Julia Exklusiv Band 294

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SÜNDHAFT LECKER von HARDY, KATE
Dante Romanos Angebot, ihre Eissalons zu kaufen, lehnt Carenza ab. Eine aufregende Affäre beginnt, und zum ersten Mal sehnt Carenza sich nach echter Liebe. Doch als ob Dante das spürt, verwandelt sich seine heiße Leidenschaft plötzlich in eisige Kälte …

VORSICHT, HEIß! von CARSON, AIMEE
Was für ein Prachtexemplar von Mann! Bei ihrem Vorstellungsgespräch auf der Dachterrasse des exklusiven Samba Hotels wird Alyssa ganz heiß. Und das liegt nicht an der Sonne am Himmel über Miami Beach, sondern einzig an dem ungeahnt attraktiven Hotelmagnaten Paulo Domingues …

GEWAGTES SPIEL UM LIEBE UND GLÜCK von WILLIAMS, CATHY
Vom ersten Augenblick an knistert es zwischen Amy und ihrem neuen Chef, dem feurigen Italiener Rocco Losi. Und doch scheint ihre Liebe an den Machtspielen, die sie sich mit dem dominanten Mann liefert, zu scheitern …


  • Erscheinungstag 02.02.2018
  • Bandnummer 0294
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711115
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Hardy, Aimee Carson, Cathy Williams

JULIA EXKLUSIV BAND 294

1. KAPITEL

Ihre Schuhe verrieten sie. Ihr Äußeres war ansonsten perfekt gewählt. Ihre Aktentasche, das dezente Make-up und ihre Frisur, all das strahlte pure Eleganz aus. Doch ihre Stöckelschuhe waren viel zu hoch und grazil. Das waren keine Büroschuhe! Das waren Nimm-mich-Schuhe. Und Dante Romano hatte genügend solcher Prinzessinnen kennengelernt, um zu wissen, dass es obendrein sündhaft teure Nimm-mich-Schuhe waren. Ein Paar Schuhe, wie sie sich nur eine reiche verwöhnte Göre leisten konnte.

Dieser Geschäftsabschluss würde dann doch viel einfacher werden als gedacht. Carenza Tonielli dachte offenbar nicht ernsthaft daran, das Unternehmen ihrer Familie zu übernehmen.

Er stand auf, um sie zu begrüßen. „Wie schön, dass Sie es einrichten konnten, Signorina Tonielli. Darf ich Ihnen Kaffee anbieten? Oder Wasser?“ Er deutete zu seinem Schreibtisch, auf dem eine Karaffe und Gläser bereitstanden.

„Ein Glas Wasser bitte.“

„Nehmen Sie doch Platz.“ Er wies auf den Stuhl und wartete, bis sie sich hingesetzt hatte, bevor er ihr ein Glas eingoss und gegenüber Platz nahm.

Sie trank einen Schluck.

Wunderschöne Hände, dachte er. Jetzt reiß dich zusammen, schoss es ihm jedoch schon im nächsten Moment durch den Kopf. Carenza Tonielli war zwar hübsch. Gut, wunderschön. Aber sie war sich dessen sehr bewusst, und er hatte nicht vor, sich bei solch einer eingebildeten Prinzessin auf mehr als ein Geschäft einzulassen.

Lügner. Du hast dir doch gerade ausgemalt, wie sich diese Hände an deinem Körper anfühlen würden. Und dieser Mund.

Ein traumhafter Mund. Perfekt. Nun ja, aus Fantasie muss noch lange keine Wirklichkeit werden, dachte er bei sich. Für so was hatte er jetzt keine Zeit, sonst konnte er seinen Businessplan auch gleich in die Tonne werfen. Bis sein Franchise Realität war, musste sein Privatleben warten. Und seine Libido auch.

„Warum wollten Sie mich treffen?“, fragte sie.

Sie hatte wirklich von nichts eine Ahnung. Armer Gino. Wie konnte er sein Unternehmen bloß seiner missratenen Enkeltochter hinterlassen, in der Hoffnung, dass sie daran wachsen würde. Das Mädchen, das bis vor Kurzem noch von Party zu Party um die Welt gereist war, zehn Jahre lang. Weshalb sollte sie ihr Jetset-Leben auf einmal für harte Arbeit eintauschen?

Soweit es nach seiner Quelle aus London ging, hatte sie sich bisher nur für Designermode, Champagner und heiße Sportwagen interessiert. Was sie alles würde aufgeben müssen, wenn sie Tonielli’s retten wollte.

Ich werde sie nicht über den Tisch ziehen, ich werde ihr ein faires Angebot machen, sagte sich Dante. Dieselbe Summe, die er auch schon ihrem Großvater geboten hatte. So würde sie ihren Lebensstil nicht ändern müssen, und er, Dante Romano, würde eine etablierte Eiscafékette übernehmen. Es war also für beide Seiten ein Gewinn. Er hoffte, dass sie das genauso sehen würde.

„Ich stand in Verhandlungen mit ihrem Großvater, Tonielli’s zu übernehmen. Und da er Ihnen die Cafés vermacht hat, sind Sie dann wohl jetzt meine Ansprechpartnerin.“

„Ich glaube, hier liegt ein Irrtum vor.“

„Sie haben Tonielli’s gar nicht übernommen?“

Sie verschränkte die Arme. „Das habe ich sehr wohl. Doch Tonielli’s stand noch nie zum Verkauf.“

Für einen Moment schien er verblüfft. Er hatte ihr das Eiscremeimperium ihres Großvaters für einen Spottpreis abluchsen wollen. Und jetzt das. Carenza verkniff sich ein spöttisches Lächeln. Aber, verdammt, selbst mit offenem Mund sah er immer noch gut aus! Doch egal, wie schön seine Augen, sein Mund und seine dunklen Haare auch sein mochten, er war ein Konkurrent. Und verkauft wurde nicht. Nicht an ihn, noch an sonst irgendjemand.

„Sie wollen Tonielli’s leiten?“, fragte er gefasst.

Carenza kannte diesen Gesichtsausdruck schon. Vom Gesicht ihres neuen Galeriebesitzers, dem sie einen Verbesserungsvorschlag gemacht hatte. Kurz bevor sie gekündigt hatte. Niemand behandelte sie wie ein Püppchen, das außer Tippen, Kichern und Nägel lackieren zu nichts taugte. Und es ging ihr gehörig auf die Nerven, dass dieser Mann hier anscheinend auch nicht mehr von ihr hielt. Warum nahm er sie nicht ernst?

War es ihr blondes Haar?

Oder war Dante Romano nichts als ein italienischer Chauvi, der immer noch im Mittelalter lebte?

„Natürlich leite ich mein Unternehmen“, säuselte sie ihm zuckersüß zu.

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Tatsächlich.“

„Beleidigen Sie nicht meine Intelligenz“, entgegnete sie kühl.

„Signorina Tonielli, Sie haben keine Erfahrung, und Ihr Unternehmen steht vor der Pleite. Wenn Sie das verhindern wollen, rate ich Ihnen, zu verkaufen.“

Er bluffte, da war sie sich sicher. So schlecht standen die Dinge nicht. „Wir stecken in einer Rezession. Alle tun sich zurzeit schwer.“

„Ihr Unternehmen steht am Abgrund, das hat wenig mit der Rezession zu tun. Und Sie haben weder das Wissen noch die Erfahrung, das abzuwenden.“

„Signor Romano, Sie kennen mich nicht. Glauben Sie wirklich, dass ich nicht in der Lage bin, ein Unternehmen zu leiten, welches sich seit fünf Generationen im Besitz meiner Familie befindet?“

„Es geht nicht nur um die Leitung. Es muss auch komplett umstrukturiert werden, wenn es jemals wieder aus den roten Zahlen kommen soll.“

Sie sah jetzt nicht nur wegen der Zahlen rot. Was bildete sich dieser Typ ein?

„Sie halten mich wohl für zu blöd.“

„Für zu unerfahren“, korrigierte er sie.

„Und wie kommen Sie darauf?“, schoss sie wütend zurück.

Im selben Moment wurde ihr klar, dass ihre Reaktion gut in das Bild passte, das er von ihr hatte. Dass sie als Geschäftsfrau nichts taugte.

Dass er sie nunmehr offensichtlich mit seinen Blicken auszog, machte es ihr nicht leichter, sich zu beruhigen. Anscheinend gefiel ihm, was er sah. Zu ihrem Entsetzen spürte sie jetzt auch noch, wie sie rot wurde.

Sie benahm sich wirklich wie eine Sechzehnjährige, nicht wie eine achtundzwanzigjährige Geschäftsführerin. Als ob sich noch nie ein Mann für sie interessiert hätte.

Gott sei Dank trage ich dieses Businessoutfit, dachte sie bei sich. Das Jackett würde verbergen, dass ihre Brustwarzen sich gerade verräterisch aufgerichtet hatten.

Sie konnte nicht fassen, wie unangebracht das alles war. Dies war ein Geschäftstermin. Bei, dem man nicht an Sex dachte. Denken sollte. Vor einem Jahr noch hätte sie sich vielleicht zu so etwas hinreißen lassen. Aber das war ihr altes Leben, das sie hinter sich gelassen hatte. Dies jetzt war ihr neues Leben – und das zählte.

„Signora, Sie haben doch noch nie in ihrem Leben einen Finger krümmen müssen.“ Ihr war, als hätte ihr jemand einen Eimer Wasser über den Kopf geleert.

Wie bitte? Sie war sprachlos vor Wut. Er hielt sie also für eine Partygöre, die vom Taschengeld ihres Großvaters lebte. Okay, vor zehn Jahren war das vielleicht einmal so gewesen. Doch seitdem hatte sie verdammt hart in der Londoner Galerie gearbeitet. Bis Amy krank wurde und die Galerie verkaufen musste.

„Leider liegen Sie da falsch. Ich habe gearbeitet, in einer Kunstgalerie.“

An seiner Reaktion konnte sie ablesen, dass er das schon gewusst hatte. Anscheinend hatte er sich auf dieses Treffen wirklich verdammt gut vorbereitet. Allerdings konnte er nicht wissen, dass sie jetzt nach Italien zurückgekehrt war, um zu bleiben. Und dass sie nicht verkaufen würde.

