Julia Collection Band 92

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IM PALAST DES GLÜCKS von MONROE, LUCY
Im königlichen Palast auf der paradiesischen Insel fühlt Maggie sich wie im Märchen. Und in den Armen des faszinierenden Prinzen Tomasso erlebt sie zärtliche Stunden der Leidenschaft. Aber dennoch nagen Zweifel an ihr: Wird er sie jemals bitten, seine Frau zu werden?

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  • Erscheinungstag 01.04.2016
  • Bandnummer 92
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707729
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lucy Monroe

JULIA COLLECTION BAND 92

1. KAPITEL

„Hast du sie eingestellt?“

Principe Tomasso Scorsolini marschierte rastlos in seiner Hotelsuite in Hongkong auf und ab. Vor Ungeduld presste er sein Handy fest ans Ohr. Er musste erfahren, ob der Fisch ins Netz gegangen war.

„Sie ist zu dem Bewerbungsgespräch in den Palast gekommen. Ich muss sagen, sie macht einen sehr guten Eindruck.“ Anerkennung klang in Thereses Stimme am anderen Ende der Leitung mit. „Mir ist nicht ganz klar, wie du von ihr erfahren hast, aber sie ist eine wirklich angenehme und nette Frau, sie wird den Kindern bestimmt guttun. Sie ist ideal, aber ich bin nicht sicher, ob sie die Position tatsächlich antreten will.“

„Wieso?“ Gab es für Maggie Thomson etwa Loyalitätskonflikte wegen ihres jetzigen Arbeitgebers?

„Sie macht sich Gedanken, welche Auswirkungen es auf Gianfranco und Annamaria haben könnte, wenn sie in ein paar Jahren geht, vor allem mit Hinblick auf Lianas Tod.“

„Sie geht davon aus, dass sie nur ein paar Jahre bleibt?“

„Sie hat vor, ihren eigenen Vorschulkindergarten zu eröffnen, sobald sie genug Geld gespart hat.“

Ah, ihren Traum hatte sie sich also bewahrt. Eigentlich sollte ihn das nicht überraschen. Maggie Thomson hatte einen Dickkopf, genau wie er. „Und was hast du ihr nun gesagt?“

„Ich habe deinen Rat befolgt und ihr Gianni und Anna vorgestellt. Die beiden waren sofort begeistert von ihr, und sie ist ihnen auch von einer Sekunde auf die andere verfallen. Du weißt selbst, wie schüchtern Anna ist. Gegen Ende des Interviews saß sie auf Miss Thomsons Schoß.“ Therese hielt inne, als müsse sie ihre Gedanken sammeln. „Ich weiß, es hört sich seltsam an, aber … die Bindung zwischen den dreien war auf Anhieb so stark, wie es bei einer Mutter und den eigenen Kindern eigentlich sein sollte.“

Sie brauchte nicht in Worte zu fassen, was sie damit andeuten wollte: Die Beziehung von Gianni und Anna zu ihrer leiblichen Mutter war noch nicht einmal ansatzweise damit vergleichbar gewesen. Liana als mütterlichen Typ zu bezeichnen wäre einer glatten Lüge gleichgekommen.

„Das ist gut“, ließ Tomasso sich vernehmen. Sehr gut sogar, steigerte er in Gedanken.

„Ich habe ihr auch erzählt, dass, wenn sie sich vertraglich für zwei Jahre verpflichtet, sie von uns einen ansehnlichen Bonus für den Start in die Selbstständigkeit erwarten kann.“

„Hat sie das überzeugt?“

„Nein, keineswegs. Ihre einzige Sorge gilt den Kindern. Aber dann erklärte ich ihr, dass ein Zweijahresvertrag für eine Angestellte in unseren Augen eine langfristige Zusage ist und länger, als wir von jedem anderen erwarten könnten.“

Er hatte nicht vor, Maggie Thomson in zwei Jahren gehen zu lassen, aber das brauchte Therese nicht zu wissen. „Brillant. Und sie hat zugestimmt?“

„Ja.“

„Gut.“ Tiefe Befriedigung erfüllte ihn. „Danke, Therese.“

„War mir ein Vergnügen, Tomasso.“

„Richte Claudio aus, dass ich ihm meine Aufwartung mache, sobald ich mal wieder in der Nähe bin.“

„Dann siehst du ihn wahrscheinlich eher als ich.“

Etwas lag in der Stimme seiner Schwägerin, das ihm nicht behagte. „Geht es dir gut, Therese?“

„Ja, natürlich. Miss Thomson wird ihren Dienst mit sofortiger Wirkung antreten, wie von dir gewünscht.“

„Sehr gut.“

„Es wird mir fehlen, die Kinder um mich zu haben.“

Daran hatte er noch gar nicht gedacht. „Das tut mir leid, Therese.“

„Sei nicht albern. Ich bin gern mit ihnen zusammen, doch es ist wichtiger für sie, eine konstante Bezugsperson zu haben. Würdest du hier im Palast leben, wäre es etwas anderes, aber da du eine der anderen Inseln zu deinem Wohnsitz gewählt hast, kann ich ihnen die Mutter nicht ersetzen.“

„Es klingt ganz danach, als könne Miss Thomson diese Rolle kompetent ausfüllen.“

„Zumindest für die nächsten zwei Jahre.“

Für ein ganzes Leben, wenn sein Plan funktionierte. „Nochmals meinen Dank, Therese.“ Damit klappte er sein Mobiltelefon zu und lächelte leise vor sich hin.

Die Teilchen fügten sich zusammen, besser, als er je zu hoffen gewagt hatte. Es sah fast so aus, als würden Maggie und seine Kinder sich auf Anhieb verstehen. Ebenso wichtig war, dass Maggie wohl die gleiche warmherzige, natürliche Frau geblieben war wie damals auf dem College in den USA. Eigentlich hatte er nichts anderes erwartet, nach dem Bericht, den der Privatdetektiv in seinem Auftrag über Maggie zusammengestellt hatte. Hinzu kamen die Zeugnisse.

Ihre früheren Arbeitgeber behaupteten von ihr, sie sei kompetent, effizient und füge sich perfekt in die jeweilige häusliche Umgebung ein. Zudem war sie eine äußerst angenehme Gesellschafterin. Charakterzüge, die er früher nicht zu schätzen gewusst hatte. Er war zu sehr an äußeren Merkmalen interessiert gewesen, um zu begreifen, was ihre Gesellschaft ihm bedeutete … Bis sie nicht mehr da war.

Er hatte es als selbstverständlich angesehen, wie perfekt sein Leben mit Maggie als Haushälterin verlief. Vier kurze Jahre Ehe mit Liana hatten ihn eines Besseren belehrt.

Das erste Jahr nach Lianas Tod hatte Tomasso sich strikt verweigert, überhaupt eine zweite Ehefrau in Betracht zu ziehen. Die einmal gemachten Erfahrungen reichten ihm völlig. Allerdings wollte er nicht so enden wie sein Vater, und in den letzten Monaten hatte er sich mehr und mehr nach einer harmonischen Beziehung gesehnt, wie sein älterer Bruder sie mit der ausgeglichenen und souveränen Therese führte.

Eine solche Beziehung konnte er sich nur mit einer Frau vorstellen – Maggie Thomson. Er erinnerte sich nur zu gut an ihre sanfte Stimme, mit der sie ihn an grundlegende Regeln erinnerte, und an ihre geschäftigen Hände, die ständig dafür sorgten, dass sein Leben so annehmlich wie nur möglich verlief.

Er wollte diese Harmonie zurückhaben. Und dieses Mal würde er nicht den Fehler begehen, ihr die Möglichkeit zum Gehen offenzuhalten.

Bereits einmal hatte sie ihn verlassen, hatte behauptet, zwischen ihnen bestünde nichts weiter als eine professionelle Beziehung, eine, die nicht länger existieren konnte, da er nicht mehr ihr Arbeitgeber sei.

Er hatte ihr Handeln aus zwei Gründen akzeptiert. Erstens, weil er wusste, dass er sie verletzt hatte. Auch wenn es sicherlich nicht mit Absicht geschehen war, so respektierte er ihren Wunsch, ihn aus ihrem Leben zu verbannen.

Der zweite Grund war, dass Liana eifersüchtig auf seine Beziehung zu Maggie gewesen war und unmissverständlich von ihm verlangt hatte, seinen Kontakt mit der anderen Frau vollständig abzubrechen. Damals hatte ihm diese unbegründete Eifersucht geschmeichelt. Er hatte es als Beweis für Lianas leidenschaftliche Liebe zu ihm gesehen. Dass er so unglaublich naiv gewesen war, nagte noch immer an ihm.

Liana hatte nur einen einzigen Menschen geliebt – sich selbst.

Er war für sie nur Mittel zum Zweck gewesen, um so zu leben, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Nichts weiter. Einen Prinz heiraten, Prinzessin werden. Tomasso fragte sich, ob es Maggies Einstellung zu ihm ändern würde, wenn sie erfuhr, dass er aus königlichem Hause stammte.

Bei jedem anderen hatte es diese Wirkung. Und genau deshalb hatte er sich auf dem College als Tom Prince eingetragen. Weil er zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen wollte, als Mensch, der er war, nicht als was er war. Er wollte es aus eigener Kraft schaffen, nicht, weil er einen berühmten Namen trug. Zumindest das hatte er erreicht. Sein Examen hatte er mit Auszeichnung bestanden. Die zwischenmenschlichen Beziehungen … nun, das war eine andere Sache.

Liana hatte die ganze Zeit über von seiner aristokratischen Abstammung gewusst, ohne dass er es geahnt hatte. Und Maggie hatte dem bürgerlichen Tom Prince ohne einen Blick zurück den Rücken gekehrt.

Hätte sie anders gehandelt, wenn sie wie Liana gewusst hätte, dass blaues Blut in seinen Adern floss?

