Julia Extra Band 400

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ZU EINEM SCHEICH SAGT MAN NICHT NEIN von GRAHAM, LYNNE
"Nein, ich heirate dich nicht!" Stolz lehnt die schöne Ella den Antrag von Scheich Zarif ab und macht Schluss mit ihm. Doch sie hätte es wissen müssen: Ein Wüstenherrscher bekommt immer, was er will …

VENEDIG, DIE LIEBE UND DER BOSS von HARPER, FIONA
Nur ein Job als Nanny? Ruby begleitet den attraktiven Max Martin und seine kleine Nichte nach Venedig. Und merkt viel zu spät, dass sie in der Lagunenstadt etwas verloren hat - ihr Herz an den italienischen Boss!

FAHR MIT MIR INS GLÜCK! von LEE, MIRANDA
Atemlos schaut Jess in den Rückspiegel. Als Chauffeurin des Mietwagens fährt sie den Milliardär Benjamin de Silva zu einer Hochzeit - quer durchs Land! Und mit jeder Meile wird die Leidenschaft zwischen ihnen heißer …

DIE JACHT DER GEHEIMEN WÜNSCHE von WINTERS, REBECCA
Fassungslos sieht Nikos, wer sich auf seine weiße Jacht geschlichen hat: Stephanie, mit der er zwei Wochen lang in der Karibik eine heiße Affäre hatte! Und etwas schockiert ihn noch mehr: Sie ist schwanger …

DER FALSCHE VERLOBTE - DER RICHTIGE MANN? von MILBURNE, MELANIE
Eine Notlüge unter Freundinnen: Juliet behauptet, sie sei mit ihrem heimlichen Schwarm Marcus Bainbridge verlobt. Der nichtsahnend ins Luxushotel The Chatsfields schlendert, wo Juliet mit ihren Freundinnen eine Party feiert …


  • Erscheinungstag 30.06.2015
  • Bandnummer 0400
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704537
  • Seitenanzahl 496
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lynne Graham, Fiona Harper, Miranda Lee, Rebecca Winters, Melanie Milburne

JULIA EXTRA BAND 400

LYNNE GRAHAM

Zu einem Scheich sagt man nicht Nein

Playboy-Scheich Zarif ist gern bereit, seiner schönen Exgeliebten Ella zu helfen! Allerdings nur unter einer verwegenen Bedingung: Sie soll ihn heiraten und das königliche Schlafgemach mit ihm teilen …

FIONA HARPER

Venedig, die Liebe und der Boss

Zärtliche Küsse auf der Seufzerbrücke: Das wollte Max bestimmt nicht, als er mit der Nanny seiner kleinen Nichte nach Venedig flog. Denn ein Happy End mit Ruby scheint ausgeschlossen …

MIRANDA LEE

Fahr mit mir ins Glück!

Die schöne Chauffeurin Jess Murphy fasziniert Benjamin! Er kann kaum erwarten, sie zu sich auf den Rücksitz der Limousine zu ziehen und ihr voller Leidenschaft zu zeigen, wohin die Reise geht …

REBECCA WINTERS

Die Jacht der geheimen Wünsche

Aufgeregt tritt Stephanie dem Mann entgegen, mit dem sie einen heißen Urlaubsflirt hatte. Sie muss ihm etwas sagen! Doch warum wirkt Nikos so traurig? Kann ihr kleines Wunder ihn wieder zum Lachen und Lieben bringen?

MELANIE MILBURNE

Der falsche Verlobte – der richtige Mann?

„Verrat mich nicht!“ Juliet weiß, dass es nicht richtig war, Marcus als Verlobten auszugeben. Aber sie hatte keine Wahl. Und in seiner Suite im Chatsfield verschwimmen plötzlich die Grenzen zwischen Lüge und Liebe …

1. KAPITEL

Zarif langweilte sich. Er war seiner derzeitigen Geliebten ganz einfach überdrüssig, egal, wie schön und erfindungsreich sie auch sein mochte. Gerade posierte die Dame in seinem Bett vor dem großen Spiegel und begutachtete die neue funkelnde Rubinkette um ihren Hals. „Sie ist wunderschön“, hauchte sie bewundernd. „Danke. Du bist wirklich zu großzügig!“

Lena war nicht auf den Kopf gefallen. Sie wusste genau, dass die Kette ein Abschiedsgeschenk war. Klaglos würde sie nun Zarifs luxuriöses Apartment in Dubai verlassen – und versuchen, sich den nächsten reichen Mann zu angeln.

Zarif zog im Schlafzimmer Amateurinnen Professionelle vor, machte sich jedoch kaum Illusionen, was die Moral dieser Frauen anging. Er bot ihnen für eine Weile den Luxus, die angenehmen Dinge des Lebens zu genießen, während sie ihm ein Ventil für seine stark ausgeprägte Libido verschafften. Außerdem achteten sie seinen Wunsch nach Diskretion, weil sie wussten, dass es sich rächen würde, sich mit Klatsch über ihre Beziehung zu ihm an die Medien zu wenden.

Zarif musste mehr als andere Männer sein Ansehen in der Öffentlichkeit wahren. Er war schon seit seinem zwölften Lebensjahr König von Vashir. Sein Onkel hatte die Regierung innegehabt, bis Zarif volljährig geworden war – der vorerst Letzte einer langen Reihe von Herrschern auf dem Smaragdthron im alten Palast. Vashir war reich an Öl, aber sehr konservativ. Immer, wenn Zarif versuchte, sein Land ins einundzwanzigste Jahrhundert zu führen, bekam sein sich aus zwölf alten Stammesfürsten zusammensetzender Rat Panik und bat ihn, seine Entscheidung noch mal zu überdenken.

„Willst du heiraten?“, fragte Lena ihn impulsiv und sah ihn dann reumütig an. „Tut mir leid, das geht mich natürlich nichts an.“

„Noch nicht, aber bald“, antwortete Zarif kurz angebunden, zog sein Jackett glatt und wandte sich ab.

„Viel Glück“, sagte Lena. „Deine Zukünftige kann sich glücklich schätzen.“

Zarif runzelte immer noch irritiert die Stirn, als er den Fahrstuhl betrat. Wenn es um Ehe oder Kinder ging, hatten seine Vorfahren stets ausgesprochen wenig Glück gehabt. Die Liebesehen waren genauso schlecht gewesen wie die Vernunftehen, und nur sehr wenige Kinder waren geboren worden.

Da auch Zarif Einzelkind war, konnte er sich dem öffentlichen Druck, zu heiraten und einen Erben zu zeugen, nicht länger widersetzen. Mit seinen neunundzwanzig Jahren war er nur deshalb noch Single, weil er Witwer war. Seine Frau Azel und sein kleiner Sohn Firas waren vor sieben Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Zarif rechnete nicht damit, sich je von diesem Verlust zu erholen. Bislang respektierten seine Landsleute sein Recht zu trauern, aber ihm war bewusst, dass er seine Pflichten nicht ewig vernachlässigen konnte, und dazu gehörte, den Fortbestand seiner Dynastie zu sichern. Trotzdem widerstrebte ihm die Vorstellung zu heiraten. Es gefiel ihm, allein zu sein; er mochte sein Leben so, wie es war.

Ein Privatjet brachte Zarif nach Vashir zurück. Bevor er von Bord ging, streifte er sich eine lange weiße Tunika, einen beigen Mantel und eine mit einer Kordel gehaltene Kopfbedeckung über – die traditionelle Kleidung seines Landes, die er gleich für die feierliche Eröffnung eines neuen Museums im Stadtzentrum brauchte. Erst nach seinem Erscheinen dort würde er in den alten Palast zurückkehren können, ein langgestrecktes Gebäude, das inmitten üppiger duftender Gärten lag. Das alte Bauwerk war vor einiger Zeit durch einen nagelneuen Riesenpalast auf der anderen Seite der Stadt ersetzt worden, der jedoch bisher nur als offizielles Regierungszentrum fungierte. Zarif hing an dem alten Gemäuer, in dem er aufgewachsen war.

Außerdem verbrachte dort auch sein geliebter Onkel Halim seine letzten Lebensmonate, und Zarif wollte dem todkranken Mann so oft wie möglich zur Seite stehen. Halim war ihm in mehrfacher Hinsicht der Vater gewesen, den Zarif nie kennengelernt hatte – ein sanfter stiller Mann, der ihm alles Entscheidende über Verhandlungstaktik, Selbstdisziplin und Staatskunst beigebracht hatte.

Zu Zarifs Überraschung wartete sein Manager Yaman in seinem Büro auf ihn. „Was führt Sie hierher?“, fragte Zarif beim Anblick des mittelalten Mannes überrascht. Yaman kam nur selten unangemeldet vorbei. Anders als Zarifs Halbbrüder Nik und Cristo, die sich einen Namen als Finanzhaie gemacht hatten, interessierte Zarif sich nämlich nicht für Geschäftliches. Vashir war schon lange vor seiner Geburt durch Öl reich geworden, und er war völlig selbstverständlich mit diesem Reichtum aufgewachsen. Yaman und sein Team sorgten für dessen Erhalt.

„Es gibt da eine Angelegenheit, auf die ich Sie aufmerksam machen wollte“, teilte Yaman ihm ernst mit.

„Natürlich. Was ist los?“, fragte Zarif. Er lehnte sich gegen die Schreibtischkante und sah seinen Verwalter erwartungsvoll an.

Dem Buchhalter stand sein Unbehagen deutlich ins Gesicht geschrieben. „Es geht um einen persönlichen Kredit, den Sie vor drei Jahren einem Freund gewährt haben … Jason Gilchrist.“

Zarif versteifte sich bei der Erwähnung dieses Namens. Doch nicht das Gesicht seines früheren Freundes tauchte vor seinem inneren Auge auf, sondern das von Jasons Schwester Eleonora, eine junge Frau mit honigblondem Haar, enzianblauen Augen und den Beinen einer Gazelle. Zarif erstarrte, als er spürte, wie sein Körper bei der Erinnerung an sie reagierte … und als ihm wieder einfiel, wie sie ihn beleidigt hatte.

Wir sind viel zu jung, um zu heiraten. Außerdem bin ich Britin. Ich könnte nie in einer Kultur leben, in der Frauen wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Ich bin einfach nicht dafür geschaffen, Königin zu sein.

„Was ist passiert?“, fragte er Yaman äußerlich beherrscht. Nur das plötzliche Aufblitzen seiner dunklen Augen verriet seinen emotionalen Aufruhr.

Als Ella das stille Haus betrat, war sie so müde, dass sie sich nur noch mit bloßer Willenskraft aufrecht halten konnte.

Unter der Wohnzimmertür schimmerte Licht hervor. Jason war also noch wach. Da Ella keine Lust auf eine weitere Auseinandersetzung mit ihrem jähzornigen Bruder hatte, schlich sie leise an der Tür vorbei in die Küche, wo immer noch Chaos herrschte. Schmutzige Teller standen auf dem Tisch, und die Stühle waren achtlos weggeschoben. Nichts hatte sich verändert, seitdem Jason bei der letzten Familienmahlzeit ihren finanziellen Ruin verkündet hatte.

Entschlossen straffte Ella die Schultern und begann aufzuräumen. Sonst würde sie sich nur umso elender fühlen, wenn sie das Chaos am nächsten Morgen sah.

Ohne ihre Eltern fühlte sich das Haus gar nicht wie ein echtes Zuhause an. Verstörende Bilder tauchten vor Ellas innerem Auge auf: ihre Mutter, wie sie zerbrechlich und vorzeitig gealtert im Krankenhaus lag, und ihr Vater, wie er unkontrolliert vor sich hin schluchzte. Wütend blinzelte Ella gegen die Tränen an, die ihr in die Augen stiegen. Sich selbst zu bemitleiden änderte auch nichts an ihrer Situation.

Die letzten achtundvierzig Stunden waren der reinste Alptraum gewesen. Alles hatte mit Jasons Geständnis angefangen, dass die Buchhaltungsfirma der Familie kurz vor dem Bankrott stehe und das Haus ihrer Eltern hoch mit Hypotheken verschuldet sei. Ihr Vater war außer sich vor Wut ins Büro gefahren, um die Bücher der Firma zu überprüfen und danach den Sachbearbeiter seiner Bank um Rat zu bitten, während Jason zurückgeblieben war und seiner Mutter die Situation näher geschildert hatte.

Am Anfang war Jennifer Gilchrist noch ruhig geblieben, da sie davon ausgegangen war, dass ihr kluger und erfolgreicher Sohn die Probleme schon meistern würde. Im Gegensatz zu ihrem Mann hatte sie Jason auch keine wütenden Vorhaltungen gemacht, weil er die Unterschriften seiner Eltern gefälscht hatte, um eine weitere Hypothek auf das Haus aufzunehmen. Sie hatte ihm sogar das hehre Motiv unterstellt, dass er seine Eltern damit nur vor überflüssigen Sorgen schützen wollte.

Jason war schon immer der Augapfel von Ellas Eltern gewesen. Immer wenn er gelogen oder betrogen hatte, hatten sie Ausreden für ihn gefunden und ihm nichts als Verständnis entgegengebracht. Intelligent und sportlich zugleich, hatte Jason in allem brilliert, was er angepackt hatte, und der Stolz seiner Eltern auf ihn hatte keine Grenzen gekannt. Doch Ellas Bruder hatte einen schwerwiegenden Charakterfehler: Er dachte nur an sich selbst.

Ellas Eltern hatten sich jahrelang eingeschränkt, um Jason auf eine gute Privatschule schicken zu können, und als er einen Studienplatz in Oxford bekommen hatte, schienen sich ihre kühnsten Hoffnungen erfüllt zu haben. An der Universität hatte Jason sich mit viel vermögenderen Studenten angefreundet. Ella fragte sich oft, ob er damals schon so geldgierig und extravagant geworden war. Oder hatte er sich erst mit seiner ersten Anstellung als Banker verändert?

Wie dem auch sei, Jason hat immer mehr gewollt, und genau das hatte ihn letztendlich auf die schiefe Bahn gebracht. Was Ella ihm dabei nie verzeihen würde, war, dass er ihre Eltern mit in den Abgrund gezogen hatte.

Es hätte kaum schlimmer kommen können. Gestern hatte ihre Mutter einen Herzinfarkt bekommen, als ihr endlich bewusst geworden war, wie alarmierend die finanzielle Situation ihrer Familie tatsächlich war. Gott sei Dank befand sie sich inzwischen auf dem Weg der Besserung, da sie sofort operiert worden war.

Gerald Gilchrist hatte sein Bestes versucht, das Schlimmste abzuwenden, hatte jedoch feststellen müssen, dass noch nicht mal genug Geld übrig war, um die Angestellten zu bezahlen. Sein Entsetzen und seine Beschämung waren so groß gewesen, dass er im Krankenhausflur in den Armen seiner Tochter zusammengebrochen war. Er machte sich bittere Vorwürfe, seinen Sohn nicht besser kontrolliert zu haben.

