Julia Gold Band 80

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EROBERUNG UNTER PALMEN von TRISH MOREY
Opal hat sich verliebt - in ihren eigenen Mann! Seit sie sich auf der romantischen Insel unter Palmen liebten, will sie nur noch ihn. Und dabei fing zwischen ihr und Domenic Silvagni, dem Besitzer eines Hotelimperiums, alles ganz unromantisch an.

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  • Erscheinungstag 18.05.2018
  • Bandnummer 0080
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711061
  • Seitenanzahl 447
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Trish Morey, Anne McAllister, Sarah Holland

JULIA GOLD BAND 80

1. KAPITEL

Domenic Silvagni seufzte ärgerlich. Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten summte nun schon die Telefonanlage, und er hatte erst ein Drittel des Geschäftsberichts durchgearbeitet. Gereizt warf er den Füllhalter hin, so heftig, dass der wie ein Katapult über den ledergebundenen Ordner schoss.

Bestimmt wieder sein Vater.

Niemand sonst hätte es geschafft, an der resoluten Ms. Hancock vorbeizukommen, deren Aufmerksamkeit einem Wachhund alle Ehre gemacht hätte. Sie war Domenic Silvagni während seines Sydneyaufenthalts im Vorzeigehotel der Silvers-Kette als persönliche Assistentin zugeteilt und schirmte ihn rigoros vor der Außenwelt ab. Und genau das brauchte er, wollte er den Bericht jemals schlüssig auswerten. Irgendwo hinter dieser Flut von Daten und Fakten und Marktbeobachtungen verbarg sich der Grund für die rückläufigen Unternehmensergebnisse der australischen Hotelniederlassungen. Wie auch immer, er war fest entschlossen, es schleunigst herauszufinden, denn er beabsichtigte, noch am selben Abend nach Rom zurückzufliegen.

So viel zum Thema „keine Anrufe durchstellen“. Wie er seinen Vater kannte, wollte der ihm ohnehin nur den Kopf zurechtrücken. Und er hatte keine Lust auf dessen ständige Vorträge. Schon gar nicht, wenn es wieder um diese Fotos ging – die beiden Abbildungen in den Klatschspalten von Caught in The Act. Domenic hielt sein Privatleben nämlich für eine rein persönliche Angelegenheit, aber die Leute von der Zeitschrift hatten es gnadenlos vor der Öffentlichkeit ausgebreitet.

Dabei wusste Guglielmo Silvagni verdammt gut, dass das Playboy-Image, das die Sensationspresse seinem Sohn anhängte, nicht zutraf. Trotzdem war sein alter Herr darüber tief unglücklich.

„Hast du nichts Besseres zu tun, als dich mit Supermodels und Starlets herumzutreiben?“, hatte Guglielmo Silvagni gefragt. „Such dir eine Frau mit Stil und ein bisschen Geist – eine, die es nicht nur auf dein Geld abgesehen hat.“

Emma und Kristin wären zu Recht empört gewesen über dieses vernichtende Urteil. Selbst aufsteigende Hollywoodsternchen und Supermodels brauchten mehr als nur ein gutes Aussehen, um Karriere zu machen.

Nicht zu vergessen ihre Eifersucht. Beide hatten die Sache mit den veröffentlichten Fotos sehr persönlich genommen.

Natürlich war es eine unangenehme Geschichte. Aber noch lange kein Grund, sich deshalb an die Kette legen zu lassen. Domenic war nicht unbedingt darauf versessen, eine Frau zum Heiraten zu finden oder eine Familie zu gründen. Egal, wie oft Guglielmo kritisierte, dass sein Sohn darüber allmählich zu alt würde.

Zu alt! Verdammt, er war erst zweiunddreißig. Ein Mann in den besten Jahren.

Das Lämpchen auf der Telefonanlage blinkte ihn vorwurfsvoll an, als signalisierte es ihm: Lügner … Lügner. Er stöhnte missmutig – jetzt dachte er schon wie sein Vater – und nahm den Hörer auf.

„Sagen Sie meinem Vater, dass ich ihn später zurückrufe. Sobald ich den Bericht durchgearbeitet habe.“

„Verzeihen Sie, Mr. Silvagni, aber es ist … nicht Ihr Vater …“

Er stutzte. Irgendetwas stimmte da nicht. Ms. Hancock hatte ihren gewohnt scharfen Ton abgelegt. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft klang die sonst so energische Mitarbeiterin irgendwie kleinlaut.

„Es ist eine Frau …“, fuhr sie fort.

Er biss die Zähne zusammen. Zu schade, dass mein Vorzimmerdrachen plötzlich so zahm ist.

Domenic war klar, dass sein Vater sich spielend über diese letzte Barriere hinwegsetzen konnte. Schließlich war er Silvers Hotels. Gemeinsam mit Domenics verstorbenem Großvater hatte er das Unternehmen von einer Dreizimmerpension in Neapel zu einer weltweit erfolgreichen Fünfsterne-Hotelkette ausgebaut. Und obwohl er sich nach einer überstandenen Krebserkrankung in die ländliche Toskana zurückgezogen hatte und sein Sohn inzwischen das internationale Geschäft leitete, ging von Domenics Vater weiterhin die Aura der Macht aus. Aber wieso ausgerechnet eine Frau?

„Ich hatte Sie doch gebeten, mir keine, absolut keine Telefonate durchzustellen.“

„Sie ist nicht am Telefon“, brachte Ms. Hancock hastig hervor, ehe er auflegen konnte. „Sie ist hier. Sie sagt, es sei wichtig und dass Sie sie bestimmt empfangen werden.“

Domenic lehnte sich in dem ledergepolsterten Chefsessel zurück und trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf die Schreibtischplatte. „Wer ist es?“, fragte er, während er in Gedanken unwillkürlich die ihm bekannten Aufenthaltsorte seiner bislang letzten Begleiterinnen Revue passieren ließ. Soweit er wusste, war Emma zu Dreharbeiten in Texas, Kristin wegen eines Foto-Shootings für Vogue in Marokko. Beide redeten seit dem Zeitungsschlamassel nicht mehr mit ihm und konnten also nicht wissen, dass er kurzfristig nach Australien geflogen war.

„Ihr Name ist Opal Clemenger. Von Clemengers. Es handelt sich um eine Kette mit drei Hotels der absoluten Luxusklasse, die sich im Besitz der Familie befindet. Eins ist gleich dort unten an den Rocks.“

„Der Name Clemenger ist mir durchaus bekannt“, unterbrach Domenic sie schroff. „Und, was will sie von mir?“

„Sie möchte Ihnen ein Geschäft vorschlagen. Ein lukratives Angebot, wie sie sagt. Kann ich sie zu Ihnen vorlassen?“

Mit angehaltenem Atem stand Opal vor dem Schreibtisch der Chefassistentin, ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, während sie angespannt die Mappe mit den Unterlagen umklammerte, die sie in aller Eile zusammengestellt hatte. Sie hoffte inständig, dass der Mann sie auch ohne vorherige Terminabsprache empfangen würde.

Hatte sie Domenic Silvagni neugierig gemacht? Er wunderte sich doch bestimmt, warum die Besitzerin von Sydneys einzigem Sechssternehotel bei ihm hereinschneite. Dass es kein reiner Höflichkeitsbesuch war, war ihm bestimmt klar, oder?

Er musste sie einfach empfangen. Schließlich stand die Zukunft von Clemengers und der Mitarbeiter auf dem Spiel.

„Stimmen Sie einen Termin mit ihr ab“, drang es ungehalten aus der Sprechanlage. „Ich bin in zwei Wochen wieder hier. Ach so, und ich werde über Mittag durcharbeiten. Können Sie mir bitte einen Kaffee und etwas zu essen besorgen?“

„Selbstverständlich, Mr. Silvagni.“ Dann folgte ein Rauschen in der Leitung, und das Gespräch war unterbrochen. Ms. Hancock sah Opal entschuldigend an. „Tut mir leid, meine Liebe. Ich störe ihn sonst nie, aber ich dachte wirklich, dass er Sie empfangen würde. Sie werden wohl wiederkommen müssen. Lässt sich das für Sie einrichten?“

Opal schüttelte den Kopf und biss sich nachdenklich auf die Lippe. In zwei Wochen wäre der Zug längst abgefahren. Sie hatte zwei Tage Zeit, um dieses Geschäft einzufädeln. Nur zwei Tage, um jemanden zu finden, der in Clemengers investieren und die Hotelkette als Gesamtkonzern weiterführen würde. Anders als dieser Aasgeier McQuade, der sich lediglich Grundstücke in Toplagen herauspickte, die Immobilien abriss und durch den Bau völlig überteuerter Apartments ersetzte.

In weniger als achtundvierzig Stunden lief das Ultimatum aus. Fand sie bis dahin keinen geeigneten Geschäftspartner, hätte McQuade die besten Chancen, den Zuschlag für Clemengers zu bekommen. Damit würde ihre Familie alles verlieren, was sie sich jemals aufgebaut hatte, und wenigstens zweihundert loyale Mitarbeiter ihren Job.

Sollte McQuade die Hotelkette übernehmen, dann nur über meine Leiche!

„Ganz ausgeschlossen. Ich muss ihn unbedingt noch heute sprechen“, erklärte Opal. Sie wandte sich vom Schreibtisch ab und betrachtete nachdenklich die geschmackvollen Aquarelle an den Wänden, was ihr bei der Lösung ihres Problems jedoch nicht weiterhalf. Mit halbem Ohr hörte sie, wie Ms. Hancock im Hintergrund mit dem Zimmerservice telefonierte.

Kann es sein, dass ich irgendetwas Wichtiges übersehen habe? zerbrach sich Opal den Kopf. Sie öffnete ihre Mappe und überflog die Presse- und Internetartikel, die für sie zusammengestellt worden waren, gleich, nachdem sie von Domenics Aufenthalt in seinen australischen Niederlassungen erfahren hatte. Womöglich befand sich in diesen Unterlagen ja genau der Aufhänger, den sie brauchte?

Eine Seite aus einem Hochglanzmagazin fiel ihr spontan ins Auge. Dort waren unter der Überschrift „Playboy der Nobelklasse“ zwei Fotos von Domenic abgedruckt, jedes zeigte ihn mit einer anderen Frau. Beide waren sehr blond und sehr jung. Wenn das aber sein Typ war, dann überraschte es Opal kaum, dass er eine zugeknöpfte Person wie sie abweisen ließ.

Sie betrachtete den abgebildeten Mann, den die beiden Schönheiten förmlich anhimmelten. Ein Playboy, genau das war er. Der Titel passte so perfekt zu ihm wie der maßgeschneiderte Smoking auf dem einen Foto oder das schwarze Seidenhemd auf dem anderen. Die rehäugigen Begleiterinnen hielt er wie unverzichtbare Accessoires im Arm.

