Julia Exklusiv Band 277

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

IM RAUSCH DER SINNE von YATES, MAISEY
Ihre Scheinehe mit dem Milliardär Marco De Luca führt die junge Elaine zum Flittern nach Hawaii. Dort fordert Marco die Hochzeitsnacht. Elaine ist schockiert! Schließlich ist sie noch Jungfrau und gar nicht Marcos Typ! Welche Pläne verfolgt der italienische Playboy wirklich?

BEIM ZWEITEN MAL IST ALLES ANDERS von ANDERSON, NATALIE
Im Afrika-Urlaub sieht Sebastian seine Frau Ana wieder. Nie ist er über ihre Trennung hinweggekommen, denn Ana ist die Liebe seines Lebens! Entschlossen setzt Sebastian alles daran, Ana zurückzuerobern. Denn eins steht zweifelsfrei fest: Ohne sie will er nicht sein!

IN DER OASE UNSERER TRÄUME von GREEN, ABBY
Fünf Jahre zuvor hat Scheich Salman die blutjunge Jamilah in Paris verführt und ihr das Herz gebrochen! Doch als Jamilah den glutäugigen Wüstensohn wiedertrifft, bebt sie vor Verlangen - und gibt sich ihm erneut hin. Ein Fehler? Schließlich scheint Salman etwas zu verbergen …


  • Erscheinungstag 07.10.2016
  • Bandnummer 0277
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707675
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maisey Yates, Natalie Anderson, Abby Green

JULIA EXKLUSIV BAND 277

1. KAPITEL

„Ich würde sagen, die Zahlen sprechen für sich. Eine Eheschließung brächte Ihnen einen ungeheuren finanziellen Gewinn“, schloss Elaine Chapman ihre Ausführungen.

Suchend ließ Marco De Luca den Blick durch sein Büro schweifen. Anscheinend hatte man ihn als Kandidaten für die Sendung „Versteckte Kamera“ auserkoren – es konnte sich unmöglich um einen ernst gemeinten Vorschlag handeln.

Er konnte jedoch nirgends ein Objektiv entdecken. Außerdem schwang keinerlei Ironie in Elaine Chapmans Stimme mit. Ihrem entschlossenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war es ihr vollkommen ernst. Eigentlich sollte mich das nicht überraschen, überlegte Marco. Miss Chapman machte ihrem Ruf alle Ehre. Sie war berüchtigt dafür, vor nichts haltzumachen, wenn es galt, ihre Ziele zu erreichen …

Marcos Blick glitt über sein Gegenüber. „Ich – heiraten? Sie?“

Elaine stieg das Blut in die Wangen. Natürlich war sie nicht gerade Miss New York. Aber verstecken musste sie sich auch nicht. War es also nötig, dass De Luca einen so überraschten Ton anschlug?

„Was hätte ich denn davon?“ Marco lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, wodurch sein athletischer Oberkörper erst richtig zur Geltung kam. Nicht einmal das konservativ geschnittene Oberhemd konnte seine durchtrainierten Muskeln verbergen. Elaine zwang sich, die Augen wieder auf sein Gesicht zu richten. Was kümmerten sie schon seine Muskeln? Männer hatten eben welche – na und? Eine solche Ablenkung konnte sie in ihrem Leben überhaupt nicht gebrauchen – jetzt schon gar nicht.

„Haben Sie denn die Zahlen nicht gesehen?“ Erneut nahm sie das Blatt mit ihren Berechnungen zur Hand.

„Ich habe schon gehört, was Sie gesagt haben. Allerdings fand ich es völlig uninteressant. Sie haben zwanzig Minuten meiner kostbaren Zeit verschwendet – zwanzig Minuten! Wissen Sie, welches Honorar ich üblicherweise dafür bekäme? Ich versichere Ihnen, das könnten Sie sich nicht leisten. Und dann entpuppt sich Ihr Geschäftsangebot auch noch als Heiratsantrag! Sie können von Glück reden, dass ich nicht meine Sicherheitsleute gerufen habe, um Sie aus meinem Büro zu entfernen!“

Abschätzig betrachtete er das blasse, ungeschminkte Gesicht der jungen Frau. Er hatte sie hin und wieder bei diversen geschäftlichen Anlässen und Wohltätigkeitsveranstaltungen gesehen – allerdings nur von Weitem. Und jedes Mal trug sie einen dieser unvorteilhaften schwarzen oder dunkelblauen Hosenanzüge und das Haar zu einem strengen Knoten gebunden.

Wie er sie einschätzte, gehörte sie zu jenen Frauen, die meinen, sie müssten aussehen wie ein Mann, um in der Geschäftswelt bestehen zu können. Die Sorte Frau, die viel Aufwand betrieb, um ihre Weiblichkeit gründlich zu verbergen. Und diese Frau da vor ihm hatte es darin zur Vollendung gebracht. Aber angeblich verstand sie es, skrupellos mit den Waffen einer Frau zu arbeiten, wenn es ihr Vorteile verschaffte. Das wusste er allerdings nur vom Hörensagen – persönlich war ihm dieses Vergnügen bisher versagt geblieben.

„Ich habe Ihnen bereits erklärt, dass Sie von meinem Vorschlag nur Vorteile haben.“ Elaine überprüfte den Sitz ihrer leger geschnittenen Anzugjacke. „Sie sind doch ein erfolgreicher Geschäftsmann“, fuhr sie fort, „dann wissen Sie doch bestimmt, dass laut Statistik verheiratete Männer höhere Gewinne erzielen als alleinstehende. Das ist eine unwiderlegbare Tatsache. Und erzählen Sie mir jetzt nicht, Sie würden sich nicht für Statistiken interessieren. Was Ihre Geschäftsstrategien betrifft, ist Ihr Ruf geradezu legendär. Eine Eheschließung zwischen uns wäre genau das: eine Strategie. Und zwar eine äußerst erfolgversprechende.“

James Preston – schoss es Marco plötzlich durch den Kopf. Der Unternehmer zögerte nur deshalb, einen Millionendeal mit ihm abzuschließen, weil er sein heiß geliebtes Ferienresort nicht jemandem anvertrauen wollte, dem ein harmonisches Familienleben völlig fremd war. Stattdessen suchte er immer noch nach einem verheirateten Käufer – als würde dieser über so viel Zeit und Energie für das Projekt verfügen wie er selbst! Marco wollte dieses Geschäft unbedingt abschließen, aber wie es im Moment aussah, sollte es wohl nicht sein. Das ließ ihm keine Ruhe – es zerfraß ihn innerlich geradezu. Das Angebot eines De Luca wies man nicht ab. Nicht mehr – diese Zeiten waren längst vorbei.

Aber deswegen heiraten? Das erschien selbst ihm etwas zu übertrieben. Schließlich hatte er genau das die letzten dreiunddreißig Jahre erfolgreich vermeiden können. Und er beabsichtigte nicht, dies jetzt zu ändern.

„Und Sie glauben allen Ernstes, ich würde mich – nur eines Geschäftsgewinns wegen – herablassen, Sie zu heiraten?“

Bei der Wahl seiner Worte verzog Elaine unwillig den Mund. „Allerdings glaube ich das. Sie sind in der Geschäftswelt eine Legende. Nicht nur wegen Ihrer Erfolge, die eindrucksvoll genug sind, sondern vor allem aufgrund Ihrer absoluten Zielstrebigkeit. Und diese Eigenschaft haben wir gemeinsam – auch wenn meine Ziele wahrscheinlich etwas bescheidener ausfallen.“

„Und wie profitieren Sie von der ganzen Sache?“ Er stand abrupt auf und kam um den Schreibtisch herum. Mit verschränkten Armen baute er sich direkt vor Elaine auf und sah sie misstrauisch an. „Als Geschäftsfrau werden Sie sich doch gewiss auch etwas davon versprechen?“

Elaine holte tief Luft. Dieses Gespräch war von ihr sehr gründlich vorbereitet worden, und sie wusste auf alle nur erdenklichen Fragen eine Antwort. Womit sie nicht gerechnet hatte, war die Wirkung, die Marco De Luca auf sie ausübte, wenn er sie mit seinen dunklen Augen so intensiv anblickte wie gerade eben. Sämtliche Argumente waren plötzlich wie weggeblasen.

Er war die fleischgewordene Versuchung, die Verkörperung eines Adonis. Am liebsten wäre Elaine ihm schmachtend vor die Füße gesunken.

Schmachtend? Mein Gott, wozu versteige ich mich denn da, fragte Elaine sich entsetzt. So kannte sie sich gar nicht. Sie schmachtete niemals – eigentlich wusste sie kaum, was das bedeutete.

Energisch versuchte sie, sich zu beherrschen. Aber es war schwierig, sich zu konzentrieren, wenn er da so vor ihr stand. So groß und gut aussehend – so beängstigend gut aussehend. Seine männliche Ausstrahlung war fast greifbar. Um ein Haar hätte Elaine die Hand ausgestreckt und Marco berührt. Noch nie hatte sie Fantasien in dieser Richtung gehegt – und ausgerechnet in einer Geschäftsverhandlung wurde sie plötzlich davon überfallen. Marco De Luca brachte sie wirklich völlig aus der Fassung.

Allmählich begann sie, ihr Vorhaben für einen Riesenfehler zu halten.

Wieder holte sie tief Luft, um sich zu sammeln. „Mein Vater – wie die meisten Männer dieser Generation – ist der Meinung, der Platz einer Frau sei in der Küche. Damit habe ich zwar nicht unbedingt ein Problem, sofern eine Frau sich freiwillig für ein solches Leben entscheidet – für mich kam das jedoch nie infrage. Ich will das Familienunternehmen führen, aber mein Vater traut mir das nicht zu.“

„Und Sie? Was denken Sie?“ Marco lehnte sich gegen den Schreibtisch und stützte sich mit den Händen ab. Wie magisch wurde Elaines Blick von ihnen angezogen. Es waren starke, kräftige Hände, die zupacken konnten. Sie hasste feingliedrige Hände an Männern. Zumindest theoretisch. Praktisch hatte sie das noch nie überprüft.

Schon wieder! Sie schweifte schon wieder ab! Jetzt war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, einen Hormonschub zu bekommen. Sie wollte diesen Deal! Sie brauchte ihn und würde sich nicht von ihrem Plan abbringen lassen. Nicht durch diesen Mann – mochte er auch noch so attraktiv sein.

Energisch richtete sie sich zu voller Größe auf. Auf ihren Absätzen reichte sie Marco De Luca nun bis zum Kinn. „Ich bin mehr als geeignet: Ich habe einen Hochschulabschluss in Betriebswirtschaft, habe bei einem der führenden Unternehmen der Branche hospitiert und arbeite im Moment als Abteilungsleiterin einer Marketingfirma. Sie können mir glauben, als Mann bräuchte ich all diese Qualifikationen nicht einmal. Mein Vater würde mir seine Firma mit stolzgeschwellter Brust übertragen.“

„Wenn Sie doch so kompetent sind, warum haben Sie denn dann nicht schon längst ein eigenes Unternehmen gegründet?“

Elaine presste ihre vollen Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. „Das hätte ich schon längst getan! Leider hat mich mein Vater – damals war ich war noch an der Uni und arbeitete in den Semesterferien für ihn – gezwungen, einen Vertrag zu unterzeichnen, der mir untersagt, eine eigene Firma zu gründen, die eine Konkurrenz darstellen könnte.“

„Wie konnten Sie denn so dumm sein und so etwas unterschreiben?“

Amüsiert beobachtete Marco, wie flammende Röte ihre Wangen überzog. Plötzlich durchfuhr ihn ein gänzlich unpassender Gedanke: Wie Miss Chapman wohl aussah, wenn sie erregt war? Er schüttelte den Kopf, konnte aber nicht verhindern, dass seine Überlegungen weiter in diese Richtung abdrifteten: Wie man es wohl schaffte, die Leidenschaft einer Frau wie Elaine zu wecken? Wahrscheinlich mit einer Tabellenkalkulation, dachte er trocken.