Einen Moment lang konnte Carenza in seinen Augen lesen, was er dachte: dass ihr Job in der Galerie keine echte Arbeit gewesen sei, eher Beschäftigungstherapie für eine verwöhnte Barbiepuppe wie sie. Der neue Galeriebesitzer hatte den gleichen Fehler gemacht.

„Ich bin eine Geschäftsfrau.“

„Ach.“

Dies war nicht einmal eine Verhandlungstaktik, er traute ihr tatsächlich nicht zu, Tonielli’s zu leiten. Der wird sich noch wundern, dachte sie sich. Sie würde es ihm zeigen. Und vor allem sich selbst.

„Ich denke, wir haben uns nichts mehr zu sagen, Signor Romano. Schönen Dank auch für das Leitungswasser.“

Hoch erhobenen Hauptes verließ sie sein Büro.

2. KAPITEL

Es tat gut, wieder zu Hause zu sein. Zurück in Neapel nach zehn Jahren Abwesenheit – eines davon auf Weltreise, die anderen neun in London. Endlich wieder am Meer zu leben, den Hafen mit den kleinen Fischerbooten und Jachten vor Augen, und die Stadt, die sich vom Meer her über den Berg erstreckte. Der Mast bei den weißen Felsen vor dem Castel dell’Ovo, an dem Liebespaare Schlösser mit ihren Namen befestigten, wuchs dadurch jede Woche zu einem andersgearteten Kunstwerk heran. Der Musikpavillon der Villa Comunale mit seinem schön geschwungenen Eisengerüst, den Kugellaternen und der gestreiften Glasmarkise. Wie die Sonne hinter der Insel Ischia unterging und das Meer violett und den Himmel rosa malte. Und der düstere Gipfel des Vesuv, der alles überschattete.

Jetzt, wo sie zurück war, merkte Carenza, wie sehr sie all das vermisst hatte. Den Geschmack der Seeluft, den Anblick der schmalen, mit Fahnen und frischer Wäsche geschmückten Gassen, den Duft richtiger Pizza anstelle des Zeugs, das es in London gab.

Zuhause.

Und doch war es nicht ganz wie früher als Teenager. Jetzt war sie verantwortlich für Tonielli’s. In der fünften Generation – sechs, wenn man es genau nahm – das war eine große Verantwortung. Sie ging die Zahlen heute bereits zum vierten Mal durch und konnte sich immer noch keinen Sinn aus ihnen machen.

Ihr dröhnte der Kopf, also stützte sie sich mit ihren Ellbogen auf den Schreibtisch, rieb sich die Schläfen und versuchte, die Kopfschmerzen loszuwerden. Vielleicht hatte Dante Romano doch recht gehabt. Sie hatte nicht die nötige Erfahrung, damit umzugehen.

Doch was blieb ihr anderes übrig?

Klar, sie konnte Nonno sagen, dass ihr das alles zu viel sei. Aber das wäre ihrem Großvater einfach unfair gegenüber. Er hatte ihr sein Unternehmen anvertraut. Er war jetzt dreiundsiebzig Jahre alt. Er hatte sich seinen Ruhestand verdient und fand endlich Zeit, im Garten herumzuwerkeln und sich mit Freunden in Cafés zu treffen. Was er schon Jahre zuvor hätte tun können, wären Carenzas Eltern nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sie seufzte. Nein, sie konnte den Geschäftsführerposten nicht ablehnen.

Auch an Amy konnte sie sich nicht wenden. Ihre frühere Londoner Chefin würde ihr zwar sicherlich ihre Hilfe anbieten, doch hatte sie gerade eine weitere Runde Chemotherapie hinter sich gebracht, und Stress war das Letzte, was sie zurzeit brauchte.

Dann war da noch Emilio Mancuso, der, wie sie von ihrem Großvater wusste, eine Weile das Geschäft geführt hatte. Aber Carenza traute ihm nicht. Sie war sich nicht sicher, warum, aber irgendwie sagte ihre innere Stimme, dass es ein Fehler wäre, ihn um Hilfe zu bitten.

Keiner ihrer gleichaltrigen Bekannten hatte ein eigenes Geschäft, also war von dort auch keine Hilfe zu erwarten.

Blieb ihr …

Sie seufzte. Niemand.

Sie haben keine Geschäftserfahrung, und Ihr Unternehmen steht vor der Pleite.

Dante Romano hatte recht.

Es muss umstrukturiert werden.

Auch damit hatte er recht.

Und ich habe sowohl die nötige Erfahrung als auch das Personal dafür.

Offensichtlich wäre die logische Folge, ihm das Familienunternehmen abzutreten. Aber das wäre ein Verrat Nonno gegenüber. Bruch der Tradition. Die letzte Generation der Tonielli’s verramscht das Familienerbe. Das konnte sie unmöglich tun.

Wenn nicht …

Sie lächelte ironisch. Nein, das war verrückt. Da würde er nie mitmachen.

Das findest du nur raus, wenn du ihn fragst, meldete sich ihre innere Stimme.

Vielleicht. Aber war er auch wirklich so gut, wie er vorgab? Konnte er ihr helfen, das Unternehmen zu retten?

Carenza schob die Papiere beiseite und wandte sich ihrem Laptop zu, um über ihn im Internet zu recherchieren. Dante Romano. Interessant. Es gab keine Fotos von Paparazzi, die ihn mit schönen Frauen zeigten. Noch mit Männern, aber ihr Schwulenradar war normalerweise recht gut. Wenn sie seine Blicke gestern richtig gedeutet hatte, fand er sie ebenso attraktiv wie sie ihn.

Auch keine Hinweise auf skandalöse Scheidungsgeschichten. Mmmh. Anscheinend ließ Dante Romano die Finger von Beziehungen und konzentrierte sich auf seine Arbeit.

Also ein Workaholic.

Ein sehr erfolgreicher Workaholic, korrigierte sie sich nach einem Blick auf seine Unternehmensseiten. Mit dreißig besaß er bereits eine Kette mit sechs Restaurants – besonders beeindruckend, da er anscheinend bei nichts angefangen hatte. Seine Erfahrungen in der Übernahme und der Umstrukturierung von Unternehmen lasen sich wie eine einzige Erfolgsgeschichte. Und ein Gerücht besagte, er stünde kurz davor, seine Restaurantkette in ein Franchiseunternehmen umzuwandeln. Carenza kannte sich mit Franchise nicht aus, vermutete aber, dass er vorhatte, landesweit oder sogar international zu erweitern – Dante Romano hatte wirklich keine Zeit, sich auf eine Beziehung einzulassen.

Aber sein Liebesleben interessierte sie nicht. Nicht im Geringsten. Denn sie würde die Finger von ihm lassen. Sie wollte sich zurzeit auf niemanden einlassen und sich stattdessen beweisen, dass sie das Familienunternehmen retten konnte. Aber bedeuteten seine Franchise-Bemühungen, dass er zu beschäftigt wäre, ihr zu helfen? Und selbst wenn er genügend Zeit hätte, würde er sich überhaupt darauf einlassen, ihr Mentor zu werden – und ihr zu helfen, das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen?

Es war eine riskante Strategie, aber ihr blieb keine andere Wahl. Und es gab nur einen Weg herauszufinden, ob er ihr helfen würde.

Als Workaholic würde er wohl um diese Zeit noch in seinem Büro sitzen. Ihre Hand zitterte, als sie seine Nummer wählte. „Komm schon, Caz. Sei kein Angsthase“, sagte sie sich und drückte die letzte Taste. Aber mit jedem Klingeln wurde sie nervöser. Vielleicht war sie im Begriff, einen Fehler zu machen. Vielleicht war er gar nicht im Büro. Vielleicht sollte sie einfach aufleg…

„Dante.“ Seine Stimme klang knapp und klar – und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

„Hallo?“

Reiß dich zusammen, Caz, sagte sie sich und atmete tief ein: „Signor Romano? Hier Carenza Tonielli.“

„Wie kann ich Ihnen helfen, Signorina Tonielli?“

Wenn er überrascht war – oder ihren Anruf erwartet hatte, nachdem sie sich ein besseres Bild über die Bücher gemacht hatte, so ließ er es sich nicht anmerken. Er klang höflich, formell und vollkommen neutral. Was sie nur noch nervöser machte.

„Äh, ich wollte fragen, ob wir uns treffen können. Ich wollte Ihnen einen Vorschlag machen.“

„Wann und wo?“

Er verschwendete keine Zeit. Vielleicht war er daher so erfolgreich. „Wann würde es Ihnen denn passen?“

„Jetzt gleich?“

„Jetzt gleich?“ Beinahe hätte sich ihre Stimme überschlagen. Wer traf sich so spät abends zu einem Geschäftstermin?

Allerdings musste sie nichts mehr vorbereiten, sie wusste, was sie ihm vorschlagen würde. „Gut. Wissen Sie, wo mein Büro ist?“

„Ja.“

Dumme Frage. Natürlich wusste er das. Er hatte ihr Unternehmen kaufen wollen. Wahrscheinlich hatte er ihren Großvater bereits hier getroffen. „Gut, dann – äh, ich werde hier auf sie warten.“

„Ciao.“

Ihre Hand zitterte immer noch ein wenig, als sie auflegte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Was konnte schon passieren? Mehr als ablehnen konnte er nicht. Und in dem Fall würde sie auch nicht schlechter dastehen als zuvor. Es machte überhaupt keinen Sinn, sich aufzuregen.

Sie lenkte sich ab, indem sie begann, in einer Cafetière Kaffee zu machen. Sie war gerade dabei, die Tassen auf dem Tablett zum dritten Mal umzuarrangieren, als es endlich klopfte.

„Danke, dass Sie es einrichten konnten, Signor Romano“, begrüßte sie ihn und schloss die Tür.

„Prego.“ Immer noch höflich und formell, mit neutralem Gesichtsausdruck. Vielleicht hätte sie ihn einfach am Telefon fragen sollen. Es wäre ihr wesentlich leichter gefallen, seine Anwesenheit machte sie nervös.

Sie führte ihn in ihr Büro. „Möchten Sie Kaffee?“

„Danke, schwarz, bitte.“

Das war machbar.

Doch als sie ihm die Tasse reichte, zitterte ihre Hand wieder, und der Kaffee tropfte auf seine Anzughose.

