Julia Gold Band 82

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Bis ans Ende der Welt würde der millionenschwere Geschäftsmann Cole Pierson der umwerfenden Liz folgen. Seit sich seine Assistentin von der grauen Maus in die pure Versuchung verwandelt hat, begehrt er nur noch sie.

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  • Erscheinungstag 07.09.2018
  • Bandnummer 0082
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711085
  • Seitenanzahl 447
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emma Darcy, Helen Brooks, Miranda Lee

JULIA GOLD BAND 82

1. KAPITEL

„Was du brauchst, ist ein Mann zum Heiraten, Liz“, meldete ihre Mutter sich zu Wort, während Liz’ Schwestern, die alle ihren Traummann gefunden hatten, sie mit Vorschlägen überhäuften. Dummerweise hatte Liz zugegeben, dass der Mann, für den sie sich entschieden hatte, sich nicht binden wollte. Deshalb musste sie sich jetzt von allen Seiten gut gemeinte Ratschläge anhören.

Brendan hatte ihr erklärt, die Beziehung enge ihn ein und er brauche mehr Freiraum. Jetzt war er in Nepal. Dort wollte er zu sich selbst finden, in einem buddhistischen Kloster meditieren oder irgendetwas anderes tun. Jedenfalls wollte er nicht mit einer Frau zusammenleben, die alles perfekt plante und nichts dem Zufall überlassen wollte.

Liz fand es beschämend und demütigend, Brendans Zurückweisung ihrer Familie gegenüber zugeben zu müssen. Doch ihr Vater feierte an diesem Tag seinen sechzigsten Geburtstag. Liz wäre lieber nicht zur Geburtstagsfeier gekommen, ihr war jedoch keine gute Ausrede eingefallen. Deshalb hatte sie Rede und Antwort stehen müssen, warum Brendan nicht mitgekommen war.

Sie räumte gerade nach dem Essen zusammen mit ihrer Mutter und ihren Schwestern in der Küche auf. Die männlichen Familienmitglieder hatten gekocht und saßen jetzt auf der Terrasse des Hauses von Liz’ Eltern und hüteten die Kinder, die im Garten spielten.

Liz war klar, dass sie sich mit der Situation abfinden und Brendan vergessen musste. Momentan war sie jedoch noch sehr deprimiert und fühlte sich seltsam leer. Immerhin war sie drei Jahre mit Brendan zusammen gewesen.

„Wie kann man denn im Voraus wissen, ob jemand ein Mann zum Heiraten ist oder nicht?“, wollte sie von ihrer Mutter wissen.

Diese Frage war ein Fehler, wie sich sogleich herausstellte. Ihre erfolgreichen Schwestern hatten natürlich die Antworten parat.

„Zuerst einmal musst du dir einen Mann mit einem guten Beruf und einem sicheren Arbeitsplatz suchen“, empfahl ihre älteste Schwester Jayne, während sie die Reste des Essens in den Kühlschrank packte. „Er muss eine Familie ernähren können.“

Jayne war vierunddreißig und hatte zwei Töchter. Sie war mit einem Wirtschaftsprüfer verheiratet, der seine Karriere konsequent verfolgte.

„Ja, und er muss aus einer intakten Familie kommen“, warf Sue ein. „Solche Männer wissen ein harmonisches Familienleben zu schätzen und wünschen es sich für sich selbst auch.“

Sue war zweiunddreißig und mit einem Rechtsanwalt verheiratet. Er stammte aus einer großen Familie und liebte seine Frau genauso abgöttisch wie seine Zwillingssöhne.

Insgeheim vergab Liz zwei Minuspunkte für Brendan. Er hatte nie einen sicheren Arbeitsplatz, sondern nur Gelegenheitsjobs in der Tourismusbranche gehabt. Außerdem kam er nicht aus einer intakten Familie, denn er war bei verschiedenen Pflegeeltern aufgewachsen.

Liz war überzeugt gewesen, sie verdiene genug für zwei. Auch für eine kleine Familie hätte es gereicht. Heutzutage war es keine Seltenheit mehr, dass Männer zu Hause blieben und die Frauen das Geld verdienten. Die traditionelle Rollenverteilung war nicht mehr die einzige Möglichkeit, eine Ehe zu führen. Aber Liz konnte sich diesen Hinweis sparen, denn Jayne und Sue waren nicht bereit, andere Meinungen gelten zu lassen. Sie fühlten sich sogar in ihrer eigenen Meinung bestätigt, nachdem Liz mit ihrem Versuch gescheitert war, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es für richtig hielt.

„Was ist eigentlich mit deinem Chef?“, fragte plötzlich ihre jüngere Schwester Diana.

„Was soll mit ihm sein?“, erwiderte Liz kurz angebunden.

Diana war achtundzwanzig und hatte ihren Chef, den Besitzer mehrerer Boutiquen, geheiratet. Sie arbeitete in seinem Unternehmen immer noch als Einkäuferin, weil sie beide momentan noch keine Kinder haben wollten.

„Es ist doch bekannt, dass Cole Pierson sehr reich ist. Vermutlich ist er Multimillionär. Wird er nicht bald geschieden? Er lebt schon lange von seiner Frau getrennt, und sie hat, wenn man den Klatschspalten der Hochglanzmagazine glauben kann, wechselnde Affären mit allen möglichen Männern. Ich halte Cole Pierson für einen sehr attraktiven Junggesellen“, stellte Diana fest. Dabei sah sie Liz so vorwurfsvoll an, als könnte sie nicht verstehen, dass ihre Schwester es nicht selbst schon bemerkt hatte.

„Das heißt aber nicht, dass er sich jemals für mich interessieren würde“, wandte Liz ein. Ihr war klar, dass Männer wie ihr Chef ganz andere Frauen bevorzugten.

„Weshalb sollte er das nicht tun?“ Diana warf ihr einen erstaunten Blick zu. „Er ist sechsunddreißig, und du bist dreißig. Ihr würdet gut zusammenpassen. Du könntest ihn bestimmt haben, wenn du es nur versuchtest. Als seine persönliche Assistentin bist du immer in seiner Nähe, und er ist von dir abhängig.“

„Cole Pierson interessiert sich für mich als Frau überhaupt nicht“, entgegnete Liz. Eine Beziehung ohne Liebe oder Zuneigung kam für sie nicht infrage. Außerdem hatte sie es längst aufgegeben, in ihrem Chef einen möglichen Partner zu sehen. Sie wollte nichts tun, um das gute, freundschaftliche und rein geschäftliche Verhältnis zu stören und vielleicht aufs Spiel zu setzen.

„Weshalb auch?“ Diana setzte sich an den Küchentisch und betrachtete prüfend ihre lackierten Fingernägel. „Du warst doch die ganze Zeit mit Brendan zusammen und hast Cole Pierson gegenüber den Eindruck erweckt, in festen Händen zu sein.“

„Er ist wirklich ein attraktiver Mann“, mischte Jayne sich ein. Der Gedanke, Liz mit diesem Finanzgenie zu verkuppeln, schien ihr zu gefallen. Ihr Mann hatte geschäftlich mit Cole Pierson zu tun. Während sie die leeren Salatschüsseln zum Abwaschen in die Spüle stellte, fügte sie hinzu: „Du fühlst dich doch sicher zu ihm hingezogen, Liz, oder?“

„Nein, ganz bestimmt nicht.“ Insgeheim gestand Liz sich ein, dass es am Anfang anders gewesen war. Damals war er noch sehr umgänglich und glücklich verheiratet gewesen. Sie hatte ihn beunruhigend attraktiv gefunden. Doch da er eine schöne Frau gehabt hatte, war er für Liz sowieso unerreichbar gewesen. Hinzu kam, dass sie gerade Brendan kennengelernt hatte. Deshalb hatte sie sich nicht irgendwelchen Hoffnungen und Träumen hingeben wollen und alle Gefühle, die sie vielleicht für ihren Chef gehabt hatte, verdrängt.

„Wieso eigentlich nicht?“, wollte Sue wissen. Sie runzelte die Stirn. „Du erinnerst dich sicher, dass ich mich mit ihm unterhalten habe, wenn ich dich im Büro besuchte. Ich finde ihn nicht nur attraktiv, sondern auch ausgesprochen charmant. Vor allem seine wunderschönen blauen Augen sind sehr beeindruckend.“

Sein Blick wirkt kühl und gleichgültig, überlegte Liz. Nach dem tragischen Tod seines kleinen Sohnes vor achtzehn Monaten lebte Cole sehr zurückgezogen. Liz war nicht überrascht gewesen, dass er sich sechs Monate später von seiner Frau getrennt hatte. Die Ehe hatte nicht mehr funktioniert, und ihr Chef hatte offenbar auf private und gesellschaftliche Kontakte keinen Wert mehr gelegt.

Seinen Kunden und Geschäftspartnern gegenüber verhielt er sich so freundlich und charmant wie immer. Aber er strahlte keine Herzlichkeit und Wärme mehr aus. Er war hochintelligent und Experte auf dem Gebiet der Geld- und Kapitalmärkte, sodass er mit den Investitionen, die er im Auftrag seiner Kunden tätigte, immer großen Erfolg hatte. Zugleich schien er alles, was ihn persönlich betraf oder betreffen konnte, abzuwehren. Er ließ nichts mehr an sich heran und hatte eine Mauer um sich her errichtet. Ohne es aussprechen zu müssen, vermittelte er die Botschaft: „Lasst mich in Ruhe!“

„Es hat zwischen uns nicht gefunkt.“ Liz wollte die sinnlose Diskussion endlich beenden. „Cole hat kein Privatleben mehr. Er lebt nur noch für seine Arbeit.“ Deshalb weiß er auch mein Organisationstalent zu schätzen, dachte sie spöttisch. Anders als Brendan fühlte Cole sich durch ihre Tüchtigkeit und ihre Fähigkeiten nicht eingeengt. Sie freute sich immer, wenn sie ihn damit überraschen konnte, mehr erledigt oder erreicht zu haben, als er erwartet hatte.

„Du musst ihn aus seiner selbst gewählten Einsamkeit herausholen“, riet Diana ihr. Offenbar hielt sie die Idee, den Chef zu heiraten, für die beste Lösung.

„Man kann einen Menschen nicht ändern“, erwiderte Liz.

Diana ignorierte den Einwand. „Ich wette, er hält deine Anwesenheit und Hilfe für selbstverständlich“, fuhr sie fort und sah Liz durchdringend an. „Für ihn gehörst du mehr oder weniger schon zur Einrichtung des Büros, weil du nichts tust, um aufzufallen. Wann hast du das letzte Mal Geld für ein Outfit oder eine neue Frisur ausgegeben?“

Liz biss die Zähne zusammen. Diana hatte gut reden. Sie hatte einen reichen Mann, der alles bezahlte, was sie sich wünschte. Sie brauchte nicht den größten Teil ihres Einkommens für eine Stadtwohnung auszugeben. Liz hatte sich für eine Eigentumswohnung entschieden. Das gefiel ihr besser, als in einer Mietwohnung zu leben, außerdem war es eine gute Investition.

