Julia Extra Band 392

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WENN DIE WÜSTENSONNE AM HORIZONT VERSINKT von MORGAN, SARAH
Erst wenn die Wüstensonne am Horizont versinkt, kehrt Raz zurück ins Zelt - zu Layla. Doch auch das Dunkel hilft dem stolzen Wüstenkrieger nicht, sein verbotenes Verlangen nach der mandeläugigen Schönen zu bezwingen …

EINE NACHT, EIN JAHR - EIN LEBEN? von LUCAS, JENNIE
Treue, Heirat, Kinder? Cesare ist schockiert. Nach ihrer Liebesnacht will seine Angestellte alles - und reißt damit alte Wunden auf. Ein Jahr geht ins Land, bis er Emma in Paris wiedersieht und erkennt: Sie ist das Licht, das seinem Leben fehlt. Doch Emma lebt nicht mehr allein …

SCHÖNER ALS JEDER DIAMANT von MORTIMER, CAROLE
Eine Flut feuerroter Haare ergießt sich über Ninas Schultern - und Rafe D‘Angelos Herz steht in Flammen. Wie gerne würde er die Tochter eines Juwelensammlers nach allen Regeln der Lust verführen! Doch Nina wird Tag und Nacht überwacht. Kann er sie aus dem goldenen Käfig befreien?

ALLES LÜGE! ODER LIEBE? von PEMBROKE, SOPHIE
"Sie haben ein Problem. Und ich kann Ihnen helfen." Eine verführerische Fremde bietet Lord Beresford an, für seine abtrünnige Reiseführerin einzuspringen. Der Unternehmer ist begeistert. Doch als Faiths Vergangenheit ans Licht kommt, ist der Skandal groß. Größer als sein Verlangen?


  • Erscheinungstag 13.01.2015
  • Bandnummer 0392
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704322
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sarah Morgan, Jennie Lucas, Carole Mortimer, Sophie Pembroke

JULIA EXTRA BAND 392

SARAH MORGAN

Wenn die Wüstensonne am Horizont versinkt

Layla hat nur eine Chance, dem Tyrannen Hassan zu entkommen: Sie muss dessen Erzfeind heiraten. Sofort! Die Prinzessin ahnt nicht, wie viel mehr als Schutz der Wüstenkrieger Raz ihr geben kann …

JENNIE LUCAS

Eine Nacht, ein Jahr – ein Leben?

Ein Restaurant über den Dächern von Paris, allein für Cesare und sie. Hier will ihr Exboss über ihr Kind reden, das Emma ihm verschwiegen hat. Ist sein Herz von Hass erfüllt, oder kann es endlich lieben?

CAROLE MORTIMER

Schöner als jeder Diamant

Die Liebe lässt Nina kalt – bis Raphaels Küsse ihr Blut in Lava verwandeln. Tag und Nacht sehnt sie sich nach ihm. Doch sie darf für ihre Träume niemals den Seelenfrieden ihres Vaters opfern!

SOPHIE PEMBROKE

Alles Lüge! Oder Liebe?

Als „Faith Fowler“ hat Dominic sie eingestellt. Seitdem genießt sie jede Minute an der Seite des sexy Lords. Bis sie ihn auf eine Theaterpremiere begleiten muss. Werden die Paparazzi sie dort erkennen?

1. KAPITEL

„Pst! Sie kommen. Sie dürfen uns nicht finden.“ Schnell hielt Layla ihrer Schwester den Mund zu.

Reglos standen Yasmin und Layla hinter dem schweren Samtvorhang vor den Fenstern der Privatgemächer ihres Vaters. Dass dieser Palasttrakt für die beiden Prinzessinnen tabu war, würde die Sicherheit ihres Verstecks hoffentlich erhöhen. Es war ihnen nie erlaubt gewesen, das Schlafzimmer ihres Vaters zu betreten. Selbst heute nicht – am Tag seines Todes.

Doch Layla hatte den Mann, der für sie nur dem Namen nach ihr Vater gewesen war, noch ein letztes Mal mit eigenen Augen sehen müssen. Würde er tatsächlich kalt und stumm in seinem Bett liegen – oder würde er plötzlich aufspringen und wie gewohnt seine Untertanen tyrannisieren?

Bereits vor Stunden hatten sich die Schwestern ins Schlafzimmer ihres Vaters geschlichen und so seine letzten Worte mitangehört, bevor er sein Leben aushauchte. Kein Wort des Bedauerns war über seine Lippen gekommen, dass er seine Töchter jahrelang vernachlässigt hatte. Kein Wort der Entschuldigung, keine Nachricht, kein letzter Gruß. Stattdessen hatte er kurz vor seinem Tod noch eine weitere Gemeinheit angeordnet, die Laylas Schicksal unwiderruflich besiegeln würde.

„Hassan muss Layla heiraten. Nur dann wird das Volk ihn als Herrscher über Tazkhan akzeptieren.“

Die Schritte kamen immer näher. Layla wagte nicht, die Hand von Yasmins Mund zu ziehen. Hoffentlich mussten sie nicht niesen. Dieser Vorhang roch unangenehm staubig. Angsterfüllt wartete sie auf den Moment der Entdeckung. Dann wäre alles aus.

Mehrere Männer betraten das Schlafgemach.

„Wir haben den gesamten Palast abgesucht. Keine Spur von den Prinzessinnen.“

„Sie werden sich wohl kaum in Luft aufgelöst haben.“ Die harsche Stimme gehörte Hassan, dem sechzigjährigen Vetter ihres Vaters. Es grauste Layla bei der Vorstellung, diesen machtbesessenen Mann heiraten zu müssen.

Ihre Zukunft würde sogar noch finsterer sein, als sie befürchtet hatte! Layla spürte den warmen Atem ihrer Schwester hinter der Hand und hielt die Luft an. Nach allem, was sie gehört hatte, war es jetzt noch wichtiger, dass sie unentdeckt blieben.

„Wir werden sie finden, Hassan.“

„In wenigen Stunden werdet ihr mich mit ‚Eure Exzellenz‘ anreden“, giftete Hassan. „Ihr müsst sie finden. Durchsucht die Bibliothek. Die ältere Schwester ist fast immer dort anzutreffen. Die jüngere redet zu viel. Wir schicken sie nach Amerika und vergessen sie einfach. Das Volk wird sich auch bald nicht mehr an sie erinnern. Noch vor Sonnenuntergang nehme ich die ältere Schwester zur Frau. Sie ist schüchtern, und wird keine Einwände haben.“

Der weiß ja nicht mal, wie ich heiße, dachte Layla. Noch nicht einmal ihr Aussehen schien ihn zu kümmern. Ihre Wünsche interessierten ihn schon gar nicht. Ihrem Vater war auch gleichgültig gewesen, was seine Tochter sich erträumte. Der einzige Mensch, der sich etwas aus ihr machte, stand zitternd neben ihr.

Ihre jüngere Schwester. Ihre Freundin. Ihre Familie.

Nun wollten sie ihr diesen Menschen auch noch nehmen und Yasmin nach Amerika schicken. Layla erstarrte vor Entsetzen. Das würde sie nicht überleben.

„Wozu diese überstürzte Heirat?“

Hassans Begleiter sprach aus, was Layla auch schon durch den Kopf gegangen war.

„Weil wir beide wissen, dass er sich sofort auf den Weg hierher machen wird, sowie er vom Tod des Scheichs erfährt.“

Layla wusste, von wem die Rede war. Hassan musste ihn sehr fürchten, wenn er es nicht einmal jetzt wagte, den Namen seines Erzfeindes auszusprechen. Der sagenumwobene Ruf des Wüstenkriegers und rechtmäßigen Herrschers des wilden Wüstenstaats Tazkhan ängstigte Hassan dermaßen, dass es seit geraumer Zeit innerhalb der Stadtmauern strengstens verboten war, seinen Namen auszusprechen.

Dadurch hatte er den wahren Erben des Scheichtums in den Augen des Volkes jedoch erst recht zum Helden erhoben.

Rebellisch sprach Layla den Namen lautlos aus: Raz Al Zahki.

Ein Prinz, der das Leben eines Beduinen führte und unter Menschen lebte, die ihn vergötterten. Ein Mann der Wüste, der sich durch einen eisernen Willen, innere Stärke und Geduld auszeichnete. Ein Mann, der irgendwo da draußen war und den rechten Moment abwartete. Nur seine engsten Vertrauten kannten Raz’ genauen Aufenthaltsort.

Die Schritte auf dem Steinboden des Schlafzimmers entfernten sich, die Tür fiel zu.

Sofort befreite Yasmin sich von Laylas Griff und schnappte nach Luft. „Ich dachte schon, du wolltest mich ersticken“, raunte sie vorwurfsvoll.

„Ich hatte Angst, du würdest schreien.“

„Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht getan.“

Beschwichtigend griff Layla nach Yasmins Hand und warf einen vorsichtigen Blick durch den Spalt der schweren Samtvorhänge. „Sie sind fort“, stellte sie erleichtert fest. „Wir sind in Sicherheit.“

„Das soll wohl ein Witz sein, Layla. Dieses faltige, fette Monster plant, dich noch vor Sonnenaufgang zu heiraten und mich nach Amerika zu verbannen.“

Tröstend drückte Layla ihrer Schwester die Hand. „Keine Sorge, das werde ich nicht zulassen.“

„Wie willst du das denn verhindern? Ich könnte es nicht ertragen, von dir getrennt zu werden, Layla. Wir sind doch immer zusammen gewesen und haben uns gegenseitig vor Ärger bewahrt.“

Layla wurde das Herz schwer, als ihr die große Verantwortung bewusst wurde, die nun auf ihr lastete. Irgendwie musste es ihr gelingen, Hassans Fängen zu entkommen. „Ich verspreche, dass wir nicht getrennt werden.“

„Das kannst du doch gar nicht.“

„Doch, Yasmin, ich werde eine Lösung finden.“

„Beeil dich bitte, sonst verfrachten sie mich in den nächsten Stunden in einen Flieger nach Amerika, und dich in Hassans Bett.“

„Yasmin!“ Schockiert musterte Layla ihre Schwester.

„Ist doch wahr“, antwortete die trotzig.

„Was weißt du davon, mit einem Mann im Bett zu liegen?“

„Weniger als mir lieb ist. So gesehen, wäre meine Verbannung nach Amerika wahrscheinlich ganz nützlich.“ Yasmin lächelte frech.

Selbst in dieser Situation behält sie ihren Humor, dachte Layla bewundernd. „Ich darf dich nicht verlieren. Ein Leben ohne dein sonniges Gemüt könnte ich nicht ertragen“, sagte Layla leise.

Vorsichtig blickte Yasmin sich im Zimmer um. „Ist Vater wirklich tot?“

„Ja. Bist du … traurig?“

„Traurig? Nein, ich habe ihn ja höchsten vier Mal gesehen, und er hat uns das Leben zur Hölle gemacht. Und das tut er noch immer, über seinen Tod hinaus.“ Yasmins blaue Augen sprühten wütende Funken. „Weißt du, was ich mir wünsche? Raz Al Zahki soll auf seinem schwarzen Hengst angeritten kommen und kurzen Prozess mit Hassan machen. Vor Freude würde ich Raz vom Fleck weg heiraten und ihm hundert Babys schenken, damit seine Dynastie niemals ausstirbt.“

Layla rang sich ein Lächeln ab. „Warum sollte er die Tochter des Mannes heiraten, der verantwortlich für den Tod seines Vater und seiner bildhübschen Frau ist? Er hasst uns, Yasmin. Und das ist nur zu verständlich.“ Sie ertrug es ja auch kaum, die Tochter eines so unmenschlichen Mannes zu sein.

„Er sollte dich heiraten, Layla. Dann wäre er unantastbar und Hassan am Ende.“

Das war mal wieder typisch Yasmin! Layla blickte vor sich hin. Vielleicht wäre das allerdings wirklich die Lösung aller Probleme.

„Hör mal, Yasmin …“

„Er soll seine Frau so sehr geliebt haben, dass er sich bei ihrem Tod geschworen hat, niemals wieder zu lieben“, wisperte Yasmin. „Ist das nicht romantisch?“

„Eher tragisch. Schrecklich, was damals passiert ist.“ Ich kann ihn nicht heiraten, dachte sie.

„So möchte ich eines Tages auch mal geliebt werden“, sagte Yasmin verträumt, als hätte sie die Worte ihrer Schwester gar nicht registriert.

„Zum Träumen haben wir jetzt keine Zeit, Yasmin. Wir müssen verhindern, dass du nach Amerika geschickt wirst und ich Hassan heiraten muss.“

„Aber wie? Wenn Hassan Angst hat, ist er unberechenbar. Und er fürchtet niemanden so sehr wie Raz Al Zahki. Weißt du, was die Frauen im Souk sich über Raz zuraunen? Sein Herz sei zu Eis gefroren, und nur die richtige Frau könne es zum Schmelzen bringen.“

„Du sollst dich doch nicht auf dem Markt herumtreiben, Yasmin. Und hör auf mit diesem romantischen Quatsch! Ein Herz kann weder gefrieren, noch brechen. Es ist nur ein Muskel, der das Blut durch den Körper pumpt. Du solltest lieber überlegen, was wir jetzt tun sollen!“

„Okay, okay. Raz hat sicher einen Plan, wie er seine Position als rechtmäßiger Scheich erlangt. Hassan und der Rat fürchten sich vor seiner Rache. Die Wachen sind verstärkt worden. Späher sind in die Wüste gesandt worden. Obwohl jedes Kind weiß, dass Raz die Wüste wie seine Westentasche kennt. Alle haben Angst, dass er heute Nacht hier einfällt und ein Blutbad anrichtet. Solange er Hassan und seine üblen Vertrauten erwischt, soll es mir recht sein. Ich würde ihm sogar den Weg zeigen.“

„Yasmin!“ Entsetzt funkelte Layla ihre Schwester an.

