sie lachen musste? Und wie sie das Radio anstellten und durch die Küche tanzten?“

„Ja.“ Teague stützte sich auf die Ellbogen.

Die ersten zehn Jahre hatte Brody in einer glücklichen Familie verbracht. Zumindest hatte er das geglaubt. Nach und nach bemerkte er, wie unglücklich seine Mutter war und wie frustriert sein Vater. Seine Mutter hasste das Leben auf der Farm, während sein Vater kein anderes Leben kannte.

„Wünscht es euch“, forderte Callum sie auf und griff nach ihren Händen. „Schließt die Augen und wünscht es euch ganz fest, dann wird es auch in Erfüllung gehen.“

„Ich dachte, du glaubst nicht an diesen Felsen“, sagte Teague.

„Los, macht es!“, forderte Callum sie erneut auf. „Jetzt.“

Sie schlossen die Augen und konzentrierten sich auf den Wunsch. Doch er wusste, dass weder der Felsen noch die geballte Kraft der drei Quinn-Brüder etwas bewirken konnte. Es lag allein an ihren Eltern, ob dieser Wunsch in Erfüllung ging.

Als Brody die Augen wieder aufmachte, stellte er fest, dass seine beiden Brüder ihn ansahen. Er zwang sich zu einem Lächeln, aber das linderte seine Ängste nicht. Etwas Schlimmes würde geschehen, das spürte er genau.

Er rollte sich auf den Bauch, rutschte am Felsen hinunter und plumpste auf den staubigen Boden. Sein Pferd war ganz in der Nähe angebunden. Er schnappte sich die Zügel, schwang sich in den Sattel und ritt im Galopp davon. Wenn seine Mutter die Farm verließ, würde er mit ihr gehen. Sie würde jemanden brauchen, der sich um sie kümmerte. Er hatte es immer geschafft, sie zum Lächeln zu bringen. Einmal hatte sie ihm zugeflüstert, dass er ihr Liebling sei. Wenn das stimmte, dann war es seine Pflicht, mit ihr zu gehen. Er merkte, wie ihm die Tränen aus den Augen liefen und im Wind auf den Wangen trockneten.

Sein Cowboyhut flog ihm vom Kopf, doch das Band unter seinem Kinn hielt ihn auf. Brody machte die Augen zu und überließ dem Pferd das Ziel. Vielleicht würde es einfach immer weiter galoppieren, an einen Ort, an dem das Leben nicht so verwirrend war.

1. KAPITEL

Queensland, Australien – Juni 2009

Alles tat ihm weh. Angefangen bei seinem Kopf, in dem es hämmerte, bis hinunter zum dumpfen Schmerz im Knie. Weitere Beschwerden registrierte er im Rücken, im rechten Ellbogen und den Fingern seiner linken Hand. Sie waren heftiger als sonst. Brody Quinn fragte sich, ob er für den Rest seines Lebens mit der Erinnerung an jenen Motorradunfall aufwachen würde, der seine Zukunft zerstört hatte, oder ob die Schmerzen eines Tages auf wundersame Weise verschwinden würden.

Er war gerade erst sechsundzwanzig geworden und fühlte sich schon wie ein alter Mann. Er rieb sich die Stirn und wusste nur eines mit Sicherheit: Er hatte am vergangenen Abend im „Spotted Dog“ gesessen und sich betrunken.

Von irgendwo war ein Elvis-Presley-Song zu hören, da wusste er, dass er im Gefängnis von Bilbarra übernachtet hatte. Der Polizeichef Angus Embley war ein großer Elvis-Fan, der gern mit jedem diskutierte, der die Einzigartigkeit des King anzweifelte. Momentan verstärkte Elvis jedoch nur seine Kopfschmerzen.

„Angus!“, rief er. „Kannst du die Musik nicht leiser stellen?“

Seit er auf die Rinderzuchtfarm seiner Familie zurückgekehrt war, hatte er die Annehmlichkeiten des örtlichen Gefängnisses schätzen gelernt. Zwar handelte es sich für gewöhnlich um eine läppische Dummheit, für die er hinter Gittern landete, aber dadurch blieb ihm die lange Heimfahrt oder eine Nacht in seinem Geländewagen erspart. „Angus!“

„Der ist frühstücken gegangen.“

Brody drehte sich auf die Seite und warf einen Blick in die Nachbarzelle, aus der er zu seiner Überraschung eine Frauenstimme gehört hatte. Er rieb sich die müden Augen und entdeckte nur wenige Meter von ihm entfernt eine schlanke Rothaarige, die eine hübsche geblümte Bluse und Jeans trug. Ihre Finger umschlossen anmutig die Gitterstäbe, die seine und ihre Zelle voneinander trennten, und ihr Blick aus dunklen Augen war auf ihn gerichtet.

„Heiliger Strohsack“, murmelte er und ließ sich wieder auf die Pritsche sinken. Jetzt war er wirklich am Ende. Offenbar war er noch betrunken und hatte Halluzinationen.

Eigenartig war allerdings, dass diese Erscheinung überhaupt nicht seinem Frauentyp entsprach. Normalerweise bevorzugte er Blondinen mit blauen Augen, großen Brüsten, wohlgeformten Hinterteilen und langen, langen Beinen.

Diese Frau war schmal und hatte eine wilde Mähne aus mahagonifarbenen Locken. Seiner Einschätzung nach reichte sie ihm nicht einmal bis ans Kinn. Ihre Gesichtszüge waren eigenartig – die Lippen fast zu sinnlich, die Wangenknochen zu hoch. Ihre Haut war so blass und makellos, dass er sich fragte, ob sie jemals einen Tag in der Sonne verbracht hatte.

„Sie müssen nicht verlegen sein. Viele Menschen reden im Schlaf.“

Brody setzte sich auf. Sie hatte einen amerikanischen Akzent. Die Frauen in seinen Fantasien hatten nie einen amerikanischen Akzent. „Was?“

„Hauptsächlich war es Gemurmel und Schnarchen. Mehrmals erwähnten Sie den Namen Nessa.“

„Vanessa“, sagte er und musterte sie erneut. Sie war ungeschminkt, trotzdem sah sie aus, als wäre sie gerade einem dieser Modemagazine entstiegen, die Vanessa ständig mit sich herumschleppte. Sie sah frisch und natürlich aus, sodass er sich unwillkürlich fragte, ob sie auch so duftete.

Seit seiner Heimkehr hatte es keine Frau gegeben, die ihn wirklich interessiert hätte. Bis jetzt. Die Lady in der Nachbarzelle konnte irgendwo zwischen sechzehn und dreißig sein, aber wenn sie jünger als achtzehn wäre, säße sie wohl nicht im Gefängnis.

„Sie haben Nessa gesagt“, meinte sie. „Das weiß ich genau, weil ich den Namen seltsam fand.“

„Es ist die Kurzform von Vanessa. Sie ist Model und wird so genannt.“ Nessa war so berühmt, dass sie keinen Nachnamen brauchte, so ähnlich wie Madonna oder Sting.

„Ihre Freundin?“

„Ja. Nein“, verbesserte er sich sofort. „Exfreundin.“

„Tut mir leid, ich wollte keine schlechten Erinnerungen wecken.“

„Das haben Sie nicht.“ Er schwang die Beine von der Pritsche und strich sich durchs Haar. „Ich weiß, weshalb ich hier bin, aber was machen Sie in einer Gefängniszelle?“

„Nur ein kleines Missverständnis.“

„Angus sperrt niemanden wegen eines kleinen Missverständnisses ein“, erklärte Brody und stand auf. „Schon gar keine Frauen.“ Er ging zu ihr und umfasste die Gitterstäbe oberhalb ihrer Hände. „Was haben Sie getan?“

„Die Zeche geprellt.“

„Was?“

Sie errötete auf hübsche Weise.

„Ich habe meine Rechnung in dem Lokal ein Stück die Straße runter nicht bezahlt. Und in einigen anderen Restaurants in anderen Städten. Tja, mein kriminelles Leben wurde mir zum Verhängnis. Der Besitzer des Lokals rief die Polizei, und jetzt sitze ich hier ein, bis ich einen Weg gefunden habe, meine Schulden abzuarbeiten.“

Er presste die Stirn gegen die Gitterstäbe, in der Hoffnung, der kühle Stahl würde seine Kopfschmerzen lindern. „Warum haben Sie nicht einfach bezahlt?“

„Das hätte ich ja, aber ich besitze keinen Cent. Ich hinterließ einen Schuldschein und erklärte, ich würde wiederkommen und bezahlen, sobald ich Arbeit gefunden hätte. Anscheinend reichte das nicht.“

Brody ließ die Hände sinken, bis er ihre berührte. „Was ist mit Ihrem Geld passiert?“, fragte er und sah sie an, während er über ihre Finger strich. Es kam ihm ganz natürlich vor, sie zu berühren, obwohl sie eine Fremde war. Seltsamerweise schien es ihr nichts auszumachen.

Sie seufzte. „Es ist alles weg. Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen. Ich bin kein unehrlicher Mensch, ich war nur sehr, sehr hungrig.“

Sie hatte den schönsten Mund, den er je gesehen hatte, ihre Lippen waren voll und weich, wie geschaffen zum Küssen. Er kämpfte gegen sein Verlangen an. „Wie heißen Sie?“

„Payton.“

„Payton“, wiederholte er und lehnte sich zurück, um ausgiebig ihren Körper zu betrachten. „Ist das Ihr Vor- oder Nachname?“

„Payton Harwell.“

„Sie sind Amerikanerin?“

„Ja.“

„Und Sie sitzen im Gefängnis.“

„Sieht ganz so aus. Zumindest noch für eine Weile. Ich habe angeboten, in dem Lokal Teller zu waschen, aber der Besitzer will mich dort nicht mehr sehen. Anscheinend sind Jobs hier in der Gegend knapp.“

Brody war eigenartig fasziniert von ihr, dabei wäre sie ihm auf einer Party vermutlich gar nicht aufgefallen.

