Julia Exklusiv Band 259

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FLAMMENDE EIFERSUCHT von FIELDING, LIZ
Robert traut seinen Augen nicht: Daisy, die kleine Schwester seines besten Freundes, ist eine atemberaubende Frau geworden! Und ihre Wirkung ist enorm: Auf allen Partys fliegen ihr die Herzen der Männer zu - flammende Eifersucht packt den attraktiven Millionär …

DIE GELIEBTE DES GRIECHISCHEN FÜRSTEN von LENNOX, MARION
Lilys Entschluss steht fest: Um jeden Preis wird sie ihren kleinen Sohn suchen, der ihr kurz nach der Geburt geraubt wurde. Selbst auf die Gefahr hin, seinen Vater wiederzusehen, Fürst Alexander, den sie so geliebt hat und von dem sie sich schmerzlich trennen musste …

LASS UNS DIE LIEBE ENTDECKEN von MILBURNE, MELANIE
Emilys Ehe mit dem reichen Investor Damien Margate dient nur der Steuerersparnis - ist also eine rein geschäftliche Vereinbarung. Bis Emily sich in ihren Mann verliebt. Doch er scheint weit mehr an der Vertuschung alter Familiengeheimnisse interessiert als an ihr …


  • Erscheinungstag 22.05.2015
  • Bandnummer 0259
  • ISBN / Artikelnummer 9783733703646
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Liz Fielding, Marion Lennox, Melanie Milburne

JULIA EXKLUSIV BAND 259

LIZ FIELDING

Flammende Eifersucht

Sie und Robert, der Freund ihres Bruders? Daisy glaubt nicht, dass ihr Liebestraum sich jemals erfüllen wird. Denn der faszinierende Bankier sieht in ihr immer noch das scheue Mädchen aus Jugendtagen. Bis Daisy auf Bitten ihres Chefs zu einer Vernissage ein besonders heißes Outfit wählt – und Robert plötzlich jeden ihrer Bewunderer mit Argusaugen verfolgt …

MARION LENNOX

Die Geliebte des griechischen Fürsten

Am Tag der Ernennung seines Bruders zum Thronfolger, der wie durch ein Wunder noch einmal Vater geworden ist, lässt Fürst Alexandros seinen Blick über die Gäste der Feier schweifen – und entdeckt Lily. Die Frau, die er für die Liebe seines Lebens hielt und die ihn ohne Abschied verließ. Vergeblich hat er sie gesucht. Was will sie jetzt auf seiner Insel?

MELANIE MILBURNE

Lass uns die Liebe entdecken

Er wollte nur eine Ehe auf dem Papier mit ihr – jetzt steht Damien vor einem Gewissenskonflikt: Wenn Emily ihn anschaut, überläuft ihn ein heißer Schauer. Wenn sie ihn anlacht, kann er nur daran denken, ihren wunderschönen Mund zu küssen. O ja, er will die Liebe mit seiner Frau entdecken, doch ein Familiengeheimnis steht dem gemeinsamen Glück im Weg …

1. KAPITEL

Mittwoch, 22. März

Anprobe. Ich in Rüschen als Brautjungfer. Mein schlimmster Albtraum ist wahr geworden. Es ist einfach unmöglich, Ginnys Bitten zu widerstehen. Aber zuvor Lunch mit Robert. Die hübsche – und sehr schlaue – Janine hat ihm den Laufpass gegeben, und ich bin, wie immer, die nächste Schulter, an der er sich ausweinen kann. Krokodilstränen natürlich … Allerdings dürfte es interessant sein, mitzuerleben, wie er es aufnimmt, zur Abwechslung mal selbst der Sitzengelassene zu sein.

„Gelber Samt? Was ist verkehrt an gelbem Samt?“

„Nichts. Vermutlich.“ Wo er hinpasste. Wo immer das sein mochte.

„Wenn ein Auftritt als Brautjungfer ganz oben auf meiner Wunschliste stehen würde.“ Er kam jedoch erst an fünfhundertsiebenundzwanzigster Stelle – gleich nach einer Wurzelbehandlung ohne Betäubung. „Nichts, wenn mir die Idee gefallen würde, in ein Kleid gezwängt zu werden, das all die Teile meines Körpers betont, die Mutter Natur leider vernachlässigt hat.“ Daisy sah auf ihre Brüste, denen es wahrscheinlich an der erforderlichen Üppigkeit mangelte. Roberts Blick folgte ihrem, er schien über ihre fehlenden Kurven ernsthaft nachzudenken. „Absolut nichts“, fügte sie rasch hinzu, um ihn abzulenken, „wenn ich die Aussicht genießen würde, hinter der schönsten Braut des Jahrhunderts herzumarschieren, inmitten einer Schar ebenso schöner schwarzhaariger Cousinen, die allesamt in Gelb umwerfend aussehen werden.“

War sie etwa neidisch?

Oh ja.

„Vielleicht siehst du in Gelb auch umwerfend aus“, meinte Robert tröstend, klang aber nicht sonderlich überzeugend. Nun ja, das war auch nicht nötig. Hauptsache, er redete nicht mehr über Janine. Sie hatte genug darüber gehört, wie wundervoll Janine sei. Falls sie tatsächlich so wundervoll war, hätte er das Mädchen heiraten sollen.

Der bloße Gedanke daran bereitete ihr fast körperliche Schmerzen.

„Ich werde wie eine Ente aussehen“, verkündete sie finster. Eigentlich war es egal. Es war schließlich Ginnys Tag, und niemand würde auf sie, Daisy, achten.

„Wahrscheinlich.“ Robert versuchte erst gar nicht, sie aufzumuntern, sondern lächelte sie strahlend an. Immerhin hatte er sie genau aus diesem Grund zum Lunch eingeladen – sie sollte ihn aufheitern.

Der Trauzeuge hat es leicht, überlegte sie gereizt. Robert würde eine klassische Kombination tragen, und die schwierigste Entscheidung, die er treffen müsste, war die, ob er zu der grauschwarz gestreiften Hose einen grauen oder einen schwarzen Cut anziehen solle. Andererseits … Ginnys Mutter organisierte die Hochzeit mit der Besessenheit eines Hollywoodregisseurs. Alle Farben waren bis zum letzten Knopf haargenau abgestimmt, und daher war es höchst unwahrscheinlich, dass er sich über dieses Problem den Kopf zerbrechen müsste.

Nein. Robert hatte lediglich dafür zu sorgen, dass ihr Bruder pünktlich zur Trauung erschien, später würde er im richtigen Moment die Ringe reichen und eine kurze, amüsante Rede auf dem Empfang halten müssen. Daisy hatte all das schon früher erlebt. Robert war hinreißend auf Hochzeiten – besonders wenn es darum ging, zu gewährleisten, dass es nicht seine eigenen waren.

Er würde einen rauschenden Junggesellenabschied für Michael arrangieren und ihn trotzdem tadellos gekleidet, stocknüchtern und rechtzeitig vor dem Altar abliefern. Er würde die Ringe aufs Stichwort parat haben und alle Hochzeitsgäste mit seinem Witz bezaubern – und mit Sicherheit die hübscheste Brautjungfer für sich beanspruchen.

Spätestens beim Verlassen der Kirche würde sich seinetwegen jedes Frauenherz in hellem Aufruhr befinden. Nun ja, vermutlich nicht das der Braut. Und die Mutter der Braut hatte mit Sicherheit anderes im Sinn, aber die Schwester der Braut, die Cousinen der Braut, die Tanten der Braut …

Nicht dass Robert dazu auf formelle Garderobe angewiesen wäre. Frauen himmelten ihn an, wo immer er ging, was immer er anhatte. Schöne Frauen. Weltgewandte Frauen. Sexy Frauen. Und er brauchte nicht das Geringste zu tun – außer zu lächeln.

Die Brautjungfern hingegen waren der Brautmutter hilflos ausgeliefert. Daisy seufzte. Rüschen. Bänder. Samt. Das an sich war schon schlimm genug, warum, um alles in der Welt, musste Ginnys Mutter sich ausgerechnet für gelben Samt entscheiden? Man hätte meinen sollen, der ausschließlich aus Osterglocken bestehende Blumenschmuck in der Kirche wäre genug Gelb für alle …

„Du brauchst ja nicht meiner Meinung zu sein“, beschwerte sie sich weiter. „Ich habe mir jedenfalls größte Mühe gegeben, nicht Brautjungfer spielen zu müssen. Ginny hat mir sogar geschworen, dass ich nicht hinter ihr durchs Kirchenschiff trotten muss, gleichgültig, was meine Mutter sagt oder tut. Ich kann immer noch nicht fassen, dass Ginnys Mutter einem so wichtigen Mitglied der Inszenierung gestattet hat, kurz vor der Hochzeit Skiurlaub zu machen.“

„Ich schätze, man hat sie nicht um Erlaubnis gefragt, sonst hätte sie es mit Sicherheit verboten.“ Er lächelte. „Arme Daisy.“ Sie hätte fast alles getan oder erduldet, damit Robert sie so anlächelte. Sogar die Schmach durch gelben Samt. Er beugte sich vor und zerzauste ihr die blonden Locken, die sich widerspenstig unter dem Haarband kräuselten. „Und außerdem siehst du gar nicht aus wie eine Ente. Enten watscheln und du nicht.“

Nun ja, das Kompliment war zwar nicht unbedingt preisverdächtig, aber trotzdem errötete Daisy geschmeichelt. „Wirklich?“

Er lächelte. „Nein. Du meinst Entenküken.“

Das würde ihr eine Lehre sein, sollte sie je wieder in Versuchung geraten, eitel zu werden. „Genau. Flauschig und gelb.“

„Flauschig und gelb und …“

„Denk nicht einmal an die Bezeichnung ‚niedlich‘, Robert.“

„Es würde mir nicht im Traum einfallen“, beteuerte er, doch seine Augen verrieten ihn. Warme mokkabraune Augen, die eindeutig spöttisch funkelten. „Deine Nase ist zu groß, um niedlich zu sein.“

„Danke.“

„Und dein Mund auch.“

„Okay, ich hab’s begriffen.“

„Ehrlich, ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst. Du wirst süß aussehen.“

Aaargh! „Ich bin nicht für Samt und Tüll geschaffen“, erwiderte sie kühl. Elegante Kostüme, strenge Mantelkleider und weite Seidenhemden entsprachen eher ihrem Stil, sie schmeichelten ihren breiten Schultern und überdeckten den Mangel an Kurven. „Ich habe keinerlei Verlangen, Satinslippers anzuziehen und mir Rosenknospen ins Haar flechten zu lassen. Ich werde wie eine Sechsjährige aussehen.“

„Verstehe.“

Sie wartete ergeben auf das, was unvermeidlich folgen würde.

„Wie eine Sechsjährige … das könnte hinkommen.“

„Robert!“ Genug war genug.

Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. Daisy gelangte zu dem Schluss, dass er sie gern den ganzen Tag beleidigen könne, wenn er dabei nur ihre Hand hielt. „Himmel, du zitterst ja! So habe ich dich noch nie erlebt.“ Das Zittern hatte absolut nichts mit dem Auftritt als Brautjungfer zu tun, aber … he! „Es ist doch kein Zwang, Liebes. Sag Ginny einfach, dass du es nicht machen kannst.“ Als ob das so einfach wäre! „Sie wird auch mit drei Brautjungfern auskommen.“

Gewiss würde sie das. Aber hier ging es nicht um „auskommen“, sondern um die perfekte Hochzeit, und Daisy konnte und wollte ihre künftige Schwägerin nicht im Stich lassen. Außerdem gab es keinen Ersatz für sie. Danach hatte sie sich längst erkundigt.

Robert würde das natürlich nicht verstehen. Sein ganzes Leben lang hatten sich die Leute darum gerissen, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Die meisten anderen Männer hätten sich vermutlich zu arroganten Scheusalen entwickelt, doch er war nicht nur der begehrenswerteste Mann, den sie wohl je kennenlernen würde, sondern auch gutmütig, großzügig und – wie Legionen verlassener Freundinnen mit ihrem letzten Atemhauch versichern würden – unbeschreiblich nett.

„Meine Mutter ist natürlich selig“, sagte sie. „Sie hatte schon die Hoffnung auf eine zweite Chance aufgegeben.“

Robert drückte mitfühlend ihre Hand. „Falls deine Mutter dich unbedingt als Brautjungfer sehen möchte, solltest du dich in dein Schicksal fügen, Liebes.“

Falls? Das war die Untertreibung des Jahres. Ihre Mutter lebte nach eigenen Gesetzen. Da eine Tochter bereits verheiratet war und pflichtschuldigst für Enkel gesorgt hatte, und der einzige Sohn unmittelbar vor dem großen Ereignis stand, hatte Margaret Galbraith nunmehr ihr jüngstes und schwierigstes Kind anvisiert. Vierundzwanzig und noch immer kein passender Verehrer in Sicht.

Phase eins des mütterlichen Plans umfasste eine grundlegende Veränderung von Daisys Image. Margaret Galbraith war durch und durch feminin und harmoniesüchtig. Seit Wochen schon versuchte sie, ihre Tochter zu einem Einkaufsbummel zu überreden, um sie mit der passenden Garderobe für eine so glanzvolle Hochzeit auszustatten, an der zweifellos unzählige begehrte Junggesellen teilnehmen würden. Nachdem sich nun eine der schwarzhaarigen Brautjungfern freundlicherweise auf der Skipiste das Bein gebrochen hatte und einzig Daisy als Ersatz infrage kam, schwebte ihre Mutter im siebten Himmel. Es gab nicht die geringste Aussicht auf Entrinnen.

Phase zwei und drei würden wahrscheinlich den Besuch im Schönheitssalon und die Dienste eines Starfigaros umfassen, der das widerspenstige Haar zumindest für einen Tag bändigen sollte. Daisy bedauerte aus ganzem Herzen die arme Seele, der diese undankbare Aufgabe zufiel.

Sie blickte auf Roberts Hand, die noch immer auf ihrer lag. Er hatte schöne Hände, mit langen, schmalen Fingern. Die dünne Narbe über den Knöcheln unterstrich die Kraft. Diese Narbe hatte er davongetragen, als er Daisy vor einem bissigen Hund gerettet hatte. Sie war damals sechs Jahre alt gewesen und hatte ihn schon damals geliebt.

Einen Moment lang gestattete sie sich, das schlichte Vergnügen seiner Berührung zu genießen. Aber nur einen Moment lang. Dann zog sie ihre Hand zurück und griff nach dem Weinglas. „Mutter hält mich für hoffnungslos schüchtern“, räumte sie ein. „Sie findet, es würde mir helfen, auch einmal im Mittelpunkt zu stehen.“

Er lächelte mitfühlend. „Du tust mir aufrichtig leid, Daisy, doch ich fürchte, dir bleibt nichts anderes übrig, als es mit Humor zu ertragen.“

„Ach ja?“

„Dafür hast du später wieder deine Ruhe“, versicherte er. „Und um meine Solidarität zu demonstrieren, werde ich eine gelbe Weste tragen“, fügte er aufmunternd hinzu.

„Eine gelbe Samtweste?“

„Notfalls auch das.“ Er hatte gut reden. Sie wussten schließlich beide, dass Ginnys Mutter keine Abweichungen von der festgelegten Kleiderordnung dulden würde. „Du könntest dein Haar schwarz färben, damit es zu den anderen Mädchen passt“, schlug er vor. „Ob allerdings ein schwarzes Entlein so reizvoll …“

„Du nimmst mich nicht ernst.“ Andererseits … Hatte er jemals etwas ernst genommen? Im Augenblick mochte er zwar betroffen sein, weil seine Freundin ihm den Laufpass gegeben hatte, aber es würde nicht lange dauern, bis er einen Ersatz gefunden hatte.

„Oder du trägst eine Perücke“, fuhr er unbeirrt fort.

Sie teilte ihm in unmissverständlichen Worten mit, wohin er sich die Perücke stecken könne.

Robert lachte laut auf. Nun, das hatte sie auch beabsichtigt. „Plustere dich nicht so auf, Entlein“, riet er neckend. „Du hast den Blick für die Realität verloren. Wen interessiert schon dein Äußeres? Alle Anwesenden werden nur Augen für die Braut haben.“

Für einen Mann, von dem es hieß, er könne ein Mädchen durch ein bloßes Heben der Augenbrauen verführen, fand Daisy diese Bemerkung äußerst uncharmant. Allerdings hatte er sie von jeher wie eine kleine Schwester behandelt, und seit wann musste ein Mann zu seiner Schwester charmant sein? Ihr eigener Bruder war es nie gewesen, und warum sollte sein bester Freund sich anders benehmen? Insbesondere da sie darauf geachtet hatte, ihre Beziehung auf diesem Niveau zu halten. Keine Flirts. Keine engen Kleider oder seidenen Blusen, wenn sie mit ihm zum Lunch verabredet war.

Sie liebte ihn zwar aus ganzem Herzen, doch dieses Geheimnis teilte sie nur mit ihrem Tagebuch. Robert Furneval war kein Bis-dass-der-Tod-uns-scheidet-Typ – und wenn man wirklich liebte, gab man sich nicht mit weniger zufrieden.

Sie leerte das Glas und erhob sich. Der Abschied von ihm fiel ihr immer schwer, und daher musste sie jede Gelegenheit nutzen, die sich ihr bot. „Wenn du das nächste Mal eine Schulter zum Ausweinen brauchst, Robert Furneval“, erklärte sie, „solltest du es mit den Gelben Seiten probieren, da du eine Schwäche für diese Farbe zu haben scheinst.“

„Nun komm schon, Daisy.“ Er hob ihre unförmige Handtasche auf und stand ebenfalls auf. „Du bist das einzige weibliche Wesen in meinem Bekanntenkreis, das immer vernünftig ist.“ Leider verdarb er das Kompliment, indem er hinzufügte: „Bis auf die fatale Neigung, deine Garderobe aus den Beständen deiner Großmutter zu rekrutieren. Verschon mich also mit dem Gejammer über irgendein lächerliches Brautjungfernkleid. Es verlangt doch niemand von dir, dass du deine Beine zeigen sollst.“

„Was hast du über meine Beine gehört?“, erkundigte sie sich misstrauisch.

„Gar nichts. Ich erinnere mich nur zufällig, dass du knochige Knie hast. Vermutlich bist du deshalb so versessen darauf, sie zu bedecken. Hosen, Jeans, lange Röcke …“ Er lächelte jungenhaft.

Dieses Lächeln ließ sie regelmäßig schwach werden. Natürlich war sie nicht so dumm, darauf hereinzufallen, aber trotzdem schwanden alle guten Vorsätze dahin, endlich gegen ihre hoffnungslose Liebe zu Robert Furneval anzukämpfen.

„Du willst doch nicht, dass ich dich belüge und behaupte, du würdest in Gelb hinreißend aussehen, oder?“

Es wäre zumindest nett, dachte sie. Nur einmal. Andererseits hatten sie einander nie angelogen.

„Wir sind Freunde. Und Freunde brauchen sich nichts vorzumachen.“

Ja, sie waren Freunde. Sie klammerte sich an diesen Gedanken. Robert mochte sie zwar nicht mit Rosen überschütten und sie in teure kleine Restaurants ausführen, um sie mit Räucherlachs und Trüffeln zu verwöhnen, aber dafür ließ er sie auch nicht in ein paar Monaten fallen. Sie waren echte Freunde. Die besten Freunde. Und dabei musste sie es belassen, wenn sie auch weiterhin ein Teil seines Lebens sein wollte.

Und sie war ein Teil seines Lebens. Er erzählte ihr alles. Sie wusste Dinge über Robert, von denen wahrscheinlich selbst ihr Bruder keine Ahnung hatte. Sie begnügte sich mit der Rolle einer aufmerksamen Zuhörerin und war immer für ihn da, wenn er gerade keine feste Partnerin hatte – sie traf ihn zum Lunch oder begleitete ihn auf Partys. Allerdings hatte sie sich nie der Illusion hingegeben, dass sie die Gesellschaft auch gemeinsam verlassen würden.

Nicht dass er sie je allein zurückgelassen hätte. Er sorgte stets dafür, dass ein vertrauenswürdiger junger Mann sie nach Hause brachte. Vertrauenswürdig und langweilig und einfältig. Anschließend pflegte er sie noch wochenlang mit ihrem „neuen Freund“ zu necken.

„Das stimmt doch, oder?“, hakte er nach.

„Wie bitte?“ Daisy bemerkte seine leicht gerunzelte Stirn. „Oh, einander etwas vormachen? Nein. Das würde ich nie von dir verlangen“, beteuerte sie rasch und sah auf die Uhr. „Ich muss jetzt gehen und mich der Demütigung unterziehen, das Kleid ändern zu lassen.“

„Ändern?“

„Die Kleider sind im Empirestil geschnitten.“ Sie legte ihre Hände unter die kleinen Brüste. „Du weißt schon, wie in diesen Jane-Austen-Verfilmungen. Die anderen Mädchen haben dafür die passende Figur, ich leider nicht.“

„Trag doch einen dieser BHs, die alles heben und zusammenpressen“, riet er.

„Dazu muss man etwas haben, das sich heben und zusammenpressen lässt.“

Dem konnte selbst er nicht widersprechen. „Mach dir darüber keine Sorgen, Daisy. Es wird alles gut. Und die Hochzeit wird bestimmt sehr lustig.“

Sie lächelte wehmütig. „Für dich vielleicht. Der Trauzeuge kann unter den Brautjungfern wählen, nicht wahr?“

Er sah sie prüfend an. „Dich konnte ich noch nie täuschen, oder?“

„Nie“, bestätigte sie.