„Alles ist besser, als von dir getrennt zu werden“, erklärte diese.

„Ich weiß. Und ich werde das zu verhindern wissen.“ Layla eilte ins Ankleidezimmer ihres toten Vaters und kehrte mit zwei Gewändern zurück. Eins drückte sie Yasmin in die Hand. „Zieh das über und bedecke auch dein Gesicht! Warte hinterm Vorhang auf mich, bis ich dich hole! Ich muss noch schnell was aus der Bibliothek besorgen.“

„Du willst ein Buch mitnehmen?“

„Ja. Bücher sind jederzeit wichtig und…“ Layla hoffte, ihre Schwester würde ihr erhitztes Gesicht nicht bemerken, und wechselte schnell das Thema. „Jedenfalls … Wir verschwinden von hier, Yasmin. Du liebst doch Pferde. Traust du dich, einfach auf und davon zu reiten?“

„Selbstverständlich!“

Die kleine Schrecksekunde vor Yasmins Antwort war Layla nicht entgangen. Aber es half nichts. „Gut. Ich kenne mich immerhin theoretisch mit dem Reiten aus. Zusammen schaffen wir das schon. Wir nehmen den Hinterausgang, laufen zu den Stallungen und reiten in die Wüste.“

„In die Wüste? Warum?“

„Um Raz Al Zahki zu finden.“

Der Wüstenwind trug die Botschaft vom Tod des Scheichs zu ihm.

Raz Al Zahki stand vor dem Zeltlager und blickte hinaus in die Dunkelheit. „Ist es nur ein Gerücht, oder ist es wahr?“

„Es ist wahr.“ Sein Bruder Salem stand neben ihm. „Die Nachricht stammt aus unterschiedlichen Quellen.“

„Dann reiten wir noch heute Nacht auf die Stadt zu.“ Das klang gelassen und sachlich. Raz hatte gelernt, seine Gefühle zu verbergen. Niemand hätte ihm angemerkt, wie angespannt er innerlich war.

Sein langjähriger Freund und Berater Abdul trat vor. „Noch etwas müssen Sie wissen, Hoheit: Wie Sie vorausgesagt haben, plant Hassan, die ältere Prinzessin zu heiraten, und zwar innerhalb der nächsten Stunden. Die Hochzeitsvorbereitungen sind schon in vollem Gange.“

„Dabei ist der Scheich noch nicht einmal unter der Erde. Sie scheint ihren Vater tief zu betrauern!“ Raz lachte zynisch.

„Hassan muss mindestens vierzig Jahre älter sein als die Prinzessin“, bemerkte Salem. „Man fragt sich, warum sie sich auf so eine Hochzeit einlässt.“

„Sie kann dadurch weiter das luxuriöse Leben im Palast führen, das ihr gar nicht zusteht“, antwortete Raz. „Sie ist die Tochter des brutalsten Tyrannen, der je über Tazkhan geherrscht hat. Dein Mitgefühl kannst du dir sparen.“

„Wenn Hassan sie tatsächlich heiratet, wird es noch schwieriger für Sie, die Thronfolge anzufechten, Hoheit.“ Abdul schaltete sich wieder ein.

„Ich weiß, deshalb werde ich die Heirat verhindern.“

„Sie wollen Ihren Plan wirklich umsetzen?“ Abduls Gesicht nahm einen sorgenvollen Ausdruck an.

„Mir bleibt nichts anderes übrig.“ Lauschend hob Raz den Kopf. Irgendwas stimmte da draußen nicht. Sofort waren die Leibwächter an seiner Seite.

Die Männer beschützten ihn nun schon seit fünfzehn Jahren. Seit dem Tag, als sein Vater brutal niedergemetzelt worden war. Diese Männer würden ihr Leben lassen, um ihn zu beschützen.

Auch Abdul stellte sich direkt vor Raz, um ihn abzuschirmen. Diese Geste rührte Raz, denn sein engster Berater war weder körperlich fit, noch besonders geschickt im Umgang mit Waffen.

Behutsam, aber energisch schob er Abdul zur Seite. Doch dieser protestierte.

„Schnell ins Zelt, Hoheit! Es könnte ein Angriff auf Ihr Leben sein. So etwas hatten wir ja erwartet.“

Aus dem Augenwinkel bemerkte Raz, dass Salem nach seiner Waffe griff, als zwei seiner Männer einen schlanken Jungen mit sich zogen, den sie an den Armen gepackt hielten. „Wenn sie mich töten wollten, hätten sie sicher keine halbe Portion geschickt“, gab Raz zu bedenken.

„Wir haben ihn in der Nähe der Grenze zu Zubrah aufgegriffen, als er durch die Wüste irrte. Er scheint allein zu sein und behauptet, eine Nachricht für Raz Al Zahki zu haben.“

Seine Männer waren gewieft genug, seine Identität für sich zu behalten. Raz bedeutete ihnen, den Jungen zu ihm zu bringen.

An den Händen gefesselt, stolperte die verhüllte Gestalt und fiel auf die Knie. Das Gewand ist ihm viel zu groß, stellte Raz fest.

„Wie lautet die Nachricht an Raz Al Zahki?“, fragte Salem.

„Die darf ich nur persönlich und unter vier Augen überbringen“, stieß der Junge leise hervor.

Einer der Männer, die ihn aufgegriffen hatten, schnaubte nur. „Jemanden wie dich lassen wir ganz sicher nicht in seine Nähe. Schon gar nicht allein. Sei froh, Bürschchen, denn er würde dich zum Frühstück verspeisen.“

„Soll er doch, aber zuerst muss er mich anhören. Bitte bringt mich zu ihm.“

Der Junge hielt den Kopf gesenkt. Wie schmal seine Schultern sind, dachte Raz misstrauisch. Er hatte da so einen Verdacht.

Ohne auf Salems Versuch zu achten, ihn zurückzuhalten, kam Raz näher. „Du hast also keine Angst?“

Der Wüstenwind bauschte das Gewand des Jungen auf. Verzweifelt zog er es wieder glatt.

„Doch, aber nicht vor Raz Al Zahki.“

„Das wird dir noch leidtun.“ Brutal zog einer der Männer seinen Gefangenen hoch. Der stöhnte vor Schmerz. „Wir behalten ihn hier und befragen ihn morgen früh.“

„Nein!“ Der Junge versuchte, sich zu befreien. „Morgen ist es zu spät. Ich muss sofort mit ihm sprechen. Bitte! Die Zukunft von Tazkhan hängt davon ab.“

Raz musterte den Jungen. „Bringt ihn in mein Zelt“, befahl er dann.

Das trug ihm ungläubige Blicke ein. „Aber erst, nachdem wir ihn gründlich durchsucht haben“, verlangte Salem unnachgiebig.

„Ihr bringt ihn in mein Zelt und lasst uns allein!“

Abdul zupfte ihn am Arm. „Das ist zu gefährlich, Hoheit. Wenigstens die Leibwächter sollten anwesend sein, wenn Sie mir den Einwand gestatten.“

„Ich werde mich ja wohl gegen diese halbe Portion allein zur Wehr setzen können“, widersprach Raz.

„Hassan ist aber zu allem entschlossen. Vielleicht trägt der Junge einen Selbstmordgürtel.“

Salem nickte. „Ich komme lieber mit.“

„Nein, mein Bruder. Deine Liebe und Treue bedeuten mir mehr als du denkst. Aber du musst mir vertrauen, Salem.“

„Wenn dir was passiert …“

Raz blieb hart. „Ich will mit dem Jungen reden. Sorge dafür, dass wir ungestört bleiben!“ Mit einer kurzen Handbewegung entließ er die Leibwächter, verschwand im Zelt und zog die Plane fest hinter sich zu, um wirklich unbeobachtet zu sein.

Der Junge kniete an der Rückwand, die Hände noch immer gefesselt.

Erneut musterte Raz ihn eingehend. Dann ging er zu ihm und schnitt die Fesseln durch. „Steh auf!“

Der Junge rappelte sich auf, ging jedoch gleich wieder zu Boden. „Meine Beine tragen mich nicht. Sie sind steif vom Reiten. Außerdem habe ich mir den Knöchel verstaucht, als ich vom Pferd gefallen bin.“

Wortlos betrachtete Raz das Bündel zu seinen Füßen. „Was willst du hier?“, erkundigte er sich dann kühl.

„Das bespreche ich nur mit Raz Al Zahki.“

„Dann sprich!“, befahl Raz leise.

Schockiert sah der Junge auf. „Sie sind es selbst?“

Ich stelle hier die Fragen. Zuerst möchte ich wissen, wie eine Frau dazu kommt, mitten in der Nacht um mein Zeltlager zu streifen. Was hat Sie bewogen, sich ohne Schutz in die Höhle des Löwen zu wagen, Prinzessin?“

Schlimmer als Laylas körperliche Schmerzen durch ihren Sturz vom Pferd, war ihre seelische Qual. Ihre Schwester irrte völlig auf sich gestellt durch die riesige Ödnis der glühenden Wüste – und das war allein Laylas Schuld! Sie hatte diesen verrückten Plan vorgeschlagen! Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie aus dem Bauch heraus gehandelt, statt alles sorgfältig vorher abzuwägen, und prompt ging es schief!

Er hat mich erkannt, dachte Layla bestürzt, als sie in Raz Al Zahkis harte, wie Onyx glänzende Augen blickte. „Sie … Sie wussten die ganze Zeit, wer ich bin?“, fragte sie schließlich stockend.

„Nein, ich habe Sie erst nach fünf Sekunden erkannt, Prinzessin. An Ihren unverwechselbaren Augen.“

Langsam ließ sie den Blick über seinen durchtrainierten Körper gleiten, dem man die Militärausbildung ansah. Layla hatte alles über Raz in Erfahrung gebracht, was sie finden konnte und sich jedes Detail gemerkt. Sie wusste, dass er sein Maschinenbaustudium mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, ein fabelhafter Reiter war und sich gut mit Araberpferden auskannte.

Was ihre Internetrecherche nicht hergegeben hatte, erfuhr Layla jetzt. Raz’ Augen waren dunkler als die Wüste bei Nacht. Seine Präsenz war unglaublich. Man sah sofort, dass man eine Führungspersönlichkeit vor sich hatte. Sein durchdringender Blick schien direkt in ihre Seele zu blicken und ließ Laylas Herz so donnernd pochen wie die Hufe vieler Hundert Pferde, die durch die Wüste galoppierten. Raz’ Charisma überwältigte sie schier.

Was hatte Yasmin über ihn gesagt? Angeblich wäre er vor seiner Liebesheirat mit vielen Frauen im Bett gewesen. Nach dem Tod seiner Frau wäre er dann innerlich erstarrt und seitdem zu keinerlei Gefühl mehr fähig.

„Woher kennen Sie mich?“, fragte sie, als sie die Sprache wiedergefunden hatte.

„Ich kenne alle meine Feinde.“

„Aber ich bin nicht Ihre Feindin.“ Allerdings konnte sie seine Haltung verstehen, denn ihre eigene Familie hatte der seinen über Generationen hinweg viel Leid zugefügt.

„Das bleibt abzuwarten, Prinzessin. Wo ist eigentlich Hassan? Ist er zu feige, selbst herzukommen und hat Sie geschickt?“

Layla erschauerte unwillkürlich. „Ich bin nicht in Hassans Auftrag hier. Meine Schwester Yasmin und ich sind geflohen. Leider bin ich vom Pferd gestürzt.“ Sie bemerkte, wie er die schön geschwungenen sinnlichen Lippen zusammenpresste. „Bitte helfen Sie mir, sie zu suchen. Yasmin irrt allein durch die Wüste und hat keine Ahnung, wie man so eine Situation überlebt.“ Vor Verzweiflung war sie den Tränen nahe, doch Raz zeigte nicht das geringste Mitgefühl.

„Wo ist Hassan?“

„Im Palast wahrscheinlich. Oder auf der Suche nach Yasmin und mir. Ich weiß es nicht.“

„Sie wissen nicht, wo der Mann steckt, den Sie in wenigen Stunden heiraten sollen?“

„Wenn Hassan meine Schwester zuerst findet …“ Sie stockte, als ihr Raz’ Worte bewusst wurden. „Sie wissen von der Heirat?“, fragte sie verdutzt.

„Ich weiß alles.“

„Offensichtlich ist Ihnen aber nicht bekannt, dass Hassan der letzte Mann ist, den ich heiraten würde.“ Seine überraschte Miene bestätigte Laylas Vermutung.