„Quinn!“

Er drehte sich um und entdeckte Angus, dessen Uniform nach nur wenigen Stunden Dienst schon völlig zerknittert war.

„Bist du endlich nüchtern?“

„Du hättest mich nicht einzusperren brauchen.“ Brody ließ die Gitterstäbe los.

„Brody Quinn, du hast eine Schlägerei angefangen, einen Spiegel zerbrochen und mir einen Drink ins Gesicht geschüttet, nachdem du meinen Musikgeschmack schlechtgemacht hast. Da blieb mir gar keine andere Wahl.“ Angus stemmte die Fäuste in die Hüften. „Du wirst Strafe zahlen müssen, ein paar Hundert. Und Buddys Spiegel musst du auch ersetzen.“ Der Polizeichef kratzte sich das Kinn. „Außerdem will ich dein Versprechen, dass du dich von jetzt an benimmst und dich an das Gesetz hältst. Dein Bruder ist hier, also bezahl die Strafe, dann kannst du gehen.“

„Teague ist hier?“

„Nein, Callum. Er ist nicht begeistert darüber, dass er extra in die Stadt fahren musste.“

„Ich hätte ja selbst nach Hause fahren können“, sagte Brody.

„Dein Freund Billy hat letzte Nacht versucht, dir die Autoschlüssel wegzunehmen. Damit fing der Streit an. Er hat sie im Klo runtergespült, deswegen hat Callum dir deine Ersatzschlüssel gebracht.“ Angus schloss die Zellentür auf. „Wenn du nächstes Mal einen Streit vom Zaun brichst, behalte ich dich eine Woche hier. Das ist ein Versprechen.“

Brody deutete auf Payton. „Du kannst sie auch gehen lassen. Ich werde ihre Strafe bezahlen.“

„Zuerst musst du bei Miss Shelly drüben im Coffeeshop bezahlen und anschließend dieser jungen Dame einen Job besorgen. Erst dann werde ich erlauben, dass du ihre Strafe zahlst. Bis dahin wird sie mein Gast sein.“

„Ist schon in Ordnung“, mischte Payton sich ein. „Mir geht es gut hier. Ich habe einen netten Platz zum Schlafen und bekomme regelmäßige Mahlzeiten.“

„Wie Sie wollen“, sagte Brody, obwohl es ihm nicht richtig vorkam, sie zurückzulassen. Wer war sie? Und was hatte sie nach Bilbarra verschlagen? Viele Fragen, auf die es keine Antworten gab.

Er folgte Angus durch das vordere Büro zur Tür. „Lass sie gehen“, flüsterte er ihm zu. „Ich werde für den Schaden aufkommen, den sie angerichtet hat.“

„Ich glaube, sie möchte noch bleiben. Ich vermute, dass sie nirgends hinkann. Ich werde ihr einen Job besorgen. Hier hat sie wenigstens zu essen.“ Angus räusperte sich. „Außerdem meckert sie nicht über meine Musik. Sie mag Elvis sogar. Kluges Mädchen.“

Als sie auf die Veranda vor dem Polizeirevier hinaustraten, entdeckte Brody seinen Bruder Callum, der auf einem alten Holzstuhl saß, die Füße auf dem Geländer, den Cowboyhut in die Stirn geschoben.

Brody setzte sich neben ihn und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Na los, bringen wir es hinter uns. Krieg deinen Anfall, und dann ist es gut.“

Callum schob den Hut zurück und musterte seinen jüngeren Bruder. „Mann, Brody, das ist das dritte Mal in diesem Monat. Wenn du so weitermachst, kannst du gleich hier einziehen und sparst dir an den Wochenenden die zweistündige Fahrt. Dann müsste ich mir jedenfalls keine Sorgen machen, ob du heil nach Hause kommst.“

„Es wird nicht wieder passieren“, murmelte Brody.

„Ich hab nicht so viel Zeit. Und Benzin ist auch nicht billig. Mit dieser ganzen Landgeschichte, die gerade wieder hochkocht, habe ich schon genug um die Ohren.“

Seit Harry Fraser vor einem Monat beschlossen hatte, den vermutlich längsten Streit um Land in der Geschichte Australiens wieder einmal vor Gericht auszufechten, war Callums Laune im Keller. Harry besaß die Nachbarfarm, und zwischen den Frasers und den Quinns gab es seit nahezu hundert Jahren eine Fehde. Hauptsächlich ging es dabei um einen schmalen Streifen Land zwischen den beiden Farmen, auf dem sich der ergiebigste Brunnen im Umkreis von mehreren Hundert Kilometern befand. Im Lauf der Jahre hatte der Besitzer immer wieder gewechselt, je nachdem, welchem Richter der Fall vorgetragen worden war. Zurzeit stand das Land für die Quinns auf dem Spiel.

„Er hat schon drei Mal vor Gericht verloren“, sagte Brody. „Und neue Beweise dafür, dass er der rechtmäßige Besitzer ist, hat er auch keine gefunden.“

„Mag sein, aber ich muss einen verdammten Anwalt engagieren, und die sind nicht billig.“ Callum seufzte. „Und dann ist da noch diese Stammbaumforscherin, die gestern Morgen bei uns aufgetaucht ist und von mir erwartet, dass ich meine Zeit damit verbringe, ihr Geschichten über unsere Familie zu erzählen.“

„Ich habe doch schon gesagt, dass es mir leidtut.“

„Du verwandelst dich in einen echten Schwachkopf. Wir könnten deine Hilfe auf der Farm gut gebrauchen, jetzt wo Teagues Praxis anläuft. Er wird inzwischen jeden Tag angefordert, und wenn er zu Hause ist, muss er sich um den Papierkram kümmern.“

„Ich habe noch keinen Plan“, räumte Brody ein. „Aber Farmarbeit wollte ich eigentlich nicht machen. Kann ich jetzt meinen Autoschlüssel haben? Ich habe noch etwas zu erledigen.“

„Buddy will dich im ‚Spotted Dog‘ nicht mehr sehen. Du wirst dir eine andere Kneipe zum Randalieren suchen müssen. Oder du hörst auf zu trinken und sparst auch noch Geld.“

Teague war seit etwa einem Jahr auf der Kerry Creek Farm, nachdem er als Tierarzt in der Nähe von Brisbane gearbeitet hatte. Er war in Doc Daleys Praxis in Bilbarra eingestiegen und wollte den alten Mann auszahlen, damit der sich zur Ruhe setzen konnte. Er hatte in Brisbane genug gespart, um sich ein Flugzeug kaufen zu können.

Callum bezog sein Einkommen direkt aus der Kerry Creek, der Fünfundzwanzigtausend-Hektar-Ranch der Quinns. Ein Teil des Gewinns ging an ihre Eltern, die jetzt in Sydney lebten, wo ihre Mutter unterrichtete und ihr Vater eine kleine Landschaftsgärtnerei aufgebaut hatte.

Brody, der einst über ein beeindruckendes Bankkonto verfügt hatte, war inzwischen arbeitslos. Sein Millionenvertrag war aufgelöst und viele seiner Investitionen verkauft, seine Ersparnisse schrumpften. Er konnte noch weitere drei oder vier Jahre überstehen, wenn er sparsam lebte, aber spätestens dann würde er einen anständigen Job brauchen, eine Tätigkeit, die nicht beinhaltete, einen Football zwischen zwei Torstangen zu schießen.

Als er im Teenageralter die Farm verließ, hasste er das Leben dort fast genauso, wie seine Mutter es hasste. Zwar wäre er gern mit seinen Brüdern zusammengeblieben, doch brauchte seine Mutter jemanden, der mit ihr ging und auf sie aufpasste. Für ihn war es die Möglichkeit gewesen, sich seinen Traum von der Profi-Footballkarriere zu erfüllen, und diese Chance hatte er ergriffen. Ohne den Unfall würde er immer noch in Fremantle wohnen, das Leben genießen und jeden Torrekord seiner Mannschaft brechen.

Ein dummer Fehler, und alles war zu Ende gewesen. Er hatte sich das Knie verletzt und das vergangene Jahr in einer Rehaklinik verbracht, um wieder fit zu werden. Zu Beginn der Saison hatte er drei Spiele gemacht, dann ließ der Verein ihn fallen. Es gab keinen neuen Vertrag für ihn, keine zweite Chance, man wünschte ihm alles Gute und ließ ihn gehen.

„Tut mir leid, dass du nicht das tun kannst, was du tun willst.“ Callum legte Brody eine Hand auf die Schulter. „Manchmal läuft es mies im Leben. Reiß dich einfach zusammen und komm wieder auf die Füße. Und hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen.“

Brody gab seinem Bruder einen Stoß und stand auf. „Lass das. Wenn ich einen Rat von einer Mutter bräuchte, würde ich zu der ziehen, die ich in Sydney habe.“ Er nahm den Autoschlüssel von Callum und lief die Verandastufen hinunter auf die staubige Straße. „Bis später.“

Als er die Hauptstraße von Bilbarra entlangging, dachte er wieder an die Frau in Angus’ Gefängnis. „Payton“, flüsterte er. Seit Vanessa ihn vor einem Jahr verlassen hatte, frustriert von seinen Depressionen und auf der Suche nach einem Kerl mit besseren Zukunftsaussichten sowie einem größeren Bankkonto, hatte er sich zu keiner Frau mehr hingezogen gefühlt.