Kein Wunder, dass er sich so etwas herausnehmen konnte. Domenic Silvagni war ein gut aussehender Mann. Während sie sich das Bild anschaute, hatte sie das Gefühl, dass er sie mit seinen dunklen, dicht bewimperten Augen direkt ansah – ein glutvoller Blick, der Frauen schwach werden ließ. Das modisch kurz gestufte Haar trug er lässig nach hinten frisiert. Auf seinen vollen Lippen lag ein unergründliches Lächeln, und die energische Kinnpartie war die eines Mannes, der Macht und Einfluss genoss.

Auch ohne Vermögen wäre Domenic Silvagni ein guter Fang gewesen. Mit seinem vielen Geld zog er zweifellos Schwärme von glühenden, willigen Verehrerinnen an.

Ich kann ihnen allen nur viel Glück wünschen, dachte Opal bitter. Wer einen Playboy heiratete, verdiente es nicht besser. So viel hatte sie aus den Erfahrungen ihrer Mutter gelernt. Aber trotz seiner persönlichen Schwächen brauchte sie ihn. Oder besser gesagt sein Geld. Und zwar jetzt.

Unvermittelt wirbelte sie herum. „Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich warten. Irgendwann muss er ja herauskommen.“

Anstatt zu antworten, sah Ms. Hancock sich um, um festzustellen, ob vielleicht jemand in der Nähe war, der ihr Gespräch belauschen könnte. Doch in dem weitläufigen, teppichbedeckten Gang, der von dem Aufzugschacht mit den messingglänzenden Lifttüren zu ihrem Vorzimmer führte, war niemand zu sehen. Hier, auf der vierzehnten Etage, logierten keine Gäste, und man wurde auch nicht von quietschenden Wäschewägelchen gestört.

Schließlich beugte sich die Sekretärin vor und flüsterte verschwörerisch: „Ich muss ganz kurz meinen Platz verlassen, der Zimmerservice kann jede Minute den Lunch hochbringen. Sie würden doch keine … Dummheit machen, oder?“

Opal lächelte gelöst. Es war das erste richtige Lächeln seit drei Monaten – seit sie um die Krise des Clemenger-Konzerns wusste. Und es galt Deirdre Hancock, die vor über zwanzig Jahren als Sekretärin für Opals Vater gearbeitet hatte.

Als sie das Vorzimmer betreten und die ältere Dame dort sitzen gesehen hatte, hatte Opal dies gleich als ein gutes Omen gewertet.

Opal hatte zwar keine Ahnung, was genau Deirdre bei Silvers machte, allerdings schien für sie die Arbeit kein Zuckerschlecken zu sein. Nach dem, was sie eben mit angehört hatte, war Domenic Silvagni ein echter Widerling, Deirdre hingegen ein wahrer Schatz. Sicher, in dem strengen marineblauen Kostüm und den eleganten Pumps wirkte sie wie ein ziemlicher Bürodrachen, doch Opal erinnerte sich, dass ihr Vater seine enge Mitarbeiterin immer als hervorragend organisiert, tüchtig und umgänglich beschrieben hatte. Und jetzt versuchte sie ihr Bestes, damit Opal mit Domenic Silvagni sprechen konnte, der ein solches Juwel wie diese Frau wirklich nicht verdiente.

Opal zwinkerte Ms. Hancock komplizenhaft zu. „Niemals.“

Als sich Deirdre kurz darauf mit einem Stapel Dokumente bewaffnete, fiel Opal der bestellte Lunch ein. Ein Adrenalinstoß schoss ihr durch den Körper, und sie begriff schlagartig, welches Risiko die Chefassistentin da auf sich nahm. „Schauen Sie, Deirdre, ich möchte nicht, dass Sie diese Sache den Job kostet.“

Darüber konnte die zierliche ältere Dame nur müde lächeln. Sie beugte sich zu ihr vor und drückte ihr den Arm. „Wer weiß, meine Liebe? Vielleicht ist er mir sogar dankbar. Außerdem gehe ich nächste Woche sowieso in Rente. Was soll er da noch groß machen – mich kurzerhand an die Luft setzen? Ach übrigens, ich habe das Telefon zu mir in den Kopierraum umgestellt, damit Sie nicht gestört werden.“ Und ehe Opal ihr danken konnte, war sie verschwunden.

Augenblicke später schob ein junger Mann vom Zimmerservice einen verchromten Servierwagen vor Ms. Hancocks Schreibtisch. Er sah sich suchend um, bis er schließlich Opal entdeckte, die auf einem Besucherstuhl Platz genommen hatte. „Ms. Hancocks Bestellung?“, meinte er halb fragend.

„Sie ist gleich zurück.“

Offenbar zufrieden mit der Antwort, nickte er und ging zurück zum Personalaufzug. Geräuschlos schlossen sich die gepolsterten Türen hinter ihm, ein leises Summen der Liftmotoren, und er war verschwunden.

Opal atmete noch einmal tief durch, dann sprang sie entschlossen auf. Hier ist meine Chance!

2. KAPITEL

„Wer sind Sie?“

Kaum hatte Opal das weitläufige Büro betreten, als der Mann hinter dem riesigen Mahagonischreibtisch aufblickte.

„Und wo ist Ms. Hancock?“

Für einen Augenblick stand Opal wie erstarrt da. Ihre Angelegenheit konnte sie doch unmöglich von der Tür aus mit ihm verhandeln! Er klang ziemlich gereizt, und sie traute sich kaum aufzusehen. Schließlich nahm sie allen Mut zusammen, setzte trotz ihrer Nervosität ein strahlendes Lächeln auf und schob den Servierwagen zum Schreibtisch. „Ich bringe Ihnen den Lunch.“

Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie er sich unvermittelt in seinem Sessel aufrichtete. „Das sehe ich“, meinte er ungehalten. „Aber wie sind Sie hier hereingekommen?“

Über den Servierwagen gebeugt, hob Opal den versilberten Deckel von einer Platte – Pasta mit Artischocken und gebratenem Speck. Auf der anderen lagen Kalbsschnitzel mit Spargel in einer Cognac-Rahm-Soße angerichtet. „Ich nehme an, dass Sie die Nudeln zuerst essen wollen“, sagte sie und stellte die Vorspeise auf den Schreibtisch.

Doch Domenic beachtete sie nicht weiter, sondern lief geradewegs zur Tür und riss sie auf. „Ms. Hancock!“, rief er. „Ms. Hancock!“

„Soweit ich weiß, ist sie im Kopierraum. Ich wollte einfach nicht, dass in der Zwischenzeit Ihr Essen kalt wird.“

Er schnellte zu ihr herum und herrschte sie an: „Zum Teufel, wer sind Sie denn eigentlich?“

Opal atmete tief ein, sah ihn schließlich an und wünschte sich spontan, sie hätte es nicht getan. Es war Domenic, wahrhaftig. Die dunklen Augen, die markante Kinnpartie, sie hätte darauf gefasst sein müssen. Trotzdem – die Fotos auf den herausgetrennten Magazinseiten stellten lediglich einen Abklatsch des Mannes vor ihr dar. Sie verrieten nicht, welche Aura der Macht ihn umgab und was für eine Ausstrahlung er hatte.

Das leidenschaftliche Temperament!

Opal fühlte, wie ihre Haut unter der Seidenbluse zu prickeln begann. Sie schluckte unwillkürlich, hatte plötzlich das Gefühl, einen unangenehmen Kloß im Hals zu haben, und hob energisch das Kinn. Verflixt, sie hatte sich etwas vorgenommen. Und er war schließlich auch nur ein Mann. Noch dazu ein Playboy, der schlimmste Männertyp überhaupt!

Krampfhaft suchte sie nach Worten.

„Opal Clemenger.“ Sie lächelte unsicher. „Danke, dass Sie doch noch die Zeit gefunden haben, mich zu empfangen. Ich nehme an, Sie sind sehr beschäftigt.“

„Irrtum, ich habe überhaupt keine Zeit. Ich sagte doch, Sie sollten in zwei Wochen wiederkommen. Besser spät als nie.“ Er wies zur Tür. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen. Ich habe zu tun.“

„Aber ich hatte doch noch gar keine Gelegenheit, Ihnen meinen Vorschlag zu unterbreiten.“

„Ms. Clemenger, ist Ihnen schon einmal die Idee gekommen, dass ich daran kein Interesse haben könnte?“

Er wurde zusehends wütender, trotzdem bewegte sie sich nicht vom Fleck. „Ihre Nudeln werden kalt.“

„Je eher Sie verschwinden, desto eher komme ich zu meinem Lunch.“

„Wir können uns unterhalten, während Sie essen.“

„Ich wollte dabei weiterarbeiten.“

„Das ist aber nicht gut für Sie.“

„Auseinandersetzungen mit Frauen, die nicht wissen, wann sie meine Geduld überstrapazieren, sind auch nicht gut für mich. Also gehen Sie. Und zwar sofort.“

„Erst wenn Sie sich meinen Vorschlag angehört haben.“

„Oder muss ich nachhelfen?“ Er musterte sie mit zur Seite geneigtem Kopf, als überlegte er das ernsthaft. Opal wurde leicht mulmig zumute. Sollte er es auch nur wagen, sie anzurühren …

„Nicht, bevor ich nicht die Gelegenheit hatte, Ihnen darzulegen, was ich Ihnen anzubieten habe.“ Die Worte waren heraus, bevor sie darüber nachdenken konnte, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte. „Es ist die Chance, der Silvers-Hotelkette den letzten Schliff zu geben – das Tüpfelchen auf dem i.“

„Ich muss wohl doch nachhelfen“, drohte Domenic und trat auf sie zu. Instinktiv wich sie zurück, beeindruckt von seiner Größe. Unvermittelt fühlte sie sich wie ein Beutetier und nicht wie die Besitzerin von Australiens landschaftlich reizvollsten Prestigehotels. Domenic war plötzlich der Jäger, der bedrohlich näher kam.

Bestimmt sprach sie zu schnell und zu laut. Aber irgendwie musste sie ihn doch aufrütteln. Sie musste Eindruck auf ihn machen. Eine solche Gelegenheit bot sich vielleicht nie wieder!

„Es ist eine einmalige Sache, um Silvers von der Fünfsternemittelmäßigkeit abzuheben …“

Keine zwei Schritte von ihr entfernt blieb Domenic stehen und schaute Opal verblüfft an. „Fünf-Sterne was?“

Sie baute sich vor ihm auf, obwohl er sie mit seinen ein Meter fünfundachtzig gut und gern um fünfzehn Zentimeter überragte, ihre blaugrünen Augen funkelten. Ihr triumphierendes Lächeln vermittelte ihm, dass sie ihn genau dorthin gebracht hatte, wo sie ihn haben wollte.