„Wie sind Sie ohne sein Einverständnis aus dem Palast gekommen, Prinzessin?“

„Wie ich bereits sagte, sind wir geflohen. Meine Schwester ist eine Pferdenärrin. Sie hat den schnellsten Hengst im Stall gesattelt und los ging’s. Leider war der Hengst zu wild für uns.“

Raz zog eine schwarze Augenbraue hoch. „Sie saßen beide auf dem Pferd?“

„Ja. Wir wollten nicht getrennt werden.“ Wohlweislich verschwieg sie diesem fantastischen Reiter, dass sie überhaupt nicht reiten konnte, sondern sich nur theoretisch mit Pferdezucht und Reitkunst beschäftigt hatte. „Irgendwas muss ihn erschreckt haben, denn plötzlich bäumte er sich auf, und ich fand mich am Boden wieder. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, waren Yasmin und der Hengst verschwunden. Wahrscheinlich hat er sie auch irgendwann abgeworfen.“ Verzweifelt versuchte Layla aufzustehen, doch auch dieser Versuch misslang. Jetzt liefen auch noch zwei riesige Hunde auf sie zu und blieben mit gefletschten Zähnen vor ihr stehen.

Raz gab einen kurzen Befehl. Die Bestien protestierten enttäuscht, streckten sich dann aber doch auf dem Boden aus und schauten ihren Herrn ergeben an.

„Salukis?“ Laylas Stimme bebte vor Angst.

„Kennen Sie die Rasse?“

„Natürlich“, krächzte sie. Ihre Kehle war völlig ausgetrocknet. „Sie gehört zu den ältesten Hunderassen der Welt. Mumifizierte Salukis wurden in den Pyramiden Ägyptens in Grabmalen der Pharaonen gefunden.“ Layla verschwieg, dass sie auch schon persönliche Erfahrungen mit Salukis gemacht hatte. Daran wollte sie sich jetzt lieber nicht erinnern.

„Sie sind also geflohen. Wohin wollten Sie denn?“

„Wir waren auf der Suche nach Ihnen.“ Sie verhielt sich ganz ruhig, um die Hunde nicht zu provozieren.

„In der Todesnacht Ihres Vaters? Ich sehe keine Tränen. Offenbar sind Sie genauso gefühlskalt wie er es war.“

Schockiert musterte sie ihn. Unter anderen Umständen hätte sie sich diese Unterstellung sofort verbeten, doch das musste warten. „Die letzten Worte meines Vaters auf dem Sterbebett waren, dass ich Hassan heiraten soll“, sagte sie stattdessen leise.

Seine Augen verdunkelten sich fast unmerklich. „Und warum haben Sie sich dann auf die Suche nach mir gemacht?“

Layla atmete tief durch. „Weil Sie der rechtmäßige Herrscher über Tazkhan sind. Wenn Hassan mich heiratet, wird Ihre Position geschwächt und seine gestärkt.“

Raz schaute sie forschend an. „Das erklärt aber noch nicht, warum Sie hier sind.“

Musste er es ihr denn so schwermachen? Hatte er denn nicht längst erkannt, dass es nur eine Lösung gab, den über Generationen hinweg schwelenden Konflikt zu beenden? Oder kam diese Lösung für ihn nicht infrage?

„Ich kann verstehen, dass Sie uns hassen“, sagte sie leise. „Wenn ich könnte, würde ich ungeschehen machen, was passiert ist. Leider steht das nicht in meiner Macht. Ich kann Sie nur bitten, die Vergangenheit ruhen zu lassen und nach vorn zu schauen.“

„Und wie soll die Zukunft Ihrer Meinung nach aussehen, Prinzessin?“

Noch nie hatte jemand sie nach ihrer Meinung gefragt. Bisher war sie nur eine Schachfigur im grausamen Machtspiel der Familie Al Habib gewesen. Doch dieser blaublütige, stolze, selbstbewusste Mann hier hörte ihr zu! Sie konnte verstehen, dass die Menschen ihm vertrauten und ihn beschützen wollten. Der Unterschied zwischen ihm und Hassan hätte größer nicht sein können.

„Sie wissen selbst, was zu tun ist. Sie müssen Ihren rechtmäßigen Platz einnehmen und verhindern, dass Hassan das vollendet, was mein Vater angezettelt hat. Es hat genug Blutvergießen gegeben.“ Layla atmete wieder tief durch, bevor sie mutig fortfuhr: „Sie müssen mich heiraten. Am besten sofort. Bevor Hassan mich findet.“

2. KAPITEL

Raz hatte selbst geplant, Hassans Hochzeit mit der Prinzessin unter allen Umständen zu verhindern. Damit, dass ihm die Lösung nun praktisch auf dem Silbertablett serviert wurde, hatte er allerdings nicht gerechnet.

Der Taktiker in ihm triumphierte, doch dem Mann in ihm schauderte es bei der Vorstellung, die Tochter seines verhassten Erzfeindes zu heiraten. Raz hatte gedacht, kein Preis wäre ihm zu hoch, seine Pflicht zu erfüllen. Nun sah es so aus, als hätte er sich geirrt.

Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen.

„Nein.“ Lange verschüttete Emotionen brachen sich plötzlich Bahn. „Ich war schon verheiratet. Das reicht“, stieß er heiser hervor, von Schmerz fast überwältigt. Einer der Hunde knurrte drohend.

Raz bemerkte Laylas verstörten Blick auf den Hund. Hatte sie etwa Angst vor den Salukis?

„Ich weiß, dass Sie verheiratet waren.“ Layla biss sich auf die Lippe. „Nichts liegt mir ferner, als den Platz Ihrer verstorbenen Frau einnehmen zu wollen. Unsere Ehe wird ausschließlich aus politischem Kalkül geschlossen und existiert natürlich nur auf dem Papier, zu Ihrem und zu meinem Nutzen.“

Entschlossen versuchte Raz, den tiefen Schmerz über den Verlust seiner geliebten Frau zurückzudrängen. „Politisch?“

„Hassans Position ist alles andere als gefestigt. Das Volk wird ihn nur als Nachfolger meines Vaters akzeptieren, wenn er mich heiratet. Hassan hat sich bisher nicht die Mühe gemacht, in Tazkhan um Anerkennung zu werben. Ihm geht es ausschließlich um die Macht. Das kann ja wohl kaum zum Wohl der Bevölkerung sein.“

Wie treffend sie die Situation analysiert, dachte Raz staunend. Widerstrebend musste er der Prinzessin Respekt für diese kluge Einschätzung zollen.

„Vielleicht hat er nicht damit gerechnet, dass Ihr Vater so plötzlich sterben könnte.“

„Das ist ja jetzt unerheblich. Hassan weiß, dass er nur anerkannt wird, wenn er mich heiratet. Er wird alles daransetzen, das zu erreichen. Sie sollten seine Machtgier nicht unterschätzen.“

Raz zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. Wäre er damals nicht so arrogant und selbstherrlich gewesen, hätte er den Gegner nicht unterschätzt, und seine über alles geliebte Frau wäre noch am Leben.

„Sie scheinen ja genau zu wissen, wie der Mann tickt.“

„Ich habe mich eingehend mit seiner Denkweise auseinandergesetzt und bin zu dem Schluss gekommen, dass Hassan ein Psychopath ist. Er zeigt weder Bedauern noch Schuldbewusstsein für seine Taten.“

Ernst sah sie Raz mit ihren wunderschönen mandelförmigen Augen an, als sie fortfuhr: „Die Gefühle oder Meinungen seiner Mitmenschen interessieren diesen Egomanen nicht. Er ist sehr gefährlich. Aber das wissen Sie ja selbst.“

„Ja.“ Überraschend war allerdings, dass auch die Prinzessin Bescheid wusste. Offensichtlich hatte er sie aufgrund ihres familiären Hintergrunds völlig falsch eingeschätzt. Langsam wurde ihm bewusst, wie gut ihr Plan war. Eine dauerhafte Lösung der Konflikte in Tazkhan rückte in greifbare Nähe, wenn er die Prinzessin auf der Stelle heiratete.

Allerdings bedeutete das auch, dass er seinen Schwur brechen musste, nie wieder zu heiraten.

Angespannt tigerte Raz im Zelt hin und her und überlegte verzweifelt, was er tun sollte. Der Verrat an seiner verstorbenen Frau war ihm unerträglich. „Ich kann das nicht“, stieß er schließlich leise hervor.

„Weil ich die Tochter Ihres Erzfeindes bin?“, fragte sie ebenso leise. „Um mal frei nach Aristoteles zu zitieren: ‚Eine gemeinsame Gefahr eint die erbittertsten Feinde.‘ Wir schweben in einer gemeinsamen Gefahr. Deshalb schlage ich vor, uns zusammenzutun. Das ist unsere einzige Chance. Sie wissen das so gut wie ich.“

Raz wirbelte so abrupt zu ihr herum, dass die Hunde alarmiert aufsprangen. „Hüten Sie sich davor, meine Gedanken erraten zu wollen, Prinzessin!“

Sie hatte den Kopf gesenkt, trotzdem sah Raz ihr die Angst vor den großen Tieren an, die sie keine Sekunde lang aus den Augen ließen.

„Verzeihung. Aber mir scheint es die einzig vernünftige Lösung zu sein. Ich hatte angenommen, dass Sie auch zu diesem Schluss gelangt sind.“

Ja, das war er allerdings. Nur seine Gefühle machten da nicht mit. Deshalb war er so frustriert. „Packen Sie jedes Problem mit Vernunft an?“

„Schön wär’s. Dann hätte ich mich wohl nicht aufs Pferd geschwungen und wäre wie eine Wilde durch die Wüste geritten. Aber normalerweise denke ich tatsächlich erst nach, bevor ich eine Entscheidung treffe.“

Raz staunte, wie ernst diese junge Frau war.

Am liebsten hätte er sie gefragt, ob sie in ihrem bisherigen Leben jemals, gelacht, getanzt oder einfach nur Spaß gehabt hatte. Seltsam, wieso interessierte ihn das überhaupt?

„Ich kann nicht auf Ihren Vorschlag eingehen, Prinzessin.“

„Obwohl Sie wissen, dass es die einzige Lösung für Tazkhan ist? Dann müssen Sie Ihre Frau wirklich sehr geliebt haben.“

Eiskalte Wut packte ihn. „Jetzt bewegen Sie sich auf sehr dünnem Eis, Prinzessin“, stieß er zornig hervor.

„Ich wollte Sie nicht verletzen, sondern lediglich versuchen zu verstehen, warum Sie die perfekte Lösung ablehnen.“ Mit bebenden Händen strich sie ihr Gewand glatt. „Sie haben sie geliebt und ihr ewige Treue geschworen. Ich verstehe, dass Sie nie wieder heiraten wollen.“

„Sie verstehen überhaupt nichts. Sie haben tausend unbeschreibliche Gefühle zu einem einzigen zusammengefasst“, fügte er vor Zorn bebend hinzu.

Verängstigt sah die Prinzessin sich nach dem Zeltausgang hinter ihr um. Offensichtlich wollte sie die Flucht ergreifen. Raz schämte sich für seinen Wutausbruch. Man konnte ihm ja viel vorwerfen, aber noch nie hatte er einer Frau Angst eingejagt. Gerade wollte er sich entschuldigen, als sie ihm zuvorkam.

„Es tut mir leid“, sagte sie so besänftigend, dass es wie Balsam auf seine geschundene Seele wirkte. „Sie haben natürlich recht: Ich kann Ihre Gefühle nicht nachvollziehen, weil ich noch nie einen Menschen auf diese Weise geliebt habe. Aber mir ist bewusst, dass Ihr Verlust der Grund für die Entscheidung ist, nie wieder zu heiraten. Ich möchte betonen, dass unsere Ehe nur auf dem Papier bestehen wird und nicht aus Liebe, sondern politischen Erwägungen geschlossen werden soll. Die Erinnerung an Ihre Liebe wird dadurch nicht geschmälert. Betrachten Sie es einfach als einen Vertrag, der es Ihnen ermöglicht, Ihre rechtmäßige Position als Herrscher über Tazkhan zu erlangen. Niemand wird Ihnen diese Position je streitig machen.“

Offenbar hatte er sie erneut unterschätzt. Sie konnte sich durchaus in ihn hineinversetzen. Doch so leicht ließ Raz sich nicht überreden.

„Unterstellen Sie mir etwa, ich hätte Angst vor einer Herausforderung?“ Lauernd wartete er auf ihre Antwort.

„Nein. Ich weiß, dass Sie Ihr Volk lieben und Tazkhan in eine friedliche und erfolgreiche Zukunft führen wollen.“ Plötzlich klang sie sehr erschöpft, sehr einsam – und sehr jung.

Raz überlegte, wie alt sie jetzt sein musste. Dreiundzwanzig? Oder noch jünger?

„Was erhoffen Sie sich von diesem Arrangement, Prinzessin? Was haben Sie von einer Ehe, in der Gefühle keine Rolle spielen?“ Gespannt schaute er in die wunderschönen, dicht bewimperten Mandelaugen, die ihn so verzauberten. Plötzlich wollte er sehen, was sich unter dem Gewand verbarg. Es ging das Gerücht von der überirdischen Schönheit der älteren Prinzessin. Ein Gerücht, das Raz bisher nicht sonderlich interessiert hatte.