Payton Harwell kannte ihn nicht und interessierte sich vermutlich nicht für Football. Alles, was sie interessierte, war ein Platz zum Schlafen und die nächste Mahlzeit. Er hatte die Absicht, ihr beides zu bieten.

Payton stürzte sich auf das Frühstück, das Angus ihr gebracht hatte. Früher oder später würde er sie entlassen, dann musste sie wieder sehen, wie sie über die Runden kam. Deshalb galt es zu essen, solange es etwas gab.

Sie schaute hinüber in die Nachbarzelle. Es war angenehm gewesen, für eine Weile Gesellschaft zu haben. Sogar mehr als angenehm, wenn der Mitgefangene so attraktiv und faszinierend war wie dieser Brody Quinn.

Sie war seit einem Monat in Australien, und dies war ihre erste richtige Unterhaltung gewesen. Außer ihren Namen hatte sie ihm nichts über sich erzählt. Die meiste Zeit versuchte sie ohnehin selbst herauszufinden, wer sie eigentlich war, nachdem sie nicht mehr die war, die sie sein sollte.

Bis vor einem Monat war alles noch in schönster Ordnung gewesen. Als Kind hatte sie die besten Schulen besucht, war sorgfältig ausgewählten Aktivitäten nachgegangen, hatte die richtigen Freunde gehabt und an exotischen Orten Ferien gemacht. Später kamen eine erstklassige Ausbildung und die Suche nach dem geeigneten Ehemann dazu. Am Ende sollte sie eine wundervolle Hochzeit feiern, an der Seite eines erfolgreichen Mannes, den ihre Eltern liebten. Diesen Weg war auch ihre Mutter gegangen, Schritt für Schritt zum Glück.

Sie hatte die Rolle der pflichtbewussten Tochter gespielt und es ihren Eltern stets recht zu machen versucht. Sie war nie rebellisch gewesen oder hatte die Autorität ihrer Eltern infrage gestellt, auch nicht, als die darauf bestanden, dass sie mit siebzehn nach einem Sturz, bei dem sie sich den Arm gebrochen hatte, das Reiten aufgab. Dabei liebte sie ihr Pferd, und das Reiten hatte ihr ein Gefühl von Freiheit gegeben. Sie war einfach davon ausgegangen, dass ihre Eltern wussten, was das Beste für sie war. Eine rebellische Ader hatte sich bei ihr nie gezeigt – bis vor einem Monat, aber dann auch gleich so heftig wie ein Vulkanausbruch.

Sie hatte schon vor dem Altar gestanden, als ihr klar wurde, dass sie dabei war, einen großen Fehler zu begehen. Da hatte sie sich umgedreht und war davongelaufen. Zum ersten Mal im Leben hatte sie ganz allein eine Entscheidung getroffen. Obwohl sie fünfundzwanzig Jahre alt war, hatte sie sich in ihrem perfekten Leben nie mit Selbstzweifeln auseinandersetzen müssen. Wegrennen war ihre einzige Option gewesen.

Sie hatte Sam gleich am ersten Tag auf der Columbia University kennengelernt. Er entsprach exakt dem Bild, das ihre Mutter von einem Ehemann für sie hatte, denn er konnte ihr alles geben, was immer sie sich wünschte oder was sie brauchte. Überdies war er gut aussehend und intelligent, vier Jahre älter als sie und entstammte einer reichen Familie von der Ostküste. Ihr Vater hieß seine finanzielle Situation gut, und ihre Mutter seinen Stammbaum.

Jetzt dachte sie nur noch an diesen Fremden, diesen Mann mit den durchdringenden Augen und dem gefährlichen Lächeln. Ein sinnlicher Schauer überlief sie bei der Erinnerung daran, wie sein Blick über ihren Körper geglitten war.

Payton lehnte den Kopf an die Betonwand der Zelle. Brody Quinn war sehr sexy, jede Frau würde sich zu einem solchen Mann hingezogen fühlen. Sie gab sich einem Tagtraum hin: Hemd an, Hemd aus. Vollkommen nackt … Sie fragte sich, wie weit sie ohne die Gitterstäbe zwischen ihnen gegangen wäre. Ein Kuss, eine erotische Berührung, vielleicht mehr?

Vielleicht fühlte sie sich aber auch nur wegen all der Aufregung in letzter Zeit zu ihm hingezogen, denn eigentlich hatte sie bis vor Kurzem nicht häufig an Sex gedacht. Das war nie so wichtig gewesen.

Plötzlich dachte sie an Leidenschaft und Begierde. Dabei hatte es in ihrem Leben gerade einmal vier Männer gegeben, zwei Jungen auf der Highschool, einen auf dem College und schließlich Sam. Immerhin wusste sie, dass Sex aufregend sein sollte, und das war er auch, bis Sam anfing, zwölf bis vierzehn Stunden am Tag zu arbeiten. Intimität wurde nur ein weiterer Job für ihn, eine Verpflichtung wie der Blumenstrauß, den er ihr jeden Freitag mitbrachte.

In den Wochen vor der Hochzeit hatte ihre Mutter ihr versichert, dass sich das alles mit der Zeit einpendeln würde. In einer Ehe gebe es nun einmal Höhen und Tiefen, das mache sie doch erst interessant. Außerdem sei Sex nicht alles.

Bis dahin hatte sie geglaubt, ihre Eltern hatten getrennte Schlafzimmer, weil ihr Vater schnarchte, aber als ihr klar wurde, dass die beiden einander in dieser Hinsicht nicht mehr brauchten, stellte sie deren Vorstellung von einer glücklichen Ehe infrage. Auf einmal kam die geplante Ehe mit Sam ihr nicht mehr wie eine Verbindung vor, die lebenslange Leidenschaft verhieß.

Von da an sah sie Sam mit anderen Augen. Jede Berührung, jeder Kuss war ein weiterer Beweis dafür, dass die Leidenschaft zwischen ihnen allmählich erlosch. Schlimmer war jedoch, dass sie an sich selbst zu zweifeln begann. Vielleicht war sie einfach unfähig, einen Mann dauerhaft sexuell für sich zu interessieren. Vielleicht war das genetisch bedingt.

Diese sinnliche Anziehung war bei Brody Quinn allerdings da gewesen, sie hatte das so intensiv gespürt wie schon lange nicht mehr. Ihr Herz schlug schneller bei dem Gedanken an ihn, ihre Atmung beschleunigte sich. Und sie hatte bemerkt, dass er sich auch zu ihr hingezogen fühlte.

Sie dachte an die Nacht vor ihrer Hochzeit, in der sie in ihrem Hotelzimmer auf den Fidschi-Inseln auf und ab gelaufen war. Ihr Instinkt sagte ihr, sie sollte die Hochzeit abblasen oder wenigstens verschieben, bis sie wusste, was sie wollte, aber damit würde sie ihre Eltern blamieren. Da sie ein Einzelkind war, wurde stets viel von ihr erwartet, und sie hatte sich Mühe gegeben, damit ihre Eltern stolz auf sie sein konnten. Nun war sie an einem Punkt in ihrem Leben angekommen, an dem sie an sich denken musste.

Erst in der letzten Minute hatte sie sich zur Flucht entschieden. Sie schritt am Arm ihres Vaters über die Terrasse, und ihr mit Rüschen besetztes Seidenkleid wehte im Wind, der vom Meer kam. Die Familie und Freunde warteten am Strand. Ihr Vater küsste sie auf die Wange und übergab sie Sam. Als sie in Sams Augen sah, wusste sie, dass sie es nicht konnte.

Sie stürmte davon aufs Hotelzimmer, wo sie ihren Pass und ihre Tasche holte. Fünf Minuten später war sie unterwegs zum Flughafen, noch im Hochzeitskleid, um in das erste Flugzeug zu steigen, das sie von den Fidschi-Inseln wegbrachte.

Wenn sie ihre Kreditkarte benutzte, würde sie Spuren hinterlassen, deshalb tauschte sie ihr Flitterwochenticket nach Sydney gegen einen Flug nach Brisbane um, in der Überzeugung, dass die Fluglinie diese Aktion vertraulich behandeln würde. Sie besaß ein Visum, deshalb durfte sie problemlos einreisen, und als sie endlich hier war, fiel der Druck von ihr ab.

Dummerweise reichte ihr Geld nicht lange, so sparsam sie auch war. Von einer Frau in Brisbane erfuhr sie, dass es auf den Rinder- und Schaffarmen in Queensland oft Jobs für Ausländer gab. Für sie war das gleichzeitig eine Möglichkeit, sich zu verstecken, bis sie bereit war, ihrer Familie wieder unter die Augen zu treten.

Vielleicht wäre es gar nicht so schwer, wieder zurückzugehen. Sie konnte ihre Eltern anrufen und ihnen erklären, unter welchem Druck sie gestanden hatte. Vielleicht würde Sam ihr sogar verzeihen, aber würde das etwas an diesen nagenden Zweifeln ändern?

Erneut sah sie Brody Quinn vor ihrem geistigen Auge. Er war gefährlich gut aussehend, schlank und muskulös, was vermutlich eher harter Arbeit zu verdanken war als Fitnesstraining. Seine Haut war gebräunt, sein Haar von der Sonne gebleicht.

Es waren vor allem seine Augen, die sie fasziniert hatten. Ihre Farbe war eigenartig, zum Teil grün, zum Teil golden, und er hatte lange Wimpern. Und wenn er sie ansah, fragte sie sich, was in seinem Kopf vorging. Zog er sie in seiner Fantasie etwa aus? Dachte er daran, sie zu küssen und zu berühren?

