Julia Herzensbrecher Band 3

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KÜSS MICH GLEICH NOCH MAL! von HARDY, KATE
Auf einer glamourösen Dinnerparty in London trifft der Blick eines glutäugigen Fremden die hübsche Lily mitten ins Herz. Wie verzaubert lässt sie sich von Scheich Karim al-Hassan verführen. Doch ihre Beziehung hat keine Zukunft! Karim muss zurück in seine Heimat - und eine andere heiraten!

EIN TRAUM IN ROTER SEIDE von LEE, MIRANDA
Dass ihr Exverlobter sie zu seiner Hochzeit einlädt, trifft Michelle hart. Gott sei Dank kann sie ihren Studienfreund Tyler, einen heiß begehrten Playboy, überreden, sie auf die Feier zu begleiten. Wie sehr sich Tyler genau das schon immer gewünscht hat, ahnt sie nicht …

SPIEL NICHT MIT MEINER LIEBE! von JAMES, JULIA
Griechische Sonne und weiße Strände - Ann ist machtlos gegen die Gefühle, die der schwerreiche Nikos in ihr weckt. Sie gibt sich ihm hin, doch sogar nach einer leidenschaftlichen Nacht hat sie noch Zweifel: Kann sie dem Mann vertrauen, der ihr das Liebste genommen hat?


  • Erscheinungstag 20.04.2018
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710934
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Hardy, Miranda Lee, Julia James

JULIA HERZENSBRECHER BAND 3

1. KAPITEL

„Ich danke Ihnen für Ihre Zeit, Hoheit.“

Die Reporterin machte mehr oder weniger einen Hofknicks. Etwas, das Karim zutiefst verabscheute. Aber er blieb höflich.

„Keine Ursache. Es war nett, Sie kennenzulernen.“ Sein Lächeln war ebenso gekünstelt wie das der Journalistin, die nach diesem Abend zweifelsohne mit ein paar großartigen Zitaten in ihrem Bericht aufwarten konnte.

Es war die Art Party, auf die die Regenbogenpresse sich stürzte – Finanzgrößen, Politiker, Schauspieler, einige Popstars und andere bekannte Persönlichkeiten.

Karim wusste schon jetzt, worauf das Hauptaugenmerk bei ihm liegen würde. Dass nämlich Seine Königliche Hoheit Prinz Karim al-Hassan die ganze letzte Woche ausgiebig gefeiert hatte, auf jedem Empfang zu sehen gewesen war und sich ausgedehnte Lunchzeiten gegönnt hatte, die noch vor dem Mittag anfingen und selten vor drei Uhr nachmittags endeten.

Vor fünf Jahren hätten sie damit noch recht gehabt. Da hatte er mit den angesagtesten Größen des Showbusiness’ gefeiert, hatte keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, um sich zu amüsieren. Doch mittlerweile war das vorbei, wenn es ihm auch durchaus gefiel, dass die Leute ihn weiterhin für einen harmlosen und charmanten Partylöwen hielten.

Was die Zeitungen nämlich nicht erwähnten, war die Tatsache, dass sein Glas immer nur Mineralwasser enthielt, dass er ein fehlloses und fotografisches Gedächtnis hatte und sich daher bei geschäftlichen Treffen keine Notizen zu machen brauchte und dass er nach jedem Lunchtreffen oder jeder Party, die er verließ, komplizierte Auflistungen und Berichte erstellte.

Seit sein Vater ihn mit der Aufgabe betraut hatte, den Tourismus in Harrat Salma voranzutreiben und Investoren zu finden, war er eher Geschäftsmann als Playboy. Karim hatte sich in den letzten Jahren die entsprechenden Informationen eingeholt, sich mit den richtigen Leuten getroffen, die notwendigen Kontakte hergestellt, seine Geschäftspläne ausgearbeitet. Jetzt musste er nur noch das Beste daraus machen. Er hatte sich mit vielen Leuten getroffen, die mit ihren Investitionen Arbeitsplätze schaffen, die Infrastruktur verbessern und die Nutzung neuer Energiequellen ermöglichen würden. Alles zum Wohle von Harrat Salma.

Selbst jetzt, während er ungezwungen mit einer Gruppe von Leuten plauderte, beschäftigte er sich in Gedanken schon mit dem nächsten Geschäftsplan.

Bis auf einmal ein seltsames Gefühl ihn veranlasste, sich umzudrehen.

Die Frau am anderen Ende des Raumes zog sofort seine Aufmerksamkeit auf sich, obwohl sie es ganz offensichtlich eher darauf anlegte, unbemerkt zu bleiben. Das braune Haar trug sie zu einem Knoten gebunden im Nacken, das schwarze Kleid war elegant, aber sehr schlicht. Sie trug flache schwarze Schuhe statt hochhackiger Sandaletten, zudem keinen Schmuck, nicht einmal eine Armbanduhr. Und kein Make-up.