„Dann solltest du jetzt zur Anprobe gehen, damit du mir am Samstag alles berichten kannst.“

„Samstag?“

„Monty gibt eine Party. Ich hole dich um acht ab, damit wir vorher noch eine Kleinigkeit essen können.“

Es schien ihm gar nicht in den Sinn zu kommen, dass sie bereits andere Pläne haben könnte. Flüchtig erwog sie, ihm zu erzählen, dass sie am Sonnabend beschäftigt sei. Allerdings gab es ein winziges Problem: Seit sie alt genug war, um ihrem Bruder und seinem besten Freund hinterherzukrabbeln, war sie nie zu beschäftigt für Robert gewesen. „Halb zehn würde mir besser passen“, behauptete sie, nur um sich wichtig zu machen.

„Halb zehn?“, wiederholte er verwundert.

„Eigentlich wäre zehn Uhr noch besser. Ich muss leider auf das Dinner verzichten.“

„Oh. Bist du sicher, dass du es zur Party schaffst?“ Sein gekränkter Tonfall bereitete Daisy diebische Freude. „Du hast dir doch nicht etwa einen Freund zugelegt, oder? Immerhin bist du mein Mädchen.“

„Bin ich nicht“, entgegnete sie mit einem bezaubernden Lächeln. „Ich bin deine Freundin. Das ist ein himmelweiter Unterschied.“ Seine Freundinnen blieben höchsten zwei, drei Monate, dann hörten sie die Hochzeitsglocken läuten, und er trennte sich scheinbar zutiefst betrübt von ihnen. „Ich wollte sowieso zu Monty und würde mich über eine Mitfahrgelegenheit freuen.“ Von Zeit zu Zeit musste man ihn daran erinnern, dass sie nicht nach seiner Pfeife tanzte. Von Zeit zu Zeit musste sie sich das auch vor Augen führen, selbst wenn es bedeutete, dass sie auf ein Abendessen in einem exklusiven Restaurant verzichten und sich zu Hause mit einem Sandwich begnügen musste.

Nachdem es ihr gelungen war, Roberts Weltbild ein wenig anzukratzen, hielt sie ihm die Wange zum Kuss hin – und prompt begann ihr Herz zu rasen. Es wäre so leicht gewesen, die Umarmung zu verlängern, genauso leicht wie den Lunch auszudehnen und noch Kaffee und ein Dessert in Roberts Gesellschaft einzunehmen. Aber Daisys Kleine-Schwester-Gebaren hatte Grenzen, wenn sie den körperlichen Kontakt nicht sofort beendete, würde sie den Nachmittag damit verbringen, verträumt die Wände anzustarren.

Außerdem war diese Distanziertheit vermutlich der einzige Grund, weshalb er sich mit ihr nicht langweilte.

„Danke für den Lunch, Robert. Wir sehen uns am Samstag“, erklärte sie fröhlich und eilte zum Ausgang, ohne sich noch einmal umzuwenden. Heute war es besonders schwer gewesen. Schwerer als sonst. Heute war er ungebunden gewesen und verwundbarer, als sie ihn je erlebt hatte. Vielleicht hatte sie deshalb so viel Aufhebens um das Brautjungfernkleid gemacht. Nicht um Robert aufzuheitern, sondern um sich selbst abzulenken.

Am liebsten hätte sie die Anprobe vergessen und vorgeschlagen, er möge mit ihr durch den Park bummeln. Dann hätte sie sich bei ihm einhaken und ihn unter dem Vorwand, ihm ihren neuen Computer zeigen zu wollen, in ihre Wohnung einladen können, um ihn mit Kaffee und Brandy zu verwöhnen.

Das Problem war nur, dass sie Robert und seine kleinen Schwächen zu gut kannte. Heute war sein Selbstbewusstsein durch die Trennung von seiner Freundin so angeschlagen, dass er womöglich in Versuchung geraten wäre herauszufinden, was sich unter Daisy Galbraiths unmodischer Aufmachung tatsächlich verbarg. Und was dann?

Es würde nicht lange dauern, bis eine andere, elegantere, schönere Frau seine Aufmerksamkeit erregte. Und danach würde wieder Funkstille eintreten. Keine Verabredungen zum Lunch. Keine Sonntagmorgen, an denen er mit seinen Angelruten auftauchen und sie auffordern würde, ihn zum Fischen zu begleiten. Keine langen Spaziergänge mit den Hunden. Stattdessen würde nichts als Verlegenheit herrschen, falls sie einander zufällig begegneten.

Und, was am schlimmsten war, sie müsste so tun, als wäre es ihr gleichgültig, denn ihr Bruder würde es seinem besten Freund nie verzeihen, dass er seiner kleinen Schwester das Herz gebrochen hatte.

Obwohl eine verräterische innere Stimme sie gelegentlich drängte, sich von Roberts gefährlichem Zauber durch eine Affäre mit ihm zu befreien, ignorierte Daisy tapfer diesen Impuls. Sie mochte zwar naiv sein, aber sie war nicht dumm. Sie liebte ihn, seit sie den damals Siebenjährigen von ihrem Kinderstuhl aus erblickt hatte. Sich von ihm zu befreien war das Letzte, was sie auf dieser Welt wollte.

„Wünschen Sie noch Kaffee, Sir?“

Robert schüttelte den Kopf und zeichnete die Rechnung ab. Dann eilte er ebenfalls zum Ausgang, in der unsinnigen Hoffnung, Daisy einzuholen, um mit ihr durch den Park zu wandern. Ein langsamer Bummelschritt passte nicht zu ihr, sie trug stets festes Schuhwerk oder, wie heute, bequeme Stiefeletten. Er war gern mit ihr zusammen. Schon immer, auch als sie noch ein kleines Mädchen mit knochigen Knien gewesen war, das ihm und Michael überallhin nachgelaufen war.

Plötzlich stutzte er. Gelb? Was war mit Gelb nicht in Ordnung? Was störte sie an dem Ausdruck „niedlich“? Und warum gefielen ihr keine Entchen?

Als er auf der Straße stand, sah er ihren blonden Haarschopf in der Ferne entschwinden und erkannte, dass er zu spät aufgebrochen war. Auch gut. Er würde sie schließlich am Samstag treffen. Während er ein Taxi herbeiwinkte, runzelte er die Stirn. Zehn Uhr? Was, um alles in der Welt, würde sie bis zehn Uhr machen?

Nackt bis auf die Unterwäsche, betrachtete Daisy sich in den im Halbkreis aufgestellten Spiegeln. Was sie sah, trug nicht unbedingt dazu bei, ihr Selbstvertrauen zu steigern, und daher war sie beinahe dankbar, als endlich gelber Samt ihre körperlichen Unzulänglichkeiten bedeckte.

Die Schneiderin zerrte und zupfte an dem viel zu weiten Gewand herum und bemühte sich verzweifelt, es Daisys fehlenden Kurven anzupassen. Nach einer Weile nickte sie zufrieden. „Fertig.“ Wegen der Stecknadeln zwischen ihren Lippen sprach sie recht undeutlich. „Können Sie Anfang nächster Woche noch einmal vorbeikommen?“

„Ich kann Sie wohl nicht überreden, etwas über den Stoff zu schütten? Milchkaffee vielleicht? Oder schwarze Tinte?“

„Gefällt Ihnen das Kleid denn nicht?“, fragte die Frau erstaunt.

„Bei meiner Haarfarbe ist Gelb für mich nicht gerade erste Wahl.“

„Nun, es gibt für alles ein erstes Mal.“

„Ja, und ein letztes.“

„Es ist nur ungewohnt, mehr nicht. Mit dem richtigen Make-up werden Sie eine wirklich hübsche Brautjungfer abgeben.“

Gütiger Himmel, auch das noch! Ihre Mutter träumte von einer hübschen Tochter, und Daisy wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, als hätte sie die Absicht, mit den anderen Brautjungfern zu konkurrieren.

„Daisy!“ Ginny stürmte mit ihren Cousinen in den Salon.

Alle Mädchen waren dunkelhaarig und bildschön. Robert wird sich blendend amüsieren, dachte sie deprimiert.

„Du bist früh dran.“

„Nein, Liebes, ihr habt euch verspätet.“

„Ach ja? Tatsächlich! Wir waren im Kosmetiksalon“, erwiderte Ginny. „Eine Gesichtsmaske würde dir auch nicht schaden.“

Diese Bemerkung hätte man so oder so auffassen können, doch Daisy war klar, dass Ginny es nicht böse meinte. Ihre künftige Schwägerin war einfach unfähig, jemanden zu kränken. Und obwohl ihre Figur einiges zu wünschen übrig ließ, wusste Daisy, dass ihr Teint makellos war. Leider vermochte eine Gesichtsmaske herzlich wenig an einer zu langen Nase und einem zu breiten Mund zu ändern.

Atemlos und ein bisschen deprimiert betrat Daisy ihr Büro.

„Da bist du ja.“

Ja, da war sie nun. Und das würde vermutlich bis zum Ende ihrer Tage so bleiben. Sie war Roberts beste Freundin und Begleiterin auf Abruf. Da Selbstmitleid jedoch nichts half, riss sie sich zusammen. „Tut mir leid, George, aber ich habe dich gewarnt, dass ich später kommen könnte.“

„So?“ George Latimer war fast siebzig, und obwohl ihm auf dem Gebiet orientalischer Kunstgeschichte kaum jemand das Wasser reichen konnte, ließ sein Kurzzeitgedächtnis stark zu wünschen übrig.

„Ich musste zur Anprobe für das Brautjungfernkleid“, erinnerte sie ihn.

„Ach ja. Und du warst mit Robert Furneval zum Lunch verabredet“, fügte er versonnen hinzu. Daisy, die gerade ihre Jacke aufhängen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. Sie hatte lediglich gesagt, dass sie mit einem Freund zu Mittag essen wollte, Robert hatte sie mit keiner Silbe erwähnt. „Deine Garderobe hat dich verraten, Liebes.“

„Inwiefern.“

„Du bist vom Hals bis fast zu den Füßen in äußerst unvorteilhaftes Braun gekleidet. Hast du etwa Angst, er könnte den Kopf verlieren und dich im Restaurant verführen, falls du bei einem Treffen mit ihm etwas auch nur annähernd Reizvolles trägst? Ich frage nur, weil ich den Eindruck habe, dass die meisten jungen Frauen diese Erfahrung genießen würden.“

Ihr geheucheltes Erstaunen hatte ihn also nicht täuschen können. Sein Kurzzeitgedächtnis mochte vielleicht lückenhaft sein, doch seine Augen trogen ihn nicht.

„Ich wusste gar nicht, dass du Robert kennst“, meinte sie ausweichend.