Diese Frau hatte vielleicht Nerven. Irgendwie war es ihr gelungen, an Ms. Hancock vorbeizukommen, in sein Büro vorzudringen und seinem Unternehmen Durchschnittlichkeit vorzuwerfen. Oder war es einfach Unverfrorenheit? Auch egal, sie sollte nur endlich verschwinden.

„Ich sagte Mittelmäßigkeit, Mr. Silvagni. Fünf Sterne standen früher einmal für Exklusivität. Heute ist zwischen den Hotels kein Unterschied mehr festzustellen. Aber genau das wollen die Leute nicht. Sie möchten sich abheben, etwas Besonderes sein.“

„Ms. Clemenger, ich danke Ihnen für Ihren Scharfblick. Wenn ich eine Analyse meines Unternehmens brauche, dann finde ich dafür ganz bestimmt qualifiziertere Leute als Sie.“

„Meinen Sie? Wenn es so einfach ist, warum sind Sie dann überhaupt in Sydney? Sie haben doch alle Möglichkeiten, einen ganzen Stab von Beratern damit zu beauftragen, die entsprechenden Strategien für Silvers zu entwickeln. Bestimmt wissen Sie Besseres mit Ihrer Zeit anzufangen, oder?“

Zu dumm, aber sein kleiner Seitenhieb war leider nach hinten losgegangen. Sie schlug schonungslos zurück. Diese Ms. Clemenger konnte einem wirklich auf den Geist gehen, trotz allem war er neugierig geworden. Silvers hatte in der Tat ein Problem. Was schadete es da, wenn er sich ihren Vorschlag anhörte? Er verschränkte die Arme und lehnte sich an die Schreibtischplatte.

„Also schön, ich gebe Ihnen fünf Minuten“, sagte er.

Ein paar Sekunden schwieg sie, und er atmete insgeheim auf. Endlich musste er sich einmal nicht auf ihren Redeschwall konzentrieren, sondern konnte die forsche Ms. Clemenger selbst begutachten.

Jedenfalls wirkte sie nur halb so provozierend wie ihre Worte. Ihr Haar war braun. Nein, nicht richtig braun. Es war mehr ein warmer Honigton. Volle, sinnliche Lippen, eine helle, fast schimmernde Haut und Augen, deren Blick Intelligenz und Einfühlsamkeit verriet. Domenic war nicht verborgen geblieben, wie sie ihn angesehen hatte. Da war ein Flackern in ihrem Blick gewesen, als würde sie ihn von irgendwoher kennen, und noch etwas – Unbehagen oder Furcht? Trotzdem hatte sie nicht gekniffen. Das gefällt mir.

Er ließ den Blick tiefer gleiten.

Das kobaltblaue Kostüm betonte ihre Figur. Wenn sie sich auf den Stuhl setzte, der hinter ihr stand, würde der Rock vielleicht etwas höher rutschen, und er könnte feststellen, ob ihre langen Beine so wohlgeformt waren, wie die schlanken Fesseln vermuten ließen.

Sie blieb jedoch stehen.

„Mr. Silvagni.“

Er riss sich aus seinen Spekulationen über ihre Beine und ließ den Blick zu ihrem Mund zurückgleiten, diesen vollen Lippen.

„Nennen Sie mich ruhig Domenic.“

Sie sah ihn an, und für einen Augenblick schien es, als wollte sie selbst darüber mit ihm diskutieren. Dann nickte sie kaum merklich.

„Domenic“, wiederholte sie leise. Es gefiel ihm auch, wie sie seinen Namen aussprach. Ihre Stimme mit dem leichten, unverkennbaren australischen Akzent klang warm und weich. Es war genau die Stimme, von der man sich gern aufwecken lassen würde.

„Genau wie andere namhafte Hotels in Australien und überall auf der Welt krankt die Silvers-Kette an einem Buchungsrückgang. Es gibt einfach nicht genug Gäste, die eine volle Bettenauslastung garantieren. Der Kuchen ist für alle Beteiligten kleiner geworden. Gesteigerte Marketingaktivitäten können die Marktanteile einer Kette auf Kosten einer anderen zwar erhöhen, aber das ist nur kurzfristig möglich.“

Domenic verlagerte sein Gewicht auf der Schreibtischkante und ließ die Arme sinken. Was sie da sagte, war für ihn nichts Neues. Er hatte das Gleiche vorhin in dem Bericht gelesen, der noch aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag.

„Einmal angenommen, Ihre Einschätzung trifft zu, dann haben Sie also eine Lösung für dieses Problem?“

Opal legte die Fingerspitzen aneinander, und er bemerkte, dass sie lange, schlanke Hände und gepflegte Nägel hatte. Sie trug keinen Ring.

„Ich habe ein Angebot für Silvers-Hotels, für den Fall, dass Sie so etwas zu schätzen wissen.“

„Verstehe“, erwiderte er, ihre spitze Bemerkung ignorierend. „Und wie lautet dieses ‚Angebot‘?“

Opal atmete tief ein, was ihm ebenso wenig entging wie ihre sexy Kurven. Er ließ den Blick zu ihrem Gesicht gleiten und bemerkte, wie sie errötete. Was ist denn das? Die Lady ist ja schüchtern.

Fragend zog er eine Braue hoch.

„Clemengers wurde vor über fünfzig Jahren von meinem inzwischen verstorbenen Vater gegründet und besitzt drei Sechssternehotels in den allerbesten Lagen von Sydney, Melbourne und Brisbane. Viele unserer Mitarbeiter sind seit über zwanzig Jahren bei uns, manche fast vierzig Jahre. Wir sind ein Familienunternehmen und haben unsere ursprüngliche Mission nie vergessen: Immer die Besten zu sein, das Beste zu leisten für die Besten.

Dieser Rückgang“, fuhr Opal fort, „hat uns natürlich auch getroffen, aber nicht in dem Ausmaß wie Silvers. Überlegen Sie doch einmal, warum das so ist.“

Domenic hatte keine Lust, zu überlegen oder sie danach zu fragen, trotzdem hätte er es gern gewusst. Darüber hatte nichts in dem Geschäftsbericht gestanden. Sobald er den Leiter seiner Finanzabteilung zu fassen bekäme, würde er ihn als Erstes fragen, warum er dergleichen von der Konkurrenz erfahren musste, wo er doch aussagekräftige Unterlagen erwartet hatte.

„Wollen Sie es nicht wissen?“, fragte sie.

„Ich höre Ihnen immer noch zu.“ Er nickte aufmunternd. „Erzählen Sie mir, was Sie denken.“

„Ich weiß, dass Clemengers mehr ist als ein Hotel. Wir bieten Exklusivität.“

„Soll das etwa heißen, dass Silvers keine Exklusivität bietet? Wir sind eine der führenden Hotelketten weltweit. Das hätten wir nie geschafft, wenn wir unseren Gästen nicht das Beste bieten würden.“

„Aber Sie unterscheiden sich nicht von den anderen. Sie bieten ein gutes Produkt, ein Fünfsternehotel, aber das ist nicht das, was ich meine. Sehen Sie sich Ihre Klientel doch bloß an, wie beispielsweise …“

„Was ist damit?“, unterbrach Domenic sie. „Mick Jagger hat während seiner letzten Tournee in unseren Hotels logiert.“

„Ach ja, richtig“, antwortete Opal. „Ihre Gäste sind Rockstars, Geschäftsleute und Touristen, die Komfort schätzen. Clemengers dagegen beherbergt Premierminister, Scheichs und Leute, die Luxus gewohnt sind.“

Er stieß sich vom Schreibtisch ab, machte einige Schritte durch den Raum und drehte sich um. „Also, was haben Sie mir anzubieten?“

„Schlicht und einfach die Chance, sich an dem exklusiven australischen Hotelmarkt zu beteiligen, von unseren Methoden zu profitieren und zu lernen, damit Sie Ihr Kerngeschäft stärken können. Ich biete Ihnen eine Beteiligung an Clemengers.“

Es war ein verrückter Vorschlag, und nichts davon stand in dem Bericht, durch den Domenic sich am Vormittag gequält hatte. Aber vielleicht war es genau die Strategie, die Silvers verfolgen sollte. Vielleicht wurde es wirklich Zeit, dass man andere Wege einschlug.

„Und was springt dabei für Clemengers heraus? Bestimmt machen Sie so etwas nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, oder? Schließlich stärken Sie damit Ihre Konkurrenz.“

Opal ging zum Fenster, betrachtete versonnen Brücke und Opernhaus, den Fährverkehr und die Segelschiffe im Hafenbecken, wo das Meer in der Mittagssonne glitzerte und funkelte. Er vermutete jedoch, dass sie nichts von dem bezaubernden Panorama wahrnahm.

„Sagen wir einmal so“, erwiderte sie, den Blick weiterhin in die Ferne gerichtet, „Clemengers hat ein kleines Finanzproblem. Mein Vater wurde von seinen Steuerfachleuten falsch beraten und bekam Schwierigkeiten mit dem Finanzamt. Bis er starb, wusste ich davon nichts. Erst vor sechs Monaten wurde mir klar, wie ernst die Lage ist. Die Banken waren bereit einzuspringen – allerdings nur vorübergehend.“ Sie schüttelte den Kopf. „Wir waren bereits wieder in den schwarzen Zahlen, als die Forderung für die nächste Steuernachzahlung eintraf. Jetzt wollen die Banken sich nicht mehr engagieren.“

„Um wie viel geht es?“

Sie drehte sich um und nannte ihm eine Zahl, die er mit einem skeptischen Stirnrunzeln quittierte. „Genau deshalb haben unsere Anwälte dazu geraten, Clemengers zu verkaufen. Und wenn die Banken nicht interessiert sind, an wen sollen wir uns dann wenden? Trotz allem laufen die Hotels hervorragend. Zum Beweis kann ich Ihnen gern unseren Unternehmensbericht zeigen. Es ist einfach nur so, dass die Steuerschuld beglichen werden muss, und das bald.“

Opal seufzte und lächelte matt. Jetzt wirkte sie erschöpft. Erschöpft und verletzbar und gar nicht mehr wie die risikobereite Geschäftsfrau, die sich energisch Zutritt zu seinem Büro verschafft hatte, um ihm ihr Angebot zu unterbreiten. Mit leicht geneigtem Kopf sah sie ihn an.