„Oh, nein, das tut mir leid! Ich wollte …“

Er zuckte mit den Schultern: „Kein Problem. Der muss sowieso in die Reinigung.“

Aber er lächelte nicht. Schaute ernst drein. Und ihr Mut schwand. Er würde sich nie auf so etwas einlassen. Ihr Plan war verrückt.

„Was wollten Sie mir denn nun vorschlagen?“

Langsam stellte sie ihren Kaffee ab und nahm Platz. „Ich habe mir einen Überblick über Nonnos Bücher verschafft.“

„Und?“

„Und Sie haben nicht unrecht. Ich gebe es zu. Ich habe nicht die nötige Erfahrung. Aber …“ Sie atmete tief ein. „Wenn ich Sie als Mentor hätte, dann könnte ich es schaffen.“

„Mentor.“ Und wieder konnte sie in seinem Gesicht nicht sehen, was er davon hielt. Er schien sich weder zu amüsieren, noch war er sauer, überrascht, interessiert. Was für ein Pokerface. Und: Er schwieg.

Vielleicht überlegte er es sich gerade. Sollte sie ihn unterbrechen, ihm Zeit geben oder was?

Nach einer kleinen Ewigkeit fragte er: „Was hätte ich davon?“

„Nun, Sie könnten mir unter die Nase reiben, dass Sie recht hatten, und sich so richtig überlegen dabei fühlen?“

Darüber musste er lächeln, und seine funkelnden Augen ermutigten sie, fortzufahren. „Nein, natürlich möchte ich Sie als Mentor bezahlen. Was verlangen Sie?“

„Mehr, als Sie sich leisten können, Prinzessin. Ich hab mir Ihren Geschäftsbericht ja bereits angesehen.“

Prinzessin? Das saß. Aber sie konnte ihm jetzt nicht die Meinung sagen. Immerhin sollte er ihr noch helfen.

„Ich kann bezahlen“, raunte sie.

„Wie das?“

Sie holte tief Luft. „Ich könnte …“ Sie fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. Sie könnte ihren Schmuck verkaufen. Das würde ihr nicht leichtfallen – vor allem sich von der Uhr zu trennen, die ihr ihre Großeltern zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatten. Doch wenn sie damit das Unternehmen retten und ihre Großeltern stolz machen konnte, war es das wert.

Ihr Zögern ließ ihn den falschen Schluss ziehen: „Prinzessin, ich bin dreißig Jahre alt. Ich habe noch nie für Sex gearbeitet, und ich werde jetzt nicht damit anfangen.“

„Das hab ich nicht gemeint“, stotterte sie verlegen. „Ich wollte sagen, dass ich meinen Schmuck verkaufen kann.“

Aber jetzt war das Bild bereits in ihrem Kopf. Noch schlimmer als letztes Mal. Er nackt in ihrem Bett und auf ihr!

Hilfe! Reiß dich zusammen. Hier ging es ums Geschäft.

„Warum?“, fragte er.

„Warum?“ Denk nach, Caz. Aber sie hatte keinen Schimmer, was er meinte. Ihr Hirn setzte aus.

„Warum wollen Sie mich als Mentor?“

Genau. Deshalb hatte sie ihn hergebeten. Nicht wegen ihrer Fantasien. Die sie nicht aus dem Kopf kriegte. Sie atmete tief durch.

„Ich hätte Sie gern als Mentor an meiner Seite, da Sie Erfahrung haben, Unternehmen umzustrukturieren.“ Und sie erwähnte die Namen der letzten drei Restaurants, die er aufgekauft hatte.

Er wirkte überrascht. „Sie sind ja bestens informiert, Prinzessin.“

„Nennen Sie mich nicht Prinzessin!“

Sie riss sich zusammen. Sie wollte schließlich etwas von ihm. „Bitte“, sagte sie entschuldigend, „ich heiße Carenza.“

„Carenza.“ Es klang so sanft und warm, wie er es sagte. Seine Stimme war tief, rau und verdammt sexy.

Konzentriere dich, Carenza.

„Sie hatten recht, Signor Romano. Ich habe keine Erfahrung darin, Unternehmen zu retten.“

„Sie geben sich gerade sehr bescheiden.“ Er betrachtete sie. „Interessant.“

„Warum haben Sie so eine schlechte Meinung von mir?“, fragte sie ihn.

„Weil ich Frauen wie Sie kenne.“ Er schaute sie abschätzend an. „Prinzessin.“

Sie riss sich zusammen. „Ich bin keine Prinzessin“, erwiderte sie gelassen.

„Heben Sie mal die Füße auf den Schreibtisch.“

Sie stutzte. „Was?“

„Tun Sie die Füße auf den Schreibtisch.“

Sie hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte, aber sie tat, wie ihr geheißen.

„Schauen Sie sich nur Ihre Schuhe an. Ein Paar dieser Marke kostet fast so viel, wie Ihre Angestellten im Monat verdienen. Und Sie wollen mir weismachen, dass Sie kein Prinzesschen sind?“

So wie er das sagte, machte das Sinn. Sie nahm schnell die Füße herunter. „Ich habe in England gearbeitet“, verteidigte sie sich.

„Aha.“

Er hielt also wirklich absolut nichts von ihr. „Ich hab da nicht nur rumgesessen und mir die Nägel lackiert. Ich war Amys Assistentin. Ich habe ihre Arbeit organisiert. Ich weiß, wie man verkauft.“

„Luxusgüter vielleicht, aber nicht Essen. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.“

„Ich gebe ja zu, dass ich Hilfe brauche. Was wollen Sie denn noch?“

„Machen Sie es sich einfach, und verkaufen Sie an mich.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht.“

„Warum nicht?“

„Ich bin die fünfte Generation bei Tonielli’s. Ich muss das einfach schaffen.“ Sie zögerte. „Eigentlich wäre ich die sechste Generation gewesen. Und wenn meine Eltern nicht gestorben wären, hätte ich vielleicht Geschwister bekommen, die das Geschäft gemeinsam mit mir geführt hätten. Aber die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, also macht es auch keinen Sinn, sich darüber aufzuregen. Ich will eine Lösung finden.“

Dante betrachtete sie. Sie wollte also wegen ihrer Familie nicht verkaufen. Demzufolge waren ihr Begriffe wie Tradition und Loyalität doch nicht fremd. Eigentlich hatte er vermutet, sie würde Partys bevorzugen und sich einen Dreck um ihre Großeltern scheren. Die Dinge, die im letzten Jahr von ihr bekannt geworden waren, ließen dies vermuten.

Aber vielleicht hatte sich Carenza Tonielli wirklich verändert und er sich in ihr geirrt.

Und wenn sie ihr Unternehmen retten wollte, war es wirklich das Beste, was sie tun konnte, sich einen Mentor zu suchen.

Sie hatte sich ihn ausgesucht. Ihn, der ihr das Unternehmen wegnehmen wollte. Eine bizarre Situation. Er könnte sich weigern, aber er stand Gino gegenüber in der Schuld. Der alte Mann hatte ihm vor vielen Jahren mit Rat und Tat zur Seite gestanden, und das hatte ihn wirklich vorangebracht. Jetzt könnte er, Dante, sich revanchieren: Ginos Enkelin helfen, die Gelati – Kette zu retten.

Und seine Entscheidung hatte nichts damit zu tun, dass Carenza den schönsten Mund und die blausten Augen besaß, die er je gesehen hatte. Oder damit, dass sie in seinen Träumen in seinem Bett lag, ihn anlächelte und sich unter seinen Berührungen wand.

„Okay.“

Sie blickte überrascht auf. „Wie bitte?“

Er verdrehte die Augen. „Pass auf, Prinzessin.“ Als ihr Mentor würde er sie bestimmt nicht mit ‚Signorina Tonielli‘ ansprechen. Und mit ihrem Vornamen ebenso wenig. Das war ihm viel zu intim. Vielleicht konnte er so auch seine Fantasien in Zaum halten. Er hatte gern alles unter Kontrolle, aber Carenza Tonielli brachte ihn aus der Fassung – und das gefiel ihm nicht. Er versuchte, sie nicht attraktiv zu finden. Hier ging es ums Geschäft. „Ich sagte, okay. Sie haben Ihren Mentor.“

Eine zentnerschwere Last fiel ihr von den Schultern. „Ich danke Ihnen. Aber ich werde Sie bezahlen. Ich kann nicht von Ihnen erwarten, dass Sie mir Ihre wertvolle Zeit einfach so schenken.“

„Ich will kein Geld. Ich helfe Ihnen mit Rat, so gut ich kann – aber Sie werden die ganze Arbeit haben, nicht ich.“

Sie richtete sich auf. „Danke. Ich weiß das zu schätzen. Wo fangen wir an?“

„Indem Sie anfangen, sich etwas angemessener zu kleiden.“

Carenza sah ihn an. Er schaute peinlich berührt zurück. Also war sie nicht die Einzige mit Bildern im Kopf gewesen?

Die darauffolgenden Stille breitete sich fast ins Unendliche aus.

„Was stimmt denn nicht mit meiner Kleidung?“, fragte Carenza irgendwann leise nach.

„Nichts. Das Jackett und der Rock sind in Ordnung.“ Mittlerweile war sein Gesicht rot angelaufen.

Aber was störte ihn denn dann? Ihr Oberteil? Ihre Schuhe? Letztes Jahr noch hätte sie nicht gezögert und ihm jetzt vor seinem Schreibtisch eine Laufstegpräsentation vorgelegt, damit er sich ins Bodenlose schämte. Aber das würde nur das Bild, das er von ihr hatte, verstärken.

Nun denn, Herr Romano, dann wird ich Ihnen jetzt mal zeigen, wie falsch Sie liegen, indem ich Sie eiskalt abserviere.

Sie stand auf, nahm die Jacke von ihren Schultern und hängte sie über die Stuhllehne. „Stören Sie die hier?“

Sie nestelte umständlich an ihren Spaghettiträgern.