Doch nun flackerte sein Interesse plötzlich auf, wie er verwirrt feststellte. „Würden Sie bitte meine Fragen beantworten?“, bat er schroffer als beabsichtigt.

„Wenn ich mit Ihnen verheiratet bin, kann Hassan mich nicht heiraten.“

„Ach? Ich bin also das geringere Übel?“ War das ihr einziger Beweggrund? Sie wirkte unschuldig, entstammte aber einer rücksichtslosen Familie. Vielleicht sagte die Prinzessin die Wahrheit, doch die Menschen, unter denen sie aufgewachsen war, waren notorische Lügner. „Erwarten Sie wirklich, dass ich Ihnen abnehme, dass Sie sich ganz allein aus der Zitadelle gestohlen, sich ein Pferd geschnappt haben und ziellos durch die Wüste geritten sind? Und das alles nur in der Hoffnung, auf mich zu stoßen, damit Sie mir einen Antrag machen können?“

„Hätte ich im Palast ausgeharrt, wäre ich hoffnungslos verloren gewesen. Durch meine Flucht hatte ich wenigstens eine Chance, einer finsteren Zukunft zu entgehen. Und ich hätte schon jemanden gefunden, der mir den Weg zu Ihnen gewiesen hätte, Hoheit.“

Sie redete ihn respektvoll mit ‚Hoheit‘ an. Das hätte er nicht erwartet, denn aufgrund ihrer Herkunft stand sie ja auf der gegnerischen Seite.

Misstrauisch zog Raz die Brauen zusammen. „Sie wechseln die Seiten ja im Eiltempo.“

„Mir liegt ausschließlich das Wohl von Tazkhan am Herzen, aber ich kann verstehen, dass Sie Probleme haben, mir zu vertrauen. Aber mein Handeln ist auch durch sehr persönliche Gründe bestimmt.“

„Welche Gründe?“

„Hassan will meine Schwester nach Amerika schicken, um sie aus dem Weg zu haben.“ Laylas Stimme bebte vor Sorge um Yasmin.

„Wieso das denn?“

„Weil wir gemeinsam stark sind. Er will uns auseinanderbringen und somit schwächen. Meine Schwester nimmt nämlich kein Blatt vor den Mund. Es wird jeden Tag schwieriger, sie im Zaum zu halten. Sie ist verträumt, temperamentvoll und bietet jedem die Stirn. Hassan kann damit nicht umgehen.“

„Und Sie bieten ihm nicht die Stirn?“

„Ich will ihn nicht unnötig herausfordern.“

„Wo ist Ihre Schwester jetzt?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Layla zutiefst besorgt. „Der Hengst ist mit ihr auf und davon galoppiert. Hoffentlich ist sie nicht gestürzt und hat sich verletzt! Ich habe große Angst, dass Hassan sie vor Ihnen findet.“

Raz zog eine Augenbraue hoch. „Das wird wohl unvermeidlich sein, da ich ja nicht nach ihr suche“, bemerkte er trocken.

„Können Sie nicht bitte nach ihr suchen? Würden Sie bitte auch meine Schwester beschützen, wenn ich Ihre Braut bin?“

Ach, von daher weht der Wind, dachte Raz. Sie liebt ihre Schwester so sehr, dass sie alles für sie riskieren würde.

„Sie wären also bereit, einen Wildfremden zu heiraten, um Ihre Schwester weiter bei sich zu haben und Tazkhan vor noch schlimmeren Zuständen zu bewahren? Das ist ja wohl der unromantischste Antrag, von dem ich je gehört habe.“

„Mag sein, aber hier geht es ja auch gar nicht um Romantik. Sie würden das ebenso wenig wollen wie ich.“

„Was haben Sie gegen Romantik?“

„Ich bin keine besonders romantische Frau, Hoheit.“

Dieses junge Mädchen mit den traurigen Augen machte sich nichts aus Romantik? Raz fragte sich, wie sich ihr Gesicht verändern würde, wenn sie lächelte. „Glauben Sie nicht an die Liebe zwischen Mann und Frau?“

„Doch. Aber ich bin dafür nicht geschaffen. Ich bin ein eher sachlicher Mensch und kenne keine romantischen Gefühle“, erklärte sie mit entwaffnender Offenheit. „Da Sie mit der Liebe abgeschlossen haben, dürfte das ja für Sie kein Hindernis sein.“

Sie hat tatsächlich keine Ahnung, dass die Liebe das stärkste, überwältigendste Gefühl ist, das die Menschheit kennt, dachte er. Ihre unglaubliche Kraft konnte Berge versetzen, aber auch großes Unheil anrichten.

Das wusste er aus Erfahrung leider nur zu gut, denn der Schmerz über seinen großen Verlust saß tief.

„Ihr Vorschlag, zum Wohle Tazkhans aus politischem Kalkül zu heiraten, ist schön und gut, Prinzessin. Die Rechtsgültigkeit der Heirat erfordert aber mehr, als die Ringe zu tauschen und einander ewige Treue zu schwören.“

„Ich weiß.“ Verlegen hatte sie den Kopf gesenkt. „Wir dürfen Hassan keinen Grund liefern, die Eheschließung anzufechten. Ich habe mich schon eingehend mit dem Ehegesetz unseres Landes beschäftigt.“

Damit hatte Raz nicht gerechnet. „Dann wissen Sie ja Bescheid.“

„Ja, ich weiß, dass die Ehe vollzogen werden muss.“ Nervös strich sie erneut ihr Gewand glatt. „Das dürfte für Sie kein Problem sein. Man muss nicht verliebt sein, um den sexuellen Akt zu vollziehen.“

Wie klinisch das klang. Raz wusste nicht, ob er lachen oder fassungslos den Kopf schütteln sollte. „Wo haben Sie das denn her?“, fragte er schließlich. „Für ein junges Mädchen ist Ihre Wortwahl sehr ungewöhnlich.“

„Ich bin eine Frau, kein Mädchen.“

Wohl kaum. Dazu wirkte sie zu unschuldig und schüchtern. Forschend schaute er sie an.

„Haben Sie sich das auch gut überlegt? Wollen Sie wirklich bis ans Ende Ihrer Tage mit einem Mann zusammenleben, der Sie nicht lieben kann?“

„Mir ist es wichtiger, für meine Entscheidung, Tazkhan zu retten, respektiert zu werden. Das tun Sie doch, oder?“ Sie sah auf und begegnete seinem Blick.

Raz schaute in ihr ernstes Gesicht. Sie verlangte nur Respekt von ihm. Konnte er ihr den zollen? Die Verantwortung lastete schwer auf ihm. Er wandte sich ab und eilte zum Zeltausgang. „Ich brauche frische Luft.“

Erschöpft fiel Layla in sich zusammen. Die Hitze im Zelt setzte ihr zu. Wie gern hätte sie das schwere Gewand abgelegt und hätte auch frische Luft geschnappt. Das Gespräch über Sex hatte ihr zugesetzt. Dabei war das doch die natürlichste Sache der Welt.

Es musste an ihm liegen, dass sie plötzlich so heftig reagierte. Offensichtlich hatte seine Körperlichkeit die gleiche Wirkung auf sie, wie auf andere Frauen, die ihn aus der Ferne sehnsüchtig anhimmelten.

Verstört, erschöpft und voller Sorge um Yasmin wollte Layla nur noch eins: das Gewand ablegen und sich ausstrecken.

Sehnsüchtig betrachtete sie das niedrige Bett am anderen Ende des Zelts. Ob das sein Bett war?

Vor ihrem geistigen Auge malte sich das Bild von Raz, der mit seiner bildhübschen Frau auf diesem Bett Liebe machte. Die Vorstellung schockierte sie. Nackte Männer kannte sie nur in Gestalt von Michelangelos Skulpturen.

Das Bedürfnis, ihren schmerzenden Körper auf weiche Kissen zu betten, wurde übermächtig. Aus Furcht vor den Hunden, die sie keine Sekunde lang aus den Augen ließen, blieb sie jedoch am Boden sitzen und versuchte nur, ihre Beine auszustrecken. Dabei presste sich die Tasche, die sie unter dem Gewand trug, schmerzhaft gegen eine Hüfte. Layla zog die beiden Bücher heraus. Vor der überstürzten Flucht hatte sie noch schnell ihr Lieblingsbuch aus der Bibliothek geholt. Sie kannte es fast auswendig. Bei dem anderen Werk handelte es sich um …

„Was ist das?“ Raz war ins Zelt zurückgekehrt.

Erschrocken ließ Layla die beiden Bücher fallen. „Das sind nur Bücher, die ich mitgebracht habe.“

Er hob ein Buch auf, bevor sie reagieren konnte.

Ausgerechnet dieses Buch!

Erstaunt sah Raz auf, nachdem er den Titel gelesen hatte „Sie haben das Kamasutra mitgebracht?“

„Ich wollte nicht ganz unvorbereitet die Ehe mit Ihnen eingehen“, gestand sie leise.

Das nun folgende Schweigen zog sich schier endlos hin. Layla wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Es war so erniedrigend, dass Raz so lange schwieg. Und sicher kein gutes Zeichen.

„Sie werden es nicht brauchen“, sagte er schließlich nur und reichte ihr das Buch.

Tränen stiegen in ihr auf. Er weigert sich, mich zu heiraten, dachte Layla – zutiefst enttäuscht.

„Ich verstehe.“ Mühsam versuchte sie, sich aufzurappeln. „Dann werde ich jetzt selbst nach meiner Schwester suchen, bevor Hassan sie findet.“ Kaum stand sie auf den Beinen, verlor sie auch schon wieder das Gleichgewicht, weil die Beine ihr vor Erschöpfung den Dienst versagten.

Geistesgegenwärtig fing Raz sie auf. Instinktiv umklammerte sie seine muskulösen Schultern, um Halt zu suchen. Layla spürte sofort, dass dieser Mann ihr in jeder Hinsicht gefährlich werden konnte.

Ihre Blicke verschmolzen. Fasziniert betrachtete sie dieses markante Männergesicht mit den hart glitzernden schwarzen Augen und den sinnlich geschwungenen Lippen, die ihren so nah waren. Tief in ihrem Innern spürte Layla ein ihr unbekanntes Ziehen. Ihr wurde noch heißer.

Schließlich presste Raz die Lippen zusammen, trug Layla quer durchs Zelt, ließ sie behutsam auf das breite Bett gleiten und fragte rau: „Wo tut es weh? Wo genau haben Sie sich verletzt?“

Diese ernüchternden Fragen brachten Layla abrupt zurück auf den Boden der Tatsachen. Das ist auch besser so, dachte sie.

„Eigentlich tut mir alles weh, besonders die Beine, der Rücken und die Arme. Vermutlich eine Mischung aus Muskelkater vom ungewohnten Reiten und Prellungen infolge des Sturzes. Die Symptome deuten nicht auf irgendwelche Brüche hin.“

Raz amüsierte sich über diese klinische Beschreibung. „Offensichtlich haben Sie sich nicht nur mit Aristoteles und dem Kamasutra beschäftigt, sondern auch mit Medizin. Ihre Lektüre ist wirklich allumfassend, Prinzessin.“

Ins Kamasutra hatte sie noch keinen Blick geworfen, doch das behielt sie lieber für sich. „Ja, ich lese sehr viel.“

„Sie lesen, Ihre Schwester redet.“ Wieder sah er sie minutenlang forschend an. „Legen Sie das Gewand ab!“, forderte er dann.

„Wa … warum?“ Verschreckt sah sie zu dem hochgewachsenen, imposanten Mann auf.

„Weil ich mir ein Bild von Ihren Verletzungen machen will.“

„Ach, das sind nur Prellungen und Muskelkater“, wehrte sie ab. „Aber danke, dass Sie so besorgt um mich sind.“ Eben noch hatte sie es kaum abwarten können, das schwere Gewand abzulegen, nun suchte sie Schutz darunter.

Ungehalten setzte Raz sich zu ihr. „Sie wollen mich heiraten, bringen es aber nicht einmal über sich, in meiner Gegenwart das Gewand abzulegen? Sollen wir nach unserer Hochzeit das Bett vollständig bekleidet teilen, oder wie stellen Sie sich das vor, Prinzessin?“

„Das kann man nicht vergleichen.“

„Was kann man nicht vergleichen?“

Er stellt mich auf die Probe, dachte sie. Ich muss ihm beweisen, dass es mir ernst mit der Heirat ist, sonst sehe ich Yasmin nie wieder, machte sie sich verzweifelt klar.

„Keine Sorge, ich nehme meine ehelichen Verpflichtungen sehr ernst.“

„Als da wären?“ Er musterte sie herausfordernd.

„Intimität. Ich weiß genau, was als Ehefrau von mir erwartet wird“, behauptete sie.

„Sind Sie sicher?“ Wieder hielt er ihren Blick fest. „Haben Sie das Kamasutra ganz durchgelesen, Prinzessin?“

Würde er sie heiraten, wenn sie behauptete, das Buch vom Anfang bis zum Ende gelesen zu haben?