Nun, das war jetzt nicht mehr wichtig. Denn sie war genau das, was er suchte. Als Ehefrau und Mutter für seine Kinder. Daher war es auch nichtig, aus welchem Grund sie ihn heiratete.

Allerdings war er kein Narr. Er würde eine lebenslange Bindung nicht auf Erinnerungen stützen, die sechs Jahre zurücklagen. Indem er Maggie als Kindermädchen einstellte, würde er Zeit und Muße haben, sie zu beobachten und sicherzustellen, dass sie immer noch so wie früher war. Auch wollte er herausfinden, ob die unterschwellige, geheimnisvolle Anziehungskraft zwischen ihnen noch existierte … Dieser erotische Funke, der in jener unvergessenen Nacht die Leidenschaft zwischen ihnen entfacht hatte.

Denn ein Leben ohne Lust und Leidenschaft kam für ihn nicht infrage. Sein Vater hatte seine sexuelle Erfüllung außerhalb des Ehebetts gesucht und gefunden, doch Tomasso hielt dieses Verhalten für verwerflich. Sein Vater übrigens auch. Aus diesem Grund hatte der König nach dem Scheitern seiner zweiten Ehe nie wieder geheiratet.

König Vincente nannte es den Fluch der Scorsolinis. Wollte man ihm glauben, so gab es im Leben eines jeden Scorsolini-Mannes nur eine einzige Frau, eine einzige wahre Liebe. Claudios und Tomassos Mutter war jene Frau im Leben von Vincente gewesen. Nach ihrem Tod gelang es keiner anderen Frau, ihn wirklich an sich zu binden, ihr treu zu bleiben. Zwar hatte der Herrscher der Inselgruppe Isole dei Re nur wenige Monate nach dem Tode seiner Königin Marcellos Mutter geheiratet, da sie schwanger geworden war, doch diese Ehe hielt nur wenige Monate.

Vincente war seiner jungen Frau untreu geworden, und die ansonsten so sanfte Flavia hatte die Konsequenzen gezogen. Tief verletzt war sie mit dem jungen Marcello nach Italien zurückgekehrt und hatte das Undenkbare getan: Sie hatte die Scheidung eingereicht. Seither folgte eine Mätresse nach der anderen in der langen Reihe von Vincentes Geliebten.

Tomasso interessierte dieser angebliche Fluch nicht. Er wollte keine tiefe, wahre Liebe finden und dann als Witwer enden, ständig auf der vergeblichen Suche, die Leere in seinem Herzen zu füllen.

Er war anders als sein Vater. Selbst oberflächliche Leidenschaft wäre genug für ihn, um treu zu bleiben. So war es auch mit Liana gewesen. Obwohl, bei der Hochzeit hatte er in ihr noch seine einzige wahre Liebe gesehen. Doch diese Einstellung hatte sich bald geändert.

Dennoch war er ihr treu geblieben, trotz der Schwierigkeiten in der Ehe und seiner Erkenntnis, dass das, was er für Liebe gehalten hatte, nichts anderes als Faszination ob ihrer Schönheit gewesen war.

Wie viel leichter wäre es, einer Frau die Treue zu halten, die er respektierte, auch wenn er sie nicht liebte!

Papa wird doch bald nach Hause kommen, nicht wahr?“

Maggie deckte Annamaria zu und lächelte liebevoll. „Aber natürlich, Kleines. In zwei Tagen kommt er zurück.“

„Ich vermisse ihn.“

„Ich weiß.“ Maggie strich dem Mädchen die dunklen Locken aus dem Gesicht und küsste es auf die Stirn. „Gute Nacht, Anna.“

„Gute Nacht, Maggie. Ich bin froh, dass du da bist.“

„Ich auch.“ Das hübsch verzierte Nachttischlämpchen ließ sie brennen, an der Tür schaltete sie das Deckenlicht aus und machte sich auf den Weg zu ihren eigenen Räumen, nicht ohne vorher noch einmal bei Gianfranco ins Zimmer zu sehen. Er schlief – endlich. Ein kleines Bündel unter vielen Decken in einem Rennwagenbett.

Für seine fünf Jahre war er groß, bald schon würde er ein richtiges Bett brauchen. Maggie fragte sich, ob das in ihren Entscheidungsbereich fiel. Es gab so viele Fragen, die sie ihrem noch abwesenden Arbeitgeber stellen wollte, nicht zuletzt, warum es schien, als warte jeder Bedienstete im Haus auf ihre Anweisungen, so als wäre sie die Haushälterin und nicht das Kindermädchen.

Es gab bereits eine Haushälterin, die auch für die Küche zuständig war, zwei Zimmermädchen und einen Gärtner, aber für wichtige Entscheidungen schienen alle auf Maggie zu schauen. Was diese sehr seltsam fand.

Diese Anstellung hier war ganz anders als ihre vorherige. Aber natürlich arbeitete sie jetzt für ein Regentenhaus. Ganz augenscheinlich herrschte hier eine andere Atmosphäre in Bezug auf das Personal. Seltsam oder nicht, ihr gefiel es, von ihren Kollegen respektiert zu werden, ebenso die Bedeutung, die ihr als Erzieherin der Kinder des Prinzen zukam.

Leise schloss sie Gianfrancos Zimmertür. Hoffentlich schliefen er und seine kleine Schwester gut. Ihr Vater hatte heute entgegen seiner Gewohnheit nicht angerufen, und es war schwierig gewesen, die Kinder zu beruhigen und ins Bett zu bekommen.

Die zwei brauchten sie, das war Maggie schon am ersten Tag klar geworden. Das Stellenangebot abzulehnen war eigentlich beschlossene Sache gewesen, doch dann hatte sie Anna und Gianni kennengelernt und sich sofort in die beiden verliebt. Und obwohl sie erst wenige Tage hier war, wurde ihr schon jetzt mulmig, wenn sie daran dachte, dass sie die beiden am Ende ihres Zweijahresvertrags wieder verlassen musste.

Sie selbst war in mehreren Pflegefamilien aufgewachsen, hatte sich während der College-Zeit mit verschiedenen Mitbewohnern die Unterkunft geteilt und bei zwei Familien in Diensten gestanden, aber noch nie hatte sie so schnell eine so tiefe Beziehung zu jemandem aufgebaut wie zu diesen beiden.

Mit Ausnahme von Tom Prince.

Und diese Beziehung hatte nur in Kummer geendet. So wie diese Stelle hier in Kummer enden würde.

Soweit Maggie das bisher beurteilen konnte, vermissten die Kinder ihren Vater unsagbar. Und ob Workaholic oder nicht, der Prinz bemühte sich, für sie da zu sein. Er rief Gianni und Anna täglich an, manchmal zweimal am Tag, und ließ sich erzählen, was die beiden erlebt hatten. Doch mehr Zeit blieb nicht.

Bei ihrer vorherigen Stelle war es ähnlich gewesen. Scheinbar war das in der Welt der Reichen so üblich. Die Zeit, die der Herr des Hauses mit seiner Familie verbrachte, war ebenso knapp bemessen gewesen.

Falls sie jemals heiraten sollte, dann einen Mann, der Teil einer Familie war, nicht nur deren Versorger. Sie wollte etwas Echtes, etwas, das ewig währte und Geborgenheit und Wärme bot … die Art Familie, von der sie während ihrer gesamten Kindheit geträumt hatte.

Mit einem Seufzer ließ sie sich auf das elegante viktorianische Sofa in ihrem kleinen Apartment fallen. Sie war jetzt sechsundzwanzig, langsam kamen ihr Zweifel, dass sie je einen Mann treffen würde, mit dem sie ihr Leben teilen wollte. Was sie am meisten bei diesem Gedanken schmerzte, war, dass sie dann auch keine eigenen Kinder haben würde.

Gähnend griff sie nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.

Hier in diesem erlauchten Kreis würde sie ganz bestimmt keinen passenden Mann treffen, so viel stand fest. Prinzessin Therese war wirklich sehr nett, aber ihr Mann, der Kronprinz, widmete sich ebenso gänzlich seiner Arbeit wie sein jüngerer Bruder. Maggie glaubte auch nicht, dass sich das mit der Ankunft von Nachwuchs ändern würde, und fragte sich, warum das Paar bisher noch keine Kinder hatte.

Sie zappte durch die verschiedenen Kanäle und fand schließlich einen ihrer Lieblingsliebesfilme, bei dem sie die Textpassagen fast schon mitsprechen konnte. Der Held erinnerte sie an den Mann, der als Einziger ihren Puls in schwindelnde Höhen getrieben und ihren Körper in Flammen gesetzt hatte.

Leider, genau wie der Held auf dem Bildschirm, hatte Tom Prince eine andere geheiratet. Eine wunderschöne, weltgewandte Frau mit enormem Sex-Appeal. Der Typ Frau, der alle Blicke auf sich zog, wenn sie einen Raum betrat. Der Typ Frau, der Maggie niemals sein würde.

Tom Prince war ihr Arbeitgeber und Wohngenosse gewesen, und entgegen allem, was sie behaupten mochte, der engste Freund, den sie jemals gehabt hatte. In letzter Zeit musste sie oft an ihn denken. Etwas an Anna und Gianni brachte Erinnerungen an ihn zurück.

Sie träumte auch wieder öfter … erotische Träume, in denen sie noch einmal die Gefühle durchlebte, die sie in jener schicksalhaften Nacht vor sechs Jahren in seinen Armen empfunden hatte.

Es war schwer genug gewesen, ihn an Liana zu verlieren und lernen zu müssen, ohne ihn zu leben. Maggie verstand nicht, warum das alles jetzt wieder aufgerührt wurde, und ihr behagte es noch weniger, diesen Kummer noch einmal durchmachen zu müssen.

Entschlossen, nicht mehr an die Vergangenheit und den damaligen Schmerz zu denken, versuchte sie sich auf den Bildschirm zu konzentrieren. Doch selbst die Hollywoodromanze schaffte es dieses Mal nicht, ihre Gedanken aus der Vergangenheit zurückzuholen …

Nervös strich Maggie sich den Rock glatt. Die Anzeige hatte um informelle Kleidung für das Interview gebeten, dennoch wollte sie einen guten ersten Eindruck machen.