Er schaute sie lange an. „Sie spielen mit Feuer, Prinzessin.“

„Sie haben doch angefangen. Also, inwiefern ist mein Top problematisch?“

Er musste schwer schlucken. „Das fragen Sie mich?“

„Sie sind doch der mit dem Problem.“

Er fuhr sich nervös durchs Haar. „Gut, wenn Sie es wirklich wissen wollen … Es lenkt ab.“

Sie dachte dasselbe über ihn. Vor allem, weil ihm heute Abend Bartstoppeln gewachsen waren, die sie so gerne an ihrer Haut gespürt hätte. „Inwiefern lenkt es ab?“

„Ich dachte, ich soll hier die Fragen stellen?“

„Inwiefern lenkt es ab?“

„Weil es Männer zum Nachdenken anregt, ob Sie etwas darunter tragen.“

Jetzt schaute er sie definitiv herausfordernd an. Heißblütig und sinnlich. Sie sah ihm an, wie sehr er sie begehrte. Gut, dann war das also gegenseitig. Jetzt kühlen Kopf bewahren und ihn noch etwas weitertreiben. Sie zuckte die Schultern. „Das kann man nur auf eine Weise herausfinden.“

Sein Atem ging schnell und flach. Genau wie ihrer.

„Zeig’s mir!“, flüsterte er.

Worte süß wie Honig und sexy wie die Sünde. Die ultimative Versuchung. Ja. Sie konnte dieses Spiel spielen. Und dann würde sie aufhören, weil sie es konnte.

Sie schob erst einen Träger von der Schulter, dann den anderen. Adrenalin pulsierte durch ihre Adern. Wie würde er reagieren?

Aber er wartete ab.

Mühevoll. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis er die Kontrolle verlieren würde.

„Zeig schon“, wiederholte er.

Hier hätte sie eigentlich abwarten wollen, bis mehr von ihm kam. Aber die schlagfertigen Antworten waren ihr ausgegangen, und sie konnte an nichts mehr denken, außer, wie sehr sie ihn wollte. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihr Top Stück für Stück tiefer zog. Sie spürte jeden Millimeter Haut, der sichtbar wurde, so erregt war sie. Dieses Kribbeln am ganzen Körper. Schlimmer noch, sie wünschte sich, dass er sie berühren würde. Sehnte sich nach seinen Händen – und seinem Mund.

Das Oberteil war jetzt komplett verrutscht und legte den Blick auf ihren halterlosen BH frei. Schwarze Spitze, genau wie ihr Oberteil.

„So, jetzt haben Sie es gesehen.“ Ihre Stimme zitterte ein wenig.

„Ja.“ Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Wir haben immer noch ein Problem.“

Das war ihr auch klar. Ihre Brüste schmerzten, so sehnten sie sich nach ihm. Wenn er sie nicht sofort berührte, würde sie durchdrehen. „Bitte, Dante!“, flüsterte sie.

Keine Sekunde später war er bei ihr, sein Mund auf ihrem. Es fühlte sich weniger an wie ein Kuss, mehr wie eine Kriegserklärung. Er konnte sich kaum beherrschen – und ihr gefiel das, denn sie brauchte es genauso sehr wie er.

Ihr BH war im Nu offen und am Boden, und sie stöhnte laut auf, als er ihre Brüste umfasste. Starke und doch zärtliche Hände. Großartige Hände. Seine Daumen neckten ihre Brustwarzen so gekonnt, dass sie leise aufschrie. Und sie wollte mehr, viel mehr!

Wenn er jetzt nicht schnell machte, würde sie wirklich durchdrehen. Sie griff ihm ins dunkle weiche Haar und drückte ihn hinab zu ihren Brüsten. Sie stöhnte kehlig auf. „Genau da will ich dich!“

Sie spürte, wie sich seine Hand unter ihrem Rock den Weg nach oben bahnte, veränderte ihren Stand, um es einfacher für ihn zu machen. Nach diesen gewagten Berührungen verzehrte sie sich.

Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, schob er ihr Höschen zur Seite und begann sie aufreizend zu streicheln. Wagte er sich weiter vor, drang mit einem Finger in sie ein. Sie schrie fast auf vor Erleichterung, bog sich ihm ungeduldig entgegen, erwiderte seine Küsse leidenschaftlich.

Und als sein Daumen endlich gekonnt begann, ihre empfindsamste Stelle zu massieren, brachen alle Dämme …

Mit dem Höhepunkt verschwanden die ganze Spannung und der Stress der letzten Tage, und es blieb nichts als innere Leere zurück.

Und dann wurde ihr plötzlich klar, wo sie sich befanden. Neben ihrem Schreibtisch. Stehend. Sie fast nackt, seine Hand in ihrem Höschen … Wohingegen er völlig angezogen war. Adrett gekleidet. Komplett in Kontrolle – sie dagegen Wachs in seinen Händen.

Sie schloss ihre Augen. „Oh, Gott.“

Er biss sanft in ihre Unterlippe und fragte flüsternd: „Was ist denn, Prinzessin?“

„Du weißt schon.“ Sie fühlte sich wie eine Idiotin.

„Gedankenlesen gehört leider nicht zu meinen Talenten“, neckte er sie. „Bitte sei etwas genauer.“

Warum musste er auch noch nachhaken? „Es ist mir einfach peinlich. Du hast deine Sachen noch an und ich …“ Nicht.

„Und du siehst grade richtig toll aus.“ Er küsste sie. „Aber du hast recht. Meine Hilfe als Mentor war anders gedacht.“ Er zog seine Hand unter ihrem Rock hervor, glättete ihn und zog ihr die Träger ihres Oberteils wieder über die Schultern.

Carenza schnappte sich ihr Jackett und zog es rasch über. Auch wenn das jetzt irgendwie überflüssig schien.

Er strahlte sie an.

Sie starrte zurück. „Machst du dich gerade über mich lustig?“

Er prustete ein wenig. „Ich lächle dich an! Gut – und auch ein wenig aus. Ich meine, dieses Jackett wird mir nicht die Erinnerung an deine Brüste nehmen, Prinzessin.“

Und sie würde nicht vergessen können, wie gut es sich angefühlt hatte, von ihm liebkost und mir nichts dir nichts zum Höhepunkt gebracht zu werden.

„Ich werde nächstes Mal etwas Angemesseneres tragen“, murmelte sie. „Dann werden wir uns besser konzentrieren können.“

„Sicher.“ Obwohl sein Blick etwas anderes sagte. Wer’s glaubt, wird selig.

Was hatte sie hier bloß losgetreten?

Er räusperte sich. „Mein Büro, um acht Uhr morgen Abend. Ihre E-Mail-Adresse?“

Ihr blieb gerade noch genug Verstand übrig, sie ihm auf einen Zettel zu kritzeln.

„Gut. Ich werde Ihnen vorher schon etwas schicken, womit Sie anfangen können.“

Und dann war er weg. Und sie fühlte sich jämmerlicher als zuvor. Als er gedacht hatte, sie wolle sich ihm als Bezahlung anbieten, hatte er falschgelegen. Doch dann … Sie hatte sich ihm im Nu hingegeben. Quasi für ihn gestrippt. So würde sie ihm nie klarmachen können, dass er sich in ihr geirrt hatte. Sie hatte all seine Vorurteile nur bestärkt.

Dabei war Dante Romano überhaupt nicht ihr Typ. Normalerweise gefielen ihr die kultivierten Freigeister, Intellektuelle. Keine mürrischen Kerle, deren Gedanken so anders als ihre eigenen waren, dass sie keine Ahnung hatte, was sich in ihren Köpfen abspielte.

Na gut, er sah unglaublich gut aus. Was aber ihr Verhalten heute Abend nicht entschuldigte. Dass sie seit einem Jahr Single war, war auch keine Entschuldigung.

Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Morgen würde sie kalt duschen, bevor sie ins Büro ging. Lange kalt duschen. Und vielleicht würde sie sich ja lange genug zusammenreißen können, um schließlich von ihm ernst genommen zu werden und das Unternehmen ihres Großvaters zu retten.

3. KAPITEL

Dante blickte düster auf seinen Computer.

Seine Konzentration war im Eimer, und schuld daran war ganz alleine Carenza Tonielli.

Gut, vielleicht war es nicht ganz allein ihre Schuld. Er hätte ja Nein sagen können.

Und sein Kommentar über ihre Kleidung hatte das ja alles losgetreten. Und er hätte sich nicht im Traum denken können, wie schön sie wirklich war unter ihrer Kleidung.

Verdammt. Er hatte keine Zeit für so etwas. Und er wollte sich nicht auf eine komplizierte Zicke einlassen, die seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit einnehmen würde – eine, die vor Wut tobte, wenn es mal nicht nach ihrer Nase ginge.

Was gerade passiert war, würde sich nicht wiederholen.

Er durfte sich einfach keine Träumereien erlauben, wie es sich anfühlen würde, mit ihr zu schlafen, wie eng sie sich …

„Ach, vergiss es, und konzentrier dich endlich.“ Er riss sich zusammen und begann, seine E-Mails zu lesen.

Er arbeitete sich mechanisch durch die ersten drei Mails. Aber er konnte nicht aufhören, an Carenza zu denken. Und es ärgerte ihn, dass er sich zu so etwas hatte hinreißen lassen.

Irgendwie würde er sie sich schon aus dem Kopf schlagen können. Er begann eine neue E-Mail.

Bringen Sie morgen Ihre USP und Wettbewerberanalyse mit.

Das war besser. Geradeheraus, eines Geschäftsmannes und Mentors würdig.

Gut. Nun konnte er sich wieder seinen Geschäften zuwenden. Konzentriert und fokussiert wie immer.

In dem Moment kam das vertraute Tuten seines Computers, eine neue E-Mail. Von Carenza.

USP???

Er verdrehte die Augen und schrieb:

Unique Selling Proposition. Was Sie von der Konkurrenz unterscheidet.

Nachdem er Senden gedrückt hatte, wurde ihm klar, dass sie sicher auch noch nie etwas von einer Wettbewerberanalyse gehört hatte. Er schrieb:

Planänderung. Ich hole Sie um 16 Uhr ab, und wir machen die erste Wettbewerberanalyse gemeinsam, damit Sie eine Vorlage haben.

Sie antwortete umgehend und schlicht:

Ich danke Ihnen vielmals.

Eigentlich hatte er ja schon genug zu tun. Es würde seine ganze Zeit beanspruchen, aus Dante ein Franchiseunternehmen zu machen. Ablenkungen wie Carenza Tonielli und ihre Eiscreme konnte er sich eigentlich nicht leisten.

Doch irgendwie schuldete er es Gino, ihr zu helfen.

Andere Beweggründe beschloss er, erst einmal zu ignorieren, und so schickte er eine weitere E-Mail.

Kleiden Sie sich wie eine Touristin. Bis morgen Nachmittag.