„Clemengers wird seit zwei Monaten unter der Hand gehandelt – wieso hat Silvers kein Interesse gezeigt? Ich hätte doch gedacht, dass ein Unternehmen, das Problemlösungsansätze sucht, Interesse signalisiert oder wenigstens nähere Erkundigungen einholt.“

Offen gestanden hatte Domenic keine Ahnung, wieso das nicht geschehen war. Sein australischer Leiter der Finanzabteilung hatte ihn nie darüber informiert, dass die Hotelkette veräußert werden sollte. Und selbst wenn sein Manager gute Gründe dafür hatte, dass Silvers sich nicht dort einkaufte, warum hatte er diese nicht wenigstens in seinem Bericht aufgeführt?

Das musste sofort geklärt werden. „Fürs Erste habe ich genug gehört.“ Domenic trat zum Schreibtisch, nahm den Telefonhörer auf und wählte die Nummer des Leiters der Finanzabteilung. Aufmerksam beobachtete sie ihn von ihrem Platz am Fenster. Sie hatte die Lippen leicht geöffnet, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Wusste sie eigentlich, wie schön sie in diesem Augenblick war? Hatte sie absichtlich diesen Platz gewählt, damit ihr das einfallende Sonnenlicht kupferfarbene Lichtpunkte aufs Haar zauberte?

Wohl eher nicht, entschied er, während das Telefon am anderen Ende der Leitung läutete. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die mit solchen Tricks arbeiteten.

Evan Hopper meldete sich nach dem dritten Klingelton, und Domenic wandte den Blick von Opal und konzentrierte sich auf die Wand, wo Opals eigenwillige Augen, die nicht richtig blau, aber auch nicht grün waren, ihn nicht ablenken konnten. „Evan, was können Sie mir über den Verkauf von Clemengers sagen?“

Opal atmete tief ein. Für einen Moment hatte sie geglaubt, er würde den Wachdienst anrufen und sie vor die Tür setzen lassen. Stattdessen war sie weiterhin im Rennen.

„Und über die Finanzlage?“ Auf seine kurz angebundenen Fragen erhielt Domenic von dem Leiter der Finanzabteilung offenbar ausschweifende Antworten.

„Wieso dann nicht?“ Domenic war um einiges lauter geworden und legte jetzt verhalten fluchend den Hörer auf. Mit beiden Händen stützte er sich auf dem Schreibtisch ab, bis er sich schließlich aufrichtete und zu ihr sah. Dann strich er sein Jackett glatt.

„Na, dann kommen Sie, Ms. Clemenger. Oder darf ich Sie Opal nennen?“

„Natürlich, aber … was haben Sie denn vor?“

„Was meinen Sie? Sie werden mir jetzt dieses Sechssternehotel zeigen, auf das Sie so stolz sind.“

Sie deutete auf den Schreibtisch und die immer noch unberührten Silberplatten. „Ihr Lunch …“, meinte sie.

„Ach, lassen wir das.“ Er schob nun Opal eine Hand unter den Ellbogen und führte sie zur Tür. Sobald er sich ihr zuwandte, nahm sie seinen Duft wahr – eine würzig-holzige Note und ungemein maskulin. Wie passend! Als Domenic die Lippen zu einem vielsagenden Lächeln verzog, enthüllte er blendend weiße Zähne. „Ich möchte mit eigenen Augen sehen, was Sie mir anzubieten haben.“

Seine Berührung verursachte Opal plötzlich eine Gänsehaut. Er meinte natürlich das Hotel, was sonst? Weshalb sollte sie auch nur eine Minute lang vermuten, dass etwas anderes in dem unergründlichen Blick liegen könnte, mit dem er sie anschaute? Sicher, er war ein Playboy, doch zum Glück war sie nicht sein Typ.

Alles, was sie von Domenic Silvagni wollte, war eine Investition in die Zukunft von Clemengers und seinen Mitarbeitern. Dass es ausgerechnet ein Playboy sein musste, der ihr Unternehmen vor dem Ruin rettete, na, wenn schon! Im Augenblick durfte sie nicht wählerisch sein.

Als sie das Büro verließen, saß Deirdre Hancock wieder an ihrem Platz. Sie gab sich ganz geschäftsmäßig, und falls sie erstaunt oder zufrieden war, die beiden zusammen zu sehen, zeigte sie es nicht.

„Ich bin ein paar Stunden weg“, sagte Domenic im Vorübergehen. „Würden Sie bitte dafür sorgen, dass unten ein Wagen für uns bereitsteht?“

„Selbstverständlich, Mr. Silvagni. Im Übrigen hat Ihr Vater noch einmal angerufen. Ich habe ihm gesagt, dass Sie in einer Konferenz sind.“

Domenic blieb unvermittelt stehen, und Opal nutzte die Gelegenheit, sich rasch von ihm zu lösen und ihre Mappe von dem Stuhl zu nehmen, wo sie diese hatte liegen lassen.

„Hat er eine Nachricht hinterlassen?“

„Er wollte wissen, ob Sie am Donnerstagabend in Rom noch frei sind. Er und Ihre Mutter möchten Sie einer bezaubernden jungen Dame vorstellen.“

Er stöhnte leise auf.

„Kann ich ihm etwas mitteilen?“, fragte Deirdre.

„Nein. Ich erledige das später selbst.“ Dann wandte Domenic sich Opal zu und deutete zum Aufzug. Als sie noch einen Blick über die Schulter riskierte, hielt Deirdre ihr die Daumen. Darauf formten Opals Lippen ein Danke.

Sobald er ihr in den Lift folgte, kam sie sich neben ihm, umgeben von hochglänzenden Spiegelwänden, sehr klein vor. Sie richtete den Blick auf die Tür, weil sie annahm, dass Domenic das Gleiche tun würde, doch er betrachtete sie weiterhin, während der Fahrstuhl leise summend nach unten glitt. Sie ließ den Blick nervös durch den Aufzug gleiten, versuchte, Domenics auszuweichen, und richtete ihn schließlich hilflos auf die Anzeigetafel, deren Ziffern sich viel zu langsam änderten.

Obwohl sie es vermied, ihn anzusehen, konnte sie seiner unmittelbaren Nähe und den freimütigen Blicken nicht entrinnen. Sie spürte, wie ihr Körper darauf reagierte, spürte das Prickeln auf der Haut und das Spannungsgefühl in den Brüsten, wenn sie sich auch nichts anmerken ließ. Selbst Domenics würziger Duft schien sie zu foppen: Versuch doch, mich zu ignorieren.

Unmöglich, diesen Mann zu ignorieren. Also musste sie sich unbeeindruckt geben. Bei anderer Gelegenheit hätte sie sich vielleicht zu ihm hingezogen gefühlt, wäre fasziniert gewesen von der ungeheuren Anziehungskraft, die dieser Mann ausübte.

Bei anderer Gelegenheit und bei einem anderen Mann.

„Wie alt sind Sie?“, fragte Domenic schließlich.

„Ist das von Bedeutung?“

„Vierundzwanzig? Fünfundzwanzig?“

Stolz warf sie nun den Kopf zurück. „Wie alt sind Sie denn?“

„Zweiunddreißig.“

„Oh.“ Wie kindisch von ihr! Domenic fragte sie lediglich nach ihrem Alter. Und das war schließlich nicht verboten. „Ich bin im Juni sechsundzwanzig geworden.“

Er zog fragend eine Braue hoch. „Und weder verheiratet noch verlobt. Wieso das?“

„Vielleicht habe ich einen festen Partner.“

„Was mich nicht wundern würde, denn Sie sind eine umwerfend schöne Frau.“

Opal spürte, wie sie errötete. Sie schaute weiterhin wie gebannt auf die Anzeigetafel – achtundzwanzig, siebenundzwanzig – und war fest entschlossen, aus dem Aufzug zu springen, bevor ihre Wangen so rot wären wie die Leuchtziffern über ihr. „Umwerfend schön“ – was sollte sie von diesem Kompliment halten?

„Ich verstehe eigentlich nicht, was das mit dem Verkauf von Clemengers zu tun hat.“

„Sie haben recht. Es ist wirklich nicht Ihr Problem.“

Zunächst war Opal leicht verblüfft, doch dann schwante es ihr. „Der Anruf“, sagte sie.

Er nickte. „Genau. Mein Vater meint, ich solle heiraten, und meine Mutter sieht ihre Lebensaufgabe darin, sämtlichen jungen Hochschulabgängerinnen und jeder europäischen Prinzessin, die sie kennenlernt, auf den Zahn zu fühlen.“

Spontan dachte Opal wieder an die mit Domenic fotografierten Frauen, die bestimmt keine Akademikerinnen oder Fürstentöchter waren. Was hatte er denn anderes erwartet? Seine Eltern waren zweifellos in Sorge, dass er an einer solchen Frau hängen bleiben könnte. Unwillkürlich musste sie lächeln. „Ich kann mir vorstellen, dass das für jemanden wie Sie ein Problem ist.“

Ihre ziemlich bissige Bemerkung blieb nicht ohne Wirkung auf Domenic. Allerdings irrte sie sich gewaltig, wenn sie glaubte, ihn damit verletzen zu können. Er war noch lange nicht fertig mit ihr. Darauf konnte die hübsche Ms. Clemenger Gift nehmen.

Er drängte sie gegen die Liftwand und stützte sich dort mit den Händen ab, sodass Opal gefangen war.

Mit Genugtuung nahm er das ängstliche Aufflackern in ihren weit geöffneten Augen wahr. „Jemand wie ich? Das klingt aber ziemlich negativ, Ms. Clemenger.“

Noch während er auf ihre Antwort wartete, wurde ihr Blick plötzlich kühl und unnahbar.

„Opal“, korrigierte sie ihn mit einem kaum merklichen Zucken um die Mundwinkel. Und er bemerkte, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, während sie krampfhaft die Mappe umklammerte und wie einen Schutzschild zwischen sie beide hielt. „Sagen Sie ruhig Opal zu mir.“

Domenic mochte es, wie sie ihren Vornamen aussprach, wie sie den Mund zum P spitzte und beim L mit der Zunge die oberen Schneidezähne berührte. Es war irgendwie erotisch.

Wäre ihr Blick doch genauso gewesen!

„Opal“, begann er. „Sie würden es doch nicht wagen, negativ über den Mann zu denken, der mit dem Gedanken spielt, Ihr Unternehmen zu retten, oder?“

Dieses Mal hielt sie seinem Blick stand. „Ich dachte eher, dass ich Ihnen eine Lösung für Ihre Probleme biete.“

Domenic lächelte. Ihre Lippen waren so nah, dass er sie spielend leicht hätte küssen können. „Danach hat es mir aber nicht geklungen.“

Jetzt hatte er sie nervös gemacht. Als ahnte sie seine Gedanken, schaute Opal sich angestrengt nach einer Fluchtmöglichkeit um. Hektisch befeuchtete sie sich die Lippen.