Also hatte sie ihr langes blondes Haar zu einem Knoten aufgesteckt, in der Hoffnung, so ein wenig älter auszusehen als ihre zarten achtzehn Jahre. Sie trug eine weiße Bluse zu einem knielangen Rock und hatte das einzige Paar schlichte Pumps, das sie besaß, auf Hochglanz poliert. Auf Make-up hatte sie verzichtet. Den Lippenstift hätte sie sich doch nur nervös abgekaut.

Sie brauchte diesen Job. Das Gehalt war zwar nicht königlich, aber da Unterkunft und Verpflegung gestellt wurden, würde das Geld ausreichen, um ihr Studium zu finanzieren.

Sie klingelte und trat hastig einen Schritt zurück, als die Tür fast sofort aufgezogen wurde. Der Mann, der dort stand, war wesentlich jünger als erwartet, um genau zu sein, er konnte nicht viel älter sein als sie. Schwarze Locken und blaue Augen, dazu ein Gesicht und eine Statur wie von Michelangelo erschaffen.

„Es muss sich wohl um ein Missverständnis handeln. Ich muss an der falschen Adresse sein.“ Sie riss den Blick von diesem umwerfenden Mann los und sah die Straße hinunter zu den anderen Häusern.

„Sind Sie hier wegen der Haushälterinnenposition?“ Die tiefe Stimme schickte ihren Magen auf eine Achterbahnfahrt.

„Äh … ja.“

Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Ich hatte gedacht, Sie wären älter.“

„Ja, ich auch.“

„Sie dachten, Sie seien älter?“ Ein amüsiertes Funkeln trat in die blauen Augen.

„Nein, ich dachte, Sie seien älter.“

Er trat beiseite, um sie einzulassen. „Dann sind wir wohl beide überrascht worden.“

„Scheint so.“

„Ich bin Tom Prince. Sie müssen Maggie Thomson sein.“

„Richtig. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Prince.“

„Tom, bitte.“

„Nun gut.“ Sie folgte ihm ins Wohnzimmer und nahm ihm gegenüber auf dem Sofa Platz.

„Sie haben Erfahrung im Haushalt?“

Wenn sie an all die Jahre dachte, in denen sie den Haushalt und die Kinder ihrer kränkelnden Pflegemutter versorgt hatte, konnte sie nur nicken. „Ja, sehr viel sogar.“ Da ihr klar wurde, dass das als Antwort kaum reichte, beschrieb sie ihre Pflichten.

Tom runzelte die Stirn. „Sie haben sich um das Haus, die Kinder und Ihre Pflegemutter gekümmert, während Sie noch einem Nebenjob nachgegangen sind?“

„Ich bin gut darin, mehrere Sachen auf einmal zu organisieren.“ Das sprach doch sicherlich für sie.

„Und jetzt, mit achtzehn, sind Sie ausgezogen?“

„Mit achtzehn fällt man aus dem Pflegesystem heraus. Helen erhält keine Zuwendungen mehr für mich. Ich musste gehen, damit sie ein anderes Pflegekind aufnehmen kann.“

Es tat weh zu erfahren, dass Maggie für ihre Pflegemutter nicht mehr als eine Einkommensquelle war, nach allem, was sie für sie getan hatte. Das sagte sie Tom allerdings nicht.

Doch er war empfindsam genug, um auch zwischen den Zeilen zu lesen. Dennoch fragte er nur: „Das geringe Gehalt schreckt Sie nicht ab?“

„Nein. Um ehrlich zu sein, es wäre ein Geschenk des Himmels. Mein Stipendium reicht nicht für die Lebenshaltungskosten.“

„Sie erhalten ein Stipendium für Ihre Universitätsausbildung? Das bekommen nur die Besten.“

Maggie zuckte unbeteiligt die Schultern. Ihre Intelligenz hatte sie immer als gegeben angenommen. Wäre sie nicht fähiger als andere, hätte sie schon auf der Highschool versagt, einfach, weil ihr bei all den anderen Pflichten keine Zeit geblieben war, um zu lernen.

„Was ist Ihr Hauptfach?“

„Frühkindliche Entwicklung.“

Er belächelte sie nicht, so wie viele andere. Die Vorstellung, einen Universitätsabschluss zu machen, um Kinder zu erziehen, fanden die meisten eher amüsant.

„Eines Tages möchte ich meinen eigenen Vorschulkindergarten aufmachen.“

„Dann sollten Sie zusätzlich einen Kurs in Betriebswirtschaftslehre belegen.“ Der Rat klang nahezu wie ein Befehl.

Es störte sie nicht. „Das habe ich vor.“

Er nickte zustimmend, und das Bewerbungsgespräch ging weiter. Überraschenderweise konnten sie viele Gemeinsamkeiten feststellen. Keiner von ihnen beiden sah viel fern, beide lasen die gleichen Autoren und teilten auch einen ähnlichen Sinn für Humor. Es war nett.

Sie hatte erwartet, in seiner Gegenwart befangen zu sein, doch obwohl er der bestaussehende Mann war, der ihr je begegnet war, spielte er sein Aussehen nicht aus. Weder bildete er sich etwas darauf ein, noch war er arrogant.

Als das Gespräch zum Ende kam und Maggie schon gehen wollte, hob er an: „Eines möchte ich noch besprechen, bevor ich meine Entscheidung fälle.“

„Ja?“

Zum ersten Mal in den fünfundvierzig Minuten wirkte er nicht ganz so selbstsicher. „Ich denke, wir könnten Freunde sein.“

Sie nickte zustimmend.

„Ich mag Sie, Maggie.“

„Ich Sie auch.“

Er wurde ernster. „Sie wissen, dass Sie hier wohnen würden.“

„Ja, für mich ist das optimal.“

„Wenn ich Sie anstelle, müssen Sie versprechen, nie den Versuch zu unternehmen, aus unserer Freundschaft mehr zu machen. Aus Ihrem Bewerbungsschreiben hatte ich geschlossen, Sie seien älter … Ich hatte nicht damit gerechnet, dieses Thema überhaupt aufbringen zu müssen, doch es muss vorab geklärt werden. Ich lasse mich nicht mit Leuten ein, die für mich arbeiten. Niemals.“

Sie starrte ihn verständnislos an. Er schien zu jung, um solche Prinzipien zu haben, aber sie erwartete auch nicht, dass er mit ihnen brach.

Als sie schwieg, wurde seine Miene grimmiger. „Sollte ich Sie nackt in meinem Bett vorfinden, entlasse ich Sie fristlos.“

Maggie konnte nicht anders und brach in helles Gelächter aus. Die Vorstellung, sie, Maggie, könnte so etwas tun, etwas so Unverfrorenes, etwas so Absurdes … Sie riss sich zusammen, als sie die tiefen Falten auf seiner Stirn bemerkte. „Entschuldigen Sie, ich hätte nicht lachen dürfen.“

„Es ist mein voller Ernst.“

Seltsam, wie formell er manchmal sprach. „Ist Ihnen das vorher schon mal passiert?“

„Ja“, erwiderte er knapp.

Hoppla. Nun gut. „Ich verspreche hoch und heilig beim Grab meiner Eltern, dass ich niemals in Ihr Bett steigen werde, weder nackt noch anders.“

„Sie werden also nicht versuchen, mich zu verführen?“

Es kostete sie Mühe, nicht wieder loszukichern. „Würden Sie mich besser kennen, wäre Ihnen klar, was für eine lächerliche Vorstellung das ist. Glauben Sie mir, um so etwas brauchen Sie sich bei mir nie Gedanken zu machen. Es ist nicht meine Art, willenlosen Männern den Kopf zu verdrehen. Ich wurde dazu erzogen, bis nach der Hochzeit zu warten, und das habe ich auch vor. Selbst wenn Sie die Reinkarnation von John Wayne wären, ich werde nicht in Ihr Bett klettern und Sie anflehen, mit mir zu schlafen, okay?“

„Sie schwärmen für John Wayne?“

Nun konnte sie das Lachen nicht länger unterdrücken. „Lassen wir das … Auf jeden Fall haben Sie von mir nichts zu befürchten.“

Das Lächeln, das sich jäh auf seinem Gesicht ausbreitete, ließ ihr die Knie weich werden.

„Sie haben den Job.“

2. KAPITEL

Eine Woche später zog Maggie in sein Haus ein.

Der Job war angenehm, Tom ein ordentlicher Mensch, und obwohl er offensichtlich an Geld gewöhnt war, verlangte er keine Luxusmahlzeiten. Maggie blieb genügend Zeit, Haushalt und Studium bequem unter einen Hut zu bringen. Zudem gab Tom ihr das Gefühl, sein Haus sei auch ihr Heim. Solange sie ihre Pflichten zu seiner Zufriedenheit erledigte, sah es so aus, als würde sie für eine lange Zeit ein Dach über dem Kopf haben.

Einen Wermutstropfen gab es allerdings in diesem perfekten Arrangement: Sie verliebte sich Hals über Kopf in Tom. Dabei hatte er ihr doch deutlich klargemacht, dass es nie mehr als Freundschaft zwischen ihnen geben konnte.

Seine Freundinnen waren weltgewandte Schönheiten, bei deren Anblick Maggie sich unendlich unzulänglich vorkam. Jede einzelne von ihnen führte ihr unmissverständlich die Wahrheit vor Augen: Würde sie nicht für ihn arbeiten, Tom Prince sähe sie nicht einmal an.

Mitten in seinem Examensjahr trennte Tom sich von seiner letzten Freundin. Anstatt eine neue Beziehung mit der nächsten Schönheit einzugehen, bat er Maggie, wenn er Gesellschaft brauchte, mit ihm ins Kino zu gehen, in ein Restaurant, ja sogar zu Partys.