„Wir sind uns schon begegnet. Ich kenne seine Mutter. Charmante Frau. Sie ist fast eine Expertin auf dem Gebiet japanischer Netsuke-Kunst. Als sie hörte, dass ich einen Assistenten suche, rief sie mich an und hat dich empfohlen.“

Verblüfft setzte Daisy sich. „Davon hatte ich keine Ahnung.“

Jennifer Furneval war immer nett zu ihr gewesen, sie hatte Mitleid mit dem mageren Teenager gehabt, der sie ständig besucht hatte, in der Hoffnung, endlich von ihrem Sohn bemerkt zu werden. Mit keinem Wimpernzucken hatte sie verraten, dass sie die Gründe für Daisys plötzliches Interesse an der fernöstlichen Figurensammlung durchschaut hatte. Im Gegenteil, sie hatte ihr Bücher geliehen und ihr somit eine plausible Ausrede für weitere Besuche verschafft. Und irgendwann hatte sie ihr vorgeschlagen, Kunstgeschichte zu studieren.

Natürlich hatte Daisy zu diesem Zeitpunkt längst aufgehört, Roberts Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Und zwar genau an dem Tag, als er Lorraine Summers küsste.

Daisy war sechzehn gewesen und hatte nur aus Armen und Beinen bestanden – ein scheuer Teenager, dessen Kurven sich hartnäckig weigerten, die gewünschten Formen anzunehmen, und mit einer widerspenstigen Haarmähne, die sich durch keinerlei wie auch immer geartete Bemühungen in Form bringen ließ.

All ihre Freundinnen waren zu anmutigen Schönheiten herangewachsen, zu stolzen Schwänen, während sie noch immer mit den Eierschalen kämpfte. Das sprichwörtliche hässliche Entlein. Das störte sie allerdings nicht allzu sehr, denn die Schwäne, die Robert schöne Augen machten, waren viel zu jung und ernteten nur ein nachsichtiges Lächeln. Daisy hingegen hielt den Blick gesenkt und begnügte sich damit, ihm beim Fischen zuzusehen.

Ihre Zurückhaltung wurde in jenem wunderbaren Sommer belohnt, als Michael im Ausland war und Robert ihr eine alte Angel schenkte und ihr zeigte, wie man damit umging.

Das und der Weihnachtskuss, den er ihr unter dem Mistelzweig gab. Es war das schönste Geschenk, das sie in diesem Jahr bekommen hatte. Das Hochgefühl dauerte bis zum Juni an – bis sie ihn Lorraine Summers küssen sah und erkannte, dass Küsse weitaus mehr bedeuten konnten, als sie sich je hätte träumen lassen.

Lorraine war ein Schwan. Makellose Figur, glänzendes blondes Haar und jene unvergleichliche Weltgewandtheit, die ein Mädchen nur durch einen einjährigen Aufenthalt in Frankreich erreichen konnte. Robert hatte gerade das erste Jahr in Oxford erfolgreich absolviert und war zu Besuch zu Hause. Daisy lief schnell hinüber, um zu gratulieren und sich zu erkundigen, ob er am Sonntag fischen gehe. Leider war Lorraine – mit ihren Designerjeans, den lackierten Fingernägeln und angemalten Lippen – vor ihr eingetroffen.

Danach schaute Daisy nur noch dann bei Jennifer Furneval vorbei, wenn sie sicher sein konnte, dass Robert nicht da war.

Natürlich besuchte er auch weiterhin seine Mutter. Obwohl Daisys Bruder inzwischen in den Staaten studierte, kam Robert gelegentlich am Sonntagmorgen mit dem Hund seiner Mutter oder der Angelausrüstung vorbei. Warum auch nicht? Schließlich konnte er immer darauf zählen, dass sie ihm Sandwiches schmierte und die Thermosflasche mit frischem Kaffee füllte. Lorraine und ihre unzähligen Nachfolgerinnen hatten sich nie die Mühe gemacht, seinetwegen im Morgengrauen aufzustehen – und das alles für die zweifelhafte Ehre, nasse Füße zu bekommen.

„Ich glaube, sie sorgt sich um ihn“, stellte George Latimer nach einer kurzen Pause fest.

„Um Robert? Warum? Er ist doch in jeder Hinsicht erfolgreich.“

„Mag sein. Finanziell. Aber wie jede Mutter möchte sie, dass er sesshaft wird, heiratet und eine Familie gründet.“

„Darauf kann sie lange warten. Robert ist mit seinem Junggesellenleben vollauf zufrieden. Er hat eine Wohnung in London, einen Aston Martin in der Garage und kann jedes Mädchen haben, das er will. Warum sollte er all das für ein Haus in irgendeinem Vorort, einen Kombiwagen und schlaflose Nächte aufgeben?“ Jedenfalls nicht für schlaflose Nächte, die durch ein schreiendes Baby verursacht wurden.

Darauf wusste George nichts zu erwidern. „Deshalb also ziehst du dich so scheußlich an, wenn du mit ihm verabredet bist.“

„Wir sind Freunde, George. Gute Freunde. Und dabei will ich es auch belassen. Ich will nicht, dass er mich mit einem seiner Mädchen verwechselt.“

„Verstehe.“

Daisy fühlte sich unter George Latimers nachdenklichem Blick unbehaglich, und so wandte sie sich in Richtung ihres Büros, um zu beweisen, dass das Thema für sie beendet sei. „Soll ich Tee holen? Wir könnten dann den Katalog durchgehen.“ Sie deutete auf den Hochglanzprospekt, der für den Verkauf eines prächtigen Landsitzes warb.

Er blickte auf das Verzeichnis in seiner Hand, als könnte er sich selbst nicht erklären, wie es dorthin gelangt war. „Oh ja. Es wird unter anderem auch eine erlesene Porzellansammlung versteigert. Ich möchte, dass du die Objekte am Dienstag begutachtest.“ Sie war zutiefst geschmeichelt über diesen Vertrauensbeweis. „Du weißt, worauf du achten musst. Da du die Galerie repräsentieren wirst, wäre ich dir allerdings dankbar, wenn du Robert Furneval während deines Aufenthaltes aus dem Weg gehen würdest.“ Er blinzelte sie über den Rand seiner Halbbrille an. „Zieh das dunkelrote Kostüm mit dem kurzen Rock an.“

„Mir war gar nicht klar, dass du dich so für meine Garderobe interessierst, George.“

„Ich bin ein Mann. Und ich mag schöne Dinge. Hast du vielleicht auch dazu passende hochhackige Schuhe?“, fuhr er zu ihrem Entsetzen fort. „Damit könntest du das andere Geschlecht wunderbar ablenken.“

„Ich bin schockiert, George.“ Daisy zögerte. „Ich habe neulich in einer Boutique hinreißende Pumps entdeckt. Darf ich sie über meine Spesen abrechnen?“

Seine Augen funkelten vergnügt. „Nur wenn du mir versprichst, sie beim nächsten Mal zu tragen, wenn Robert Furneval dich einlädt.“

„Oh. Na schön. Dann muss ich eben auf die bequemen, flachen Treter zurückgreifen. Eigentlich schade.“

2. KAPITEL

Samstag, 25. März

Ich habe die Schuhe gekauft. Sündhaft sexy, sündhaft teuer, aber ich habe das Geld verwendet, das Dad mir zum Geburtstag geschickt hat. Am liebsten würde ich sie heute Abend auf Montys Party tragen! Ich würde es sogar tun, wenn Robert nicht auch dort wäre. Ob sonst noch jemand gemerkt hat, dass ich mich anders kleide, sobald er in der Nähe ist? Michael vielleicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Michael die Wahrheit kennt und – da er keine Versuche unternimmt, uns miteinander zu verkuppeln – mich versteht. Vermutlich spiele ich bis zu Roberts Pensionierung die Lückenbüßerin. Und bin noch immer allein.

Daisy hatte viel Zeit, darüber nachzudenken, was sie zu der Party anziehen solle. Und auch viel Zeit, sich mit allen möglichen Schimpfnamen zu belegen.

Statt mit Robert in irgendeinem exquisiten kleinen Restaurant zu dinieren, hatte sie sich, von falschem Stolz geleitet, für ein Sandwich mit Hüttenkäse und eine alberne Fernsehshow entschieden. Dass es sich um eine vernünftige Wahl gehandelt hatte, machte die Sache keineswegs angenehmer.

Das war doch kein Leben! Sie schaltete den Fernseher aus, schob das halb gegessene Sandwich beiseite und ging zum Kleiderschrank. Nur weil sie wusste, dass es besser war, sich nicht in die Schlange von Roberts Verehrerinnen einzureihen, brauchte sie ja nicht gänzlich auf männliche Aufmerksamkeit zu verzichten – und sei es auch nur, um den unausgesprochenen Verdacht ihrer Mutter zu entkräften, sie sei womöglich nicht am anderen Geschlecht interessiert.

Sie mochte zwar nicht mit Roberts hinreißenden „Mädchen“ konkurrieren können, doch manche Männer schienen sich durch fehlende Kurven nicht abschrecken zu lassen. Einige der jungen Kavaliere, die Robert auserkoren hatte, sie von anderen Partys heimzubegleiten, hatten mehr als einen Annäherungsversuch gestartet. Ein oder zwei waren sogar noch hartnäckiger gewesen. Sie hatten sie eingeladen und immer wieder angerufen, bis sie ziemlich deutlich geworden war …

Oh nein! Ausgeschlossen! Das würde er nicht tun! Oder doch? Sie errötete vor Scham bei dem Gedanken, dass Robert sie ermutigt haben könnte, ein bisschen … nun ja, nett zu ihr zu sein.

Nahm er sie etwa nur deshalb zu Gesellschaften mit, um sie mit irgendeinem passenden jungen Kerl zu verkuppeln? Hatte am Ende ihre Mutter ihn darum gebeten? Voller Unbehagen gestand Daisy sich ein, dass ihre Mutter durchaus zu solchen Tricks greifen würde. Sie hörte sie förmlich sagen: „Robert, es muss doch Dutzende von jungen Männern in deiner Bank geben. Versuch, um Himmels willen, Daisy mit einem zusammenzubringen, bevor sie eine alte Jungfer wird …“

Eigentlich sollte sie dankbar sein, dass ihre Mutter für sie nie irgendwelche Ambitionen in Bezug auf Robert gehegt hatte. Er war offensichtlich zu attraktiv und begehrenswert, um ihm das unscheinbarste Mitglied der Familie aufhalsen zu wollen.

Daisy zog eine locker fallende graue Seidenhose aus dem Schrank, die sich gut mit einem schlichten schwarzen Pullover kombinieren ließ – ein zwar langweiliges, aber dafür umso unauffälligeres Ensemble. Würde Robert nicht auch zu der Party gehen, hätte sie etwas Aufregenderes gewählt.

Vielleicht sollte sie es trotzdem tun?

Immerhin hielt Robert sie für so reizlos, dass er widerstrebende Angestellte zu ihrer Begleitung abkommandieren musste – war es da nicht völlig unerheblich, was sie anhatte?