„Vielleicht haben Sie mir nicht zugehört“, sagte sie, den Blick auf einen Punkt an der Wand neben ihm gerichtet.

„O doch, das habe ich“, meinte er süffisant, „und beobachtet und nachgedacht.“

„Nachgedacht, worüber?“

Domenic kam noch näher mit seinem Gesicht. „Ob dieser Mund so gut schmeckt, wie er aussieht.“

Er senkte den Kopf, und als er mit den Lippen ihre berührte, spürte er Opals Süße und Wärme. In diesem Moment kündigte ein Gong ihre Ankunft im Parterre an, und die Lifttüren öffneten sich.

„Entschuldigen Sie“, sagte Opal leicht außer Atem. Sie duckte sich, glitt unter seinen Armen hindurch und hinaus in die Freiheit einer opulent mit Marmor ausgekleideten Hotelhalle. „Ich denke, ich steige hier aus.“

„Lady“, brachte er rau hervor, während er ihr folgte, „die Fahrt hat eben erst begonnen.“

3. KAPITEL

Sie war verrückt. Opal goss sich eine Tasse Earl Grey aus der silbernen Kanne ein und beobachtete die winzigen Teeblätter, die in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit aufwirbelten.

Es waren über zwei Stunden vergangen, seit Domenic sie gegen die Aufzugwand gepresst und ihre Lippen mit seinen gestreift hatte. Ihr war fast das Herz stehen geblieben, trotzdem vermochte sie jetzt an nichts anderes mehr zu denken.

Er konnte jeden Augenblick an ihren Tisch zurückkehren, denn er hatte sich nur kurz entschuldigt, um ein privates Gespräch auf seinem Mobiltelefon zu führen. Und sie saß hier und überlegte ständig, was hätte passieren können, wenn die Aufzugtüren nicht in jenem Augenblick aufgegangen wären. Stattdessen sollte sie lieber darüber nachdenken, wie sie ihn von einer Investition in ihr Unternehmen überzeugen konnte.

Immerhin war Domenic schwer beeindruckt von dem Ambiente und der Atmosphäre bei Clemengers gewesen, nachdem der Portier Sebastian sie stilecht in Frack und Zylinder empfangen, mit einem höflichen Nicken begrüßt und durch das Hotel geführt hatte. Domenic hatte sich anerkennend über die weitläufigen, mit geschmackvollen Möbeln und kostbaren Antiquitäten ausgestatteten Suiten geäußert, die gediegenen Luxus vermittelten.

Er hatte sich von ihr sogar die Unternehmensberichte geben lassen und sie mit Fragen überschüttet, wenn er irgendetwas nicht nachvollziehen konnte oder nähere Einzelheiten benötigte.

Auch das Menü, das sie gemeinsam in Clemengers preisgekröntem Restaurant „The Pearl“ eingenommen hatten, war ausgezeichnet gewesen: Languste mit Chillies, gefolgt von einem saftig-zarten Filetsteak auf gebratenen Süßkartoffelstreifen an Hummermedaillons in Weißweinrahm. Domenic hatte ausdrücklich darauf bestanden, noch vor dem Kaffee die Küchenchefs kennenzulernen, um ihnen ein persönliches Lob auszusprechen und mit ihnen über ihre Pläne zu diskutieren.

Das hätte er ganz sicher nicht getan, wenn er nicht ernsthaft an Clemengers interessiert wäre.

Also wäre es jetzt nur sinnvoll gewesen, wenn Opal sich Gedanken über eine Vertragsvereinbarung gemacht hätte. Sie hatte es in der Hand, dass Clemengers nicht zerstört oder in teure Apartments umgewandelt wurde und ihre Hotelkette auch in Zukunft bestehen blieb …

Stattdessen dachte sie unablässig daran, was im Lift passiert war. Warum konnte sie die zärtliche Berührung seiner Lippen nicht einfach vergessen?

Er hat mich geküsst.

Und sie hatte sich nicht einmal gewehrt, sondern völlig verdrängt, warum sie ihn aufgesucht hatte. Ja, sie hatte sogar vergessen, was er war. Ein Playboy nämlich. Und das war das Schlimmste überhaupt!

Na schön, vermutlich würde er in ihre Hotels investieren. Und wegen Clemengers konnte sie über das Privatleben dieses Mannes hinwegsehen. Doch sie selbst durfte nie vergessen, wer er war. Sie brauchte sich bloß das triste, sinnentleerte Leben ihrer Mutter vor Augen zu halten, dann wusste sie um die Konsequenzen.

Geistesabwesend streute sie einen halben Löffel Zucker in ihren Tee. Es war ruhig im Restaurant. Die Unterhaltung an den Nachbartischen verlief gedämpft. Die Ober arbeiteten flink und unaufdringlich. Selbst draußen in den verkehrsbelebten Rocks schien alles still. Trotzdem meinte Opal, plötzlich ein erwartungsvolles Prickeln im Nacken zu spüren.

Das bildete sie sich nur ein. Diese Geschichte im Aufzug – sie musste endlich vernünftig werden, sie machte sich ja lächerlich! Domenic hatte die Episode inzwischen bestimmt vergessen. Zweifellos bedeutete es einem Mann wie ihm, der ständig mit irgendwelchen Frauen herumflirtete, nichts. Seufzend legte sie den silbernen Teelöffel auf den Unterteller aus feinstem Porzellan.

Das eigenartige Gefühl blieb trotz aller Versuche einer logischen Erklärung, und Opal erschauerte kaum merklich. Als sie aus einem Impuls heraus nach rechts blickte, bemerkte sie unvermittelt Domenic, der in einiger Entfernung stand und … sie beobachtete.

Für Sekundenbruchteile war das geräumige Restaurant ausgeblendet, und sie hatten nur noch Augen füreinander. Die Welt schien stillzustehen, und doch passierte in jenem unendlich kurzen Moment etwas Unerklärliches. Opal wurde es auf einmal heiß und kalt, sie erschauerte erneut und errötete, als Domenic sie mit seinem unergründlichen Blick maß. Und gerade als sie dachte, dass sie ihn keine Sekunde länger ansehen könnte, lächelte er, und ihr wurde wohlig warm. Sie begriff instinktiv, dass dieses Lächeln ihr galt, und trotz aller Vorbehalte, trotz allem, was gegen ihn sprach, machte es sie glücklich.

Ärgerlich über ihre brennenden Wangen, senkte sie die Lider, während er sich zwischen den Tischen einen Weg zu ihr bahnte und dabei das Handy in die Brusttasche seines feinen Batisthemds zurückschob.

„Verzeihen Sie“, sagte Domenic, als er wieder Platz nahm. „Mein Vater ließ sich nicht länger abwimmeln. Es tut mir leid, aber die Familie hat nun einmal Vorrang, wie wichtig das Geschäftliche auch immer sein mag.“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen“, erwiderte Opal rasch. „Meine beiden Zwillingsschwestern und ich stehen uns auch sehr nahe, obwohl ich sie leider viel zu selten sehe.“

Domenic trank einen Schluck Kaffee und nickte anerkennend. Sogar Clemengers’ Spezialmischung schien seinen Geschmack zu treffen. „Erzählen Sie mir von Ihren Schwestern.“

Opal stellte ihre Tasse ab, froh über diese Ablenkung. „Sie sind zweiundzwanzig. Sapphire, genannt Sapphy, ist zehn Minuten älter als ihre Schwester. Sie arbeitet derzeit in Mailand und hat sich dort schon einen Namen als Modeschöpferin für eines der ganz großen Häuser gemacht. Irgendwann möchte sie ihr eigenes Label haben. Und bei ihrem Ehrgeiz wird sie das auch schaffen.

Ruby lebt in Broome und eignet sich dort Fachwissen aus der Perlenindustrie an. Sie ist mit ganzer Seele Schmuckdesignerin und hat einige fantastische Stücke entworfen.“

„Opal, Rubin, Saphir, Sie sind also alle nach kostbaren Steinen benannt.“

Opal lachte leise. „Das war die Idee meiner Mutter. Sie hieß Pearl. Dieses Restaurant“, sie machte eine ausladende Geste, „ist nach ihr benannt. Für sie waren wir alle wunderschön und kostbar, und das wollte sie mit der Namensgebung unterstreichen.“

Opal verstummte unvermittelt, denn die Erinnerung an ihre Mutter überkam sie. Sie war erst neun Jahre alt gewesen, als ihre geliebte Mutter einsam und an gebrochenem Herzen starb, nachdem sie der Lebensmut verlassen hatte. Ihre schöne, zärtliche Mutter, deren einzige Verfehlung darin bestanden hatte, zu sehr zu lieben.

Und alle hatten geglaubt, ihr fehle es an nichts, mit einem aufwendigen Lebensstil, drei hübschen kleinen Mädchen und einem gediegenen Restaurant, das ihren Namen trug. Niemand wusste um das leere Bett neben Pearl, die ständigen Seitensprünge von Opals Vater und um den Scherbenhaufen ihrer Ehe.

Niemand außer Opal. Alt genug, um den Kummer ihrer Mutter zu spüren, aber noch viel zu jung, um irgendetwas dagegen tun zu können, hatte sie sich damals fest vorgenommen, eines Tages Frauen zu helfen, denen es nicht gelang, sich aus einer unglücklichen Beziehung zu lösen.

„Mir gefällt die Philosophie Ihrer Mutter“, riss Domenic sie aus ihren Gedanken.

„Wirklich?“ Sie lächelte zerstreut. „Ich weiß nicht, ob mein Vater Ihrer Meinung gewesen wäre, wenn meine Mutter einen Jungen bekommen hätte. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass er seinen Sohn auf den Namen ‚Granat‘ getauft hätte.“

Domenic schnitt ein Gesicht. „Vermutlich nicht. Wann ist Ihr Vater verstorben?“

„Vor zwei Jahren.“ Angestrengt überlegte sie. „Nein, vor gut zweieinhalb Jahren. Er hatte einen Herzinfarkt.“

„Wie tragisch“, meinte Domenic mit Bedauern in der Stimme. „Der Stress, der mit der Hotelführung verbunden ist, ist enorm und wird häufig unterschätzt.“

Opal sah aus dem Fenster, als interessierte sie sich für die Passanten auf der Straße, für die Touristen, die durch die vielen Galerien und Geschäfte bummelten, und die rotgesichtigen Manager, die nach einem langen, alkoholreichen Lunch in ihre Büros zurückkehrten.