Selbst heute, nach sechs Jahren, erinnerte sie sich noch an die Gefühle, die sie damals empfunden hatte.

Es war eine Mischung aus Himmel und Hölle. Auf der einen Seite genoss sie die Zeit mit ihm, andererseits litt sie unsagbar. Sie wusste genau, sollte sie je versuchen, die Freundschaft zu etwas anderem zu machen, würde er sie auf der Stelle feuern. Sie war nicht naiv genug, sich einzubilden, dass sein verändertes Verabredungsmuster auch nur das Geringste mit ihrer Person zu tun hatte.

Bis zu jenem Abend.

Maggie lag mit einem Fachbuch zusammengerollt auf dem Sofa, als Tom nach Hause kam. Er sah umwerfend aus in engen Jeans und dem dunkelblauen Kaschmirpullover und erweckte Bilder in ihr, die ihren jungfräulichen Prinzipien ganz und gar widerstrebten.

Sie konnte nur hoffen, dass er es ihr nicht ansah. „Hi. Isst du heute zu Hause?“

Er warf seine Unterlagen auf den Tisch. „Ich dachte, wir könnten zusammen zum Essen ausgehen.“

„Das wäre schön, aber ich muss lernen.“ Sie deutete auf die Bücher um sich herum. „Zwischenprüfung.“

„Du arbeitest zu viel. Du brauchst eine Pause.“

„Nein, brauche ich nicht.“ Ihr Leben war jetzt einfacher, als es je gewesen war. „Du bist verwöhnt.“

„Sicher, du bist es doch, die mich verwöhnt.“ Er kam auf sie zu. „Deshalb möchte ich dir einmal etwas Gutes tun und dich zum Essen einladen.“

„Ich kann nicht, wirklich nicht, Tom. Morgen habe ich drei Tests.“

Er schüttelte missbilligend den Kopf. „Wenn du nicht ständig zusätzliche Seminare belegen würdest, müsstest du auch nicht so viele Arbeiten schreiben.“

„Je eher ich mit dem Studium fertig bin, desto schneller kann ich in die Arbeitswelt hinaus.“

„Wenn du mich für deinen Lebensunterhalt aufkommen lassen würdest, hättest du diese Sorgen nicht.“

„Was du jetzt für mich tust, ist mehr als genug.“

„Du bist nur stur. Ich tue nämlich nichts für dich, was du nicht verdient hättest.“

„Aber wenn du nächstes Jahr nicht mehr hier lebst, kannst du das nicht mehr behaupten.“

„Könntest du es nicht einfach als eine Art Stipendium ansehen?“

„Nein.“

„Und was machst du dann nächstes Jahr?“

„Ich suche mir einen Job oder zwei. Und eine Wohnung. Da ist ein Mädchen im BWL-Kurs. Wir haben schon darüber geredet, zusammenzuziehen.“ Sie hasste es, an die Zeit zu denken, wenn Tom fortging. Ihr drängte sich der schreckliche Verdacht auf, dass sie ihn auf immer vermissen würde.

„Es gibt keinen Grund, warum du nicht weiter hier wohnen solltest.“

„Natürlich gibt es den. Es ist nicht mein Haus.“

„Aber meines. Ich brauche jemanden, der darauf aufpasst.“

„Es wäre wie ein Almosen, und das nehme ich nicht an. Also dränge nicht darauf.“

Er lächelte plötzlich verschmitzt, ganz männliche Überlegenheit. „Ich bin eigentlich ziemlich gut darin, meinen Kopf durchzusetzen.“

„Ich weiß. Schließlich lebe ich jetzt schon eine Weile mit dir.“

Er nahm ihr das Buch aus der Hand, fasste sie bei den Handgelenken und zog sie auf die Füße. „Dann solltest du schlicht akzeptieren, dass ich gerne mit dir zum Essen ausgehen möchte.“

Überrascht schnappte sie nach Luft. „Ich muss lernen.“

„Du musst essen. Und vielleicht gibt’s einen Film, den wir uns hinterher ansehen können. Du brauchst eine Pause, ich weiß das.“

„Für nicht einmal fünfundzwanzig bist du ziemlich überzeugt von dir“, seufzte sie theatralisch.

„Ich weiß. Ich wurde dazu erzogen.“

„Vermutlich.“ Sie hatte ihn nie nach seiner Familie gefragt. Das war ein Thema, über das er eindeutig nicht reden wollte. Man musste allerdings kein Genie sein, um zu ahnen, dass er aus ziemlich gutem Hause kam. „Warum bittest du nicht eine von deinen Freundinnen?“

„Tue ich doch. Dich.“

„Ich bin deine Haushälterin.“

„Und meine Freundin.“

Möglich. Nur konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie sich nach dem Studium regelmäßig anrufen und Weihnachtskarten schreiben würden.

Dieser Gedanke gab schließlich den Ausschlag. Ihre verbleibende Zeit mit Tom Prince war begrenzt. Sie würde jede Minute auskosten. „Na schön. Ich lerne, wenn wir zurückkommen. Aber wir sollten in eine frühe Vorstellung gehen.“

„Dein Wunsch ist mir Befehl, kleine Maggie.“ Sein Versprechen besiegelte er mit einem Kuss.

Auf ihre Lippen.

Das hatte er noch nie gemacht.

Ihr Verstand sagte ihr, dass es nur eine freundschaftliche Geste war. Ihr Körper jedoch schien anderer Ansicht. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen, hießen ihn willkommen. Tom nahm die unmissverständliche Einladung an und vertiefte den Kuss.

Maggie hatte schon davon geträumt, doch kein Traum kam der Wirklichkeit gleich. Seine Lippen und seine Zunge erkundeten ihren Mund so meisterlich, dass ihr ein wohliger Seufzer entschlüpfte. Er legte die Hände auf ihre Hüften und zog sie enger an sich heran, sodass sie den Beweis seiner Erregung fühlen konnte. Ihr war nicht ganz klar, was das zu bedeuten hatte, aber sie war viel zu beschäftigt, diesen wunderbaren Kuss zu genießen, um genauer darüber nachzudenken.

Die leise Stimme der Vernunft, die streng fragte, was sie da machte, verhallte ungehört. Da war diese andere, viel lautere Stimme, die ihr zuflüsterte, dass sich ihr eine solche Chance nie wieder bieten würde. Die Maggie drängte, alles mit ihm zu erfahren, was sie konnte.

Die Hände an ihrem Rücken, schob Tom sie leicht rückwärts. Maggie stolperte, und bevor er sie auffangen konnte, fielen sie gemeinsam auf das Sofa, dann glitten sie auf den Boden. Erstaunlicherweise, ohne dass sich ihre Lippen voneinander lösten. Tom stöhnte rau auf und legte sich auf sie, drängte seinen Oberschenkel zwischen ihre Beine. Maggie erstarrte regungslos, jedes Nervenende in ihr vibrierte.

Das war zu viel. Etwas zu hastig wandte sie den Kopf zur Seite. Ein leiser, gequälter Laut entrang sich ihren Lippen.

Tom sah auf sie herunter, Gefühle spiegelten sich auf seiner Miene, die sie nicht zu deuten wusste. „Hab ich dir wehgetan?“

Unfähig, etwas zu sagen, schüttelte sie den Kopf und schloss die Augen. Sie würde die Verachtung in seinem Blick nicht ertragen können. Schließlich hatte sie versprochen, so etwas nie zu tun, doch scheinbar hatte ihr Verstand die Kontrolle über ihren Körper verloren. Die Tatsache, dass ihr Körper nur ihrem Herzen gehorchte, war da keine Entschuldigung.

„Maggie, sieh mich an.“ Es klang eher wie ein Befehl als eine Bitte.

Nur zögernd öffnete sie die Augen. „Es tut mir leid“, flüsterte sie erstickt.

Doch in Toms Gesicht war gar kein Ärger zu erkennen. Vielmehr schaute er sie so zärtlich an wie noch nie zuvor. „Wieso?“

Ihr Blick glitt zu seinen Lippen. „Weil ich dich geküsst habe.“

„Ich habe doch dich geküsst.“

Aber sie hatte ihn um mehr gebeten. Sie hatte sich an ihn geschmiegt, ihre Lippen für ihn geöffnet. Wieder schüttelte sie nur den Kopf.

„Du willst mich.“ Er klang erstaunt, und dennoch war da keine Wut, weil sie die Vereinbarung gebrochen hatte. „Seit wann schon?“

Sie wandte das Gesicht ab, ihr Stolz verbot es ihr, eine Antwort zu geben.

Er legte den Finger an ihr Kinn und zwang sie so, ihn wieder anzusehen. „Ich will dich auch.“

Es war wie ein Schock. „Wirklich?“, fragte sie ungläubig.

Mit einem verführerischen Lächeln presste er sie hart an sich. „Nun, es lässt sich wohl nicht verheimlichen.“

Als ihr klar wurde, was er andeuten wollte, lief sie purpurrot an. Wieder lachte er auf, bevor er seine Lippen auf die ihren senkte. Dieses Mal erforschte er das Innere ihres Mundes, kostete von ihrer Süße. Maggie seufzte leise auf. Jede Berührung war neu für sie, jede Liebkosung ein Schritt in eine unbekannte und doch so verlockende Welt. Eine Welt, in der Leidenschaft regierte, in der Sinnlichkeit alles bestimmte.

Er streichelte ihren Rücken, ihren Po. Jede seiner Berührungen entfachte ein Feuer in ihr, das sie nicht für möglich gehalten hatte. Als seine Hand sich schließlich um die sanfte Rundung ihrer Brust legte, glaubte sie vor Sehnsucht vergehen zu müssen. Sie wollte Tom berühren, wollte ihn spüren ohne die störenden Barrieren von Stoff und Kleidung. Mutig schob sie die Hände unter seinen dunklen Kaschmirpullover. Seine Haut war heiß, heißer als erwartet, und diese Hitze schien sich auf ihren Körper zu übertragen. Nur vage nahm sie wahr, dass er ihre Bluse öffnete und sie ihr vorsichtig über die Schultern streifte. Endlich spürte auch sie seine Hand auf ihrer nackten Haut. Ein angenehmer Schauer überlief sie, und die Knospen ihrer Brüste richteten sich auf.