Payton fragte sich, ob sie dieser Anziehung zwischen ihnen wohl nachgegeben hätten, wenn Angus ihn nicht freigelassen hätte. Ein bisschen bereute sie es jetzt, dass sie Brodys Hilfsangebot nicht angenommen hatte. Im Outback hätte sie einen Freund gebrauchen können, jemanden der ihr Tipps gab und ihr dabei half, einen Job zu finden. Zwar waren ihre Fähigkeiten begrenzt, dafür hatte sie im vergangenen Jahr daran gearbeitet, ihr Können als Gourmetköchin zu vervollkommnen. Außerdem konnte sie Klavier spielen und sie sprach Italienisch und Französisch. Sie war eine gute Reiterin gewesen und hatte Medaillen im Dressur- und Springreiten gewonnen. Es musste etwas geben, das sie für einen anständigen Lohn tun konnte.

Payton stand von ihrer Pritsche auf und ging zu der Stelle, an der Brody gestanden hatte. Von jetzt an würde sie auf ihre Instinkte hören. Wenn sie etwas wollte, würde sie es sich nehmen. Sie würde aufhören, ständig zu planen, und stattdessen einfach handeln.

„Sind Sie fertig mit Ihrem Frühstück?“ Angus war hereingekommen und schloss die Zellentür auf, um das Tablett abzuholen.

„Danke“, sagte Payton. „Das Essen war sehr gut.“

Er nickte. „Beantworten Sie mir eine Frage?“

Payton hatte gewusst, dass irgendwann eine Erklärung fällig wäre. Wie war sie ohne einen Penny im australischen Outback gelandet? Und wieso glaubte sie, ein Restaurant verlassen zu können, ohne vorher ihre Rechnung zu bezahlen? „Sicher, gern.“

Angus zog die Brauen zusammen. „Waren Sie schon einmal in Graceland?“

„Graceland?“ Angesichts der Tatsache, dass der Polizeichef Elvisfan war, überraschte sie die Frage nicht. „Nein, aber ich habe gehört, es soll sehr schön sein. Und einmal habe ich Priscilla Presley in New York gesehen.“

„Priscilla?“

„Ja, ich glaube, sie war während der Fashion Week dort. Sie hielt gerade auf der Madison Avenue ein Taxi an.“

„Na so was! Priscilla Presley! Das ist ja fast so gut, wie Elvis selbst gesehen zu haben“, erklärte Angus begeistert. „Es war immer mein Traum, einmal Graceland zu besuchen. Die meisten Leute würden Disney World oder Hollywood vorziehen oder eines der Hochhäuser in New York City. Ich würde geradewegs nach Graceland fahren.“ Seufzend verließ er die Zelle. „Ihre Schulden wurden beglichen, Miss Harwell. Sie sind frei.“

„Wirklich?“ Eigentlich wollte sie nicht gehen, zumindest nicht, bevor sie einen Plan für die nähere Zukunft hatte. Andererseits hatte sie sich gerade vorgenommen, nicht ständig alles zu planen, sondern zu handeln. „Von wem?“

Angus deutete zur Tür. „Er wartet draußen.“

Payton stopfte ihre Sachen in die Reisetasche und schaute sich noch einmal in der Gefängniszelle um, ob sie auch nichts vergessen hatte. Wer immer ihr geheimnisvoller Wohltäter war, sie würde einen Weg finden, um es ihm zurückzuzahlen.

Draußen auf der Veranda entdeckte sie eine vertraute Gestalt, die noch dieselbe ausgewaschene Jeans und das zerknitterte T-Shirt wie vorher trug. Payton gestattete sich die Andeutung eines Lächelns. „Sind Sie derjenige …“

„Sie müssen mir nicht danken“, unterbrach Brody sie. Er nahm ihr die Tasche ab, warf sie sich über die Schulter und zeigte auf einen lehmbespritzten Landrover, der vor dem Polizeirevier parkte. „Wir Kriminelle müssen doch zusammenhalten.“

Payton stieg langsam die Stufen hinunter. Dabei sah sie sich kurz um und ertappte ihn dabei, wie er ihr auf den Po sah. Als sie einsteigen wollte, legte er eine Hand auf ihre. „Das ist die Fahrerseite, Süße“, sagte er.

„Oh, tut mir leid.“ Seine Berührung ließ sie erschauern.

Er folgte ihr um den Wagen, öffnete ihr die Beifahrertür und legte ihr eine Hand auf den Rücken, während sie einstieg. Dann setzte er sich hinter das Steuer und fragte: „Wohin?“

„Ich … ich weiß es nicht.“

„Sie wissen es nicht?“

„Ich habe keinen Ort, an den ich könnte.“

„Geben Sie Ihre kriminelle Laufbahn auf?“, neckte er sie. „Irgendwo müssen Sie doch unterkommen.“

„Da ich kein Bargeld mehr besitze, kann ich mir keine Unterkunft leisten. Ich brauche einen Job.“

„Na schön. Ich wüsste vielleicht etwas. Vorausgesetzt, Sie sind sich für harte Arbeit nicht zu schade. Was können Sie?“

„Alles Mögliche.“

„Das örtliche Bordell sucht ständig Mädchen. Da könnte ich Sie hinbringen.“

„Sehr witzig.“

„Sie glauben, ich mache Witze? In Bilbarra gibt es ein Haus von zweifelhaftem Ruf. Dort ist viel Betrieb, weil Frauen im Outback rar sind. Wenn Sie wollen, können Sie da viel Geld verdienen.“

„Ich verstehe mich besser auf Pferde als auf Männer.“

„Pferde? Das klingt vielversprechend.“ Er startete den Motor und fuhr auf der staubigen Hauptstraße hinaus aus der Stadt.

Je länger sie fuhren, desto karger und trockener wurde die Landschaft. Weit und breit gab es nichts zu sehen. Das ist das Outback, dachte Payton. Und sie fuhr mitten hinein, mit einem Fremden. „Wohin fahren wir?“

„Zu mir.“

Sie schluckte. So viel zu ihrer Idee, ihren Instinkten zu folgen. „Zu … Ihnen?“ Hatte sie gerade den größten Fehler ihres Lebens begangen? Er konnte mit ihr in die Wildnis fahren, sie anketten und sie für Jahre zu seiner Sexsklavin machen, ohne dass irgendwer es mitbekam. Andererseits hatte Angus sie zusammen wegfahren sehen, und wenn der Polizeichef diesem Mann vertraute, dann konnte sie es wohl auch. Die Vorstellung, Brody als Sexsklavin zu dienen, war nicht so abschreckend, wie sie vielleicht sein sollte. Sie schien ständig auf irgendeine Weise daran zu denken, ihn nackt zu sehen.

„Zur Farm meiner Familie“, erklärte er. „Wir haben Rinder und züchten Pferde.“

„Pferde!“, rief sie. „Ich kenne mich aus mit Pferden. Ich kann sie striegeln, die Ställe ausmisten, sie füttern …“

„Gut, dann haben wir bestimmt eine Stelle für Sie.“ Er griff nach oben an die Sonnenblende und zog eine CD heraus, die er in den CD-Player schob.

Payton betrachtete die vorbeiziehende Landschaft, während sie über die holprige Straße fuhren. Verglichen mit der Küste und ihrer Pflanzenvielfalt war dies eine trostlose Gegend. Nur selten sah sie Anzeichen menschlicher Besiedlung – mal ein Haus in der Ferne oder eine Windmühle am Horizont.

Wenn sie nicht aus dem Fenster schaute, versuchte sie unauffällig den Mann neben ihr zu betrachten. Er hielt den Blick auf die Straße gerichtet und summte die AC/DC-Songs mit, während er Schlaglöchern auswich.

Nach einer Stunde Fahrt brauchte sie dringend eine Pause. „Ist es noch weit?“, fragte sie.

„Eine halbe Stunde.“

„Kommt noch eine Tankstelle oder ein Laden? Irgendetwas, wo es eine Toilette gibt?“

Brody hielt an und zeigte aus dem Fenster. „Da vorn ist ein hübscher kleiner Busch, wenn Sie ungestört sein wollen. Eine Toilette gibt es bis zur Farm jedenfalls nicht.“

Widerstrebend öffnete sie die Tür. „Schauen Sie nicht hin.“

„Mach ich nicht. Falls eine Riesenechse kommt, rennen Sie einfach schnell zurück zum Wagen.“

Payton machte die Tür wieder zu. „Ich kann warten.“

„Die Straße wird holpriger“, warnte er sie. „Gehen Sie, ich halte die Augen offen. Falls sich irgendein Tier nähert, hupe ich.“

Payton sprang aus dem Wagen und ging vorsichtig zu einem Busch, der eher aussah wie ein Steppenroller, statt wie eine lebendige Pflanze. Immerhin bot er genug Sichtschutz.

Sie war weit weg von zu Hause und den Badezimmern aus Marmor, mit den vergoldeten Armaturen und den teuren französischen Handtüchern, doch zum ersten Mal in ihrem Leben bestimmte sie selbst ihr Ziel. Sie musste nicht länger ihre Eltern zufriedenstellen oder sonst jemanden. Zwar wusste sie nicht, was morgen oder nächste Woche sein würde, aber das war ihr egal. Im Augenblick war das Leben ein großes Abenteuer, das durch ihren Reisebegleiter noch spannender wurde.

Brody lehnte sich gegen die vordere Stoßstange des Landrovers, sah zum fernen Horizont und trank aus der Wasserflasche, die er in der Kühlbox auf dem Rücksitz aufbewahrte. Er hatte so lange im zivilisierten Teil des Landes gelebt, dass er ganz vergessen hatte, wie einsam es im Outback war.