Ella hörte ein Geräusch hinter sich und wandte den Kopf zur Tür. Ihr Bruder, der den Körperbau eines aus dem Leim gehenden Rugbyspielers hatte, stand in der Küchentür, ein Glas Whisky in der Rechten. „Wie geht es Mutter?“, fragte er schroff.

„Sie schlägt sich tapfer. Die Prognose ist gut“, antwortete Ella tonlos und drehte sich wieder zur Spüle um. Der Abwasch lenkte sie davon ab, dass ihr Bruder ihre Mutter weder ins Krankenhaus begleitet noch sie bisher dort besucht hatte.

„Es ist nicht meine Schuld, dass sie einen Herzinfarkt hatte!“, erklärte Jason streitsüchtig.

„Das habe ich auch nicht behauptet.“ Ella war fest entschlossen, sich nicht wieder in eine Auseinandersetzung mit ihm hineinziehen zu lassen. Er hatte schon als Kind lieber stundenlang diskutiert, anstatt nachzugeben. „Niemand hat Schuld.“

„Mutter hätte schließlich überall einen Herzinfarkt bekommen können. So waren wir wenigstens dabei und konnten dafür sorgen, dass sie sofort ins Krankenhaus kommt.“

„Okay“, stimmte Ella um des lieben Friedens willen zu. „Ich wollte dich übrigens noch fragen … dieser große Kredit, den du vor drei Jahren aufgenommen hast …“

„Was soll damit sein?“ Jasons gereizter Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er keine Lust hatte, irgendwelche Fragen zu beantworten.

„Bei welcher Bank war das?“

Jason schnaubte verächtlich. „Keine Bank der Welt hätte mir einen solchen Geldbetrag ohne Sicherheiten gegeben. Das Geld kam von Zarif.“

Beim Klang dieses Namens fiel Ella vor Schreck die Spülbürste aus der Hand. Schockiert drehte sie sich um. „Zarif?“, wiederholte sie.

„Ja. Nachdem man mich bei der Bank entlassen hatte, bot Zarif mir an, mir Geld für die Gründung einer eigenen Firma zu leihen. Ein zinsloses Darlehen, das ich erst nach drei Jahren zurückzahlen müsste“, erklärte Jason widerstrebend. „Nur ein Idiot hätte ein solches Angebot ausgeschlagen.“

„Das war sehr … großzügig von ihm“, sagte Ella mit gepresster Stimme. Ihr schönes Gesicht war beherrscht, doch hinter der Fassade herrschte Aufruhr. Drei Jahre hatte sie dafür gebraucht, etwas zu vergessen, das für sie die schlimmste Erfahrung ihres Lebens gewesen war. „Aber du hast keine eigene Firma gegründet. Stattdessen wurdest du Dads Partner.“

„Tja, die Heimat ist eben immer dort, wo einst die Wiege stand oder so“, erwiderte ihr Bruder ungerührt. „Die Firma hatte keine Zukunft, bis ich Teilhaber wurde.“

Ella unterdrückte eine wütende Bemerkung. Schade, dass Jason keine eigene Firma gegründet, sondern stattdessen eine in den Ruin getrieben hatte, die vielen Menschen jahrzehntelang ein sicheres, wenn auch unspektakuläres Auskommen gesichert hatte. „Ich kann nicht fassen, dass du Geld von Zarif angenommen hast!“

„Wenn ein Milliardär mit einem Batzen Geld vor meiner Nase herumwedelt, bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig“, entgegnete Jason herablassend. „Natürlich hat Zarif mir das Darlehen nur deshalb angeboten, weil er geglaubt hat, du würdest ihn heiraten. Er hat wohl keinen arbeitslosen Schwager gewollt.“

Ella verkrampfte sich. „Wenn das stimmt, hättest du ihm das Geld zurückzahlen müssen, als wir Schluss gemacht haben.“

„Ihr habt nicht Schluss gemacht, Ella“, unterbrach Jason sie gereizt. „Du hast dich unerklärlicherweise geweigert, die Partie des Jahrhunderts zu heiraten. War doch klar, dass Zarif sich nach einem solchen Schlag ins Gesicht nicht mehr melden würde. Wenn du also einen Verantwortlichen für diese Misere suchst, dann denk mal darüber nach, welchen Beitrag du dazu geleistet hast!“

Ella schoss das Blut ins Gesicht. „Willst du mir etwa unterstellen, dass ich für das verantwortlich bin, was passiert ist?“

Jasons blutunterlaufene Augen waren voller Abneigung. „Du hast total selbstsüchtig gehandelt. Du hast Zarif nicht nur beleidigt, sondern auch meine Freundschaft mit ihm zerstört. Er hat mich nie wieder kontaktiert!“

Ella senkte den Kopf, um ihre Verstörung zu verbergen. Das volle honigblonde Haar fiel ihr ins Gesicht. Jason hatte recht, die Freundschaft ihres Bruders mit Zarif war an dem Tag vorbei gewesen, als sie Zarifs Heiratsantrag abgelehnt hatte. „Ich mag ihm einen Korb gegeben haben, aber das war keine selbstsüchtige Entscheidung – wir haben einfach nicht zusammengepasst“, erklärte sie mit gepresster Stimme, den Blick noch immer zum Fußboden gesenkt.

„Als ich das Geld von Zarif angenommen habe, bin ich davon ausgegangen, dass du ihn heiraten würdest und ich es nie zurückzahlen muss“, fuhr Jason gereizt fort und stürzte den guten Whisky seines Vaters achtlos herunter. „Unsere gegenwärtigen Probleme sind ganz offensichtlich deine Schuld. Schließlich hast du auch von Zarifs Geld profitiert!“

Ella runzelte verwirrt die Stirn. „Was für Geld? Ich habe Zarifs Geld nie angerührt!“

„Oh doch, hast du“, widersprach Jason triumphierend. „Was glaubst du wohl, woher das Geld stammte, das ich dir gegeben habe, um den Buchladen mit Cathy aufzumachen?“

Ella starrte ihren Bruder entgeistert an. „Du hast mir gesagt, dass es sich um deine Ersparnisse handelt!“, protestierte sie empört. „Willst du damit etwa sagen, dass das Geld von Zarif stammte?“

„Woher hätte ich Ersparnisse haben sollen?“, fegte Jason ihren Einwand beiseite. „Ich war bis zum Hals verschuldet, als ich entlassen wurde. Ich hatte Kredite für meine Autos am Laufen, war in den Miesen bei der Bank und hatte eine große Hypothek auf meine Wohnung aufgenommen.“

Ella war schockiert. Nach dem Collegeabschluss hatten sie und ihre Freundin Cathy eine Buchhandlung mit Café eröffnet. Ella hatte sich von Jason das Geld für ihren Anteil geliehen und zahlte ihm seitdem jeden Monat einen Teilbetrag zurück. Nach zweieinhalb Jahren war sie immer noch so arm wie eine Kirchenmaus und konnte es sich weder leisten, bei ihren Eltern auszuziehen, noch, sich ein Auto zu kaufen. Der Laden lief nicht schlecht, aber Luxus war nicht drin. Cathy, das einzige Kind wohlhabender Eltern, war viel besser dran, weil sie nicht allein von den Erlösen leben musste.

„Du hast mich absichtlich getäuscht!“, rief Ella wütend. „Ich hätte das Geld nie angenommen, wenn ich gewusst hätte, dass es von Zarif stammt, das weißt du ganz genau!“

„In deiner Lage konntest du es dir nicht erlauben, wählerisch zu sein. Du konntest froh sein, überhaupt Geld zu bekommen.“

„Wenn es wirklich stimmt, dass mein Anteil am Laden von Zarifs Darlehen stammt, dann bin ich offensichtlich mehr in die Sache involviert, als mir bewusst war.“ Mit zittrigen Beinen ließ Ella sich auf einen Stuhl sinken. „Aber du kannst mir nicht allen Ernstes die Schuld daran geben, dass du das Geld für neue Büroräume und Inventar ausgegeben hast und es jetzt nicht zurückzahlen kannst.“

Jasons Blick war vernichtend. „Nicht? Als ich das Geld bekommen habe, hätte ich nie damit gerechnet, es je zurückzahlen zu müssen!“, wiederholte er. „Wenn du Zarif geheiratet hättest, hätte er nie von mir verlangt, es zurückzuzahlen! Klar gebe ich dir die Schuld an diesem ganzen gottverdammten Alptraum! Ohne dich wären wir jetzt nicht in dieser Situation!“

Wütend sprang Ella auf. „Das ist nicht fair! Von dem Moment an, als du das Geld hattest, hast du nicht nur gelogen, sondern auch auf viel zu großem Fuß gelebt! Du hast das Gesetz gebrochen, indem du Mums und Dads Unterschrift gefälscht hast, um eine weitere Hypothek auf dieses Haus aufzunehmen. Du hast uns alle getäuscht, weil du uns nicht gesagt hast, was wirklich mit der Firma los ist. Wag es ja nicht, mir auch nur irgendetwas davon in die Schuhe zu schieben!“

„Du bist selbstsüchtig und kurzsichtig!“, gab Jason zurück. Sei Gesicht war knallrot vor Wut. „Du bist diejenige, die Zarifs Freundschaft mit unserer Familie zerstört hat und uns in diese demütigende Lage gebracht hat. Deshalb solltest du auch zu ihm gehen und ihn um einen Zahlungsaufschub bitten.“

Ella war fassungslos. „Ich soll zu ihm gehen? Du willst allen Ernstes, dass ich Zarif aufsuche?“

„Wer denn sonst?“ Jason verzog verächtlich die Lippen. „Männer sind immer verständnisvoller, wenn eine Frau sie um einen Gefallen bittet, und Zarif bereitet es bestimmt große Genugtuung, wenn du auf allen vieren bei ihm angekrochen kommst.“

Ella wurde erst rot und dann blass. „Niemals! Ich könnte es nicht ertragen, ihn wiederzusehen“, erklärte sie, auch wenn es ihr peinlich war, das zuzugeben. Drei Jahre war das alles jetzt her, aber sie war immer noch nicht über Zarif hinweg.

„Tja, unter den gegebenen Umständen wird er mich kaum empfangen, aber dich schon“, prophezeite Jason. „Und du musst dafür noch nicht mal in sein gottverlassenes Land reisen. Er hat gerade irgendein schickes Forschungsgebäude in Oxford gestiftet und hält dort übermorgen eine Rede.“

Ellas schönes Gesicht war noch immer kreidebleich. „Das spielt keine Rolle, da ich ihn nicht sehen will.“

„Noch nicht mal, um Mummy und Daddy aus diesem Alptraum zu erlösen? Sieh den Tatsachen doch endlich ins Auge – du bist gerade ihre einzige Hoffnung. Vorausgesetzt natürlich, dass Zarif hinter seiner steifen Fassade eine sentimentale Ader hat.“

„Ich bin nicht diejenige, die hinter Mums und Dads Rücken eine Hypothek aufgenommen hat“, protestierte Ella, fragte sich jedoch insgeheim, ob sie sich nicht doch selbstsüchtig verhielt, wenn sie ihren Eltern nicht half. Auf der anderen Seite hatte sie keine Lust, sich von Jason manipulieren zu lassen. Sein Vorschlag war nichts weiter als ein letzter verzweifelter Versuch, die Situation zu retten. Glaubte er denn allen Ernstes, dass Zarif sie empfangen würde?

Andererseits hatte Zarif ihre Eltern immer gemocht und vermutlich keine Ahnung, dass Jason sein Darlehen verschwendet und damit sich selbst und seine Eltern finanziell ruiniert hatte.

„Dir ist wohl immer noch nicht klar, was du angerichtet hast, als du Zarifs Antrag abgelehnt hast!“, sagte Jason bitter. „Mit Zarifs Unterstützung wäre ich aus allem raus.“

„Wenn auch nicht durch eigene Bemühungen“, murmelte Ella.

„Was hast du gesagt?“, fragte Jason drohend.

Entschlossen ging Ella im Bogen um ihn herum durch die Tür. „Nichts … ich habe nichts gesagt“, log sie. „Wir sind beide zu müde und zu gestresst für diese Diskussion. Ich gehe jetzt ins Bett.“

„Du selbstsüchtige dumme Kuh, Ella!“, zischte Jason hinter ihr. „Du hättest alles haben können, und was hast du jetzt? Den halben Anteil an einer Buchhandlung von der Größe eines Kleiderschranks!“

Ella versteifte sich und drehte sich um. „Immerhin habe ich noch meine Integrität“, erklärte sie würdevoll und hob trotzig das Kinn.

Als sie jedoch eine halbe Stunde später erschöpft im Bett lag, wurde ihr bewusst, dass das nicht stimmte. Ob es ihr gefiel oder nicht, sie war persönlich stärker in den finanziellen Ruin ihrer Familie involviert als gedacht. Da sie es sich nicht leisten konnte, das restliche Geld auf einmal zurückzuzahlen, gehörte Zarif auch die Hälfte ihres Buchladens

Doch Jasons zweite Anschuldigung hatte sie noch tiefer getroffen. Es war zweifellos ihre Schuld, dass Zarif sich von der Gilchrist-Familie zurückgezogen hatte. Es war nur verständlich, dass er Ella oder ihre Familie nach ihrer Abfuhr nie wieder besucht hatte. Bisher hatte Ella deswegen nie ein schlechtes Gewissen gehabt, aber jetzt schon.

So schwer es ihr auch fiel, sie musste Jason zugestehen, dass er vermutlich wirklich nie damit gerechnet hatte, Zarifs Darlehen zurückzahlen zu müssen. Offensichtlich hatte er schon lange gewusst, dass Zarif ernste Absichten in Bezug auf seine Schwester hatte und entsprechende Pläne gemacht. Hatte er das Geld nur deshalb so leichtsinnig verschwendet, weil er davon ausgegangen war, damit machen zu können, was er wollte?

Ella verzog das Gesicht, als ihr bewusst wurde, dass die Last der Verantwortung jetzt allein auf ihren Schultern ruhte. Sie war nicht mehr die unschuldige Nebenfigur, für die sie sich so lange gehalten hatte. Ihre Beziehung mit Zarif hatte Jasons Einstellung zum Darlehen zweifellos beeinflusst.

Noch während ihrer Beziehung mit Zarif hatte ihr Bruder die neuen Büroräume für die Firma ihres Vaters angemietet und zusätzliches Personal angestellt. Damals hatte er tatsächlich noch guten Grund für seine Annahme gehabt, dass er das Geld nie würde zurückzahlen müssen …

Ein hartnäckiges Klingeln an der Eingangstür riss Ella aus einem unruhigen Schlaf. Beunruhigt stand sie auf, streifte sich ihren Morgenrock über und eilte hinunter.

Der beste Freund ihres Vaters, Jonathan Scarsdale, stand auf der Schwelle. „Bei euch war ständig besetzt“, sagte er entschuldigend. „Ich dachte, dann komme ich lieber persönlich vorbei, um mit dir zu reden.“

Ella warf einen Blick auf den Telefontisch und stellte fest, dass das Telefon sich nicht in der Ladestation befand.