Natürlich wurden Stress und Anspannung in ihrem Gewerbe vielfach unterschätzt. Und bei ihrem Vater war zu allem Überfluss noch der Ehrgeiz hinzugekommen, eine neunzehnjährige Schönheitstänzerin zu beeindrucken, die unbedingt die nächste Mrs. Clemenger hatte werden wollen. Hätte ihr Vater mehr Zeit über seiner Steuererklärung verbracht, wäre er vielleicht noch am Leben und das Unternehmen nicht in Gefahr.

„Und dann haben Sie die Unternehmensleitung übernommen. Ohne Unterstützung durch Ihre Schwestern?“, erkundigte sich Domenic.

Resigniert zuckte Opal die Schultern. Was geschehen war, war geschehen. Das machte ihr die Aufgabe nicht eben einfacher. Wäre ihr Vater nicht in den Armen dieses Mädchens gestorben, hätte es ihn vermutlich bei einer der vielen anderen erwischt, die es auf einen reichen Mann abgesehen hatten – jung genug, um seine Enkeltochter zu sein. Es grenzte an ein Wunder, dass er nie den endgültigen Schritt gewagt und eine von ihnen geheiratet hatte. Offenbar hatte er sich lieber ohne Trauschein vergnügt und dem Unternehmen wenigstens diese Komplikation erspart.

„Es hat sich einfach so ergeben. Sapphy und Ruby sind beide künstlerisch begabt – es wäre unfair, sie in den Hotelbetrieb einzuspannen, wenn sie etwas anderes machen möchten. Ich dagegen hatte ein Faible für Clemengers. Ich wollte immer im Hotel helfen und mich dort engagieren. Ich kann mir gar nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.“

Zwischen Domenics Brauen bildete sich eine steile Falte. „Und hier komme ich ins Spiel, vermute ich. Verständlich, dass es Ihnen schwerfallen würde, das alles aufzugeben.“

Seine Worte standen bedeutungsschwer im Raum. Nervös schob Opal ihre leere Teetasse beiseite.

„Es geht nicht nur um mich, sondern zunächst einmal um mehr als zweihundert Hotelangestellte und ihre Familien, die auf Clemengers angewiesen sind.

Und“, fuhr sie fort, „es gibt eine Tradition. Keine andere Hotelkette bietet diesen Luxus und dieses Flair. Das darf einfach nicht zerstört werden.“

„Und Sie meinen wirklich, dieser McQuade erhält den Zuschlag? Wie können Sie das schon jetzt wissen?“

Opal presste die Lippen zusammen, als bereitete ihr der Name McQuade körperliche Schmerzen. „Ich hatte einen Termin mit dem Makler. Als ich den Taxifahrer bezahlte, konnte ich ein Gespräch zwischen zwei Juniormanagern verfolgen, die vor dem Bürogebäude bei einer Zigarette die gebotenen Summen diskutierten.“

„Und Sie sind sich ganz sicher?“

„Es besteht überhaupt kein Zweifel. Ich war so schockiert, dass ich den Makler direkt darauf angesprochen habe, und er hat es schließlich bestätigt. Wissen Sie, wenn ich will, kann ich sehr überzeugend sein.“

Um Domenics Mundwinkel zuckte es verräterisch. „Das ist mir bereits aufgefallen.“

Opal sah ihn scharf an und war sich nicht sicher, ob er sich nicht heimlich über sie lustig machte.

„Dann brauchen Sie also jemanden, der McQuade überbietet?“

„Ja“, antwortete sie, wieder etwas gefasster. „Bis morgen Nachmittag um fünf Uhr können Sie Ihr Gebot abgeben. Viel Zeit bleibt Ihnen nicht mehr.“

„Verstehe. Angenommen, ich bekomme den Zuschlag, dann übernehme ich die Leitung von Clemengers mit den drei Hotels und allem Übrigen, was damit zusammenhängt.“

„Na ja, nicht ganz.“ Opal befeuchtete sich die Lippen. „Ich dachte eher an einen Teilhaber.“

„Was meinen Sie mit Teilhaber? Wenn ich das Höchstgebot halte, bekomme ich das Gesamtunternehmen zugesprochen.“

„In gewisser Weise schon, aber ich habe mir überlegt, wenn ich weiterhin als Hotelmanagerin arbeite und Clemengers als separate Einheit innerhalb der Silvers-Kette führe, dann akzeptieren Sie vielleicht einen kleineren Anteil.“

„Wie hoch wäre denn der?“

„Hm, ich dachte … an neunundvierzig Prozent?“

„Sie machen wohl Witze.“ Domenic klang gereizt. „Sie erwarten von mir, dass ich alle anderen überbiete, obwohl dem Meistbietenden naturgemäß die Leitung von Clemengers zufallen würde …“ Er wertete Opals Schweigen als Zustimmung und fuhr fort: „Aber ich soll mich mit neunundvierzig Prozent zufriedengeben. Dieses Geschäft ist für mich uninteressant. Was soll das Ganze?“

„Ich versichere Ihnen, ich mache keine Witze. Sie bekommen eine hohe Unternehmensbeteiligung und Kontinuität im Management. Ich bleibe und arbeite sowohl für Clemengers als auch für die Silvers-Hotels – wo man mich gerade braucht. Und in einem Jahr werden Sie satte Gewinne verzeichnen und die Erfahrung von Clemengers auf das Silvers-Management übertragen. Ihre Hotels können noch viel von uns lernen. Damit werden Sie auch als Teilhaber ein gutes Geschäft machen.“

Ihr Angebot musste einfach überzeugend klingen. Es war der einzige Weg, um Pearl’s Place, das Frauenhaus, das sie vor vier Jahren in einem heruntergekommenen Apartmentgebäude in der Innenstadt eingerichtet hatte, zu erhalten.

Pearl’s Place war ihr Geheimnis. Sie hatte es gegründet, weil sie ihrer eigenen Mutter nie hatte helfen können und gerade deshalb anderen Frauen in vergleichbaren Situationen eine Zuflucht bieten wollte. Sie hatte die Liegenschaft mit ihrem Privatvermögen finanziert, und der Großteil ihres Gehalts ging direkt an die Einrichtung. Ohne ihre Leitungsfunktion bei Clemengers wäre die kleine Stiftung aber zweifellos eines der ersten Opfer des neuen Managements. Wenn sie einundfünfzig Prozent der Unternehmensanteile halten könnte, wäre ihr Geheimnis gesichert, und die Stiftungsgelder wären weiterhin garantiert.

So wäre es natürlich am besten. Bekäme McQuades Angebot hingegen den Zuschlag, würde es kaum für die Steuernachzahlung und die Banken reichen. Eine Zeit lang würde sie Pearl’s Place noch mit ihrem Privatvermögen über Wasser halten können, aber danach wäre das Frauenhaus auf sich gestellt. Und das wollte sie auf jeden Fall verhindern.

Domenic schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist mir zu wenig. Ihr Angebot beinhaltet nicht einmal die Unternehmenskontrolle. Sie suchen einen Partner, der den großen Geldgeber spielt, aber keinerlei Entscheidungsbefugnisse hat. Niemand würde so ein einseitiges Geschäft akzeptieren, und ein Silvagni erst recht nicht.“ Er schlug so fest mit der Faust auf den Tisch, dass Opal zusammenzuckte.

„Schon aus Prinzip würde ich immer auf mindestens fünfzig Prozent bestehen, und in Ihrem Fall soll ich schließlich das Gesamtunternehmen aufkaufen. Wenn Sie allerdings glauben, dass Ihre Führungsqualitäten für uns unverzichtbar sind, dann sichere ich Ihnen eben eine entsprechende Ablösesumme zu. Das wird Sie bestimmt zufriedenstellen.“

„Ist das alles? Nachdem ich Ihnen dieses einmalige Angebot mache? Ist Ihnen eigentlich klar, dass es dazu niemals gekommen wäre, wenn wir nicht hohe Steuernachzahlungen zu leisten hätten?“

„Das ist aber nicht mein Problem“, erwiderte Domenic mit der Überheblichkeit des Siegers.

„Ohne mich hätten Sie nicht einmal davon erfahren. Ihre Finanzabteilung hielt den Verkauf von Clemengers Ihnen gegenüber wohl nicht für erwähnenswert. Und wenn Ihnen die Sache etwas wert ist, dann sollten Sie auch dazu stehen.“

„Ihnen war doch sicher bewusst, dass Sie nach einem Verkauf die Kontrolle über das Unternehmen verlieren würden.“

„Ja, aber das war vor unserem Gespräch. Ich bin davon ausgegangen, dass ich mit jemandem verhandle, der die Vorteile einer Kooperation zu schätzen weiß.“

„Sie vergessen, dass ich Geschäftsmann bin und nicht der Leiter eines Wohlfahrtsinstituts.“

„Ich will keine Almosen.“

„Warum erwarten Sie dann etwas von mir, das Sie von den anderen Bietern niemals verlangen könnten und würden?“

Opal blieb ihm die Antwort schuldig. Stattdessen sagte sie ausweichend: „Vielleicht habe ich einfach nur geglaubt, dass ein erfahrener Hotelier wie Sie mich verstehen könnte. Aber vermutlich habe ich mich geirrt.“

„Also, mein Angebot steht. Ich überbiete McQuade, Sie bekommen eine entsprechende Ablösesumme, und Clemengers ist in Sicherheit vor den Planierraupen.“

Einen Moment lang schwieg Opal, und Domenic fragte sich, was wohl in ihr vorging. In ihren ausdrucksvollen Augen flimmerten winzige Farbpünktchen, und er konnte sich beinahe bildhaft vorstellen, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Das konnte sie doch nicht ernsthaft meinen. Normalerweise musste sie doch froh sein, dass sie ihre heiß geliebten Hotels vor dem Abriss bewahrte. Nun, sie hatte ihren Standpunkt vertreten, und jetzt hoffte er, dass sie seinen verstand. Für ihn kam nur eine hundertprozentige Beteiligung infrage.

„Ich muss darüber nachdenken“, meinte sie schließlich und stand auf, als wollte sie ihn wie einen kleinen Schuljungen entlassen.

Domenic musterte sie scharf, sagte jedoch nichts. Er war wütend – das musste ihr auch ohne Worte einleuchten. Er hatte seine kostbare Zeit verschwendet, und wofür? Für nichts. Keiner hätte ein derartiges Angebot abgelehnt. Jedenfalls kein vernünftiger Mensch.

Aber es war ihre Entscheidung. Domenic hatte ihr ein tragfähiges Angebot zur Sanierung ihres Unternehmens gemacht – ein besseres würde sie in den ihr verbleibenden vierundzwanzig Stunden bestimmt nicht bekommen –, und sie wollte darüber nachdenken, als hätte sie die Fäden in der Hand.