Er und seine Mutter waren fortgegangen, als er vierzehn war. Wenn er die Schulferien hier verbrachte, konnte er es jedes Mal kaum erwarten, wieder zu verschwinden. Und jetzt war er erneut hier gestrandet.

Er hörte Schritte am Straßenrand, drehte sich um und sah Payton zurückkommen. „Besser?“

„Sehr.“ Sie musterte die Umgebung. „Es ist schön, auf raue, karge Weise. Man kann atmen hier draußen. Die Luft ist so sauber.“

„Ja, wir haben jede Menge frische Luft in Queensland. Und wir sind große Staubproduzenten. Moskitos und Schmeißfliegen gibt’s auch reichlich.“ Er hielt ihr die Wasserflasche hin. „Und wo kommen Sie her?“

Sie trank einen Schluck. „Von der Ostküste. Connecticut.“

„Liegt das in der Nähe von New York?“

„Ja, ziemlich nah. Mein Vater arbeitet in Manhattan. Ich habe das College in Columbia besucht.“

„Dann sind Sie schlau, was?“ Klug und schön, eine tödliche Kombination, die er bis jetzt noch nicht schätzen gelernt hatte. Er war nie der Ansicht gewesen, dass Intelligenz einen Teil der sexuellen Anziehung ausmachte. Bei Payton musste er allerdings feststellen, dass er ebenso gern mit ihr reden wie sie berühren wollte. Wer war diese Frau? Was machte sie hier?

„Ich habe meine Doktorarbeit über die Geschichte anatomischer Studien der holländischen Maler des siebzehnten Jahrhunderts geschrieben. Keine Ahnung, ob das beweist, wie schlau ich bin.“ Sie sah sich erneut um. „Und was es mir hier nützt. Es sei denn, Sie besitzen ein Kunstmuseum voller Bilder von Vermeer und Rembrandt.“

„Haben wir“, neckte er sie. „Gleich hinter den Ställen. Leider kommen nicht viele Besucher.“ Er trank den Rest Wasser. „Also, wie kommt es, dass eine Puppe wie Sie ohne Geld an einem Ort wie Bilbarra landet?“

„Ich bin pleite, wahrscheinlich weil ich von Anfang an nicht viel hatte“, erklärte sie. „Ich bin bloß eine arme Hochschulabsolventin, die ein bisschen was von der Welt sehen will.“

„Im Outback gibt es nicht viel zu sehen.“

„Finden Sie die Gegend nicht spektakulär?“, fragte sie und zeigte auf eine Hügelkette in der Ferne. „Sie ist wild und ungezähmt. Gefährlich. Das gefällt mir. Ihnen nicht?“

„Es ist jedenfalls weitaus schöner, seit Sie hier sind.“

Ihre Blicke trafen sich, und Brody hielt den Atem an. Er fragte sich, wie weit er gehen konnte. Er wollte sie küssen, schon vom ersten Moment an, deshalb beugte er sich ein wenig zu ihr, in der Hoffnung, ein Zeichen zu empfangen, dass diese Anziehung auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie betrachtete seinen Mund, und ihre Lippen teilten sich. Das genügte.

Brody stützte sich mit beiden Händen links und rechts von ihr ab und drängte sie auf diese Weise an die Seite des Geländewagens. Ihre Lippen waren weich und kühl und passten perfekt auf seine.

Er schob seine Zunge zwischen ihre geöffneten Lippen, bis sie den Kuss voller Hingabe erwiderte. Zuerst befürchtete er, sie würde ihn schnell wieder beenden, aber dann strich sie ihm durch das Haar im Nacken, was sein Verlangen anfachte.

Ihr Kuss wurde noch stürmischer und leidenschaftlicher. Sie ist unglaublich, dachte er, während er am Saum ihres T-Shirts zerrte. Es war schon eine Weile her, seit er zuletzt eine Frau berührt hatte, aber er konnte sich nicht daran erinnern, dass es jemals so gut gewesen wäre. Er schob die Hände unter ihr T-Shirt und umfasste ihre Brüste. Payton bog sich ihm entgegen und seufzte leise.

Früher war er in solchen Momenten immer misstrauisch gewesen, weil er nie genau wusste, was die Frauen eigentlich von ihm wollten. War es ihr Ziel, mit einem berühmten Footballspieler ins Bett zu gehen, oder wollten sie einen Ehemann, der ihnen einen luxuriösen Lebensstil ermöglichte?

Bei Payton brauchte er sich deswegen keine Sorgen zu machen, denn für sie war er bloß der Mann, der sie aus dem Gefängnis geholt und ihr einen Job angeboten hatte. Zum ersten Mal konnte er es daher völlig ungezwungen genießen, mit einer Frau zusammen zu sein.

Als er sich schließlich von ihr löste, waren ihre Wangen gerötet. „Wir sollten lieber weiterfahren“, sagte er, da er überzeugt war, dass sonst noch mehr passieren würde. Da sie eine Weile auf der Farm sein würde, konnte er es sich erlauben, sich Zeit zu nehmen, um sie nach allen Regeln der Kunst zu verführen.

„Ja“, hauchte sie und machte die Augen langsam wieder auf.

Bevor sie einstiegen, küsste er sie noch einmal kurz, dann fuhren sie los. Nach zehn Minuten Schweigen räusperte sie sich, und Brody sah sie an. Ihre Wangen waren noch immer gerötet. „Was?“, fragte er.

„Nichts.“

„Wolltest du mir etwas sagen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Bedauerst du, was vorhin passiert ist?“

Jetzt erst sah sie ihn an. „Ich hoffe nur, du glaubst nicht, dass ich ständig irgendwelche Fremden küsse. Das tue ich nämlich nicht. Es ist nur …“ Sie stockte. „Nein, es war schön.“

„Gut. Also keine Reue?“

„Nein, keine Reue.“

„Jederzeit wieder, falls dir danach ist“, sagte er amüsiert. „Ich hätte nämlich nichts dagegen, wenn es noch einmal passiert, zwischen uns. Ich sollte dich besser vor den anderen Kerlen warnen, es sind nämlich hauptsächlich Männer auf der Farm. Die einzige Frau ist Mary, die Haushälterin und Köchin. Nimm dich vor den Jungs auf der Kerry Creek in Acht.“

Plötzlich bereute er seine Entscheidung, sie mit auf die Farm zu nehmen. Er hätte mit ihr nach Fremantle fliegen sollen, wo er ein komfortables Apartment besaß, mit einem großen Bett und Blick auf den Fluss.

Obwohl Callum und Teague nicht so schlimm waren wie der Rest, würden auch seine Brüder nicht unempfänglich sein für Paytons Schönheit. Hier draußen in der Wildnis waren Frauen knapp, und er hatte die Absicht, sie für sich allein zu behalten. Er musste einen Weg finden, um seinen Brüdern das klarzumachen, bevor sie auf dumme Gedanken kamen.

„Und die sind alle so?“

„Mehr oder weniger“, sagte Brody. „Aber wenn sich einer an dich heranmacht, sag mir Bescheid, dann nehme ich ihn mir vor.“

„Was willst du denn dann machen? Ihn k. o. schlagen?“

„Das auch“, bestätigte er lachend. „Keine Sorge, du bist sicher auf der Farm. Ich passe auf dich auf.“

Vor den anderen Männern war sie sicher, aber konnte er ihr versprechen, dass sie auch vor ihm sicher war? Momentan dachte er mehr daran, sie zu verführen, statt sie zu beschützen. Und er konnte nicht aufhören, sich zu fragen, was in ihrem hübschen Kopf vorging.

2. KAPITEL

„Würdest du uns bitte für einen Moment entschuldigen?“

Payton, die artig auf der Sesselkante saß, nickte. Brody und sein Bruder Callum verließen das vollgestopfte Büro, um draußen auf dem Flur miteinander zu flüstern. Allerdings wurde die Unterhaltung schnell so laut, dass sie alles verstehen konnte.

„Und wer hat vor wenigen Stunden erst über die viele Arbeit gejammert?“, warf Brody seinem Bruder vor. „Sie behauptet, dass sie sich mit Pferden auskennt und sich nicht zu schade dafür ist, die Ställe auszumisten. Da hast du doch deine Hilfe.“

„Du hast sie im Gefängnis kennengelernt“, konterte Callum. „Das sollte dir genug über ihren Charakter sagen.“

„Sie hat einfach Pech gehabt, und jetzt braucht sie einen Job. Ich bürge für sie. Wenn du sie beim Stehlen erwischst, schleppe ich sie sofort wieder zurück nach Bilbarra.“

„Und was ist mit dir?“, wollte Callum wissen. „Liegst du weiter den ganzen Tag im Haus herum und bemitleidest dich selbst?“

„Ich helfe natürlich“, versicherte Brody seinem Bruder. „Ich habe ja nichts Besseres zu tun.“

Es folgte langes Schweigen, dann hörte Payton einen der beiden fluchen, nur war sie nicht sicher, wen. Kurz darauf erschienen Callum und Brody wieder im Türrahmen. „Brody meint, Sie kennen sich ganz gut mit Pferden aus. Sie werden allerdings richtig anpacken müssen.“

„Ich brauche diesen Job dringend, und ich werde hart arbeiten, das verspreche ich“, sagte sie und ärgerte sich, weil sie so verzweifelt klang. „Sie werden es nicht bereuen.“

„Na schön. Sie können in der südlichen Schlafbaracke wohnen“, erklärte Callum. „Es gibt ordentliche Toiletten und Duschen dort. Allerdings werden Sie sich die Baracke mit Gemma teilen müssen.“

„Wer ist Gemma?“, wollte Brody wissen.