„Nein, mach dir keine Gedanken“, beruhigte sie ihn. Die besten Freunde ihrer Eltern, Jonathan und Marsha, waren ihr schon seit ihrer Kindheit vertraut. „Ich bin froh, dich zu sehen. Komm doch rein.“

„Das wäre vielleicht wirklich besser“, stimmte der ältere Mann bekümmert zu. „Obwohl ich dir nur ungern noch schlechtere Nachrichten überbringe.“

„Geht es um Mum?“ Ella keuchte erschrocken auf.

„Nein, Ella, deiner Mutter geht es gut“, versicherte Jonathan ihr rasch. „Aber dein Vater hat mich aus dem Krankenhaus angerufen. Er war so aufgelöst, dass ich sofort zu ihm gefahren bin, obwohl ich wirklich nicht wusste, wie ich ihm helfen kann.“

Ella führte Jonathan besorgt ins Wohnzimmer. „Dad war dir bestimmt trotzdem dankbar.“

„Ich muss mit dir über ihn reden. Ich fürchte, er hatte einen Nervenzusammenbruch. Jasons Missbrauch seines Vertrauens, der Herzinfarkt deiner Mutter und die ganze Situation … seine Probleme wachsen ihm gerade über den Kopf. Ich habe Marsha angerufen, und sie ist sofort gekommen und hat mit ihm gesprochen. Sie hat vorgeschlagen, dass Gerald für eine Weile bei uns im Pflegeheim bleibt, bis er sich wieder beruhigt hat.“

„Dad … ein Nervenzusammenbruch?“, wiederholte Ella bestürzt. „Aber dafür ist er gar nicht der Typ.“

„Es gibt keinen Typ für so etwas, Ella. Jeder kann einen Zusammenbruch haben. Es tut mir leid, dass du jetzt allein mit allem dastehst.“

„Aber ich bin nicht allein … ich habe Jason“, protestierte sie und wich dem mitleidsvollen Blick des älteren Mannes verlegen aus.

Sie stand immer noch unter Schock, nachdem sie sich bei Cathys Vater für seine Hilfe bedankt hatte und wieder ins Bett gegangen war. Bei der Vorstellung, dass jetzt auch noch ihr Vater ausfiel, bekam sie Panik.

Okay, es hatte keinen Zweck mehr, sich gegen das Unvermeidliche zu sperren. Wenn sie einen Weg aus der Krise finden wollte, blieb ihr keine andere Wahl. Sie musste Zarif um ein Treffen bitten.

2. KAPITEL

Ella parkte den Wagen ihrer Mutter mehr als vorsichtig ein. Sie stand so unter Stress, dass sie Angst hatte, am Steuer einen Fehler zu machen, und noch mehr Probleme konnte sie gerade beim besten Willen nicht gebrauchen.

Die Besuche bei ihren Eltern am Morgen waren alles andere als beruhigend gewesen. Ihr Vater war unter dem Einfluss von Medikamenten zwar viel ruhiger als am Tag zuvor, hatte jedoch eine seltsame Distanz zu den Ereignissen, die zu seinem Zusammenbruch geführt hatten. Er hatte sie noch nicht mal erwähnt. Gott sei Dank machte Gerald sich die größten Sorgen um seine Frau, und wenigstens dahingehend hatte Ella ihn beruhigen können.

Leider hatte auch Jennifer Gilchrist nicht über die Ereignisse sprechen wollen, die ihrem Herzinfarkt vorangegangen waren. Ella fühlte sich daher völlig im Stich gelassen, auch wenn sie wusste, dass ihre Eltern ihr gerade beim besten Willen nicht helfen konnten. Die Verantwortung lastete schwer auf ihren Schultern. Mehrere wütende Angestellte hatten sie bereits angerufen, weil sie ihr Gehalt nicht bekommen hatten und nicht wussten, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollten.

Jason hatte bisher nichts weiter getan, als einen früheren Kommilitonen anzurufen, um herauszufinden, wo Zarif sich vor seiner Rede an der Universität aufhielt. Über verschlungene Wege gelang es ihm dann tatsächlich, einen Termin für Ella bei Zarif zu vereinbaren. „Zarif legt großen Wert auf Familienzusammenhalt und wird daher Verständnis dafür haben, wie schlimm das alles für uns ist“, hatte er optimistisch verkündet. „Ich bin wahnsinnig erleichtert, dass du endlich zur Vernunft gekommen bist.“

„Findest du nicht, dass du mich begleiten solltest?“, hatte Ella ihn gefragt. „Schließlich hat Zarif dir das Darlehen gewährt und nicht mir. Ich werde ihm keine geschäftlichen Fragen beantworten können.“

Jason war stur geblieben. „Glaub mir, du bist die geeignetste Gesprächspartnerin unserer Familie.“

Doch leider fühlte Ella sich dieser Herausforderung absolut nicht gewachsen. Ihr war nur allzu schmerzlich bewusst, dass die Zuneigung, die Zarif einst für sie empfunden haben mochte, an dem Tag erloschen war, an dem sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. Um ihm damals nicht ihre wahren Gefühle zu gestehen, waren ihr nur lahme Ausreden eingefallen. Innerlich krümmte sie sich immer noch vor Verlegenheit, wenn sie daran zurückdachte. Sie konnte Zarif al-Rastani wirklich keinen Vorwurf daraus machen, so konsequent reagiert zu haben.

Er war ein geborener Herrscher und daher kein Nein gewohnt. Sie mochte das übersehen haben, als er in England war, aber an dem Tag ihres Neins hatte sein extrem gesundes Ego deutlich sichtbar unter ihrer Zurückweisung gelitten.

Natürlich hatte er nichts gesagt oder getan, das man auch nur ansatzweise als emotional bezeichnen konnte. Zarif war absolut kein emotionaler Typ, während sie ihrerseits viel zu emotional war, um ihm eine gute Frau zu sein. Es war ein trauriger Irrtum ihrerseits gewesen zu vermuten, dass Zarif hinter seiner kühlen Reserviertheit und Selbstdisziplin tiefe Gefühle verbarg, die er nur für sich behielt.

Während sie sich bis über beide Ohren in ihn verliebt und ihn mit jeder Faser ihres Seins begehrt hatte, hatte sie ihn im Grunde kaltgelassen. Er hatte sie nicht geliebt, sondern sie nur begehrt – und er hatte einen männlichen Nachkommen gewollt.

Hätte Jason gewusst, wie substanzlos ihre Beziehung mit Zarif gewesen war, hätte er sich vermutlich gar nicht erst Hoffnungen gemacht, dass seine Schwester ihn vor den Konsequenzen seiner Extravaganz bewahren würde.

Als Ella jetzt das imposante, in ein Hotel umgewandelte Herrenhaus betrat, fiel ihr ein, dass Jason ihr erzählt hatte, dass Zarif und sein Hofstaat das gesamte obere Stockwerk bewohnten.

„Miss Gilchrist?“ Ein schlanker Araber mit Ziegenbart fing sie ab, noch bevor sie an der Rezeption angekommen war. „Ich bin Hamid, der persönliche Assistent des Königs. Ich habe mit Ihrem Bruder telefoniert. Ihre Majestät wird Sie oben empfangen.“

Während Hamid tapfer über das Wetter sprach, ohne sich von Ellas einsilbigen Antworten entmutigen zu lassen, wischte sie sich verstohlen die feuchten Handflächen an ihrem langen Rock ab. Sie wünschte, sie würde ein richtiges Kostüm tragen statt ihrer normalen Freizeitkleidung, aber sie besaß keine formellen Sachen. Wenigstens hatte sie den Rock mit einer weißen Bluse kombiniert. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ein nervöser Schauer lief ihr über den Rücken. Sie atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen.

Hamid öffnete eine Tür. „Miss Gilchrist“, kündigte er sie an.

Schon nach wenigen Schritten sah Ella ihn – und blieb abrupt stehen. Zarif war wirklich eine umwerfende Erscheinung: eins neunzig groß, schlank und muskulös. Ellas Meinung nach war er bei Weitem attraktiver als seine beiden ebenfalls äußerst gut aussehenden Halbbrüder, die sie vor Jahren flüchtig kennengelernt hatte.

Zarif hatte die gelbbraunen Augen eines Löwen, über denen sich edle schwarze Brauen wölbten. Eine schmale gebogene Nase saß zwischen exotisch hohen Wangenknochen. Ein markantes Kinn und ein wundervoll sinnlicher Mund ergänzten seine männlichen Gesichtszüge. Ella musste nachts oft an diesen Mund denken. Manchmal sehnte sie sich noch immer nach seinen Küssen.

Bei der Erinnerung daran überlief es sie heiß. Sie konnte sich noch allzu gut daran erinnern, wie sehr seine Zurückhaltung sie frustriert hatte. Sie war Jungfrau gewesen, hätte ihm ihre Unschuld aber jederzeit geopfert, wenn er sie darum gebeten hätte … Und wenn sie heute immer noch Jungfrau war, dann nur deshalb, weil sie nie wieder einen Mann kennengelernt hatte, der auch nur annähernd eine ähnliche Wirkung auf sie gehabt hätte.

„Hallo, Eleonora“, murmelte er zur Begrüßung. Seine tiefe klangvolle Stimme jagte Ella einen weiteren Schauer über den Rücken. Sein Akzent war kaum hörbar; er hatte Englisch von seiner britischen Großmutter gelernt.

Sie schluckte. „Hallo, Zarif“, antwortete sie steif.

Zarif musterte sie unter halbgeschlossenen Lidern. Er hatte als Kind ein altes Märchenbuch besessen, in dem eine schöne blonde Prinzessin in einem Turm abgebildet gewesen war. Er hatte sich schon öfter gefragt, ob das vielleicht die geheime Ursache seiner früheren Besessenheit von Ella Gilchrist gewesen war. Sie war eine typisch englische Schönheit mit zarter Porzellanhaut, blauen Augen und langem welligen Haar, das wie goldener Honig glänzte. Trotz ihrer schlanken mittelgroßen Figur hatte sie überraschend weibliche Kurven und bewegte sich so anmutig wie eine Tänzerin.

Beim Anblick ihrer vollen Lippen reagierte sein verräterischer Körper sofort. Wut flackerte in ihm auf. Irgendwie brachte sie es immer fertig, nicht nur weiblich, sondern zugleich völlig natürlich und unberührt zu wirken, wobei Letzteres selbstverständlich ausgeschlossen war. Ganz bestimmt hatte sie die Rolle des scheuen Rehs damals nur gespielt. Auch ihr Leben musste weitergegangen sein, genauso wie seins, auch wenn er nur ungern daran zurückdachte, wie er sein Leben seit ihrer Zurückweisung verbracht hatte. Aber nur Ella Gilchrist war schuld daran, dass er gegen seine Prinzipien verstoßen hatte.

Bei der Erinnerung an die Fehler, die er in den letzten drei Jahren gemacht hatte und die seine Ehre besudelten, wand er sich innerlich vor Scham. Doch seiner Meinung nach stand fest, dass Ella nur mit ihm gespielt hatte, um ihr eigenes Ego mit seinem Heiratsantrag aufzupolieren. Sie hatte nie auch nur ernsthaft in Erwägung gezogen, ihn anzunehmen.

Diese Erklärung war zumindest die einzige, die irgendeinen Sinn für ihn machte.

„Willst du dich nicht setzen?“, fragte er kühl. „Womit kann ich dir helfen?“

Offensichtlich stellte Zarif sich absichtlich dumm. Oder war es möglich, dass er keine Ahnung hatte, in welcher Lage ihre Familie sich befand?

Ella nahm auf einem Sessel Platz und beschloss, direkt zur Sache zu kommen. „Ich habe erst diese Woche gehört, dass du Jason vor einigen Jahren ein großzügiges Darlehen gewährt hast. Warum wusste ich bisher nichts davon?“

„Weil es dich nichts anging.“

Ella versteifte sich. „Trotzdem hätte ich gern davon erfahren. Jason ohne irgendwelche Auflagen eine Million Pfund zu geben ist, als würde man einen Fuchs in einen Hühnerstall setzen und darauf vertrauen, dass er auf die Hühner aufpasst.“

Zarif presste missbilligend die Lippen zusammen. „Du bist nicht gerade loyal deinem Bruder gegenüber.“

„Wie loyal wärst du denn, wenn einer deiner Brüder die Firma deines Vaters in den Ruin getrieben und deine Eltern praktisch obdachlos gemacht hätte? Im Moment mache ich mir Sorgen um sie, nicht um Jason!“

Zarif starrte Ella verblüfft an. Es war schon sehr lange her, dass man so respektlos mit ihm umgegangen war. Wahrscheinlich war Ella sogar die Letzte gewesen, die sich so etwas herausgenommen hatte. Ihre Frechheit erregte seinen Zorn, amüsierte ihn jedoch auch ein bisschen. Ihr Verhalten war völlig ungewöhnlich in seiner Welt, wo ihm praktisch jeder schmeichelte und ihm zu Gefallen sein wollte. Er presste die Lippen zusammen. „Mir war nicht bewusst, dass deine Eltern involviert sind.“

„Sie waren seit dem Moment involviert, als Jason Partner in Dads Firma wurde. Mein Vater war so stolz deswegen, dass er Jason völlig freie Hand gelassen hat.“

„Mein Finanzmanager hat mir schon mitgeteilt, wie das Darlehen verwendet wurde.“

„Dann war es offensichtlich völlig überflüssig, mich zu fragen, wobei du mir helfen kannst“, erwiderte Ella hitzig. „Du hast dich nur auf meine Kosten amüsiert.“

„Habe ich das?“, gab Zarif spöttisch zurück und musterte ihr ausdrucksvolles schönes Gesicht, in dem er lesen konnte wie in einem Buch. In diesem Augenblick erkannte er Wut, Abneigung und das Gefühl der Demütigung darin.

Zarif machte sich nur wenige Illusionen über den Charakter seines früheren Freundes Jason. Zarif hätte ihre Freundschaft schon viel früher beendet, wenn er sich nicht so zu Ella hingezogen gefühlt hätte.

Sein Blick wurde kalt, als er an den Tag zurückdachte, an dem alles vorbei gewesen war. Schon allein die bloße Erinnerung daran verletzte seinen Stolz. Ella hatte ihn gedemütigt, sein Land und sein Volk beleidigt und seinem Selbstwertgefühl einen gehörigen Schlag versetzt, auch wenn er das noch nicht mal unter Folter zugeben würde.

„Ich finde schon“, bestätigte Ella schonungslos. Dabei fiel ihr auf, dass Zarifs lange dunkle Wimpern Schatten auf seine Wangenknochen warfen, als er sie ansah. Seine etwas schräge Kopfhaltung war ihr seltsam vertraut. So hatte er sie schon früher immer angesehen, wenn er ihr zugehört hatte.

Als ihr bewusst wurde, dass sie ihn anstarrte, wandte sie errötend den Blick ab. Unvorstellbar, dass sie Zarif damals von ganzem Herzen geliebt hatte. Sie hätte absolut alles für ihn getan, und wie hatte er reagiert? Er hatte sie tief verletzt und ihr Selbstwertgefühl so untergraben, dass sie sich bis heute nicht davon erholt hatte. Die Art, wie er ihr seinen Heiratsantrag gemacht hatte, war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen.