Layla war drauf und dran, ihn zu belügen. Doch lügen fiel ihr ebenso schwer wie reiten. „Nein.“ Hoffentlich wurde es ihr nicht zum Verhängnis, ehrlich zu sein! „Eigentlich nur den Titel.“ Sie sah auf. „Aber ich lese sehr schnell. Und Sie haben ja Erfahrung.“ Bei diesen Worten wurde ihr wieder heiß.

Raz hielt ihren Blick fest. „Wenn wir verheiratet sind, will ich Sie nackt in meinem Bett sehen, Prinzessin“, sagte er leise.

Ein heftiges Ziehen in ihrem Schoß überraschte sie. Ihr wurde schwindlig. Das sind nur die Nerven, redete sie sich ein und riss sich zusammen. „Dann stimmen Sie meinem Vorschlag zu?“

Unvermutet zog Raz an dem Gewand, sodass wenigstens Laylas Haar nicht mehr bedeckt war. Dabei berührte er ganz zart ihre Wangen. Sofort begannen Schmetterlinge in Laylas Bauch zu flattern. Wie ernst Raz sie anschaute. Verglich er sie mit seiner verstorbenen Frau? Oder überlegte er, ob er es ertragen könnte, jeden Tag in dieses Gesicht zu blicken, ohne dabei an das Leid zu denken, das ihr Vater und Hassan ihm angetan hatten?

Behutsam streichelte er ihre Wangen und schaute Layla tief in die Augen.

Nervös überlegte sie, was in dieser Situation von ihr erwartet wurde. Sollte sie etwas tun? Etwas sagen?

„Sie sind sehr mutig“, sagte er schließlich leise.

War das alles, was ihm zu ihr einfiel? Layla war enttäuscht. „Wenn ich so mutig wäre, hätte ich nicht aus dem Palast flüchten müssen.“

„Sie sind zu mir gekommen und haben sich in meine Hand begeben, obwohl Sie sich insgeheim fürchten. Das nenne ich mutig, Prinzessin.“

„Ich fürchte mich nicht.“

„Bisher haben Sie immer die Wahrheit gesagt. Ich rate Ihnen, dabei zu bleiben.“

„Also gut, vielleicht habe ich tatsächlich ein wenig Angst“, gestand sie. „Aber ich glaube nicht, dass Sie mir wehtun würden.“

„Hätten Sie das Buch gelesen, wüssten Sie, dass es nicht ohne Schmerz geht.“

Erschrocken musterte sie ihn. Jetzt geriet sie doch in Panik, ließ sich aber nichts anmerken. „Das halte ich schon aus“, wisperte sie.

„Sie sind ja wirklich wild entschlossen, das durchzuziehen. Bedenken Sie aber, dass wir ein Leben lang aneinander gebunden sein werden. Überlegen Sie sich das noch mal gründlich, Prinzessin!“

„Es gibt nichts zu überlegen. Die Alternative wäre, an Hassan gebunden zu sein. Das könnte ich aus einer Vielzahl von Gründen nicht ertragen.“

„Ich bewundere Ihre Ehrlichkeit und Willensstärke und zolle Ihnen meinen Respekt. Wenn Ihnen das genügt, bin ich einverstanden, die Ehe mit Ihnen einzugehen.“ Raz erhob sich und blickte auf sie hinab. „Ich werde jetzt Salem auf die Suche nach Ihrer Schwester schicken. Er soll sie herbringen. Und wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Innerhalb der nächsten Stunde werden wir heiraten. Eine meiner Bediensteten wird Ihnen bei der Vorbereitung behilflich sein.“ Er wandte sich zum Gehen, zögerte aber noch einen Moment. „Ach, Prinzessin?“ Raz sah sie aus dunklen Augen an. „Das Buch brauchen Sie nicht. Ich werde Ihnen alles beibringen, was Sie wissen müssen.“

3. KAPITEL

„Ich soll nach einer Prinzessin suchen, die zu viel redet? Was ist das denn für eine Personenbeschreibung?“ Salem saß bereits im Sattel und musterte seinen Bruder erstaunt. „Ich kenne nur Frauen, die zu viel reden. Du sagst, sie hat den schnellsten Hengst aus den Stallungen genommen?“

Raz nickte.

„Dann weiß ich, welches Pferd das ist. Der Rappe ist tatsächlich pfeilschnell und ausdauernd. Sie kann inzwischen über alle Berge sein. Oder sie liegt mit gebrochenem Genick irgendwo in der Wüste.“

„Du mit deiner Spürnase wirst sie schon finden, Salem. Aber sei auf der Hut. Hassan hält auch nach ihr Ausschau. Und nach dir.“

„Nach dir leider auch. Deshalb weiche ich auch nur ungern von deiner Seite, Raz. Stimmt es, dass du noch heute Abend die Prinzessin heiraten wirst?“

„Ja. Es gibt keine andere Möglichkeit.“

„Für Tazkhan ist es natürlich die beste Lösung. Aber bist du sicher, dass du auch persönlich mit dieser Entscheidung leben kannst, Raz?“ Besorgt musterte Salem seinen Bruder.

Der überhörte die Frage geflissentlich. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, Salem. Mach dich jetzt bitte auf die Suche nach der jüngeren Schwester.“ Ostentativ wandte Raz sich ab, bevor Salem weitere indiskrete Fragen stellen konnte.

„Pass auf dich auf, Bruderherz!“, rief der leise und galoppierte davon.

„Ich soll Ihnen diese Sachen bringen“, sagte eine Bedienstete und legte ein Kleid aufs Bett. Alles an ihr drückte Feindseligkeit aus und es war klar, dass sie diesen Auftrag nur ungern ausführte.

„Danke.“ Layla fühlte sich besser, nachdem sie sich den Wüstensand vom Körper gewaschen hatte. Jetzt betrachtete sie das exklusive Seidenkleid und den dazu passenden silbernen Gürtel. „Mit einem Kleid hatte ich gar nicht gerechnet.“ Überrascht sah sie auf. Schon gar nicht mit einem romantischen Brautkleid. Wo hatte Raz das so schnell aufgetrieben? Wieso gab er sich so viel Mühe? Die Hochzeit war doch nur eine Formsache und hatte mit Romantik überhaupt nichts zu tun.

„Sie können Seine königliche Hoheit ja wohl kaum in Ihrem staubigen Gewand heiraten. An Ihrem Hochzeitstag müssen Sie sich von Ihrer besten Seite zeigen“, sagte das Mädchen ungehalten. Auch Eifersucht schwang in ihrem Tonfall mit.

In diesem Moment vermisste Layla ihre Schwester mehr denn je. Sie fühlte sich unendlich einsam. Und nun hatte sie es auch noch mit einer eifersüchtigen Bediensteten zu tun. Sie wollte sich keine Feindin machen und erklärte: „Der Scheich und ich haben uns vorhin erst kennengelernt.“

„Trotzdem hat er Sie auserwählt, sein Bett und sein Herz zu erwärmen.“ Das Mädchen bückte sich nach der Waschschüssel, die sie Layla gebracht hatte. „Sie tragen eine große Verantwortung.“

Danke, jetzt fühle ich mich sofort besser, dachte Layla ironisch. Die Worte des Mädchens machten ihr zum ersten Mal richtig bewusst, worauf sie sich mit ihrem Heiratsantrag eingelassen hatte: Fortan teilte sie das Bett mit einem Mann, den sie kaum kannte! Doch nichts konnte schlimmer sein, als zur Ehe mit Hassan gezwungen zu sein.

Sie war ganz in Gedanken versunken und hörte kaum auf das Geplapper des Mädchens, das in den höchsten Tönen von Raz schwärmte, während sie Laylas Haar zu Zöpfen flocht.

„Seine königliche Hoheit hat mir anvertraut, Sie wären vom Pferd gefallen. Schade, dass Sie nicht reiten können. Ihr Zukünftiger ist nämlich ein ausgezeichneter Reiter.“

Das klang richtig schadenfroh und versetzte Laylas erschüttertem Selbstbewusstsein einen weiteren Dämpfer. Langsam begann sie sich zu fragen, ob sie nicht gerade den größten Fehler ihres Lebens machte. Geräusche vor dem Zelt rissen sie aus ihren Gedanken. „Wer ist da?“, fragte sie das Mädchen erschrocken. Doch wohl hoffentlich nicht Hassan!

„Das sind die Hochzeitsgäste. Für eine Beduinenhochzeit legen alle ihre Festtagskleidung an und feiern mit. Die Nachricht, dass Seine königliche Hoheit Raz Al Zahki Ihre königliche Hoheit Prinzessin Layla von Tazkhan heiraten wird, hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet.“ Das schien ihr gar nicht zu gefallen. „Trotz des kurzfristigen Termins sollen so viele Menschen wie möglich an der Zeremonie teilnehmen. Es ist sehr wichtig, dass sie vor Zeugen stattfindet.“

Offensichtlich wollte Raz erreichen, dass Hassan davon erfuhr und die Konfrontation fürchten würde. „Selbst wenn ich mit Raz Al Zahki verheiratet bin, wird Hassan nicht kampflos das Feld räumen.“

„Seine königliche Hoheit wird schon wissen, was zu tun ist.“

Layla staunte. Die Menschen hier schienen Raz blind zu vertrauen. Sie selbst dagegen war immer von negativ denkenden und missgünstigen Menschen umgeben gewesen. Ihre Schwester natürlich ausgenommen.

Sowie Layla fertig angekleidet war, wurde sie nach draußen geführt, wo sich bereits eine große Menschenmenge versammelt hatte.

Die Trauungszeremonie ging so schnell vonstatten, dass Layla sie gar nicht richtig mitbekam. Natürlich war Eile geboten, denn Hassan konnte ja jeden Moment auftauchen.

Ihr kam es vor, als richteten sich tausend Augenpaare auf sie, teils mit neugierigem, teils mit feindseligem Blick.

Raz, hochgewachsen und durchtrainiert, stand an ihrer Seite und tat seine Pflicht – zum Wohle des Volkes. Wie es in ihm ausschaute, blieb sein Geheimnis.

Weder Braut noch Bräutigam zeigten die geringste emotionale Regung. Sie sprachen die Worte nach, die ihnen vorgegeben wurden. Als die Trauformel gesprochen war, atmete Layla erleichtert auf. Nun konnte Hassan sie nicht mehr heiraten!

Als Raz sich ihr nun zuwandte, wurde ihr bewusst, dass sie sich im feindlichen Lager befand und mit einem Mann verheiratet war, der eigentlich nur Verachtung für sie empfinden konnte.

Die Gäste kümmerte es nicht, dass diese Ehe aus politischen Erwägungen geschlossen wurde und keine Liebesheirat war. Sie tanzten ausgelassen und feierten so lange, bis Layla sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten konnte.

Raz merkte das natürlich sofort. Ihm schien überhaupt nichts verborgen zu bleiben. „Komm!“

Es war nur ein Wort, doch es wurde mit so viel Autorität ausgesprochen, dass Layla gar nicht auf den Gedanken kam, zu widersprechen. Vielleicht war sie auch einfach zu zerstreut! Wenn sie bloß genauer gewusst hätte, was nun von ihr erwartet wurde …

Auf halber Strecke zum Zelt wurden sie vom Lärm galoppierender Pferde und lauten Rufen aufgeschreckt. Schützend zog Raz seine Ehefrau sofort enger an seine Seite.

Zwei Männer, denen Layla schon bei ihrer Ankunft im Zeltlager begegnet war, zügelten ihre Pferde direkt vor Raz und ihr. Ein drittes Pferd in ihrer Begleitung entpuppte sich als der berühmte Hengst des Scheichs.

Im nächsten Moment wurde die entsetzte Layla in den Sattel gehoben, bevor Raz sich zu ihr auf den mächtigen Hengst schwang und schützend einen Arm um ihre Taille legte.

„Es tut mir sehr leid, dass du nach deinem Sturz jetzt schon wieder reiten musst, aber es lässt sich nicht ändern“, raunte er ihr zu. „Hassan hat entdeckt, dass du fort bist und sucht dich. Du bist hier nicht mehr sicher.“

„Aber wir sind doch jetzt verheiratet …“

„Trotzdem müssen wir verschwinden. Du gehörst jetzt zu mir, und ich verspreche, dich von nun an zu beschützen“, fügte er wild entschlossen hinzu.

Denkt er an seine Frau? Gibt er sich die Schuld an ihrem tödlichen Unfall? Und nun trägt er auch noch die Bürde der Verantwortung für mich, dachte Layla beschämt.

„Gibt es kein anderes Transportmittel?“, fragte sie vorsichtig an. „Da ich nicht reiten kann, kommen wir wahrscheinlich nur langsam voran.“

„Das Reiten übernehme ich. Du bist nur die Passagierin.“

„Ich falle bestimmt wieder runter.“

„Keine Angst, ich halte dich ganz fest“, versprach er.

„Hast du keinen Hubschrauber? Oder wenigstens einen Jeep?“

„Die sind beide unterwegs – als Ablenkungsmanöver. Auf die Idee, dass wir ein Pferd nehmen, kommt Hassan bestimmt nicht.“

„Aber in diesem Kleid kann ich doch nicht reiten.“ Layla unternahm einen letzten Versuch, Raz umzustimmen.