„Damals ging ich noch davon aus, das Unternehmen würde auf mich übergehen, sobald mein Vater sich aus dem Betrieb zurückzöge. Deshalb habe ich diesen Vertrag gar nicht so ernst genommen.“

„Und Sie glauben, eine Scheinehe würde Ihnen aus dieser Zwickmühle heraushelfen?“

„Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, das kann ich Ihnen versichern.“ Unwillkürlich trat sie einen Schritt auf Marco zu und stemmte die Hände in die Hüften. Dadurch zog sich die weite Jacke straff, und ihre schmale Taille sowie die Rundungen ihrer üppigen Brüste wurden erkennbar. „Ihr Kaufvertrag besagt doch, dass Sie den Betrieb übernehmen werden, sobald mein Vater in Rente geht?“

„Schon, aber inwiefern würde unsere Eheschließung Ihren Zielen dienen?“

„Die Verträge sind doch bereits unterzeichnet, oder?“

Marco nickte bestätigend.

„Dann kann er keinen Rückzieher mehr machen.“

„Er könnte es versuchen, aber das hätte ziemlich unangenehme Folgen für ihn.“ Marcos entschiedener Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er äußerst rücksichtslos handeln würde, sollte jemand seine Pläne durchkreuzen wollen. Zufrieden blickte Elaine ihn an.

„Wenn ich Sie heirate, gehört mir als Ihrer Frau die Hälfte Ihres Vermögens – wodurch ich automatisch zur Mitbesitzerin an der Firma meines Vaters werde. Am einfachsten wäre es natürlich, wenn ich die andere Hälfte einfach kaufen könnte, aber in dem Vertrag ist eine Klausel, die es Ihnen verbietet, an mich zu verkaufen.“

„Stimmt – diese Klausel hat mich wirklich amüsiert. Ich habe mich nur gefragt, ob Ihr Vater wegen Ihres Geschlechts oder wegen Ihrer möglichen Inkompetenz darauf bestanden hat.“ In seiner tiefen, sonoren Stimme mit dem leichten südländischen Akzent schwang unmissverständliche Ironie mit.

„Mein Vater ist ein unverbesserlicher Chauvinist“, konterte Elaine ärgerlich. „Wenn es nach mir ginge, würde ich ihn wegen seiner altmodischen Ansichten in Therapie schicken und dann versuchen, erneut mit ihm zu verhandeln. Aber ich fürchte, das wäre vergebene Liebesmüh. Deshalb bin ich hier. Mein Vater ist ein guter Geschäftsmann – aber ich bin besser. Ich habe ein Schlupfloch in dem Vertrag gefunden: Der Vertrag besagt, dass Sie nicht an mich verkaufen können. Allerdings hindert Sie nichts daran, die Firma an mich zu übertragen – zum Beispiel nach einer Scheidung.“ Es gelang Elaine nicht ganz, ihre Genugtuung zu verbergen.

Prüfend sah sie Marco De Luca an. Seinem Gesicht war jedoch nicht die geringste Regung zu entnehmen. Dieser Mann war hart wie Granit.

Wie abwesend blätterte Marco in den Unterlagen, die Elaine ihm präsentiert hatte. „Miss Chapman, das Ganze kommt mir etwas einseitig vor. Sollten bei einem Geschäft nicht beide Seiten profitieren? In diesem Falle bekommen Sie die Firma – und ich? Was ist für mich drin? Eine eventuelle Steigerung der Rendite, wenn man Ihren Berechnungen trauen kann. Ich muss Sie enttäuschen! Das ist nicht meine Art, Geschäfte zu machen. Glauben Sie mir: Die echte Geschäftswelt sieht anders aus.“

Befriedigt stellte er fest, dass Elaine einen Moment lang um Fassung rang. „Ich weiß, wie Geschäfte gemacht werden“, stieß sie schnippisch hervor. „Ich war schließlich in Harvard.“

„Meine Liebe, im Hörsaal lernt man nicht, wie es im wirklichen Leben zugeht. Sie können rechnen, Sie kennen sich mit Geschäftsabschlüssen aus, die in Ihren Lehrbüchern vorkommen. Aber das hat nichts mit der harten Realität zu tun. Sie haben Ihre Naivität bewiesen, indem Sie den Vertrag unterschrieben, den Ihr Vater Ihnen vorgelegt hat.“

Herausfordernd hob sie das Kinn. „Natürlich weiß ich, wie es in der Geschäftswelt zugeht. Alles im Leben dreht sich um Geld – und dieses Geschäft wird Ihnen Geld einbringen, viel Geld. Sie werden nach unserem kleinen Deal einen Bruttoumsatz machen, der den Profit aus dem Unternehmen meines Vaters bei Weitem übersteigt. Durch eine Eheschließung mit mir werden sich die Gewinne des De-Luca-Imperiums in jedem Tochterunternehmen um zehn Prozent erhöhen.“

Unwillkürlich fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen, die wirklich außerordentlich verführerisch aussahen, wenn sie sie nicht gerade zusammenpresste. Marco konnte sich lebhaft vorstellen, seinen Mund auf ihren Lippen zu spüren, während ihre spröde Schale unter seinen Küssen langsam aufzubrechen begann.

Obwohl sie sich größte Mühe gegeben hatte, ihre weiblichen Konturen zu verbergen – und die meisten Menschen zweifellos auch täuschen konnte –, ihm, Marco De Luca, entgingen ihre Reize nicht. Elaine besaß eine natürliche Schönheit, die sich nicht verstecken ließ. Da waren ihre strahlend blauen Augen – von einem dichten Kranz langer, dunkler Wimpern umgeben –, der geradezu elegante Schwung ihrer Augenbrauen und der ebenmäßige Teint. Anders als die Frauen, von denen er sich üblicherweise angezogen fühlte, trug sie kaum Make-up. Dadurch strahlte sie eine Frische und Natürlichkeit aus, die ihn fesselte.

Das wollte schon etwas heißen. Seit Langem war es keiner Frau mehr gelungen, sein Interesse zu wecken: Letztlich waren sie doch alle gleich – zumindest in Gegenwart eines wohlhabenden Mannes wie ihm. Oberflächlich, kokett … und sehr schnell langweilig.

„Und wie lange soll diese Ehe aufrechterhalten werden?“ Entgegen seiner ursprünglichen Reaktion spürte er jetzt doch eine gewisse Neugier. Er traf nicht oft Menschen, die ebenso rücksichtslos vorgingen wie er selbst, um ihre Ziele zu erreichen.

„Ganz sicher nicht ‚bis dass der Tod uns scheidet‘. Zwölf Monate sollten genügen, um den Anschein einer Zweckehe zu vermeiden. Leider …“, Elaine zuckte die Schultern, „wird auch unsere Ehe das Schicksal erleiden, das fünfzig Prozent aller Ehen ereilt: Sie wird scheitern.“

Jetzt wird es interessant, dachte Marco, jetzt lässt sie die Katze aus dem Sack. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es ihr wirklich nur um Chapman Electronics ging. Wie sie ganz richtig bemerkt hatte, war diese Firma tatsächlich unbedeutend für ihn – gemessen an seinen sonstigen Projekten. Warum sollte eine Frau, die bereit war, ihren Körper eines Geschäfts wegen hinzugeben, sich mit Peanuts zufriedengeben?

„Und nach diesen zwölf Monaten erwarten Sie eine saftige Abfindung? Wie wollen Sie das erreichen? Werden Sie mir Gewalt in der Ehe oder Untreue vorwerfen?“

„Wohl kaum. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich die Firma will. Nicht mehr und nicht weniger.“

„Und was ist mit dem unglaublichen Umsatz, den ich dank unserer Ehe angeblich machen werde?“

„Das ist ja der Trick bei der Sache: Wenn ein Mann von seiner Frau verlassen wird und mit gebrochenem Herzen zurückbleibt, vervielfacht sich der Gewinn sogar noch. Glauben Sie mir, ich habe das gründlich recherchiert.“

„Das behaupten Sie zumindest.“

„Empathie ist eine sehr starkes Gefühl, Mr. De Luca. Unterschätzen Sie das nicht. Die meisten Ihrer Geschäftsfreunde sind wahrscheinlich geschieden, weil das Engagement für die Firma das für ihre Frauen bei Weitem übertraf. Wenn Ihre Frau Sie verlässt, können Sie sich des Mitgefühls ihrer Geschlechtsgenossen sicher sein.“

Schlagartig stieg Marcos Adrenalinspiegel, sein Pulsschlag erhöhte sich – wie immer, wenn er einen guten Deal witterte. Dafür lebte er – für diesen Moment der Herausforderung … manchmal auch der Gefahr.

Dabei brauchte er gar nicht noch mehr Geld, davon hatte er mehr als genug. Aber er wollte es. Der kleine Junge, der auf der Straße und in überfüllten Obdachlosenheimen überlebt hatte, sehnte sich nach der Sicherheit, die ihm der Reichtum versprach. Besitz anzuhäufen war zu einer Sucht geworden. Erfolg zu haben war für ihn existenziell notwendig. Er brauchte mehr und mehr davon, um das Elend der Vergangenheit vergessen zu können.

„Wir würden natürlich einen Ehevertrag abschließen. Das heißt, mein Anwalt wird ihn aufsetzen. Der Deal geht nur über die Bühne, wenn Sie auf alle Ansprüche verzichten. Das heißt, im Falle der Scheidung werde ich keinerlei Verlust erleiden, Sie hingegen könnten alles verlieren.“

Dass er anscheinend bereit war, auf ihren Vorschlag einzugehen, kam für Elaine wie ein Schock. Obwohl sie natürlich gehofft hatte, ihn zu überzeugen, erwartete sie tief im Inneren, mit ihrem Vorhaben zu scheitern. „Ich habe keinerlei Einwände. Ich will nichts von Ihnen außer dem, was mir rechtlich zusteht.

Marco musterte sie so eindringlich, dass Elaine sich vorkam, als würde sie meistbietend versteigert.

„Würden wir die Ehe denn vollziehen?“ Es überraschte ihn selbst, wie wichtig ihm die Antwort auf diese Frage war.

Amüsiert beobachtete er, wie Elaine errötete. Das hatte er schon lange nicht mehr gesehen … eine Frau, die noch rot wurde. Die Frauen, mit denen er sich normalerweise umgab, waren nicht so zartbesaitet. Sie waren ihm ähnlich und verwechselten Sex nicht mit Liebe.