„Als ich Jason das Darlehen gab, wollte ich mich nur großzügig erweisen“, erklärte Zarif. „Er hatte gerade seinen Arbeitsplatz verloren, und an deinen Eltern war das auch nicht spurlos vorübergegangen. Ich wollte euch einfach helfen.“

„Das mag ja sein, aber so einfach ist das nicht. Jason hätte eher einen neuen Job als Geld gebraucht. Das Darlehen hat ihn nur in Versuchung geführt, seine Fantasien von einem eigenen Imperium umzusetzen.“

„Vor allem hat er damit seine Privatschulden getilgt, wovon ich nichts wusste und was den Bedingungen für das Darlehen zuwiderlief“, ergänzte Zarif kalt. „Dein Bruder hat das meiste Geld verschwendet, unter anderem für einen neuen Porsche und einen Range Rover. Ich kann das nicht einfach so auf sich beruhen lassen.“

„Das ist ja alles gut und schön, aber was haben meine Eltern damit zu tun?“, fragte Ella ungeduldig. „Sollen Sie etwa für Jasons Fehler büßen?“

„Diese Frage kann ich nicht beantworten. Sie haben Jason großgezogen und ihm ihre Werte vermittelt. Sie müssen doch gewusst haben, was lief. Schließlich kennen sie ihn am besten.“

„Nein, sie kannten nur den Sohn, den sie in ihm sehen wollten, nicht den Mann, der er tatsächlich ist! Meine Eltern sind seinetwegen am Boden zerstört.“

Die darauffolgende spannungsgeladene Stille wurde von einem Klopfen unterbrochen. Ein Kellner mit einem Tablett trat ein. Ella holte tief Luft, um ihre Emotionen zu zügeln. Kaffee wurde in zarten Porzellantassen serviert und Kuchen angeboten, doch sie hatte keinen Appetit. Als der Kellner ging, musterte sie Zarif verstohlen und verfluchte seine Undurchschaubarkeit. Warum sah man ihm eigentlich nie an, was in ihm vorging?

„Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, was du von mir willst“, murmelte Zarif. Seine Körpertemperatur stieg, als Ella sich vorbeugte und dabei unabsichtlich ihren Brustansatz zeigte.

Welche Ironie, dass er in diesem Moment genau das von ihr wollte, was er vor drei Jahren schon hätte bekommen können. Doch damals war er noch viel zu unerfahren gewesen, was Frauen anging. Er hatte nie mit einer anderen Frau geschlafen als mit der, die er mit achtzehn Jahren geheiratet hatte. Er hatte Ella begehrt, hatte es jedoch für unehrenhaft gehalten, vor der Ehe mit ihr zu schlafen. Dank ihrer Zurückweisung war er jetzt jedoch nicht mehr so unerfahren.

Ob sie ihn vielleicht verführen wollte?

„Stell dich nicht so dumm!“, rief Ella empört und sprang auf. „Du weißt ganz genau, dass ich nur wegen meiner Eltern hier bin!“

Zarif ließ den Blick über ihr goldenes Haar und ihre geröteten Wangen gleiten. Ihre saphirblauen Augen blitzten. „Was genau stellst du dir vor? Und was bietest du mir als Gegenleistung?“, fragte er. „Findest du nicht, dass ich mich angesichts des vollständigen Verlusts dieses Darlehens deiner Familie gegenüber schon großzügig genug erwiesen habe?“

Ella spürte, dass ihr das Blut ins Gesicht schoss. Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. „Stimmt, du hast dafür bezahlt … wie wir alle. Aber ich finde immer noch, dass du dir vorher hättest überlegen können, ob du Jason das Darlehen gewährst oder nicht.“

„Du willst mir doch wohl nicht etwa die Schuld für die Unterschlagungen deines Bruders in die Schuhe schieben?“, fragte Zarif gefährlich leise. „Überleg dir gut, was du sagst.“ Seine Augen blitzten auf wie die eines Raubtiers. „Soll ich deiner Familie etwa noch mehr Geld in den Rachen werfen?“

Ella wurde blass. Die Zunge klebte ihr plötzlich am Gaumen. Zarif hatte recht, es wäre völlig vermessen, ihn um Geld für ihre Eltern zu bitten. Warum war sie überhaupt gekommen? Und warum hatte sie sich von Jason zu diesem Besuch überreden lassen?

„Ich bitte dich nur um etwas Mitgefühl, wenn schon nicht für Jason und mich, dann wenigstens für meine Eltern“, sagte sie lahm und wich Zarifs Blick beschämt aus. Für einen Moment lag es ihr auf der Zunge, die gesundheitlichen Probleme ihrer Eltern zu erwähnen, doch sie hielt sich zurück. Sie wollte sich und ihre Familie nicht noch mehr demütigen.

„Hübsch formuliert“, erwiderte Zarif sardonisch. Seine dunklen Augen glitzerten gefährlich. „Du willst also meine Hilfe. Ich frage dich daher noch mal, was ich dafür bekomme.“

Das anschließende Schweigen wurde so erstickend, dass Ella kaum noch Luft bekam. Sie ließ sich zurück in den Sessel fallen und griff hilfesuchend nach ihrer Kaffeetasse. „Was du bekommst? Was auch immer ich dir bieten kann“, murmelte sie mit zittriger Stimme. Zu ihrer Beschämung wurde ihr bewusst, dass sie ihm außer Dankbarkeit nichts zu bieten hatte.

„Was meinst du damit?“, fragte Zarif lässig. „Sex?“

Ella errötete bis unter die Haarwurzeln. Ihre rechte Hand zitterte so, dass ihre Kaffeetasse wackelte.

„Sex kann ich jederzeit und überall bekommen“, fügte Zarif hinzu.

„Ich hatte nicht die Absicht, dir welchen anzubieten“, sagte Ella so würdevoll, wie sie konnte. Zarifs Arroganz war unerträglich, auch wenn er vermutlich recht hatte. Er sah außergewöhnlich gut aus und war schockierend reich, mal abgesehen von der Tatsache, was für ein Kick es für viele Frauen wäre, mit einem König ins Bett zu steigen. Ella konnte sich gut vorstellen, dass die Frauen bei ihm Schlange standen.

Zarif war überrascht, als er sah, wie heftig Ella errötete. Für einen Moment kam seine Meinung über sie ins Schwanken. Wollte sie ihn vielleicht doch nicht verführen? Seiner Libido war das jedoch egal. Er wollte sie so oder so, ganz egal, wie würdelos das war.

Diese Erkenntnis war ein echter Schock für ihn. Sex war für ihn so leicht zu haben, dass er für ihn nichts Besonderes war. Doch beim Anblick von Ella Gilchrist vibrierte sein ganzer Körper vor Begierde.

Rasch verdrängte er seine erregenden Fantasien. Er brauchte eine Frau und ein Kind dringender als eine leidenschaftliche Geliebte – ein Gedanke, bei dem er sich versteifte. Kalte Wut und Verbitterung stiegen wieder in ihm auf. Er verspürte plötzlich den Wunsch, sich an Ella dafür zu rächen, dass sie seinen Stolz verletzt hatte. Nie hatte er eine Frau so begehrt wie sie, und doch war sie die einzige Frau, die er nie bekommen hatte.

Vielleicht ist das das Geheimnis ihrer noch immer ungebrochenen Anziehungskraft, dachte er voller Selbsthass. Doch sobald sie ihm gehörte, würden seine Gefühle für sie unweigerlich in Verachtung umschlagen. Früher oder später würde sie ihn langweilen. Alle Frauen langweilten ihn irgendwann, weil sie so berechenbar waren.

Warum sollte er es sich nicht gönnen, für eine Weile mit ihr zu schlafen, bevor er das Leben begann, das ihn als verheirateter Mann erwartete? Er würde seinen Spaß haben und danach seine Pflicht gegenüber seinem Land erfüllen, indem er heiratete und Kinder bekam. „Das ist aber schade“, sagte er gedehnt. „Denn Sex ist das Einzige, das ich von dir will.“

Ella traute kaum ihren Ohren. War das sein Ernst? Wie konnte er nur so schamlos sein? Wieder schoss ihr das Blut ins Gesicht. Sie zwang sich dazu, tief durchzuatmen. „Ich kann kaum glauben, was ich da höre.“

„Ich mag ja viele Fehler haben, aber auf eins kannst du dich verlassen: Ich sage immer die Wahrheit.“

Ella erstarrte bei diesen Worten. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, was er bei seinem Heiratsantrag zu ihr gesagt hatte – dass er sie nicht liebte und nie lieben würde –, Worte, die sie damals tief gedemütigt und einen Schatten über ihre gemeinsame Zeit geworfen hatten. Sie hatte sich danach oft gefragt, ob es nicht rücksichtsvoller von ihm gewesen wäre zu lügen, aber dann wäre sie vermutlich sehr unglücklich in der Ehe mit ihm geworden.

„Ich will mit dir schlafen“, gab Zarif ungerührt zu. „Als Gegenleistung würde ich die finanzielle Situation deiner Eltern auf den Status bringen, die sie vor Jasons Teilhaberschaft gehabt hat.“

Ich will mit dir schlafen. Ella wurde so heiß, dass sie unbehaglich ihre Sitzposition veränderte und hastig die Fantasien verdrängte, die in ihr aufstiegen. Errötend konzentrierte sie sich auf Zarifs zweifellos handgefertigte Lederschuhe und beschloss, ihre Irritation vor ihm zu verbergen. Sie unterdrückte den Impuls, ihn zu fragen, ob er einen Witz machte. Eine Alternative wäre auch, eine Szene zu machen und hinauszustürmen, doch dazu war sie zu pragmatisch veranlagt. Ihr war nur allzu bewusst, dass Zarif al-Rastani der einzige Mensch auf der Welt war, der ihrer Familie helfen konnte.

„Das ist eindeutig ein immoralisches Angebot“, stellte sie daher nur fest. „Du verlangst von mir, mich zu verkaufen?“

„Ich biete dir einen Ausweg. Die Entscheidung liegt natürlich bei dir“, erwiderte Zarif und unterdrückte einen Anflug schlechten Gewissens. Ein letzter Akt der Rebellion, rief er sich ins Gedächtnis. Außerdem hatte Ella es nicht anders verdient. Vor drei Jahren hatte sie Spielchen mit ihm gespielt, indem sie ihm mit ihrer Leidenschaft und ihrer Schönheit gelockt hatte und ihm den falschen Eindruck vermittelt hatte, dass er ihr etwas bedeutete.

„Und wie lange soll dieses … Arrangement andauern?“, fragte Ella mit gepresster Stimme. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass sie nach drei Jahren Funkstille jetzt plötzlich dieses Gespräch führten.

„Ein Jahr“, murmelte Zarif zu seiner eigenen Überraschung. Bisher hatte sich noch keine seiner Geliebten so lange gehalten. Sein Interesse an Frauen erlahmte immer schon nach ein paar Wochen. Flüchtig spielte er mit dem Gedanken, Ella mit nach Dubai zu nehmen, aber dann würde wahrscheinlich die Presse Wind davon bekommen. Nein, das war keine gute Idee. Es sei denn … „Um den äußeren Schein zu wahren, werden wir heiraten“, fügte er ohne zu zögern hinzu.

„Heiraten?“, fragte Ella fassungslos.

„Ich will keinen Skandal, und eine Ehe wirkt seriöser, selbst wenn wir uns nach einem Jahr scheiden lassen. Außerdem werde ich dich dann jederzeit sehen können“, ergänzte Zarif glatt. Seine Entscheidung stand fest. Wenn er Ella heiratete, würde er weder irgendwelche Regeln überschreiten noch sie ausnutzen. War es nicht wundervoll, wie schnell sich Probleme in Luft auflösten, wenn man etwas unkonventionell dachte?

Ella fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Mit wackligen Beinen stand sie auf und stellte ihre Kaffeetasse ab. Sie sollte Zarif heiraten? Genau das tun, was sie vor drei Jahren abgelehnt hatte? Erschreckende Vorstellung! „Das kann ich nicht.“

Zarif spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. Seine goldgelben Augen blitzten gefährlich auf. „Ich gebe dir zwölf Stunden Zeit, deine Entscheidung zu treffen“, sagte er kalt. „Wenn du mich innerhalb dieses Zeitraums nicht anrufst, gehe ich davon aus, dass das Nein bedeutet.“

Ella stand da wie erstarrt und sah Zarif aus großen Augen an. In ihrem Kopf drehte sich alles. Es wäre keine gute Idee, die einzige Option abzulehnen, mit der sie ihren Eltern helfen konnte. „Zwölf Stunden sind lächerlich wenig“, sagte sie, um Zeit zu schinden.

„Zwölf Stunden sind mehr als großzügig.“

Ella wurde blass. „Warum tust du das?“, flüsterte sie. „Du weißt doch sowieso, dass du gewonnen hast.“

Nur Zarif hatte die Macht, die Uhr zurückzudrehen und das Leben ihrer Eltern wieder in die geordneten Bahnen zu lenken, in denen es vor Jasons Teilhaberschaft verlaufen war. Auch die Angestellten ihres Vaters würden ihre Jobs behalten können. Konnte sie ein solches Angebot wirklich ablehnen und damit alle anderen in den Abgrund reißen? Schließlich betrafen die Nachteile des von Zarif vorgeschlagenen Arrangements nur sie allein. Es wäre ihr persönliches Opfer.

Zarif schlenderte mit der raubtierhaften Anmut eines schwarzen Panthers auf sie zu. „Habe ich denn gewonnen?“

„Ich kann ein solches Angebot ja wohl schlecht ablehnen, oder?“, sagte Ella mit zittriger Stimme. „Meine Eltern haben nicht verdient, was sie gerade durchmachen müssen. Es ist schlimm genug für sie, Jasons wahres Ich zu sehen, da müssen sie nicht auch noch den finanziellen Ruin hinnehmen.“

Zarif nahm ihre linke Hand und zog sie an sich. „Dann wirst du mich also heiraten?“

„Das wird niemals funktionieren … noch nicht mal ein Jahr lang“, protestierte Ella schwach. „Ich passe einfach nicht in dein Leben.“

Forschend sah Zarif sie an. „In mein Bett wirst du hervorragend passen“, versicherte er ihr.

Panik stieg in Ella auf, als ihr wieder bewusst wurde, worum es ihm wirklich ging. Als sie zu ihm aufblickte, senkte er den Kopf und streifte einen ihrer Mundwinkel sanft mit den Lippen. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Sie erschauerte vor Erregung, als ihr sein Duft in die Nase stieg – ein Hauch exotischer Gewürze mit einer angenehm männlichen Note –, vertraut und gefährlich zugleich.

Zarif berührte hauchzart ihre Lippen mit den seinen, öffnete mit der Zunge ihren Mund und erforschte ihn auf sehr erotische Art. Erst dann presste er seine Lippen leidenschaftlich auf ihren Mund. Ella hatte das Gefühl, vom Blitz getroffen zu werden, so heftig explodierte das Verlangen in ihr. Ihr zitterten die Knie, und ihre Brustknospen wurden hart.