Tom hauchte federleichte Küsse auf ihren Hals, ihren Nacken, ihre Brüste. „Du bist wunderbar, Maggie.“

Sein Mund umschloss zuerst die eine, dann die andere der rosigen Knospen, liebkoste sie, und Maggie entfuhr ein heiseres Stöhnen. „Ich … ich habe immer geahnt, dass es wunderbar sein muss, aber das hier übertrifft alles“, stammelte sie hilflos.

Sie hätte nicht sagen können, wie es geschehen war, aber plötzlich trug er keinen Pullover mehr, und sie konnte seinen bloßen Oberkörper auf ihrer Haut spüren. Seine Hand glitt über ihren Bauch und löste ihren Jeansbund, um seinen Fingern den Weg zu ihrer geheimsten Stelle frei zu machen.

Als er sie dort berührte, schrie sie leise auf.

„So ist es gut, bella, lass mich deine Leidenschaft spüren.“

Sie starrte ihn an. Wer war diese Bella? Doch ihre Gedanken wurden abgelenkt, als sie plötzlich ein unangenehmes Ziehen spürte.

„Du bist noch Jungfrau?“, fragte er verdutzt, ohne jedoch seine Hand fortzunehmen.

„Ja.“

Es flackerte in seinen Augen auf, und er flüsterte Worte in einer Sprache, die sie nicht verstand, während er unablässig Küsse auf ihr Gesicht und ihren Hals regnen ließ. Überwältigt von den Empfindungen, bemerkte sie nicht einmal, dass er ihr die Jeans von den Beinen streifte.

„Tom?“

„Was, bella?“

Dass er schon wieder den Namen der anderen Frau benutzte, brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Natürlich hielt er sie für eine andere, sonst würde er sie doch gar nicht begehren. Unter diesen Voraussetzungen konnte sie ihm ihre Jungfräulichkeit nicht schenken. „Was machst du da?“, fragte sie wenig geistreich.

Er lachte heiser auf. „Ich werde dich lieben.“

Mit Liebe hatte es nichts zu tun, es war nur Sex. Und sie wusste nicht, ob sie das wollte. „Ich bin Jungfrau.“

„Ich weiß.“

„Ich nehme die Pille nicht.“

Tom fuhr unbeirrt fort, sie weiter auszuziehen. „Ich kümmere mich um den Schutz.“

„Aber …“ Abwehrend bedeckte sie die Brüste mit ihren Händen. „Bitte, Tom, warte.“

Er hielt überrascht inne. „Willst du jetzt einen Rückzieher machen?“

„Du hast mich Bella genannt.“

„Ja. Und? Muss ich dir das erklären?“

„Nein!“ Allein der Gedanke, von einer anderen Frau zu hören, die er liebte, war entsetzlich.

Jetzt sah er verwirrt drein. „Wo liegt dann das Problem?“

War er wirklich so begriffsstutzig? „Ich will nicht mit dir schlafen, während du an eine deiner anderen Freundinnen denkst.“

„So etwas würde ich nie tun.“ Er schien ehrlich beleidigt.

Sie wünschte, sie könnte ihm glauben. Doch die Angst, nur Ersatz zu sein, war stärker. „Ich bin noch nicht so weit.“

„Ich denke schon.“

„Außerdem sagtest du, du würdest mich feuern, sollte ich dich verführen. Was würde passieren, wenn wir jetzt miteinander schliefen?“

Enttäuschung blitzte in seinen blauen Augen auf, seine Miene wurde verschlossen. „Es würde mit Sicherheit eine gute Freundschaft ruinieren“, kam die zynische Antwort.

Das hatte sie nicht hören wollen. Sie schluckte trocken. „Du hast recht. Es wäre dumm, das für eine Nacht zu opfern.“

Tom wich ein paar Schritte zurück. „Ich werde dich zu nichts zwingen, wenn du meinst, es schadet dir“, erklärte er bitter.

„Das weiß ich.“

Ohne zu antworten, ließ er sich auf das Sofa sinken. Er hatte den Blick auf den Boden gerichtet, und nur sein heftiger Atem ließ darauf schließen, dass er aufgewühlt war.

Maggies Wangen brannten vor Scham, während sie sich hastig anzog. „Tom, ich …“

Als er sich jetzt an sie wandte, war sein Blick leer, und seine Stimme klang kühl. „Wenn ich dich nackt in meinem Bett finden sollte, würde ich dich nicht feuern.“ Das war alles, was er sagte, dann stand er auf, griff nach seinem Pullover und verließ ohne weiteres Wort das Haus.

Das Echo der zuschlagenden Tür hallte wie Donner in ihren Ohren, und Maggie war allein.

Hatte er sie wirklich begehrt?

Und wer war Bella?

Ungeweinte Tränen brannten in ihren Augen. Hatte sie gerade den größten Fehler ihres Lebens verhindert oder begangen?

Diese Fragen gingen Maggie die ganze nächste Woche über nicht mehr aus dem Kopf. Sie wachte morgens mit ihnen auf, wurde während des gesamten Tages von ihnen verfolgt, und abends hinderten sie sie am Einschlafen.

Wenn sie dann schlief, träumte sie von Tom und den Freuden, die er ihr bereitet hatte. Ihr Verlangen nach ihm wuchs ins Unermessliche. Nur zwei Dinge hielten sie davon ab, in sein Bett zu kriechen: die Erinnerung daran, wie er sie mit dem Namen einer anderen Frau angesprochen hatte, und die Tatsache, dass er kaum noch zu Hause war. Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass Ersteres weniger Bedeutung hätte, wenn Letzteres nicht der Fall gewesen wäre.

Auch wenn sie nicht als Ersatz herhalten wollte, so war die Versuchung doch unendlich groß, es darauf anzulegen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Vor allem, da die Distanz zwischen ihnen mit jedem Tag wuchs und Tom immer weniger Zeit mit ihr oder im Haus verbrachte.

Er hatte sie gewollt, und er hatte sie praktisch in sein Bett eingeladen. Zwei Sachverhalte, die sie nicht vergessen konnte.

Letztendlich war es die Angst, das zu verlieren, was sie mit ihm hatte, die ihr die Entscheidung abnahm. Tom hatte angerufen und Bescheid gesagt, sie solle sich keine Gedanken um das Abendessen machen, er nehme an einer Studiengruppe teil. An einem Freitagabend. Als ob das je vorgekommen wäre! Nein, er ging ihr aus dem Weg. Und das konnte sie nicht länger ertragen!

Mittlerweile war es nach elf. Natürlich hatte sie gewusst, dass es schwer werden würde, ihn im Frühjahr gehen zu sehen. Niemals geahnt hätte sie jedoch, wie unmöglich es war, im gleichen Haus zu leben und ihn schon vorab zu verlieren. Falsch oder nicht, sie würde mit ihm schlafen. Vielleicht konnte das die Nähe wiederherstellen, die vor dieser dummen Episode zwischen ihnen bestanden hatte. Für eine Zukunft mit dem Mann, den sie liebte, wollte sie alles versuchen … selbst wenn diese Zukunft nicht von langer Dauer sein würde.

Maggie zog sich ihr Nachthemd über. Um sich nackt in sein Bett zu stehlen, war sie nicht mutig genug. Wäre er im Haus, hätte sie es niemals gewagt, so aber ging sie mit zögernden Schritten über den dunklen Gang zu seinem Schlafzimmer. Wenn er zurückkam und sie in seinem Bett vorfand, würde er verstehen. Er war feinsinnig und empfindsam, sie brauchte dann nichts zu erklären.

An diesen Gedanken klammerte sie sich, als sie unter die Decke schlüpfte. Sie würden sich lieben, und diese schreckliche Leere in ihrer Brust würde endlich aufgefüllt werden.

Während sie auf ihn wartete, wurden ihr die Lider schwer. Eine Woche voll schlafloser Nächte forderte ihren Tribut. Die letzte Erinnerung, die Maggie hatte, war der Blick auf den Digitalwecker neben dem Bett. Inzwischen war es nach Mitternacht.

Maggie wachte auf, als sie flüsternde Stimmen am Bett hörte. Die Matratze senkte sich, im gleichen Moment flammte die kleine Nachttischlampe auf. Maggie schnappte hilflos nach Luft.

Tom stand da, die Hand auf der Schulter einer umwerfend aussehenden Brünetten mit dunkelbraunen Augen, deren Bluse offen stand und damit perfekte weibliche Kurven, verhüllt in schwarzer Spitze, erkennen ließ.

„Maggie! Was machst du denn hier?“ Schockiert riss Tom die Augen auf.

„Schlafen“, entfuhr es ihr. Mehr hätte sie nicht herausgebracht, und wenn ihr Leben davon abgehangen hätte.

Die Brünette musterte sie mit einem abschätzigen Blick. In Toms Augen jedoch war Verstehen zu erkennen. Und Bedauern. Ein Bedauern, das mehr schmerzte als der verächtliche Blick seiner Freundin.

„Maggie, ich …“ Zum ersten Mal, seit sie Tom Prince kannte, war er um Worte verlegen.

Seine Begleiterin allerdings nicht.

„Warum liegt deine Haushälterin in deinem Bett?“, fragte sie voller Argwohn.

„Ich hatte vergessen, ihr zu sagen, dass ich heute nach Hause komme. Es ist Waschtag, ihr Bettzeug ist wohl noch in der Reinigung.“ Als improvisierte Ausrede war das gar nicht mal so schlecht.