Opal war ganz anders als seine sonstigen Verhandlungspartner: Menschen, die völlig unbeeindruckt mit Liegenschaften und Aktienwerten und Millionensummen jonglierten, die wussten, wann ein Geschäft gut war und wann man einen Vertrag auflösen musste … die wussten, wann sie zu viel forderten.

Opal Clemenger passte nicht in dieses Schema. Sie hatte ihr eigenes. Er ließ den Blick über sie gleiten, über ihre Brüste, die sich hoben und senkten, und die schmalen, von der engen Kostümjacke betonten Hüften. Allmählich ließ sein Ärger nach und wich einer ganz neuen Einsicht.

Sie hat Klasse. Unter der teuren Kleidung vermochte er sich ihren Körper vorzustellen: hohe, feste Brüste, einen flachen Bauch und sanft geschwungene Hüften … und dann … weiter unten …

Wie mochte sie wohl im Bett sein? Was würde er empfinden, wenn sie mit ihren langen Beinen seine umschlang, ihre Brüste, entrückt vor Sinnlichkeit, an ihn presste?

Das herauszufinden wäre ihm viel wert. Er hatte schon länger keine Frau mehr gehabt, und irgendetwas vermittelte ihm, dass Opal Clemenger eine Offenbarung wäre. Niemand konnte so leidenschaftlich kämpfen, wie sie es für den Erhalt ihrer Hotels tat, und dann kalt und lustlos im Bett sein. Nein, ein solches Temperament kam nicht von ungefähr. Es lag in ihrem Naturell.

Opal war geschliffen und rein wie der Edelstein, dessen Namen sie trug. Und wie der kostbare Stein versprühte sie ein ungeheures Feuer, wenn man sie herausforderte.

Es war interessant, sie zu provozieren und herauszufinden, worauf sie ansprang. Sie brauchte sein Geld, trotzdem behandelte sie ihn mehr wie ihren Todfeind. Eigenartig. Die meisten Frauen wären überglücklich auf sein Angebot und seine Bedingungen eingegangen, sie dagegen schien die Auseinandersetzung mit ihm förmlich zu suchen. Es würde bestimmt keine leichte Aufgabe werden, sie in sein Bett zu locken.

Und genau dort wollte er sie haben. Er wollte spüren, wie sie sich mit ihren hinreißenden Kurven unter ihm wand. Wollte sie stöhnen und betteln hören. Wild. Unbändig. Unersättlich.

Und ich werde sie bekommen.

Vielleicht gab es eine Lösung, die sie beide zufriedenstellte.

Opal sah ihn seltsam erwartungsvoll an, und er lächelte im Stillen. Sie rechnete doch bestimmt nicht damit, dass er einlenkte? Wie sollte sie auch, letztendlich kam es für ihn selbst überraschend.

„Vielleicht finden wir ja doch noch eine einvernehmliche Lösung“, sagte Domenic unvermittelt.

Darauf war Opal wohl nicht gefasst gewesen, denn sie zupfte nervös an den Ärmeln ihres Chaneljäckchens, als er beharrlich sitzen blieb. „Wie denn, wenn Sie nicht bereit sind, eine Beteiligung von weniger als einhundert Prozent zu akzeptieren?“

„Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass ich zu Ihren Bedingungen annehme“, antwortete Domenic.

„Ach, tatsächlich?“ Sie setzte sich wieder.

„Unter einer Voraussetzung“, fuhr er unbeirrt fort.

„Und die wäre …?“

„Ganz einfach“, begann er, „Sie bekommen den Retter, der Ihr Unternehmen herausboxt, und ich bekomme eine Beteiligung an einer vielversprechenden Sechssternehotelkette.“

Eine Zeit lang überlegte Opal, doch sie wirkte zunehmend ratlos. „Und … was ist daran anders als an meinem Angebot?“

„Nun, ich zahle, was Sie verlangen, und halte dafür neunundvierzig Prozent an Ihrem Unternehmen. Ich darf hinzufügen, dass das etwas völlig Neues und Einmaliges für einen Silvagni ist. Sie müssen lediglich einer Sache zustimmen.“

„Und … und die wäre?“

Er sah sie durchdringend an. „Heiraten Sie mich, Opal Clemenger. Ich investierte zu Ihren Bedingungen in Ihre Hotelkette, wenn Sie meine Frau werden.“

4. KAPITEL

„Ihre Frau werden! Sie scherzen. Wieso, in aller Welt, sollte ich damit einverstanden sein?“ Opal merkte, dass die Gäste sich zu ihnen umdrehten, was sie siedend heiß daran erinnerte, wo sie sich befand. Sie räusperte sich. „Ich halte es für das Beste, wenn wir uns in mein Büro zurückziehen.“

In Wahrheit versuchte sie nur, eine Atempause zu gewinnen. In ihrem Büro würde sie Domenic klipp und klar zu verstehen geben, dass er sich zum Teufel scheren solle. Es würde bestimmt kein längeres Gespräch werden.

Er folgte Opal so dicht, dass sein teures Eau de Cologne sie umfing. Es machte sie nervös, trotzdem ging sie zügig weiter zu ihrem nicht übermäßig großen, aber gut ausgestatteten Büro.

Dort strahlte er eine solche Aura der Macht und Selbstbeherrschung aus, dass sie sich plötzlich wünschte, sie hätte ihn für diese Auseinandersetzung besser in einen der größeren Konferenzräume geführt. Hier gab es kein Entkommen vor Domenic Silvagni, und im Moment wünschte sie sich meilenweit weit weg von ihm. Aber zuerst würde sie ihm diesen absurden Vorschlag ausreden.

An die Wand gelehnt, verschränkte sie die Arme, dabei spürte sie genau, wie ihr das Herz in der Brust hämmerte. „Mein Angebot einer Beteiligung an Clemengers“, begann sie so ruhig, wie ihre Stimme es eben zuließ, „war ernst gemeint. Ich bitte Sie, es auch so zu verstehen.“

Domenic stand neben der geschlossenen Tür, neigte den Kopf zur Seite und schob lässig die Hände in die Hosentaschen. Sie verfolgte seine Bewegungen, registrierte das edle Jackett, den perfekten Sitz seiner Kleidung, die seinen gut gebauten Körper betonte. Sie schluckte und ließ den Blick zurück zu seinem Gesicht gleiten, wo das Lächeln in seinen Augen einem raubtierhaften Glitzern gewichen war.

„Ich meine es ernst. Sie heiraten mich, und ich rette Ihre kostbaren Hotels. Es ist ganz einfach.“

„Es ist lachhaft!“

„Von mir eine Minderheitsbeteiligung zu erwarten etwa nicht?“ Impulsiv nahm Domenic die Hände aus den Taschen, gestikulierte wild und trat näher an den Schreibtisch heran, der zwischen ihnen stand. „Sie haben doch nicht erwartet, dass ich Ihre Bedingungen so einfach akzeptiere, oder? Ihnen war doch sicher klar, dass auch ich Forderungen stelle.“

„Aber eine Heirat? Sie müssen Nerven haben, wenn Sie glauben, dass ich da mitmache!“

„Würden Sie vielleicht lieber meine Geliebte werden?“

Der Schock musste ihr deutlich anzusehen sein, und Domenic schien ein geradezu sadistisches Vergnügen daran zu haben. „Die Idee hat was …“ Er verstummte unvermittelt und rieb sich das Kinn, als würde er ernsthaft darüber nachdenken. Dabei ließ er den Blick anerkennend über ihren Körper gleiten. „Ach nein, meine Eltern wären bestimmt glücklicher, wenn ich endlich einer Frau einen Trauring anstecke.“

„Ich werde weder Ihre Geliebte noch Ihre Frau.“

„Wäre es so schlimm, mich zu heiraten?“ Die Hände in die Hüften gestützt, kam er noch näher, bis nur noch ein knapper Meter sie trennte. „Sie sind eine wunderschöne Frau. Mir können Sie nichts vormachen, ich sehe die Leidenschaft in Ihren Augen. Und ich finde, wir würden sehr gut zusammenpassen.“

„Signor Silvagni, Sie scheinen zu glauben“, sagte sie leise mit einem wütenden Unterton, fest entschlossen, sich von seiner unmittelbaren Nähe nicht einschüchtern zu lassen, „dass ich mich für Sie als Mann interessiere. Lassen Sie mich eines klarstellen, um weitere Missverständnisse auszuschließen. Ich bin nicht an Ihrem Körper interessiert – sondern nur an Ihrem Geld.“

Er zog die Brauen hoch, sah auf sie herab, hob die Hand und strich ihr mit der Daumenspitze zärtlich über die Lippen. „Sind Sie sich da sicher?“

„Oh, ganz sicher“, sagte Opal, sobald ihr wilder Herzschlag sich beruhigt hatte und sie wieder sprechen konnte. „Ich stelle Sex niemals über das Geschäftliche.“

„Vielleicht“, meinte er, „weil Sie noch nie die Gelegenheit dazu hatten.“

Sie stieß sich von der Wand ab und ging an ihm vorbei, um eine Situation wie vorhin im Aufzug gar nicht erst entstehen zu lassen. Als sie sich auf der anderen Seite des kleinen Büros in Sicherheit wähnte, drehte sie sich zu ihm um. „Soso, und die bieten Sie mir jetzt. Danke, kein Bedarf. Leuchtet Ihnen denn nicht ein, dass genug Gründe gegen eine solche Verbindung sprechen?“

„Welche zum Beispiel?“

„Wir sind uns praktisch fremd! Wir kennen uns ja kaum.“ Und was ich von Ihnen weiß, fügte sie insgeheim hinzu, gefällt mir gar nicht.

Domenic beugte sich über den Schreibtisch. „Na und?“, meinte er und zuckte die Schultern. „Meine Mutter und mein Vater haben sich erst am Tag ihrer Hochzeit kennengelernt. Mittlerweile sind sie fast fünfzig Jahre verheiratet. Es geht alles, man muss es nur wollen.“

Opal stöhnte. Wahrscheinlich war Domenics Mutter gar nichts anderes übrig geblieben, wenn ihr Mann seinem Sohn ähnlich war. „Es kann ja durchaus sein, dass die beiden zueinanderpassen. Aber ich bin nicht einmal Ihr Typ.“

„Verraten Sie mir, welches genau mein Typ ist?“

Unwillkürlich dachte Opal wieder an die Fotos und die Frauen in Domenics Begleitung. „Vermutlich jung, blond, schlank. Und nicht besonders geistreich.“

Sein überhebliches Lächeln war wie weggeblasen.