Eigentlich fühlte er sich nicht angezogen vom Typus der scheuen Unschuld vom Lande. Aber irgendwie wirkte Elaine noch reizvoller, wenn sie errötete. Dann bekam die Fassade der kühlen Geschäftsfrau plötzlich Risse, und man konnte ahnen, wie sanft und sexy sie sein konnte.

„Nein! Natürlich nicht!“ Elaine hatte vorgehabt, kühl und gelassen zu bleiben – dieser Situation fühlte sie sich jedoch nicht ganz gewachsen. Sie pflegte das Thema Sex nicht zu diskutieren, schon gar nicht mit einem Mann. „Ich meine, Sie können natürlich tun, was Sie wollen – solange Sie diskret sind.“

Wieder glitt Marcos Blick über Elaines Gestalt. Zum ersten Mal ahnte er, welchen Reiz eine Frau ausüben konnte, wenn sie ihren Körper nicht freizügig zur Schau stellte. Es forderte einfach seine männliche Neugier heraus.

Er stellte sich vor, wie sie wohl aussehen mochte, wenn ihr blondes Haar ihr Gesicht umschmeichelte – die Wangen vor Erregung gerötet, der Mund geschwollen von leidenschaftlichen Küssen – seinen Küssen. Die Gewissheit stieg in ihm auf, sie würde die perfekte Geliebte sein. Eine Frau, die sich auf der geschäftlichen Bühne so gut behaupten konnte, würde sich auch im Schlafzimmer nicht plötzlich passiv verhalten.

Er spürte, wie sehr es ihn erregte, sich ihren Körper unter der schützenden Schicht der Kleidung vorzustellen. Sicher war sie unter dieser Rüstung ganz Frau. Schlank, mit samtweicher Haut und üppigen Rundungen.

„Was ich will? Auch mit wem ich will?“, fragte er heiser. Er hob die Hand und strich Elaine sanft über die Wange.

Noch nie hatte jemand sie so angesehen. Als könne er geradewegs durch ihre Kleidung sehen, mit einem Ausdruck des Begehrens in den Augen. Elaine wurde völlig überwältigt von der Flut der Gefühle, die dieser Blick in ihr auslöste. Ein Pochen, eine Hitze breitete sich in ihrem Schoß aus – ein für sie völlig unbekanntes Gefühl.

„Wenn ich nun sagen würde, dass ich dich will?“

Unwillkürlich öffneten sich Elaines Lippen, ihre Lider senkten sich … Gewaltsam entzog sie sich dem Sog und wich zurück. Spürte schamerfüllt, wie heiß ihre Wangen brannten.

„Nein! Ich meine, es geht doch nur um ein Geschäft. Und man soll geschäftliche und persönliche Interessen nie vermischen. Und außerdem wäre es unmoralisch.“

Ihr war klar, dass ihr Gesicht glühte. Inbrünstig wünschte sie, das Büro nie betreten zu haben. Diesem Mann war sie einfach nicht gewachsen.

Marco lachte amüsiert auf. Sie war wirklich unbezahlbar in ihrer Rolle der eisernen Jungfrau. „Okay, ich habe es kapiert.“

Sie hatte recht. Es war viel vernünftiger, Geschäftliches und Privates zu trennen. Vor allem, wenn es um eine Heirat mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen ging. Außerdem wollte er nicht für ein ganzes Jahr an eine einzige Frau gebunden sein. Ihm kam auch der unbestimmte Verdacht, wenn er erst mit ihr geschlafen hätte, würde sie ihr großzügiges Angebot schleunigst zurückziehen.

Und sollte er es sich anders überlegen, konnte er ja immer noch mit ihr ins Bett gehen. Es war mehr als eindeutig, dass auch sie ihn wollte. Er ließ sie nicht kalt, aber das war er gewohnt. Bis jetzt hatte ihn noch keine zurückgewiesen. Die Frauen liebten seinen Status, seinen Reichtum, seine Fähigkeiten als Liebhaber. Und manche sogar ihn. Aber er liebte sie nicht, keine von ihnen – und das würde auch so bleiben.

„Du müsstest zu mir in mein Penthouse ziehen.“

„Auf gar keinen Fall!“ Da war er wieder, dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht. Verletzlich … weiblich … und unglaublich verführerisch.

Er kam einen Schritt auf sie zu. „Ich kann auf keinen Fall zulassen, dass meine Frau am anderen Ende der Stadt wohnt. Schließlich habe ich einen Ruf zu wahren – meine Frauen pflege ich so nah wie möglich bei mir zu behalten.“

Wieder hatte seine Stimme diesen heiseren, verführerischen Klang angenommen, der Elaine einen heißen Schauer über den Rücken jagte. So weit hatte sie gar nicht gedacht bei ihrem Plan: womöglich mit ihm zusammenleben zu müssen. Der Gedanke, mit einem so verführerischen Mann wie Marco auf engstem Raum zusammen zu sein, trieb ihr die Schweißperlen auf die Stirn.

Aber natürlich würde sie auch das bewältigen. Um die Firma ihres Vaters zu bekommen, würde sie alles auf sich nehmen. Das war schließlich ihr Lebenstraum. Allerdings fände sie das Arrangement weit beruhigender, wenn sie in ihrer sicheren Umgebung bleiben könnte. Wirklich beruhigt wäre sie allerdings erst, wenn sie und Marco durch mindestens einen Kontinent getrennt wären. Aber das stand nun einmal nicht zur Debatte. „Wenn wir schon zusammenleben müssen, dann können Sie bei mir einziehen!“

„Ausgeschlossen!“, kam die prompte Antwort, „du bei mir.“ Arme Elaine. Sie war wirklich unglaublich naiv! Nicht einmal die einfachste Regel kannte sie: Unterschätze nie deinen Gegner! Diesen Fehler hatte sie begangen, sonst wüsste sie, dass sich ein Marco De Luca nie auf einen Kompromiss einließ. Ein De Luca verhandelte nicht. „Und du nimmst meinen Namen an.“

„Was!“ Elaines Gesicht war hochrot, diesmal nicht aus Verlegenheit. „Das würde ich nicht einmal in einer richtigen Ehe tun. Es ist eine Zumutung, von einer Frau zu verlangen, ihre Identität aufzugeben, bloß weil sie heiratet. Leben wir etwa in der Steinzeit?“

Unbeteiligt zuckte Marco die Schultern. „Von mir aus kannst du mich als Neandertaler bezeichnen, das ist mir egal. Ich bin nun mal kein Softie. Beziehungen führe ich wie meine Geschäfte: Die Kontrolle behalte ich. Kein Mensch würde uns abnehmen, dass wir wirklich verheiratet sind, wenn ich bei dir einziehe und du deinen Namen behältst. Meine äußerst konservativen Geschäftspartner würden ja völlig den Respekt vor mir verlieren.“

Abfällig musterte er ihren unvorteilhaften Hosenanzug, und Elaine hasste ihn für ihre plötzlichen Zweifel an ihrem eigenen Kleidungsstil. Vor langer Zeit schon hatte sie sich dagegen entschieden, ihre Weiblichkeit zu betonen. Ganz im Gegenteil, sie versuchte so unauffällig wie möglich zu wirken. Schließlich wollte sie aufgrund ihrer Leistung geschätzt werden und nicht ihrer verführerischen langen Beine oder eines Minirocks wegen.

„Einverstanden“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Ach – und noch etwas“, seine Lippen verzogen sich zu einem zynischen Lächeln, „ich erwarte, dass die Befriedigung meiner Bedürfnisse oberste Priorität bei dir hat – und ich gedenke, unser Arrangement dahin gehend auch voll auszunutzen.“

Fassungslos starrte Elaine ihn an. „Ich habe doch bereits gesagt, dass ich nicht mit Ihnen schlafen werde. Wagen Sie es ja nicht, mich wie eine … eine Prostituierte zu behandeln.“ Wütend presste sie die Lippen zusammen. Was für ein unmöglicher Mann!

Marco brach in schallendes Gelächter aus. „Davon redet doch hier kein Mensch. Es fällt mir nicht schwer, jemanden fürs Bett zu finden. Was ich brauche, ist eine Frau, die mich bei geschäftlichen Events begleitet und bewundernd zu mir aufblickt. Meine Termine sind wichtig. Nicht deine Arbeit und auch nicht deine sozialen Kontakte.“

Elaine war deutlich anzusehen, wie es in ihr arbeitete. Der Ausdruck in ihren strahlend blauen Augen sprach Bände. „Okay. Ich akzeptiere die Bedingungen.“

„Und bilde dir ja nicht ein, ich würde unser kleines Arrangement jemals als etwas anderes als ein Geschäft betrachten und eine richtige Ehe mit dir führen wollen“, erklärte Marco arrogant. „So arbeite ich nicht. Selbst wenn du in meinem Bett landen solltest, würde das nichts ändern. Also verliebe dich nicht in mich! Meinerseits werde ich das nämlich auf gar keinen Fall tun.“ Er hasste nichts mehr als Frauen, die ihm eine Szene machten, weil sie nicht verstehen wollten, dass ihre Zeit einfach abgelaufen war. Schließlich endete doch jede Beziehung irgendwann.

„Ich werde mir die größte Mühe geben“, konterte Elaine trocken. Über diese Machosprüche war sie geradezu froh, denn sie brachten sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Marco De Luca gehörte zu genau der Sorte Mann, die sie verabscheute: arrogant, überheblich und chauvinistisch. Sie gelobte sich, das keine Sekunde zu vergessen.

Mich in ihn verlieben? Lächerlich! Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn überhaupt leiden konnte. Außerdem hatte sie sich schon vor langer Zeit geschworen, sich nie auf gefühlsmäßige Verwicklungen einzulassen.

„Du wärest nicht die Erste, die mir verfällt. Vielleicht auch nur meinem Konto, aber das läuft letztendlich auf dasselbe heraus.“

„Ich glaube, da können Sie ganz beruhigt sein. Weder auf Ihr Herz noch auf Ihren Geldbeutel habe ich es abgesehen. Ich komme finanziell sehr gut allein zurecht, und was meinen Männergeschmack betrifft … ich stehe so gar nicht auf Fossilien aus der Steinzeit.“

Ein Lächeln huschte über Marcos Gesicht. „Ja dann … dann haben wir einen Deal.“

Mit einem festen Händedruck besiegelten sie das Abkommen, und Marco schüttelte amüsiert den Kopf. Diese Frau war wirklich eine Gattung für sich: ganz knallharte Geschäftsfrau – außer wenn sie rot wurde.

„Mr. De Luca, es wird mir ein Vergnügen sein, mit Ihnen zusammenarbeiten. Ich werde meinen Anwalt beauftragen, sich mit Ihrem Anwalt in Verbindung zu setzen, damit der Ehevertrag aufgesetzt werden kann“, sagte sie förmlich. „Wenn Sie mir bitte ein paar Termine nennen wollen, ich werde dann die Hochzeit organisieren.“

„Selbstverständlich“, stimmte er zu. Elaine wandte sich zum Gehen, und Marco verfolgte interessiert, wie der Stoff der Hose sich über ihrem festen, kleinen Po spannte. „Miss Chapman!“ Elaine blieb stehen und blickte sich um. „Sie sollten sich lieber angewöhnen, mich auch zu duzen, wenn wir jetzt quasi schon verlobt sind! Also, ich hole dich morgen um acht Uhr ab. Wir werden einen Verlobungsring kaufen.“

Einen Moment lang sah es aus, als wolle sie etwas erwidern, dann presste sie jedoch die Lippen zusammen und nickte nur kurz.