„Zur Arbeit trage ich immer klassische Kostüme oder Hosenanzüge“, wandte sie ein. Dass sie keinen Bedarf an extravaganter Kleidung hatte, erwähnte sie nicht. Sie und Brendan waren nie groß ausgegangen. Sie hatten sportliche und zweckmäßige Outfits bevorzugt und das Geld, das sie übrig gehabt hatten, für Reisen ausgegeben. Jeans, Blusen, T-Shirts und Jacken oder Blazer eigneten sich für beinah jede Gelegenheit.

„Meist trägst du Schwarz und auch noch schwarze Schuhe“, hielt Diana ihr vor. „Das wirkt ausgesprochen langweilig und traurig.“

„Ich war schon immer der Meinung, dass das lange Haar nicht zu dir passt“, stellte Jayne fest und setzte sich auch. „Dein schönes, schmales Gesicht kommt dadurch kaum noch zur Geltung. Und wenn du das Haar im Nacken zusammenbindest, so wie jetzt, wirkt es gar nicht vorteilhaft. Du solltest dir einen modernen Haarschnitt zulegen, Liz.“

Sue nickte. „Ja, das finde ich auch. Außerdem solltest du dein Haar färben oder tönen lassen. Braunes Haar zu schwarzen Outfits wirkt ziemlich eintönig.“

„Ich wette, du gibst für deine Garderobe und für den Friseur so wenig Geld wie möglich aus“, erklärte Diana.

Das konnte Liz nicht abstreiten. Sie ging nur selten zum Friseur. Brendan hatte ihr langes Haar gefallen. Und die schwarzen Kostüme und Hosenanzüge konnte sie zu allen Gelegenheiten tragen, was sie für eine vernünftige Lösung hielt.

„Wieso ist das überhaupt wichtig?“, fragte sie und seufzte. Sie ärgerte sich über die Kritik ihrer Schwestern. „Ich komme gut zurecht, und im Büro hat niemand etwas an mir auszusetzen.“

„Ja, du bist Cole Piersons perfekte, aber unauffällige Assistentin“, spottete Diana. „Dazu hast du dich selbst gemacht. Dabei könntest du umwerfend gut aussehen, wenn du nur wolltest.“

„Ach, übertreib bitte nicht“, wehrte Liz ab. Langsam wurde sie ungeduldig. „Ich war immer die Unscheinbarste in der Familie.“

Jayne war sehr groß und schlank. Das gewellte dunkle Haar umrahmte ihr hübsches Gesicht. Sie hatte große braune Augen, ein klassisches Profil und sinnliche Lippen. Mit ihrer fantastischen Figur hätte sie Model werden können. Sie konnte anziehen, was sie wollte, sie wirkte immer perfekt.

Sue war beinah genauso groß, hatte jedoch üppigere Rundungen, strahlende bernsteinfarbene Augen und gelocktes goldblondes Haar, das ihr über die Schultern fiel. Diana war eine schöne Blondine mit blauen Augen. Ihr glattes, langes Haar wirkte wie ein seidener Vorhang. Auch sie war groß und schlank und trug nur Designeroutfits. Dass ihr Chef auf sie aufmerksam geworden war, war kein Wunder.

Neben ihren Schwestern kam Liz sich klein und unbedeutend vor. Sie war mittelgroß und zierlich, und ihr volles braunes Haar ließ sich kaum bändigen. Ihre haselnussbraunen Augen fand sie auch nicht besonders interessant. Nur mit ihren regelmäßigen weißen Zähnen war sie zufrieden. Jedenfalls behaupteten die Leute, sie hätte ein schönes Lächeln.

Momentan war ihr jedoch gar nicht zum Lächeln zumute, denn sie fühlte sich ziemlich elend. „Es ist lächerlich, mir einreden zu wollen, ich könnte umwerfend gut aussehen“, protestierte sie scharf. „Das Einzige, was für mich spricht, ist meine Intelligenz. Erfahrungsgemäß mögen jedoch die meisten Männer keine intelligenten Frauen, wenn es um eine persönliche Beziehung geht.“

„Intelligente Männer doch“, wandte ihre Mutter ruhig ein.

„Cole Pierson ist selbst auch hochintelligent“, erklärte Diana sogleich.

„Würdest du endlich meinen Chef aus dem Spiel lassen?“ Liz war frustriert und ärgerte sich. Eine Beziehung mit Cole Pierson kam für sie nicht infrage.

„Okay, vergessen wir deinen Chef.“ Jayne blickte Liz mit ernster Miene an. „Aber ich bin wirklich der Meinung, du solltest mehr aus dir machen. Mit einigen hübschen, modischen Outfits und einer neuen Frisur …“

„Ein dunkles Rot würde gut zu dir passen, Liz“, fiel Sue Jayne ins Wort. „Zu deiner hellen Haut und den grünen Augen wäre es ein reizvoller Kontrast.“

„Meine Augen sind nicht grün“, rief Liz gereizt aus. „Sie sind …“

„Eher grün als bernsteinfarben oder haselnussbraun“, unterbrach Sue sie. „Ja, ein dunkles Rot wäre genau das Richtige. Ich melde dich beim Friseur an und begleite dich.“

„Und ich gehe mit dir einkaufen“, bot Diana an. „Wir finden bestimmt etwas für dich.“

„Du musst aber darauf achten, dass es nicht zu teuer wird, Diana“, erinnerte Jayne sie.

„Okay.“

„Zuerst muss Liz eine neue Frisur haben, dann könnt ihr einkaufen gehen“, beschloss Sue.

„Sie sollte auch zur Kosmetikerin gehen. Zu einer neuen Frisur gehört ein neues Make-up.“

„Neue Schuhe braucht sie auch.“

„Ja. Ihre schönen Beine müssen besser zur Geltung kommen.“

Alle drei lachten und schienen sich darauf zu freuen, Liz in eine Schönheit zu verwandeln. Während Jayne, Diana und Sue Pläne machten, war Liz den Tränen nahe. Ihr war klar, dass ihre Schwestern es gut meinten. Dennoch konnte sie es nicht mehr hören.

„Hört bitte auf damit“, stieß sie hervor und schlug mit der Hand auf den Tisch, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. „Ich bin, wie ich bin, okay? Ich bin keine Puppe, die ihr nach eurem Geschmack kleiden könnt. Ich lebe so, wie ich es will.“

Verblüfft schwiegen ihre Schwestern. Sie waren verletzt und konnten nicht verstehen, dass Liz nicht begeistert war von den guten Ideen. Aber sie hatten Liz noch nie verstanden, die so anders war als sie alle.

„Lasst mich bitte mit Liz allein“, bat ihre Mutter die drei.

Schweigend standen sie auf und gingen hinaus auf die Terrasse.

Liz drehte sich zu ihrer Mutter um, die das Abwaschtuch weglegte und sie traurig und verständnisvoll anblickte. Plötzlich konnte Liz sich nicht mehr beherrschen. Ihr liefen die Tränen über die Wangen. Ihre Mutter zögerte nicht lange, sie nahm ihre Tochter in die Arme, und Liz barg das Gesicht an ihrer Schulter.

„Wein dich aus, Liz. Das hast du schon viel zu lange nicht mehr getan.“

Der Schmerz darüber, dass Brendan sie zurückgewiesen hatte, schien sich in den Tränen zu lösen.

„Er war nicht der Richtige für dich“, versuchte ihre Mutter, sie zu trösten. „Ich weiß, dass du dich bemüht hast, eine gute Beziehung aufzubauen, aber es hätte nie funktioniert. Brendan braucht seine Freiheit und will ungebunden sein, während du eher bodenständig bist.“

„Ich bin gern mit ihm umhergereist, Mom“, wandte Liz ein.

„Sicher, aber in gewisser Weise wolltest du damit nur deine Unabhängigkeit beweisen. Vielleicht siehst du es anders. Doch während du mit Brendan zusammen warst, hast du deine Schwestern aus deinem Leben ausgeschlossen. Jetzt sind sie in dein Leben zurückgekommen. Sie wollen dir helfen, Liz, denn sie lieben dich.“

Liz hob den Kopf. „Ich bin nicht wie sie.“

„Nein, du bist eine eigenständige und ganz besondere Persönlichkeit.“ Ihre Mutter lächelte sie liebevoll an. „Und du bist meine intelligenteste Tochter.“

Liz verzog das Gesicht. „So intelligent bin ich gar nicht. Nur in meinem Beruf bin ich gut.“

Ihre Mutter nickte. „Dein Beruf ist auch nicht das Problem, stimmt’s? Du hast Minderwertigkeitsgefühle, schon seit längerer Zeit, Liz. Denk doch über die Vorschläge deiner Schwestern nach. Vielleicht würde es dir Spaß machen, dich neu einzukleiden und dir eine neue Frisur zuzulegen. Mach es einfach nur für dich. Du sollst gar nicht mit deinen Schwestern konkurrieren.“

„Rätst du mir wirklich dazu, mich von ihnen wie eine Puppe behandeln zu lassen?“

Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Sie sind stolz auf dich und deine verantwortungsvolle Tätigkeit, Liz. Sie bewundern dich. Weshalb gestehst du ihnen nicht zu, dass sie auf ihren Gebieten Erfahrungen haben, die dir nützlich sein könnten?“

Insgeheim zuckte Liz zusammen, als ihre Mutter sie daran erinnerte, dass ihre Schwestern ihr einiges voraushatten in Sachen Weiblichkeit. „Wahrscheinlich wissen sie, wovon sie reden“, gab sie zu.

„Oh ja, ganz bestimmt“, bekräftigte ihre Mutter.

„Na ja, es kann nicht schaden“, gab Liz nach und seufzte.

„Vielleicht bist du am Ende angenehm überrascht. Ich bin auch der Meinung, du solltest mehr aus dir machen. Du bist keineswegs unscheinbar, sondern nur anders als deine Schwestern.“ Ihre Mutter streichelte ihr ermutigend die Wange. „Geh jetzt, und sprich mit ihnen. Lass ihnen den Willen. Es könnte für euch alle eine sehr interessante Erfahrung werden.“

„Gut. Aber wenn Diana glaubt, mein verändertes Aussehen würde Cole Pierson in irgendeiner Weise beeindrucken, irrt sie sich.“ Dieser Mann lebt in einer anderen Welt, fügte Liz insgeheim hinzu.

Auch rotes Haar würde das Eis in ihm nicht zum Schmelzen bringen. Er würde sie als Frau nicht plötzlich begehrenswert finden. Warum auch? Immerhin war er noch mit Tara Summerville, einem international bekannten Model, verheiratet. Sogar Diana konnte dieser Frau nicht das Wasser reichen.

Liz machte sich keine Illusionen.