Wie eine Touristin. Was hatte das denn nun wieder zu bedeuten? überlegte Carenza am nächsten Morgen. Letzte Nacht hatte er noch gewollt, dass sie sich angemessen kleidet.

Kurz bevor er sie verführt hatte.

Auf ihre Veranlassung hin. Obwohl sie nie vorgehabt hatte, es so weit kommen zu lassen.

Die Situation war so verfahren, sie musste klare Verhältnisse schaffen, bevor sie sich wiedersehen würden. Doch am Telefon wäre das Ganze zu peinlich. Sie flüchtete sich in eine weitere E-Mail.

Wegen letzter Nacht… Ich mache so etwas normalerweise nicht. Können wir bitte so tun, als sei nichts passiert?

Er ließ sie über eine Stunde auf seine Antwort warten.

Gar nichts?

Wie unfair. Sie fühlte die Erniedrigung bis in ihre Fingerspitzen.

Unser Gespräch schon. Der Rest nicht.

Sie würde den Rest nicht weiter erläutern.

Oh. Sicher.

Sie war so wütend. Ein „Oh“, wirklich. Sie konnte sich das hämische Grinsen vorstellen, mit dem er das getippt hatte, und am liebsten hätte sie ihm jetzt vors Schienbein getreten.

Letzte Nacht war allerdings in gewissem Sinne auch unfair gewesen. Sie hatte sich von ihm bedienen lassen, und er hatte nichts dafür – bekommen.

So benahm sie sich normalerweise aber auch nicht. Sie hatte seit einem Jahr keinen Sex mehr gehabt – seit jenen furchtbaren paar Monaten, in denen sie sich mit viel zu vielen Idioten eingelassen hatte. Ihre Freunde waren alle der Meinung, dass sie mittlerweile zu wählerisch und eigenbrötlerisch geworden sei, doch sie hatte einfach keine interessanten Männer getroffen seither. Nur gelackmeierte Egoisten. Und sie würde sich auf keine halben Sachen mehr einlassen. Immerhin gab es ja noch ihre Freunde. Und mit Tonielli’s hatte sie ohnehin alle Hände voll zu tun.

Und Dante Romano war ihr Mentor, nichts weiter. Darauf hatten sie sich nun geeinigt.

Was zog man denn nun als Tourist an? Auf jeden Fall etwas Angemessenes. Nur leider besaß sie keine altbackene Kleidung, und ihr Gewissen verbot es ihr, Geld für Kleidung auszugeben, wenn Tonielli’s kurz vor dem Bankrott stand. Schließlich entschied sie sich für Jeans und Cardigan über einem ihrer Tops mit Spaghettiträgern. Die Haare zum Pferdeschwanz zurückgebunden, schlüpfte sie in ihre Lieblingsstöckelschuhe. Als Tourist musste man ja nicht unbedingt Birkenstock tragen.

Dante stand um Punkt sechzehn Uhr vor ihrer Tür, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Als Geschäftsmann im Anzug ging es ja noch. Doch die Kleidung, die er nun trug, hätte sie ihm am liebsten sogleich vom Körper gerissen. Ein schwarzes T-Shirt mit Weste und ausgewaschenen Jeans, eine schwarze Lederjacke, Wildlederstiefel und Sonnenbrille. Er hatte sich seit gestern nicht rasiert. Sein Haar war etwas zerzaust.

Und dieser Bad-Boy-Look stand ihm ungemein gut.

„Fertig?“, fragte er.

„Äh.“ Sie brachte kein Wort raus. Auch das Atmen fiel ihr mit einem Mal schwer.

„Äh?“ Er grinste sie herausfordernd an. „Heißt das ja oder nein, Prinzessin?“

„Das heißt, wir haben ein Problem“, murmelte sie.

„Wieso?“

„Wie Sie sich angezogen haben.“

Er runzelte die Stirn. „Bin ich Ihnen zu schmuddelig, Prinzessin?“

Nein. Zu verdammt sexy. Und sie traute sich nicht, ihm zu antworten – denn dann hätte sie ihm sagen müssen, dass sie ihn am liebsten gleich in ihr Büro sperren und auf ihrem Schreibtisch verführen wolle.

Wie hatte sie sich jemals einreden können, dass Dante Romano einfach nur ihr Mentor sein konnte?

Aber sie lenkte ab. „Wieso diese Touristenverkleidung?“

„Weil Geschäftsleute nicht um diese Zeit Eis essen gehen. Die müssen nämlich arbeiten.“

„Oh.“

Er hatte fast Mitleid mit ihr. „Hören Sie, Prinzessin, wir können ihre Konkurrenten nicht einfach besuchen und Notizen machen.“

„Warum nicht? Die wissen doch nicht, was wir da aufschreiben.“

„Vertrauen Sie mir, so ist es einfacher. Das Ganze nennt sich ‚Mystery Shopping‘. Im Verkaufssektor ist das gang und gäbe. Die Konkurrenz auskundschaften, um zu gucken, was die anders machen. Wenn wir als normale Kunden hingehen, werden wir auch so behandelt – und dann kennen wir deren Servicestandard.“

„Ist das keine Betriebsspionage?“

„Nein. Sie machen sich ein Bild von deren Angebot, bei was die besser sind als Sie, bei was schlechter, damit Sie danach Ihren Service verbessern können.“

„Ah.“ Und dann war da noch ein Problem.

Es war ihr wohl vom Gesicht abzulesen, denn er seufzte. „Sie haben sich ihr eigenes Unternehmen noch nicht angeguckt?“

„Noch nicht. Ich bin erst seit ein paar Wochen zurück in Italien. Aber ich werde das nachholen.“ Sie verschränkte die Arme. „Ich bin ja nicht dumm.“

„Nein, Prinzessin.“

Sie hörte den Sarkasmus in seiner Stimme und zischte ihn an. „Sie urteilen über mich, ohne mich überhaupt zu kennen.“

„Ich will mich nicht streiten. Wissen Sie was, wir machen das auf die einfache Art.“ Er nahm sie in die Arme und küsste sie. Hart. Heftig.

Verlangend. Bis sie seinen Kuss endlich erwiderte und sich an ihn presste, ihre Arme um seinen Hals geschlungen.

Als er sie losließ, hatte sich ihr Puls verdoppelt. Hatten sie sich nicht darauf geeinigt zu vergessen, was letzte Nacht geschehen war? Doch er … Er hatte einfach … Sie holte tief Luft. Ihr Körper war offensichtlich glücklich darüber, aber ihr Kopf war es nicht. „Was zum Teufel sollte das denn?“, fuhr sie ihn an.

„Wir sind Touristen, und du bist meine Freundin.“ Er zuckte die Schultern. „Ich dachte, das würde helfen.“

Helfen? Wie sollte das denn helfen, ihr Gehirn bestand nach diesem Kuss nur noch aus Zuckerwatte!

Zu allem Übel nahm er auch noch ihre Hand, als sie die Straße entlangspazierten. Gerade als wären sie wirklich ein Paar und würden zusammen Neapels Sehenswürdigkeiten erkunden.

Ihre Haut kribbelte, wenn er sie berührte. Ob es ihm genauso ging? Oder ging er im Kopf gerade Geschäftspläne und Bilanzen durch? Fragen würde sie ihn das natürlich nicht – selbst wenn sie den Mut gehabt hätte, so wollte sie doch nicht, dass er erfuhr, wie sehr er sie ablenkte.

Vor allem, weil sie das dumme Gefühl nicht loswurde, dass sie ihn überhaupt nicht ablenkte.

„Pass auf, Prinzessin“, hieß es dann plötzlich, als ob er ihre Gedanken lesen konnte, und er öffnete die Tür eines Eiscafés für sie.

Dann wurde es nur noch schlimmer. Sie wusste, dass sie sich Details dieser Gelateria merken sollte. Was es auszeichnete, was fehlte, inwiefern es anders als ihre Eiscafés war. Aber sie konnte sich um Himmels willen auf nichts konzentrieren, während er sie mit Eiscreme fütterte. In ihrer Fantasie fütterte er sie bereits woanders.

Nackt.

In ihrem Bett.

„Nun solltest du mir den Gefallen erwidern, Prinzessin“, flüsterte er, und sie errötete.

Meinte er den Gefallen von letzter Nacht? Oder die Eiscreme?

Feige, wie sie war, griff sie nach dem Löffel.

„Lecker“, meinte er und schenkte ihr sein bislang verführerischstes Lächeln. Meinte er damit sie oder die Eiscreme?

Wenn er so weitermachte, brauchte sie bald Mund-zu-Mund-Beatmung.

Sie war sich sicher, dass er das absichtlich machte, um sie zu necken. Oder um ihr zu beweisen, dass sie nicht das Zeug zur Unternehmerin hatte, da sie sich nicht konzentrieren konnte.

Sie biss die Zähne aufeinander und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf das Café. Die Eiskarte. Das Dekor. Den Service.

Die Kellnerin brachte die Rechnung; sie lächelte Dante an, und Carenza war überrascht über die Woge der Eifersucht, die sie empfand.

Schließlich gehörte Dante Romano nicht ihr. Er war ihr Mentor, sonst nichts. Vielleicht hatte er ja sogar eine Freundin.

Obwohl, das wohl nicht. Sonst wäre das letzte Nacht nicht passiert. Wenn Dante Romano eines besaß, dann war das Integrität. Er war kein Betrüger.

„Ich zahle.“ Sie schnappte sich die Rechnung.

Er schüttelte den Kopf. „In England kommst du vielleicht damit durch, aber wir sind in Italien. Ich zahle.“

„Und ich bin zur Hälfte Britin“, erinnerte sie ihn. „Wir sind im 21. Jahrhundert. Ich zahle.“

Sie gewann, da sie schneller beim Kellner war.

„Du bist schwierig“, sagte er, als sie an den Tisch zurückkam.

Er etwa nicht? Sie zuckte mit den Schultern. „Du nennst mich doch ‚Prinzessin‘.“

„Lass uns weitergehen.“ Er hielt wieder die Tür für sie auf, und sie schlenderten schweigend Richtung Meer.

Dort angekommen, lehnte er sich lässig an ein Geländer. „Komm her.“

„Warum?“

Er verzog genervt das Gesicht. „Weil du nicht aus der Rolle fallen sollst.“

Sie kam einen Schritt näher.