„Ach – und bevor ich es vergesse: Zieh bitte etwas an, das ein wenig … femininer wirkt.“

2. KAPITEL

Elaine warf einen missmutigen Blick auf den schrillenden Wecker. Die ganze Nacht über hatte sie kein Auge zugetan, sondern sich schlaflos hin und her gewälzt und dabei die Ereignisse des Tages Revue passieren lassen.

Ganz gewiss war sie keine Romantikerin – im Gegenteil: Sie war ein praktischer und realistischer Mensch. Die Ehe war für sie lediglich ein Geschäft, bei dem zwei Menschen einen Vertrag unterschrieben – und wenn einer von beiden sich nicht an die Abmachung hielt, dann zog das unangenehme Konsequenzen nach sich.

Aber irgendwie bekam das Ganze plötzlich eine neue Dimension, wurde mehr als nur ein Vertrag. Sie konnte es einfach nicht begreifen – sie ging mit diesem Mann tatsächlich eine Ehe ein!

Energisch schwang sie die Beine aus dem Bett und trat an den Kleiderschrank. Etwas Feminines hätte der Herr gern, dachte sie zähneknirschend. Wenn sie seine Hilfe nicht so dringend bräuchte, würde sie ihm etwas ganz anderes erzählen. Aber es half alles nichts, sie musste ihren Stolz hinunterschlucken.

Mit kritischem Blick ging sie ihre Garderobe durch. Da hingen tatsächlich nur Hosenanzüge – praktisch, aber eben nicht gerade feminin.

Vielleicht hat Marco De Luca eine ganz andere Vorstellung davon, was feminin bedeutet. Er meint damit wahrscheinlich Strapse und Netzstrümpfe.

In den Tiefen des Schrankes entdeckte Elaine doch noch ein Kleid. Sie zog es hervor und schüttelte es aus. Natürlich zerknittert – aber es hatte ein Blumenmuster. Und es war ein Kleid – damit ging es zweifellos als feminines Kleidungsstück durch.

Elaine duschte und rasierte sich schnell die Beine. Anschließend kramte sie in der Schublade ihrer Kommode nach einem Pflaster. Sie stützte einen Fuß auf der Bettkante ab und verarztete die Stelle, an der sie sich geschnitten hatte. Dabei beging sie den fatalen Fehler, in den Spiegel zu blicken. Das Gesicht, das ihr da entgegensah, war erschreckend: Tiefe, dunkle Schatten lagen unter den Augen, und ihre Haut war blass und fahl.

Sie konnte sich fast nicht mehr erinnern, wann sie sich das letzte Mal geschminkt oder schick angezogen hatte. Sie zog es vor, ihre weiblichen Formen unter weiten, streng geschnittenen Hosenanzügen zu verbergen. Auch ihre üppige Haarpracht bändigte sie stets in einem strengen Knoten. So gefiel sie sich zwar selbst nicht, aber zumindest hielt das die Männer in den Geschäftsetagen davon ab, ihr den Po zu tätscheln und sie zum Kaffeekochen zu schicken.

Missmutig betrachtete sie ihr Schminktäschchen, das im hintersten Winkel der Kommode stand. Es war schon ganz zugestaubt. Und Elaine überlegte, wann sie zuletzt einen Wohltätigkeitsball besucht hatte. Sechs Monate war das wohl her. Seitdem hatte sie sich nicht mehr geschminkt, aber jetzt war das ein absolutes Muss.

Ohne perfektes Make-up konnte sie sich an der Seite eines Mannes wie Marco De Luca nicht zeigen.

Er war das Paradebeispiel für die Ungerechtigkeit der Geschäftswelt. Während ihm sein gutes Aussehen zum Vorteil gereichte, hatte es für sie nur zur Folge, dass die Männer sie als eine Art Barbiepuppe betrachteten und die Frauen sie hassten.

Zu Beginn ihres Berufslebens versteckte sie ihre Figur noch nicht. Sie war gar nicht auf den Gedanken gekommen, ihr Geschlecht könne eine Rolle spielen. Aber bald wurde sie eines Besseren belehrt: Ein kleiner Vorfall, ein kleines Gerücht, und ihre Karriere war beendet gewesen, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Kein seriöses Immobilienunternehmen wollte sie mehr einstellen – und zwar ohne das Gerücht überhaupt zu überprüfen.

Selbst der Mann, den es ebenfalls kompromittierte, bestritt dessen Wahrheitsgehalt. Aber die Gerüchteküche der Stadt brodelte eifrig weiter. Und während der Mann seinen Job behalten konnte, bekam sie im Alter von zwanzig Jahren die Härte einer von Männern beherrschten Geschäftswelt zu spüren.

Elaine trug etwas Make-up auf, um die Augenringe zu verdecken. Dann noch einen Hauch von Rouge und etwas Lipgloss, zu guter Letzt tuschte sie die Wimpern. Schließlich war sie einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis. So würde sie zwar keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, wirkte aber zumindest frisch und ausgeruht.

Sie warf einen Blick auf die Uhr: Es blieben gerade noch fünf Minuten! Hastig stürzte sie zum Kleiderschrank, wühlte in dem umfangreichen Sortiment feinster Dessous und zog schließlich einen zartgelben Spitzenbüstenhalter und den dazugehörigen Stringtanga hervor. Dieses Faible für Seiden- und Spitzenunterwäsche war ihr einziges Zugeständnis an die weibliche Eitelkeit – und eine geheime Leidenschaft. Sie lebte sie uneingeschränkt aus, denn nie würde jemand davon erfahren.

In diesem Moment klingelte es an der Wohnungstür. Das Geräusch löste ein seltsames Zittern in ihren Beinen aus. Gleichzeitig schien ein Schmetterlingsschwarm in ihrem Bauch aufzuflattern. Elaine presste die Hand gegen den Magen, um das Gefühl zu unterdrücken. Das fehlte ihr gerade noch – sich wie ein verliebter Teenager zu benehmen. So hatte sie sich ja nicht einmal aufgeführt, als sie tatsächlich in diesem Alter gewesen war. Und jenseits der fünfundzwanzig erschien ihr das völlig unangemessen.

„Ich komme!“, rief sie, während sie sich krampfhaft bemühte, ihren BH zu schließen.

Nach einem kurzen Blick in den Spiegel verzog sie das Gesicht. Normalerweise föhnte sie ihr Haar, um es zu bändigen. Dafür war jetzt aber keine Zeit, und so kräuselten sich die Locken wild um ihr Gesicht.

Auf dem Weg zur Tür zog sie sich schnell das Kleid über den Kopf. Irgendwie war es kürzer, als sie in Erinnerung hatte. Der Saum endete kurz oberhalb der Knie, und auch der Ausschnitt war etwas tiefer, als ihr lieb war. Zuletzt hatte sie es in ihrer Studentenzeit getragen. Allerdings war es jetzt zu spät, sich noch umzuziehen.

Sie riss die Tür auf und spürte, wie ihr Herz einen fast schmerzhaften Sprung machte. Hatte Marco De Luca gestern schon fabelhaft ausgesehen, so wirkte er jetzt in legeren Jeans und weißem Freizeithemd einfach atemberaubend. Die Farbe des Hemdes betonte den bronzefarbenen Ton seiner Haut. Außerdem hatte er die Ärmel aufgerollt, was den Blick auf seine muskulösen Unterarme freigab.

Wieder ging ein Ziehen durch Elaines Körper. Offensichtlich gefielen ihr muskulöse Arme.

Sie stand in der Tür, starrte – und konnte einfach nicht damit aufhören. Glücklicherweise schien Marco De Luca dies nicht zu bemerken. Vielleicht tat er auch nur so – oder er war es einfach gewohnt, von Frauen angehimmelt zu werden.

„Du bist fertig“, konstatierte er in einem Ton, dem man nicht entnehmen konnte, ob er dies begrüßte oder tadelte. Genüsslich ließ er seinen Blick über ihre Figur wandern. Am liebsten hätte Elaine sich in eine Decke gehüllt. „Typisch weiblich wäre es gewesen, wenn du mich mindestens eine Stunde hättest warten lassen.“

„Oh – ich habe vergessen, im ‚Knigge für Frauen‘ nachzulesen, und fürchte, deshalb bin ich bei typisch weiblichem Verhalten nicht ganz auf dem neuesten Stand.“

Marco überging die spitze Bemerkung und musterte seine Verlobte ein weiteres Mal. „Meinst du nicht, dass dieses leichte Kleidchen etwas unpassend für die Witterung ist?“

„Leichtes Kleidchen?“ Elaine zog an dem Saum, als könne sie so das Kleid etwas verlängern. „Es ist ein ganz normales Kleid. Außerdem ist es das einzige Teil, das deiner Vorstellung von femininer Kleidung entspricht.“ Obwohl ihr Ton vollkommen sachlich war, spürte Marco deutlich ihre Verärgerung.

Fein. Ihm lag auch nichts daran, mit ihr einkaufen zu gehen – weder etwas zum Anziehen noch einen Verlobungsring. Bis jetzt war er jeder Art von Bindung geflissentlich aus dem Weg gegangen. In seiner Jugend hatte er viel zu früh Verantwortung übernehmen müssen. Aber als sein Bruder achtzehn geworden war, hatte Marco sich wieder ganz seinem eigenen Leben gewidmet – und das sollte auch so bleiben. Auf jeden Fall würde er sich nicht in die Fänge einer Frau begeben, die auf sein Geld aus war.

Normalerweise übernahm seine Assistentin die Aufgabe, den Schmuck für seine jeweilige Geliebte zu kaufen. Alles andere war viel zu privat und würde womöglich Signale senden, die er nicht zu erfüllen gedachte.

„Keine Sorge, das Kleid ist vollkommen okay.“ Er vermied es geflissentlich zu erwähnen, dass es in seinen Augen mehr als okay war. „Ich würde nur empfehlen, eine Jacke überzuziehen.“

„Dann bin ich ja froh, Ihre Billigung zu finden, Mr. De Luca.“ Damit schnappte Elaine sich eine Jacke und verließ erhobenen Hauptes die Wohnung.

Marco folgte ihr und bemühte sich, den verführerischen Schwung ihrer Hüften zu ignorieren. Plötzlich schien seine Hose unangenehm eng zu werden, aber er riss sich zusammen und unterdrückte ein Stöhnen. Wer hätte gedacht, dass Elaine Chapman unter diesen unvorteilhaften Hosenanzügen einen solchen Körper versteckte! Ihre Beine konnten einen Mann absolut schwach werden lassen – der Gedanke daran führte zu noch weitaus interessanteren Assoziationen, die Marco schleunigst unterdrückte.

Er nahm seine Autoschlüssel aus der Tasche und betätigte die Funkfernbedienung, worauf die Scheinwerfer eines schwarzen Ferrari aufleuchteten.

„Ich hatte einen roten erwartet“, sagte Elaine gespielt verwundert.

„Ach, ich bin da eher konservativ“, ging Marco amüsiert auf ihren Ton ein.