Verdammt! Warum musste alles so kompliziert sein? Sie wollte doch nur seine Freundin sein. Mehr nicht. Aber Freunde bevormundete man nicht …

Plötzlich schossen ihr die Tränen in die Augen und rannen ihr über die Wangen. Sie hatte sich so sehr bemüht, vernünftig zu sein, doch ihre Liebe war stärker. Im Gegensatz zu seinen ständig wechselnden Gespielinnen war sie weder von seinem aufregenden Job in der City beeindruckt noch von den schnellen Wagen oder seinem guten Aussehen. Sie würde ihn auch ohne all diese Äußerlichkeiten lieben, weil sie ihn gern hatte. Das war schon immer so gewesen. Sie konnte einfach nicht anders.

Sie hatte gehofft, dass sich durch das Studium in einer anderen Stadt daran etwas ändern würde, dass sie jemanden kennenlernen würde, der sie Robert vergessen ließ. Vielleicht hatte sie nicht gründlich genug gesucht. Vielleicht hatte sie es, tief in ihrem Herzen, auch gar nicht gewollt. Und vielleicht war es nun an der Zeit, dem kindischen Versteckspiel ein Ende zu bereiten. Sie musste einen Schlussstrich ziehen, bevor sie etwas wirklich Dummes anstellte.

Gleich nach der Hochzeit, versprach sie sich im Stillen und wischte die Tränen mit dem Handrücken fort.

Sie würde nicht mehr auf Abruf bereitstehen. Sich rarmachen. Stricken lernen.

Zum Teufel! Jetzt wurde sie auch noch pathetisch! Nein, sie würde sich sofort ändern. Heute Abend würde sie nicht herumsitzen und darauf warten, dass Robert sie zum Tanzen aufforderte. Heute Abend würde sie selbst jemanden auswählen, der sie nach Haus bringen sollte – oder zumindest so würdevoll wie möglich allein aufbrechen.

Sie betrachtete ihr Spiegelbild und schwor sich, in männlicher Begleitung zur Hochzeit zu erscheinen. Es würde ihrer Mutter gefallen.

Nachdem sie diesen Entschluss gefasst hatte, ging sie ins Bad und duschte. Dann lackierte sie sich die Nägel in einem leuchtenden Rot, benutzte ihr teuerstes Parfüm in geradezu verschwenderischer Weise und ließ das blonde Haar offen über ihre Schultern fallen, statt es wie sonst in einen schlichten Zopf zu zwingen. Nicht besonders schick. Es war keine glänzende, volle Mähne, wie man sie aus der Shampoowerbung kannte. Das Einzige, was sich zu ihren Gunsten sagen ließ, war, dass sie verdammt viel von diesen widerspenstigen Locken hatte.

Einmal hatte sie sich das Haar kurz schneiden lassen – und danach wie ein Pudel ausgesehen, der einem ungeschickten Hundefriseur in die Hände gefallen war. Lediglich die Gewissheit, dass es umso krauser nachwachsen würde, hatte sie daran gehindert, sich den Kopf rasieren zu lassen. Außerdem wäre dies auch nur eine vorübergehende Lösung gewesen. Vielleicht sollte ich es trotzdem einmal versuchen, überlegte sie, während sie sich vergeblich bemühte, die blonde Flut zu bändigen. Andererseits … Selbst die gutmütige Ginny würde keinen Skinhead als Brautjungfer dulden.

Das schrille Läuten der Türglocke riss Daisy aus ihren Grübeleien. Sie blickte auf die Uhr. Es war erst Viertel vor zehn. Robert kam früh, offenbar war er wegen ihrer Verzögerungstaktik ungeduldig. Lächelnd betätigte sie die Gegensprechanlage.

„Du bist früh dran.“

„Dann nehme ich einen Drink, während ich warte“, erwiderte er.

Sie ließ ihn ins Gebäude und öffnete die Wohnungstür, bevor sie sich ins Schlafzimmer zurückzog, um sich die Lippen ebenso rot anzumalen wie die Nägel. „Im Kühlschrank steht Wein“, rief sie und betrachtete nervös ihr Spiegelbild. War sie zu weit gegangen?

„Soll ich dir auch ein Glas einschenken?“

„Hm.“ Sie brauchte unbedingt einen Drink.

Seufzend befestigte sie die glitzernden exotischen Ohrringe und schlüpfte in die neuen Schuhe, entschied jedoch, dass diese überflüssig waren. Niemand würde sie sehen. Sie zog sie wieder aus und, Feigling, der sie war, zog flache, bequeme Pumps an.

Robert – groß, breitschultrig, mit der geschmeidigen Eleganz eines durchtrainierten Sportlers – blieb an der Küchentür stehen, als er sie erblickte. Er betrachtete schweigend die weite Seidenhose und das knappe schwarze Top mit der Silberstickerei, das ihre kleinen Brüste wie eine zweite Haut umschloss …

Er fand, dass sie wie ein kleines Mädchen aussah, das man beim Spielen mit den Schminkutensilien seiner Mutter ertappt hatte, war aber zu höflich, es laut zu äußern. Daisy erkannte es an seiner Miene und wäre am liebsten ins Bad gelaufen, um sich das Gesicht zu waschen.

„Hattest du eine besondere Verabredung?“, fragte er schließlich und reichte ihr ein Glas. „Du hast meine Einladung zum Dinner abgelehnt“, fügte er hinzu, als sie nicht sofort antwortete.

„Oh. Nun ja …“ Sie zögerte. „Es hatte mit der Galerie zu tun.“ Arbeit. Das ist die plausibelste Ausrede, entschied sie. Er durfte keinesfalls auf die Idee kommen, dass sie ihn beeindrucken wollte.

„Eine Vorbesichtigung? Ich wäre gern gekommen, wenn ich davon gewusst hätte. Ich suche noch ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter.“

„Ach ja? Und was schwebt dir vor?“, erkundigte sie sich, um ihn abzulenken.

„Das weiß ich selbst nicht genau. Also, war es nun eine Vorbesichtigung?“, hakte er nach.

„Nein. Eigentlich nicht.“

Statt zu antworten, zog er nur eine der dunklen Brauen hoch und trank einen Schluck Wein. Sein Schweigen vermittelte Daisy das unbehagliche Gefühl, dass er ihr nicht recht glaubte. Aber was hätte sie ihm sonst sagen sollen? Dass sie lieber ferngesehen hatte, als mit ihm zu Abend zu essen? Wie sollte er etwas verstehen, das sie selbst nicht erklären konnte?

„George Latimer sollte dich nicht so schwer arbeiten lassen“, bemerkte er nach einem beinahe peinlichen Schweigen.

„Das tut er nicht“, entgegnete sie kühl. „Ich liebe meinen Job.“ Vielleicht war das schlechte Gewissen schuld an ihrer schroffen Reaktion. „Wollen wir jetzt gehen?“

Unten auf der Straße winkte Robert ein Taxi herbei.

„Wir können doch laufen“, wandte Daisy ein.

„Falls du gearbeitet hast, verdienst du es, gefahren zu werden.“

Falls? Wie, um alles in der Welt, kam er auf diese Formulierung? Lag es an dem Gefühl, dass sie nicht ganz ehrlich zu ihm gewesen war? Daisy hatte so schuldbewusst dreingeblickt, als sie ihm gesagt hatte, sie habe lange gearbeitet. Schuldbewusst und ungewohnt bezaubernd. Wäre George Latimer vierzig oder auch nur dreißig Jahre jünger gewesen, hätte Robert vermutet, dass sich zwischen den beiden etwas abspielte.

Das war natürlich lächerlich. Ihre Behauptung, bis halb zehn beschäftigt gewesen zu sein, deutete eher auf eine Affäre hin, bei der der Mann zu einer halbwegs akzeptablen Zeit wieder bei Frau und Kindern sein musste. Verstohlen blickte Robert zu ihr hinüber. Selbst im Halbdunkel des Taxis schienen ihre Augen zu strahlen. Und ihre Wangen waren vor Verlegenheit leicht gerötet. Aber Daisy würde sich nie auf so ein Verhältnis einlassen. Oder etwa doch?

Obwohl er sie zu kennen glaubte, kam es ihm plötzlich in den Sinn, dass er keine Ahnung hatte, wie sie reagieren mochte, wenn sie in Versuchung geriet. Was machte sie eigentlich nach Feierabend?

Sie sprach nie viel über sich. Oder hatte er sie nur nie danach gefragt? Nein, das stimmte nicht. Er war beziehungserprobt und wusste, wie man mit Frauen redete … Andererseits kannte er Daisy so gut. Zumindest hatte er sich das eingebildet. Das Mädchen an seiner Seite wirkte allerdings eher wie eine Fremde auf ihn.

Sie war für ihn immer Michaels kleine Schwester gewesen. Gutmütig, lustig, ein Mädchen, das sich nicht daran störte, wenn es ein bisschen schmutzig wurde. Aber heute Abend leuchteten ihre Augen, und auf ihren Wangen zeichneten sich hektische Flecken ab. Diesen Gesichtsausdruck kannte und verstand er. Bei Daisy vermittelte er Robert jedoch heftiges Unbehagen. Es war fast so, als hätte er einen Schleier gelüftet und ein Geheimnis entdeckt.

Sie wandte sich zu ihm um und ertappte ihn dabei, wie er sie musterte. Einen flüchtigen Moment lang meinte er, etwas Tieferes, Bewegenderes zu sehen. Dann aber zog sie spöttisch die Brauen hoch. „Was ist los, Robert? Vermisst du noch immer die hinreißende Janine?“

Er entspannte sich. Daisy hatte sich nicht verändert. Er hatte sich etwas eingebildet. „Verletzter Stolz, mehr nicht“, erwiderte er.

„Du wirst allmählich nachlässig. Wenn du nicht aufpasst, wirst du eines Tages das Mittelschiff einer Kirche entlanggehen – und zwar nicht als Trauzeuge, der mit den Brautjungfern flirtet, sondern als Bräutigam.“

„Nur weiter so. Prügle ruhig auf einen Mann ein, der bereits am Boden liegt.“

„Spätestens in einer halben Stunde hast du dich wieder erholt. Heraus mit der Sprache, welchen jungen Mann wirst du heute mit der Aufgabe betrauen, mich nach Hause zu bringen?“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Weil du es immer tust. Manchmal glaube ich, dass du eine ganze Riege dieser Jünglinge beschäftigst, die in Notfällen einspringen müssen.“

„In Notfällen?“

Sie presste theatralisch eine Hand auf die Brust. „Du weißt schon … Atemberaubende Rothaarige … Lass uns noch in einen Club gehen … Verdammt! Was mache ich nur mit Daisy …?“ Sie lachte. „Derartige Notfälle.“

„Undankbares Geschöpf! Zur Strafe werde ich dich heute persönlich nach Hause bringen und …“

„Und was?“

Ja, was? Er konnte sie nicht einmal wegen ihrer Freunde necken, denn nach seinen Informationen hatte sie es mit einem „Gute Nacht und vielen Dank“ bei den jungen Männern bewenden lassen, die er zu ihrer Begleitung abgestellt hatte. Manche hatten ihn sogar um dieses Privileg gebeten. Das würde er ihr natürlich nicht erzählen. Sie verdiente keine Komplimente.