Er hustete. „Meine Freundin würde sich niemals so weit wegstellen, oder?“

Sie kam noch einen Schritt näher, dann zog er sie an sich, und sie stand auf einmal zwischen seinen Beinen mit seiner Hand an ihrer Hüfte.

„Was hältst du von dem Laden?“

In seiner Nähe fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren. Wie konnte er über Geschäftliches reden, während er sie so hielt?

„Das nennt sich Multitasking, Prinzessin. Hilft beim Geschäfteführen.“

Sie stöhnte auf. „Hab ich das grad laut gesagt?“

„Ja.“

„Das sollte ein Witz sein.“

Er schaute an ihr herab. „Sag das deinen Brustwarzen. Die sind nämlich hart.“

„Ich hasse dich.“

Er musste lachen. „Dann konzentrier dich. Was hältst du von dem Eiscafé?“

„Gutes Eis. Netter Service. Die Preise nehmen sich im Vergleich zu unseren nichts. Oh, aber die Einrichtung war furchtbar.“

„Was haben sie euch voraus?“

„Ich … ich hab keine Ahnung. Mehr Auswahl?“

„Sie bieten Panini und heiße Getränke an. So bleiben die Gäste auch während der Wintermonate nicht aus.“

Und dann verblüffte er sie mit einer detaillierten Analyse des Cafés. Was schlecht lief, was gut war, wo es ihre Cafés übertrumpfte und bei was bei Tonielli’s besser war.

Wie hatte er das alles bloß bei diesem einen Besuch aufnehmen können – während er sie mit Eiscreme gefüttert und mit ihr geflirtet hatte?

Ein Skateboardfahrer rauschte an ihr vorbei, und sie flüchtete sich in Dantes Arme. Jetzt merkte sie endlich, dass Dante auch nur ein Mensch war. Sie spürte es durch seine Hose.

Um es ihm heimzuzahlen und ein wenig die Oberhand zurückzugewinnen, fuhr sie sich mit der Zunge verführerisch über die Unterlippe. Durch seine Sonnenbrille konnte sie zwar nicht sehen, wohin er blickte, doch sie war sich ziemlich sicher, dass er sich den Anblick nicht entgehen ließe.

„Du lebst gerne gefährlich, Prinzessin“, warnte er sie.

Das war ihr bewusst. Ihr Körper wusste es ebenso. „Wegen letzter Nacht …“

„Wir hatten uns drauf geeinigt, es zu vergessen.“

„Aber ich bin dir gegenüber nicht fair gewesen.“ Sie war von ihm befriedigt worden, hatte ihn aber einfach stehen lassen. Und das fühlte sich falsch an.

„Hm.“

„Fehlen dir die Worte, Dante?“

Er lächelte sie düster an. Lehnte sich vorwärts. Berührte ihre Lippen mit seinen.

Und was dann folgte, fühlte sich an wie ein Feuerwerk.

Wie benebelt vernahm sie in der Ferne das Johlen und Gelächter von jugendlichen Passanten und löste sich aus dem Kuss. Seine Lippen waren gerötet, ihre sahen garantiert genauso aus.

Und sie war sprachlos.

„Wem fehlen jetzt die Worte?“, fragte er.

Sie holte tief Luft. „Dies hier sollte rein geschäftlich sein. Aber“, sie musste schlucken, „wir stehen uns dabei selbst im Weg.“

„Du hattest doch versprochen, dich dezenter zu kleiden, damit wir uns konzentrieren können.“

Sie breitete die Arme aus. „‚Gemessener‘ als das hier gibt’s mich nicht.“

Er hob eine Augenbraue. „Nimm-mich-Schuhe und hautenge Jeans?“

Er gab ihr die Schuld an dem hier? „Und du trägst diese sexy Lederjacke und Fass-mich-an-Jeans.“

„Vielleicht solltest du dir einen anderen Mentor suchen.“

„Ich kann sonst niemanden bitten. Wenn Nonno mitbekommt, dass ich Probleme habe, nimmt er das Geschäft wieder an sich, und das wäre ihm nicht fair gegenüber. Er ist jetzt dreiundsiebzig. Er hat es verdient, mit Nonna das Leben zu genießen.“

„Und was ist mit deiner alten Chefin in London?“

Sie schüttelte den Kopf. „Sie ist krank. Ich kann sie nicht darum bitten. Und Emilio Mancuso frage ich auch nicht.“

„Warum nicht?“

„Ich …“ Sie wand sich. „Ich kann es nicht genau sagen.“

„Deine Instinkte sagen Nein.“

Sie nickte. „Also bleibst nur du übrig.“

„Du klammerst dich an den letzten Strohhalm.“

„Nein. Du warst meine erste Wahl. Du kennst dich aus, und ich kann eine Menge von dir lernen.“

„Aber?“

Sie seufzte. „Aber es hilft uns beiden nicht, wenn du dich so ungeheuer sexy kleidest, mich mit Eiscreme fütterst und mir verführerische Blicke zuwirfst.“

Er hob provozierend eine Augenbraue. „Heißt das, du willst es mit mir machen, Prinzessin?“

Oh, Gott. Ja! Sie zitterte. „Ich bin normalerweise nicht so.“

„Nein?“

Also wusste er über London Bescheid? Sie merkte, wie sie rot wurde. „Du hast mich gereizt.“

„Nicht sehr. Du hättest jederzeit aufhören können.“

Ja. Und genau das hatte sie auch vorgehabt. Aber das Gefühl von seiner Haut an ihrer hatte jeden Zweifel weggespült. Außerdem hatte er doch angefangen. Und wenn sie ihm völlig egal war, warum fasste er sie gerade an? „Du hast deine Hände immer noch an meinem Po. Und“, hüstelte sie, „dein Körper gibt auch andere Zeichen von sich.“

„Tut er das?“ Er seufzte. „Gut, ich geb’s zu. Ich finde dich umwerfend. Und nach letzter Nacht, glaube ich, beruht das auf Gegenseitigkeit.“

„Wir können uns nicht einmal leiden. Du denkst, ich sei eine verwöhnte Prinzessin.“

„Bist du auch. Und wo wir schon mal bei der Wahrheit sind, du denkst, ich sei …?“

„Ein Workaholic. Der keine Ahnung hat, wie man sich amüsiert.“

„Ein Langweiler also.“ Er schüttelte es ab. „Summa summarum bleibt, Prinzessin: Aus uns wird nichts. Du willst dich mit jemandem amüsieren. Und in meinem Leben ist kein Platz für eine, die gleich mit dem Fuß auf den Boden stampft, wenn ich zu spät zum Abendessen komme oder wenn ich keine Lust auf eine dieser Partys mit langweiligen Typen habe, die nichts als Blödsinn reden.“

„Ich stampfe nicht.“ Sie schaute ihn vorwurfsvoll an.

„Du tust es gerade, metaphorisch gesehen.“

„Warum hast du dich denn dann breitschlagen lassen, mein Mentor zu werden?“

„Weil ich es Gino schuldig bin.“

„Inwiefern bist du Nonno etwas schuldig?“

„Er hat mir früher einmal ausgeholfen und mir eine Unmenge Tipps gegeben. Von daher ist es nur fair, wenn ich dir jetzt helfe.“

Also tat er es nicht um ihretwillen.

„Du hast recht. Ich kann dich nicht leiden.“ Er stimmte ihr zu, als ob sie es laut ausgesprochen hatte. Oder vielleicht stand es ihr auch ins Gesicht geschrieben. „Ich mag nicht, für was du stehst. Wie du das Vermögen deiner Familie dazu genutzt hast, auf der ganzen Welt Party zu machen, deine Großeltern aber so gut wie nie besucht hast.“

„Und woher willst du das wissen?“

„Durch die Wehmut, die ich in Ginos Augen sah, wann immer er über dich gesprochen hat.“

Großvater hatte mit Dante über sie gesprochen?

„Er hat dich vermisst.“

Schuldgefühle überfluteten sie. Was sie getan hatte, war nicht richtig gewesen, doch ihre Großeltern hatten sich nie beschwert. Sie war Dante keine Entschuldigung schuldig; andererseits wollte sie nicht, dass er sie für völlig egozentrisch und verwöhnt hielt. „Damals war ich 18, Dante. Ich wusste, dass da eine andere Welt auf mich wartete, und ich wollte ein Teil davon sein. Also bin ich raus aus Neapel und gereist. Nach Rom, Mailand, Paris. Sydney, New York und L.A.“

„Mode-Metropolen.“ Es beeindruckte ihn nicht.

„Ja, du hast recht. Ich fand Mode anfangs sehr beeindruckend. Aber dann landete ich in London, um die Familie meiner Mutter kennenzulernen. Diese andere Seite von mir kennenzulernen. Hätte dich das nicht auch interessiert? Die Seite deiner Familie zu treffen, über die du bisher nur Geschichten gehört hattest?“

Das hing von den Geschichten ab, dachte sich Dante. Mit der Familie seines Vaters wollte er nichts zu tun haben. Er hatte die ersten vierzehn Jahre seines Lebens genug Zerstörung miterlebt, dass es ihm für ein Leben reichte. „Vielleicht.“

„Und ich habe meine Großeltern nicht verlassen. Ich rief dreimal die Woche an und schickte ihnen Fotos und E-Mails.“

„Aber du warst nicht für sie da.“ Er hielt inne. „Warum bist du zurückgekommen?“

„Eigentlich für Nonnos und Nonnas goldene Hochzeit.“ Sie seufzte. „Und da merkte ich, dass sie alt geworden waren. Meine englischen Großeltern hatten andere Kinder und Enkelkinder, die sich um sie kümmerten, aber Nonno und Nonna haben nur mich. Also beschloss ich, nach Hause zu kommen.“

„Und das Familienunternehmen zu übernehmen.“

Sie nickte. „Ich bin die letzte Tonielli. Ich muss es versuchen.“

Von wollen konnte keine Rede sein. Das sah er ihr an. Aber sie wollte ihren Pflichten nachkommen – und das respektierte er an ihr.