Elaine musste sich ein Lächeln verkneifen. Marco De Luca entsprach wirklich dem Klischee des erfolgreichen Geschäftsmannes bis ins kleinste Detail: von seinen teuren Designeranzügen bis zu den handgefertigten italienischen Lederschuhen, denen man ihren Preis ansah. Und dann noch das selbstbewusste, arrogante, betont männlichen Auftreten, die breiten, muskulösen Schultern und sein machohafter Gang.

Allerdings wirkte diese Selbstsicherheit völlig natürlich, und darum beneidete Elaine ihn glühend. Sicher gibt er keinen Pfifferling auf die Meinung anderer, überlegte sie. Er war völlig von sich überzeugt – und lebte ganz nach seinem Geschmack. Diese Einstellung zum Leben wünschte Elaine sich auch.

Marco öffnete die Beifahrertür und hielt sie auf. Elaine warf ihm einen Blick zu, der Bände sprach.

Erstaunt hob er die Augenbrauen. „Du erlaubst einem Mann nicht, die Tür für dich aufzuhalten?“

„Das kann ich selbst“, stieß sie trotzig hervor. Himmel, sie verhielt sich ja wie ein pubertierender Teenager. Schließlich ließ sie sich ständig die Tür aufhalten, ohne zu protestieren, wenn andere Männer dies taten.

Sie sah, wie in seine Augen ein gefährliches Glitzern trat. „Davon bin ich völlig überzeugt, aber ab heute trittst du als die Frau an meiner Seite auf. Das bedeutet, dass ich dich so behandeln werde, wie ich meine Geliebten zu behandeln pflege, bella mia.“ Die Art, wie er das Kosewort aussprach, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.

Ihre Knie begannen zu zittern, und sie sank dankbar in den Ledersitz des Wagens.

Ein arrogantes Lächeln malte sich auf Marcos Zügen. „So, und jetzt wollen wir dir mal einen Ring besorgen, der aller Welt zeigt, dass du mir gehörst.“

Als sie die Räume von Tiffany betraten, durchflutete Elaine eine Welle intensiven Glücks. Es war ein wahr gewordenes Märchen. Noch dazu dieser Mann an ihrer Seite – das alles zusammen war die richtige Mischung für eine fantastische Romanze.

„Wir haben einen Termin“, flüsterte Marco ihr zu. Er legte ihr die Hand in den Rücken und führte sie zu den eleganten Auslagen, in denen exquisite Juwelen funkelten und glitzerten.

Es war ihr fast unmöglich, sich auf den Schmuck zu konzentrieren: Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf die Stelle ihres Rückens gerichtet, wo Marcos Hand lag. Bis jetzt waren der Handschlag zur Begrüßung und die kleine Geste, als er ihre Wange gestreichelt hatte, die einzigen Berührungen zwischen ihnen gewesen. Um genau zu sein – für Elaine seit Langem die ersten Berührungen überhaupt. Ihr wurde plötzlich bewusst, wie ausgehungert sie danach war.

Eine hochgewachsene, überschlanke Frau kam auf sie zu und begrüßte Marco mit Küsschen auf beide Wangen. „Mr. De Luca, wir haben den privaten Vorführungsraum für Sie vorbereitet. Sollten Sie etwas Besonderes wünschen, zögern Sie nicht, sich zu melden“, stieß sie mit einem affektierten französischen Akzent hervor, der Elaines Meinung nach nur unecht sein konnte.

„Privatraum? Danke, aber das wird nicht nötig sein, ich lege keinen Wert auf Extravaganz“, protestierte sie.

„Aber cara mia, für dich ist mir doch nichts zu extravagant.“ Marcos Stimme klang honigsüß. Eigentlich müsste er davon Karies bekommen, dachte Elaine gehässig.

Die Dame nahm ihre Hand und betrachtete sie. „Sehr schöne schlanke Finger!“, bemerkte sie.

Allmählich fühlte Elaine sich von Marco und der Verkäuferin mit der Twiggy-Figur wie eine Schaufensterpuppe behandelt.

„Wenn Sie mir bitte hier entlang folgen wollen?“, forderte diese sie nun auf und deutete auf eine geschwungene Treppe, die in einen eleganten Raum im 1. Stock führte.

Eine Obstschale und eine Flasche Champagner standen bereit, und aus den Lautsprechern erklang dezente Musik. Das Leben ist definitiv anders, wenn man ein paar Milliarden Dollar auf dem Konto hat, dachte Elaine sarkastisch.

Die Frau trat an eine geschwungene Vitrine und schloss eine Schublade auf. Dieser entnahm sie ein mit Samt ausgeschlagenes Tablett, auf dem die Juwelen verführerisch funkelten. „Das sind unsere besonderen Modelle – für die Frau mit dem gewissen Etwas, die ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen will.“

Die Ringe waren prachtvoll, mit fantastischen Steinen und kunstvoller Fassung. Sie waren wunderbar, aber es kam Elaine so … so falsch vor, eines dieser Stücke für die Charade einer Scheinhochzeit auszusuchen.

„Ich weiß nicht …“

„Wir nehmen diesen hier.“ Zielsicher griff Marco nach einem funkelnden Diamantring mit einer Fassung, die antiken Mustern nachempfunden war. „Er ist einfach perfekt.“

Elaine zwang sich zu einem Lächeln. Es war also ernst gemeint, als er sagte, sie könne haben, was sie wollte – ganz gleich was es kostete. Dieser Ring symbolisierte unmissverständlich Marcos Besitzanspruch. Genauso gut hätte er ihr ein Brandzeichen auf die Stirn drücken können.

„Schon“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Aber du weißt doch, dass ich eher konservativ bin“, zitierte sie Marcos eigene Worte.

Aufmerksam betrachtete sie die Ringe auf der Samtunterlage und versuchte, einen zu entdecken, der nicht ganz so protzig war. Sie stockte, als sie einen dezent gehaltenen Platinring mit einem Smaragd entdeckte, der in der Ecke der untersten Reihe steckte. Der Smaragd war von einem Kranz kleinerer Diamanten umgeben und wirkte auf altmodische Weise romantisch.

Vor Elaines innerem Augen stieg ein verführerisches Bild auf: Marco, wie er ihr mit verträumtem Blick diesen Ring an den Finger steckte.

Mein Gott, rief sie sich zur Ordnung, jetzt ist nicht der Zeitpunkt für alberne Schwelgereien!

Marco trat einen Schritt näher – so nah, dass sie die Wärme seines Körpers fühlen konnte. „Dieser hier gefällt dir?“ Sein warmer Atem streifte ihre Haut, und unwillkürlich rann ein Schauer durch ihren Körper.

„Ach, ich weiß nicht.“ Der Gedanke, diesen perfekten Ring bei einem falschen Spiel zu tragen, bereitete ihr Unbehagen.

„Aber er sieht aus wie für dich gemacht. Er ist einmalig“, raunte er ihr ins Ohr.

Kein Wunder, dass sich die Frauen ihm reihenweise zu Füßen warfen! Er war einfach so verdammt verführerisch. Wie sehr wünschte sie sich, er würde es ernst meinen – nur einen Moment lang!

Sie schloss die Augen. Es nützte nichts, sich etwas vorzumachen: Es war nur eine Scheinehe, und ihr würde auch nie das Glück einer wirklichen Ehe vergönnt sein. Warum genieße ich nicht einfach den Moment? fragte sie sich.

„Sie möchte diesen Ring und noch einen schlichten Platinring dazu“, ordnete Marco an, ohne auf eine Antwort von Elaine zu warten.

Immer noch stand er für ihr Empfinden viel zu nah bei ihr. Seine Ausstrahlung lähmte sie so sehr, dass ihre Gehirnzellen in Streik traten.

Die Verkäuferin verließ den Raum, um eine Auswahl an Eheringen zu holen. Plötzlich allein mit Marco, fiel es Elaine schwer, tief und regelmäßig zu atmen.

„Entspanne dich“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Du musst so tun, als würdest du meine Liebkosungen genießen, als würden sie dich an intime Stunden erinnern.“ Sanft strich er ihr über die Hüfte und den Bauch, bis seine Hand unter ihrer Brust liegen blieb. Ein Beben erfasste Elaine, das sich nicht unterdrücken ließ. Diese Art von Berührung kannte sie nicht. In ihrem ganzen Leben hatte es so etwas noch nicht gegeben.

„Aber ich glaube, es wird gar nicht nötig sein, etwas vorzuspielen – nicht wahr?“, murmelte er.

Seine Arroganz zerstörte schlagartig die erotische Atmosphäre. Abrupt wandte Elaine sich ab und bemühte sich, die Fassung wiederzuerlangen. Scheinbar interessiert betrachtete sie die Gemälde an der Wand. Ihre Haut brannte immer noch an der Stelle, wo Marcos Hand gelegen hatte. Und was noch schlimmer war – ihr Körper brannte auch an Stellen, wo er sie nicht berührt hatte.

Die Verkaufsdame kam mit einem schlichten Platinring zurück. „Dieser dürfte perfekt sein“, bemerkte sie.

„Würden Sie die Schmuckstücke bitte einpacken?“, forderte Marco sie auf, ohne die Augen von Elaine abzuwenden, „Ich würde sie gern in einem gebührenden Ambiente überreichen.“ Er schenkte ihr ein warmes, intimes Lächeln voller Verheißung. Leider nicht wirklich für mich bestimmt, dachte Elaine. Warum sie plötzlich das Gefühl hatte, eine kalte Hand greife nach ihrem Herzen, wollte sie lieber gar nicht so genau ergründen.

Mit den als Geschenk verpackten Ringen fanden sie sich etwas später wieder draußen in der warmen Morgensonne, und Elaine genoss die wärmenden Strahlen.

Plötzlich klingelte Marcos Handy. „De Luca“, meldete er sich. „Selbstverständlich, ich bin dabei. Sie können mit hunderttausend rechnen“, sagte er nach ein paar Sekunden. Wieder schwieg er, und Elaine konnte die euphorische Stimme des Anrufers hören. „Keine Ursache“, unterbrach ihn Marco, „es ist schließlich für eine gute Sache. Ich danke Ihnen.“ Er beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder ein.

„Ging es um eine Spende?“, erkundigte sich Elaine.

„Ja. Für eine Einrichtung, die sich um sozial schwache Familien mit behinderten Kindern kümmert. Ich spende ziemlich oft dafür.“

„Das ist aber nett von dir.“ Sie fühlte, wie sich etwas an ihrer Einstellung Marco gegenüber änderte.

Abrupt blieb Marco stehen. „Ich bin kein netter Mann, cara. Je eher du das kapierst, desto einfacher werden die kommenden zwölf Monate für dich sein.“

„Aber die Spenden …“, setzte Elaine an.

„Kommen letztendlich mir zugute“, vervollständigte Marco den Satz. „Nach dem Motto: Tu Gutes und sprich darüber. Viel zu spenden kann sehr gut fürs Geschäft sein.“ Damit wandte er sich ab und ging mit weit ausholenden Schritten weiter, sodass Elaine kaum nachkam.

Der kleine Funke Sympathie für ihn war erfolgreich im Keim erstickt worden. Sie kannte ja seinen Ruf als rücksichtsloser Geschäftsmann, und dem machte er alle Ehre. Vor zehn Jahren war er der jüngste Milliardär der Welt geworden. Konkurrenten pflegte er gnadenlos aus dem Feld zu schlagen. Es war ihm auch völlig gleichgültig, ob dadurch Unbeteiligte ebenfalls zu Schaden kamen. Als oberstes Gebot galt, sein Ziel zu erreichen. Dass er eingewilligt hatte, nur des Profits wegen diese Ehe einzugehen, sprach für sich. Aber weil das Ganze ja eigentlich ihre Idee war, konnte man dasselbe wohl auch über sie sagen.