„Und Ihr Typ?“

Jetzt musste Opal lachen. „Ich habe keinen bestimmten Typ.“

Seine skeptische Miene verriet ihr, dass er die falschen Schlüsse zog. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie das möglicherweise witzig gefunden. Vielleicht ließ sie ihn sogar besser in dem Glauben. Die Vorstellung war irgendwie belustigend. „Ich habe gesehen, was die Ehe den Menschen antut, wie sehr sie sie auseinanderreißen kann. Ich bin keine Masochistin. Das Heiraten überlasse ich lieber den Romantikern.“

„Sie haben Angst.“

„Nein“, sagte sie mit Bestimmtheit, auch wenn die Erinnerung an das Schicksal ihrer Mutter schwer wog. Risikoscheu wäre vermutlich zutreffender. Und das aus gutem Grund. Wer sich freiwillig mit einem Playboy einließ, musste den Verstand verloren haben. Unvermittelt hatte sie ihre Mutter vor Augen: die strahlend schöne Pearl, dankbar für die kleinste Aufmerksamkeit ihres Mannes – überglücklich und voller Hoffnung, dass ihre Liebe erwidert würde – und tief verzweifelt, wenn er sie wieder tagelang allein ließ und mit einer seiner ständig wechselnden jungen Geliebten betrog.

Auch ohne die hässlichen Einzelheiten zu verstehen, hatte Opal bereits im zarten Alter von neun Jahren gespürt, wie sehr ihre Mutter unter der Einsamkeit und Zurückweisung litt. Die tiefe Liebe, die sie für ihren Mann empfand, blieb unerwidert. Und Opal hatte nichts daran ändern können.

Was wollte Domenic mit einer Heirat erreichen? Seinem skandalumwitterten Lebensstil einen seriösen Anstrich geben? Oder eine Garantie haben, dass er, wenn er schon nicht die Kontrolle über Clemengers bekam, wenigstens sie in der Hand hatte?

Bei dem Gedanken verzog sie ironisch die Mundwinkel. Das durfte er geflissentlich vergessen, selbst wenn sie ihn heiratete! Und auch da hatte er null Chancen. Aber was würde dann aus Clemengers werden?

Schlagartig schien sie wieder so verletzbar wie am Morgen in Domenics Büro. Jetzt wirkte sie noch jünger, noch unschlüssiger. Als erfahrener Verhandlungsführer wusste Domenic, dass sie keine Wahl hatte, und es wurde langsam Zeit, dass er die Sache zu einem Abschluss brachte.

„Ich werde veranlassen, dass meine Anwälte die entsprechenden Verträge ausfertigen. Wir müssen schnell sein, da die Ausschreibungsfrist morgen endet.“

„Nein. Ich habe nie gesagt, dass ich einverstanden bin.“

„Viele Entscheidungsmöglichkeiten haben Sie nicht.“

„Ich will nicht Ihre Frau werden.“

„Es ist doch nur eine Heirat. Ich verlange ja nicht, dass Sie mich lieben.“

Opal erstarrte. „Ich könnte Sie niemals lieben. Um nichts in der Welt. Im Augenblick finde ich Sie nicht einmal sympathisch. Unter diesen Umständen hat es vermutlich wenig Zweck, dieses Gespräch fortzusetzen.“

Für einen kurzen Moment sah er sie gedankenvoll an. Dann zuckte er die Schultern. „Daraus kann ich nur schließen, dass Sie kein Interesse daran haben, Clemengers zu retten.“ Er richtete sich vom Schreibtisch auf und strich sich das Jackett glatt. „Wie Sie meinen.“

„Und die Hotels?“, sagte Opal fast flehend.

„Sie haben sich entschieden. McQuade kann sie haben und damit machen, was er will. Es interessiert mich nicht.“

Mit der Erwähnung von McQuade streute er Salz in ihre Wunden. Sie wurde blass und sah ihn entsetzt an. Das hatte sie nun von ihrem Dickkopf. Auch gut. Domenic hatte ihr das Angebot gemacht, Clemengers zu retten, und sie hatte abgelehnt. Jetzt würde er seine Trumpfkarte ausspielen. Mal sehen, was passierte.

„Auf Wiedersehen, Ms. Clemenger.“ Zielstrebig ging er zur Tür.

Sie beobachtete, wie er den Raum durchquerte, und wusste genau, dass die Zukunft ihres Familienunternehmens von ihm abhing. Sie konnte es noch retten, wenn sie nur wollte. Und wie ich das will! Das Schicksal unzähliger Menschen war untrennbar damit verbunden. Ihr Personal war immer loyal gewesen und stolz darauf, für Clemengers zu arbeiten. Ihre Schwestern vertrauten ihr, dass sie stets die richtigen Geschäftsentscheidungen traf. Aber deswegen eine solche Verbindung eingehen? Es war absurd.

Aber es ist ja nur eine Heirat! Angestrengt überlegte Opal, was sie tun sollte. Domenic legte bereits die Hand auf den Türgriff. Was war schon eine Heirat gegen die gesicherte Zukunft von Clemengers und seinen Mitarbeitern? Durfte sie ihrem Personal die Lebensgrundlage entziehen? Wie sollte sie diesen Leuten und ihrer Familie je wieder unter die Augen treten, mit dem Wissen, dass sie das Unternehmen hätte erhalten können und die Gelegenheit ausgeschlagen hatte? War diese Eheschließung wirklich zu viel von ihr verlangt?

Die Tür ging auf, und Domenic verschwand im Hotelflur.

„Warten Sie!“, rief Opal ihm nach und eilte zur Tür. Er war schon den halben Flur entlanggegangen, da drehte er sich um.

„Haben Sie noch etwas hinzuzufügen, Ms. Clemenger?“

„Wenn Sie vielleicht noch eine Minute Zeit hätten …“ Domenic warf einen Blick auf seine Uhr. „Bitte?“, drängte Opal.

Schließlich nickte er und begleitete sie zurück zu ihrem Büro, wo sie rasch die Tür hinter ihnen schloss. In ihren Schläfen pochte es wie wild.

„Sie wollten mir noch etwas sagen?“, fragte er.

„Diese Ehe“, begann sie und befeuchtete sich nervös die Lippen, „angenommen, ich bin damit einverstanden, dann … besteht sie doch nur auf dem Papier, oder?“

„Vorausgesetzt, Sie stimmen zu“, sagte Domenic langsam und jagte ihr mit seinem melodischen italienischen Akzent einen heißen Schauer über den Rücken, „dann ist es eine Ehe auf dem Papier …“

Opal atmete erleichtert auf. Mit einer Pro-forma-Ehe, mit getrennten Wegen und getrennten Schlafzimmern konnte sie leben. Vermutlich änderte sich damit nur wenig für sie. Sie würde Clemengers in Australien führen, während Domenic in der Weltgeschichte herumreiste. Sie würden sich kaum sehen – dafür wollte sie schon sorgen. Auf dieser Basis konnte sie die Ehe – und vielleicht auch Domenic als Mann – akzeptieren.

„Und“, fuhr er fort und nahm ihr damit jede Illusion, „eine Ehe im Bett. Sie werden meine Frau, in jeder Hinsicht.“

Das soll wohl ein schlechter Scherz sein! Domenic lächelte. Doch sein anzüglicher Blick bewies, dass er seine Worte völlig ernst meinte.

Opal wandte sich ab mit glühenden Wangen und versuchte verzweifelt, ihre Gedanken zusammenzunehmen, irgendwie Sinn in dieser ganzen Verrücktheit zu sehen. Doch leider zogen ständig die gleichen Bilder vor ihrem geistigen Auge vorüber: sie in Domenics Bett, nackt mit ihm, eng umschlungen, Vorstellungen, die schon bald Realität werden konnten.

Hatte sie tatsächlich geglaubt, Domenic würde sich mit einer platonischen Beziehung zufriedengeben? Natürlich wollte er Sex. Nicht von ungefähr hatte er ihr als Alternative die Rolle der Geliebten angeboten!

Es war idiotisch von ihr gewesen, zu glauben, dass er nicht mit ihr schlafen wollte, obwohl es genügend andere Frauen in seinem Leben gab und auch weiterhin geben würde. Was versprach er sich im Bett von jemandem wie ihr, die viel zurückhaltender und unerfahrener war als seine sonstigen Gespielinnen? Oder wollte er sie nur noch mehr demütigen?

„Gründe für eine Annullierung des Ehevertrags darf es schließlich nicht geben“, unterbrach er ihre Gedanken.

Annullierung. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. Aber natürlich. Der Sex würde den Ehevertrag und ihr Schicksal besiegeln. Dann könnte sie sich nicht mehr so ohne Weiteres von ihm trennen, gleichzeitig beugte er einem öffentlichen Skandal vor. Er beabsichtigte nichts anderes, als sie in einer Ehe gefangen zu halten, die sie nicht wollte.

Und sie konnte nichts dagegen tun. Nicht, wenn sie Clemengers retten wollte.

Sie schluckte, weil ihr die Kehle plötzlich wie zugeschnürt war.

„Ich bin mit Ihren Bedingungen einverstanden“, sagte sie schließlich mit einer Stimme, die nur noch ein heiseres Flüstern war. „Ich werde Sie heiraten.“

5. KAPITEL

„Du siehst hinreißend aus!“ Sapphy trat einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten. „Absolut umwerfend. Und nachdem du in letzter Zeit ein bisschen abgenommen hast, sitzt das Kleid wirklich perfekt, als hätte ich beim Entwurf dich vor Augen gehabt.“

„Vermutlich reines Wunschdenken“, meinte Ruby und reichte jeder ihrer Schwestern ein Glas Champagner. „Es wird auch höchste Zeit, dass eine von uns den Anfang macht.“ Sie nahm sich das noch verbliebene Glas vom Tablett und hielt es hoch. „Auf Opal Clemenger, die schönste Braut auf diesem Planeten.“

„Auf Opal Clemenger“, bekräftigte Sapphy. „Die zukünftige Mrs. Opal Silvagni.“

Opal lächelte gequält, ihr schwirrte der Kopf, während sie sich in den wandhohen Spiegeln der Suite betrachtete. Sie fragte sich nur, ob die Frau, die ihr da entgegenblickte, sich auch so schlecht fühlte wie sie. Kein Wunder, dass sie abgenommen hatte. So ging das nun schon eine ganze Weile – seit sie dieser Farce von einer Heirat zugestimmt hatte. Und ihre Schwestern glaubten, dass sie vor lauter Aufregung den Appetit verloren hätte! Da lagen sie beide völlig falsch.

Autor

Trish Morey
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