2. KAPITEL

Cole hatte ein Problem: Seine Mutter war verwirrt und aufgewühlt. Und das gefiel ihm nicht. Es hatte ziemlich lange gedauert, bis sie den Tod seines Vaters überwunden und sich ohne ihren Mann zurechtgefunden hatte. Während der letzten Jahre war sie sogar recht glücklich gewesen. Mit ihrer Bridgepartnerin Joyce Hancock hatte sie Überseereisen unternommen. Joyce war eine pensionierte Schulleiterin und konnte gut organisieren. Cole vertraute ihr und war sich sicher, dass sie sich gut um seine Mutter kümmerte. Leider war Joyce gestürzt und hatte sich die Hüfte gebrochen, sodass die Reise, die sie und seine Mutter geplant hatten, wohl abgesagt werden musste.

Er hatte seiner Mutter das ganze Wochenende Gesellschaft geleistet und versucht, sie abzulenken und aufzuheitern. Aber sie war niedergeschlagen gewesen, hatte immer wieder geseufzt und sehr verloren gewirkt. Nachdem sie Joyce im Krankenhaus in Mona Vale besucht hatte, fuhr er sie zurück in ihr Haus in Palm Beach. Unterwegs drückte Cole ihr die Hand, als er merkte, dass sie mit den Tränen kämpfte.

„Mach dir keine Sorgen um Joyce. Eine Hüftoperation ist heutzutage keine große Sache mehr“, versicherte er seiner Mutter. „Sie wird sich rasch davon erholen.“

„Sie regt sich darüber auf, dass ich die Reise nicht machen will. Aber ich kann doch nicht ohne sie fahren.“

Nein, das würde ich auch gar nicht zulassen, dachte Cole. Seine Mutter wurde leicht nervös, würde ihre Sachen im Hotel vergessen und zur falschen Zeit am falschen Ort sein. Seit sie Witwe war und keine Aufgaben mehr hatte, war sie etwas vergesslich und unkonzentriert. Cole nahm ihr alles ab. Er sorgte für die Instandhaltung des Hauses, das seiner Meinung nach für eine Person viel zu groß war, und regelte ihre Finanzen. Ihr beizubringen, dass sie jetzt für sich ganz allein verantwortlich war, wäre zu schwierig gewesen.

„Du hast dich so entschieden, und das ist in Ordnung, Mom. Joyce fühlt sich vielleicht etwas schuldig, weil du enttäuscht bist“, antwortete er ruhig.

Sie schüttelte betrübt den Kopf. „Es ist ganz anders. Ich habe sie enttäuscht, nicht sie mich. Auf dieser Reise kümmert sich die Reiseleitung um alles. Sogar ein Arzt fliegt mit. Joyce hat mich gebeten mitzufahren, damit ich ihr nachher erzählen kann, wie es war. Sie hat behauptet, ich würde Leute kennenlernen, mit denen ich mich unterhalten und anfreunden könnte.“

„Deine Freundin hat gut reden“, stellte Cole spöttisch fest. Er wusste, dass Joyce kein Problem damit hatte, neue Bekanntschaften zu schließen und sich überall wohlzufühlen. Seiner Mutter fiel es jedoch nicht so leicht.

„Vielleicht sollte ich doch mitfahren. Glücklicherweise habe ich die Reise noch nicht storniert. Das wollte ich morgen tun.“

„Du brauchst jemanden, der dich begleitet, Mom“, erklärte Cole bestimmt. „So ganz allein würdest du dir verloren vorkommen.“

„Aber in meinem Bekanntenkreis gibt es niemanden, der dafür infrage käme“, wandte sie ein.

Er runzelte die Stirn. Offenbar hatte sie schon versucht, einen Ersatz für Joyce zu finden. „Willst du die Reise wirklich antreten?“

„Ich habe mich schon so lange darauf gefreut. Doch ohne Joyce …“ Sie verstummte.

Ihm fiel etwas ein. Liz Hart hatte gerade zwei Wochen Urlaub gehabt, und die Aushilfe hatte seine Geduld auf eine harte Probe gestellt. Es würde ihm nicht leichtfallen, noch länger auf seine überaus tüchtige persönliche Assistentin zu verzichten. Doch es gab weit und breit sonst niemanden, dem er seine Mutter anvertrauen würde.

„Ich werde meine persönliche Assistentin bitten, dich auf dieser Reise zu begleiten.“ Er war zufrieden mit sich, weil ihm eine gute Lösung eingefallen war.

„Das kannst du nicht machen, Cole“, antwortete seine Mutter.

„Oh doch. Gleich morgen früh rede ich mit Liz. Ich bin sicher, sie wird einverstanden sein.“

„Ich kenne die Frau doch gar nicht“, protestierte seine Mutter.

„Du kannst morgen in die Stadt kommen, wir essen dann mit ihr zu Mittag. Wenn sie dir gefällt, ist es gut. Wenn nicht, musst du die Reise stornieren.“

Die Aussicht, auf die Reise verzichten zu müssen, schien den Ausschlag zu geben. „Wie ist denn deine persönliche Assistentin?“, fragte seine Mutter neugierig, nachdem sie kurz nachgedacht hatte.

„Sie wird mit allen Problemen fertig, und sie ist ungemein tüchtig“, erwiderte er und lächelte.

„Na ja, das muss sie auch sein, sonst hätte sie es nicht mit dir ausgehalten, Cole“, entgegnete sie leicht spöttisch. „Ich wollte eigentlich wissen, was für ein Mensch sie ist.“

Was kann ich dazu sagen, wie soll ich sie beschreiben? überlegte er und runzelte die Stirn. „Sie ist höflich und zuvorkommend.“ Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.

Seine Mutter verdrehte die Augen. „Wie sieht sie aus?“

„Durchschnittlich. Sie ist immer korrekt angezogen und wirkt sehr professionell.“

„Und wie alt ist sie?“

„Das weiß ich nicht genau. Vielleicht Ende zwanzig.“

„Was hat sie für Augen?“

Auch das wusste er nicht. Er konnte sich nicht daran erinnern, es jemals bemerkt zu haben. „Was hat ihre Augenfarbe mit der ganzen Sache zu tun?“

Seine Mutter seufzte. „Du hast sie noch nie richtig angesehen, stimmt’s? Sie interessiert dich nicht. Du nimmst keine Frau mehr wahr, du hast dich völlig vom Leben zurückgezogen. Diesen Zustand musst du überwinden, Cole, denn du bist immer noch ein relativ junger Mann.“

Er biss die Zähne zusammen. Es passte ihm nicht, dass seine Mutter dieses Thema anschnitt. „Okay, sie hat strahlende Augen, und ihr Blick wirkt intelligent. Das ist mir wichtiger als die Farbe ihrer Augen.“

„Ist sie attraktiv, groß, schlank, zierlich?“

Cole seufzte. Seine Mutter wollte offenbar nicht aufgeben. „Sie ist mittelgroß“, antwortete er ungeduldig. „Und immer verbindlich und zuvorkommend. Das ist für mich das Wichtigste. Liz wird dafür sorgen, dass alles reibungslos klappt, Mom. Es wird keine Probleme geben.“

„Erzähl mir doch mehr von ihr“, forderte sie ihn auf.

Warum war sie nicht zufrieden mit dem, was er ihr schon erzählt hatte? Cole überlegte angestrengt, was er sonst noch über seine engste Mitarbeiterin wusste. „Sie reist gern, damit verbringt sie ihre Freizeit. Wahrscheinlich wird sie sich über die Möglichkeit freuen, dich auf der Reise begleiten zu können.“

„Dann wäre es für sie keine Belastung?“

„Natürlich nicht. Ich würde dich niemandem anvertrauen, der die ganze Zeit mit mürrischer Miene umherläuft. Ich bin sicher, du wirst es genießen, mit Liz Hart zusammen zu sein.“

„So? Und du?“

„Was meinst du damit?“

„Genießt du es auch, mit ihr zusammen zu sein?“

„Ich vermisse sie jedenfalls“, gab er zu.

„Ah ja“, stellte sie zufrieden fest.

Er blickte seine Mutter aufmerksam an und wünschte, er könnte ihre Gedanken lesen.

Sie lächelte ihn an. „Danke, Cole. Es ist lieb von dir, dass du alles für mich regelst. Ich freue mich darauf, Liz morgen kennenzulernen.“

„Gut.“ Das Problem war gelöst, und seine Mutter schien zufrieden zu sein.

Am Montagmorgen hörte Cole Liz Hart pünktlich um halb neun in ihr Büro kommen, das an seines angrenzte. Sie war überaus zuverlässig, und er hatte keine Bedenken, ihr seine Mutter anzuvertrauen. Liz würde dafür sorgen, dass seine Mutter die Reise genießen würde.

Er kam gar nicht auf den Gedanken, dass er damit Liz Hart in sein Privatleben hereinließ. Für ihn ging es nur darum, etwas Bestimmtes zu erreichen. Dass er noch einmal zwei Wochen auf Liz verzichten musste, ließ sich nicht ändern. Dann musste er sich eben eine neue Aushilfe suchen, die nur das Nötigste erledigte. Er würde einfach nicht zu viel von ihr verlangen und ihr nur Routinearbeiten zumuten. Wichtig war, dass seine Mutter die Reise antreten konnte und er sich keine Sorgen um sie zu machen brauchte. Nach ihrer Rückkehr wäre für ihn die Welt wieder in Ordnung.

Cole stand auf und durchquerte den Raum. Er wollte Liz die Reiseunterlagen geben, damit sie sich ein Bild davon machen konnte, was auf sie zukam. Das ersparte ihm lange Erklärungen. In seinem Beruf war Zeit Geld, und er konnte es sich nicht erlauben, seine Zeit mit unwesentlichen Dingen zu verschwenden. Zweifellos würde Liz sich um alles kümmern und alles regeln.

Als er die Verbindungstür öffnete, erblickte er eine fremde Frau, die ihren Mantel an Liz’ Kleiderständer hängte. Cole runzelte die Stirn. Wer war diese Frau mit dem wunderschönen roten Haar? Sie trug einen eleganten grünen Pullover und einen engen dunkelblauen Rock, der ihre fantastische Figur betonte und hinten geschlitzt war. Er betrachtete ihre schönen, schlanken Beine und die sehr eleganten und sehr weiblich wirkenden Schuhe mit den hohen Absätzen.

Was machte diese Frau in Liz’ Büro? Man hatte ihm nicht mitgeteilt, dass seine persönliche Assistentin ihren Urlaub verlängert hatte oder krank war. Ohne vorherige Absprache mit ihm durfte es keine personellen Änderungen oder Wechsel geben. Er würde es nicht hinnehmen, dass man ihm ohne seine Einwilligung eine neue Aushilfskraft geschickt hatte.

Während er die wohlgerundeten Hüften und die schmale Taille der jungen Frau bewundernd betrachtete, drehte sie sich zu ihm um. Ihm fielen ihre schönen, vollen Brüste auf, die sich unter dem feinen Material des Pullovers abzeichneten.

„Guten Morgen, Cole“, begrüßte sie ihn kühl.