Zarif hob den Kopf und holte tief Luft, bevor er sie besitzergreifend ansah. „In der Tat, du wirst in mein Bett passen, als seist du dafür geboren.“

Wut flackerte in Ella auf. Am liebsten hätte sie ihn ins Gesicht geschlagen, als ihr bewusst wurde, dass sie gerade die Kontrolle verloren und alles um sich herum vergessen hatte. Und das nur, weil Zarif sie direkt in jene beunruhigende Welt erregender Empfindungen befördert hatte, die sie schon fast vergessen hatte.

Bei der Vorstellung, dass sie in den letzten drei Jahren mit mehr als nur einem attraktiven Mann ausgegangen war, ohne auch nur die geringste Anziehung zu verspüren, hätte sie weinen können, zumal der kurze Kuss auf Zarif bestimmt längst nicht den gleichen Eindruck gemacht hatte wie auf sie. „Nicht ich wurde für dein Bett geboren, sondern Azel“, sagte sie.

Beim Klang dieses Namens erstarrte Zarif und sah Ella kalt an. „Ich verbiete dir, den Namen meiner verstorbenen Frau oder den unseres Kindes je wieder zu erwähnen“, sagte er drohend.

Tja, jetzt bestand zumindest kein Zweifel daran, welchen Rang Ella einnahm, was die Zuneigung ihres künftigen Mannes betraf. Genau deshalb hatte sie ihn ja nicht geheiratet, trotz ihrer Gefühle für ihn.

Auch sieben Jahre nach ihrem Tod besaß Azel noch immer Zarifs Herz.

3. KAPITEL

„Nein“, sagte Ella entschlossen zu ihrem Bruder. „Wenn du Zarif etwas fragen willst, dann geh gefälligst selbst zu ihm.“

„Und was soll das bringen? Du heiratest den Typen schließlich, verdammt noch mal!“, rief Jason ihr ungeduldig ins Gedächtnis. „Du hast mehr Einfluss auf ihn als alle anderen. Mum und Dad sind völlig aus dem Häuschen. Alle profitieren davon, außer mir.“

Ella wandte den Blick von ihrem Bruder ab. In den letzten drei Wochen war viel passiert. Kaum hatte ihr Vater die Neuigkeit von der bevorstehenden Hochzeit seiner Tochter gehört, hatte er dankbar Zarifs Hilfe angenommen. Zarifs Manager Yaman hatte sich in einem Hotel am Ort einquartiert, und die beiden Männer hatten einen Rettungsplan für die Firma ausgearbeitet.

Doch vom ersten Tag an war Zarifs finanzielle Hilfe an eine Voraussetzung gebunden gewesen: dass Jason sich als Partner aus der Firma zurückzog. Gerald Gilchrist hatte die Bedingung sofort zugesichert, sodass Jason die Firma jetzt offiziell verlassen hatte. Außerdem hatte Gerald darauf bestanden, dass Zarifs Unterstützung nur in Form eines Darlehens gewährt werden würde, das er so schnell wie möglich zurückzahlen würde.

„Tut mir leid, Jason“, sagte Ella jetzt widerstrebend. „Zarif ist ziemlich nachtragend.“

„Ich bin arbeitslos, und Dad verlangt von mir, noch vor deiner lächerlichen Hochzeit hier auszuziehen!“, beschwerte Jason sich. „Was soll ich denn jetzt machen?“

„Sieh dich nach einem Job um, der zu dir passt. Irgendetwas, das nichts mit Finanzen zu tun hat“, schlug Ella vor.

Ihr Bruder stapfte davon. Ellas Mutter Jennifer kam aus der Küche und zuckte beim Geräusch der laut zugeschlagenen Tür im ersten Stock zusammen. „Danke dafür, dass du den Puffer spielst. Ich habe nicht die Geduld, mir Jasons Klagen anzuhören, und will nicht, dass dein Vater sich wieder schuldig fühlt“, sagte sie.

Die ältere Frau war seit dem Herzinfarkt mit Hilfe einer strikt befolgten Diät und viel Bewegung bereits auffallend erschlankt. Ella war stolz, dass ihre Mutter ihren Lebensstil so rasch verändert hatte.

„Ich freue mich ja so auf die Hochzeit“, fügte Jennifer glücklich hinzu. „Es ist wundervoll, mal wieder Grund zum Lächeln zu haben.“

Typisch, dachte Ella resigniert. Ihre Eltern hielten es für wundervoll, dass sie Zarif heiratete, und hatten absolut keinen Verdacht, dass etwas nicht stimmte. Ella hatte ihnen erzählt, dass sie Zarifs ersten Antrag nur deshalb abgelehnt hatte, weil sie sich der Rolle als Königin nicht gewachsen gefühlt hatte, und sie hatten vollstes Verständnis dafür gehabt.

Ähnlich leicht war es gewesen, das ältere Paar davon zu überzeugen, dass Zarif und ihre Tochter bei ihrer Wiederbegegnung festgestellt hatten, dass ihre Gefühle füreinander unverändert waren und sie beschlossen hatten, gleich Nägel mit Köpfen zu machen.

Nur Jason, der davon ausging, dass alle so tickten wie er, dachte, dass seine Schwester Zarif nur wegen seines Geldes heiratete … und auf eine verquere Art tat sie das ja sogar. Die Ehe war der Preis dafür, ihre Eltern vor einem bösen Erwachen zu bewahren, und zwar in einem Alter, wo sie weder die Zeit noch die Kraft für herbe Rückschläge hatten.

Ella war bereit, den Preis dafür zu zahlen.

Als das Telefon klingelte, ging ihre Mutter ran. „Das ist die Hochzeitsplanerin“, sagte sie und reichte das Telefon an Ella weiter.

Ella holte tief Luft. Zarif hatte seinen Assistenten Hamid gebeten, sämtliche Hochzeitsvorbereitungen in die Hände eines erstklassigen Profis zu legen. Verkrampft lächelnd lauschte Ella der Frage, ob die Servietten lila oder pflaumenfarben sein sollten, bevor sie erklärte, dass ihr das völlig egal war.

„Sie sind die unkomplizierteste Braut, für die ich je gearbeitet habe“, sagte die Planerin nicht zum ersten Mal fassungslos.

Nein, Ella war lediglich eine unwillige Braut, die nur ihren Eltern zuliebe den äußeren Anschein wahrte. Sich auch noch um die Vorbereitungen für die Hochzeit zu kümmern ging ihr entschieden zu weit. Eine Frau, die in ihren Bräutigam verliebt war, würde natürlich ihre eigenen Vorstellungen haben, aber Ella war nicht verliebt. Sie war auch nicht mehr die romantische Träumerin, die sie mit einundzwanzig gewesen war, als sie sich vorgestellt hatte, ganz in Weiß den Gang zum Altar hinabzuschreiten, wo Zarif schon auf sie wartete.

Sie ging mit dem Telefon in die gute Stube, die ihre Eltern nur benutzten, wenn sie Gäste empfingen. Als sie sich dort umsah, musste sie wieder an ihren einundzwanzigsten Geburtstag denken – den Abend, an dem Zarif sich zum ersten Mal dazu herabgelassen hatte, sie überhaupt wahrzunehmen.

Zu ihrer Überraschung war er zu ihrer Party gekommen und hatte ihr eine sehr hübsche Silberkette mit passendem Armband geschenkt. Ihr Herz hatte geklopft wie verrückt, als er sie gefragt hatte, ob sie am folgenden Abend mit ihm ausgehen wollte. Ihre kühnsten Träume schienen damals in Erfüllung zu gehen.

Welche Ironie, dass Azel einmal Zarifs erste Liebe gewesen war und Zarif die erste Liebe von Ella! Niemand wusste besser als sie, wie schwer es war, jugendliche Illusionen abzuschütteln. Zarif war in ihr Leben getreten, als sie erst siebzehn gewesen war. Ein Blick auf ihn, und sie war rettungslos verloren gewesen, obwohl er sie nicht im Geringsten ermuntert hatte. Weder hatte er sie angesehen noch mit ihr geflirtet, und trotzdem hatte Ella nur noch für die Wochenenden gelebt, an denen Jason seinen exotischen Freund aus dem Nahen Osten mitbrachte.

Die Jungs in ihrem Alter waren ihr im Vergleich mit Zarif wie unreife Kinder vorgekommen. Zarif hatte fünf Jahre bei der Armee seines Landes gedient, bevor er in England Physik studiert hatte. Sein unglaublich gutes Aussehen, seine vollendeten Manieren und sein exotischer Hintergrund hatten sie über die Maßen fasziniert.

Bei ihrem ersten Date hatte er sie geküsst und war damit noch anziehender für sie geworden. Er hatte Empfindungen in ihr geweckt, die ihr völlig neu gewesen waren; sie hatte sich gefühlt, als würde sie in seinen Armen in Flammen aufgehen. Niemand hatte sich später an ihm messen können, und sein letzter Kuss bewies, dass er noch immer große Macht über sie hatte. Eine Berührung genügte, um in ihr den Wunsch zu wecken, ihm die Kleidungsstücke vom Körper zu reißen …

Seitdem sie Zarifs Heiratsantrag angenommen hatte, hatte Ella erst ein paar Mal mit ihm telefoniert. Er war nach seinem Vortrag nach Vashir zurückgekehrt, während sie mit ihren Eltern – und mit den Hochzeitsvorbereitungen – beschäftigt gewesen war. Sie hatte Cathy dazu überredet, eine Vertretung für sie einzustellen. Sie wollte ihren Anteil am Laden nicht verkaufen, um zumindest noch ihren Job zu haben, wenn sie in einem Jahr nach Hause zurückkehrte.

Aber würde Zarif überhaupt so lange brauchen, bis er ihrer überdrüssig war? Irgendwann würde seine Rache sich schal anfühlen, und was sonst konnte sein Beweggrund sein als Rache? Sie war die Frau, die Nein zu ihm gesagt hatte, was ihren Wert in seinen Augen offensichtlich extrem gesteigert hatte. Hätte sie vor drei Jahren mit ihm geschlafen, würde er sie bestimmt schon längst nicht mehr wollen. Fragte sich nur, was sein Hauptantrieb war – sexuelle Begierde oder der Wunsch nach Rache?

Vor drei Jahren hatte er nicht fassen können, dass sie sich geweigert hatte, ihn zu heiraten. Das war etwas, womit er nie gerechnet hätte. Er hatte ihr nicht abgenommen, dass sie trotz ihrer Gefühle für ihn daran zweifelte, ob sie in seine Welt passte. Diese Bedenken waren echt gewesen, auch wenn sie sie ungeschickt formuliert und Zarif damit tief verletzt hatte. Ausschlaggebend für ihre Ablehnung war jedoch seine enttäuschende Aussage gewesen, dass seine tote Frau und sein Kind seine Fähigkeit zu lieben mit ins Grab genommen hätten.

Ella war erstaunt, dass Zarif sie noch immer begehrte. Fragte sich nur, wie er reagieren würde, wenn er herausfand, dass sie im Bett total unerfahren war. Warum er sie heiraten wollte, war ihr einfach schleierhaft, zumal er offensichtlich nicht die Absicht hatte, eine normale Ehe mit ihr zu führen.

Aber nach einem Jahr würde alles vorbei sein und sie als geschiedene Frau zu ihren Eltern zurückkehren. Ein Jahr geht so schnell vorbei, versuchte sie sich zu beruhigen. Doch dann fiel ihr ein, dass die Zeit nie schnell verging, wenn man unglücklich war. Sie konnte nur hoffen, dass Zarif sich mehr Mühe mit ihrer Ehe geben würde, als es bisher den Anschein hatte.

„Du musst aufstehen“, drängte Cathy und schüttelte Ella.

Schlaftrunken sah Ella ihre beste Freundin an, eine Blondine mit kurzem Haar und hellbraunen Augen. Cathy hatte bei ihr übernachtet, und die beiden Freundinnen waren lange aufgeblieben und hatten sich unterhalten. „Wie spät ist es?“

„Erst sieben“, antwortete Cathy. „Mein Vater hat die Morgenzeitungen vorbeigebracht, und dann begann das Telefon zu klingeln. Du ahnst ja nicht, was hier los ist!“

Ella setzte sich auf und griff nach ihrem Morgenrock. „Wovon redest du? Das hier ist doch mein Hochzeitstag … oder?“, fragte sie benommen.

„Du solltest lieber nach unten gehen. Ich bleibe solange hier“, sagte ihre Freundin mit offensichtlichem Unbehagen. „Mein Vater ist schon wieder nach Hause gegangen. In der Zeitung steht eine unglaubliche Story über dich. Deine Eltern sind völlig durch den Wind. Außerdem warten Reporter in der Einfahrt, und einer von ihnen klingelt Sturm. Es ist mir schleierhaft, dass du davon nicht aufgewacht bist.“

„Das liegt vermutlich an dem vielen Wein, den wir gestern getrunken haben.“ Ella ging ins Bad, um sich rasch frisch zu machen. Als sie im Erdgeschoss ankam, fiel ihr auf, dass sämtliche Vorhänge zugezogen waren. Das Telefon war ausgeschaltet, und das hartnäckige Klingeln an der Tür schien niemand zu beachten.

In der Küche lag eine Zeitung aufgeschlagen auf dem Tisch. Ellas Mutter wischte sich die Tränen aus den Augen, und ihr Vater war rot vor Wut.

„Was, zum Teufel, ist los?“, fragte Ella bestürzt.

„Da, lies“, sagte ihr Vater und zeigte angewidert auf die Zeitung.

Es handelte sich um einen doppelseitigen Artikel im Daily Shout, dem primitivsten Skandalblättchen Englands. Ella hatte keine Ahnung, was man abgesehen von ihren Hochzeitsplänen über sie schreiben konnte.

Als ihr Blick auf die Fotos in dem Artikel fiel, erstarrte sie. „Woher haben sie die?“, flüsterte sie, denn es handelte sich um private Familienfotos. Eins zeigte sie mit acht Jahren im Spanienurlaub, ein anderes als Kleinkind auf dem Arm ihrer Mutter und ein drittes in Schuluniform.

„Jason muss sie aus den Alben in unserem Schlafzimmer genommen haben“, erklärte Jennifer Gilchrist bekümmert. „Das ist die einzig mögliche Erklärung. Niemand anders wusste von diesen Fotos oder hatte Zugang dazu.“

„Warum, zum Teufel, würde Jason seiner Schwester so etwas ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag antun?“, fragte Gerald Gilchrist wütend.

„Weil er verbittert ist und eine solche Story ihm viel Geld bringt“, antwortete Ellas Mutter. „Natürlich hat er die Story mit jeder Menge Lügen gespickt, vermutlich weil er dafür mehr Geld bekam.“

„Das wissen wir noch nicht“, wandte Ellas Vater ein.