Sie war das genaue Gegenteil der Frauen, für die er sich normalerweise interessierte, und da sie es offensichtlich vorzog, ignoriert zu werden, hätte er sie eigentlich nicht einmal bemerken sollen. Und doch war sie in ihrer schlichten Eleganz unbeschreiblich schön. Etwas an ihr zog ihn an. So als gäbe es eine Verbindung zwischen ihnen.

Karim wusste nicht, wer sie war, und hatte sie auch noch nie zuvor gesehen – daran würde er sich erinnern. Und auch, wenn er eigentlich hier war, um Kontakte aufzubauen, so würde er sich fünf Minuten Zeit nehmen, um herauszufinden, warum und mit wem sie hier war, und sie zum Dinner einladen.

Jetzt sprach sie gerade mit Felicity Browne, der Gastgeberin. Karim entschuldigte sich und schlenderte durch den Saal, direkt auf die beiden Frauen zu. Kurz bevor er sie erreicht hatte, hatten sie bereits ihr Gespräch beendet, und die schöne Fremde drehte sich um und ging Richtung Ausgang. Er beschleunigte seine Schritte, ging ihr nach und stellte sich ihr in den Weg.

„Hallo.“

„Hallo“, erwiderte sie höflich.

Sie hatte einen Londoner Akzent und ernst blickende graublaue Augen.

Ernst und ruhig. Definitiv nicht der Typ Frau, mit dem er sonst ausging.

„Sie haben nichts zu trinken“, stellte er fest und winkte einen der Kellner heran, die mit vollen Getränketabletts herumgingen.

„Weil ich eigentlich gar nicht hier bin.“

Sie versuchte ganz offensichtlich, kühl und gefasst zu wirken, doch Karim hatte gelernt, auf die kleinen Dinge zu achten. Er konnte erkennen, dass da ein unmerklicher Hauch von Röte auf ihre Wangen gezogen war. Und da sie vorhin mit Felicity gesprochen hatte, nahm er an, dass sie zum Hauspersonal gehörte.

Es war also nur verständlich, dass sie sich sorgte, Probleme zu bekommen, wenn sie nun mit einem Glas Champagner in der Hand erwischt wurde.

„Lassen Sie uns ein Plätzchen finden, wo es etwas ruhiger ist“, schlug er vor. „Ich besorge Ihnen einen Drink.“

„Danke, aber ich trinke nicht.“

„Dann ein Mineralwasser.“ Geschickt nahm er zwei Gläser vom Tablett des Kellners und reichte ihr eines davon. Dann ließ er den Blick über die Menge schweifen. Gut, die Reporterin war bereits gegangen, er konnte sich entspannen.

Karim zog die freie Hand der fremden Frau unter seinen Arm und ging auf die großen Flügeltüren zu, die auf die Terrasse führten.

Himmel hilf, dachte Lily.

Sie hatte sich nur ganz kurz bei Felicity vergewissern wollen, dass alles zu deren Zufriedenheit ablief, um dann wieder in der Küche zu verschwinden. Ganz sicher hatte sie nicht vorgehabt, sich auf dieser Party derart überrumpeln zu lassen, auch wenn dieser Mann der attraktivste war, den sie je gesehen hatte.

Dabei war er nicht anders gekleidet als die anderen männlichen Gäste, nur ein wenig edler. Weißes maßgeschneidertes Dinnerjackett, schwarze Fliege, auf Hochglanz polierte handgefertigte Schuhe. Er schien einer der ganz Reichen zu sein.

Was nicht anders zu erwarten war. Felicity Browne legte sehr viel Wert auf ihre eigene Erscheinung und kleidete sich ausschließlich in Designerroben, ihre Gäste würden nicht anders sein.

Einige der Gäste kannte Lily, sie hatte bereits für sie gekocht, aber diesen Mann hatte sie noch nie gesehen. Daran würde sie sich erinnern. Sein schwarzes Haar war ein klein wenig zu lang, sodass der Pony ihm immer wieder lässig in die Augen fiel, und an seinem Akzent erkannte man den Besuch der Eliteschulen. Aber seine olivfarbene Haut und seine bernsteinfarbenen Augen waren zu exotisch, um britisch zu sein.

„Ich sollte wirklich nicht …“, setzte sie an, als er die Terrassentüren hinter ihnen schloss.

„Seien Sie unbesorgt. Falls Felicity sich beschwert, werde ich ihr erklären, dass ich Sie entführt habe und Sie keine Schuld trifft.“

„Aber …“

„Scht.“ Sanft legte er den Zeigefinger auf ihre Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen.

Eine flüchtige Berührung nur, doch Lily konnte sich nicht mehr bewegen und wollte es auch gar nicht. Irgendetwas an ihm zog sie unwiderstehlich an. Und so, wie er sie ansah, schien es ihm ähnlich zu ergehen.

Ein Funke würde reichen, um das Feuer zwischen ihnen auflodern zu lassen.

Sie sollte besser gehen. Denn wenn sie jetzt auf ihr Herz statt auf ihren Kopf hörte, wäre die Katastrophe garantiert. Sie konnte sich den Klatsch nicht leisten, der unweigerlich folgen würde. Klatsch, der ihr Geschäft ruinieren würde, das sie mit solch großer Mühe aufgebaut hatte.