Er war überrascht über die vertrauliche Anrede. Sie hat verführerische Lippen, dachte er und ließ den Blick über ihr dichtes, gelocktes rotes Haar gleiten, das in weichen Wellen ihr Gesicht umrahmte. Die großen Augen kamen ihm bekannt vor. Nein, das konnte doch nicht sein. War das wirklich Liz Hart? Ihre Stimme war es jedenfalls, dessen war er sich sicher.

„Was, zum Teufel, haben Sie gemacht?“, fragte er. Er ärgerte sich über seine Reaktion.

Liz reckte herausfordernd das Kinn. „Wie bitte?“

Die goldenen Creolen, die an ihren Ohrläppchen baumelten, lenkten ihn sekundenlang ab. „Sie haben sich völlig verändert“, stieß er hervor. Dass er sich so sehr durch das veränderte Aussehen seiner persönlichen Assistentin, mit der er eng zusammenarbeitete, aus der Fassung bringen ließ, fand er unglaublich. Er verstand sich selbst nicht mehr.

In ihren Augen blitzte es auf. „Haben Sie etwas gegen mein Aussehen?“

Er war auf der Hut. Obwohl sie beunruhigend attraktiv war, war sie immer noch derselbe Mensch. Sie war schlagfertig, eigensinnig, entschlossen und immer bereit, sich gegen alles zu wehren, was sie als ungerecht und unsinnig ansah.

„Nein“, antwortete er bestimmt. Er hatte die Kontrolle über die Situation, die ihm kurze Zeit entglitten war, zurückgewonnen. „Sie sehen gut aus. Ich freue mich, dass Sie wieder da sind, Liz.“

„Danke.“ Sie war besänftigt und lächelte ihn an. „Es ist schön, wieder hier zu sein.“

Das hätte genügen müssen, um den freundlichen Umgangston, der vor Liz’ Urlaub zwischen ihnen geherrscht hatte, wiederherzustellen. Aber Cole war fasziniert von dem Lächeln, das ihr Gesicht erhellte, und konnte den Blick nicht abwenden. Lag es an dem relativ kurzen roten Haar oder an dem roten Lippenstift, dass ihr Lächeln herzlicher und ihre Augen strahlender wirkten? Liz’ Aussehen konnte man jedenfalls nicht mehr als durchschnittlich bezeichnen.

Am liebsten hätte er sie gefragt, warum sie sich so sehr verändert hatte. Doch es ging ihn nichts an. Er wollte nicht zu persönlich werden. Im Umgang miteinander hatten sie sich bisher auf das Geschäftliche beschränkt. Und so sollte es bleiben.

Ich muss aufhören, sie so ungeniert zu mustern, mahnte er sich. Ihr dezentes Make-up betonte ihre hohen Wangenknochen. Cole fragte sich, warum er nicht schon früher gemerkt hatte, wie schön sie war. Hatte sie sich etwa bisher absichtlich so unauffällig gekleidet, ihr wunderschönes Haar geradezu versteckt und nur wenig Make-up aufgetragen?

„Gibt es etwas Besonderes, was sogleich erledigt werden muss?“, fragte sie schließlich, um das unbehagliche Schweigen zu brechen, das zwischen ihnen herrschte. Sie wies auf die Unterlagen, die er in der Hand hielt.

„Ja“, erwiderte er. Er war froh, sich wieder auf das Geschäftliche konzentrieren zu können. „Sie müssen meine Mutter auf einer Reise begleiten.“

Schockiert und ungläubig blickte sie ihn an.

Das geschieht ihr recht, dachte er und freute sich darüber, dass er es ihr hatte heimzahlen können. Er hatte sie genauso aus der Fassung gebracht wie sie ihn. Er legte die Unterlagen auf ihren Schreibtisch und empfand eine gewisse Genugtuung darüber, wieder Herr der Lage zu sein.

„Darin steht alles, was Sie wissen müssen. Borneo, Burma, Nepal, Laos, Vietnam, Kambodscha – in diese Länder werden Sie fliegen. Samstag in einer Woche geht es los. Sie brauchen Passfotos für die Visa und einige Schutzimpfungen. Sie haben doch einen gültigen Reisepass, oder?“

„Ja“, erwiderte sie leise.

„Gut. Dann gibt es keine Probleme.“

Liz stand wie erstarrt da und sah ihn ungläubig an, ohne die Unterlagen anzurühren.

„Die Flugtickets finden Sie hier in dieser Mappe.“ Er zeigte mit dem Finger auf die Unterlagen. „Alles ist bezahlt. Da die Dokumente auf den Namen Joyce Hancock ausgestellt sind, müssten Sie den Veranstalter informieren, dass Sie an ihrer Stelle reisen.“

„Joyce Hancock“, wiederholte sie wie betäubt.

„Ja, meine Mutter und ihre Freundin reisen sonst eigentlich immer zusammen. Aber Joyce hat sich die Hüfte gebrochen und liegt im Krankenhaus. So kurzfristig kann keine der anderen Freundinnen meiner Mutter einspringen“, erklärte er.

Liz Hart schüttelte den Kopf. Sogleich runzelte Cole die Stirn, denn ihm wurde klar, dass Liz sich weigern würde. Das konnte und wollte er jedoch nicht dulden.

In dem Moment atmete sie tief durch und wandte ein: „Ihre Mutter kennt mich doch gar nicht.“

„Ich kenne Sie, das genügt. Ich habe ihr versichert, dass sie bei Ihnen in guten Händen ist.“

„Aber …“ Liz verstummte und machte eine hilflose Handbewegung.

„Meine Mutter braucht auf der Reise jemanden, der alles für sie regelt. Ich habe vollstes Vertrauen zu Ihnen. Sie können sehr gut organisieren, sind diplomatisch, taktvoll und sehr intelligent. Außerdem sind Sie selbst viel gereist und sozusagen Expertin auf diesem Gebiet.“ Er zog herausfordernd eine Augenbraue hoch. „Stimmt’s?“

Sie atmete wieder tief ein. Dabei schienen sich ihre Brüste unter dem ziemlich eng anliegenden grünen Pullover noch deutlicher abzuzeichnen. Das regte Coles Fantasie an, und er rief sich rasch zur Ordnung.

„Danke. Es ist nett von Ihnen zu erwähnen, dass Sie meine … Fähigkeiten zu schätzen wissen“, entgegnete sie leicht ironisch. „Dennoch bin ich der Meinung, ich sollte erst mit Ihrer Mutter sprechen, ehe …“

„Das geht in Ordnung“, unterbrach er sie. „Lassen Sie bitte einen Tisch für drei Personen im Level 21 für halb eins reservieren. Wir werden mit meiner Mutter dort zu Mittag essen. Sie freut sich darauf, Sie kennenzulernen.“

„Hat Mrs. Pierson … gesundheitliche Probleme?“

„Nein, keineswegs. Sie kann sich jedoch in einer fremden Umgebung nur schlecht orientieren. Außerdem kommt sie mit der Zeitverschiebung und dem engen Terminplan nicht so gut zurecht. Sie wird leicht nervös und gerät in Panik. Ansonsten ist sie völlig gesund und munter. Sie wird sich ganz auf Sie verlassen. Ist das okay?“

„Ist sie denn glücklich über diese Regelung?“

„Natürlich. Allein könnte sie die Reise gar nicht machen. Und sie will unbedingt mitfahren.“

„Ich verstehe. Ich soll so etwas wie ihre Aufpasserin sein.“

„So kann man es nennen. Ich verlasse mich darauf, dass sie mit Ihrer Hilfe die Reise genießen wird.“

„Was geschieht, wenn Ihre Mutter mich nicht mag?“

„Wieso soll sie Sie nicht mögen?“, antwortete er leicht gereizt. Er war sich sicher, dass seine Mutter von Liz Hart begeistert sein würde. Wahrscheinlich würde sie sich spöttische Bemerkungen darüber, dass er seine persönliche Assistentin als durchschnittlich bezeichnet hatte, nicht verbeißen können.

Liz schwieg. Was hätte sie auch sagen können? Immer noch war es ihm rätselhaft, warum sie sich in den vergangenen drei Jahren so unscheinbar gekleidet hatte. Hatte sie ihre Weiblichkeit vielleicht deshalb nicht betont, weil sie vor allem wegen ihres Intellekts geschätzt und beachtet werden wollte? Aber warum hatte sie sich dann plötzlich entschieden zu zeigen, was für eine schöne Frau sie war?

Verdammt, ich habe doch gar keine Zeit für solche Gedanken, rief er sich zur Ordnung und wies auf die Unterlagen. „Ich lasse Ihnen alles hier. Sie kümmern sich darum, oder?“ Er sah sie durchdringend an.

„Natürlich. Das ist kein Problem“, erwiderte sie stolz.

Sie hat grüne Augen mit goldenen Sprenkeln, dachte er. „Gut. Sagen Sie mir Bescheid, falls es doch Probleme gibt.“ Er ging in sein Büro zurück und ärgerte sich darüber, dass Liz Hart ihn plötzlich interessierte. Das war beunruhigend und störend.

Warum hatte sie sich so sehr verändert? Irgendwie kam es ihm nicht richtig vor, und er war in gewisser Weise froh darüber, dass er sie zwei Wochen nicht sehen würde. Dann hatte er Zeit, sich daran zu gewöhnen, dass seine persönliche Assistentin neuerdings eine ungemein verführerische Frau war. Aber jetzt musste er sich auf seine Arbeit konzentrieren. Er hatte wie immer viel zu tun. Es war schon schlimm genug, dass er mit seiner Mutter und Liz essen gehen musste. Das war zeitraubend, und seine Zeit war kostbar.

Der Tag hatte wirklich schlecht angefangen. Glücklicherweise konnte man im Level 21 gut essen. Seine Mutter würde sehr überrascht sein beim Anblick ihrer neuen Reisebegleiterin, die überhaupt nicht unscheinbar wirkte.

3. KAPITEL

Liz atmete langsam tief ein und aus. Dann zwang sie sich, ruhig zu ihrem Schreibtisch zu gehen. Es war nicht ganz leicht, sich in den Schuhen mit den hohen Absätzen sicher und graziös zu bewegen. Aber Diana hatte mit ihr geübt, und es klappte gut. Liz war jedoch froh, als sie sich hinsetzen konnte. Mit Coles Reaktion auf ihr verändertes Aussehen musste sie erst einmal fertigwerden.

Diana hatte vorhergesagt, dass er sehr überrascht sein würde. Liz hatte damit gerechnet, er würde sie sekundenlang fragend ansehen, dann das Ganze als typisch weibliche Marotte abtun und es sogleich wieder vergessen. Niemals hätte sie sich vorstellen können, dass er sie so ungeniert mustern würde.

Als sie den Mantel aufgehängt und sich zu Cole umgedreht hatte, war ihr sogleich aufgefallen, wie interessiert er ihre Brüste betrachtete. Sie hatte Herzklopfen bekommen, und, was noch schlimmer war, ihre Brustspitzen hatten sich unter seinem Blick aufgerichtet. Wahrscheinlich war ihm das nicht verborgen geblieben.