„Eine Genealogin“, antwortete Callum. „Gemma Moynihan. Sie kommt aus Irland und forscht über die Quinn-Familie. Ich habe ihr erlaubt, hier zu wohnen, bis sie mit ihrer Arbeit fertig ist.“

„Kein Problem“, sagte Payton. „Die Schlafbaracke wäre klasse.“

„Gut, dann fangen Sie im Stall an und helfen Mary in der Küche. Wenn Sie schlappmachen, schicke ich Sie nach Bilbarra zurück. Arbeiten Sie hart, bekommen Sie fairen Lohn.“

Payton nickte und war froh, dass er sich von Brody hatte überzeugen lassen. Es war ihr erster richtiger Job, deshalb war sie entschlossen, es nicht zu vermasseln.

Hier und jetzt fing ihr neues Leben an, darum war sie ein wenig aufgeregt.

Callum deutete auf seinen Bruder. „Brody wird Ihnen alles zeigen. Falls Sie irgendwelche Fragen haben, wenden Sie sich an ihn.“

Der ältere Quinn-Bruder verließ das Büro, und Brody folgte ihm. „Ich gebe ihr einen Tag, höchsten zwei“, hörte sie Callum sagen.

Als Brody zurückkam, setzte sie ein Lächeln auf. „Er irrt sich. Ich werde hart arbeiten.“

Er nahm ihre Hand und drehte sie um, damit er ihre Handfläche untersuchen konnte. Dabei strich er mit dem Daumen über ihre zarte Haut und meinte lächelnd: „Du wirst Handschuhe brauchen und einen vernünftigen Hut.“

Payton verschränkte ihre Finger mit seinen. „Danke für alles. Ich werde dich nicht enttäuschen.“

Er legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es an, damit sie ihn ansah. Zuerst dachte sie, er würde sie küssen, aber er überlegte es sich anders.

„Das kann ich mir auch nicht vorstellen.“ Damit nahm er ihre Tasche und zeigte zur Tür. „Komm, ich führe dich herum. Zuerst zeige ich dir das Haus. Vielleicht macht Mary uns einen Happen zu essen.“

Auf dem Weg durch den wundervoll eingerichteten Salon fiel Payton ein riesiges Ölbild über dem Kamin auf, und sie sah es sich genauer an. „Das ist ein großartiges Porträt“, sagte sie.

„Wir nennen ihn den alten Herrn“, erklärte Brody. „Sein Name ist Crevan Quinn. Er kam mit neunzehn auf einem Sträflingsschiff hier an und war der erste Quinn in Australien.“

„Er war ein Sträfling?“

„Ein kleiner Taschendieb, heißt es. Er ließ das Porträt zu seinem siebzigsten Geburtstag anfertigen, gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Um dafür Modell zu sitzen, fuhr er extra bis nach Sydney. Einen Tag nachdem es fertig war, starb er. Sein einziger Sohn war mein Ururgroßvater.“

„Backler“, las Payton die Signatur. „Von dem Maler habe ich nie gehört. Es ist trotzdem ein schönes Bild.“

Brody sah sie fragend an.

„Die Technik und die Farbe“, erklärte sie, auf den Mann mit dem wilden weißen Bart, den Koteletten und der finsteren Miene deutend.

„Zum Glück ist sein Aussehen nicht weitervererbt worden.“

„Seine kriminelle Neigung schon“, neckte sie ihn.

Brody umfasste ihre Taille und drückte Payton sanft gegen den Kaminsims. Er berührte ihre Wange und sah ihr in die Augen. Sie hielt den Atem an, fasziniert von der Begierde, die in seinem Blick lag.

„Und wo wärst du jetzt ohne meine kriminelle Energie?“

„Oder meine“, konterte sie. „Na ja, dann hätte ich keinen Job und auch keine Aussicht, einen zu finden.“

„Dafür verdiene ich doch wohl einen Kuss, oder?“

„Einen könnte ich erübrigen, aber werd bloß nicht unverschämt“, warnte sie ihn und stellte sich auf Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Sie tat es gern und genoss es, seine Hände auf ihrem Körper zu spüren. Seine Berührungen gaben ihr das Gefühl, lebendig zu sein und etwas Gefährliches zu tun. Das war aufregend und beängstigend zugleich.

Payton schob die Finger in den Bund seiner Jeans und zog ihn an sich. Er stöhnte leise, als der Kuss leidenschaftlicher wurde und ihre Körper sich aneinanderschmiegten. Sie schob die Hände unter sein T-Shirt und strich mit den Fingernägeln über seinen Rücken.

Nie zuvor war sie bei einem Mann so aggressiv gewesen, doch bei Brody schien sie alle Hemmungen zu vergessen. Wenn sie ihn küsste, gab es keine Regeln. Hier in Australien lebte sie jeden Tag so, als wäre es ihr letzter.

Plötzlich löste er sich von ihr, und Payton sah ihm an, dass er um Selbstbeherrschung rang. Mit einer gewissen Zufriedenheit registrierte sie die Wölbung in seiner Jeans.

„Später“, versprach er, nahm ihre Tasche und führte Payton zur Eingangstür des Hauses, wo sie einem Mann begegneten, der gerade die Stufen hinaufkam. Er nahm seinen Hut ab und bemerkte, dass ihre Hand in Brodys lag.

„Hallo“, sagte er.

„Teague, das ist Payton Harwell. Payton, dies ist mein Bruder Teague.“

Teague hielt ihr die Hand hin, sodass sie Brodys loslassen musste, um sie zu schütteln. „Freut mich, Sie kennenzulernen“, erklärte Teague mit einem breiten Grinsen.

„Sie wird mit den Pferden arbeiten“, erklärte Brody.

„Sehr gut, da werde ich in den nächsten Tagen auch zu tun haben“, erwiderte Teague. „Haben Sie Erfahrung mit Zuchtpferden?“

„Nein, aber ich habe seit meinem sechsten oder siebenten Lebensjahr mit Pferden zu tun. Turnierpferde fürs Springreiten, aber Pferde sind Pferde, oder? Sie haben alle vier Beine und einen Schwanz.“

Teague schien über ihren kleinen Scherz amüsiert zu sein. „Eigentlich schon, aber dann kann ich Ihnen wohl keines von unseren dreibeinigen Ponys anvertrauen.“

Paytons Augen weiteten sich.

„Krokodile“, erklärte Teague mit ernster Miene. „Die beißen einem Pony glatt das Bein ab, wenn man nicht aufpasst. Ein Bein ist ja noch zu verkraften, aber ein Zuchtpony mit nur zwei Beinen …“

„Oh nein“, sagte Payton, „das ist ja schrecklich. Können Sie nicht …“

„Sei kein Blödmann, Teague“, ermahnte Brody seinen Bruder.

Eine ältere Frau erschien an der Fliegengittertür. „Doc Daley ist am Telefon“, informierte sie Teague und winkte ihn hinein. „Es handelt sich um einen Notfall, und er hat heute Nachmittag eine Operation.“

„Wahrscheinlich schon wieder eine Krokodilattacke“, meinte Teague. „Ein weiteres dreibeiniges Pony. Mary, hast du Brodys neue Freundin schon kennengelernt?“

Die Frau kam auf die Veranda, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und strich sich ein paar graue Strähnen aus dem Gesicht. „Freut mich, Sie kennenzulernen, meine Liebe. Ich bin Mary Hastings, und egal, was diese Quinn-Jungen Ihnen erzählen, ich bin hier für alles verantwortlich.“

Payton schüttelte ihr die Hand. „Payton Harwell.“

„Ah, eine Amerikanerin. Wir scheinen interessante Frauen anzulocken. Zuerst dieses irische Mädel und jetzt eine Amerikanerin. Falls Sie etwas brauchen, kommen Sie zu mir. Wir Frauen müssen zusammenhalten.“ In vertraulichem Ton fügte sie hinzu: „Und glauben Sie kein Wort über diese dreibeinigen Ponys. Die Jungs sind ziemlich frech.“

Teague legte Mary einen Arm um die Taille und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Das gefällt dir doch an uns.“

Brody nahm Paytons Hand. „Komm mit, ich zeige dir die Schlafbaracke.“

„Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen“, sagte Payton und winkte Teague und Mary zu.

„Wir sehen uns später“, rief Teague ihr hinterher.

„Kommen Sie doch auf einen Tee in die Küche, wenn Sie Ihre Sachen verstaut haben“, rief Mary.

Payton und Brody gingen zur Schlafbaracke, einem niedrigen Gebäude neben einem kleinen Wäldchen und einem gepflegten Gemüsegarten. „Das ist Marys Garten“, erklärte er. „Geh lieber nicht hier vorbei, wenn sie darin arbeitet, sonst musst du den ganzen Tag Unkraut rupfen.“

„Sie ist sehr nett.“

„Dad stellte sie ein, nachdem meine Mum die Farm verlassen hatte. Sie kümmert sich ums Haus.“

„Sind deine Eltern geschieden?“

„Nein, sie leben zusammen in Sydney. Aber es gab eine Zeit, in der sie getrennt waren, mein Dad lebte hier und meine Mum in der Stadt. Das Leben auf einer Farm ist hart, besonders für eine Frau.“

„Kann ich mir vorstellen.“

Brody öffnete die Tür der Schlafbaracke und ließ ihr den Vortritt. Das Innere war schlicht, aber sauber. In einer Ecke des Raumes standen mehrere Sessel um einen kleinen eisernen Ofen. Unter einem der Fenster stand ein zerschrammter Schreibtisch, unter einem anderen befand sich ein Waschtisch mit Krug und Schüssel. Neben der Hintertür war eine alte Garderobe angebracht. An drei Wänden standen Etagenbetten aus rohen Holzbrettern. Auf einem der unteren Betten lagen eine bunte Tagesdecke und zwei Kissen.