„Und was ist mit deinem Job in der Kunstgalerie?“

„Amy hat die Galerie verkauft. Sie ist krank geworden, und da wurde ihr die Galerie zur Belastung.“

„Wollte der neue Besitzer dich nicht übernehmen?“

Sie seufzte. „Sagen wir mal, es hat nicht funktioniert. Letzten Endes war es am besten so – ich musste niemand im Stich lassen und war frei, nach Neapel zurückzukehren.“

„Was gab’s denn für ein Problem?“

„Er hat mich wie einen Dummkopf behandelt. Der ich nicht bin. Ich hätte die Universität beenden können.“

Er lachte spöttisch auf. „Drei Jahre lang Party machen und abschreiben?“

„Nein, an der Uni lernt man, klar zu denken.“ Sie stutzte. „Du hast also nicht studiert?“

„Nein, und ich hab auch nichts verpasst. Vom Leben lernt man am meisten.“

„Wollten deine Eltern nicht, dass du zur Uni gehst?“

Über seine Eltern wollte er wirklich nicht reden. „Nein. Zum Leben gehört mehr als studieren.“

„Vor einer Minute hast du mich noch geküsst. Jetzt fauchen wir uns an.“ Sie schüttelte den Kopf, als versuchte sie zu verstehen, wie es dazu gekommen war. „Warum streiten wir uns?“

„Weil du meine Vergangenheit nicht verstehst und ich nicht deine. Es ist, als ob man … Äpfel mit Birnen vergleicht. Wir sind zu verschieden.“ Obwohl ihn das nicht davon abhielt, sie zu begehren. Und das hasste er am meisten an ihr.

„Was soll das bloß werden?“, fragte sie.

„Aus was?“

„Aus uns.“

„Es gibt kein uns.“

Sie näherte sich ihm, kam gerade nahe genug, um seine Erregung wie versehentlich zu streifen. „Ach nein?“

„Es gibt kein uns“, wiederholte er verbissen. Er hatte sich bereit erklärt, ihr Mentor zu sein. Das ging aber nicht, solange sie sich ständig beherrschen mussten, einander nicht die Kleider vom Leibe zu reißen.

„Was du nicht sagst“, antwortete sie trocken.

Er stöhnte auf. „Sag bitte nicht, dass ich das grad laut gedacht habe.“

„Hast du aber.“ Und sie sah ihn selbstzufrieden an.

Was war mit ihm los? Er verlor sonst nie die Kontrolle. Er hatte das jahrelang trainiert. Damit er nicht so würde wie sein Vater.

Aber bei Carenza war das anders. Mit ihr wollte er die Kontrolle verlieren. Er neigte seinen Kopf, küsste sie erneut und genoss ihre Art, den Kuss zu erwidern. Wie sie ihren Mund öffnete, ihn willkommen hieß. Und wie sie seinen Po umfasste und ihn gierig an sich zog.

Als er sich von ihr löste, war ihr Blick fiebrig. „Komm doch einfach mit … mit zu mir, Prinzessin“, schlug er ihr mit heiserer Stimme vor.

Ihr Mund öffnete sich leicht. Eine Versuchung. Perfekte, weiße Zähne; weiche, lustvolle Lippen. Er wollte sie so sehr. Er konnte sich nicht erinnern, jemals nach einer Frau ein so großes Verlangen gehabt zu haben.

„Okay“, flüsterte sie.

4. KAPITEL

Natürlich wusste Dante, dass das keine gute Idee war, aber jetzt gab es kein Zurück mehr.

Hand in Hand machten sie sich auf den Weg. Er merkte, wie schnell er lief, erinnerte sich an Carenzas Stilettos und zwang sich dazu, langsamer zu gehen. Sie lächelte ihn dankbar an.

„Entschuldigung“, murmelte er. Und schaute schnell weg, um nicht die Beherrschung zu verlieren, sie an die nächste Häuserwand zu pressen und wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses eingesperrt zu werden.

Was hatte Carenza bloß an sich, dass er alles um sich herum vergaß?

Und was sie zur Unperson für ihn machte. Denn er musste die Kontrolle behalten. Mit seiner Familiengeschichte war er nicht gewillt, ein Risiko einzugehen.

Er war noch in Gedanken, als sie vor einer Apotheke stoppten.

„Was?“, fragte er.

„Vorräte. Es sei denn, du bist vorbereitet.“

Vorräte? Dann verstand er. Wie hatte er das vergessen können? „Äh, nein. Bin ich nicht. Warte hier.“

Er kam mit einer Packung Kondome in seiner Jackentasche zurück und fühlte sich wie ein Schuljunge. Dann schüttelte er das Gefühl ab. Schließlich war Sex für sie beide nur ein notwendiges Übel, um sich wieder konzentrieren zu können. Nichts leichter als das. Danach würden sie wieder den Kopf für andere Dinge frei haben. Er konnte ihr mit ihrem Unternehmen helfen und wäre sie danach für immer los. Keine Komplikationen.

Je näher sie seiner Wohnung kamen, die genau über seinem Restaurant lag, desto nervöser wurde er.

Nun ja, es war seine Idee gewesen, also würde er jetzt auch damit leben müssen.

Mit zitternden Händen öffnete er die Tür zum Seiteneingang – und dann brachen alle Dämme. Ungestüm zog er Carenza mit sich, drückte sie gegen die Wand und küsste sie heftig. Oh, Gott, sie war so weich und roch so süß …

Und so willig …

Dante wusste nicht, wie es passiert war, aber auf einmal waren ihre Beine um seine Hüften geschlungen. Er rieb sich an ihr, fühlte, wie heiß sie war, und wollte und konnte jetzt keine Sekunde länger warten. Carenza fest in seinen Armen, stürmte er die Treppen hinauf, die zu seinem Apartment führten, bis sie in seinem Schlafzimmer waren; dann ließ er sie langsam an sich hinuntergleiten, sodass sie spüren konnte, wie bereit er für sie war.

An die nächsten Momente erinnerte er sich nur noch verschwommen. Er wusste nachher nicht mehr, wer wem die Kleidung vom Leibe gerissen hatte, doch zu guter Letzt waren sie beide nackt. Haut an Haut. So wie er es sich gewünscht hatte, seit sie ihn mit der Eiscreme gefüttert hatte.

„Mach dein Haar auf“, raunte er ihr zu.

Sie löste ihr Haar und schüttelte den Kopf, sodass ihr die Haare über die Schultern fielen.

Dio, du bist wunderschön.“ Vorsichtig nahm er ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie sanft, ganz sanft, bevor seine Hände langsam über ihren Körper strichen, über ihre Schultern, dann an ihren Brüsten für einen Augenblick innehielt, bevor er begann, die Rundung ihrer Hüften zu erforschen.

„Dante, ich …“ Sie fuhr sich über die Unterlippe.

„Was, Prinzessin?“

Ihr Atem ging schnell und flach, ähnlich dem seinen – und er sah ihr an, dass sie sich konzentrieren musste, um zu sprechen. „Mach schon“, bettelte sie, „bevor ich durchdrehe.“

„Mir geht’s genauso“, flüsterte er. Er schnappte sich die Kondome und riss die Verpackung auf.

„Das ist mein Job“, erklärte Carenza forsch und nahm ihm wie selbstverständlich das Kondom ab.

Dante verlor fast die Beherrschung, als sie es ihm überstreifte.

Sie lächelte süffisant, glücklich, so einen Effekt auf ihn zu haben.

Ha. Wenn sie bedachte, wie sie gestern Wachs in seinen Händen gewesen war …

Er küsste sie heftig, schob seine Hände in ihr Haar. Und Carenza erwiderte seinen Kuss und bog sich ihm ungeduldig entgegen. Und auch er konnte jetzt nicht länger warten. Er musste jetzt mit ihr schlafen. Es gab nichts auf der Welt, was er sich sehnlicher wünschte.

Endlich lag sie unter ihm, ihr Haar ausgebreitet auf seinem Kissen, und dann drang er in sie ein. Heiß und feucht war es und … himmlisch. Er hielt für einen Moment inne, spürte ihr nach und begann sich dann langsam zu bewegen. Ganz langsam. Immer die Ruhe.

Ihre Fingernägel fuhren seinen Rücken entlang, gerade fest genug, um ihn zu erregen.

Er veränderte die Stellung ein wenig, um tiefer in sie eindringen zu können.

„Oh, Gott, Dante, ja“, flüsterte sie. „Ja. Ja.“ Sie klammerte sich an ihn und bewegte sich schneller und schneller.

Ihr Körper begann, unter ihm zu zittern, und das erregte ihn so sehr, dass er kam. Intensiv und atemberaubend. Als er die Augen wieder öffnete, sah er in ihren Augen, dass sie ebenfalls den Gipfel der Lust erklommen hatte. Die ganze Welt hatte sich verändert, sie war ein einziges Wunder.

Er legte sich neben sie, völlig verblüfft. Er hatte gewusst, dass es gut werden würde, aber doch nicht so gut. Gleich beim ersten Mal.

Außer man zählte letzte Nacht mit.

Und er hatte sich dabei mit ihr so verbunden gefühlt – das machte ihm Angst. Er war es gewohnt, allein zu sein.

In diesem Moment suchten und fanden ihre Finger die seinen, und sie hielten einander.

Nein, nein und nochmals nein. Das hier sollte nur Sex sein. Keine Beziehung.

„Entschuldige mich bitte einen Moment“, murmelte er und ließ ihre Hand los, bevor er noch mehr Dummheiten machen konnte.

Als er aus dem Badezimmer kam, hatte sich Carenza nicht von der Stelle bewegt, nur das Laken über die Hüfte gezogen. Sie sah wirklich großartig aus; er spürte, wie er fast schon bereit für eine neue Runde war.

Und er hatte keine Ahnung, wie er sich nun verhalten sollte. Was sie von ihm erwartete.

Doch dann lächelte sie, drehte sich auf die Seite und klopfte auf die freie Stelle im Bett neben ihr.

Verdammt. Jetzt war ihm klar, was sie wollte. Kuscheln. Und reden.

Nun, das wollte er aber nicht. Er würde ihr nicht seine Gefühle ausbreiten. So einer war er nicht.

„Dante.“ Ihre Stimme war sehr sanft. „Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mit dir schon fertig bin.“ Und binnen einer Sekunde verwandelte sie sich vor ihm von einer unschuldigen Prinzessin in einen verführerischen Vamp.

Unwiderstehlich.

Im Nu war er bei ihr im Bett. „Gut, Prinzessin, ich bin ganz Ohr.“

Sie wirkte leicht gekränkt. „Meine Freunde nennen mich Caz.“

„Wir sind keine Freunde“, korrigierte er sie.