Um ihn von ihrem Körper abzulenken, hatte sie ihn rasch begrüßt. Doch prompt hatte er ihre Lippen viel zu lange betrachtet. Und als er ihr schließlich in die Augen gesehen hatte, war sie völlig verwirrt darüber gewesen, wie sehr ihn ihr verändertes Aussehen zu beeindrucken schien. Sie hielt seine Reaktion für genauso überzogen wie seine indirekte Kritik.

Ich werde nicht zulassen, dass er mir das Gefühl vermittelt, einen Fehler gemacht zu haben, nahm sie sich vor. Es gab keine Vorschriften, die besagten, eine Mitarbeiterin dürfe weder die Haarfarbe wechseln noch sich anders kleiden, noch ein anderes Make-up benutzen. Liz hatte ihr Haar nicht blau oder grün gefärbt. Rot war eine ganz normale Haarfarbe, und der kürzere Haarschnitt war modisch, aber nicht ausgefallen. Das neue Outfit war elegant und angemessen, und das neue Make-up war keineswegs übertrieben.

Niemand würde behaupten können, sie sei nicht korrekt gekleidet. Ihre Schwestern hatten ihr versichert, es sei alles perfekt aufeinander abgestimmt. Und sie selbst war mit dem Ergebnis zufrieden gewesen. Ihre Mutter hatte recht, Liz gefiel es, besser auszusehen und modischer gekleidet zu sein. Sie hatte sogar damit angefangen, sich im Spiegel anzulächeln.

Sie würde sich von Cole Pierson nicht beirren lassen. Wenn er mit ihrem veränderten Aussehen nicht zurechtkam, war das nicht ihr Problem. Immerhin hatte er ihr zugestanden, gut organisieren zu können, diplomatisch, taktvoll und intelligent zu sein. Es war geradezu verblüffend, dass er genug Vertrauen zu ihr hatte, um sie mit seiner Mutter auf die Reise zu schicken.

Nachdem Liz sich beruhigt hatte, konzentrierte sie sich auf die Unterlagen, die ihr Chef ihr hingelegt hatte. Obwohl sie seine Mutter gar nicht kannte, hatte er Liz beauftragt, die ältere Frau zu begleiten, und ihr eine Gratisreise angeboten. Wahrscheinlich würden sie erster Klasse fliegen und in den besten Hotels übernachten.

Cole hatte die Reiseziele aufgezählt. Darunter war auch Nepal – und Brendan war in Nepal.

Es war natürlich sehr unwahrscheinlich, dass Liz ihm dort begegnete. Das wollte sie auch gar nicht. Oder etwa doch? Nein, die Sache war beendet. Dennoch war es so etwas wie eine Ironie des Schicksals, dass Liz jetzt auch nach Nepal fliegen würde.

Du hast einen besseren Mann als Brendan Wheeler verdient, hatte ihre Mutter einmal gesagt. Vielleicht hatte sie recht, überlegte Liz jetzt. Jedenfalls würde sie wesentlich bequemer und luxuriöser reisen als Brendan, der mit Unterkünften für Rucksacktouristen vorliebnehmen musste.

Auf der Mappe mit den Reiseunterlagen stand: „The Captain’s Choice – das führende Reiseunternehmen für Luxusreisen und exotische Ziele“. Liz’ Interesse war geweckt. Sie las alles aufmerksam durch. Plötzlich freute sie sich darauf, so viele neue Städte und Länder kennenzulernen.

In Kathmandu würden sie im Hyatt Regency Hotel übernachten, in Hanoi im Opera Hilton und in Phnom Penh im Raffles. An nichts wurde gespart. Es sollte sogar einen Flug über den Mount Everest geben. In Burma würden sie in einem gecharterten Zug mit Dampflokomotive fahren, um einen Eindruck von der Landschaft zu erhalten.

So luxuriös zu reisen, war sicher ein Vergnügen. Man brauchte sich keine Gedanken wegen des Geldes zu machen. Für alles war gesorgt, für die Flüge, das Essen, die Hotels.

Liz konnte sich vorstellen, dass sie mit Coles Mutter zurechtkommen würde, selbst wenn sie ein Drachen wäre. Immerhin war Mrs. Pierson die Reise so wichtig, dass sie den Vorschlag ihres Sohnes, sich von einer ihr fremden jungen Frau begleiten zu lassen, akzeptiert hatte. Deshalb konnte es nicht schwierig sein, eine gemeinsame Basis zu finden und all das Neue, was auf sie zukommen würde, zu genießen.

Takt, Diplomatie und Intelligenz, dachte Liz lächelnd und griff nach dem Telefon. Sie war bereit, sich auf das Abenteuer einzulassen. Ihr verändertes Aussehen hatte Cole offenbar völlig verblüfft, aber er hatte keineswegs so positiv reagiert, wie Diana es vorhergesagt hatte. Dennoch hatte er Liz ein Kompliment gemacht, indem er ihr sein Vertrauen bewies und sie mit seiner Mutter auf die Reise schickte. Dieser Vertrauensbeweis war mehr wert als eine Gratifikation oder Gehaltszulage.

Liz fühlte sich gut, sehr gut sogar. Sie reservierte den Tisch im Restaurant Level 21, wo Cole regelmäßig mit Kunden zu Mittag aß. Dann veranlasste sie bei dem Reiseunternehmen, dass Joyce Hancocks Buchungen auf ihren Namen umgeschrieben wurden.

Cole kam nicht noch einmal herein. Er rief Liz auch nicht zu sich. Offenbar hatte er sich in seine Arbeit vertieft. Um Viertel nach zwölf ging Liz zur Damentoilette und erneuerte ihr Make-up. Sie lächelte ihrem Spiegelbild ermutigend zu und nahm sich vor, sich durch nichts, was ihr Chef sagte oder tat, aus der Ruhe bringen zu lassen. Dann war sie bereit, sich in die Höhle des Löwen zu begeben, wie sie es insgeheim nannte.

Vorsichtshalber klopfte sie an, ehe sie die Tür öffnete und Coles Büro betrat. Er runzelte die Stirn. Doch davon ließ Liz sich nicht beirren. „Wir müssen gehen, wenn wir Ihre Mutter um halb eins treffen wollen“, erklärte sie.

Da sich Coles Büroräume im Chifley Tower, einem der auffallendsten Gebäude im Herzen von Sydney, befanden, brauchten sie einfach nur mit dem Aufzug nach oben in das Restaurant zu fahren. Level 21 war eines der besten und bekanntesten Restaurants der Stadt. Natürlich kam es Cole sehr gelegen, dass er keine längeren Wege zurückzulegen brauchte, wenn er essen gehen wollte. Außerdem verfehlte die luxuriöse Umgebung ihre Wirkung auf seine Kunden nicht.

Sekundenlang blickte er Liz durchdringend an. Er verstand es wirklich gut, eine frostige Atmosphäre zu schaffen. Liz schauderte, und sie überlegte, ob es besser gewesen wäre, den Mantel anzuziehen. Draußen war es winterlich kühl, doch sie würden das Gebäude nicht verlassen. Es lag nur an Cole, dass Liz plötzlich fröstelte. Aber sie war froh, dass er wieder der Alte war.

Während er den wuchtigen Drehsessel aus Leder zurückschob und aufstand, gestand sie sich ein, dass ihre Schwestern recht hatten. Cole war sehr groß. Mit dem dichten, dunklen Haar, den dunklen Augenbrauen, der gebräunten Haut und dem markanten Profil wirkte er sehr attraktiv. Seine blauen Augen und sein klarer Blick trugen zu der Autorität, die er ausstrahlte, bei. Auch sein eleganter, schicker Designeranzug erregte Aufmerksamkeit. Cole wurde allgemein beachtet. Er war eine herausragende Persönlichkeit und hatte Klasse. Manchmal ärgerte Liz sich sogar darüber, denn sie fand es ungerecht, dass jemand so viele Vorzüge auf sich vereinte. Aber sie redete sich ein, er sei eben kein normaler Mensch.

Andererseits hatte sie an diesem Morgen kurz hinter seine roboterhafte Fassade blicken können. Darüber wollte Liz jedoch lieber nicht nachdenken. Es hatte sie zu sehr irritiert.

Als Cole auf sie zukam, hielt sie den Atem an. Er presste die Lippen zusammen und musterte Liz von oben bis unten. Offenbar hatte er sich noch nicht an ihr verändertes Aussehen gewöhnt.

„Haben Sie telefonisch nachgefragt, ob meine Mutter schon da ist?“, fragte er kühl.

„Nein. Ich bin der Meinung, wir sollten aus Höflichkeit pünktlich sein.“

„Meine Mutter hat ein Problem damit, pünktlich zu sein.“ Er blieb neben ihr an der Tür stehen. „Schon allein deshalb braucht sie Ihre Hilfe“, fügte er härter hinzu, als er beabsichtigt hatte.

„Dann sollte ich ihr jetzt beweisen, dass ich in dieser Hinsicht absolut zuverlässig bin“, entgegnete sie. Er ärgerte sich über die Bemerkung. Dessen war Liz sich sicher, denn er forderte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung auf, vor ihm den Raum zu verlassen.

Liz war sich seiner Blicke sehr bewusst, während sie so würdevoll wie möglich vor ihm her über den Flur ging. Normalerweise war er mit den Gedanken immer nur bei der Arbeit und beachtete die Menschen um ihn herum kaum. Es gefiel Liz nicht, dass sie seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Sie kam sich vor wie unter einem Mikroskop und erbebte insgeheim.

Als sie schließlich im Aufzug nebeneinanderstanden und in das Restaurant fuhren, atmete Liz erleichtert auf. Cole beobachtete die Zahlen, die bei jeder neuen Etage aufleuchteten. Er gab sich Mühe, entspannt zu wirken. Aber Liz spürte, wie angespannt er in Wahrheit war.

Vielleicht hat er doch etwas Menschliches an sich, dachte sie. Hatte seine innere Anspannung etwas mit ihrem veränderten Aussehen zu tun? Oder lag es an dem bevorstehenden Treffen mit seiner Mutter?

Liz versuchte, sich auf seine Mutter zu konzentrieren und sich auf die Fragen vorzubereiten, die die ältere Frau wahrscheinlich stellen würde. Wie Liz diese Fragen beantworten würde, hing natürlich auch davon ab, was für ein Mensch Coles Mutter war. Liz hoffte jedenfalls, sie wäre nicht kühl oder abweisend.

Im Foyer des Restaurants wurden sie von dem Geschäftsführer begrüßt. Er teilte ihnen mit, Mrs. Pierson sei schon da und säße bei einem Drink in der Bar.

„Dann ist sie sehr gespannt auf Sie“, stellte Cole leise fest, während man ihn und Liz zu seiner Mutter führte. Sie saß auf einem der grauen Ledersofas an dem bis zum Boden reichenden Fenster und genoss offenbar die wunderschöne Aussicht über die Stadt.