Im nächsten Moment wurde ihr ein Umhang umgelegt. „Zum Umziehen bleibt keine Zeit. Dir wird nichts passieren. Vertrau mir!“

Bevor sie erneut protestieren konnte, ging der wilde Ritt auch schon los. Verängstigt kniff Layla die Augen zu.

„Wir folgen einfach den Sternen und dem Flusslauf, keine Angst. Jetzt entspann dich und pass dich dem Rhythmus des Pferdes an! Und zieh das Tuch über den Mund!“

Ergeben gehorchte Layla. Was blieb ihr denn übrig?

Schon nach wenigen Minuten legte sich ihre Angst, denn Raz war ein ausgezeichneter Reiter, der den pfeilschnellen Hengst mit einer Hand führte, während er den anderen Arm fest um ihre Taille gelegt hatte. Layla spürte seine Schenkel an ihren, und genoss den Ritt jetzt sogar. Er war das Aufregendste, was sie je erlebt hatte. Sie fühlte sich frei und ungezwungen und lächelte glücklich vor sich hin.

Das Lächeln verging ihr erst, als ihr bewusst wurde, dass Yasmin irgendwo hier draußen umherirrte und Hassan sie möglicherweise zuerst finden würde.

Immer weiter ritten sie durch die Wüste. Immer wieder nickte Layla ein, wachte jedoch sofort wieder auf, weil ihr Kopf wegsackte. Bis Raz seine Position so veränderte, dass sie den Kopf an seiner Schulter betten konnte.

„Schlaf schön, Prinzessin“, raunte er ihr ins Ohr.

So geborgen hatte sie sich noch nie gefühlt. Das war ihr letzter Gedanke, bevor sie fest einschlief.

4. KAPITEL

Wie ein zutrauliches Kind hatte sie sich an ihn geschmiegt und war sofort eingeschlafen.

Ihre Nähe wühlte Raz auf. Er hatte sich die Prinzessin ganz anders vorgestellt: verwöhnt, rechthaberisch, arrogant. Keine dieser Eigenschaften traf auf sie zu. Als sie ihm vorhin im Zelt den Antrag gemacht hatte, war sein erster Gedanke gewesen, es mit einer Opportunistin zu tun zu haben, die rechtzeitig vor seiner Machtübernahme auf seine Seite wechseln wollte.

Auch diese Annahme hatte er inzwischen verworfen. Er wusste einfach nicht, wie er Layla einschätzen sollte!

Im ersten Morgengrauen konnte er am Horizont die Umrisse des Zeltlagers an der Oase ausmachen, die für ihn der schönste Ort auf dem Planeten war.

Bei dem vertrauten Anblick zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Vielleicht hätte ich sie nicht herbringen sollen, dachte Raz. Aber er hatte doch keine andere Wahl gehabt.

Als die ersten Sonnenstrahlen auf den Dünen glitzerten, zügelte Raz den Hengst, der vor einem Zelteingang zum Stehen kam.

„Prinzessin?“, flüsterte Raz. Layla rührte sich. Mit einer Hand hielt sie seinen Ärmel umklammert. Wie schlank ihre Hände sind, dachte Raz bewundernd. Bisher hatte er ja nur ihr Gesicht gesehen.

„Layla!“ Zum ersten Mal redete er sie mit ihrem Namen an.

Schläfrig schlug sie die Augen auf und versuchte, sich zu orientieren. „Ich muss eingeschlafen sein“, stellte sie erstaunt fest.

„Du hast mehrere Stunden lang fest geschlafen.“ Raz ließ sie los, saß ab und hob sie dann herunter.

Ihre Füße hatten kaum den Boden berührt, da verzog Layla schon das Gesicht vor Schmerzen und suchte Halt am Pferd.

Der Hengst schnaubte irritiert und warf den Kopf zurück. Sofort klopfte Raz dem Tier beruhigend auf den Hals und sagte leise zu Layla: „Deine Muskeln werden sich bald ans Reiten gewöhnt haben.“

„Halb so wild.“

„Insgeheim hoffst du, nie wieder auf einem Pferd sitzen zu müssen. Das sehe ich dir an der Nasenspitze an. Pferde nehmen aber viel Raum in meinem Leben ein. Ich bin stolzer Besitzer mehrerer Gestüte in den USA, in England und hier in Tazkhan.“

„Ich weiß, dass du Pferde züchtest, die für ihre Ausdauer und Schnelligkeit bekannt sind. Pferdebesitzer aus der ganzen Welt lassen ihre Stuten von deinen Hengsten decken. Mit deinem Lieblingspferd Raja hast du selbst schon an Wettbewerben teilgenommen.“

Raz überspielte seine Überraschung. „Du kennst dich aber gut mit meinen Pferden aus.“

„Ganz sicher nicht, aber ich möchte alles über sie wissen.“

„Wirklich?“ So recht nahm er ihr das nicht ab.

„Klar. Allerdings bin ich offenbar keine besonders talentierte Reiterin, und ich bin mir nicht sicher, ob die Tiere mich mögen.“ Zögernd klopfte sie dem Hengst auf den Hals. „Ist das Raja? Ich bin ihm ausgesprochen dankbar, weil er mich nicht abgeworfen hat.“

„Er stammt aus meiner Zucht.“

„Ein wunderschönes, edles Tier. Und riesig.“

Offensichtlich konnte sie sich jetzt wieder auf den Beinen halten, denn sie wich einige Schritte zurück und blickte um sich.

„Wo sind wir hier eigentlich? Nehmen uns die Bewohner des Zeltlagers auf? Sind wir hier willkommen?“, fragte sie besorgt.

Er war überall in der Wüste willkommen. Doch das behielt er für sich.

„Beduinen sind bekannt für ihre Gastfreundschaft, derer sich Besucher drei Tage und Nächte erfreuen können. Danach sollten sie sich so gut erholt haben, dass sie weiterreisen können.“

„Halten wir es auch so?“

Raz, der es gewohnt war, seine Pläne für sich zu behalten, gab keine Antwort, sondern sagte nur ausweichend: „Diese Oase ist berühmt für ihre Schönheit. Du bist hier sicher und kannst dich entspannen.“

„Und was ist mit meiner Schwester?“

„Sowie ich von Salem höre, sage ich dir Bescheid. So, und jetzt habe ich einige Dinge zu erledigen.“

Layla wagte nicht nachzufragen. Fasziniert betrachtete sie die in der aufgehenden Sonne rotgold schimmernden Dünen, als sähe sie die Wüste zum ersten Mal.

Statt sich an die Arbeit zu machen, musterte Raz verstohlen das Profil der Prinzessin. Sie musste völlig erschöpft sein und Schmerzen haben, aber sie ließ sich nichts anmerken.

Was ihr wohl gerade durch den Kopf ging? Vielleicht will ich das gar nicht so genau wissen, dachte Raz. Impulsiv streckte er die Hand nach ihr aus, zog sie dann aber doch wieder zurück. „Das Wasser in der Oase wirkt Wunder gegen Muskelkater“, sagte er nur leise.

„Das ist gut zu wissen. Danke.“

In diesem Moment verließ eine junge Frau eins der Zelte, und Raz wurde nervös. Im Idealfall hätte er sich besser auf diese Begegnung vorbereitet, doch den gab es ja nicht. Also musste er improvisieren.

„Das ist Nadia. Wende dich an sie, wenn du etwas brauchst.“

Nadia konnte ihre Bestürzung kaum verbergen. „Es stimmt also? Du hast sie tatsächlich geheiratet?“, fragte sie irritiert mit Blick auf Layla.

„Ja, und du wirst dafür sorgen, dass sie sich hier wohlfühlt!“, forderte Raz unmissverständlich.

Einen Moment befürchtete er, Nadia könnte sich weigern. Empfand sie etwa mehr für ihn, als er gedacht hatte?

Die junge Frau hatte sich schnell wieder im Griff und nickte kurz. „Selbstverständlich. Hier entlang, Königliche Hoheit“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Raz beschloss, einstweilen darüber hinwegzusehen. Nadia musste den Schock seiner plötzlichen Heirat erst einmal verarbeiten.

Layla sah ihn verunsichert an.

„Nimm ein Bad, iss etwas und ruh dich aus“, empfahl er leise. „Bis nachher.“

Nachher? Ein Schauer rann ihr über den Rücken. Layla versuchte nicht darüber nachzudenken. Es gab kein Zurück. Sie würde es ertragen müssen.

„Sie sollen schwimmen, damit sich die Muskeln entspannen, sagt Seine Königliche Hoheit.“ Nadia bedachte sie mit einem unfreundlichen Blick.

Daran muss ich mich wohl gewöhnen, dachte Layla und fragte sich, ob Nadia wohl etwas mit Raz gehabt hatte.

In der Sonne wurde es mit dem Umhang zu heiß. Geschwind legte Layla ihn ab und bemerkte, dass Nadia kreidebleich geworden war.

„Woher haben Sie das Kleid?“, keuchte sie.

Layla blickte an sich hinab und bemerkte bestürzt, dass das Kleid unter dem langen Ritt durch die Wüste gelitten hatte. „Man hat es mir gegeben. Warum fragen Sie?“

„Ach, nur so.“ Sie wandte sich ab. „Ich lege Ihnen Handtücher auf die Felsen am Ufer und frische Kleidung ins Zelt.“

„Ist das Wasser sehr tief? Ich kann nämlich nicht schwimmen“, gestand Layla.

Die junge Frau führte sie einen schmalen Pfad entlang. „Dann gehen Sie am gegenüberliegenden Ufer bei den Felsen ins Wasser. Dort ist es seicht.“

„Danke.“ Fasziniert ließ sie die Idylle auf sich wirken. Dattelpalmen säumten das Ufer des stillen Sees, der nach dem langen staubigen Ritt zum erfrischenden Bad einlud. Dieser Bereich konnte von den Zelten aus nicht eingesehen werden, denn er war gut von Dattelpalmen und Zitronenbäumen abgeschirmt. Nur ein Zelt befand sich in unmittelbarer Nähe des Sees. „Das ist das Zelt Seiner Königlichen Hoheit“, erklärte Nadia. „Ich bringe Ihnen Kleidung und Essen ins Zelt. Ich besorge jetzt erst mal Handtücher. Rufen Sie mich einfach, wenn Sie etwas brauchen. Tagsüber ist der See aber ganz sicher.“

Und was passiert nachts? hätte Layla am liebsten gefragt, überlegte es sich aber anders. Stattdessen hätte sie gern gewusst, wer sein Zelt an den Scheich abgetreten hatte. Ein Zelt mit eigenem Privatsee.

Allerdings nicht so privat, wie sie gehofft hatte, denn hier konnte jederzeit jemand entlang spazieren. Daher beschloss Layla, das Kleid lieber anzubehalten. Es war ja sowieso schon ruiniert, da würde ein Bad im See auch nicht weiter ins Gewicht fallen. Nur den Gürtel legte sie ab, bevor sie zu den von Nadia beschriebenen Felsen schlenderte und sich ins Wasser gleiten ließ.

Sie streckte die Beine aus, um mit den Füßen nach dem Grund zu fühlen, fand ihn jedoch nicht.

Zu spät wurde ihr bewusst, wie tief das Wasser hier sein musste und klammerte sich mit den Fingern an den glitschigen Felsen, um sich wieder hochzuziehen. Diese gemeine Nadia hat mich absichtlich zur tiefsten Stelle gelotst! schoss es ihr durch den Kopf. Im nächsten Moment verlor Layla den Halt und rutschte unter die Wasseroberfläche. Das Gewicht des Kleides zog sie immer weiter nach unten.

Verzweifelt versuchte sie, nach dem Felsen zu greifen, rutschte jedoch sofort wieder ab und schluckte Wasser. In Panik schlug und trat Layla wild um sich. Dadurch verhedderte sich das Kleid um ihre Füße. Nun war alles aus. Das war also das Ende.

Doch dann kam Rettung in letzter Minute. Kraftvoll wurde Layla wieder nach oben gezogen. Hustend und keuchend tauchte sie aus dem Wasser auf.

„Wolltest du dich ertränken?“ Raz hob sie hoch und setzte sie auf den Felsen, bevor er sich elegant hochstemmte und sich neben sie setzte. Wassertropfen perlten von seinem sportgestählten Oberkörper. „Was hast du dir nur dabei gedacht, in dem Kleid schwimmen zu gehen?“

Layla konnte nicht antworten, weil sie noch immer husten musste.

Raz fluchte unterdrückt und strich ihr behutsam das nasse Haar aus dem Gesicht. „Geht es wieder? Das wäre beinahe ins Auge gegangen. Du hast Glück gehabt, dass ich gerade nach dir sehen wollte.“

„Ich bin untergegangen“, keuchte sie.

„Kein Wunder, wenn du in dem schweren Kleid ins Wasser gehst.“ Über so eine Gedankenlosigkeit konnte er nur den Kopf schütteln.

„Ich wollte gar nicht schwimmen, sondern nur einmal untertauchen. Ich bin Nichtschwimmerin.“

„Wieso hast den denn nicht wenigstens das Kleid ausgezogen?“

„Weil hier praktisch jeder vorbeigehen kann. Es wäre mir unangenehm gewesen, beobachtet zu werden. Ich wollte mich nur etwas erfrischen.“

„Und dazu hast du dir die tiefste Stelle ausgesucht?“

„Ich dachte, es wäre das seichte Ende.“ Verwirrt sah Layla auf und bemerkte Raz’ bedrohlich finsteren Blick.