Aber … selbst wenn ihr Leben davon abhinge, sie konnte jetzt nicht gehen.

„Wie heißen Sie?“, fragte er leise.

„Lily.“

„Karim“, stellte er sich vor.

Exotisch. Faszinierend. Zu gern wollte sie mehr über ihn erfahren.

„Eine Frage vorab“, fuhr er samten fort. „Sind Sie verheiratet? Oder fest liiert?“

Wenn sie jetzt mit Ja antwortete, würde er sie sofort gehen lassen, das spürte sie. Dann könnte sie in die Küche zurück. Ernsthaft überlegte sie, ihn anzulügen, obwohl ihr Unehrlichkeit zuwider war. Aber in diesem Falle wäre eine kleine Notlüge die vernünftigste Vorgehensweise.

Doch ihr Körper hörte nicht auf ihren Verstand. Fast unmerklich schüttelte sie den Kopf und sah sofort die Erleichterung auf seiner Miene – gefolgt von einem Verlangen, das unwillkürlich einen Schauer durch ihren Körper sandte.

Jetzt stellte er sein Glas ab, nahm Lily ihr eigenes Glas aus der Hand und stellte es daneben, dann küsste er jede einzelne ihrer Fingerspitzen, ohne die Augen von ihrem Gesicht zu nehmen. Sie konnte es nicht aufhalten, ihre Lippen öffneten sich leicht …

Karim erkannte die Einladung, beugte den Kopf und strich zart mit dem Mund über ihren. Eine flüchtige, leichte Berührung nur, ein erotisches Flüstern …

Doch es reichte nicht.

Sie wollte mehr.

Sehr viel mehr.

Lily schlang die Arme um seinen Nacken, zog seinen Kopf näher zu sich heran und dachte unablässig, dass es absolut verrückt war. So etwas tat sie einfach nicht!

Und doch sie stand hier und küsste einen völlig Fremden, von dem sie nicht mehr wusste als den Vornamen. Und dass er den sinnlichsten Mund überhaupt hatte.

Als er den Kuss nun noch vertiefte, setzte ihr Denken gänzlich aus. Ihre Finger verfingen sich in seinem dichten Haar, sie roch sein Aftershave … eine exotische Mischung aus Bergamotte, Zitrus und Sandelholz. Berauschend.

Eine Hand an ihrem Rücken, die andere auf ihrem Po, presste er sie fest an sich. So eng, dass sie seinen Herzschlag fühlen konnte, hart und kräftig, ein Rhythmus, der ihrem eigenen Pulsschlag ähnelte.

Wenn Leute davon sprachen, beim Küssen die Sterne zu sehen, dann hatte Lily es immer als übertrieben abgetan. Jetzt jedoch wusste sie genau, was es hieß. So etwas hatte sie noch nie erlebt, als würde ein strahlendes Feuerwerk in ihrem Kopf explodieren.

Als sie sich schließlich langsam voneinander lösten, bebte sie noch immer vor Verlangen, jeder Nerv in ihr vibrierte. Und das Beben wurde noch stärker, als er nun mit den Lippen ihren Hals entlangwanderte. Lily schmiegte sich dichter an ihn und spürte nun unverkennbar den Beweis seiner Erregung. Seine Hand glitt an ihrer Hüfte nach oben, und seine langen schlanken Finger umfassten ihre Brust. Als er mit dem Daumen die empfindsame Knospe unter ihrem Kleid reizte, wollten ihre Knie nachgeben. All ihre Sinne waren nur noch auf ihn ausgerichtet – seinen Duft, den Geschmack seiner Lippen, die Wärme, die er ausstrahlte. In diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als seine Haut auf ihrer zu spüren. Männlich und warm und unbeschreiblich sexy.

Und dann erstarrte er plötzlich. Lily öffnete die Augen, zog sich ein wenig zurück und sah ihn fragend an. Doch dann hörte sie es auch.

Das Klirren von Gläsern, Leute, die sich unterhielten …

Sie waren nicht mehr allein auf der Terrasse. Lilly war so völlig versunken in den Kuss gewesen, dass sie es gar nicht bemerkt hatte. Mit Sicherheit sah sie ebenso erhitzt aus wie er, mit wirrem Haar und leicht geschwollenen Lippen. Jeder würde sofort erkennen, was sie hier getan hatten.

Zum Glück standen sie nicht im direkten Sichtfeld. Irgendwie hatte er es während des Kusses geschafft, sie hinter eine große Palme zu manövrieren.

Fahrig zog Lily sich das Kleid glatt und richtete ihr Haar neu. Auch wenn sie sich hundertprozentig auf ihr Personal verlassen konnte … sie war hier, um zu arbeiten, um darauf zu achten, dass alles perfekt ablief. Stattdessen ließ sie sich von einem Fremden auf die Terrasse entführen und derart leidenschaftlich küssen, dass ihr Hören und Sehen verging. Sie hatte sich von der Leidenschaft verleiten lassen, anstatt auf ihre Vernunft zu hören, und damit gegen sämtliche Prinzipien verstoßen, die sie sich je gesetzt hatte.