Mit dem gewellten weißen Haar und dem relativ faltenlosen Gesicht war sie immer noch eine schöne Frau. Liz schätzte sie auf ungefähr siebzig und fühlte sich sogleich zu der sanft und damenhaft und keineswegs kühl oder abweisend wirkenden älteren Frau hingezogen. Mrs. Pierson trug ein Designerkostüm und eine helle Seidenbluse, dazu eine Perlenkette, Ohrringe und viele Ringe an den Fingern.

„Mom“, begrüßte Cole sie.

Sie schreckte auf, drehte sich zu ihm um und sah ihn mit ihren blauen Augen an. Dann betrachtete sie Liz neugierig und schien sehr überrascht zu sein.

„Mom“, wiederholte Cole leicht gereizt.

Die ältere Frau presste die Lippen zusammen und warf ihrem Sohn einen so vorwurfsvollen Blick zu, als zweifelte sie an seinem Verstand.

Cole biss die Zähne zusammen. „Das ist meine persönliche Assistentin Liz Hart“, stellte er Liz schließlich vor. „Liz, das ist meine Mutter Nancy Pierson.“

Nancy stand auf. In ihren blauen Augen glaubte Liz so etwas wie Frustration zu entdecken. Dann reichte die ältere Frau ihr die Hand. „Meine Liebe, wie schaffen Sie es nur, mit meinem Sohn zurechtzukommen?“

Jetzt konnte Liz beweisen, wie taktvoll und diplomatisch sie war. „Cole ist der beste Chef, den ich jemals hatte“, erklärte sie nachdrücklich. „Ich arbeite gern mit ihm zusammen.“

„Er lebt nur noch für die Arbeit. Etwas anderes gibt es für ihn nicht mehr“, stellte seine Mutter fest.

„Mom!“, sagte Cole warnend.

„Cole hat heute Morgen dafür gesorgt, dass alles klappt mit Ihrer Reise, Mrs. Pierson“, mischte Liz sich ein, um Schlimmeres zu verhindern, und blickte die ältere Frau strahlend an. „Das ist doch wunderbar, oder?“

Nancy vergaß sogleich ihre Enttäuschung über ihren Sohn und lächelte Liz an, während sie ihr erfreut die Hand drückte. „Oh ja, das finde ich auch. Es wäre schade gewesen, wenn ich sie hätte absagen müssen.“

Liz drückte ihr auch die Hand. „Ich bin völlig begeistert darüber, dass Cole mich als Ihre Reisebegleiterin vorgeschlagen hat. All die Länder und Städte, die wir kennenlernen werden …“

„Na ja …“ Nancy blickte ihren Sohn leicht belustigt an. „Manchmal macht er auch etwas richtig.“

„Ich brauche einen Drink“, erklärte Cole. „Liz, was kann ich Ihnen bestellen? Mom, möchtest du dasselbe noch einmal?“

„Ich nehme ein Mineralwasser“, erwiderte Liz.

„Und ich ein Glas Champagner“, verkündete Nancy. In ihren Augen blitzte es plötzlich unternehmungslustig auf. „Nachdem ich deine Liz kennengelernt habe, bin ich wieder ganz aufgeregt und freue mich auf die Reise, Cole.“

Deine Liz? Was genau hat er seiner Mutter erzählt, dass sie mich so bezeichnet? überlegte Liz.

„Gut.“ Seine Stimme klang scharf. Er drehte sich um und ging zur Bar.

Wieder drückte Nancy Liz die Hand. Dann wies sie auf das Sofa. „Kommen Sie, setzen Sie sich neben mich, damit wir uns besser unterhalten können. Ich möchte mehr über Sie erfahren.“

„Was möchten Sie denn wissen?“, fragte Liz und ließ sich auf das Sofa sinken.

„Über Ihre Arbeit gar nichts“, erklärte Nancy energisch. „Aber erzählen Sie mir doch etwas über Ihre Familie.“

„Meine Eltern wohnen in Neutral Bay …“

„Das ist ein schöner Vorort“, unterbrach Nancy sie.

„Mein Vater ist Arzt, und meine Mutter war Krankenschwester, aber …“

„Sie hat der Familie zuliebe ihren Beruf aufgegeben, stimmt’s?“

„Ja. Sie hat vier Töchter. Ich bin die Zweitjüngste.“

„Du liebe Zeit. Das war ja ein richtiger Frauenhaushalt.“

Liz lachte. „Ja. Mein Vater hat sich immer darüber beschwert, dass er überstimmt wurde. Aber jetzt hat er drei Schwiegersöhne, die zu ihm halten.“

„Demnach sind Ihre Schwestern verheiratet. Wie schön. Haben sie nette Männer?“

Liz gab Nancy einen kurzen Überblick über das Leben ihrer Schwestern. Schließlich kam Cole zurück und stellte die Getränke auf den niedrigen Tisch vor ihnen, ehe er sich auf das andere Sofa setzte. Auf einmal stellte Nancy eine Frage, die Liz nur ungern beantwortete.

„Wie sieht denn Ihr Privatleben aus, Liz? Oder haben Sie – wie mein Sohn – gar keines?“

Sogleich erinnerte Liz sich an die Leere, die sie seit der Trennung von Brendan immer wieder empfand. Sie zögerte und nahm das Glas Wasser in die Hand. Warum musste Mrs. Pierson ausgerechnet so eine Frage stellen? Das Schlimmste war, dass Cole aufmerksam zuhörte.

Und dann geschah etwas, womit Liz niemals gerechnet hätte. Ihr Chef kam ihr zu Hilfe. „Das ist zu persönlich, Mom. Vergiss das Thema.“

Nancy seufzte. „Bist du eigentlich nie auf die Idee gekommen, Cole, dass so eine attraktive junge Frau einen Freund haben könnte? Vielleicht ist es ihm gar nicht recht, dass sie ihn zwei Wochen allein lässt.“

Cole runzelte die Stirn. „Was könnte ihr Freund dagegen haben? Zwei Wochen sind rasch vorüber, und du bist für ihn kein Rivale“, wandte er ungeduldig ein.

„Aber sie musste sich kurzfristig entscheiden und wird drei Wochenenden weg sein. Es wäre doch möglich, dass die beiden schon etwas anderes vorhatten“, entgegnete seine Mutter. „Hast du sie wenigstens gefragt? Oder hast du ihr gar keine Wahl gelassen und vorausgesetzt, dass Liz sich deinen Wünschen fügt?“

Er atmete tief ein.

Liz beschloss, sich wieder einzumischen. „Mrs. Pierson …“, begann sie.

„Nennen Sie mich Nancy, meine Liebe.“

Liz lächelte freundlich, um ihr Unbehagen darüber zu verbergen, dass sie allein lebte. „Nancy, ich habe momentan keinen Freund. Deshalb konnte ich das großzügige Angebot, das Cole mir heute Morgen unterbreitet hat, annehmen. Ich hätte es ihm gesagt, wenn es für mich unmöglich gewesen wäre.“

„Bist du zufrieden?“ Cole blickte seine Mutter an.

Sie lächelte ihn so triumphierend an, als hätte sie den Punkt gewonnen. „Ja, sehr sogar.“

Was zwischen Mutter und Sohn vorging, wusste Liz natürlich nicht. Aber sie hatte das eigenartige Gefühl, es könnte etwas mit ihr zu tun haben. Sie wollte die beiden unbedingt ablenken.

„In Malaysia war ich schon, in Kuching jedoch noch nicht“, erklärte sie.

Glücklicherweise ließ Nancy sich auf den Themenwechsel ein. Liz gelang es, während des Essens unbekümmert über alles Mögliche zu plaudern und das Unbehagen aufzulösen, das sie zuvor gespürt hatte. Cole saß mehr oder weniger schweigend da. Aber er warf Liz immer wieder einen anerkennenden und leicht spöttischen Blick zu. Ihm war bewusst, dass sie sich bemühte, die Sympathie seiner Mutter zu gewinnen.

Sie brauchte sich jedoch gar keine Mühe zu geben, denn Nancy war offenbar begeistert von Liz. Nancys blaue Augen strahlten, und sie wirkte sehr zufrieden. Seltsamerweise war Liz sich Coles Gegenwart allzu sehr bewusst. Sie verstanden sich ohne Worte, und wenn ihre Blicke sich trafen, bekam Liz Herzklopfen.

So kannte sie sich gar nicht. Warum passierte ihr das ausgerechnet jetzt? Weil es durch seine Mutter eher ein privates Treffen war? Oder weil Cole in seiner persönlichen Assistentin auf einmal auch die Frau sah statt nur die tüchtige Mitarbeiterin? Vielleicht lag es aber auch daran, dass Cole für Liz plötzlich nicht mehr in erster Linie ihr Chef, sondern vor allem Nancys Sohn war.

Jedenfalls empfand Liz die Situation als irritierend und beunruhigend.

Sie wollte für Cole nichts empfinden. Er würde sie sowieso wieder kühl und gleichgültig behandeln, sobald das Mittagessen mit seiner Mutter beendet war.

„Haben Sie an diesem Samstag schon etwas vor, meine Liebe?“, fragte Nancy, nachdem man ihnen den Kaffee serviert hatte.

„Nein.“ Liz überlegte, was sonst noch von ihr erwartet wurde.

„Gut. Sie müssen mich unbedingt in Palm Beach besuchen und mich beim Packen beraten. Das hat Joyce auch immer gemacht, um sicherzustellen, dass ich nicht zu viel mitnehme. Haben Sie ein Auto? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man am Wochenende kaum bis zu mir. Wenn Sie keines haben …“

„Das ist wirklich kein Problem“, unterbrach Liz sie. „Ich schaffe es schon.“

Sie hatte noch nie ein Auto besessen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kam sie viel schneller in die Stadt. Außerdem war es billiger. Palm Beach lag jedoch sehr weit außerhalb von Sydney.

„Ich wollte vorschlagen, dass Cole Sie mitbringt.“ Nancy lächelte ihren Sohn an. „Das machst du doch, oder? Vergiss nicht, am Samstag kommt der Handwerker, der mit dir über das Angebot für die neuen Fliesen, die um den Swimmingpool herum verlegt werden sollen, reden will.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich glaube, er will um elf bei mir sein. Oder um eins?“

Cole seufzte. „Ich bin rechtzeitig da, Mom. Ich hole Liz ab und bringe sie mit“, versprach er. Er schien seine Ungeduld nur mühsam verbergen zu können.

Liz wäre lieber mit dem Taxi gefahren. Sie wollte ihrem Chef nicht zur Last fallen. Doch offenbar hatte sie kein Mitspracherecht, sondern musste mit allem einverstanden sein.