„Wie kommst du darauf? Wer hat dir das gesagt?“

Layla lag es fern, jemanden zu verpetzen. „Ich bin selbst schuld. Ich hätte zuerst prüfen sollen, ob es wirklich seicht ist.“

Wortlos löste er den Rückenverschluss des Kleides. „Zieh es aus! Und dann gehst du am anderen Endes des Sees ins Wasser. Dort ist es flach und du kannst dich ungestört erfrischen.“ Er wandte sich zum Gehen.

„Wohin gehst du?“

„Ich muss noch ein Gespräch führen, das offenbar keinen Aufschub duldet.“ Ärgerlich machte er sich auf den Weg.

Wenig später zuckte Layla zusammen, als sie hörte, wie Raz mit eiskalter Stimme Nadia herunterputzte. So macht er sie mir erst recht zur Feindin, dachte Layla. Da sie keine Ahnung hatte, worum es ging, wusste sie auch nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte.

Bedrückt zog sie das Kleid aus und arbeitete sich behutsam an der von Raz beschriebenen Stelle ins Wasser vor. Dieses Mal spürte sie sofort den Grund unter den Füßen. Sie beugte sich vor und schöpfte Wasser, um sich den Wüstensand abzuspülen. Der Schock, an diesem idyllischen Platz beinahe ertrunken zu sein, saß tief.

Der See glitzerte hübsch in der Sonne, Kinderlachen ertönte in der Nähe. Überrascht merkte Layla auf. Kinder hatte sie hier nicht vermutet.

Wann hatte sie zuletzt fröhliche Kinderstimmen gehört? Wahrscheinlich, als Yasmin und sie klein gewesen waren. Damals hatte Layla nur gewagt, hinter vorgehaltener Hand zu kichern, um nur ja keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken …

Wo mochte Yasmin jetzt sein? Die Sorge um ihre jüngere Schwester raubte Layla fast den Verstand. Hoffentlich war Yasmin wenigstens noch am Leben!

Am liebsten hätte Layla sich zu den Kindern gesellt, um sich von ihren traurigen Gedanken abzulenken. Doch womöglich war sie dort auch nicht willkommen. Daher wickelte sie sich in das Badetuch, das Nadia für sie auf einem Felsen deponiert hatte, und ging zum Zelt hinüber. Hoffentlich traf sie dort nicht auf Nadia!

Erstaunt blieb sie am Zelteingang stehen. So ein luxuriöses und … romantisches Ambiente hatte sie nicht erwartet. Eine gemütliche Sitzecke mit vielen Kissen in den verschiedensten Rotschattierungen lud zum Entspannen ein. Beherrscht wurde der Innenbereich jedoch von einem niedrigen breiten Bett mit Seidenbettwäsche und einem warmen Überwurf für kalte Wüstennächte.

Ein niedriger Tisch neben dem Eingang war reich gedeckt, doch Layla hatte nach dem Todeskampf im Wasser verständlicherweise keinen Appetit. Ob Nadia ihr wirklich den Tod gewünscht hatte?

Erschöpft von den Abenteuern der zurückliegenden Stunden kleidete Layla sich an und streckte sich auf den Kissen aus. Nun kreisten ihre Gedanken um die bevorstehende Nacht.

Leider hatte sie ihre Bücher im anderen Zeltlager zurückgelassen und somit nichts zu lesen dabei. Das lange Warten auf Raz machte sie so nervös, dass sie heftig zusammenzuckte, als er sich schließlich blicken ließ.

„Du hast mich erschreckt“, erklärte sie vorwurfsvoll.

Raz warf einen Blick auf das unberührte Essen und runzelte die Stirn. „Warum hast du nichts gegessen? Ist dir noch übel, weil du vorhin Wasser geschluckt hast?“

„Nein, ich habe einfach keinen Appetit.“

„Du musst aber etwas zu dir nehmen, Layla.“

„Danke, aber ich möchte im Moment wirklich nichts essen.“

Raz ließ es einstweilen dabei bewenden und wechselte das Thema. „Sag mal, wieso kannst du eigentlich nicht schwimmen?“

„Im Palast gibt es keinen Pool. Ich hatte also nie Gelegenheit, Schwimmen zu lernen.“

„Das müssen wir schleunigst ändern.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. „Es ist nämlich herrlich, in der Oase zu schwimmen.“ Raz streckte eine Hand aus und zog Layla an sich.

„Es tut mir sehr leid, was dir widerfahren ist“, sagte er leise.

Sie war ihm so nah. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. „Ist Nadia …?“

„Ich will jetzt nicht über Nadia reden. Sie hat nichts mit uns zu tun. Vergiss sie einfach! Du musst dich jetzt entspannen, Layla.“ Behutsam strich er ihr das Haar aus der Stirn.

Durch einen Spalt hinter ihm bemerkte Layla, dass die Sonne gleich blutrot untergehen würde. Unfassbar, dass es schon so spät war!

„Ich bin entspannt“, behauptete sie.

„Das sehe ich.“ Raz lächelte ironisch und ließ die Finger durch ihr seidiges Haar gleiten. „Deine Hochzeitsnacht hast du dir sicher ganz anders vorgestellt.“

„Eigentlich habe ich mir gar nichts vorgestellt, Hoheit.“

„Raz, wenn ich bitten darf.“ Er schaute ihr tief in die Augen. „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.“

Angst empfand sie auch nicht, sondern ein Gefühl, das sie nicht einordnen konnte. Außerdem beunruhigte sie, dass Raz sie offenbar für romantisch hielt. Das wollte sie lieber umgehend klarstellen.

„Ich bin nicht gerade der romantische Typ.“

„Du sagtest es bereits.“ Raz lächelte amüsiert.

Verflixt! Wenn sie doch nur wüsste, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollte. Erwartete er, dass sie ihn küsste? Hätte sie doch zur Vorbereitung das Buch gelesen!

Raz streichelte nun zärtlich ihre Wange. Die sanfte Berührung, der magnetische Blick ließen Schmetterlinge im Bauch flattern. Als der Blick schließlich auf ihren leicht bebenden Lippen ruhte, fühlte Layla sich noch seltsamer. Auch Raz’ Worte fand sie merkwürdig.

„Wovon hast du dann geträumt, als du im Palast erwachsen geworden bist?“

Vom Überleben. Das wäre die ehrliche Antwort gewesen. Jeder Tag war für sie und ihre Schwester ein Überlebenskampf gewesen. „Träumen? Ich bin eher der pragmatische Typ.“

„Hast du dir nie deine Zukunft ausgemalt?“, fragte Raz erstaunt.

„Ich habe gehofft, sie würde besser sein als die Gegenwart.“

„War dein Leben denn so schlimm?“

Verglichen mit seinem wohl nicht, denn Raz hatte ja nicht nur seinen Vater, sondern auch die Frau verloren, die er über alles geliebt hatte.

„Wenigstens hatte ich ja meine Schwester“, antwortete sie ausweichend.

Wieder huschte ein Lächeln über sein markantes Gesicht. „Du weichst mir aus. Aber ich werde darüber hinwegsehen. Für die Vergangenheit ist kein Platz in unserem Schlafzimmer.“

In unserem Schlafzimmer …

Laylas Herz pochte immer schneller, als Raz nun mit beiden Händen zärtlich ihr Gesicht umfasste. Gleich küsst er mich, dachte sie nervös.

„Du musst mir sagen, was dir nicht gefällt“, flüsterte er rau an ihrem Mund. Und dann spürte sie seine Lippen auf ihren.

So sanft und zärtlich, wie sie es nie erwartet hatte. Ihr Körper reagierte sofort. Heiße Sehnsucht pulsierte durch ihre Adern. Es war ein ihr völlig unbekanntes, aber sehr angenehmes Gefühl. Spielerisch ließ Raz die Zunge über Laylas Lippen gleiten. Instinktiv öffnete sie den Mund. Schockiert spürte sie im nächsten Moment Raz’ Zunge an ihrer. Ein seltsames Beben erschütterte Laylas Körper. Sie hielt sich an seinen muskulösen Armen fest.

Layla war ein sehr rationaler Mensch und wollte verstehen, was in ihrem Körper vorging. Diese plötzliche Hitze in ihrem Schoß versetzte sie fast in Panik, weil ihr das Gefühl unbekannt war.

Als Raz sie nun fester an sich presste, staunte sie, wie hart er sich anfühlte. Darauf hatte das Werk Michelangelos sie nicht vorbereitet. Völlig überwältigt von all diesen erregenden Empfindungen, hielt sie ganz still.

„Küss mich, Layla“, forderte Raz an ihrem Mund.

Versuchsweise streifte sie seine Lippen mit ihren. „Ist es so richtig?“, hätte sie am liebsten gefragt. Doch im nächsten Moment drängte Raz sich so fest an sie, dass ihr noch heißer wurde. Je länger der Kuss währte, desto benommener wurde sie. Inzwischen hatte sie alles um sich her vergessen, bis Raz sie hochhob, zum Bett trug und sie behutsam darauf bettete.

Leicht verängstigt schaute sie zu ihm auf. Schon beugte er sich über sie, küsste sie leidenschaftlich und zog sie dabei geschickt aus. Schüchtern hätte sie ihre Blöße am liebsten gleich wieder bedeckt, doch dazu ließ Raz ihr keine Gelegenheit, denn er entledigte sich blitzschnell seiner eigenen Kleidung, wobei er Layla die ganze Zeit fixierte.

Sie erlag der Versuchung, einen schnellen Blick auf das zu werfen, was sie bisher an den männlichen Skulpturen Michelangelos besonders fasziniert hatte. Raz’ ist perfekt, dachte sie bewundernd – und etwas nervös.

Als Raz bemerkte, wohin ihr Blick gewandert war, umfasste er Laylas Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen. „Du hast Angst“, stellte er fest.

„Nein“, flüsterte sie. „Aber ich wünschte, ich wüsste besser Bescheid.“

„Hör einfach auf deinen Körper“, riet er ihr leise, bevor er sie wieder küsste. So leidenschaftlich, dass sie vor Lust stöhnte und endlich damit begann, die erregenden Küsse zu erwidern.

Über die Frage, wieso ein Kuss auf die Lippen den ganzen Körper entflammte, konnte sie später nachdenken. Jetzt war sie zu beschäftigt. Langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, liebkoste Raz nun ihren Hals, die Schultern, die nackten Brüste.

Layla spürte seinen warmen Atem auf den harten Brustwarzen und erschauerte lustvoll, als Raz begann, sie zu stimulieren. Das Gefühl war so unglaublich, dass sie sich auf die Lippe beißen musste, sonst hätte sie ihre Lust laut herausgeschrien. Er sah kurz auf und betrachtete sie. Seltsam, wie hart und kalt seine Augen wirkten. Im nächsten Moment wandte er sich ab, richtete sich auf und blies die Kerze auf dem niedrigen Nachttisch aus.

Im stockdunklen Zelt konnte Layla nichts mehr sehen, aber fühlen konnte sie umso besser. Sie spürte eine warme Hand auf dem Bauch und wünschte, Raz würde sie weiter nach unten gleiten lassen. Spürte er, wie sehr sie sich danach sehnte? Offensichtlich. Dann hatte Yasmin wohl recht mit ihrer Behauptung, er wäre ein fantastischer Liebhaber. Woher ihre Schwester diese Information hatte, entzog sich allerdings ihrer Kenntnis.

Behutsam drückte Raz ihr die Schenkel auseinander und begann, den Ort ihres höchsten Lustgefühls zu liebkosen. Immer wieder ließ er seine erfahrenen Finger darüber gleiten. Seine Berührungen wurden immer intensiver, sein Rhythmus schneller, bis Layla immer flacher atmete und vor Erregung die Finger ins Laken krallte.

Niemals hätte sie gedacht, so starke Gefühle zu entwickeln.

Raz veränderte die Position und liebkoste Layla nun mit dem Mund, wo er sie eben noch mit den Fingern halb um den Verstand gebracht hatte.

Ihr erster Impuls war, ihn wegzuschieben, doch er hielt ihre Hände fest und setzte das erregende Spiel fort, bis er spürte, wie sie sich erneut dem Höhepunkt näherte – den er ihr erneut verweigerte. Frustriert bog Layla sich ihm entgegen. Sie spürte, dass es ihren Körper zu etwas drängte, wusste jedoch nicht, was es war.

Schließlich schob Raz sich auf sie, die Hände unter ihren Po und raunte: „Schling die Beine um meine Taille! Ich werde versuchen, dir nicht wehzutun.“ Dann küsste er sie wieder, um sie von dem Bevorstehenden abzulenken.

Ganz behutsam drang er in sie ein. Layla empfand zugleich Schmerz und Lust, spürte, wie sie gedehnt und ausgefüllt wurde, wie sie den imposanten Beweis seiner Männlichkeit umschloss. Instinktiv hob sie den Po noch etwas weiter an und hörte Raz stöhnen, als er noch tiefer in sie eindrang und dann stillhielt.