Hatte sie denn nichts aus dem erbärmlichen Ende ihrer Ehe gelernt?

„Ich muss jetzt wirklich gehen“, flüsterte sie, damit die anderen auf der Terrasse sie nicht hören konnten.

„Noch nicht“, murmelte Karim ebenso leise und fuhr ihr mit dem Daumen über die Unterlippe. „Oder es wird für uns beide peinlich.“

„Aber wir haben doch gar nicht …“ Lily brach ab, als ihr bewusst wurde, welche Bilder ihrer stürmischen Leidenschaft ihr in den Kopf schossen, wären sie nicht unterbrochen worden. Bilder, wie er den Saum ihres Kleides anhob. Wie sie seine Fliege löste und sein Hemd öffnete. Wie er sie mit dem Rücken gegen die Wand drückte, ihre Beine um seine Hüften schlang und …

„Nicht“, warnte er rau. Sie konnte sehen, wie seine Pupillen sich verengten, und wusste, dass er an das Gleiche gedacht hatte.

Lily schluckte schwer. Was war los mit ihr? Noch nie, absolut niemals hatte sie sich von purer Lust mitreißen lassen. Seit vier Jahren war sie Single – und glücklich und zufrieden mit dieser Situation. Sie hatte nicht vor, sich wieder auf eine Beziehung einzulassen. Doch dieser Mann hatte eine Reaktion in ihr hervorgerufen wie kein anderer vor ihm.

Was absolut unfassbar war, da er ein vollkommen Fremder war.

So etwas durfte nicht passieren.

Sie konnte nur hoffen, dass die anderen bald in den Salon zurückkehrten. Je länger sie sich weiter hinter der Topfpalme versteckten, desto peinlicher würde es werden, wenn sie wieder hervorkamen.

Karim musste etwas Ähnliches gedacht haben, denn leise sagte er: „Diese Tür da ist der einzige Weg zurück ins Haus. Es sei denn, du bist Turnerin und kannst an der Regenrinne entlang nach unten hangeln.“

„Nein, leider nicht. Ich habe auch kein Training bei James Bond absolviert, sonst würde ich irgendwo ein Kabel herzaubern, an dem wir uns auf die untere Etage abseilen und dann über die Hintertreppe entkommen könnten.“

„Großartige Idee.“ Er tippte auf seine Armbanduhr. „Nein, geht auch nicht. Es ist nur eine einfache Armbanduhr.“

Sein amüsiertes Grinsen war das Erotischste, was Lily je gesehen hatte. Fast hätte sie ihn wieder an sich gezogen. Aber nur fast.

„Sieht aus, als bliebe uns nichts anderes, als abzuwarten“, sagte sie leise.

Das Warten wurde immer anstrengender. Lily wagte es nicht, ihm in die Augen zu schauen, da er sonst sofort sehen könnte, wie sehr sie ihn erneut küssen wollte.

Endlich entfernten sich die Stimmen, und das leise Klicken des Türschlosses drang zu ihnen.

Sie waren wieder allein. Das beklemmende Gefühl hätte sich jetzt legen müssen. Stattdessen erhöhte es sich noch.

„Nur, um das klarzustellen“, hob Lily an. „So etwas tue ich normalerweise nicht.“

Karim lächelte schief. „Eigentlich hatte ich mich nur vorstellen und dich zum Dinner einladen wollen.“

Das „Aber“ hing deutlich hörbar in der Luft.

Es war eine augenblickliche beiderseitige Anziehungskraft gewesen, gegen die sie beide keine Chance gehabt hatten.

Aber was war, wenn in der Zwischenzeit Probleme aufgetaucht waren? Was, wenn jemand nach ihr gesucht hatte? Sie nicht gefunden hatte, in Panik ausgebrochen war …?

Lily konnte sich solche Eskapaden einfach nicht leisten!

„Ich muss jetzt wirklich gehen“, betonte sie erneut.

Er nahm einen Stift und schrieb eine Telefonnummer auf seine Visitenkarte. „Ruf mich an.“ Er reichte ihr die Karte.

Es war keine Bitte, sondern eine Anordnung. Karim war mit Sicherheit ein Mann, der es gewohnt war, dass die Leute taten, was er ihnen sagte. Aber diese Verbindung zwischen ihnen, und die Art, wie er sie geküsst hatte … so etwas war nicht alltäglich.

Lily hatte das Gefühl, dass es ihn ebenso erschüttert hatte wie sie. Und obwohl die Vernunft ihr sagte, dass es nur eine schlechte Idee sein konnte, weil Beziehungen meist Probleme mit sich brachten, schien ihr Herz andere Vorstellungen zu haben. „Ich rufe dich an“, hörte sie sich sagen.