Sein Ruf in Bezug auf das andere Geschlecht war ebenso legendär. Vor ein paar Jahren hatte er die Beziehung zu einem italienischen Topmodel beendet, und dieses hatte ihre Erinnerungen an die Regenbogenpresse verkauft. Dadurch gelangten ein paar pikante Details ans Licht, und Marco De Luca wurde seitdem von den Paparazzi gnadenlos verfolgt. Elaine bezweifelte zwar, dass die Story ganz der Wahrheit entsprach, unbestreitbar wurde er jedoch alle paar Tage mit einer anderen Schönheit im Arm fotografiert.

Darauf hatte sie sich auch innerlich eingestellt: Er war eben charmant und sexy, und sie musste auf der Hut sein. Trotzdem hatte sie ihn unterschätzt: Sie war davon ausgegangen, gegen seine Ausstrahlung immun zu sein. Nun wurde sie eines Besseren belehrt.

Das schien der einzige Nachteil an ihrem kleinen Arrangement. Natürlich war ihr bewusst gewesen, wie gut Marco aussah. Schließlich hatte sie ihn schon mehrfach auf den Titelseiten der Illustrierten und von Weitem bei Wohltätigkeitsveranstaltungen gesehen. Dennoch war sie überrascht, wie geradezu umwerfend er aus nächster Nähe wirkte. Er hatte ein markantes, sehr maskulines Gesicht, aber seine Augen wirkten – so seltsam dies in Bezug auf einen Mann klingen mochte – sanft und wunderschön. Sie waren von einem tiefen, samtenen Braun mit goldgrünen Einsprengseln, umrahmt von einem Kranz dichter dunkler Wimpern, in denen zu versinken Elaine sich wünschte. Über die fatale Wirkung, die sein Körper auf sie hatte, wollte sie erst gar nicht nachdenken.

Elaine verlangsamte ihren Schritt und fiel etwas zurück, was ihr einen offenen Blick auf seine Figur erlaubte, der ungekannte Regungen in ihr weckte. Sie betrachtete seinen breiten, durchtrainierten Oberkörper, die schmalen Hüften und – Elaine hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als es laut zuzugeben – das knackigste Hinterteil, das sie jemals bei einem Mann gesehen hatte. Und dabei war er bekleidet! Sie wollte sich gar nicht vorstellen – aber das würde ja sicher auf sie zukommen, wenn sie mit ihm verheiratet war –, wie er ohne Hemd oder nur mit einem Handtuch um die Hüften aussehen mochte.

Marco drehte sich um, und das amüsierte Funkeln in seinen Augen enthüllte, dass er sie durchschaut hatte. Sie taxierte sozusagen ihren zukünftigen Besitz.

„Was für ein Marketinggenie!“, sagte sie mit beißendem Spott. „Eine Verlobte und eine äußerst großzügige Spende – und das an einem einzigen Tag.“ Der Sarkasmus half ihr, die beunruhigenden Fantasien und Bilder endgültig zu vertreiben.

„Das ist nur eine Strategie im Geschäftsleben, Elaine. Du solltest das nur zu gut wissen.“

Vor Wut schoss Elaine das Blut in den Kopf. Das musste ja jetzt kommen, dachte sie, dieser arrogante Kerl reibt mir den schwärzesten Tag meiner Karriere unter die Nase. „Keine Sorge, dessen bin ich mir durchaus bewusst“, antwortete sie betont kühl. „Ich hatte nur noch nie das Glück, beobachten zu können, wie weit das Image eines Menschen und seine wahre Natur auseinanderklaffen können.“

„Image ist nur die Hälfte des Erfolgs, der Rest sind Instinkt und rücksichtsloses Vorgehen.“

Eindringlich sah er sie an, und Elaine beschlich das unbehagliche Gefühl, er könne sie durchschauen und das unsichere, kleine Mädchen in ihr entdecken. Ein sehr, sehr beunruhigendes Gefühl.

„Da sind wir uns ähnlich. Du stehst mir, was das betrifft, in nichts nach. Wer sich wie du verkauft, dürfte dafür ja wohl der beste Beweis sein.“

„Ich habe mich nicht verkauft!“, brauste Elaine auf. „Du stellst mich ja dar, als würde ich mich meistbietend auf dem Markt feilbieten! Ich habe dir ein Geschäft vorgeschlagen. Sicherlich ein etwas unkonventionelles Geschäft, aber wenn es einen anderen Weg zu meinem Ziel gegeben hätte, wäre ich ihn gegangen – das kannst du mir glauben.“

„Du missverstehst mich, cara mia. Ich bewundere dich für deine Fähigkeit, deine weiblichen Instinkte zu unterdrücken und eines Geschäfts wegen zu heiraten.“ Er blieb stehen und öffnete schwungvoll die Beifahrertür seines Wagens, der am Straßenrand geparkt war. „Ich hoffe nur, du vergisst eines nie: Das Einzige, was für dich bei dieser Ehe herausspringen wird, ist das Unternehmen deines Vaters.“

Er beugte sich zu ihr herunter. Sie nahm den herben Duft seines Aftershaves wahr, und ihr Magen schien einen kleinen Salto zu vollführen.

Nervös schluckte sie. „Wie oft soll ich dir noch versichern, dass ich nicht an einem Ehemann interessiert bin? Ebenso wenig wie an einem Vermögen. Ich will lediglich das, was mir rechtmäßig zusteht. Und ich halte dies angesichts der Tatsache, dass ich das einzige Kind meines Vaters bin, nicht für vermessen. Ich bin mir sicher, die Firma erfolgreich führen zu können, und wenn er mir eine Chance gäbe, könnte ich es ihm auch beweisen.“

„Darum geht es also? Du willst deinem Vater etwas beweisen?“

„Nein!“, stieß Elaine hervor. „Ich will ganz einfach mein Leben selbst in die Hand nehmen und etwas daraus machen. Das müsstest gerade du doch verstehen können!“

Wütend glitt Marco hinter das Steuer und startete den Wagen, sodass der Motor aufheulte. „Ich habe das alles aus dem Nichts geschaffen – und es mir mühsam erarbeitet.“ Mit röhrendem Motor fädelte er sich in den Verkehr ein. „Einschließlich meines Rufes. Glaube mir, das ist keine leichte Sache. Ein kleiner Fehler, und die Arbeit von Jahrzehnten ist ruiniert. Deshalb ist mir mein Image auch so wichtig. Es tut mir leid, dass du eine so zwiespältige Einstellung dazu hast.“ Sein Ton verriet jedoch, dass ihm überhaupt nichts leidtat.

„Und genau aus diesem Grund brauchst du eine Frau!“ Elaine bemühte sich, jede Spur von Triumph aus ihrer Stimme herauszuhalten.

Zu ihrer Überraschung fing Marco an zu lachen. Ein sinnliches, tiefes Lachen. „Ich brauche dich nicht, cara mia, aber ich werde zweifellos Verwendung für dich finden.“ Er warf einen Blick auf die Armbanduhr, deren Preis vermutlich Elaines Jahresgehalt überstieg. „Ich habe heute Abend einen Termin, den ich leider nicht verschieben kann.“ Er wandte sich ihr zu und sah ihr tief in die Augen. Wieder stieg ein Gefühl von Sehnsucht und Verlangen in Elaine auf – mochte sie sich auch noch so sehr dafür hassen. „Aber morgen … morgen Nacht haben wir beide ein Rendezvous.“

3. KAPITEL

An diesem Tag stand das Telefon in Marcos Büro keine Minute still. Er wusste nicht, wie die Reporter an seine Durchwahl gekommen waren. Sobald das ständige Klingeln nachließ, würde er seine Angestellten einem Verhör unterziehen.

Der Presserummel war ihm zwar recht – das war ja der Sinn dieses Arrangements –, nicht aber, dass die Pressemeute ihn direkt belästigte. Dafür hatte er schließlich seine Assistentin, der er ein fürstliches Gehalt zahlte.

Wie geplant hatte der Ringkauf bei Tiffany das Medieninteresse geweckt. Die Fotos von Elaine und ihm beim Betreten des Geschäfts und später, als sie mit der verräterischen türkisblauen Tüte in der Hand wieder herauskamen, begleitete eine Flut von Zeitungsartikeln. Alle schrieben darüber – von der New York Times bis zum Times Magazine. Letzteres erging sich sogar in Spekulationen, ob es sich womöglich um einen Mafiadeal handelte. Wahrscheinlich war dieses Gerücht seiner italienischen Abstammung geschuldet.

Fehlten nur noch ein paar taktisch gestreute Indiskretionen über seine Tischreservierung im La Paz, einem trendigen Restaurant mitten in Manhattan – und Marco hatte die Paparazzi da, wo er sie haben wollte: Sie behandelten ihn und diese mysteriöse Frau als Thema Nummer eins.

Erneut klingelte das Telefon, und er nahm sofort ab. „Ich sage Ihnen genau dasselbe wie Ihren Kollegen auch: Ms. Chapman und ich werden eine Erklärung abgeben, wenn es tatsächlich etwas zu berichten gibt.“ Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass nichts so sehr die Fantasie beflügelte wie ein Dementi oder die Behauptung, es gäbe nichts zu berichten.

„Das ist aber schade. Ich hatte gehofft, deinem Bruder gegenüber würdest du etwas offener sein.“

„Rafael!“ Marco war erfreut, die Stimme seines jüngeren Bruders zu hören. Sie wohnten zwar nur eine halbe Autostunde voneinander entfernt, aber Marco war ein Workaholic und Rafael ein engagierter Familienvater. So war es oft schwierig, einen Termin zu finden, an dem beide Zeit hatten. „Du hast anscheinend heute Zeitung gelesen?“

„Sarah hat mir den Artikel gezeigt. Du weißt ja, wie sehr sie den Tratsch in den Medien liebt. Aber ich hege doch gewisse Zweifel, ob du diese Frau wirklich heiratest, um ihren Vater vor der Mafia zu retten.“

Marco brach in schallendes Gelächter aus. „Ich muss gestehen, in letzter Zeit fragt mich die Mafia nicht mehr so oft nach meiner Meinung.“

„Und warum heiratest du nun wirklich?“

Unwillkürlich nahm Marco einen Stift in die Hand und begann Strichmännchen zu zeichnen. „Ich würde mal sagen … aus den üblichen Gründen.“

„Aus Liebe?“, fragte Rafael in einem deutlich hoffnungsvollen Ton. Ihn hatte Amors Pfeil vor einigen Jahren getroffen, und er fand, für seinen Bruder sei es nun an der Zeit, dasselbe zu erleben.

„Nein. Aus geschäftlichen Gründen.“ Marco klärte seinen Bruder über die Hintergründe des Arrangements auf.

„Ich muss sagen, das ist wirklich typisch“, kommentierte Rafael schließlich leicht indigniert.