„Bei mir wirst du nicht mit einem höflichen Händedruck davonkommen. Für meine Mühe erwarte ich eine Tasse Kaffee und ein riesiges Schinkensandwich.“

„Woher weißt du, dass sie sich mit einem höflichen Händedruck begnügen mussten?“, erkundigte sie sich hoheitsvoll. „Mussten sie dir Bericht erstatten?“

„Selbstverständlich“, log er. Man hatte ihm nichts sagen müssen, die Enttäuschung der Burschen war unübersehbar gewesen. „Ich wollte schließlich wissen, ob du sicher zu Hause gelandet bist.“

Sie lächelte. „Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass sie dir gegenüber vielleicht nicht ganz ehrlich gewesen sein könnten?“

„Sie würden es nicht wagen, mich zu belügen.“

Daisy lachte laut auf. Es war also alles in Ordnung. Jawohl! „Eines Tages wirst du in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, Robert. Aber wenn du dich von der ersten hinreißenden Rothaarigen, Blondine oder Brünetten, die dich anlächelt, losreißen kannst, bekommst du so viel Kaffee und Schinkensandwiches von mir, wie du nur willst.“

„Eigentlich bewahre ich mich für die hübschen Brautjungfern auf“, meinte er selbstironisch. „Du sagtest doch, dass sie hübsch sind, oder?“

„Umwerfend. Ich werde dich beim Supper genau über sie informieren. Falls du mich bis dahin nicht vergessen hast.“

„Schlange.“

Als das Taxi hielt, stieg Robert als Erster aus, und bis er den Fahrer bezahlt hatte, war Daisy bereits im Haus verschwunden und plauderte mit ihren Freunden. Sie gehörte zu den Mädchen, die man überall gern sah. Er freute sich auch immer, sie zu sehen. Leider sah er sie nicht oft genug.

Irgendjemand drückte ihm einen Drink in die Hand und fragte ihn um seinen Rat bei einer Geldanlage. Danach wurde er von einem Mädchen mit Beschlag belegt, das ihn zu kennen schien, an dessen Namen er sich jedoch nicht erinnern konnte. Plötzlich entdeckte er Daisy, die in eine angeregte Unterhaltung mit einem großen blonden Mann vertieft war. Einem Mann, der Robert fremd war und dessen Gesichtsausdruck deutlich verriet, was er beabsichtigte.

Der Blick weckte die sonderbarsten Beschützerinstinkte in Robert. „Entschuldige mich“, sagte er zu der Blondine, deren Name ihm partout nicht einfallen wollte.

Der Mann war Australier – schlank, sonnengebräunt und widerwärtig gut aussehend. Daisy lachte gerade über eine seiner Bemerkungen. Sie schien sich blendend zu amüsieren. Robert war irritiert, schließlich war sie mit ihm hier.

„Kann ich dir einen Drink holen, Liebes?“, erkundigte er sich und legte ihr den Arm um die Taille.

„Nein, danke.“ Verwundert sah sie ihn an. Ihr Erstaunen war nicht ganz unberechtigt, denn normalerweise kümmerte er sich auf Partys nie um sie. „Nick kümmert sich um mich. Kennt ihr euch schon?“, fragte sie. „Nick, das ist Robert Furneval. Robert, Nick Gregson.“

Robert warf dem Australier einen Blick zu, der ihm unmissverständlich riet, sich eine andere Gesprächspartnerin zu suchen. Da Daisy Nick mit keinem Wimpernzucken zum Bleiben ermutigte, verschwand er nach kurzem Zögern in der Menge.

„Was ist los?“, fragte sie. „Ist die Blondine nicht auf deine Sprüche hereingefallen?“

Er hatte den Eindruck, dass Daisy böse auf ihn war. „Welche Sprüche?“

„Keine Ahnung, aber du musst welche haben. Du kannst dir unmöglich für jedes Mädchen etwas Neues ausdenken.“

„Du bist heute Abend besonders charmant, Liebes. Ist das deine Rache, weil ich dir zugestimmt habe, als du meintest, du würdest auf Michaels und Ginnys Hochzeit wie eine Ente aussehen?“

„Wie bitte?“ Irgendjemand hatte die Musik lauter gedreht.

„Weil ich sagte, du wirst wie eine Ente aussehen …“ Leider war ausgerechnet in diesem Moment das Lied zu Ende, und der letzte Teil des Satzes dröhnte wie Donnerhall durch die plötzlich eingetretene Stille. Alle Anwesenden drehten sich verwundert zu ihnen um.

Daisy errötete. „Vielen Dank, Robert. Genau das habe ich jetzt gebraucht.“ Sie drückte ihm ihr Glas in die Hand und ließ ihn stehen.

Daisy war wütend. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals wütend auf Robert gewesen zu sein. Es war eine völlig neue Erfahrung für sie und berauschender als Alkohol.

Vielleicht lächelte sie deshalb den Australier so strahlend an, als sie nach einer Runde durch Montys Apartment wieder mit ihm zusammentraf. Robert wurde derweil von einer üppigen Brünetten angehimmelt, die aus den Fehlern ihrer Vorgängerinnen offenbar nicht das Geringste gelernt hatte.

Nick deutete mit dem Kopf in Roberts Richtung. „Sind Sie und er …“ Er ließ den Satz unbeendet.

„Robert und ich?“ Sie rang sich ein unbekümmertes Lachen ab. „Gütiger Himmel, nein! Wir sind nur gute Freunde. Ich kenne ihn, seit ich laufen kann. Er ist für mich so etwas wie ein Bruder.“

„Ach ja?“ Sein Lächeln enthüllte makellos weiße Zähne. „Dann muss es sich um brüderliche Fürsorge handeln. Da Ihr guter Freund nämlich so aussieht, als würde er mir am liebsten ein Messer in den Rücken rammen, sollten wir vielleicht weiterziehen. Wie wäre es mit einem Club?“

Warum nicht? Die Brünette war zweifelsfrei darauf aus, Robert zu umgarnen. In spätestens fünf Minuten würde er das Schinkensandwichabkommen vergessen haben – falls es nicht bereits der Fall war. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde er auch sie vergessen, und zwar bis er wieder jemanden brauchte, der einen Wurm am Angelhaken befestigte, oder kurzfristig bereit war, ihn zu einer Party zu begleiten. Nun gut, sie hatte es nicht anders gewollt, und bislang war er stets zu ihr zurückgekehrt, wenn er sich nach Gesellschaft oder Mitgefühl sehnte. Und wenn sie vorsichtig war, würde das auch immer so bleiben.

In der Zwischenzeit war es durchaus angenehm, einen attraktiven Mann an seiner Seite zu haben, der ehrliches Interesse an ihr zeigte.

Als sie ihn ansah, dachte Daisy, dass Nick ihre Mutter zutiefst beeindrucken würde. „Haben Sie heute in zwei Wochen schon etwas vor?“, fragte sie.

„Nicht dass ich wüsste.“ Er schenkte ihr erneut ein strahlendes Lächeln. Offenbar setzte er seine blendend weißen Zähne beim Flirten genauso ein wie die Brünette ihre langen Wimpern. Auf die Dauer könnte das ziemlich langweilig werden, fand Daisy. „Was schwebt Ihnen denn vor?“

„Nichts Aufregendes. Ich habe nur überlegt, ob Sie vielleicht gern zur Hochzeit meines Bruders kommen würden.“

„Bruder im Sinne von ‚Bruder‘?“ Er blickte zu Robert hinüber. „Oder Bruder im Sinne von ‚gutem Freund‘?“

„Mein Bruder Michael heiratet, und Robert ist sein Trauzeuge.“

„In diesem Fall tut es mir sehr leid, denn ich hätte Sie gern begleitet. Es gibt nichts Schöneres als eine Hochzeit. Leider werde ich zu diesem Zeitpunkt in Perth sein.“

„In Australien?“

Er lächelte sie wieder an. Allmählich gelangte sie zu dem Schluss, dass er seinen Lebensunterhalt mit Zahnpastareklame verdiente. „So ist es. Aber wir könnten uns trotzdem treffen. Lassen Sie die Trauung Ihres Bruders sausen, und kommen Sie mit mir. Wir könnten unsere eigene Hochzeit feiern.“

Andererseits war absolut nichts Langweiliges an einem Mann, der eine solche Einladung derart lässig aussprach. Man konnte ihm vielleicht einen gewissen Hang zur Exzentrik vorwerfen. Oder ein Übermaß an Fantasie. Möglicherweise war er auch nur betrunken, obwohl er keineswegs so klang.

„Das muss ich bedauerlicherweise ablehnen. Ich bin nämlich die vierte Brautjungfer.“ Trotz der Tatsache, dass ihre Mutter nie wieder ein Wort mit ihr wechseln würde, wenn sie mit einem Fremden rund um die Welt flog, nur um sich vor der lästigen Pflicht zu drücken, war der Gedanke verlockend …

Möglicherweise würde man ihr sogar vergeben, wenn sie als ehrbare Ehefrau zurückkam. Auf jeden Fall würde sie wegen Robert nicht mehr in Versuchung geraten. Kein bequemer Rückfall mehr in die Rolle als Lückenbüßerin. Leider waren Nick und seine Zähne Teil des Handels.

„Niemand wird merken, ob eine Brautjungfer mehr oder weniger da ist“, drängte er.

„Oh doch. Drei wirken auf Fotos nämlich ziemlich ärmlich. Außerdem habe ich die Gewohnheit, keine Heiratsanträge von Männern anzunehmen, die ich gerade erst kennengelernt habe.“

So leicht ließ er sich nicht abschrecken. „Wir haben drei volle Tage, bevor ich abreise. Also genug, um einander kennenzulernen. Warum fangen wir nicht gleich mit einem Tanz an?“

„Drei volle Tage?“, wiederholte sie benommen, während er den Arm um sie legte und sie an sich zog. Er war muskulöser als Robert – zweifellos dank unzähliger auf dem Surfbrett verbrachter Stunden. „Sie verschwenden wohl keine Zeit, oder?“

„Man sollte das Leben genießen und nicht vergeuden.“

Daisy lachte. „Sie sind verrückt.“

Er blickte sie gekränkt an. „Warum? Weil ich Sie wirklich gern kennenlernen möchte? Stellen Sie sich vor, wir beide wären füreinander bestimmt, und Sie würden zu dieser Hochzeit fahren, während ich nach Australien zurückkehre – dann würden wir die Wahrheit nie herausfinden.“

„Das Risiko muss ich eingehen.“ Insgeheim hielt sie es für kein besonders großes Risiko. Sie ahnte, dass er unter „kennenlernen“ eher den körperlichen Aspekt als den intellektuellen meinte.

„Sind Sie denn gar nicht neugierig?“, fragte er drängend.