„Am besten seid ihr schon vor elf bei mir“, erklärte Nancy und lächelte Liz an. „Dann können wir zusammen zu Mittag essen. Es hat mir heute Spaß gemacht. Natürlich müssen wir auch besprechen, was wir alles mitnehmen.“

Liz hatte eigentlich beabsichtigt, einige Baumwoll- und Leinenhosen, T-Shirts sowie Blusen für tagsüber und einige elegantere Outfits für abends zum Essen einzupacken. Sie schwieg jedoch und wollte abwarten, was Nancy vorschlug.

Schade war nur, dass Cole die ganze Zeit dabei sein würde. Vermutlich passte ihm die ganze Sache auch nicht. Liz überlegte, ob Nancy sie und Cole absichtlich zusammenbrachte. Doch warum? Die ältere Frau schien etwas Bestimmtes vorzuhaben. Sie wusste genau, was sie tat, dessen war Liz sich sicher.

„Bist du jetzt zufrieden, Mom?“, fragte Cole ziemlich spöttisch.

„Oh ja.“ Sie lächelte ihn freundlich an. „Danke, mein Lieber. Ich werde mit Liz bestimmt eine wunderschöne Zeit haben. Ich finde es ausgesprochen nett von dir, sie mir zu überlassen. Es wird dir sicher schwerfallen, auf sie verzichten zu müssen.“

„Niemand ist unersetzlich“, antwortete er.

Es überlief Liz kalt, und sie blickte Cole beunruhigt an. Hatte sie etwa ihren Job aufs Spiel gesetzt, indem sie sich bereit erklärt hatte, seine Mutter zu begleiten? Nach der Trennung von Brendan wollte sie nicht auch noch ihre Stelle verlieren.

Cole runzelte die Stirn, als er merkte, wie irritiert Liz war. „Aber ich muss zugeben, es ist sehr schwierig, jemanden zu finden, der auch nur annähernd so tüchtig ist wie meine persönliche Assistentin.“ Du liebe Zeit, ist ihr das etwa nicht klar? überlegte er gereizt. „Vielleicht mache ich während ihrer Abwesenheit einige Tage Urlaub, um mir Ärger zu ersparen.“

Seine Mutter und Liz sahen ihn ungläubig an. Cole hatte noch nie Urlaub gemacht. Seine Arbeit schien sein einziger Lebensinhalt zu sein. Es war wirklich ein Tag voller Überraschungen.

Liz war erleichtert und froh darüber, dass Cole Pierson sie schätzte. Sie fühlte sich plötzlich gut, sehr gut sogar.

4. KAPITEL

Cole hatte nie bezweifelt, dass Liz mit seiner Mutter glänzend zurechtkommen würde. Das Treffen hatte seinen Zweck erfüllt. Seine Mutter war glücklich darüber, dass Liz sie auf der Reise begleiten würde. Aber es gab da etwas anderes, was ihn den restlichen Nachmittag so sehr beschäftigte, dass er sich nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte.

Seine Mutter hielt ihn für dumm und blind. Und das war nur Liz’ Schuld, wie er glaubte. Außerdem hatte seine Mutter ihn geschickt manipuliert und in eine Situation gebracht, die ihm gar nicht passte. Sie hatte dazu gedrängt, Liz am Samstag mitzubringen. Damit verfolgte seine Mutter eine bestimmte Absicht.

Dafür war Liz natürlich nicht allein verantwortlich. Doch wenn sie sich nicht so sehr zu ihrem Vorteil verändert hätte, wäre seine Mutter bestimmt gar nicht auf den Gedanken gekommen, sie mit ihm zu verkuppeln.

Hinzu kam, dass Liz momentan Single war. Was war geschehen? Cole hatte den Freund seiner persönlichen Assistentin nie kennengelernt. Er hatte auch gar nicht mehr an ihn gedacht. Er war jedoch der Meinung gewesen, die beiden seien schon lange zusammen. Brendan hieß der Mann, wie Cole sich erinnerte. Sie hatte ihn einige Male erwähnt, wenn sie von ihren Reiseplänen erzählt hatte.

Hatte sie vielleicht gelogen, um die Bedenken seiner Mutter zu zerstreuen? Nein, das wäre nicht nötig gewesen. Sie hätte nur zu erklären brauchen, ihr Freund hätte nichts gegen die Reise.

Cole wollte es genau wissen. Vielleicht hatte es etwas mit der Trennung von ihrem Freund zu tun, dass sie sich aus einer unscheinbaren jungen Frau in eine strahlende Schönheit verwandelt hatte. Aber weshalb war sie unsicher wegen ihres Jobs? In dieser Hinsicht brauchte sie nichts zu befürchten. Er hatte ihre Arbeit nie kritisiert. Sie musste doch wissen, was für eine perfekte Mitarbeiterin sie war. Dass sie irritiert gewesen war, als er erklärt hatte, niemand sei unersetzlich, war absurd.

Den ganzen Tag hatte er die neue Situation als beunruhigend und ärgerlich empfunden. Als Liz nach Hause gegangen war, ärgerte Cole sich immer noch. Er nahm sich vor, die Gedanken zu verdrängen und sich bis zum Wochenende zu gedulden. Am Samstag würde Liz ihm vielleicht alle Fragen beantworten, wenn er mit ihr zu seiner Mutter fuhr. Sobald alles geklärt war, würde er sich in ihrer Nähe auch wieder wohlfühlen.

Am Dienstagmorgen erschien Liz in einem so hinreißend verführerischen Outfit, dass Cole seinen Augen nicht traute. Und die hellen Sandaletten mit den hohen Absätzen betonten ihre schönen, schlanken Beine, die ihm früher nicht aufgefallen waren.

Am Mittwoch trug Liz wieder den engen dunkelblauen Rock. Dazu hatte sie dieses Mal eine auf Taille gearbeitete violette Jacke an. Zusammen mit dem roten Haar war es eine gewagte Kombination, und Cole betrachtete Liz viel zu oft.

Am Donnerstag erschien sie in einem engen schwarzen Pullover. Ihre großen goldenen Ohrringe lenkten Cole immer wieder ab. Sie war wirklich eine bemerkenswerte junge Frau. Er war selbst überrascht über die Gefühle, die sie in ihm weckte und die er schon lange nicht mehr gehabt hatte. Wenn Liz Hart momentan keinen Freund hatte … Nein, es wäre ein Fehler, Privates mit Geschäftlichem zu vermischen. Und es war dumm, dass er überhaupt darüber nachdachte.

In dem Kleid, das sie am Freitag anhatte und das vorne von oben bis unten geknöpft war, kam sie ihm vor wie eine einzige Verführung. Ein breiter Gürtel unterstrich ihre schmale Taille, und die hochhackigen Sandaletten betonten ihre schönen Beine. Liz wirkte sehr sexy. Je länger er sie betrachtete, desto überzeugter war er, dass sie sehr begehrenswert war.

Aber das durfte ihn nicht interessieren. Er war nicht bereit dazu, eine ernsthafte Beziehung einzugehen. Und mit einer flüchtigen Affäre würde er nur die gute Zusammenarbeit aufs Spiel setzen. Außerdem hatte Liz ihm durch nichts zu verstehen gegeben, dass sie ihn attraktiv fand. Sie verhielt sich ihm gegenüber so höflich und distanziert wie immer.

Ihm war jedoch aufgefallen, dass sie ihn öfter anlächelte. Doch er war sich nicht sicher, ob ihm ihr Lächeln bisher einfach nicht aufgefallen war. Ihre Lippen, ihre Augen und alles andere an ihr wirkten plötzlich viel verführerischer. Jedenfalls ertappte er sich dabei, dass er ihr Lächeln erwiderte. Die Herzlichkeit, die zwischen ihnen entstanden war, gefiel ihm.

Ein etwas herzlicherer Umgang kann sowieso nicht schaden, redete Cole sich ein. Er musste nur darauf achten, dass seine Autorität nicht verloren ging. Immerhin arbeiteten er und Liz schon drei Jahre lang harmonisch zusammen. Es wäre sicher nicht hilfreich, sich zu sehr mit ihr anzufreunden. Geschäft war Geschäft, und eine gewisse Distanz musste gewahrt bleiben.

Am Freitagnachmittag ging Liz in sein Büro. „Wegen morgen …“, begann sie nervös. „Wir wollten zu Ihrer Mutter nach Palm Beach fahren …“

„Ah ja. Wo und wann soll ich Sie abholen?“

„Das brauchen Sie wirklich nicht.“

„Es ist aber einfacher für Sie.“ Er lehnte sich im Sessel zurück, als ob er ihr beweisen wollte, dass er völlig entspannt war.

„Ich habe im Fahrplan nachgesehen. Es ist kein Problem, mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinzufahren“, versicherte sie ihm.

„Aber ich hätte ein Problem, wenn ich ohne Sie ankommen würde“, entgegnete er. „Meine Mutter würde mir Vorwürfe machen.“

„Oh.“ Liz verzog das Gesicht. Sie erinnerte sich an die etwas gespannte Atmosphäre, die zwischen Mutter und Sohn zumindest zeitweise geherrscht hatte. „Ich möchte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten, Cole.“

„Das tut höchstens meine Mutter. Ich habe wirklich nichts dagegen, ihr den Gefallen zu tun, Liz.“ Er griff nach einem Notizblock. „Nennen Sie mir Ihre Adresse.“

„Wir können uns woanders treffen …“

„Nein. Geben Sie mir Ihre Adresse“, wiederholte er leicht ungeduldig.

„Es wäre doch einfacher, wenn …“

„Haben Sie ein Problem damit, mir zu verraten, wo Sie wohnen, Liz?“, unterbrach er sie.

„Ich wohne in Bondi Junction. Es wäre für Sie ein Umweg …“

„Von höchstens zehn Minuten. Ich wohne in Benelong Point.“

„Dann brauchen Sie noch einmal zehn Minuten, um den ganzen Weg zurückzufahren“, wandte sie ein.

„Auf die zwanzig Minuten kommt es mir nicht an.“

Liz seufzte. „Es wäre mir trotzdem lieber, wenn wir uns beispielsweise auf halber Strecke treffen würden. Ich kann mit dem Zug …“

„Befürchten Sie, Ihr Freund hätte etwas dagegen, dass ich Sie zu Hause abhole?“ Dass er damit zu sehr in ihr Privatleben eindrang und sich selbst in die Rolle eines Rivalen versetzte, wurde ihm erst bewusst, nachdem er die Frage ausgesprochen hatte.

Schockiert blickte sie ihn an.

Auch Cole war schockiert über seine Taktlosigkeit. Er war jedoch nicht bereit einzulenken. Die ganze Woche hatte er schon mehr über ihre persönlichen Verhältnisse herausfinden wollen. Deshalb sah er sie schweigend an und wartete auf ihre Antwort.

Sie errötete, und ihre Augen schienen noch mehr zu glänzen. Liz’ Haltung wirkte seltsam herausfordernd, und er war bereit, die Herausforderung anzunehmen. Er war auf einmal so konzentriert wie immer, wenn er starken Widerstand spürte. In solchen Situationen tat er alles, um zu gewinnen.