Die aparte Schönheit verzog abfällig die Lippen. „Dann hätte sie auf dem Sofa schlafen sollen.“

„Hätte ich wohl“, murmelte Maggie. Vorwurfsvoll schaute sie zu Tom. „Es war ein Fehler, in dieses Zimmer zu kommen.“

„Das Timing ist wirklich sehr unglücklich“, gab er bedeutungsvoll zurück.

„Nun, das lässt sich sicherlich schnell richten, nicht wahr?“, mischte sich die Brünette hochmütig ein.

„Natürlich, sofort.“ Maggie kletterte aus dem Bett und dankte dem Himmel für das biedere weiße Nachthemd. Wäre sie nackt gewesen, sie hätte es nicht überlebt. So oder so war die Erniedrigung kaum zu ertragen.

Wortlos hastete sie zur Tür hinaus und in ihr Zimmer. Wie hatte sie sich nur einbilden können, Tom Princes Interesse an ihr könne mehr als ein Ausrutscher sein? Sie war so dumm gewesen zu glauben, er könne sie wirklich begehren. Alles nur ein Produkt ihrer überaktiven Fantasie, Wunschträume, mehr nicht! Aber dann hätte er nicht sagen sollen, was er gesagt hatte. Es war nicht fair.

Maggie fühlte sich, als würde sie den Boden unter den Füßen verlieren. Zitternd ließ sie sich auf ihr Bett sinken. Und zum ersten Mal seit Jahren ließ sie den Tränen freien Lauf.

In diesem Moment hasste sie Tom Prince ebenso stark, wie sie ihn liebte.

3. KAPITEL

Die Aussprache mit Tom am nächsten Morgen brachte keine Klärung. Fest stand nur, dass ihre Beziehung sich unwiederbringlich verändert hatte. Also begab Maggie sich unverzüglich auf die Suche nach einer anderen Stelle – und einer anderen Wohnung. Für sie und Tom gab es keine Zukunft mehr.

Es überraschte Maggie deshalb nicht, als er der anderen Frau schon nach kurzer Zeit einen Antrag machte. Seine Einladung zu der pompösen Hochzeitsfeier schlug sie aus. Sie hätte es nicht ertragen können, ihn mit einer anderen vor den Altar treten zu sehen. Doch wünschte sie ihm alles Glück der Welt. Schließlich liebte sie ihn.

Bei seiner Abschlussfeier jedoch war sie anwesend gewesen. Von ihm unbemerkt hatte sie auf einem der hinteren Plätze Platz genommen und war nach Überreichung der Urkunde sofort wieder verschwunden.

Danach hatte sie Tom Prince nie wieder gesehen. Aber vergessen konnte sie ihn auch nicht. Manche Menschen liebten nur einmal, offensichtlich gehörte sie dazu. Tom Prince hatte eine Frau geheiratet, die seiner würdig war. Doch ein Teil von Maggies Herzen würde immer ihm gehören …

Maggie mochte vielleicht eine knappe Stunde geschlafen haben, als sie einen kleinen Körper neben sich im Bett spürte.

Sie öffnete die Augen. „Gianni?“

„Anna hat Angst bekommen, Maggie. Sie will bei dir schlafen.“

Wie zum Beweis für die Worte ihres Bruders kuschelte sich jetzt das kleine Mädchen auf der anderen Seite an Maggie.

„Und du hast auch Angst?“, fragte Maggie flüsternd.

Im Halbdunkel nickte der kleine Junge. „Ich hatte einen bösen Traum.“

Papa fehlt mir“, hörte sie Anna sagen.

Maggie war zu müde, um sich auf große Debatten einzulassen. Also zog sie die beiden an sich heran, schaltete den Fernseher aus und schlief ebenfalls wieder ein.

Zwei Stunden später jedoch und nach mehreren Treffern von kleinen spitzen Ellbogen in empfindlichen Körperteilen ergab Maggie sich ihrem Schicksal und kletterte aus dem Bett. Sie würde sich einen anderen Ort zum Schlafen suchen müssen.

Doch wo? Die Kinderbetten waren zu klein, das viktorianische Sofa zu kurz. Ihres Wissens nach war das Bett im Zimmer von Giannis und Annas Vater das einzige, das fertig bezogen war.

Schlaftrunken taumelte Maggie über den Gang. Ihr Arbeitgeber würde es nie erfahren. Am Morgen würde sie sofort die Wäsche wechseln, und wenn er dann am nächsten Tag zurückkam, wäre alles ganz normal. Niemand würde etwas merken.

Sie schob das aufwendig bestickte Zierkissen und die Brokatdecke beiseite und schlüpfte ins Bett. Der Duft der seidenen Laken erinnerte sie schwach an etwas, aber sie war viel zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen.

Tomasso zwang seinen müden Verstand, sich an die richtige Kombination des Sicherheitscodes zu erinnern und öffnete leise das Tor zur Villa. Endlich zu Hause. Endlich wieder auf Diamante, der zweitgrößten Insel der Isole dei Re-Gruppe. In den letzten fünf Tagen hatte er fast ohne Pause gearbeitet. Er vermisste die Kinder. Und er war neugierig auf Maggie.

Sechsunddreißig Stunden war er jetzt auf den Beinen, nur im Flugzug hatte er ein wenig geschlafen. Er stöhnte leise auf. Das Glas Wein und der Scotch, den er sich zum Dinner genehmigt hatte, vertrugen sich scheinbar nicht gut mit den Tabletten gegen die Reiseübelkeit, die er vor jedem Flug einzunehmen pflegte. In den ganzen dreißig Jahren seines Lebens war er nie betrunken gewesen, aber sein jetziger Zustand musste dem wohl sehr nahe kommen.

Vorsichtig schlich er die Treppen hinauf. Sein Herz klopfte aufgeregt. Morgen würde Maggie erfahren, dass sie für ihn arbeitete. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie reagieren würde, aber da ihr die Kinder bereits ans Herz gewachsen waren, würde sie wohl kaum auf dem Absatz kehrtmachen und gehen.

Bislang lief alles bestens. Er hatte nichts dem Zufall überlassen und alles genauestens geplant. Genau wie er es in seinem Unternehmen machte. Im Gegensatz zu seiner katastrophalen Ehe, wo er sich von Lust und unvernünftigen Gefühlen hatte leiten lassen, gedachte er die Situation mit Maggie anzugehen wie jedes Geschäft – kühl, gelassen, den Blick einzig darauf gerichtet, das anvisierte Ziel zu erreichen.

Ganz gleich, wie ihre Reaktion ausfallen sollte, weil sie wieder für Tom Prince arbeitete – oder genauer, für Principe Tomasso, den zweitgeborenen Sohn des Königshauses Scorsolini der kleinen Inselgruppe Isole dei Re … er hatte keineswegs die Absicht, sie noch einmal gehen zu lassen.

Er stellte seine Aktenkoffer in dem großzügigen Arbeitszimmer ab und ging mit der Reisetasche ins angrenzende Schlafzimmer. Auf einen Knopfdruck illuminierte gedämpftes Licht den Raum. In seinen Augen jedoch brannte es grell wie Spotlights. Himmel, diese Reisetabletten würde er nie wieder nehmen!

Tomasso lockerte sich gerade die Krawatte, als sein Blick auf das Brokatkissen fiel, das neben dem Bett auf dem Boden lag. Überrascht runzelte er die Stirn. Seit wann herrschte hier so eine Unordnung? Das Personal war praktisch unfehlbar, und seine Kinder hatten zu viel Respekt, um sich in seinem Schlafzimmer eine Kissenschlacht zu liefern.

Sein Blick glitt zum Bett – und er erstarrte.

Da lag jemand!

Wer besaß eine solche Unverfrorenheit, hier einzudringen? Keine Frau, die er kannte, würde an den Sicherheitsleuten vorbeikommen, keine Glücksjägerin konnte von seinem absolut loyalen Personal Hilfe erwarten.

Allerdings wusste auch niemand, dass er heute zurückkommen würde. Jeder vermutete ihn noch außer Landes.

Er trat näher an das Bett heran und riskierte einen Blick. Um die Frau überhaupt erkennen zu können, musste er eine blonde Strähne aus ihrem Gesicht streichen. Er tat es sehr vorsichtig, um sie nicht zu wecken.

Unglaube mischte sich mit Triumph, als er den Eindringling erkannte.

Maggie.

Was tat sie in seinem Bett?

Bilder an ein anderes Bett, an eine andere Zeit stiegen in ihm auf.

Bilder, die ihn heute noch immer erregten.

Sie hatten sich leidenschaftlich geküsst und fast miteinander geschlafen – obwohl sie noch Jungfrau gewesen war. Doch im letzten Moment hatte sie die Notbremse gezogen und sich für ihren Job – und gegen ihn – entschieden.

Er war enttäuscht und wütend zurückgeblieben, auch sein Ego war in Mitleidenschaft gezogen worden. Deshalb hatte er sich nach dieser herben Zurückweisung von Maggie ferngehalten und sich darauf konzentriert, sein Selbstbewusstsein und seine Libido wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Dann war sie in jener Nacht vor sechs Jahren in sein Bett gekommen. Eine Einladung, die er hatte ausschlagen müssen. Denn Liana war bei ihm gewesen und damit die letzte Chance, die er je mit Maggie gehabt hatte, endgültig vorbei.

Jetzt lag Maggie wieder in seinem Bett. Ein völlig unerwarteter Wink des Schicksals, Fehler aus der Vergangenheit zu berichtigen. Sein Verstand sagte ihm, dass etwas an diesem Szenario nicht stimmte. Sie wusste ja nicht einmal, dass sie für ihn arbeitete, also konnte das hier auch nicht als Einladung gedacht sein. Dass sie hier lag, hatte wahrscheinlich eine banale Erklärung, so wie er sie damals vor sechs Jahren für Liana erfunden hatte.

Diese logische Schlussfolgerung gefiel ihm ganz und gar nicht.