„Neugierig worauf?“ Erst jetzt fiel ihr auf, dass er sie während des Gesprächs geschickt in eine ruhige, schwach beleuchtete Ecke des Raums manövriert hatte.

Er senkte den Kopf und küsste sie. Es war ein zarter, forschender Kuss, doch Daisy wich zurück, bevor die Sache zu ernst werden konnte. Mit einem Anflug von Bedauern blickte sie zu dem sonnengebräunten Riesen auf. Ihre Mutter wäre von Nick begeistert gewesen.

„Tut mir leid“, sagte sie. „Ich finde, wir sollten es dabei belassen.“

Einen Moment lang wirkte er verwirrt, dann lächelte er. „Ich glaube, ich mag Sie.“

„Sehen Sie? Meine Entscheidung war also richtig. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden …“ Sie befreite sich aus seinen Armen, drehte sich um – und stieß beinahe mit Robert zusammen.

„Hast du unsere Abmachung vergessen?“ Er blickte an ihr vorbei auf Nick.

Abmachung? Hatte er noch immer vor, sie nach Hause zu bringen? „Zum Teufel, Robert, verschwinde, und flirte mit jemandem in deinem Alter“, erwiderte sie verärgert.

„Später. Lass uns tanzen.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, legte er ihr den Arm um die Taille.

Aber nicht so wie Nick. Nicks Geste war intim gewesen und hatte keinen Zweifel an seinen Absichten gelassen. Robert hingegen betrachtete sie in einem anderen Licht. Normalerweise verschwendete er um diese Uhrzeit keinen Gedanken mehr an sie. Machte ihm die Trennung von Janine tatsächlich zu schaffen, oder gab es auf der Party keine attraktiven Mädchen, die ihm gefielen?

„Ich brauche wohl kaum zu fragen, ob du dich gut amüsiert hast“, sagte er.

„Es war interessant“, behauptete sie, während sie sich im Rhythmus der Musik bewegten. Ihre Wange ruhte an seiner Brust, sein Herz schlug gleichmäßig. Da er nur selten mit ihr tanzte, genoss sie es jedes Mal als etwas ganz Besonderes. Sie hatte viel zu selten Gelegenheit, ihn zu berühren, ihn zu halten, seine starken Muskeln zu fühlen und seinen würzigen Duft einzuatmen. Er zog sie besitzergreifend an sich, und einen köstlichen Moment lang gab sie sich seiner Nähe hin. „Ich habe schon einen Heiratsantrag bekommen“, erklärte sie, da ihr bereits nach wenigen Sekunden die Kraft fehlte, sich von ihm zu lösen.

Ihre Worte erzielten den gewünschten Effekt. Robert rückte ein wenig von ihr ab und runzelte die Stirn. „Ich meine es ernst. Du wirkst ein bisschen gereizt. Nicht so wie sonst … Du würdest mir doch sagen, wenn …“

„Was?“

Er zögerte. „Nun ja … Wenn etwas … nicht in Ordnung wäre.“

In Ordnung? Gar nichts war in Ordnung. Und überhaupt … Woher nahm er das Recht, so zu tun, als wäre ihre Bemerkung über den Heiratsantrag nur ein fabelhafter Witz gewesen? Zugegeben, sie hatte es so gemeint, doch er hätte zumindest auf das Spiel eingehen können! „Möglicherweise habe ich ihm das Herz gebrochen“, verkündete sie scheinbar unbekümmert. „Aber bestimmt wird er sich wieder erholen.“

„Wovon, um alles in der Welt, redest du?“

„Er lebt in Australien. Wenn ich nach Australien ginge, könnte ich schließlich nicht Ginnys Brautjungfer sein, oder?“

„Also … Nein, vermutlich nicht.“ Er wirkte verwirrt.

Daisy seufzte. „Es geht mir gut, Robert.“ Sie versetzte ihm einen kleinen Stoß. „Und nun verschwinde. Du hast deine Pflicht getan. Ich werde Monty ein bisschen helfen.“

Robert folgte ihr zur Küche, blieb aber an der Tür stehen, als ihr Gastgeber ihr strahlend entgegeneilte.

„Daisy, mein Liebling! Du bist meine Rettung“, rief Monty und reichte ihr eine Schürze. „Die Lieferanten haben alle möglichen Kartons gebracht, und ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich damit anfangen soll.“

„Schieb die Pasteten in den Ofen, und arrangiere den Rest auf Platten. Du würdest dir allerdings eine Menge Zeit, Arbeit und Abwasch sparen, wenn du die Schachteln einfach auf den Tisch stellen würdest.“

Als sie den entsetzten Blick bemerkte, den Monty Robert zuwarf, griff sie seufzend nach der Schürze. Flüchtig kam ihr in den Sinn, dass sie besser daran täte, Nick Gregson näher kennenzulernen und zu versuchen, Robert zu vergessen, statt als unbezahlte Küchenhilfe zu schuften.

Nachdem sie den Backofen vorgeheizt und Schnittchen auf eine Platte gelegt hatte, wollte sie ihr Werk zum Büfett bringen. Robert stand noch immer an der Tür.

Irgendwie machte es sie nervös, dass er sie unablässig beobachtete. Normalerweise nahm er kaum von ihr Notiz, und sie konnte einfach nicht glauben, dass das knappe schwarzsilberne Oberteil, das sie trug, ihn derart faszinierte.

„Falls du helfen willst – dort drüben hängt noch eine Schürze“, meinte sie.

Das genügte, um ihn wieder normal werden zu lassen. Robert schnappte sich ein Lachskanapee und verschwand ohne eine Wort.

Ein paar Stunden später hatte Daisy genug. Sie hatte Teller mit Köstlichkeiten herumgereicht, die neuesten Gerüchte gehört und öfter getanzt als üblich. Es war eine nette Party – wenn man davon absah, dass Robert stets in ihrer Nähe zu sein und sie nicht aus den Augen zu lassen schien. Beunruhigend. Sie wollte nicht, dass er sie so anschaute. Nicht mit diesem missbilligenden Stirnrunzeln. Bislang hatte sie sich immer eingebildet, genau zu wissen, was er dachte, doch heute Abend war es anders.

Dabei war eigentlich alles wie sonst. Er wurde von sämtlichen weiblichen Singles angehimmelt, und Daisy war sicher, dass er keinen Gedanken mehr an Kaffee und ein Schinkensandwich verschwenden würde, wenn der Aufbruch nahte. Heute jedoch wollte sie ihm keinesfalls Gelegenheit geben, irgendjemanden damit zu beauftragen, sie nach Hause zu bringen.

Als die hartnäckige Brünette sich kokett an seinen Arm klammerte und ihn ablenkte, nutzte Daisy die Chance, um ihren Mantel zu holen. Sie würde Monty im Lauf der Woche anrufen und sich entschuldigen, dass sie das Fest verlassen hatte, ohne sich von ihm zu verabschieden. Nick hielt sie jedoch zurück, bevor sie die Tür erreichte.

„He! Wollen Sie etwa ohne mich aufbrechen? Wir sind doch so gut wie verlobt.“

Hin und her gerissen zwischen Verärgerung und einem gewissen Stolz, dass jemand mehr in ihr sah als eine Lückenbüßerin oder eine Küchenhilfe, lachte sie. „Nein, sind wir nicht.“

„Sie sind ziemlich hartnäckig.“ Aus seinem Mund klang das so, als wäre sie äußerst unvernünftig.

„Ich hatte gehofft, Sie würden es aufgeben.“

„Nichts ist unmöglich. In Las Vegas habe ich sogar einmal eine Frau geheiratet, die ich gerade erst kennengelernt hatte.“

„So?“ Warum wunderte sie das nicht? „Nur einmal?“

„Nun ja …“

„Sind Sie noch immer mit ihr verheiratet?“

„Natürlich nicht.“ Er blickte sie gekränkt an. „Ich bin kein Bigamist. Das ist ja das Schöne an Las Vegas. Heute getraut …“, er schnippte mit den Fingern, „… und morgen geschieden.“

„Einfach so?“

„Jedenfalls beinahe.“ Während sie noch überlegte, ob sie ihm glauben sollte, fuhr er unbekümmert fort: „Wo würden Sie gern heiraten? Wir könnten an irgendeinem exotischen Ort zwischenlanden und eine von diesen Strandzeremonien arrangieren. Ich hatte schon immer eine Schwäche dafür. Wie wäre es mit Bali?“

Es war eine schwere Wahl. Im Moment klang Bali wesentlich verlockender als gelber Samt, doch leider stand diese Frage nicht zur Debatte. Mit dem Kleid brauchte sie sich schließlich nur für ein paar Stunden herumzuärgern, während sie eine Ehe – im Gegensatz zu Nick – als lebenslange Bindung betrachtete.

„Ich reagiere allergisch auf Sand“, behauptete sie. „Außerdem habe ich Angst vorm Fliegen.“

„Wirklich?“ Sekundenlang wirkte er verunsichert. „Dann vielleicht eine Schiffstrauung, vorgenommen vom Kapitän?“

„Es ist ein Märchen, dass der Kapitän eines Schiffes eine rechtmäßige Trauung vollziehen kann“, erklärte Daisy. Allmählich hatte sie von Nicks Scherzen genug. „Und jetzt möchte ich nach Hause – und zwar allein.“ Sie drehte sich um und ging hinaus auf die Straße.

So leicht ließ er sich allerdings nicht abschütteln. „Die Straßen sind heutzutage nicht sicher für eine einsame Frau.“

„Mag sein, aber mit Ihnen sind sie auch nicht sicherer.“

Diesmal war sein Lächeln voller Wärme. „Sie sind so sicher, wie Sie es wünschen. Großes Pfadfinderehrenwort.“

Ehe sie ihre Zweifel daran äußern konnte, dass er jemals Pfadfinder gewesen war, winkte er ein Taxi herbei.

„Daisy!“ Robert. „Da bist du ja, Liebes. Ich habe dich schon gesucht. Du hast mir Kaffee und ein Sandwich versprochen“, erinnerte er sie und nahm ihren Arm. Er lächelte Nick freundlich zu, der für Daisy die Wagentür geöffnet hatte. „Danke, dass Sie uns ein Taxi gerufen haben, Gregson.“

Und nachdem Daisy eingestiegen war, folgte ihr Robert und schlug dem verdutzten Nick die Tür vor der Nase zu.

3. KAPITEL

Sonntag, 27. März

Kirchgang mit der ganzen Familie zum letzten Verlesen des Aufgebots von Michael und Ginny. Danach Lunch für alle bei uns zu Hause. Mutter wird in ihrem Element sein.

Robert hat angeboten, mich mitzunehmen. Ich sagte, ich würde lieber laufen. Hoffentlich nimmt er mich nicht ernst.