„Das muss das Bett der Genealogin sein“, meinte Brody. „Bettzeug findest du in der Kiste am Fußende der Koje. Die Toilette ist draußen, die Dusche auch.“ Er ging zum Kleiderschrank und wühlte darin herum, bis er ein Paar Handschuhe und einen alten Filzhut gefunden hatte, so einen, wie sein Bruder Teague trug.

Brody setzte ihr den Hut auf und gab ihr die Handschuhe. „Na bitte“, sagte er und zupfte an der Krempe. „Sehr elegant.“

„Ich würde gern gleich anfangen zu arbeiten“, erklärte sie.

„Das musst du noch nicht. Es ist dein erster Tag. Wir gehen etwas essen, und du gewöhnst dich erst einmal ein.“

„Nein, ich bin bereit.“ Sie beharrte darauf, weil ihr sehr wohl bewusst war, dass sie sich Callum gegenüber beweisen musste.

„Du bist noch nicht richtig gekleidet. Wir müssen erst noch Arbeitskleidung für dich finden.“

„Ich habe nichts anderes“, sagte Payton und schaute auf ihre schlichte Bluse und die Jeans, die sie in Brisbane gekauft hatte. „Nur ein paar Kleider. Diese Sachen müssen vorerst reichen. Ich werde mir später etwas besorgen.“

„Na schön“, meinte er mit einem Schulterzucken. „Gehen wir.“

Sie verließen die Schlafbaracke und überquerten den staubigen Hof. Die Farm ähnelte einer kleinen Stadt. Brody zeigte ihr jede Koppel, jeden Stall und jeden Schuppen und erklärte ihr die jeweilige Funktion. Es gab noch zwei weitere Schlafbaracken für die Farmarbeiter und ein kleines Häuschen für den Vorarbeiter.

Die Ställe bestanden aus einem langen Gebäude mit Boxen auf der einen und Futter und Sattelzeug auf der anderen Seite. „Wir betreiben Pferdezucht, deshalb haben wir viele Stuten. Wir reiten die Pferde zu und verkaufen sie anschließend. Kerry-Creek-Ponys erzielen einen guten Preis.“

Payton zog ihre Handschuhe an und stemmte die Hände in die Hüften. „Na schön, packen wir’s an.“ Sie entdeckte eine Mistgabel in der Ecke und nahm sie. „Wir sehen uns später.“

Er schien ein wenig überrascht zu sein, dass sie ihn so schnell verabschiedete. Auch wenn sie ihn äußerst attraktiv fand, brauchte sie diesen Job, und da war der erste Eindruck wichtig. Dafür ein paar Stunden ihr Verlangen zu unterdrücken war ein geringer Preis.

„Um diese Jahreszeit essen wir um sechs zu Abend. Ich werde dich abholen.“

„Nicht nötig, ich finde es schon.“

Er verließ den Stall, und Payton stützte sich auf die Forke, während sie ihm hinterherschaute. Ihre Freundinnen hatten immer gesagt, Sam sei heiß, doch sie hatte das nie ganz verstanden. Sam sah gut aus, aber Brody war heiß. Er hatte eine unglaublich maskuline Ausstrahlung.

Sie versuchte ihn sich ohne T-Shirt vorzustellen und ganz ohne Kleidung. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und ihr Puls beschleunigte sich. Mit dem Boss zu schlafen war nie eine gute Idee, aber war Brody ihr Boss oder Callum?

Payton nahm sich vor, das so schnell wie möglich herauszufinden. Vorerst hatte sie ein Bett, kostenlose Mahlzeiten und etwas zu tun. Darüber hinaus gab es diesen Mann, der ihr Herzklopfen verursachte. Was wollte sie mehr?

Wie alle anderen auf der Kerry-Creek-Farm hatte Brody hier gearbeitet, seit er laufen konnte. Er hatte im Garten mit seiner Mutter angefangen, später in den Ställen geholfen und schließlich mit den Pferden gearbeitet, sobald er reiten konnte. Den Großteil seiner Teenagerjahre verbrachte er jedoch in der Stadt, und nachdem er seinen ersten Profivertrag unterschrieben hatte, kam er nur noch selten nach Queensland, etwa kurz vor den Ferien, die er surfend oder tauchend am Großen Barrierriff verbrachte.

Seine Brüder neckten ihn damit, dass das Stadtleben ihn verweichlicht hatte. Vielleicht stimmte das, aber nun, da er wieder auf der Farm lebte, kam alles zurück. Er verbrachte den Nachmittag mit der Reparatur von Zäunen, zusammen mit dem neuesten Helfer, einem Jungen namens Davey Thompson. Der hatte vor einigen Monaten auf der Farm angefangen, weil sein Bruder Skip auch hier arbeitete.

Davey plapperte unaufhörlich, über Frauen, Musik und Autos, und es war klar, dass er über seinen Aufstieg in der Rangordnung ziemlich froh war, denn seinen Job im Stall erledigte nun Payton, die ganz unten in der Hierarchie stand.

„Dieses neue Mädchen ist eine heiße Puppe“, sagte er und hob eine Rolle Stacheldraht auf. „Sie hat hübsche Haare, so lang und lockig.“

„Halt dich bloß fern von ihr“, warnte Brody ihn.

„Ist sie deine Freundin?“

„Was dich betrifft, ja.“

„Nichts für ungut“, meinte Davey grinsend. „Hat sie eine Schwester? Wenn ja, hätte ich nichts dagegen, ihr vorgestellt zu werden.“

Sie arbeiteten bis zum Sonnenuntergang, dabei transportierten sie ihre Ausrüstung mit Quads, statt auf Pferden. Seit Brodys Vater vor vier Jahren nach Sydney gezogen war, hatte Callum vieles modernisiert, und die Arbeit war tatsächlich angenehmer geworden.

Brody und Davey luden die Sachen von ihren Geländefahrzeugen und gingen zum Abendessen ins Haupthaus, wo Mary für alle eine herzhafte Mahlzeit zubereitet hatte. Er erwartete, Payton dort zu sehen, doch sie saß nicht am Tisch. Bei dem anderen Neuankömmling handelte es sich um die Genealogin aus Irland. Er hatte mit einer grauhaarigen Dame mit Lesebrille gerechnet, stattdessen begrüßte in eine lächelnde junge Frau, die fast so schön war wie Payton.

„Gemma Moynihan“, stellte sie sich mit irischem Akzent vor. „Sie müssen Brody sein. Man sieht die Ähnlichkeit.“

„Gemma“, wiederholte Brody und sah zu Callum, der sie beide beobachtete und dabei angespannt wirkte. Das war leicht nachvollziehbar. Callum war schon immer von der Farm besessen gewesen. Dass er jetzt Zeit mit Gemma verbrachte, zwang ihn wahrscheinlich dazu, sein Arbeitsverhalten ernsthaft zu überdenken.

„Haben Sie Payton schon kennengelernt?“, erkundigte er sich und verkniff sich ein Grinsen.

„Ja, habe ich“, antwortete Gemma.

„Kommt sie zum Essen?“

„Ich weiß nicht. Als ich die Schlafbaracke verließ, lag sie auf ihrem Bett und wirkte geschafft.“

„Vielleicht sollte ich ihr etwas bringen.“

Diese Idee trug ihm amüsierte Blicke der Farmhelfer ein, aber das war ihm egal. Er nahm einen Teller und füllte Fleisch und Kartoffeln auf.

Dann nahm er Besteck und zwei Flaschen Bier und machte sich auf den Weg zur Schlafbaracke der Frauen.

Er fand Payton zusammengerollt und tief schlafend auf ihrem Bett. Er stellte das Essen auf den Boden und setzte sich rittlings auf einen Stuhl. Als er ihr eine Strähne aus dem Gesicht strich, wachte sie auf.

„Guten Morgen“, sagte er.

Payton stützte sich auf den Ellbogen ab. „Ist es schon Morgen?“

Er lachte. „Nein. Ich habe dir dein Abendessen gebracht. Geht es dir gut?“

Sie setzte sich auf und verzog dabei das Gesicht. „Ja, alles in Ordnung. Ich bin es nur nicht gewöhnt, vier Stunden lang Pferdemist zu schaufeln.“ Sie stöhnte und rieb sich die Schulter. „Ich wollte mich nur kurz hinlegen, dabei muss ich eingeschlafen sein.“

„Komm her“, forderte er sie auf, schwang den Stuhl herum und klopfte auf die Sitzfläche.

Sobald sie saß, reichte er ihr den Teller, trat hinter sie und fing an, ihr die Schultern zu massieren. „Oh, das ist herrlich.“ Sie legte den Kopf schräg und schloss die Augen. Ihre seidigen Locken fielen auf seine Hände. „Ja, genau dort.“

Er massierte ihren Nacken ein wenig fester „Hier?“

„Ja.“

„Iss, bevor es kalt wird.“

Sie schaute hinunter auf den Teller und probierte. „Lecker“, lobte sie kauend. „Mir war gar nicht klar, wie hungrig ich bin. Möchtest du nichts?“

„Iss nur“, forderte er sie auf. „Ich kann noch mehr holen.“

Sie nahm eine Flasche Bier und versuchte den Deckel aufzudrehen. Als ihr das nicht gelang, reichte sie die Flasche an ihn weiter. „Was hast du heute gemacht?“

„Zäune repariert“, antwortete er.