„Stimmt ganz genau, Kleiner. Es ist eben nicht jeder damit zufrieden, irgendeine Maklerklitsche zu führen. Es gibt Menschen mit etwas mehr Ehrgeiz.“

„Meine ‚Maklerklitsche‘ ist ein millionenschweres Unternehmen. Außerdem gefällt es mir, jeden Abend zu meiner Familie nach Hause gehen zu können.“

„Schön, jedem das Seine“, unterbrach ihn Marco. „Ich habe jedoch bereits ein Kind großgezogen und beabsichtigte nicht, dies noch einmal zu tun. Es geht hier nicht um eine Beziehung, sondern um ein Geschäft.“

Rafael räusperte sich verlegen. „Ich weiß, wie schwer es für dich war, dich um mich zu kümmern. Aber du weißt, wie dankbar ich dir bin.“

„Darum geht es doch gar nicht, Rafael. Du bist doch mein Bruder – das habe ich gerne getan. Aber, wie gesagt, diese Ehe ist lediglich ein Businessdeal – für zwölf Monate. Danach geht jeder wieder seiner Wege.“

„Und die Frau weiß, dass du sie nicht liebst?“ Rafael seufzte. „Ach, was soll’s? Ich kann dich ja sowieso nicht davon abhalten, nicht wahr?“

„Stimmt. Aber ich würde dich gern bitten, mein Trauzeuge zu sein. Diese Chance kommt so schnell nicht wieder.“

„Aber selbstverständlich. Außer mir würdest du sowie niemanden finden.“

Marco lachte laut auf. „Da hast du wahrscheinlich recht. So, mein Kleiner, jetzt muss ich wieder an die Arbeit. Du weißt, ein paar von uns müssen für ihren Lebensunterhalt arbeiten!“

Marco legte auf und wandte sich seinem Computer zu, um weiterzuarbeiten. Das Telefon schrillte wieder.

Seit der Mittagspause klingelte Elaines Telefon wohl zum zwanzigsten Mal.

Entnervt starrte sie es an. Wahrscheinlich wieder ein Reporter – oder noch schlimmer, womöglich erneut ihr Vater. Außer sich vor Begeisterung, dass es seiner Tochter gelungen war, einen reichen Ehemann an Land zu ziehen, hatte er bereits am frühen Morgen angerufen. Noch mehr freute es ihn zu sehen, wie Elaine endlich ihrer natürlichen Bestimmung nachkam. Bald würde nun auch jener „unglückselige Zwischenfall“ in ihrem Leben in den Hintergrund rücken.

Er schien auch keinerlei Verdacht in Bezug auf den Auserwählten zu schöpfen – immerhin der Mann, der gerade seine Firma gekauft hatte. Stattdessen fühlte er sich einfach nur in seiner Überzeugung bestätigt, eine Frau gehöre in die Küche und nicht an einen Schreibtisch. Dabei kam er gar nicht auf den Gedanken, seine Tochter könne ihm in geschäftlicher Hinsicht überlegen sein.

Nach dem Gespräch mit ihrem Vater festigte sich Elaines Entschlossenheit noch weiter, und die letzten Zweifel verschwanden endgültig.

Entschlossen hob sie den Hörer ab. „Ja“, sagte sie kurz angebunden.

Tatsächlich ein Reporter, der sich erdreistete, sie mit den intimsten und taktlosesten Fragen zu bombardieren. Wortlos legte Elaine auf und stützte die Stirn in die Hände.

Sie blickte auf, als es an der Bürotür klopfte – genauer gesagt, an der Wand ihrer Arbeitsnische.

Marcos attraktives Gesicht erschien über der Trennwand, und Elaine fuhr sich nervös über die plötzlich trockenen Lippen. In natura war er noch viel umwerfender, als sie es sich jemals ausmalen konnte. Dabei hatte sie ihn gerade erst vor vierundzwanzig Stunden zuletzt gesehen.

„Ist die Presse auch so hinter dir her?“

Elaine stöhnte in gespielter Verzweiflung auf. „Allerdings – das Telefon steht keine Sekunde still.“

„Tja, das ist der Preis des Erfolgs.“

„Scheint so.“ Sie seufzte. „Weißt du, ich tue das alles nicht einfach nur, weil ich meine, als Tochter stünde mir die Firma meines Vaters zu.“ Irgendwie schien es plötzlich wichtig, Marco ihr Handeln verständlich zu machen. Eigentlich sollte es ihr ja eigentlich gleichgültig sein, was er von ihr dachte, aber das war nicht der Fall. „Vor vier Jahren stand das Unternehmen kurz vor dem Ruin. Ich habe den Fehler entdeckt und für meinen Vater ein völlig neues Logistiksystem entwickelt. Dadurch konnten wir enorme Kosten einsparen und kamen wieder in die schwarzen Zahlen. Ich hatte mein Können unter Beweis gestellt, sogar die Firma gerettet. Das Familienunternehmen! Und trotzdem zieht er es vor, dieses Unternehmen, das er aus dem Nichts aufgebaut hat, von deinem Imperium schlucken zu lassen. Nur deshalb, weil ich eine Frau bin. Kannst du verstehen, wie ich mich dabei fühle?“

„Wenn alles nach Plan läuft, bekommst du ja nun, was dir zusteht. Keine Sorge!“ Tatsächlich hatte auch Marco nicht gerade die fortschrittlichste Einstellung, was die Rolle der Frau betraf. Eigentlich meinte auch er, eine Frau solle sich um ihr Heim und die Kinder kümmern. Aber er konnte Elaine verstehen – sehr gut sogar. Sie wollte nur das, was ihr zustand.

„Ich ziehe mich schnell um. Warum wartest du nicht im Wohnzimmer?“ Elaine hatte die Tür des Apartments noch nicht richtig geschlossen, da klopfte es. Sie öffnete wieder und erblickte eine Frau mit rot gefärbten Haaren und einen Mann, dessen Augenbrauen sorgfältiger gezupft waren als ihre eigenen. „Ja, bitte? Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich weiß nicht, wie ich es taktvoll ausdrücken kann, deshalb probiere ich es gar nicht erst“, erklang Marcos Stimme hinter ihr. „Ich fürchte, du kannst etwas Unterstützung gebrauchen, wenn du glaubwürdig wirken willst als die Frau an meiner Seite.“

Verständnislos starrte Elaine ihn an, dann stieg in ihr eine Ahnung auf, was er meinte. „Du willst mich stylen?“

„Nicht ich! Die zwei hier!“ Er deutete auf die beiden Personen vor der Tür.

Brennende Röte stieg in Elaines Wangen. „Ich bin doch nicht deine Barbiepuppe, De Luca! So kannst du nicht mit mir umgehen!“

„Du verschwendest nur deine Energie, wenn du dich wehrst. Glaub mir, du hast einen Stylingberater nötig. Außerdem erreiche ich immer, was ich will, also kannst du dich auch gleich auf dein entzückendes kleines Hinterteil setzen und den Dingen ihren Lauf lassen.“

Sie wollte protestieren, aber aus ihrem Mund kam nur eine Art heiseres Röcheln. Das konnte ja wohl nicht sein Ernst sein!

„Was? Keine feministische Brandrede? Ich glaube, ich muss eine Pressemeldung herausgeben“, spottete Marco.

Elaine konnte sich nicht erinnern, jemals derart wütend gewesen zu sein. Mehr und mehr bestimmte er über sie, und wenn sie etwas hasste, dann war es dies: die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren.

Sie warf ihm einen Blick zu, der jeden anderen Mann in die Flucht geschlagen hätte – nur Marco ließ sich nicht im Geringsten davon einschüchtern. „Der Wert einer Frau hängt nicht von ihrem Äußeren ab“, sagte sie schließlich würdevoll.

„Politisch äußerst korrekt, diese Bemerkung – leider jedoch völlig falsch.“

„Gar nicht wahr!“ Na toll, jetzt bin ich auf Kleinkindniveau, dachte Elaine. Fehlt nur noch, dass ich mit dem Fuß aufstampfe.

„Leider doch. Im Übrigen gilt das auch für Männer. Man muss sich der Rolle entsprechend kleiden, die man verkörpern will, dann erreicht man auch sein Ziel. Wenn ich zu einer Vorstandssitzung in Badehose auftauchte, glaubst du, ein Mensch würde mich ernst nehmen? Und dein unglückseliger Versuch, dich als Geschäftsfrau zu verkleiden, bringt dir bestimmt keinen Respekt ein.“

Der Versuch, mich feminin zu kleiden, aber erst recht nicht, dachte Elaine. Dieses Thema würde sie jedoch nicht anschneiden. „Selbst wenn du recht haben solltest“, antwortete sie brüsk, „ich bin nicht bereit, zum schmückenden Beiwerk an deiner Seite degradiert zu werden.“

Da sie nicht allein waren, bemühte Marco sich weiterhin um eine humorvolle Miene, aber Elaine ließ sich nicht täuschen: Er war wütend und beherrschte sich nur mühsam, das sah sie ihm an. Allein seine angespannten Schultern sprachen Bände. „Du bist hier, weil ich das will. Und du wirst dich dem beugen, was ich will. Wenn dazu gehört, dass du das schmückende Beiwerk an meiner Seite bist, dann wirst du genau diese Rolle spielen. Wir wollen doch beide diese Ehe, oder sollte ich mich da täuschen … cara mia?“

Die indirekte Drohung zeigte sofortige Wirkung. Elaine hatte das Gefühl, eine eiskalte Hand greife nach ihrem Herzen. Sie konnte es sich einfach nicht leisten, diese Sache platzen zu lassen – dafür hatte sie zu hart daran gearbeitet. Auf keinen Fall würde sie das Ganze durch Bagatellen wie Lipgloss und eine neue Frisur gefährden.

Wortlos und mit eisiger Miene sank sie auf den Stuhl, den man für sie heranzog.

Die kleine, energische Haarstylistin schwatzte unbefangen drauflos, während sie sich an Elaines Haaren zu schaffen machte. Dabei gestikulierte sie hin und wieder mit der Schere, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Elaines Haar erhielt einen etwas sanfteren Farbton. Außerdem wurden gut sechs Zentimeter abgeschnitten, sodass die Haare in einem fülligen, lockeren Bob bis zu den Schultern fielen.

Der Mann, Giorgio, war für das Make-up zuständig. Außerdem zupfte er Elaine die Augenbrauen, machte ein Gesichtspeeling und schminkte sie.

Dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete sie wie ein Künstler sein Werk.

„Ich bin ein Genie“, sagte er schließlich und reichte Elaine einen Spiegel.

Sie traute ihren Augen nicht! Die Frau, die ihr da entgegenblickte, erkannte sie kaum wieder. Diese hatte eine moderne Frisur und eine schimmernde, üppige Haarpracht. Ihr Teint sah blühend aus – wahrscheinlich wegen des Goldpuders, das Giorgio großzügig aufgetragen hatte –, und ihre Augen wirkten größer und glänzten verführerisch, was sicherlich dem Lidschatten und den gezupften Augenbrauen zu verdanken war. Elaine erstickte zwar fast daran, es sich einzugestehen, aber tatsächlich sah sie jetzt besser aus. Viel besser, wenn sie ehrlich war.

Marco nahm ihre Hand, zog sie zu sich empor und küsste ihre Fingerspitzen. Elaines Herz machte einen doppelten Salto.