Sanft umfasste er ihr Kinn. „Geh jetzt. Ich warte noch ein paar Minuten. Falls Felicity sich bei dir beschwert, schicke mir eine SMS. Dann werde ich mit ihr reden.“

Und sie mit deinem Charme beschwichtigen, dachte Lily. Nicht, dass sie sich aus der Verantwortung stehlen würde. Wenn es Schwierigkeiten geben sollte, würde sie sich selbst darum kümmern. Doch sie wusste, er meinte es nur gut, also lächelte sie höflich. „Danke.“

Als könne er nicht anders, strich er noch einmal mit den Lippen über ihre. „Später.“

Und sein Versprechen jagte eine weitere Welle des Verlangens durch sie hindurch.

2. KAPITEL

„Lily! Gott sei Dank!“, stieß Beatrice, ihre Chefkellnerin, erleichtert aus.

„Was …? Oh.“ Im gleichen Moment sah Lily auch schon, dass Hannah, ihre Assistentin, in der Hocke saß und eine matschige Masse aufwischte. Die Pawlowas, mit kleinen Sahnehäubchen und frischen Erdbeeren vor einer knappen Viertelstunde fingerfertig zurechtgemacht, lagen in einem unappetitlichen Haufen auf dem Küchenboden.

Das hieß, ihnen fehlte jetzt eine Dessertplatte.

Lily hatte glücklicherweise vorgesorgt und einige Baisers zuviel vorbereitet. „Hannah, kannst du mir schnell frische Sahne schlagen? Und Bea, spüle bitte die Platte gründlich ab.“ Erdbeeren waren nicht mehr genügend da, aber wenn sie Kiwis und ein wenig Zitronenaufstrich nahm …

„Es tut mir so leid, Lily …“ Hannah standen Tränen in den Augen. „Ich habe nicht aufgepasst, bin gestolpert und dann …“

„He, deswegen brauchst du nicht gleich in Tränen auszubrechen“, fiel Lilly ihr lächelnd ins Wort. „Das passiert eben manchmal.“

„Aber …“

„Ist schon in Ordnung, ehrlich.“ Lily wusste genau, weshalb Hannah so zerstreut war. Ihre Ehe näherte sich dem offiziellen Ende, und der Stress, die Schlammschlacht von deren vierjähriger Tochter fernzuhalten und gleichzeitig so normal wie möglich mit ihrem Leben weiterzumachen, schwappte nun in ihre Arbeit über. Lily hatte nicht vor, Hannah deswegen Vorwürfe zu machen. Als die Dinge mit Jeff damals so schrecklich schiefgelaufen waren, war Hannah auch für sie dagewesen, obwohl sie gerade ihre Tochter zur Welt gebracht hatte.

Jeff …

Eine Mahnung, warum sie die auf der Rückseite der Visitenkarte notierte Telefonnummer nicht anrufen sollte. Beziehungen brachten nichts als Ärger ein. Sie lenkten von Zielen ab und machten das Leben nur unnötig kompliziert. Vor allem, wenn man sich offensichtlich nicht auf sein Urteilsvermögen verlassen konnte und so schrecklich naiv war, dass man sich ausnutzen ließ. So wie Jeff es bei ihr gemacht hatte. Erst hatte er ihr Selbstbewusstsein und ihren Stolz vernichtet und dann ihr Bankkonto abgeräumt. Sicher, nicht alle Männer waren untreue, elende Mistkerle, aber Jeff hatte sie derart verletzt, dass ihr Misstrauen gegenüber Männern und Beziehungen extrem tief saß.

Energisch verdrängte Lily sowohl Jeff als auch den umwerfenden Fremden aus ihren Gedanken und konzentrierte sich darauf, eine neue Platte mit Pawlowas zu füllen. Dann schickte sie Hannah und Beatrice mit den kunstvoll arrangierten Platten hinaus.

Nur einige wenige Häppchen waren übrig, als sie wieder zurückkamen. Gut, Lily hatte also die richtige Menge eingeplant. Genug, dass Felicitys Gäste zufrieden waren, und nicht zu viel, um unnütz Essen zu verschwenden. Die Jahre, die es sie gekostet hatte, das Minus auf ihrem Konto auszugleichen, das Jeff hatte auflaufen lassen – um seine Geliebte auszuhalten –, hatten sie gelehrt, sparsam zu wirtschaften.

Zufrieden machte sie sich ans Aufräumen. Sie war fast fertig, als Felicity zu ihr in die Küche kam.

„Lily, Darling, das war traumhaft!“

„Danke.“ Lily hatte mit der Zeit auch gelernt, Komplimente freundlich anzunehmen, anstatt vehement zu bekräftigen, dass sie nur guter Durchschnitt sei. Falsche Bescheidenheit tat dem Geschäft nicht gut, die Kunden sollten sich sicher in dem Wissen fühlen, dass sie sich mit der Wahl für Amazing Tastes für das Beste entschieden hatten.

„Diese kleinen Pawlowas …“, fuhr Felicity hingerissen fort.