Na schön, er war vielleicht übermüdet und sein Verstand arbeitete nicht so effektiv wie sonst, dennoch … Maggie Thomsons Anwesenheit in seinem Bett war eindeutig Schicksal. Sie gehörte zu ihm. Er hätte es schon früher erkennen müssen …

Nein, Moment. Er wollte doch erst herausfinden, ob sie so perfekt in sein Leben passte wie damals. Gab es einen besseren Weg, das zu testen, als das Bett mit ihr zu teilen? Eigentlich war es der Kernpunkt. Dass Maggie mit seinen Kindern zurechtkam, wusste er bereits von Therese.

Er wägte das Für und Wider ab, während er begann, sich auszuziehen. Letztendlich war es die pure körperliche Erschöpfung, die ihm die Entscheidung abnahm. Er war zu müde, um sich einen anderen Schlafplatz zu suchen.

Vorsichtig schlüpfte er unter die Laken. Nackt. Er hatte noch nie Pyjamas getragen, und er würde auch jetzt nicht damit anfangen. Trotz seiner Erschöpfung konnte er nicht sofort einschlafen, sondern betrachtete Maggies im Schlaf entspanntes Gesicht. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. Perfekt, um sie zu küssen …

Ob sie etwas gegen einen Gutenachtkuss hätte? Nein, er war ein Prinz. Natürlich hätte sie nichts dagegen. Keine Frau hatte ihm bisher einen Kuss verweigert.

Langsam rückte er näher zu ihr heran. Sein Körper reagierte sofort und mit erstaunlicher Macht. Auf ihren süßen, femininen Duft. Auf sie. Als er sanft die Lippen auf ihren Mund presste, wurde das Verlangen fast schmerzhaft.

Maggie öffnete die Augen und sah ihn an, als wäre er ein Geist. „Tom?“

„Ja, kleine Maggie.“ Morgen würde er ihr erklären, wer er war.

Sie entspannte sich wieder und schloss die Augen. „Das war schön“, murmelte sie.

Also küsste er sie noch einmal. Schmeckte den Mund, der ihn in seinen Träumen schon so lange verfolgte. Maggie seufzte leise auf und ließ ihre Finger auf Erkundungsreise gehen, wie damals vor sechs Jahren. Und er vertiefte den Kuss mit einer Leidenschaft, wie er sie seit Ewigkeiten nicht mehr verspürt hatte.

Als Maggies Hand über seinen flachen Bauch strich, zuckte er zusammen. Ein letzter Rest von Vernunft und Selbstbeherrschung ließ ihn den Kuss abbrechen. „Maggie … bella … Weißt du, was du mir da antust?“

Ihre Augen blieben geschlossen, doch ihre Lippen verzogen sich zu einem sinnlichen Lächeln. „Ich küsse dich.“ Damit presste sie unverwandt ihren Mund auf seinen.

Er zwang sich, kurz innezuhalten. „Wer bin ich, bella?“

„Du bist Tom.“ Sie runzelte die Stirn. „Nenn mich nicht Bella, das mag ich nicht. Aber die anderen Sachen, die mag ich.“ Sie öffnete die Augen nur einen Spalt, sodass Tomasso das helle Grau sehen konnte. „Küss mich, Tom. Das ist so schön.“

Diese Frau war eine Sirene. Maggie hatte ganz offensichtlich nicht viel Erfahrung mit Männern gesammelt, aber es war genau diese Aura von Unschuld, die ihn mehr lockte und verführte, als jede Berührung es gekonnt hätte.

„Ist es sicher?“ Selbst wenn sie Nein sagen sollte, er wusste nicht, ob er sich würde bremsen können.

„Mit dir ist es immer sicher, Tom“, flüsterte sie an seinen Lippen und küsste ihn herausfordernd.

Heiße Befriedigung strömte durch Tomasso. Auch sie erinnerte sich also daran, wie gut es zwischen ihnen gewesen war. Sie wollte es genau wie er.

Dieses Mal jedoch war sie keine verängstigte Jungfrau mehr. Umso besser. Er hatte sich heute Abend nicht genügend unter Kontrolle, um sich zurückzunehmen. Hatte er bisher auch noch nie gemacht. Und die Art, wie Maggie ihn jetzt küsste, verbot jeden Gedanken daran, es langsam angehen zu lassen.

Er berührte sie überall, streichelte sie und befreite sie irgendwann voller Ungeduld aus dem Pyjama. Sie erschauerte, als endlich nackte Haut auf nackte Haut traf und Tomasso sich verlangend an sie drängte.

Hatte sie vorher noch kleine Laute ausgestoßen und sich weich an ihn geschmiegt, verhielt Maggie jetzt plötzlich regungslos. „Das ist gar kein Traum.“

„Oh doch, ist es.“ Tomasso lachte leise an ihrem Hals. „Einer, der viel zu lange gebraucht hat, um wahr zu werden.“

„Aber …“

Er erstickte jedes weitere Wort mit seinem Kuss, doch Maggie lag steif und unnachgiebig in seinen Armen. Wollte sie ihn etwa wieder zurückweisen wie vor sechs Jahren? Das würde er nicht zulassen. Sie wollte ihn, das konnte er ihrer Reaktion entnehmen. Wenn er etwas mit Liana gelernt hatte, dann wie man Leidenschaft in einer Frau weckte. Liana hatte sich nur gehen lassen, wenn er alle seine Künste anwendete und sie verführte, bis sie sich nicht mehr gegen die eigene Lust wehren konnte.

Maggie erwachte vollständig, als Tom ihre Brüste zu liebkosen begann. So lange Jahre hatte sie sich danach gesehnt. Sie hatte keine Ahnung, wie er in ihr Bett gekommen war, woher er gekommen war, aber das war jetzt unwichtig. Hier war der Mann, den sie liebte, und er berührte sie, wie sie es sich immer erträumt hatte. Alles war völlig unwirklich, dennoch war es real. Unwichtig war auch, ob es Sinn machte oder nicht. Es passierte, und sie war glücklich. Nur dieser eine Mann konnte solche Gefühle in ihr wecken, konnte ihre Bedürfnisse stillen. Sie verstand nicht, wie und warum, aber er musste sie ebenso wollen, sonst könnte er sie nicht so zärtlich streicheln. Sie ergab sich dem Gefühl und den Erinnerungen.

Er hatte Liana geheiratet.

Maggie wand sich aus seinen Armen. „Nein. Nicht. Du bist verheiratet.“ Sie schlug mit der Faust gegen seine Schulter. „Du hast eine Ehefrau.“

Tomasso stöhnte auf, dann hielt er inne. „Nein, habe ich nicht“, sagte er mit einer Stimme, die keinen Zweifel duldete.

Und bevor sie fragen konnte, was mit Liana geschehen war, küsste er sie erneut.

Liana war also fort. Niemand stand mehr zwischen Maggie und ihrem Traum. Das Bedürfnis, geliebt zu werden, zu jemandem zu gehören, hallte wie ein stummes Echo durch ihren Körper. Die Leere, die sie seit dem Tod ihrer Eltern quälte, und der Wunsch nach einer Familie verlangten danach, erfüllt zu werden. Nur dieses eine Mal und nur mit diesem Mann.

Als sie seine Hand zwischen ihren Schenkeln spürte, wehrte sie sich nicht. Als seine Lippen die aufgerichteten Knospen ihrer Brust umschlossen, protestierte sie nicht. Als er ihre Beine auseinanderdrängte, ließ sie es geschehen. Und da sie nicht wusste, was sie tun sollte, tat sie nichts. Ihn schien es nicht zu stören … Im Gegenteil, er war erregt, und seine Leidenschaft ließ sie sich begehrenswert fühlen, auch wenn sie wusste, dass sie es nicht war.

Er hob den Kopf. „Willst du mich, Maggie?“

„Ja. Ja, so sehr …“

Ein triumphierender Ausdruck trat auf seine Miene, und dann drang er in sie ein.

Schmerz erfüllte sie, so überraschend, dass sie einen kleinen Schrei ausstieß. Doch schon hatte er ihren Mund wieder gierig in Besitz genommen, während er sich schneller und schneller in ihr bewegte. Kleine Flammen der Lust leckten in ihrem Innersten auf, doch sie konnten den Schmerz nicht besänftigen. Tränen rannen über ihre Wangen, während sie Toms Küsse erwiderte.

Zumindest dieser Teil war schön.

Dann erschauerte Tom mit einem tiefen Stöhnen und sackte auf ihr zusammen, bedeckte sie schwer mit seinem Gewicht.

Jetzt tat es nicht mehr so weh, aber das Gefühl, um etwas Wertvolles gebracht worden zu sein, nagte an ihr, so als hätte ein wunderbares Versprechen sich von jetzt auf gleich verflüchtigt. Nicht zu fassen, dass sie sechsundzwanzig Jahre gewartet hatte, um das zu erleben.

Außerdem konnte sie mit seinem Gewicht auf sich kaum atmen. Sie drückte mit beiden Händen gegen seine Schultern. „Tom? Bitte, geh runter von mir.“

Er rollte sich auf die Seite. „Ich bin zu schwer für dich.“ Er lallte, als hätte er zu viel getrunken. Dann griff er nach ihr, zog sie zu sich heran und war in der nächsten Sekunde eingeschlafen. Einfach so.

Da hatte er sie entjungfert, sie zur Frau gemacht und schlief dann ein, ohne auch nur mit einem einzigen Wort zu erklären, wie, zum Teufel, er in ihr Bett gekommen war!

4. KAPITEL

Maggie blieb unbeweglich liegen. Für Stunden, für Minuten … sie hätte es nicht sagen können. Sie stand zu sehr unter Schock, um ein Gefühl für Zeit zu haben.

Sie hatte gerade mit Tom Prince geschlafen! Sie konnte nicht begreifen, dass er tatsächlich hier war. Dass sie ihm Freiheiten erlaubt hatte, die sie keinem Mann vor ihm erlaubt hatte.