„Du bist wunderschön.“

Es klopfte, und Elaine nutzte die Gelegenheit, ihre Hand zurückzuziehen. „Ich wette, du weißt auch, was das ist?“

Marco nickte, ging zur Tür, nahm eine Kleiderhülle entgegen und gab dem Boten ein Trinkgeld. „Dein Kleid für heute Abend.“

Mit diesen Worten drückte er ihr das Kleidungsstück in die Hand, und Elaine starrte es fassungslos an. Er hatte tatsächlich vor, sie völlig neu zu stylen. Von der Frisur bis zur Kleidung, damit sie dem Frauentyp entsprach, den er bevorzugte – oder versuchte er schlicht und einfach, sie in den Wahnsinn zu treiben?

Schon öffnete sie den Mund, um zu protestieren, als ein Blick in sein Gesicht sie eines Besseren belehrte. Wollte sie ihr Ziel erreichen, musste sie eben ihren Teil des Vertrages erfüllen. Also drehte sie sich wortlos um und ging ins Schlafzimmer. Sie zog den Reißverschluss des Kleidersacks auf und hielt ein bronzefarben schimmerndes Kleid in der Hand, dessen hauchdünne Spaghettiträger mit glitzernden Strasssteinchen besetzt waren.

Es passte wie angegossen. Angegossen ist genau der richtige Ausdruck, dachte Elaine verzagt. Es umfloss ihren Körper wie eine zweite Haut und betonte ihre schmale Taille und den üppigen Busen. Auch das Dekolleté war tiefer, als Elaine es für schicklich hielt.

Dabei hatte Marco sie nicht einmal nach ihrer Kleidergröße gefragt. Er konnte sie nur geschätzt haben – und zwar haargenau. Wenn das nicht Bände über seine Erfahrung mit Frauen sprach … Elaine wurde ein wenig unbehaglich. Schlimmer noch – allmählich ahnte sie, welches Gefühl sie beim Gedanken an die Frauen in seinem Leben immer wieder beschlich – die pure Eifersucht! Das machte die Sache nicht leichter: Ein Mann wie Marco De Luca bekam jede Frau, die er wollte – und das nutzte er schamlos aus.

Zögernd verließ sie ihr Schlafzimmer. Am liebsten hätte sie sich einen Mantel übergezogen. Sie fühlte sich so … so entblößt. Früher einmal hätte sie sich in einem Kleid wie diesem schön und begehrenswert gefühlt, aber diese Zeit war vorbei. Jetzt fühlte sie sich nur noch nackt und bloßgestellt. Der Blick, mit dem Marco sie bedachte, als sie auf ihn zutrat, steigerte ihr Unbehagen noch weiter. Er zog sie förmlich mit seinen Blicken aus, sah sie mit einer Intensität an, die ein süßes Sehnen ihren Körper durchziehen ließ. Plötzlich hatte Elaine Mühe zu atmen.

„Fast perfekt“, sagte Marco, während er seinem Jackett ein schmales Samtetui entnahm. „Ich bin heute noch einmal zu Tiffany gegangen.“ Er öffnete den Deckel, und darin befand sich das schönste Collier, das Elaine in ihrem ganzen Leben gesehen hatte.

Hauchdünne Weißgoldstränge, von kunstvoll geschliffenen Diamanten zusammengehalten, und ein Anhänger, der fraglos ein Meisterstück der Goldschmiedekunst war. Er bestand aus fein ziselierten Platinranken, die einen wundervollen Smaragd einfassten.

Marco trat hinter Elaine, strich ihr die Haare aus dem Nacken und legte ihr das Schmuckstück um. Dabei streiften seine Fingerspitzen ihre Haut, und Elaine hatte das Empfinden, ein Schauer würde durch ihren Körper laufen. „Du bist wunderschön“, flüsterte er. „Eine wunderbare Frau.“ Elaines Atem stockte, als sie das kühle Edelmetall auf der heißen Haut und den Anhänger an ihrem Brustansatz spürte. „Deine Schönheit ist dein Kapital. Du solltest sie nutzen, nicht verbergen. Sie verleiht dir Macht.“

Seine Worte lösten eine Woge verwirrender Gefühle in ihr aus, die sie schließlich als Glück identifizierte. Es gefiel ihr, wenn er sagte, sie sei schön. Es gefiel ihr, sich so zu fühlen. Sich das einzugestehen kostete sie äußerste Überwindung.

Marco legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich herum. „Jetzt siehst du wirklich wie die Verlobte von Marco De Luca aus.“

Sie betraten Manhattans angesagtetes Szenelokal. Antikes südamerikanisches Dekor paarte sich mit einer kühlen, neoklassischen Einrichtung. Die Empfangsdame führte sie zu einem Tisch, der ausschließlich Marco zur Verfügung stand. Von hier aus hatte man einen atemberaubenden Blick über die Stadt, aber heute nahm Marco diesen kaum wahr.

Seine Gedanken galten ausschließlich der Frau an seiner Seite. Natürlich hatte er erwartet, dass eine neue Frisur und ein geschicktes Make-up vorteilhaft sein würden. Aber dass sie sich quasi vor seinen Augen in ein Supermodel verwandelte, damit hatte er nicht gerechnet. Das heißt, der Ausdruck Supermodel traf nicht ganz zu, Elaine hatte so gar nichts Androgynes an sich – sie war ganz Frau, mit üppigen Kurven. Sie hatte nicht das schablonenhafte Aussehen, das jetzt modern war, sie war einmalig – einfach nur sie selbst. Von klassischer Schönheit, mit fein geschnittenen Zügen, denen auch die Jahre nichts anhaben würden.

Bereits ihr ungeschminktes Gesicht besaß eine eigene Schönheit, jetzt aber sah sie schlicht atemberaubend aus: eine der schönsten Frauen, die er jemals gesehen hatte.

Ihr Haar, bisher immer in diesen schrecklichen Knoten gepresst, umschmeichelte nun in lockeren Wellen ihr Gesicht, und der Anhänger des Colliers ruhte auf ihrem Dekolleté an einer Stelle, die er zu gern gestreichelt hätte.

So entsprach sie genau dem Bild, das aufgrund der Gerüchte bei ihm entstanden war: eine verführerische Sirene, die einen Mann dazu bringen konnte, sich ihr zu Füßen zu werfen – allen Konsequenzen zum Trotz.

Und diese Frau wollte sich weigern, die Ehe mit ihm zu vollziehen!

Während er den Stuhl für sie zurechtrückte, ließ er eine Hand über ihren Rücken gleiten. Befriedigt sah er, wie sich ihre Wangen röteten. Also war sie doch nicht so unempfänglich für ihn, wie sie ihn glauben machen wollte.

Stocksteif saß sie auf ihrem Stuhl, ein angestrengtes Lächeln auf den Lippen. Marco nahm ihre Hand und strich zart über die Innenseite des Handgelenks. „Entspannst du dich denn nie?“

„Nein – du etwa?“ Wie um die Kühle ihrer Worte Lügen zu strafen, fühlte sie ihr Herz in der Brust flattern, als wolle es aussetzen. Wieder durchzog sehnsüchtige Schwere ihre Glieder.

Jetzt beugte sich Marco über den Tisch, sodass ihre Gesichter sich fast berührten. „Nur wenn ich mit einer schönen Frau zusammen bin“, raunte er.

Die Intimität des Augenblicks wurde von einem grellen Blitzlichtgewitter sofort unterbrochen. Erschreckt weiteten sich Elaines Augen. „Ist das immer so, wenn du dich in der Öffentlichkeit zeigst?“

„Nicht immer“, antwortete er ungerührt. „Aber wenn man mich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit derselben Frau sieht, ist das die logische Folge – das gefundene Fressen für die Paparazzi. Wenn sich der begehrteste Junggeselle bindet, stürzt sich eben die gesamte Presse darauf.“

„Ich nehme an, das kommt deinen Interessen entgegen“, stellte Elaine fest. Wieder wurde sie von einem Blitzlicht geblendet. „Schließlich ist es ja eine Marketingstrategie.“

Den ganzen Abend bemühte sie sich, die Fotografen zu ignorieren und sich zu unterhalten. Eine mühevolle Angelegenheit, wenn man sich wie ein Schauspieler vor der Kamera fühlte. Und das ist erst der Anfang, sagte sie sich seufzend.

Bis das Dessert aufgetragen wurde, machten sie lediglich Small Talk. Kein Wort fiel über die Hochzeitsvorbereitungen. Allmählich wurde sie etwas nervös deswegen – schließlich waren sie nicht hier, um über das Wetter zu reden. Marco De Luca tat nichts ohne eine ganz bestimmte Absicht – und es gefiel Elaine überhaupt nicht, die Zügel völlig aus der Hand geben zu müssen. Sie wollte stets die Kontrolle behalten, aber Marco hatte es binnen kürzester Zeit geschafft, diese an sich zu reißen.

Bevor sie auch nur einen Löffel der köstlichen weißen Mousse au Chocolat zum Munde führen konnte, stand Marco auf, ergriff ihre Hand und zog sie hoch. Genau so etwas hatte sie befürchtet.

„Meine Damen und Herren! Darf ich einen Moment um Ihre Aufmerksam bitten?“

Elaines Herz begann zu rasen. O nein, dachte sie verzagt. Damit hatte sie nun doch nicht gerechnet.

„Da gibt es etwas, das ich dieses bezaubernde Wesen an meiner Seite fragen möchte.“

Die Paparazzi drängelten sich jetzt noch enger, um den besten Blickwinkel zu ergattern, und die Blitzlichter erhellten das Lokal. Das erinnerte Elaine daran, dass sie ein glückliches Lächeln aufsetzen musste.

„Elaine Chapman.“ Er wandte sich ihr zu, sah ihr tief in die Augen und ergriff ihre Hände. „Würdest du mir die Ehre erweisen und meine Frau werden?“

Er zog das kleine Samtkästchen aus der Tasche, und obwohl Elaine genau wusste, was sich darin befand, überfiel sie das Gefühl, als schnüre ihr etwas die Kehle zu. Marco öffnete das Etui und reichte ihr den Ring. Elaine erstarrte – sie konnte nicht atmen, keinen Muskel bewegen, geschweige denn einen Ton hervorbringen. Es gelang ihr gerade noch, zu nicken. Marco lächelte sie an, als hätte sie ihm soeben den Himmel auf Erden bereitet. Er wirkte wie ein Mann, der der Frau seines Lebens seine Liebe erklärt.

Nun steckte er ihr den Brillantring an den Finger, und einen Moment lang gab sich Elaine der Illusion hin, er wolle wirklich sie, und dies sei nicht nur eine Schau. Tränen stiegen ihr in die Augen, weil sie wusste, dass ihr dieses Glück nie vergönnt sein würde – nicht ihr.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

Mehr erfahren
Natalie Anderson
Natalie Anderson nahm die endgültigen Korrekturen ihres ersten Buches ans Bett gefesselt im Krankenhaus vor. Direkt nach einem Notfall-Kaiserschnitt, bei dem gesunde Zwillinge das Licht der Welt erblickten, brachte ihr ihr Ehemann die E-Mail von ihrem Redakteur. Dem Verleger gefielen ihre früheren Korrekturen und da es gerade einen Mangel an...
Mehr erfahren
Maisey Yates
Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin.
Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen.

Von da an konnte nichts und niemand...
Mehr erfahren