„Alles okay?“, raunte er an ihrem Mund.

„Ja“, flüsterte sie, obwohl sie sich nicht sicher war. Ihn so tief in sich zu spüren, schockierte sie. All die Empfindungen, die ihr bisher völlig unbekannt gewesen waren, überwältigten und verunsicherten sie. Gleichzeitig wollte sie auf keinen Fall, dass er aufhörte, und küsste ihn nun ihrerseits wild und leidenschaftlich, um ihn zum Weitermachen zu ermuntern.

Nun passte sie sich auch seinem Rhythmus an. Mit jeder Bewegung wurde sie ekstatischer. Immer schneller, immer höher schien sie zu fliegen. Oh, das fühlte sich fantastisch an! Sie konnte gar nicht genug bekommen. Und dann schien sie förmlich zu explodieren und schrie ihren Orgasmus hinaus, obwohl sie sich geschworen hatte, keinen Ton von sich zu geben.

Der Schrei war kaum zu hören, denn Raz presste ihr gefühlvoll die Lippen auf den Mund. Sein eigener Höhepunkt folgte Laylas binnen Sekunden. Bis ans Ende ihrer Tage würde Layla sich an diesen unglaublichen Moment erinnern, als sie zum ersten Mal eins mit Raz gewesen war.

Als die Wogen der Lust langsam wieder verebbt waren, gelangte Layla zu der Erkenntnis, dass sie dreiundzwanzig Jahre alt hatte werden müssen, um ihren Körper kennenzulernen. Ihr zweiter Gedanke war, dass ein wildfremder Mann ihr dabei geholfen hatte, mit dem sie zwar nun verheiratet war, den sie aber noch keine vierundzwanzig Stunden kannte. Sie wollte etwas sagen, doch bevor sie die richtigen Worte finden konnte, stand Raz auf und begann, sich anzukleiden. War das normal? Verließ jeder Mann das Bett, nachdem er mit seiner Frau geschlafen hatte? Oder fühlte Raz sich an seine verstorbene Frau erinnert und flüchtete deshalb so schnell aus dem Bett? Wollte er tatsächlich wortlos das Zelt verlassen? Verstört blickte Layla in seine Richtung. Sehen konnte sie ihn im Dunkeln nicht. Erst als er an der Zeltplane zog, um hinauszugehen, erhaschte Layla im Mondschein einen Blick auf Raz’ versteinertes Gesicht, als er sich kurz zu ihr umwandte.

Was hat das zu bedeuten? rätselte sie beklommen. Erwartete Raz eine Reaktion von ihr? Doch dann drehte er sich wieder um und verließ das Zelt, bevor Layla etwas sagen konnte.

5. KAPITEL

Wie ein Getriebener jagte Raz auf seinem Hengst durch die Wüste. Doch die Schuldgefühle, seine geliebte Frau betrogen zu haben, ließen sich nicht abschütteln. Es gab so viel, womit Raz sich noch befassen musste! Doch im Augenblick konnte er an nichts anderes denken als an Layla, deren Duft er noch auf seiner Haut trug. War sie wirklich so schüchtern und unschuldig, wie es den Anschein hatte? Oder eine clevere Opportunistin, die im letzten Moment die Seiten gewechselt hatte? Sein Misstrauen gegenüber ihrer Familie saß tief. So viele Jahre hatte die Vendetta zwischen ihren Familien bestanden.

Und doch tat es ihm leid, Layla wehgetan zu haben.

Aufgewühlt beobachtete er den Sonnenaufgang. Es war ratsamer, seine Ressentiments aufrechtzuerhalten, als Zuneigung zu der schönen Prinzessin zuzulassen. Letzteres könnte ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. Und das konnte er sich in der jetzigen Situation am wenigsten leisten.

„Eure Königliche Hoheit?“

Abdul, sein väterlicher Freund, der ihm selten von der Seite wich, tauchte neben ihm auf.

„Sie sollten nicht ohne Begleitung durch die Wüste reiten.“

„Offensichtlich bin ich ja gar nicht allein.“

Besänftigend legte Abdul seine Hand auf den Arm seines Herrn. „Ich weiß, wie schwer Sie es im Moment haben, Hoheit, aber es war richtig, die Prinzessin zu heiraten.“

„Wirklich?“ Der harsche Klang seiner Stimme verriet, wie aufgewühlt er war. Da Raz seine Gefühle lieber für sich behalten wollte, fügte er schnell hinzu: „Wir müssen Nadia im Auge behalten.“

„Ja, sie hat sich wohl sehr aufgeregt. Aber die Prinzessin macht einen sehr vernünftigen Eindruck. Sie wird schon wissen, wie sie mit Nadia umgehen muss.“

Vernünftig war Layla sicher auch. Doch diese Charaktereigenschaft war es nicht, die ihn seit Stunden so aufwühlte, sondern etwas weitaus Intimeres. Etwas, das Raz gefährlich werden konnte …

Layla erwachte langsam aus tiefem Schlaf. Kinderlachen, Stimmen und Tiergeräusche drangen an ihr Ohr. Raz’ Stimme erkannte sie nicht darunter.

Zurück ins Bett konnte er nicht gekommen sein, denn sein Kissen war unberührt.

Sie dehnte sich und zuckte zusammen, weil ihr Körper von der ungewohnten Aktivität der vergangenen Nacht schmerzte. Raz hatte mit ihr geschlafen und sich dann wortlos davongestohlen.

Nachdenklich drehte sie sich auf den Rücken. Zaghaft strich sie unter der Decke über ihre Brüste, die nach Raz’ Liebkosungen noch etwas empfindlich waren. Nicht nur dort hatte er sie liebkost, sondern auch …

„Eure Königliche Hoheit?“ Lautlos war Nadia ins Zelt geschlüpft. Mit starrem Blick betrachtete sie die auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke. „Ich soll Ihnen beim Ankleiden helfen und Ihnen bringen, was Sie benötigen.“

Was benötige ich denn? überlegte Layla ratlos. Sie war nicht gerade erfreut über Nadias Auftauchen. Durch deren Verschulden wäre sie fast ertrunken! „Danke, ich brauche nichts.“ Allerdings hätte sie gern gewusst, wo Raz steckte. Doch die Frage hätte verraten, dass sie ihn vermisste. Gerade Nadia, die offenbar in ihn verliebt war, musste das ja nicht unbedingt wissen.

Unbeirrt stellte Nadia ein Frühstückstablett neben dem Bett ab, sammelte die Kleidungsstücke ein und platzierte frische Anziehsachen am Fußende des Bettes.

Schließlich stellte Layla ihre Frage doch. „Haben Sie Seine Königliche Hoheit gesehen?“

Nadia, die gerade das Zelt verlassen wollte, wandte sich langsam um. „Ich habe nur gehört, dass er auf der Suche nach Hassan ist, um mit ihm zu reden. Wenn er das nicht überlebt, ist das Ihre Schuld“, stieß die junge Frau hervor und stürmte davon.

Entsetzt richtete Layla sich auf. Sie machte sich plötzlich große Vorwürfe, weil sie Raz nicht noch eindringlicher vor Hassans Unberechenbarkeit gewarnt hatte.

Die nächsten Stunden schienen wie in Zeitlupe zu vergehen. Layla, die sich große Sorgen machte, hätte sich gern irgendwie abgelenkt. Aber sie hatte ja nicht einmal ein Buch dabei. Und Besuch bekam sie auch nicht, mit dem sie sich hätte unterhalten können. Alle hier sind gegen mich, dachte sie betrübt. Wahrscheinlich war Nadia nicht die einzige Person, die ihr vorwarf, Raz’ Leben aufs Spiel zu setzen. Es war wohl doch keine gute Idee gewesen, ihn zu heiraten.

Als sie es im Zelt nicht mehr aushielt, schlenderte sie zur Oase und blickte aufs Wasser. Immer wieder drang Kinderlachen zu ihr herüber. Layla fühlte sich unendlich einsam. Unaufhörlich kreisten ihre Gedanken um Yasmin. Hatte Salem sie gefunden? Ging es ihr gut? Oder war sie … tot?

Wenn Hassan sie aufgegriffen hatte, saß sie vermutlich schon im Flugzeug nach Amerika.

Bei Einbruch der Dunkelheit kehrte Layla zurück ins Zelt, legte sich aufs Bett und blickte im Schein der Kerze, die vermutlich Nadia angezündet hatte, angespannt vor sich hin.

Würde Raz heute Nacht wieder zu ihr kommen und mit ihr schlafen? Diese Frage beschäftigte sie, bis ihr schließlich vor Müdigkeit die Augen zufielen. Als sie wieder aufwachte, war es bereits heller Tag. Sie hatte die Nacht allein verbracht.

Jetzt machte sie sich wirklich Sorgen um Raz. Hoffentlich war ihm nichts geschehen! Sie schluckte ihren Stolz hinunter und machte sich auf die Suche nach Nadia, um sich nach Raz zu erkundigen.

„Ich weiß nicht, wo er ist“, beschied die ihr unfreundlich. „Seine Königliche Hoheit spricht nie über Pläne und Vorhaben, um unnötige Risiken auszuschließen. Seit er Sie hierher gebracht hat, schwebt er natürlich in noch größerer Gefahr“, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.

Wortlos zog Layla sich wieder zurück ins Zelt. Vielleicht hatte Raz’ Abwesenheit ja auch gar nichts mit Hassan zu tun, sondern damit, dass er mit seiner neuen Frau geschlafen hatte und dies nun bereute, weil er dadurch das Treuegelübde gebrochen hatte, das er seiner ersten Frau gegeben hatte.

Auch diesen Tag verbrachte Layla allein. Sie wollte gerade ins Bett gehen, als sie Pferde näher kommen hörte. Da wusste sie, dass Raz wieder da war und atmete erleichtert auf. Aber wie sollte sie ihn nun begrüßen? Sollte sie ihm zeigen, wie besorgt sie um ihn gewesen war?

Draußen unterhielt er sich mit den Leuten, die ihn freudig empfingen. Nur für mich hat er keine Zeit, dachte Layla bedrückt und verkroch sich unter der Bettdecke.

Geraume Zeit später hörte sie ein Plätschern. Offenbar erfrischte Raz sich in der Oase. Das war ja wohl die Höhe! Hätte er mich nicht wenigstens begrüßen können, bevor er sich ins Wasser stürzt? Aufgebracht stand Layla wieder auf, durchquerte das Zelt und spähte vorsichtig durch einen Spalt in der Plane. Da das Zelt direkt am See stand, konnte sie Raz unauffällig beim Schwimmen beobachten. Wenn ihr jemand vor ein paar Tagen gesagt hätte, dass sie einmal heimlich einen nackten Mann betrachten würde, hätte sie vermutlich gelacht! Allerdings war es nicht irgendein nackter Mann, es war Raz. In ihrer Hochzeitsnacht hatte er ja so bald das Licht gelöscht … Nun bewunderte Layla seine breiten muskulösen Schultern und konnte sich kaum von dem Anblick losreißen. Erst als Raz am gegenüberliegenden Ufer wendete, um zurückzuschwimmen, wich sie schnell zurück, um nicht erwischt zu werden.

Als Raz schließlich das Zelt betrat, lag sie längst wieder im Bett und gab vor zu schlafen. Jetzt schlich er ans Bett. Sie wusste, dass er sie anschaute. Sofort wurde ihr heiß, sie ließ sich aber nichts anmerken, atmete tief und gleichmäßig und hielt die Augen fest geschlossen. Selbst als die Matratze unter Raz’ Gewicht nachgab, rührte Layla sich nicht.

Sie war zutiefst verletzt über sein abweisendes Verhalten.

„Wenn ich dir einen Tipp geben darf: Im Schlaf ist man entspannt. Du bist angespannt. Daran habe ich sofort erkannt, dass du dich schlafend stellst“, sagte Raz leise mit seiner tiefen Stimme.

Layla drehte sich zu ihm um und schlug die Augen auf. Es hatte ja keinen Sinn, ihm etwas vorzumachen. Sie bemerkte, dass er eine Kerze angezündet hatte. Wenigstens kann ich sein Gesicht sehen, dachte Layla und fragte: „Wo warst du so lange?“

Schockiert musterte er sie. „Ich rede mit niemandem über meine Unternehmungen. Schon gar nicht mit einer Frau, die ich erst vor drei Tagen kennengelernt habe.“

„Hast du etwas über meine Schwester in Erfahrung gebracht?“

„Nein.“

Erschüttert senkte Layla den Kopf. „Das ist ein schlechtes Zeichen, oder? Wir hätten längst von ihr hören sollen.“

„Falls sie noch lebt, wird Salem sie finden.“

„Falls …?“ Entsetzt sah sie ihn wieder an.

Autor

Jennie Lucas

Jennie Lucas wuchs umringt von Büchern auf! Ihre Eltern betrieben einen kleinen Buchladen und so war es nicht weiter verwunderlich, dass auch Jennie bald deren Leidenschaft zum Lesen teilte. Am liebsten studierte sie Reiseführer und träumte davon, ferne Länder zu erkunden: Mit 17 buchte sie ihre erste Europarundreise, beendete die...

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Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 18 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen. Manchmal sitzt Sie...

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