„Daisy?“

Bereits als die Türglocke anschlug, wusste sie, dass er es war. Gähnend blickte sie auf die Uhr und zog den Gürtel ihres Morgenmantels fester um die Taille. Warum fiel ihr das Aufstehen in London so viel schwerer als auf dem Land? „Verschwinde, Robert. Es ist mitten in der Nacht.“

„Es ist halb acht. Der Tag ist fast vorbei.“

„Wirklich?“ Sie sah erneut auf die Uhr. „Himmel, tatsächlich! Ich dachte, es wäre zwanzig vor sechs.“

„Vielleicht brauchst du eine Brille.“

„Ich brauche keine Brille, sondern mehr Schlaf. Musstest du denn so früh kommen?“

„Nein, aber ich hatte gehofft, du würdest Frühstück machen. Schließlich musste ich auf den nächtlichen Imbiss verzichten, den du mir versprochen hattest.“

„Du hast ihn nicht verdient.“

„Mag sein. Aber ich habe auch nie behauptet, ich sei perfekt.“ Richtig, das hatte er nie gesagt. „Trotzdem bin ich ziemlich nahe dran.“ Sie hörte das Lachen in seiner Stimme und lehnte die Stirn an die Tür. Ja, verdammt nahe sogar.

„Du verdienst auch kein Frühstück.“

„Nein? Wer sonst würde bei Morgengrauen aufstehen, um einem undankbaren Geschöpf eine Mitfahrgelegenheit zu bieten?“

„Du würdest so oder so nach Hause fahren.“ Daisy löste die Sicherheitskette und öffnete die Tür. „Komm schon herauf.“ Sie ging in die Küche und machte Kaffee.

Kurz darauf betrat er das Apartment und blieb hinter ihr stehen. „Du bist nicht wirklich böse auf mich.“ Das war keine Frage. Er sagte es mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der genau wusste, wie unwiderstehlich er war.

Auch ohne sich umzudrehen, wusste sie, dass er lächelte – und dass sein Lächeln natürlich absolut unwiderstehlich war.

Es war einfach nicht fair. Aber wann war das Leben schon fair? Wenn es so wäre, hätte sie das gleiche glatte Haar wie ihre Schwester oder zumindest Michaels Größe. Leider hatten ihre Geschwister alle attraktiven Gene der Eltern geerbt und nichts für sie übrig gelassen.

„Natürlich bin ich wütend auf dich“, erklärte sie. „Nur weil du ausnahmsweise keinen Grund hattest, den Sonntagmorgen im Bett zu verbringen, war es nicht nötig, mich in aller Herrgottsfrühe zu wecken.“

„Ich meine, wegen gestern Abend.“

„Gestern Abend?“ Sie tat so, als müsste sie nachdenken. „Ach, du meinst Nick. Danke, dass du mich daran erinnerst. Zum ersten Mal in meinem Leben ist es mir gelungen, mir den attraktivsten Mann auf der Party zu angeln …“ Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „… und du verjagst ihn, weil du Angst hast, du könntest ein Abendessen verpassen.“

„Ich habe es verpasst“, wandte er ein.

Sie drehte sich um. „Dachtest du, ich würde dich nach dieser Episode auch noch durchfüttern?“

„Ich habe dich lediglich beschützt. Wusstest du, dass er geschieden ist? Zwei Mal sogar. Monty hat es mir erzählt.“

„Monty ist eine alte Klatschbase.“

„Er ist Kolumnist einer großen Zeitung. Klatsch ist sein Metier.“

Daisy zuckte die Schultern. Zwei Mal? Das passte ins Bild. Ein Mann, der so leichtfertig Heiratsanträge machte, musste irgendwann in seine eigene Falle tappen. „Und du hast geglaubt, es könnte mich reizen, Nummer drei zu werden?“

„Nun …“

„Bildest du dir ein, ich würde auch nur in Betracht ziehen, aus einer Laune heraus einen völlig Fremden zu heiraten?“ Sie goss kochendes Wasser über das Kaffeepulver.

„So etwas kommt vor. Er muss an zwei Frauen Unterhalt zahlen. Wie du schon sagtest – er sieht gut aus … Sofern man auf Muskelprotze steht.“ Robert lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte lässig die Arme vor der Brust.

Plötzlich machte sie seine Überheblichkeit wütend. „Es mag dir vielleicht neu sein, aber manche Menschen brauchen ein bisschen mehr Zeit, bevor sie mit jemandem ins Bett gehen …“ Kaum waren die Worte heraus, wusste sie, dass sie das Falsche gesagt hatte. Er hob abrupt den Kopf. „Mir ist klar, dass er nicht auf deiner Liste potenzieller Begleiter für mich stand, weil er dir vermutlich nicht Bericht erstattet hätte …“ Robert schwieg. Nervös fuhr sie fort: „Himmel, möglicherweise wäre ich sogar in Versuchung geraten, ihn auszuprobieren – selbstverständlich nur mit deiner Billigung …“

„Ich schätze, genau das hatte er im Sinn“, warf er kurz angebunden ein.

„Was ist los, Robert? Du darfst dir alle Freiheiten erlauben, während ich spätestens um Mitternacht wieder allein in meinem jungfräulichen Bett liegen muss? Geht es darum?“

Abwehrend hob er die Hände. „Du weißt, dass Michael an meiner Stelle das Gleiche getan hätte.“

„Michael ist mein Bruder. Welche Ausrede hast du?“

„Verdammt, Daisy, langsam denke ich, dass dir der Mann tatsächlich gefallen hat.“

Er klang ehrlich gekränkt. Ein kaum merkliches zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen. Seine Einmischung am Vorabend hatte ihr zwar nicht behagt, andererseits schmeichelte es ihr jedoch, dass er besorgt genug gewesen war, die hübsche Brünette zu verlassen, um ihr, Daisy, zu Hilfe zu eilen.

„Ganz im Gegenteil. Mich ärgert lediglich, dass du überhaupt auf den Gedanken gekommen bist, mir könnte etwas an ihm liegen.“

„Oh … Verstehe. Dann muss ich mich wohl bei dir entschuldigen.“

Sie ließ ihn einen Moment zappeln, während sie gegen den unbändigen Wunsch ankämpfte, laut aufzulachen. Schließlich zuckte sie gelangweilt die Schultern.

„Ehrlich“, fügte er zerknirscht hinzu.

Wortlos holte sie zwei Kaffeebecher aus dem Schrank.

„Hast du mir verziehen?“

„Nur noch dieses eine Mal“, erwiderte sie scheinbar widerstrebend.

„Es tut mir wirklich leid wegen gestern Abend. Ich fürchte, ich habe dich als Selbstverständlichkeit betrachtet.“

Endlich drehte sie sich um und blickte ihm fest in die braunen Augen. „So ist es, Robert. Allerdings nur, weil ich es dir gestatte.“ Sekundenlang herrschte Schweigen, während er über ihre Bemerkung nachdachte. „Also, was möchtest du zum Frühstück?“, erkundigte sie sich betont munter, um die plötzliche Spannung zu durchbrechen.

Noch immer stirnrunzelnd öffnete er den Kühlschrank. „Es wäre schade, den Schinken verderben zu lassen“, meinte er und inspizierte den Inhalt. „Allerdings scheinst du keinen Schinken zu haben.“

„Nein.“

„Demnach hattest du gar nicht vor, mich gestern Abend zu bewirten, oder?“

„Ich hatte nicht gedacht, dass es nötig sein würde. Rühreier?“ Ohne seine Antwort abzuwarten, griff sie an ihm vorbei und nahm den Eierkarton aus dem Kühlschrank.

„Daisy …“

Vorsichtig schlug sie die Eier in eine Schüssel. „Du kannst den Tisch decken.“

Er gehorchte widerspruchslos. „Darf ich dich etwas fragen?“

„Würdest du das Brot toasten?“ Sie ahnte, dass er sie fragen wollte, wie sie ihre Zeit verbrachte, wenn er sie nicht mit Beschlag belegte. Was sollte sie darauf antworten?

Dass sie ihre Kenntnisse über orientalische Keramiken vervollkommnete? Dass sie viel las? Dass sie viel zu viel vor dem Fernseher saß? All das entsprach der Wahrheit. Nicht dass sie kein Privatleben gehabt hätte – weit gefehlt. Allerdings nicht die Art von Privatleben, für die Robert sich neuerdings zu interessieren schien. Bislang hatte sie dieses Thema sorgsam vermieden und wollte auch jetzt nicht darauf eingehen.

„Das Brot liegt dort drüben im Kasten“, erklärte sie, als er sich nicht von der Stelle rührte.

„Ah ja.“ Endlich verstand er den Wink und folgte ihren Anweisungen.

Verwundert hob sie den Kopf. Der leichte Sieg machte sie misstrauisch.

Daisy überließ Robert den Abwasch, während sie duschte. Danach flocht sie das feuchte Haar zu einem lockeren Zopf und zog einen schlichten grauen Rock an, der im Auto nicht knittern würde. Sie stopfte Jeans und einen Pullover in einen Beutel, zusammen mit Stiefeln, damit sie nach dem Lunch den Hund ausführen konnte.

„Fertig?“

Robert hatte frischen Kaffee gebrüht und studierte die Zeitung. „Ich bin bereits seit einer halben Stunde fertig“, verkündete er und erhob sich.

„Und es ist noch immer nicht neun.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du solltest dir schnellstens eine neue Freundin zulegen, sonst werden die Sonntage für dich verdammt lang.“

„Ich habe noch andere Interessen.“ Ihr zweifelnder Blick verriet, dass sie ihm kein Wort glaubte. Er lächelte. „Beispielsweise Fischen.“

„Und wann warst du das letzte Mal angeln?“

„Keine Ahnung.“ Er dachte darüber nach, während sie die Treppe hinuntergingen. „Vor ein paar Wochen“, sagte er schließlich. „Du hast mich begleitet.“

„Dann war es noch vor Weihnachten. Du hast Janine auf einer Weihnachtsfeier kennengelernt, und ich war nicht mehr angeln, seit …“

„Okay, okay.“

„Möchtest du etwas über die drei Mädchen hören?“

„Über wen?“, fragte er stirnrunzelnd.

„Über die Brautjungfern“, erinnerte sie ihn, als sie in den Wagen stieg. „Sie wollten schon um dich losen.“

„Losen? Du meinst, um mich?“ Er klang schockiert, doch Daisy ließ sich davon nicht täuschen. Jeder Mann musste sich geschmeichelt fühlen, wenn solch ein Rummel um seine Person veranstaltet wurde. „Das würden sie nicht tun.“

„Haben sie auch nicht. Sie sind zu der Erkenntnis gelangt, dass es unsinnig wäre.“

„Oh.“

Sie lächelte liebenswürdig. „Anscheinend traut keine der anderen über den Weg.“

Er warf ihr einen verblüfften Blick zu. „Das hast du dir ausgedacht.“

„Meiner Meinung nach ist Diana die …“, sie suchte nach dem passenden Wort, „… Erfindungsreichste.“

„Du machst dich auf meine Kosten lustig …“

Als ob sie das je tun würde … „Dann wäre da noch Maud.“

Autor

Marion Lennox
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