„Wie viele Beweise brauchst du denn noch, Gerald? Er ist in eine neue Wohnung gezogen und hat dir per SMS mitgeteilt, dass er seit gestern Ski fahren ist.“ Jennifer Gilchrist seufzte tief. „Woher soll er das Geld für eine so teure Reise sonst haben, wenn er doch angeblich pleite ist?“

Zu ihrer Bestürzung sah Ella ein weiteres Foto von sich selbst in kurzem schwarzen Lederrock und tief ausgeschnittenem Spitzenoberteil mit daran befestigten schwarzen Flügeln. Es stammte von der Halloweenparty vom vergangenen Jahr.

Abgesehen von einem großen Foto von Zarif, auf dem er schrecklich aussah, gab es noch ein Foto eines Mannes, den sie nicht kannte. Unter diesem Schnappschuss stand „Exfreund Matt Barton“. Wer, zum Teufel, war Matt Barton? Erst jetzt warf Ella einen Blick auf die Schlagzeile: SEX-ABENTEUER EINER KÜNFTIGEN KÖNIGIN.

Abenteuer? Was für Abenteuer? Ella drehte sich der Magen um. Sie setzte sich auf einen Stuhl und begann zu lesen. Dieser Matt Barton behauptete doch tatsächlich, dass sie mit ihm zu Sex-Partys gegangen war, und bezeichnete sie als abenteuerlustige Frau mit einem großen Appetit auf Sex und neue Erfahrungen. Unfassbar!

„Sind das alles Lügen?“, fragte ihr Vater. „Ich meine, wer ist dieser Matt Barton überhaupt? Warum haben wir nie von ihm gehört?“

„Vielleicht weil ich auch noch nie von ihm gehört habe. Ich habe ihn noch nie gesehen und bin ganz bestimmt nie mit ihm ausgegangen“, erklärte Ella. „Offensichtlich gehört ihm ein Nachtclub in London, der gerade geschlossen wurde. Jetzt kann ich nur hoffen, dass Zarif diese Zeitung nicht liest.“

Doch diese Hoffnung wurde im Keim erstickt, als ein großgewachsener dunkelhaariger Mann im Anzug an ihre Hintertür klopfte. Als ihr Vater aufsprang, um den mutmaßlichen Reporter wegzujagen, warf Ella einen Blick nach draußen und erstarrte. Zarif stand auf dem Rasen. Offensichtlich hatte er den Hintereingang benutzt, um den Reportern vor dem Haus aus dem Weg zu gehen. „Es ist Zarif“, sagte sie.

„Oh … aber der Bräutigam darf die Braut vor der Hochzeit nicht sehen.“ Jennifer schnalzte missbilligend mit der Zunge, bevor sie die Hintertür aufschloss.

Fünf große kräftige Männer – offensichtlich Bodyguards – umringten Zarif, der in seinem grauen Nadelstreifenanzug genauso umwerfend männlich aussah wie immer. Grimmig marschierte er in die Küche und begrüßte Ellas Eltern knapp, während ihr Vater lautstark die Zeitung zusammenfaltete und sie demonstrativ in den Mülleimer warf. Zarif richtete den Blick auf Ella.

Sie errötete, als ihr bewusst wurde, dass sie barfuß war und noch ihren karierten Pyjama und einen Morgenrock trug. Warum hat er nicht vorher angerufen? dachte sie empört. Immerhin hatte er ihre Handynummer. Oder hatte er sie mit seinem Besuch überraschen wollen? Zweifellos hatte er die Zeitung gelesen. Würde er die Hochzeit jetzt abblasen?

„Ella … können wir reden?“, stieß Zarif hervor und ließ den Blick über ihr zerzaustes goldenes Haar gleiten, das ihr über die Schultern und ins ovale Gesicht fiel.

Sex-Partys!

Noch nie in seinem Leben war er so wütend gewesen! Es gelang ihm nur deshalb, sich zu zügeln, weil er sein ganzes Leben lang eiserne Disziplin geübt hatte. Die bloße Vorstellung, dass andere Männer Ella nackt gesehen hatten, weckte in ihm den Wunsch, jemanden zusammenzuschlagen, auf etwas zu schießen, seine Faust in Wände zu rammen und Blut zu vergießen. Die Vorstellung, dass es womöglich eine ganze Armee von Männern gab, die Ellas schlanken sexy Körper bereits erforscht hatte, machte ihn fertig.

Ella führte ihn in die nur selten benutzte gute Stube und drehte sich zu ihm um. Herausfordernd hob sie das Kinn, als er die Tür hinter sich schloss. Sie ahnte schon, was jetzt kommen würde.

„Ist es wahr?“, fragte Zarif mit gepresster Stimme.

Bingo! Ella war tief enttäuscht, dass er den Schwachsinn in der Zeitung glauben konnte, und sei es auch nur für einen Augenblick. „Welchen Teil meinst du? Meine sexuelle Unersättlichkeit oder die Sex-Partys?“, fragte sie zynisch. „Such dir eins aus. Für mich macht das keinen Unterschied.“

Zarif war schockiert über ihre direkten Worte. „Ich habe ein Recht, die Wahrheit zu erfahren!“

„Nein, du hast keinerlei Rechte, was mich angeht! Noch sind wir nicht verheiratet. Du hast nicht nach meiner Vergangenheit gefragt, als du die Chance dafür hattest, und ich nicht nach deiner. Jetzt ist es ein bisschen zu spät, deine Meinung zu ändern.“

Zarif schloss für einen Moment gequält die Augen. Anscheinend hatte sie einen wunden Punkt bei ihm berührt. Es erfüllte sie mit tiefer Genugtuung, dass es ihr ausnahmsweise mal gelungen war, ihn aus der Fassung zu bringen.

„Leider steht es mir in meiner Position nicht frei, die Vergangenheit einer Ehefrau zu ignorieren“, stieß Zarif hervor und ballte die Hände zu Fäusten.

Ella wollte das Leben ihrer Eltern nicht ruinieren, aber Zarifs Misstrauen machte sie wütend. Auf der anderen Seite konnte sie ihn auch ein bisschen verstehen. Vashir war ein sehr konservatives Land, und eine mit Skandalen behaftete Königin war dort etwa so willkommen wie Schnee in der Wüste. Jason hatte anscheinend nicht richtig nachgedacht. Wie sollte sie sich gegen solche Anschuldigungen zur Wehr setzen? Blieb so etwas nicht immer an einem hängen? Ach, zum Teufel damit, sie weigerte sich, sich als Opfer zu betrachten, schon gar nicht als das Opfer ihres geldgierigen Bruders!

„Du hast doch bestimmt Nachforschungen über mich anstellen lassen, bevor du mir den Antrag gemacht hast, oder?“, fragte Ella. Alles andere wäre total leichtsinnig, und Zarif war alles andere als das. „Dann kennst du die Antwort auf deine Frage doch schon.“

„Leider nicht. Ich habe überhaupt nicht an Heirat gedacht, als wir uns im Hotel getroffen haben.“

Ella starrte ihn überrascht an. „Aber das wäre ja total verantwortungslos. So etwas sieht dir gar nicht ähnlich.“

Zarif platzte allmählich der Kragen. „Antworte mir!“ Seine Stimme klang so scharf wie ein Peitschenhieb.

Ella hatte nicht vor, sich von ihm einschüchtern zu lassen. „Was hast du eigentlich von mir erwartet?“

„Nichts Ungewöhnliches. Natürlich rechne ich nicht damit, dass du noch Jungfrau bist. Ich gehe davon aus, dass du die üblichen Erfahrungen gemacht hast, und habe kein Verlangen danach, in deiner Vergangenheit herumzuschnüffeln. Aber ich stehe in meinem Land im Mittelpunkt der Öffentlichkeit und muss mich den Erwartungen meines Volkes beugen. Ich würde daher gern erfahren, woher die Presse diese Story hat.“

„Mum glaubt, dass Jason sie der Presse verkauft hat. Nur er hatte Zugang zu diesen Fotos.“

Zarif runzelte die Stirn. „Jason?“

„Warum so überrascht? Mein Bruder ist stinksauer, weil er sich übergangen fühlt.“

„Ich bin davon ausgegangen, dass er sich für deine Eltern freuen würde.“

Ella verdrehte genervt die Augen. „Von wegen! Du bist doch ähnlich rachsüchtig veranlagt wie er, da kannst du ihn doch sicher verstehen.“

„Du kannst mich doch nicht mit deinem Bruder vergleichen!“, protestierte Zarif wütend.

„Wieso? Du hast mich eindeutig aus Rache dazu erpresst, dich zu heiraten“, erklärte Ella. „Vielleicht hältst du deinen Antrag ja für eine große Ehre, aber so empfinde ich das nicht.“

„Du hast immer noch nicht meine Frage beantwortet, ob die Story der Wahrheit entspricht“, beharrte Zarif. Unfassbar, dass Ella seine Großzügigkeit als Erpressung bezeichnete!

„Du verdienst keine Antwort! Du solltest dich schämen, überhaupt gefragt zu haben. Du weißt doch, wie ich vor drei Jahren war. Glaubst du wirklich, dass ich mich in der Zwischenzeit so verändert habe?“

Zarif presste die Lippen zusammen. „Menschen ändern sich manchmal, vor allem nach bestimmten Ereignissen“, antwortete er tonlos. Er wusste aus eigener Erfahrung, wovon er sprach.

„Ich beuge mich natürlich gern deinem überragenden Wissen, aber meine damalige Entscheidung, dich nicht zu heiraten, hat keine Pornoqueen aus mir gemacht“, erwiderte Ella. Ihre Augen blitzten wütend. „Ich habe noch nie von Matt Barton gehört, geschweige denn ihn gesehen. Ich vermute, er ist jemand, den Jason dafür bezahlt hat, schlimme Gerüchte über mich zu verbreiten.“

Zarif schien sich etwas zu entspannen. „Du bist deinem angeblichen Exfreund also nie begegnet? Willst du damit sagen, dass die ganze Story erstunken und erlogen ist? Ich hoffe, du denkst dir das nicht nur aus, um mich zu beeindrucken, denn ich werde deine Aussage überprüfen lassen.“

Ella warf das goldene Haar in den Nacken, „Glaub mir, ich habe gerade nicht das geringste Bedürfnis, dich zu beeindrucken!“

„Du bist darauf angewiesen, dass die Hochzeit stattfindet“, rief Zarif ihr brutal ins Gedächtnis. Doch trotz seiner Verärgerung konnte er den Blick nicht von den Knospen ihrer festen vollen Brüste lassen, die sich deutlich unter dem ausgewaschenen Stoff ihres Baumwollpyjamas abzeichneten. Er unterdrückte einen Fluch. Er kam sich vor wie ein sexuell ausgehungerter Teenager.

Ella war ohnehin schmerzhaft bewusst, dass die Zukunft ihrer Eltern allein von ihr abhing. Zarif hatte sie gekränkt, aber er saß am längeren Hebel, und obwohl sie sich weigerte, zu Kreuze zu kriechen, wusste sie, dass sie sich verteidigen musste, um ihren Namen reinzuwaschen. „Ich sage die Wahrheit. Nichts von dem, was in der Zeitung steht, trifft zu. Ich würde nie zu einer Sex-Party gehen.“

„Wenn du da so sicher bist, werde ich die Zeitung verklagen“, verkündete Zarif. „Aber ich warne dich! Wenn das geschieht, werden deine ganzen intimen Geheimnisse an die Öffentlichkeit gezerrt werden.“

„Nur zu“, entgegnete Ella kurz angebunden. „Mein Gewissen ist absolut rein.“

Zarif bedachte sie mit einem glühenden Blick. „Dann habe ich von deinen ehemaligen Liebhabern also keine Enthüllungen zu befürchten?“

4. KAPITEL

Ella hätte Zarif natürlich sagen können, dass sie bisher noch nie Sex gehabt hatte, aber so viel Offenheit hatte er nicht verdient. Daher schlug sie nur den Blick nieder und lächelte geheimnisvoll.

Zarifs Augen blitzten wütend auf, als er ihr Lächeln sah. Er verstand sich selbst nicht mehr. Eigentlich war er nicht der eifersüchtige Typ. Was, zum Teufel, war nur los mit ihm? Was war schon dabei, dass andere Männer mit ihr geschlafen, die Geheimnisse ihres schlanken Körpers erforscht, ihren Lustschreien gelauscht hatten … Finde dich damit ab, befahl er sich ungeduldig. „Der Auftakt für unsere Ehe ist ja nicht gerade vielversprechend.“

„Stimmt.“ Ella zuckte gleichgültig die Achseln. „Aber es ist ja auch keine echte Hochzeit. Wir haben keine Gefühle füreinander.“

„Ich kann dir versichern, dass wir eine echte Hochzeit feiern werden. Außerdem liegt mir sehr wohl an dir.“

„Sorry, aber das klingt nicht sehr überzeugend.“ Ella gähnte betont gelangweilt und ging an ihm vorbei zur Tür. „Wenn ich dir wichtig wäre, hättest du mir nicht misstraut, sondern mir sofort deine Unterstützung angeboten.“

Zarif, der Kritik noch weniger gewohnt war als Verachtung, biss die Zähne zusammen. „Das ist unfair. Woher hätte ich wissen sollen, dass die Zeitung nur Lügen verbreitet? Schließlich hatten wir jahrelang keinen Kontakt mehr.“

Ella hob spöttisch eine Augenbraue. „Würdest du jetzt bitte gehen, damit ich in Ruhe frühstücken und mich auf die Zeremonie vorbereiten kann?“, fragte sie honigsüß.

Zarif hielt sie an einem Handgelenk fest. „Ich lasse mich nicht wegschicken wie irgendein Bediensteter“, sagte er wütend.

„Dir geht es doch nur darum, dass ich mit dir schlafe“, erwiderte Ella. „Außerdem erwartest du doch wohl nicht im Ernst Unterwürfigkeit von mir. Ich bin schließlich keine mittelalterliche Sex-Sklavin.“

Zarif war so wütend und frustriert, dass er Ella am liebsten geschüttelt hätte.

Er stand so dicht vor ihr, dass Ella der Duft seines schmerzhaft vertrauten Eau de Toilettes in die Nase stieg. Plötzlich schossen ihr die Tränen in die Augen. Fast vergessene Erinnerungen stiegen in ihr auf – Erinnerungen an trügerisch romantische Augenblicke, in denen er ihre Hand gehalten, ihr Geschenke gemacht und ihr zugehört hatte. Sein Verhalten war früher so fürsorglich und liebevoll gewesen, und trotzdem waren seine Gefühle für sie nie tiefer gegangen als bis zu dem Wunsch, mit ihr zu schlafen und einen Sohn und Erben mit ihr zu zeugen.

„Eleonora …“ Sanft strich Zarif ihr eine Träne aus dem Gesicht. „Du bist wütend.“

Ella blickte zu ihm auf, wie gebannt von der Schönheit seines Gesichts, das sie immer an einen gefallenen Engel erinnerte. Sie erschauerte unter seiner Berührung. „Nicht“, flüsterte sie.

„Ich kann nicht anders“, sagte Zarif heiser und hob ihr Kinn, bevor er sie hungrig und so gekonnt küsste, dass sie lustvoll aufkeuchte, obwohl das in völligem Widerspruch zu ihrer Wut auf ihn stand. „Nein, lass das“, protestierte sie und wand sich in seinen Armen, was seine Selbstbeherrschung jedoch nur noch stärker auf die Probe stellte.