„Ich habe doch schon am Montag erwähnt, dass ich keinen Freund habe“, erklärte sie schließlich.

„Das haben Sie meiner Mutter gegenüber nur behauptet, damit sie aufhörte, mir Vorhaltungen zu machen.“

„Es ist die Wahrheit.“

„Seit wann sind Sie allein? Kurz vor Ihrem Urlaub haben Sie mir erzählt, Sie wollten mit Ihrem Freund verreisen. Brendan hieß er, oder?“

Sie presste die Lippen zusammen und blickte Cole abweisend an.

„Als Sie angefangen haben, für mich zu arbeiten, waren Sie schon mit ihm zusammen“, fügte er schonungslos hinzu.

„Jetzt bin ich wieder allein“, erwiderte sie und hob stolz den Kopf.

„Haben Sie ihn weggeschickt?“

„Nein, er ist von sich aus verschwunden“, antwortete sie spöttisch.

„Heißt das, er hat Sie verlassen?“

„Ihm hat nicht gefallen, dass ich gern Ordnung in meinem Leben haben und alles planen und organisieren möchte.“

„Der Mann ist ein Dummkopf.“

Sie lächelte leicht. „Danke.“

Ihm fiel auf, dass das Lächeln ihre Augen nicht erreichte. Offenbar war sie verletzt über die Zurückweisung und zweifelte jetzt an sich selbst. Das war wahrscheinlich auch der Grund, weshalb sie befürchtet hatte, sie würde vielleicht ihren Job verlieren.

Cole war zufrieden, dass er endlich Bescheid wusste. „Ich hole Sie zu Hause ab. Wie lautet Ihre Adresse?“

Ohne noch länger zu protestieren, nannte sie diese. Ihre Stimme klang jedoch seltsam deprimiert. Und das gefiel Cole nicht.

„Ich wollte Ihnen nur die Mühe ersparen, einen Umweg zu machen“, erklärte sie leise.

„Es ist nett von Ihnen, dass Sie Rücksicht nehmen wollen, Liz.“ Er notierte sich die Adresse. Dann sah er Liz an. Sie sollte wissen, wie sehr er sie schätzte. „Aber Sie tun meiner Mutter einen Gefallen. Deshalb ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann, Ihnen eine lange Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ersparen. Passt es Ihnen um zehn?“

„Ja, vielen Dank.“ Ihre Wangen waren gerötet.

Er lächelte Liz an, damit sie sich entspannte. „Sie brauchen morgen nicht auf alle Ideen meiner Mutter einzugehen. Machen Sie einfach nur das, was Ihnen vernünftig erscheint. Okay?“

Liz nickte.

Mit einem Blick auf die Uhr fügte er hinzu: „Sie sollten jetzt gehen, sonst schaffen Sie es heute nicht mehr, sich für die Reise impfen zu lassen.“ Er lächelte wieder. „Wir sehen uns morgen.“

„Ja, bis dann.“ Seine gute Laune verunsicherte Liz.

Er wunderte sich über sich selbst. Was war los mit ihm? Natürlich hatte seine gute Laune nichts damit zu tun, dass Liz keinen Freund hatte. Das war für ihn bedeutungslos, wie er sich einredete. Wahrscheinlich war er nur zufrieden darüber, dass alles geklärt war. Auch ihr verändertes Aussehen machte jetzt Sinn. Da Brendan offenbar einiges an ihr auszusetzen gehabt hatte, hatte sie sich vermutlich in jeder Hinsicht zurückgehalten, um seinen Wünschen gerecht zu werden. Sie konnte froh sein, dass sie diesen Mann los war. Er war bestimmt nicht der Richtige für sie gewesen.

Cole erinnerte sich daran, dass seine Frau ihn damals für das Scheitern der Ehe verantwortlich gemacht hatte. Es war ihm jedoch egal gewesen. Als sein kleiner Sohn gestorben war, war die Beziehung endgültig zerbrochen.

Sekundenlang gab er sich dem Kummer und Schmerz hin, was er sich normalerweise nicht erlaubte. Schließlich verdrängte er alles wieder. Es waren sinnlose Emotionen, die zu nichts führten. Was vergangen war, war vergangen, es ließ sich nicht mehr ändern.

Er konzentrierte sich auf die Zahlenreihen auf dem Bildschirm seines Computers. Dabei fühlte er sich wohl. Aber er würde sich jetzt in Liz Harts Nähe auch wieder wohlfühlen. Was sie anhatte und wie sie aussah, wenn er sie morgen abholte, interessierte ihn nicht. Er würde sich von ihrem Äußeren nicht mehr ablenken lassen.

Dass er sie begehrenswert fand, durfte er nicht allzu ernst nehmen. Diese Regung würde rasch wieder vergehen.

In dem Moment läutete das Telefon, und er runzelte ärgerlich die Stirn. Schade, dass Liz nicht da ist, um unwichtige Anrufer abzuwimmeln, dachte er, während er nach dem Hörer griff.

„Pierson“, meldete er sich.

„Cole! Endlich“, ertönte die Stimme seiner Frau.

„Tara“, begrüßte er sie knapp. Was hätte er auch sonst sagen sollen? Angespannt und gereizt wartete er darauf, was sie von ihm wollte.

„Ich habe voriges Wochenende versucht, dich zu erreichen. Du warst nicht im Penthouse …“

„Nein, ich war bei meiner Mutter in Palm Beach“, unterbrach er sie. Er ärgerte sich darüber, dass sie so tat, als müsste er für sie immer erreichbar sein. Seit der Trennung hatte sie verschiedene Affären gehabt, sodass Cole sich ihr gegenüber zu nichts mehr verpflichtet fühlte.

„Ah ja, bei deiner Mutter“, wiederholte sie leicht spöttisch.

Während der Ehe hatte es immer wieder Streit darüber gegeben, dass Cole sich um seine Mutter kümmerte, statt seine Aufmerksamkeit ausschließlich seiner Frau zu schenken. Tara hatte sich gewünscht, im Rampenlicht zu stehen und kein gesellschaftliches Ereignis zu versäumen. Nicht einmal während der Schwangerschaft und nach der Geburt des Babys war sie bereit gewesen, auf ihr Vergnügen zu verzichten. Wenn sie nicht an dieser Party teilgenommen und David in die Obhut des Kindermädchens gegeben hätte …

„Komm bitte zur Sache, Tara“, forderte er sie auf und verdrängte die sinnlosen Gedanken.

Sie seufzte. „Du weißt sicher, dass unsere Scheidung nächste Woche rechtskräftig wird“, begann sie zuckersüß.

„Oh ja, das Datum habe ich in meinem Kalender angestrichen.“

„Ich habe gedacht, wir könnten uns treffen und …“

„Unsere Rechtsanwälte haben alles geklärt“, fiel er ihr ins Wort. Er ärgerte sich darüber, dass Tara vielleicht noch mehr haben wollte, als er ihr schon zugestanden hatte.

„Liebling, du warst überaus großzügig, aber … wollen wir es wirklich?“

„Was genau meinst du?“, fuhr er sie an.

Sie atmete tief ein. „Du weißt, dass ich seit der Trennung einige Bekanntschaften hatte. Doch keiner dieser Männer kann dir das Wasser reichen, Cole. Mir ist bekannt, dass du keine feste Beziehung hast. Oft denke ich, wenn David nicht gestorben wäre …“ Sie machte eine Pause. „Sein Tod hat alles zwischen uns verändert. Wir waren so erschüttert …“ Wieder atmete sie tief ein. „Die Zeit heilt alle Wunden, wie man so sagt. Wir hatten doch ein gutes Leben vor uns, Cole. Deshalb bin ich der Meinung, wir könnten es noch einmal versuchen, zumindest eine Zeit lang …“

„Nein!“ Er schrie dieses Wort geradezu hinaus. Alle möglichen negativen Gefühle stürzten auf ihn ein.

Tara ignorierte seinen Protest und fuhr fort: „Cole, wir könnten versuchen, wieder ein Kind zu bekommen.“ Ihre Stimme klang plötzlich heiser und verführerisch und schien noch etwas ganz anderes zu versprechen als ein Kind. „Lass uns morgen zusammen essen gehen …“

„Vergiss es.“ Niemals würde er auf ihr Angebot eingehen, mit dem sie sowieso nur etwas ganz Bestimmtes erreichen wollte. Tara hatte nie ein Kind haben wollen. Sie hatte David nicht sehr geliebt und nicht viel Zeit mit ihm verbracht. Das Kindermädchen hatte für den Kleinen all das getan, was Cole nicht selbst hatte tun können. Es war über Davids Tod bestürzter und entsetzter gewesen als Tara.

„Morgen bin ich zum Essen bei meiner Mutter“, erklärte er kühl. „Unsere Beziehung ist schon lange beendet, Tara. Ich werde sie bestimmt nicht wiederaufleben lassen.“

„Ein unverbindliches Treffen kann doch nicht schaden. Wenn wir miteinander reden …“

„Ich habe gesagt, du sollst es vergessen. Ich meine es ernst.“

Er legte den Hörer auf, schaltete den Computer aus, stand auf und verließ das Büro. Dann ging er in das Fitnesscenter, in dem er zweimal pro Woche trainierte.

Er brauchte und wollte keinen Sex mit seiner Exfrau. Zugegeben, er hatte Tara Summerville nur geheiratet, weil sie guten Sex miteinander gehabt hatten. Wie sie wirklich war, hatte er erst nach der Hochzeit gemerkt. Er hatte sich selbst zum Gefangenen seines leidenschaftlichen Verlangens gemacht, das schon bald vergangen war. Stattdessen hatte sich Ernüchterung eingestellt.

Vielleicht wäre er David zuliebe mit Tara zusammengeblieben. Er würde sich jedoch ganz bestimmt nicht noch einmal mit ihr einlassen. Wenn er jemals wieder heiratete, dann nur eine Frau wie … Er lächelte ironisch, als ihm prompt Liz Hart einfiel.

Liz versuchte, damit zurechtzukommen, dass ihr langjähriger Freund sich von ihr getrennt hatte. Sie hatte sich so sehr zu ihrem Vorteil verändert, dass sie Gefühle in ihm weckte, die völlig unpassend waren, jedenfalls unter den derzeitigen Umständen.

Vermutlich war Liz momentan sehr verletzlich. Nach der Zurückweisung würde es ihr sicher guttun, von einem anderen Mann begehrt zu werden. Doch Cole wollte die Situation nicht ausnutzen. Sie musste sich auf ihn als ihren Chef verlassen können und sollte nicht plötzlich mit etwas konfrontiert werden, das mit der Arbeit nichts zu tun hatte.

Dennoch ließ ihn der Gedanke nicht los, dass Liz Hart die perfekte Frau wäre, um ihm zu helfen, das seelische Tief, in dem er steckte, zu überwinden.

Was für eine verrückte Idee. Er musste sich körperlich betätigen, das würde ihn ablenken.

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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