„Wann geht die Arbeit morgens los?“

„Die Farmhelfer sind für gewöhnlich bei Sonnenaufgang auf, aber wenn du möchtest, kannst du länger schlafen. Die Ställe laufen nicht weg.“

„Nein, ich fange mit allen anderen an.“

„Ich glaube nicht, dass Callum von dir das gleiche Arbeitspensum erwartet wie von den Farmhelfern.“

„Was, außer arbeiten, essen und schlafen, soll man denn sonst hier machen?“

Brody beugte sich über ihre Schulter und grinste anzüglich. „Mir fallen da schon ein paar Sachen ein“, flüsterte er.

Sie hielt ihm eine volle Gabel hin, und er aß. „Abgesehen davon, was machst du mit deiner Freizeit?“, fragte sie.

„Wir sind fünf Stunden vom nächsten Kino entfernt, aber wir haben DVDs hier. Cal bevorzugt Western, ich mag Gangsterfilme und Teague liebt Science-Fiction. Außerdem haben wir einen Pool, in dem wir schwimmen, wenn es warm ist.“

„Ich habe keinen Pool gesehen.“

„Na ja, es ist auch kein richtiger Swimmingpool, eher eine Wasserstelle. Cal hat zusätzlich einen Whirlpool draußen gebaut, der ist angenehm jetzt, wo die Nächte kühler werden.“

„Das klingt himmlisch.“

„Iss auf, dann springen wir hinein.“

„Ich habe keinen Badeanzug.“

„Du brauchst keinen“, versicherte er ihr.

„Das wird bestimmt einen guten Eindruck machen.“

Zu seiner Überraschung aß sie den ganzen Teller leer und trank dabei erst ihr und dann sein Bier.

„Gehen wir“, sagte er, „das warme Wasser des Whirlpools wird dir guttun.“

„Später. Erst will ich mich noch ein bisschen hinlegen.“ Sie kroch wieder in ihr Bett und klopfte auf die Matratze. „Nur für eine Minute, dann gehen wir.“

Brody legte sich zu ihr in das winzige Bett und musste die Arme um sie legen, damit sie nicht hinausfiel. Er strich ihr über das Haar, und sie sah ihn lächelnd an. „Wer bist du, Payton Harwell?“, murmelte er.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie seufzend. „Wenn du es herausgefunden hast, sag mir Bescheid.“

Er küsste sie und entspannte sich. Seine Hände glitten wie von selbst über ihren Körper und unter den Bund ihrer Jeans, um ihren sexy Po zu streicheln. Seine Erektion wurde stärker, je länger der Kuss dauerte.

Er presste sein Becken an ihres und fing an, sich langsam zu bewegen, was eine stimulierende Reibung erzeugte. Das erinnerte ihn an das erste Mal, als er so etwas mit einem Mädchen getan hatte, und an das überraschende Ergebnis. Zum Glück hatte er im Lauf der Jahre ein wenig Selbstbeherrschung gelernt, doch Payton auf diese Weise zu spüren, ihr Bein angewinkelt neben seinem, stellte ihn auf eine harte Probe. Er wusste auch, dass Gemma jeden Moment zurückkommen konnte, aber das war ihm egal.

Payton schob eine Hand unter sein Hemd, streichelte seine Brust und ließ ihre Fingerspitzen hinunter zu seinem Bauch gleiten. Brody stöhnte leise, als sie ihre Hand noch weiter nach unten schob.

Alles schien durch die Kleidung und die Möglichkeit, ertappt zu werden, noch knisternder zu sein.

Er zog ihr die Bluse aus, küsste ihre Halsbeuge und arbeitete sich von dort vor bis zu ihren Brüsten, die unter dem hauchzarten Spitzen-BH sichtbar waren. Durch den Stoff hindurch, saugte er an den aufgerichteten Brustwarzen. Payton stöhnte leise.

Die Ungestörtheit endete, als die Tür geöffnet wurde.

„Verzeihung!“, rief Gemma. „Ich komme später wieder.“

Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, löste Brody sich von Payton, die sich zu einem Lächeln zwang. „Vielleicht solltest du lieber gehen“, schlug sie vor.

„Vielleicht solltest du mitkommen.“ Er drückte sie noch einmal an sich. „In meinem Zimmer steht ein großes Bett, und an meiner Tür ist ein starker Riegel. Dort werden wir nicht gestört.“

„Aber Schlaf werden wir auch nicht bekommen“, gab Payton zu bedenken.

„Darum geht es doch, oder?“

Sie seufzte leise, und er wartete auf ihre Entscheidung. Nach einer Weile wurde ihm klar, dass sie eingeschlafen war, denn sie atmete ruhig und gleichmäßig, und ihr Arm, der auf seiner Hüfte lag, war schlaff.

Brody gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie rührte sich kurz, und ihre Lider zuckten. „Ich gehe. Du brauchst deinen Schlaf. Wir sehen uns morgen.“

„Morgen“, wiederholte sie kaum hörbar.

Widerstrebend befreite er sich aus ihrer Umarmung, rollte aus dem Bett und zog sein T-Shirt herunter. Dann betrachtete er Payton, deren dunkles Haar wie aufgefächert auf dem Kissen lag.

Am liebsten hätte er sie in sein Zimmer getragen, um sie dort die ganze Nacht zu lieben, aber er hatte Zeit. Wenn es passierte, würden sie beide hellwach sein und sich dessen, was sie taten, vollkommen bewusst.

Es würde gut sein, möglicherweise besser, als er es je mit einer Frau erlebt hatte.

Und dafür war er bereit zu warten.

Payton nahm den Hufreiniger und drückte das Pferd mit der Schulter gegen die Stallwand. Dann hob sie den Vorderlauf des Wallachs, klemmte den Huf zwischen ihre Knie und begann ihn zu reinigen.

„Sieht aus, als wüssten Sie, was Sie da tun.“

Sie sah auf und entdeckte Teague, der mit verschränkten Armen am Türrahmen der Box lehnte. Er war ebenso gut aussehend wie Brody und Callum, doch im Gegensatz zu Brody löste er nicht dieses Kribbeln bei ihr aus.

Sie schob die Ärmel ihres zu großen Arbeitshemdes über die Ellbogen. „Es sind ganz andere Pferde als die, mit denen ich zu tun hatte. Sie haben ein wundervolles Temperament.“

„Dazu züchten und trainieren wir sie“, sagte er. „Außerdem noch Durchhaltevermögen, Kraft und Wendigkeit. Sie müssen in der Lage sein, einen ganzen Tag durchzuhalten, manchmal sogar länger.“

Payton fuhr mit ihrer Arbeit fort. „Welchen Stammbaum haben sie?“

„Ursprünglich stammen sie von Vollblütern und Arabern ab, dazu ein bisschen Walisisches Pony und Timor-Pony.“

„Wann fohlen sie?“

„Von September bis Januar. Für gewöhnlich geht es nach dem Zusammentrieb mit dem Fohlen los.“

„Davey meinte, das Hengstfohlen in der Box nebenan sei verkauft. Es ist wunderschön.“

„Es wird zum Turnierpferd ausgebildet. Einige unserer Pferde werden beim Polocrosse eingesetzt, andere beim Campdrafting.“

Payton stellte den Pferdehuf wieder auf den Betonboden, richtete sich auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Was ist das?“

„Neben Australian Football und Polocrosse ist Campdrafting der einzige aus Australien stammende Sport. Polocrosse ist eine Mischung aus Polo, Lacrosse und Korbball. Und ich nehme an, Campdrafting ist so ähnlich wie euer Rodeoreiten. Pferd und Reiter müssen ein Kalb aus der Herde aussondern und es um eine Reihe von Hindernissen treiben.“

„Das würde ich gern sehen.“

„Ich werde Sie einmal mitnehmen“, versprach Teague. „In Muttaburra gibt es im August ein Campdrafting, falls Sie dann noch hier sind.“

„Ich würde es gern versuchen.“

„Dann werde ich es Ihnen beibringen.“

„Was beibringen?“

Brody erschien neben seinem Bruder. Er trug die traditionelle Kleidung der Farmarbeiter, bestehend aus Arbeitshemd, Segeltuchjacke und Jeans. Auf seinem Kopf saß ein Filzhut, seine Hände schützten abgenutzte Lederhandschuhe. Payton hatte ihn seit dem vergangenen Abend nicht mehr gesehen und ganz vergessen, wie attraktiv er war.

„Hallo kleiner Bruder. Wo hast du gesteckt?“

„Ich habe mit Davey das Windrad auf der Hochweide repariert.“

Teague klopfte seinem Bruder auf die Schulter. „Schön zu wissen, dass du mal einen Tag ehrlicher, harter Arbeit einlegst.“ Er wandte sich an Payton und tippte an seine Hutkrempe. „Ich habe einen Anruf bekommen. Wir sehen uns, Payton. Vielleicht können Sie mir morgen früh helfen, da muss ich die Jährlinge impfen.“

„Gern“, erwiderte sie.

Er nickte. „Ich glaube, es gefällt mir, dass Sie hier sind.“ Dann musterte er kritisch seinen Bruder. „Bist du schon geimpft?“

Payton konnte sehen, dass Brody genervt war. Als jüngster Bruder musste er sich vermutlich häufiger necken lassen.

„Mach dir nichts aus Teague“, sagte er, nachdem der verschwunden war. „Er hat die schlechte Angewohnheit, jeden vollzuquatschen, der ihm zuhört.“

„Ist er für die Pferdezucht verantwortlich?“

Autor

Kate Hoffmann
Seit Kate Hoffmann im Jahr 1979 ihre erste historische Romance von Kathleen Woodiwiss las – und zwar in einer langen Nacht von der ersten bis zur letzten Seite – ist sie diesem Genre verfallen.
Am nächsten Morgen ging sie zu ihrer Buchhandlung, kaufte ein Dutzend Liebesromane von verschiedenen Autorinnen und schmökerte...
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