„Lass es mich umformulieren. Menschen, die mir nahe sind. Und näher als gerade können wir uns kaum sein.“ Sie lächelte ihn frech an.

„Stimmt.“ Aber sie würden sich nur körperlich nah sein. Er wollte keine emotionale Nähe. Er brauchte so was nicht. Ihm ging es gut so, wie es war, er wollte hart arbeiten und sein Unternehmen weiter auf Erfolgskurs halten. Seine Welt sicher machen. Wenn er sich jetzt emotional öffnete, würde das nur alles gefährden. Und das würde er nicht zulassen.

„Bin ich so Furcht einflößend?“, fragte sie ihn.

„Wieso?“

„Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Normalerweise sah man ihm seine Gefühle nicht an. Dass sie offenbar hinter seine Maske blicken konnte, machte ihm nur noch mehr Angst. „Das muss deine lebhafte Einbildung sein“, sagte er cool. „Mir macht nichts Angst.“ Nicht mehr. Seine Kindheit lag schon lange zurück.

„Ich hab nur gedacht, wo du schon mal hier bist, kannst du auch gleich zum Essen bleiben.“

„Du willst für mich kochen?“

Er schaute sie skeptisch an. „Warum sollte ich das? Wo ich doch ausgezeichnete Köche da unten habe, die für mich arbeiten.“

„Oh.“ Sie richtete sich etwas auf und schaute auf ihre Sachen, die quer über den Boden verteilt waren.

Er bekam Mitleid. „Keine Sorge, wir müssen nicht unten essen.“

„Ich würde dein Restaurant aber gerne sehen.“

„Ja, aber nicht, während wir zusammen essen. Ich möchte Gerede vermeiden.“ Im nächsten Moment bereute er bereits seine Worte.

Gott sei Dank reagierte sie nicht darauf.

„Was hast du dann vor?“

„So eine Art Zimmerservice.“

Sie runzelte die Stirn. „Wird man darüber nicht erst recht reden?“

„Ich hatte ein Geschäftstreffen mit einer Kollegin und es dauerte länger als erwartet, also essen wir noch etwas zusammen. So was passiert.“

„Und wo liegt der Unterschied darin, ob man weiß, dass ich hier oben bei dir bin oder ob man uns da unten zusammen sieht?“

Das macht einen Riesenunterschied. „Vertrau mir einfach, okay?“

„Dante, du bist total verrückt.“

Er ignorierte sie. „Bist du gegen irgendetwas allergisch, magst du gewisse Dinge nicht – oder sollen wir einfach nach Art des Hauses bestellen?“

„Art des Hauses?“

„Dantes Speisekarten sehen in jedem Restaurant gleich aus, aber in einer Ecke der Karte preist der jeweilige Chefkoch des Restaurants seine Spezialitäten an, lokale Besonderheiten und so weiter. Die kann der Koch ändern, sooft er will. Auf die Weise können sich meine Köche kreativ ausleben und fühlen sich ernst genommen.“

„Dein Personal liegt dir wirklich am Herzen, nicht wahr?“

„Es geht um guten Service. Ohne unser Personal sind wir niemand. Man kann das beste Essen der Welt auf den Tisch bringen, wenn der Service nicht gut ist, kommt niemand wieder. Also ist es wichtig, dass sich das Personal einbezogen fühlt.“

Sie schwieg.

„Du kennst dein Personal gar nicht, oder?“

„Noch nicht“, gab sie zu.

„Du musst wissen, wer für dich arbeitet und was ihre Aufgaben sind. Am besten übernimmst du dafür selbst ein paar Stunden jeden Aufgabenbereich, damit du ihre Probleme verstehen und dich in sie einfühlen kannst.“

„Hast du das gemacht?“

Er nickte. „Ich mache das immer noch hin und wieder. So halte ich Kontakt zu den Leuten, und man respektiert mich dafür.“

„Jeden Aufgabenbereich?“

„Jeden“, betonte er. „Vom Kellnern übers Abwaschen, zur Abrechnung bis hin zum Gemüseschälen. Und ja, ich putze auch die Toiletten.“

„Klar.“ Sie wirkte geschockt.

Ha. Sie hatte also noch nie in ihrem Leben eine Toilette sauber gemacht. Und er war sich ziemlich sicher, dass sie selbst in ihrem Londoner Apartment eine Putzfrau gehabt hatte. Sie hätte sich eine geleistet. Prinzessinnen machten sich nicht die Hände schmutzig.

„Nach Art des Hauses klingt gut, danke.“ Sie zögerte. „Äh, könnte ich vielleicht kurz duschen?“

„Sicher.“ Dante musste sich zusammenreißen, um nicht gleich mitzukommen. „Das Badezimmer ist nebenan. Handtücher sind im oberen Schrank. Nimm dir, was du brauchst.“

„Danke.“

Er schnappte sich seine eigenen Klamotten und ging in die Küche, um ihr etwas Privatsphäre zu gönnen. Während sie duschte, rief er unten im Restaurant an und bestellte das Essen. Er hatte gerade den Wasserkessel aufgesetzt, um Kaffee zu machen, als sie eintrat. Sein Herz setzte kurz aus: Sie trug ihr Haar immer noch offen und sah so wundervoll und verletzlich aus wie ein hilfsbedürftiger Engel.

Und bei dem Gedanken machte er zu. Sie brauchte seine Hilfe nicht. Sie hatte Menschen, die sich um sie sorgten. Schon immer gehabt. Nicht wie er in seiner Jugend.

„Ich hab schon bestellt. Müsste in zwanzig Minuten hier sein.“

„Das klingt gut. Was empfiehlt dein Koch denn für Wein dazu? Roten oder weißen?“

Er zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich trinke nicht.“

Sie blinzelte. „Wie, nie? Nicht mal an deinem Geburtstag oder an Weihnachten?“

Er erinnerte sich an seine Kindheit. Weihnachten, den Geburtstag seines Vaters. Und Grappa, gefolgt von Wut, Schmerzen und Tränen. „Niemals.“ Er gab sich betont locker. Es war ja nicht ihr Fehler, dass sein Vater ein Alkoholiker gewesen war. „Aber wenn du Wein möchtest, bestelle ich natürlich welchen.“

„Nein, Wasser ist wunderbar.“ Sie berührte seinen Arm. „Dante, ist alles in Ordnung?“

„Ja“, log er. „Kaffee?“ Er lächelte sie gekünstelt an.

„Ich …“ Einen Moment dachte er, sie würde nachhaken. Aber dann gab sie nach. „Danke. Das wäre prima.“

Er beeilte sich mit dem Kaffee. „Wenn das Essen fertig ist, rufen sie an. Komm, setz dich.“

Dante war auf einmal auf Abstand gegangen. Und Carenza hatte keine Ahnung warum. Vielleicht hatte es mit seiner Einstellung zum Alkohol zu tun. War er Anonymer Alkoholiker? Wenn dem so war, wäre es sicher nicht leicht, eine Restaurantkette zu besitzen; er musste wahrscheinlich häufig auswärts essen gehen – doch bei jedem Geschäftsessen, bei dem sie jemals zugegen gewesen war, wurde Wein serviert.

Jetzt, wo er so verschlossen wirkte, konnte sie ihn jedenfalls nicht mehr danach fragen.

Sie waren ja nicht in einer Beziehung, erinnerte sie sich selbst. Sie waren viel zu verschieden. Also nahm sie sich einfach ihren Kaffee und folgte ihm ins Wohnzimmer.

Es war minimalistisch eingerichtet. Ein kleiner Esstisch mit vier Stühlen; der Laptop auf dem Tisch verriet ihr, dass er wohl auch von hier aus arbeitete. Ein einladendes Sofa, doch kein Fernseher. Und das Bild an der Wand sah aus, als hätte ein Ausstatter es für ihn ausgewählt. Nichtssagend, fade, öde.

Auf dem Kaminsims standen nur eine Uhr und zwei Fotos.

Obwohl sie merkte, wie sie damit in seine Privatsphäre eindrang, ging sie hinüber, um sich die Fotos näher anzuschauen. Eines zeigte Dante mit einer älteren Frau, die seine Mutter sein konnte, das andere eine Frau seines Alters, die in ihren Armen ein Baby hielt. Vielleicht seine Schwester? Eine Cousine? Oder etwa seine Mutter mit ihm als Baby?

„Deine Familie?“

„Ja.“

Er beließ es dabei. Und kein Zeichen von seinem Vater. Tot wie ihrer? Unwahrscheinlich, sonst hätte Dante doch Fotos von ihm. Zerstritten? Nie gekannt? Doch sie konnte ihn nicht danach fragen. Dantes Verhalten machte ihr das unmissverständlich klar.

Dante ahnte, wie Carenza seine Einrichtung fand. Langweilig. Spießig. Minimalistisch.

Aber er mochte keine Vasen oder Kunstobjekte. Davon hatte sein Vater einfach viel zu viele während seiner Wutanfälle zertrümmert.

Warum musste sie nun seine Familienfotos angucken? Er hatte das dumpfe Gefühl, dass sie gleich anfangen würde, Fragen zu stellen. Aber er würde einfach mauern. Über seine Mutter oder seine Schwester wollte er nicht reden. Und was seinen Vater anging, erst recht nicht. Der Mann, der ihm seine Kindheit gestohlen hatte; dessen Schatten ihn noch immer verfolgte. Die Angst war immer noch da, sie hatte sich nur verlagert. Dante hatte keine Furcht mehr, geschlagen zu werden; er hatte nur furchtbare Angst, dass er selbst einmal so ausrasten könnte.

Das Schweigen im Raum war erdrückend.

Das Telefonklingeln rettete sie.

„Danke, Mario.“ Er schaute sie an. „Bin gleich wieder da.“

Der Schwertfisch mit Zitrone und Oregano war wunderbar, das frische Gemüse al dente, so wie er es am liebsten mochte. Und ihre Augen weiteten sich beim Anblick des Käsekuchens mit weißer Schokolade. „Wow. Dein Koch ist fantastisch. Bitte richte ihm das bitte aus – oder ihr.“

„Ihm. Wird gemacht.“

Sie seufzte. „Du bist ganz schön verschlossen auf einmal.“

Er zuckte die Achseln. „Ich bin nur dein Mentor.“

Und Liebhaber.

Autor

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