Lily lächelte. Sie wusste genau, was Felicity damit beabsichtigte. „Ich schicke Ihnen das Rezept. Wenn Ihnen der Blätterteig zu viel Arbeit ist, können Sie die Füllung auch ohne Teig in kleinen Schüsselchen servieren, zum Löffeln. Als Dekoration passen Schokobohnen obenauf und vielleicht ein oder zwei frische Minzblätter.“

Felicity lachte. „Genau deshalb bitte ich Sie jedes Mal, meine Partys auszurichten. Sie sind so geschickt mit den kleinen Extras.“

Lily blieb gerade lange genug für die kleine Plauderei, die von ihr erwartet wurde, sah anschließend zu, dass Felicitys Küche makellos sauber war, und setzte dann Hannah auf dem Nachhauseweg bei deren Wohnung ab. Während sie den Transporter auslud, wanderten ihre Gedanken zu Karim zurück. Und obwohl sie ihn ganz bestimmt nicht anrufen würde, zu dieser späten Stunde schon gar nicht, kramte sie in ihrer Handtasche nach seiner Visitenkarte.

Komischerweise war die Karte nicht in der kleinen Seitentasche, wohin sie normalerweise neue Visitenkarten steckte. Sie hatte sich angewöhnt, alles ordentlich zu sortieren. Das machte es einfacher.

Lily suchte ihre gesamte Handtasche ab, ohne die Karte zu finden, dabei war sie sich sicher, dass sie sie in die Tasche gesteckt hatte …

Für einen Moment hielt sie inne und dachte nach. Als sie in die Küche zurückgekehrt war, hatte sie sich als Erstes um die kleine Krise kümmern müssen. Wahrscheinlich hatte sie die Karte auf die Anrichte gelegt, um Hannah und Beatrice zunächst zu beruhigen und sich um die nächste Dessertplatte zu kümmern …

Das hieß, die Karte war beim Aufräumen mit im Abfall gelandet.

Mist, Mist, Mist!

Sie konnte ja schlecht Felicity anrufen und sie bitten, den Abfall zu durchwühlen. Oder auf der Gästeliste nach einem gewissen Karim zu suchen und ihr seine Telefonnummer zu verraten. Das wäre extrem unprofessionell. Und Lily war niemals, aber wirklich niemals, unprofessionell.

Nun, vielleicht manchmal, schränkte sie ein. Wie vorhin auf der Terrasse, als sie einen großen, dunkelhaarigen Fremden geküsst hatte. Und wer konnte wissen, was noch alles passiert wäre, hätte man sie nicht unterbrochen?

Aber offensichtlich war das nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Wahrscheinlich auch besser so. Karim mit seinen bernsteinfarbenen Augen hatte sie dazu gebracht, ihre eigenen Regeln zu brechen. Dass sie seine Karte verloren hatte, war ein Gefallen, den ihr das Schicksal getan hatte – es hatte sie vor sich selbst gerettet.

Karim arbeitete an einer Kalkulation, als das Telefon klingelte. Abwesend nahm er den Hörer ab und meldete sich.

„Hoheit, hier spricht Felicity Browne. Ich wollte mich bei Ihnen noch einmal für die wunderbaren Rosen bedanken.“

„Es war mir ein Vergnügen.“ Er hatte Rafiq, seinen Assistenten, mit dem Strauß und einer Dankeskarte hingeschickt. „Und nennen Sie mich doch bitte Karim.“ In England war es ihm lieber, wenn die Leute seinen Titel nicht nutzten. Man gab sich ihm gegenüber dann wesentlich entspannter.

„Karim“, wiederholte sie ehrfürchtig. „Wer schickt heutzutage schon noch Blumensträuße mit einer Dankeskarte? Das ist so eine nette Geste.“

Karim lächelte amüsiert. „Freut mich, dass sie Ihnen gefallen. Ich hätte Sie später sowieso noch angerufen.“ Heute Morgen hatte sich bei der Organisation seiner Präsentation ein Problem ergeben, und er hoffte, dass Felicity ihm bei der Lösung helfen konnte. „Das Essen gestern war hervorragend.“

„Vielen Dank, aber mir kommt eigentlich nur das Lob zu, dass ich das Menü ausgewählt habe. Und selbst dabei habe ich mich beraten lassen“, gestand sie mit einem kleinen Lachen.