Wie war er überhaupt in ihr Bett gekommen? Nein, nicht ihr Bett, sondern das ihres Arbeitgebers. Waren die beiden Männer etwa Freunde? Wie war Tom ins Haus gelangt? Und noch wichtiger … war er noch verheiratet? Er hatte es abgestritten, aber konnte sie ihm glauben? Seit Jahren hatte sie ihn nicht gesehen. Änderten Menschen sich nicht mit der Zeit?

Tom Prince wäre zu ehrenhaft gewesen, um sich als verheirateter Mann so zu verhalten. War er das immer noch?

Himmel … vielleicht hatte er sie ja für Liana gehalten! Aber nein, er hatte sie „kleine Maggie“ genannt, wie früher.

Eine Welle der Übelkeit überrollte sie bei dem Gedanken, möglicherweise mit einem verheirateten Mann geschlafen zu haben. Maggie kletterte aus dem Bett, um dem Ort ihres Sündenfalls zu entkommen.

Der Prinz würde sie auf der Stelle feuern, sobald er herausfand, dass sie mit einem seiner Freunde geschlafen hatte. Sie würde die Kinder allein lassen müssen … Bei dem Gedanken daran zog Maggies Herz sich schmerzvoll zusammen. Sie wollte die Kinder nicht verlassen, sie brauchten sie doch. Was hatte sie nur getan?

Taumelnd flüchtete sie sich in das angrenzende Bad, ließ die Wanne volllaufen und glitt in das warme Wasser. Sie musste unbedingt versuchen, mit der Situation klarzukommen.

Absolut bizarr, dass ausgerechnet in der Nacht, in der sie beschloss, im Bett ihres Arbeitgebers zu schlafen, besagter Arbeitgeber einen Freund ins Haus einlud. Und dass es sich bei dem Freund auch noch um den einzigen Mann auf der Welt handelte, dem sie solche Intimitäten erlauben würde. Sie erinnerte sich schwach an seine Frage, ob es sicher sei. Bei ihm war sie immer sicher. Denn er war ihr Traumliebhaber – im wahrsten Sinne des Wortes. Er kam in ihren Träumen zu ihr.

Wieso waren der Prinz und Tom Prince Freunde? Oder, Moment mal …

Ein kalter Schauer rann Maggie über den Rücken, trotz des heißen Wassers. Was, wenn Tom Prince und Tomasso Scorsolini nicht Freunde waren, sondern ein und dieselbe Person? Tom Prince – Principe Tomasso. Es war verrückt, aber es ergab Sinn. Schließlich … wer würde es wagen, im Bett des Prinzen zu schlafen, außer dem Prinzen selbst?

Tom … Prince Tomasso musste gewusst haben, wer sie war, als seine Schwägerin sie in seinem Auftrag eingestellt hatte. Oder sollte ihn ihr Name nicht gekümmert haben? Doch, bestimmt. Er war ein aufmerksamer Vater, er überprüfte bestimmt jeden, der mit seinen Kindern zu tun hatte.

Ein anderer Gedanke schoss ihr in den Kopf. Die Mutter von Gianni und Anna war vor zwei Jahren gestorben. Also war Tom nicht verheiratet, sondern Witwer. Er hatte nicht gelogen.

Aber warum hatte er dann mit ihr geschlafen? Hatte er vielleicht auch geträumt, so wie sie anfangs, und gedacht, er schliefe mit Liana? Sie meinte gehört zu haben, wie er sie bei ihrem Namen nannte, aber war sie wirklich wach und bei klarem Verstand gewesen?

Fragen über Fragen und ein wirres Szenario, das keinen rechten Sinn ergab. So verwirrt und aufgewühlt, wie Maggie war, würde sie jetzt auch keine Antworten finden. Sie musste erst ihre Gedanken ordnen und ihren Puls auf ein normales Tempo bringen. Dieses mittlerweile nur noch lauwarme Schaumbad half nicht dabei.

Maggie stieg aus der Wanne und trocknete sich ab. Dann schlich sie zurück in das Schlafzimmer des Prinzen, zog leise ihren Pyjama an und verließ den Raum. Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen, als sie im Flur auf den völlig verschlafenen Gianni traf.

„Wieso schläfst du in papas Zimmer?“, fragte er gähnend.

Maggie wurde blass. „Anna und du, ihr habt euch so breit gemacht. Da war gar kein Platz mehr für mich.“

„Ach so. Ich gehe zurück in mein eigenes Zimmer. Der böse Traum ist fort.“ Er rieb sich die Augen.

„Komm, Schatz, ich bringe dich hin und decke dich zu.“

Während sie mit dem Jungen über den Korridor ging, raste ihr Herz. Wie sollte sie Tomasso morgen gegenübertreten? Wenn er glaubte, alles sei nur ein Traum gewesen … Vielleicht erinnerte er sich gar nicht daran …

Es war weit hergeholt, aber im Moment gab sich ihr aufgewühlter und erschöpfter Verstand damit zufrieden. Es schien eine gute Erklärung. Und die einzige Hoffnung.

Tomasso erwachte mit einem wunderbaren Gefühl von Gelöstheit und freudiger Erwartung.

Instinktiv fasste er auf den Platz neben sich, bis ihm wieder einfiel, dass er weder eine Frau noch eine Geliebte hatte, die mit ihm das Bett teilte. Seltsam, dass ihm so etwas entfallen konnte, schließlich war es schon seit zwei Jahren so. Doch dann stürzten die Bilder der letzten Nacht auf ihn ein. Maggie … in seinem Haus … in seinem Bett … in seinen Armen!

Er riss die Augen auf und sah sich um, doch das Zimmer war leer.

Zeigte sie Diskretion wegen der Kinder? War sie überhaupt hier gewesen? Der ganze gestrige Tag war seltsam nebulös verlaufen, sogar der Rückflug. Aber der war auf jeden Fall kein Traum gewesen. Und Maggie in seinem Bett auch nicht.

Aber was hatte sie hier gemacht? Und welcher Teufel hatte ihn geritten, sie zu verführen?

Er konnte kaum fassen, dass er mit ihr geschlafen hatte. Oder dass sie es zugelassen hatte. Die Maggie, die er kannte, hätte einem Mann so etwas nie erlaubt. Normalerweise war er auch nicht der Mann, der so etwas tat. Das lag nur an den verflixten Reisetabletten, gemischt mit dem Alkohol. Er hatte nicht mehr vernünftig gedacht.

Dabei hatte er erst testen wollen, ob Maggie in sein Leben passte. Ob sie die Frau war, an die er sich erinnerte, und ob diese Anziehungskraft von damals noch immer zwischen ihnen bestand. Nun, Letzteres hatte er wohl bewiesen. Maggie erregte ihn mehr als jede andere Frau, aber er freute sich nicht wahrhaft darüber.

Wie sollte er auch, wenn Maggies Verhalten vermuten ließ, dass sie mit jedem Mann ins Bett ging, der es ihr anbot? Waren die Berichte der Detektei so falsch gewesen? Aber vielleicht hatte sie mit ihrem Handeln auch einen anderen Plan verfolgt. Schließlich hatte Liana ihm auch etwas vorgespielt, um ihr eigentliches Ziel – finanzielle Absicherung – zu erreichen. Er gedachte nicht, den gleichen Fehler zweimal zu machen.

Allerdings erklärte das nicht, wie Maggie seine wahre Identität noch vor seiner Rückkehr herausgefunden haben sollte. Die Familienporträts hatte er bewusst abhängen lassen. Möglich, dass ihr irgendwo ein Foto von ihm mit den Kindern in die Finger gefallen war. Hatte sie in seinem Bett auf ihn gewartet, um den Vorteil sofort zu nutzen? Nein, das ergab keinen Sinn. Niemand hatte ihn früher zurückerwartet.

Nun, was auch immer ihre Gründe gewesen sein mochten, jetzt war sie nicht mehr hier. Er wollte wissen, warum. Und warum sie mit ihm geschlafen hatte. Ohne Gegenwehr. Ohne Protest. Vor sechs Jahren wäre das anders gewesen. Aber Menschen änderten sich. Er hatte sich ja auch geändert.

Tomasso schlug die Decken zurück und verharrte verdutzt. Da war Blut auf den Laken. Nicht viel, aber eindeutig Blut. Seines war es nicht. Hatte Maggies Periode in der Nacht eingesetzt? War sie deshalb verschwunden?

„Papa!“

Der freudige Aufschrei riss Maggie aus dem Schlaf. Abrupt setzte sie sich auf, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie ihre kleine Bettgenossin dem großen, umwerfend aussehenden Mann, der neben dem Bett stand, in die Arme flog.

„Hallo, stellina, hab ich dir gefehlt?“

Anna schlang die Ärmchen fest um seinen Hals. „Ja!“

„Ich hab dich auch vermisst, piccola mia.“

„Und mich auch“, tönte es da überzeugt von Gianni, der in der Tür auftauchte.

Tomasso beugte sich vor, nahm den Jungen ebenfalls auf den Arm und strahlte seine beiden Kinder an. Maggies Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie die Liebe in seinen Augen sah.

Dann richtete er den Blick auf sie, und seine Augen wurden ausdruckslos. Ihr Puls begann zu rasen, während die Bilder der letzten Nacht mit voller Macht auf sie einstürmten und sie ihnen schutzlos ausgeliefert war. Sie hatte keine Zeit gehabt, sich auf diese Begegnung einzustellen. Oder auf den Schmerz, der sie jetzt durchzuckte. Und sie hatte nicht die geringste Ahnung, warum er mit ihr geschlafen hatte. Nur eines stand fest: Dieser Mann war noch unerreichbarer für sie als Tom Prince.

„Hallo, Maggie.“

„Guten Morgen …“ Himmel, wie sollte sie ihn anreden? Tom Prince war er ja nicht, nicht wirklich. „… Euer Hoheit.“

„Tomasso reicht völlig“, meinte er spöttisch.

Papa, ist Maggie nicht lieb?“, wollte Anna wissen.

Autor

Lucy Monroe

Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...

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