„Heute Nacht wirst du mir gehören“, kündigte Zarif mit unverhüllter Befriedigung an. Er hob sie so mühelos hoch, als sei sie eine Puppe, setzte sie auf die Tischkante und schob sich zwischen ihre Beine.

Ellas ganzer Körper war wie elektrisiert vor Erregung. Zarif hatte wirklich sündhaft sexy Augen. Ihr stockte der Atem, als sie spürte, wie ihre Brustknospen hart wurden. Eine Stimme in ihrem Hinterkopf befahl ihr, sich zusammenzureißen, aber sie konnte sich nicht rühren, so schwach und willenlos fühlte sie sich – und so sehr sehnte sie sich nach bisher unbekannter körperlicher Erfüllung. „Und du wirst jeden Augenblick davon genießen“, fügte Zarif heiser hinzu.

Ella hörte seine Stimme nur wie durch einen Nebel, so überwältigend waren die Empfindungen, die er in ihr auslöste, als er die Finger einer Hand über einer ihrer nackten Hüften kreisen ließ. Seine Berührungen waren unglaublich sinnlich.

Sie konnte seine Erektion durch den Stoff seiner Hose spüren, und die Gewissheit, dass sie ihn sogar im Pyjama und ohne Make-up erregte, verlieh ihr ein Gefühl der Macht. Sie keuchte auf, als er die Lippen auf ihre Halsbeuge presste. Instinktiv warf sie den Kopf in den Nacken.

Zarif schob die Hände unter ihr Oberteil und umfasste ihre vollen Brüste. Seine Berührung war so aufregend, dass ihr das Herz raste und ihr ganz schwindlig wurde. Ihr Innerstes begann heiß zu pulsieren, als er ihre harten Brustknospen mit seinen Fingern liebkoste und sich wieder mit erregender Leidenschaft ihrem Mund widmete. Frustriert, ihn nicht so berühren zu können wie er sie, klammerte sie sich an seinen Oberarmen fest und versank in seinen Küssen.

„Oh, das tut mir leid!“ Das Klappen der Tür und die Stimme ihrer Mutter rissen Ella aus ihrer Trance. Erschrocken schlug sie die Augen auf, die sie irgendwann unbewusst geschlossen hatte.

Zu ihrem Ärger hatte Zarif zuerst wieder die Kontrolle. Als er sie glühend ansah, wurde ihr errötend bewusst, was sie gerade hatte geschehen lassen – trotz ihrer Wut auf ihn. Wie schrecklich, dass Zarif sie nur zu berühren brauchte, um sie alles andere um sich herum vergessen zu lassen.

„Wir sehen uns später, habibti“, sagte er heiser.

Ella glitt vom Tisch und riss die Tür auf. Ihre Mutter stand in der Diele. „Die Kosmetikerin ist hier, und du hast noch nicht gefrühstückt“, teilte sie ihrer Tochter lächelnd mit. „Bleibt Zarif noch?“

„Nein“, antwortete Zarif hinter Ellas Rücken und verwickelte Ellas Mutter mühelos und ohne das geringste Anzeichen von Verlegenheit in ein Gespräch.

Zarif beobachtete, wie seine Braut die Kinder von einigen der Gäste begrüßte. Sie schien gut mit Kindern umgehen zu können. Sie wirkte auch viel entspannter als vorhin in der Kirche. Obwohl sie dort in ihrem schlichten eleganten Kleid auf eine so natürliche Art schön ausgesehen hatte, dass es ihm schwergefallen war, den Blick von ihr loszureißen.

Ella hatte die Rolle der Braut souverän gespielt, war höflich und freundlich geblieben und hatte ihre wahren Gefühle aus dem Spiel gelassen. Seine Frau … Diese Bezeichnung war immer noch schockierend – fast so schockierend wie für seinen Onkel Halim die Nachricht von Zarifs plötzlicher Hochzeit gewesen war.

„Natürlich wird es höchste Zeit für dich, dir eine Frau zu nehmen“, hatte er gesagt, nachdem er sich von seiner ersten Verblüffung erholt hatte. „Und eine Britin wie deine Großmutter wird allen gefallen, die sich am Westen orientieren. Ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen.“

Für einen Moment hatte Zarif sich dafür geschämt, den älteren Mann so zu täuschen. Halim hatte erleben müssen, wie sein einziges Kind Azel mit ihrem Sohn bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Er hatte daraufhin der Politik den Rücken zugewandt, Zuflucht in seinen Lehrbüchern gesucht und war als Professor an die Universität gegangen. Unzählige Male hatte Zarif sich gewünscht, auch so vor seinen Erinnerungen fliehen zu können, aber sein Verlust überschattete noch immer sein ganzes Leben.

Auf der anderen Seite des Zimmers betrachtete ein kleines Mädchen gerade Ellas neuen Ehering aus Platin und wunderte sich, dass er gar keinen Stein hatte. Ella erklärte ihr den Unterschied zwischen einem Verlobungs- und einem Ehering, war jedoch um eine Antwort verlegen, als das Mädchen sie fragte, warum sie keinen Verlobungsring trug.

Verunsichert lachend stand Ella auf und sah sich nach Zarif um, der in seinem maßgeschneiderten Anzug mit der grauen Seidenkrawatte absolut umwerfend aussah. Er unterhielt sich gerade mit ihren Eltern und wirkte so verdammt entspannt, dass sie hätte schreien können. Offensichtlich ahnte niemand, dass diese Hochzeit nur eine Scharade war, um der ältesten Sache der Welt einen nach außen hin respektablen Anschein zu geben. Ihr wurde mal wieder schmerzlich bewusst, dass es kaum einen Unterschied zwischen ihr und jeder anderen Frau gab, die sich für Geld verkaufte.

Denn genau das tat sie, und das auch noch an einen Mann, der absolut nichts für sie empfand. Er mochte vielleicht die Gäste täuschen, aber nicht sie! Während der Zeremonie hatte er nicht einmal gelächelt … Bestimmt hatte er die ganze Zeit an Azel denken müssen.

Ella konnte sich noch gut an den einzigen Moment erinnern, an dem er ihr von seiner ersten Frau erzählt hatte – am Tag seines Heiratsantrags. Seine Worte hatten sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Er hatte Azel als unersetzlich bezeichnet und erklärt, dass er von Ella nicht erwarte, in ihre Fußstapfen zu treten. Ganz offensichtlich hielt er sie für unfähig dazu.

Doch das Niederschmetterndste war seine Antwort auf ihre Frage gewesen, ob er sie liebte: „Azel wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Es wäre gelogen, etwas anderes zu behaupten.“

Erstaunlicherweise hatte er trotzdem völlig fassungslos reagiert, als Ella seinen Antrag daraufhin abgelehnt hatte. Manche Männer hatten einfach keine emotionale Intelligenz. Ella war damals erst einundzwanzig und bis über beide Ohren verliebt gewesen, und dennoch hatte sie gewusst, dass sie in einer Ehe mit ihm unter solchen Voraussetzungen nur unglücklich werden konnte. Ob Zarif das bewusst gewesen war oder nicht, er war noch nicht bereit zur Ehe mit einer anderen Frau gewesen. Es hatte Ella das Herz gebrochen, aber sie hatte ihn einfach nicht heiraten können.

Und jetzt dachte er bestimmt voller Wehmut an seine Hochzeit mit der Frau zurück, die er von ganzem Herzen geliebt hatte. Azel hatte er ganz bestimmt nicht nur begehrt, sondern auch geliebt und respektiert.

Ella wusste beim besten Willen nicht, was sie verbrochen hatte, dass Zarif sich auf diese Art an ihr rächte. Vermutlich lag es an ihrer Zurückweisung – etwas, woran er nicht gewöhnt war. In jenen kurzen Wochen, in denen sie zusammen gewesen waren, war es ihr manchmal so vorgekommen, als ginge sie mit einem Filmstar aus, so sehr waren die Frauen hinter ihm her gewesen. Ihm hingegen schien seine Wirkung auf das andere Geschlecht gar nicht bewusst gewesen zu sein. Er schien nicht einen Funken Eitelkeit zu haben, aber was wusste sie schon von ihm?

Schließlich hätte sie vor drei Jahren noch nicht mal im Traum gedacht, dass Zarif jemals so tief sinken würde, sie buchstäblich dafür zu bezahlen, mit ihm zu schlafen. Er hatte sich zweifellos verändert, und zwar mehr, als sie je für möglich gehalten hätte.

Welche Ironie, dass sie erst jetzt, da sie ihn nicht mehr liebte, seine dunkle Seite erkannte.

Mit aufgerissenen Augen sah Ella sich in Zarifs luxuriös ausgestattetem Privatjet um. Als sie sich hinsetzte, wurde ihr bewusst, dass sie alles Vertraute hinter sich lassen würde, sobald sich die Maschine in der Luft befand. Wann würde sie wohl zurückkehren?

Schon jetzt kam ihr dieser Tag, der so dramatisch begonnen hatte, wie der längste ihres Lebens vor. Und jetzt mussten sie auch noch ohne jede Atempause nach Vashir fliegen, wo am nächsten Tag eine weitere Hochzeitszeremonie in Gegenwart von Zarifs krankem Onkel Halim und den wichtigsten Persönlichkeiten des Landes stattfinden würde …

Zarif musterte seine Braut mit kaum verhohlener Begierde. Ihrem zarten Profil nach zu urteilen, war sie ziemlich angespannt. Sein hungriger Blick blieb an ihren flatternden Wimpern hängen und wanderte dann von ihren schmalen, im Schoß verschränkten Händen zu ihren vollen Brüsten, die er erst heute Morgen berührt hatte. Der Saum ihres royalblauen Kleides war an ihren schönen langen Beinen hochgerutscht. Er holte tief Luft, als er spürte, wie verstörend intensiv sein Verlangen nach ihr war. Noch nie war es ihm so schwer gefallen, sich zurückzuhalten.

Keine andere Frau hatte eine solche Macht über ihn. Er wusste nicht, was Ella an sich hatte, aber er musste sie nur ansehen, um hart zu werden. Unbehaglich veränderte er seine Sitzposition. Er spielte mit dem Gedanken, mit ihr in die Schlafkabine zu gehen, aber dort war es ziemlich eng, und sie hatten nicht viel Zeit. Er wollte keinen kurzen Snack, sondern ein Festessen, das der langen Wartezeit gerecht wurde.

Endlich gehörte Ella ihm.

Nervös blätterte Ella ein Hochglanzmagazin durch. „Ich war erstaunt, dass deine Brüder heute gar nicht auf der Gästeliste standen“, sagte sie.

„Sie werden morgen mit ihren Frauen zu unserer Hochzeit kommen“, erklärte Zarif. „Die Gesellschaft von Betsy und Belle wird dir bestimmt guttun.“

„Ich kenne die beiden zwar kaum, aber vermutlich hast du recht“, sagte Ella so lahm, dass Zarif sie am liebsten geschüttelt hätte. Anscheinend hielt sie es für eine grausame Strafe, ihn zu heiraten und Königin zu werden … wenn auch nur für ein Jahr. Warum hatte er eigentlich nicht gleich zwei Jahre oder sogar drei verlangt? Doch dann fiel ihm ein, dass er früher oder später ernsthaft heiraten und Kinder bekommen musste. Wie hatte er das nur vergessen können?

„Warum hast du mir eigentlich nichts von dem Herzinfarkt deiner Mutter und dem Zusammenbruch deines Vaters erzählt?“, fragte er unvermittelt. „Jonathan, der Freund deines Vaters, hat mir das beim Empfang erzählt. Er ging davon aus, dass ich Bescheid weiß.“

Ella presste die Lippen zusammen. „Ich wollte dir nicht irgendeine rührselige Geschichte auftischen.“

„Wieso Geschichte? Das waren nüchterne Fakten. Hätte ich davon gewusst, hätte ich vielleicht ganz anders reagiert.“

Ella musterte ihn skeptisch. „Das bezweifle ich. Von Mitgefühl war bei dir absolut nichts zu spüren.“

Zarif biss die Zähne zusammen. Hielt sie ihn wirklich für so grausam? Ihre Eltern waren gute, anständige Menschen, die ihn vor Jahren völlig selbstverständlich willkommen geheißen hatten. „Du hast genau sieben Stunden Zeit, um deine neue Situation zu akzeptieren und mit dem Schmollen aufzuhören“, sagte er grimmig, als der Jet startete.

„Ich schmolle nicht!“ Empört wandte Ella den Kopf in seine Richtung.

„Oh doch, das tust du“, beharrte Zarif. „Aber ich lasse mich davon nicht beirren.“

Ella schnallte sich ab und sprang empört auf. „Ich sage es nur einmal … meine Gefühle sind keine bloße Laune!“, schleuderte sie ihm wütend ins Gesicht. „Du bist so unsensibel wie ein Stein! Hast du denn keine Ahnung, wie schwer es mir fällt, mein Zuhause zu verlassen und in einem fremden Land mit einer völlig anderen Kultur leben zu müssen? Mit einem Mann, der mich nicht liebt? Was glaubst du, wie ich mich heute mit all den Lügen und der Verstellerei gefühlt habe?“

Zarif blieb sitzen, wo er war, und stellte mit Befriedigung fest, dass die Ella, die er kannte, zurückgekehrt war. Ihre Emotionalität und ihr Temperament hatten ihm schon immer gefallen … Was erstaunlich war. Wenn andere Frauen sich so aufführten, schickte er sie sofort weg. Doch Ella war wunderschön, wenn sie wütend war. Ihre saphirblauen Augen blitzten, ihr herrliches Gesicht war gerötet, und ihre vollen roten Lippen waren eine einzige Versuchung.

„Hast du denn gar nichts dazu zu sagen?“, hakte Ella nach.

„Wenn du dich so aufregst, siehst du unglaublich sexy aus“, sagte Zarif heiser.

Ella tat das, was jede vernünftige Frau an ihrer Stelle getan hätte, denn er hatte ihr offensichtlich überhaupt nicht zugehört. Sie nahm ihr Wasserglas und goss ihm den Inhalt über den Kopf. „Na, dann wird es höchste Zeit für ein bisschen Abkühlung!“

Schockiert sprang Zarif auf. Seine goldgelben Augen blitzten vor Wut, als er sich das tropfnasse Haar aus der Stirn strich. „Du benimmst dich wie eine Irre!“

„Nein, eine Irre hätte zu einem Messer gegriffen und nicht zu einem Wasserglas“, widersprach Ella hitzig. „Ich sag’s noch mal: Ich schmolle nicht! Ich bin nur nervös, weil ich Angst vor dem habe, was auf mich zukommt.“

„Das solltest du auch, denn ich bin nicht leicht zu besänftigen, wenn ich erst mal wütend werde!“, stieß Zarif hervor, hob sie ohne Vorwarnung hoch und durchquerte die Kabine, um dann eine Tür mit dem Fuß aufzustoßen.

„Lass mich sofort runter!“, protestierte Ella.