„Von Ihrem Personal?“

„Leider nein. Es ist eine Catering-Firma, Amazing Tastes. Ich hatte Elizabeth Finch, die Eigentümerin, schon mehrere Male gebeten, fest für mich zu arbeiten, habe ihr geradezu horrende Gehaltsangebote gemacht, aber sie lässt sich von niemandem erweichen. Ich kann von Glück sagen, dass sie dieses Mal noch Platz für mich in ihrem Terminkalender gefunden hat. Sie ist immer auf Monate ausgebucht.“

„Ich bräuchte nämlich eine Köchin, für ein Geschäftsessen“, erklärte Karim. Eigentlich war schon alles arrangiert gewesen. Doch heute Morgen hatte Claire, seine Köchin, völlig aufgelöst angerufen. Sie müsse absagen, weil sie auf ihre Nichte aufpassen musste. Ihre Schwester habe ganz und gar unerwartet jetzt schon ihr zweites Kind auf die Welt gebracht – zwei Monate zu früh –, deswegen würde sie länger bleiben müssen. Karim hatte zwar vollstes Verständnis für Claires Situation, nur steckte er damit jetzt in der Klemme. „Ich wollte sie bitten, mir vielleicht die Kontaktadresse Ihres Caterers zu geben.“

„Aber natürlich. Nur, wie gesagt, sie ist immer voll ausgebucht. Ich hole nur schnell mein Adressbuch.“ Nach einer kurzen Pause kehrte Felicity wieder ans Telefon zurück und gab Karim Namen und Adresse durch.

Karim schrieb alles mit. „Vielen Dank, Felicity.“

„Gern geschehen. Und nochmals danke für die Blumen.“

Die Firma lag in Islington. Eine gehobene Gegend. Das hieß, die Preise für den Service wären entsprechend. Nun, Geld war nicht das Problem. Er brauchte Qualität, und von der hatte er sich gestern Abend selbst überzeugen können.

Jetzt sah er auf die Uhr. Um vier Uhr nachmittags wäre ein gefragter Caterer wahrscheinlich mitten in den Vorbereitungen für eine Veranstaltung am Abend. Also nicht die beste Zeit, um Buchungen entgegenzunehmen. Morgen früh um neun würde er direkt hingehen. Persönlich erreichte man immer mehr als mit einem Anruf.

Wieder sah er auf die Uhr. In zwei Stunden begann die Gartenparty, zu der er eingeladen war. Renée, eine der Schönheiten, mit denen er in letzter Zeit öfter ausgegangen war, würde auch kommen. Das Wetter war prächtig, und der betreffende Garten verfügte über ein paar ruhige, abgeschiedene Ecken … Es könnte durchaus ein sehr angenehmer Nachmittag werden.

Seltsam nur, dass es nicht Renées Gesicht war, das er vor sich sah, als er sich vorstellte, wie er eine Frau im Pavillon küsste. Sondern Lilys.

Karim schüttelte kaum merklich den Kopf. Erstens war es unwahrscheinlich, dass sie unter den Gästen war, und zweitens, wenn er es sich genau überlegte, wäre es viel zu kompliziert mit ihr. Lily hatte etwas Ernsthaftes an sich gehabt, und er war nicht in der Position, irgendetwas Ernsthaftes anzubieten.

In weniger als einem Jahr würde er wieder zurück in Harrat Salma sein. Seine Eltern würden eine Heirat für ihn arrangieren, so wie auch ihre Heirat arrangiert worden war. Es waren seine letzten Monate in Freiheit. Monate, in denen er sich mit Frauen verabredete, die wussten, dass sie von ihm nichts zu erwarten hatten.

Nein, er würde alles so lassen, wie es war.

Am nächsten Morgen saß Lily in ihrer Küche mit einer Tasse Kaffee und war gerade mit der Menüplanung für die nächste Woche beschäftigt, als es an ihrer Tür klingelte. Zu früh für den Postboten. Sie erwartete auch weder eine Lieferung noch Besucher.

Als sie öffnete, blieb sie wie erstarrt stehen.

Karim war wirklich der Letzte, mit dem sie gerechnet hätte. Sie hatte ihm doch nur ihren Vornamen gesagt. Und selbst das war eigentlich nur ein Spitzname. Wie war es dann möglich …?

„Lily?“ Er sah genauso überrascht aus, wie sie sich fühlte. „Du arbeitest für Elizabeth Finch?“

„Nein. Ich bin Elizabeth Finch.“

Irritiert runzelte er die Stirn. „Du hast gesagt, du heißt Lily.“

„Richtig.“

Jetzt blickte er mehr als skeptisch drein.

„Als ich klein war, konnte ich Elizabeth nicht aussprechen.“ Sie zuckte mit einer Schulter. „Also habe ich immer Lily gesagt. Es ist an mir hängengeblieben. Für die Arbeit nutze ich natürlich meinen vollen Namen.“

„Ich verstehe …“ Er nickte leicht. „Ich war von dem Essen beeindruckt, deshalb habe ich Felicity Browne um die Adresse der Catering-Firma gebeten.“

Es handelte sich also um einen geschäftlichen Besuch. Das vereinfachte die Situation, damit konnte sie umgehen. Und wenn er Kunde wurde, wäre das ein guter Grund, sich nicht von ihren Gefühlen leiten zu lassen, denn Beziehungen und Geschäft waren nicht vereinbar.