Zarif ließ sie unsanft auf ein Bett fallen. Schockiert sah Ella zu ihm auf, das goldblonde Haar auf dem Kissen ausgebreitet. „Was machst du da?“, fragte sie bestürzt, als sie sah, wie er sich sein Jackett auszog und seine Krawatte löste.

„Du hast mich völlig durchnässt“, stieß er hervor, während er die Knöpfe seines an seiner Haut klebenden weißen Seidenhemds aufriss. „Und wenn wir uns schon streiten, dann wenigstens hier, wo wir unter uns sind.“

Ella setzte sich verlegen auf. „Ich hätte dich nicht mit Wasser überschütten dürfen … Aber ich hasse es, wenn du so ungerührt und emotionslos reagierst!“

„Ich bin von Natur aus emotionslos“, erklärte Zarif kalt, während er sich sein Hemd abstreifte. „Damit musst du dich leider abfinden. Mich anzugreifen ist jedenfalls keine akzeptable Lösung.“

Ellas Herz machte einen Satz, als sie seinen nackten Oberkörper sah. Ihr wurde heiß. Zarif war zweifellos der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Harte Muskeln zeichneten sich unter seiner mit dunklem Haar bedeckten gebräunten Haut ab. Über seinem flachen Waschbrettbauch verjüngten sich die dunklen Haare zu einer schmalen Linie und verschwanden dann unter dem Bund seiner tiefsitzenden Hose. Ihr stockte der Atem bei dem Anblick.

„Vor allem wo es so viel unterhaltsamere Dinge zu tun gibt“, fügte Zarif hinzu und kniete sich neben Ella auf das Bett. Seine Hose spannte sich über seinen muskulösen Schenkeln.

Ella erstarrte. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“

„Natürlich weißt du das.“ Sanft fuhr Zarif mit seinem Finger über ihren Mund. „Sitz nicht so da wie das Kaninchen vor der Schlange. Du bist meine Frau. Ich darf dich jederzeit berühren … und jagen.“

Er kniete sich so dicht neben sie, dass Ella ihn mühelos hätte berühren können. Sie krallte die Finger in die Matratze, um dieser Versuchung zu widerstehen. Zarif hatte sie immer schon in Versuchung geführt, aber es wäre ein Schlag für ihre Selbstachtung, wenn sie sich ihm gegenüber mehr als nur passiv verhielt.

Er senkte den Kopf und berührte ihre zusammengepressten Lippen mit seinen. Aufkeuchend öffnete sie den Mund, doch er spielte nur mit ihr, indem er ihr sanft in die Unterlippe biss und mit der Zungenspitze über ihre Oberlippe glitt. Ellas Innerstes begann süß zu prickeln. Zitternd spürte sie, wie ihre Brustknospen hart wurden. Von einer Sekunde zur nächsten sehnte sie sich mit einem Hunger nach seinen Küssen, der sie erschreckte. Am liebsten hätte sie seinen Kopf gepackt und ihn an sich gezogen.

Instinktiv warf sie den Kopf in den Nacken, als sie erst Zarifs rechte Hand und dann einen kühlen Lufthauch an ihrem Rücken spürte. Zu ihrer Überraschung hatte er den Reißverschluss ihres Kleides geöffnet, ohne dass sie es gemerkt hatte. Sie schlug die Augen auf und begegnete seinem glühenden Blick. Er hatte so schöne Augen, dass der Anblick jeden zusammenhängenden Gedanken aus ihrem Kopf fegte.

Behutsam hob Zarif ihr Haar und streifte ihr das Kleid über die Arme. „Ich liebe die Farbe deines Haars … vor allem wenn es in der Sonne glänzt.“

„Hier gibt es keine Sonne“, erwiderte Ella nervös. Die Sachlichkeit, mit der er sie auszog, war verstörend.

Hart wie ein Fels betrachtete Zarif ihre vollen Brüste und öffnete rasch ihren BH, um ihr die Hände auf die üppigen Hügel zu legen. Sanft streichelte er die harten Knospen, bevor er Ella küsste.

Sie zitterte; ihr ganzer Körper stand in Flammen, als er ihre Knospen in die Finger nahm und sie leidenschaftlich weiterküsste. Laut aufkeuchend klammerte sie sich an seinen Schultern fest. Das lustvolle Ziehen in ihrem Innersten wurde so unerträglich, dass ihr letztes Restchen Selbstbeherrschung sich in Luft auflöste.

Zarif legte sie zurück auf das Bett und streifte ihr geschickt das bis auf die Hüften gerutschte Kleid ab, wobei er sie ständig weiterküsste. Seine Küsse waren so sinnlich und leidenschaftlich, dass ihr ganzer Körper wie elektrisiert war. Instinktiv presste sie sich an ihn, nach mehr verlangend. Sie wurde von Empfindungen überwältigt, die machtvoller waren als alles, was sie je erfahren hatte.

Zarif hob den Kopf und blickte auf sie hinunter, während er sie zwischen ihren Schenkeln berührte. „Ich will sehen, wie du kommst, habibti“, sagte er heiser. „Ich will dich vor Lust schreien hören.“

„Ich will aber nicht schreien“, stieß Ella mühsam hervor. Es fiel ihr unendlich schwer, ihren Atem zu kontrollieren.

Doch als Zarif ihr über die geschwollene Lustknospe strich, kapitulierte sie. Er wusste genau, was er tat, steigerte ihre Erregung mit jeder Berührung. Instinktiv bewegte sie die Hüften, eine Reaktion, die so alt war wie die Zeit. Aufstöhnend spürte sie, wie er eine ihrer Brustwarze zwischen Lippen und Zähne nahm und gleichzeitig die zarte Knospe zwischen ihren Beinen quälte. Dieser doppelte Angriff auf ihre Sinne war einfach zu viel für sie; ihre Lust steigerte sich in rhythmischen Wellen, bis die Spannung sich explosionsartig löste. Ekstatisch zuckend schrie sie auf.

Als Zarif sie aus goldgelben Augen ansah, schloss Ella beschämt die Augen. Ungeachtet all ihrer guten Vorsätze hatte sie total die Kontrolle über sich verloren.

Zarif deckte sie zu. „Ruh dich etwas aus“, sagte er leise. „Die morgendliche Zeremonie wird länger dauern als die heute. Es ist besser, wenn du dann ausgeschlafen bist.“

Ella lag noch lange wach, nachdem Zarif die Tür hinter sich geschlossen hatte. Ihr war heiß vor Scham. Jeder andere Mann war bisher bei dem Versuch gescheitert, sie zu verführen. Zarif hingegen gelang das mühelos. Wie konnte sie ihm je wieder ins Gesicht sehen?

Zumindest weiß er, was er tut, wenn ich schon keine Ahnung habe, versuchte Ella sich zu beruhigen. Doch es half nichts – beim Gedanken an die vor ihr liegende Nacht schlug ihr das Herz bis zum Hals.

5. KAPITEL

Als der Jet auf dem Flughafen bei Qurzah landete, wurden Zarif und seine junge Frau von einer Militärkapelle, etlichen Würdenträgern und einem sehr niedlichen kleinen Mädchen empfangen, das Ella knicksend einen Blumenstrauß überreichte. Ella war erleichtert, dass sie den Rat ihrer Mutter befolgt und sich für ein klassisches Outfit entschieden hatte. Mit ihrem blauen Etuikleid, passendem Jackett und High Heels war sie perfekt angezogen.

Zarif beobachtete seine strahlende und charmante Braut verstohlen. Schade nur, dass sie kein Lächeln für ihn übrig hatte. Was für eine sture, komplizierte und launische Frau. Was hatte er sich vor drei Jahren nur dabei gedacht, ihr einen Heiratsantrag zu machen? War er so besessen von dem Verlangen gewesen, sie zu besitzen?

Sie hatte keine Ahnung von Pflichterfüllung, Selbstkontrolle oder Einhaltung von Regeln. Wenn die Zeit kam, würde er sich eine Frau aus einer der anderen Dynastien der Region suchen – eine, die genau wusste, was von ihr erwartet wurde. Fragte sich nur, warum ihm schon bei dem bloßen Gedanken daran schwer ums Herz wurde …

Die Limousine wand sich durch die vollen Straßen der Stadt. Ellas Überraschung angesichts der vielen modernen Gebäude, der Einkaufszentren und der mit Brunnen und Statuen geschmückten Parks war offensichtlich. „Das sieht ja aus wie in jeder anderen Großstadt auch“, stellte sie erleichtert fest. „Nur schöner.“

„Wir sind weder rückständig noch primitiv“, erklärte Zarif. „Unser jahrzehntelanger Reichtum und ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem haben Spuren hinterlassen.“

„Ich habe Vashir nie für rückschrittlich gehalten … auch wenn ihr Frauen hier nicht ans Steuer lasst“, entgegnete Ella.

Zarif zog die Augenbrauen zusammen. Manchmal schien sein Land berühmter für dieses alberne Gesetz als für alles andere zu sein. Er würde es sofort abschaffen, sobald sein Onkel nicht mehr am Leben war. Halim hatte es nach dem Unfalltod seiner Tochter eingeführt.

Die Limousine fuhr durch ein breites Tor und durchquerte ein von hohen Mauern und Türmen umgebenes Gelände. Vor Ella tauchte ein großartiger alter Palast auf, der sie an die Märchen aus 1001 Nacht erinnerte. „Ich dachte, der Palast wäre brandneu.“

„Der neue befindet sich auf der anderen Seite der Stadt und wird nur für Regierungszwecke benutzt. Da ich hier aufgewachsen bin, ziehe ich es vor, hier zu wohnen, zumindest solange mein Onkel krank ist“, erklärte Zarif.

Ella sagte nichts dazu, obwohl sie gehofft hatte, im neuen Palast zu wohnen, wo Zarifs erste Frau nicht gelebt hatte. Tja, so konnte man sich irren. Aber wozu überempfindlich sein? Es war ja nicht so, dass sie Zarif liebte oder eifersüchtig war oder so. Sie stieg aus dem Wagen. „Der Palast ist wunderschön.“

„Hamid wird dir alles zeigen. Sein Vater hat den Palast früher verwaltet. Er kann dir alles über die Geschichte erzählen.“

Ella hätte es vorgezogen, wenn Zarif ihr selbst eine Führung durch den Palast angeboten hätte. Mal wieder verwies er sie auf ihren Platz. Nicht, dass ihr niedriger Status ihr nicht schon bewusst gewesen wäre. Trotz der intensiven, aber äußerst kurzen Intimität vorhin zwischen ihnen war Zarif ihr gegenüber noch immer kühl und distanziert. Dabei kribbelte ihr Körper noch immer von den Berührungen seiner Hände …

Ein paar Frauen in aufwändiger Landestracht warteten bereits in der riesigen, von Säulen gesäumten Eingangshalle des Palasts.

„Ich bin Hanya“, sagte eine sehr hübsche dunkeläugige Brünette in perfektem Englisch zu ihr. „Ich werde bis morgen an Ihrer Seite bleiben.“

Zarif blieb bei diesen Worten auf der Türschwelle stehen. „Wo bringst du meine Frau hin, Hanya?“, fragte er.

„Der Imam hat gesagt, dass Miss Ella Gilchrist erst morgen Ihre rechtmäßige Ehefrau und Königin sein wird, Cousin“, antwortete Hanya und senkte entschuldigend den Kopf. „Unser Onkel möchte, dass Sie sich daran halten.“

Zarif fiel es schwer, seine Missbilligung nicht zu zeigen, aber Azels Kusine hatte natürlich recht. Halim war sehr altmodisch. Zarif würde sich einfach noch einen Tag gedulden müssen, bis er seine Braut für sich hatte. Trotzdem ging es ihm gegen den Strich, getrennt von Ella schlafen zu müssen. Schließlich war sie seine Frau, auch wenn sie nach dem Gesetz von Vashir noch nicht verheiratet waren. Die Vorstellung, seine ohnehin schon überstrapazierte Libido noch weiter zügeln zu müssen, war nicht gerade angenehm.

Ein Jahr, rief er sich ins Gedächtnis. Ella würde für ein ganzes Jahr ihm gehören … da konnte er doch wohl noch einen Tag warten, oder? Er nickte Ella schroff zu. „Wir sehen uns morgen.“

„Danke, Eure Majestät.“ Hanya kicherte wie ein Schuldmädchen und zupfte Ella an einem Ärmel. „Ich zeige Ihnen Ihre Suite. Hier entlang bitte.“

Das Baderitual am folgenden Morgen stellte Ellas Geduld auf eine harte Probe, da sie gleich von mehreren fremden Frauen gebadet, enthaart und von Kopf bis Fuß mit exotisch duftenden Ölen eingerieben wurde. Doch als man sie danach in einen modernen Bademantel hüllte, fühlte sie sich sehr schnell wieder angenehm normal. Es war geradezu entspannend, sich hinzusetzen und geduldig zuzusehen, wie zwei Henna-Künstlerinnen zarte wirbelnde Muster auf ihre Hände und ihre Füße zeichneten.

Ella war ziemlich stolz auf sich selbst, dass sie die Hochzeitsvorbereitungen so geduldig hinnahm. Sie wollte den Tag nicht ruinieren, indem sie sich über Vashirs Bräuche und Traditionen hinwegsetzte. Zu ihrer Überraschung schienen ihre weiblichen Gefährtinnen, von denen bis auf Hanya keine Englisch sprach, überglücklich über die Hochzeit ihres Königs zu sein. Dass Ella Ausländerin war, schien sie nicht zu stören.

„Ella!“, hörte sie eine weibliche Stimme von der Tür. Ihr Blick fiel auf Cristo Ravellis lebhafte rothaarige Frau Belle. Obwohl sie Zarifs Brüder und dessen Frauen bisher erst einmal getroffen hatte, war ihr die temperamentvolle Frau in guter Erinnerung geblieben, genauso wie die ruhigere, aber nicht weniger sympathische Betsy. Damals – vor Zarifs Antrag – hatte sie gehofft, vielleicht eines Tages Teil dieser Familie zu sein.

„Ich dachte schon, ich dringe nie zu dir vor!“ Belle legte einen Haufen Geschenke und eine große Tasche auf dem Boden ab. „Das hier ist mein erster Besuch in diesem Palast. Ich hatte keine Ahnung, dass man hier der Zeit fünfhundert Jahre hinterherhinkt.“

„Ella!“ Die zierliche blonde Betsy tauchte hinter Belle auf und bückte sich, um Ella einen Kuss auf die Wange zu geben. „Wie geht es dir?“

„Ach, darüber können wir doch später noch reden!“, warf Belle ungeduldig ein. „Wir wollen viel lieber erfahren, warum du vor drei Jahren Nein zu Zarif gesagt und es dir jetzt plötzlich anders überlegt hast.“

Ella erstarrte bei dieser Frage. „Das ist eine lange Geschichte“, murmelte sie ausweichend. „Hanya, könnten wir ein paar Erfrischungen bekommen?“, wandte sie sich an die dunkelhaarige Frau, die das Eindringen der beiden westlichen Frauen mit sichtlichem Missfallen betrachtete.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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