„Komm herein.“ Sie schloss die Tür hinter ihm und führte ihn in die Küche. „Möchtest du einen Kaffee?“

„Sehr gern.“

„Setz dich doch.“

Karim nahm auf einem der gemütlichen Sofas Platz, die in einer Ecke der geräumigen offenen Küche standen. Während Lily eine Tasse für ihn einschenkte, sah er sich interessiert um. Diese Küche war eindeutig eine professionelle Küche – modernste Geräte, viel Holz, kombiniert mit Granitarbeitsplatten und einer Arbeitsinsel in der Mitte. Alles blitzblank und ordentlich, bis hin zu den unzähligen Kochbüchern im Regal, und es duftete fantastisch – zwei frisch gebackene Kuchen standen zum Auskühlen auf einem großen Metallrost.

Lily selbst war lässig gekleidet – Jeans und enges Trägertop –, und sah darin unglaublich sexy aus. Er erinnerte sich nur zu gut, wie sich ihre Haut anfühlte, erinnerte sich an ihren frischen Duft, als er sie vorgestern Abend auf der Terrasse geküsst hatte. Und sein Körper reagierte prompt.

Das war nicht gut.

Hier drehte es sich um etwas Geschäftliches. Geschäft und Vergnügen zu vermischen war niemals eine gute Idee. Er musste sich schleunigst zusammennehmen, anstatt sich vorzustellen, wie er den Finger unter den dünnen Träger schob, ihn beiseite zog und ihre nackte Schulter küsste.

„Hübsche Küche“, hob er an, als sie ihm den dampfenden Kaffee reichte.

„Sie passt zu mir“, erwiderte sie schlicht.

Und sie passt in diese Küche, dachte er.

„Also, was wolltest du mit mir besprechen?“, fragte sie sachlich.

„Wie ich schon sagte, ich war beeindruckt von dem Essen bei Felicity. Ich werde demnächst eine Reihe von Geschäftstreffen abhalten und brauche einen Party-Service.“

„Und du willst m… und da fragst du mich?“, verbesserte sie sich hastig.

Dieser kleine Versprecher verriet ihm, dass sie an das Gleiche dachte wie er. „Ja“, erwiderte er zweideutig.

„Kommt darauf an, wann. Für die nächsten drei Monate bin ich ausgebucht.“

„Die Veranstaltungen finden Ende dieses Monats statt.“

Lily schüttelte bestimmt den Kopf. „Tut mir leid, aber dann ist es nicht möglich.“

„Du arbeitest jeden einzelnen Tag in den nächsten drei Monaten?“ Und ihn nannte man einen Workaholic!

„Alle meine Arbeitstage sind bereits gebucht“, verbesserte sie sich.

„Also arbeitest du nicht jeden Tag?“, hakte Karim nach.

„Doch“, bekräftigte sie. „Nur koche ich nicht jeden Tag. Ich entwickle neue Rezepte, zweimal im Monat schreibe ich eine Kolumne für die Sonntagszeitung und einmal monatlich für eine Zeitschrift.“

Neugierig deutete er auf die köstlich duftenden Kuchen: „Sind die da neu entwickelt?“

„Willst du dich als Testperson anbieten?“

Er lächelte. „Nur zu gern.“

Schmunzelnd schnitt sie den Kuchen an und reichte ihm ein Stück. „Du weißt, dass es sich hier um einen Versuch handelt. Möglich, dass es nicht so schmeckt, wie es sollte.“

Karim nahm das Stück Schokoladenkuchen, biss genüsslich ab und ließ es sich auf der Zunge zergehen. „Also, mir schmeckt er.“ An ihrer Miene konnte er erkennen, dass das als Urteil wohl nicht reichen würde, also fügte er hinzu: „Der Duft ist verlockend und die Menge Schokolade gerade richtig, um nicht zu mächtig zu sein.“

Lily probierte selbst und schüttelte den Kopf. „Die Konsistenz stimmt noch nicht. Ich werde mehr Mehl nehmen müssen.“ Sie kritzelte etwas auf einen Block.

„Notizen?“

Sie nickte. „Für den nächsten Versuch.“

„Um wieder zum Thema zurückzukommen … wie viele Tage pro Woche kochst du also nicht?“

„Drei. Aber die nutze ich als Experimentiertage. Um die neuen Rezepte auszuprobieren. Und um die einzelnen Schritte fotografisch zu dokumentieren. Und für den Papierkram.“

„Aber diese Tage könntest du theoretisch anders verplanen?“, beharrte er.

„Theoretisch. In der Praxis ist das jedoch nicht machbar. Wenn ich es für einen Kunden tue, dann kommen die anderen gleich nach. Ich habe nicht vor, achtzehn Stunden am Tag zu arbeiten. Ich brauche auch Zeit für mich, um den Akku wieder aufzufüllen. Nur so bleibe ich kreativ.“

Er versuchte es anders. „Du hast doch Leute, die für dich arbeiten, oder?“

„Stundenweise, ja.“

„Und du arbeitest schon lange mit ihnen zusammen.“

„Woher weißt du das?“, fragte sie überrascht.

„Weil bei Felicitys Party alles so reibungslos verlaufen ist. Eine so perfekte Teamarbeit kommt nur mit der Erfahrung, wenn jeder weiß, dass er sich auf den anderen verlassen kann. Kochen deine Angestellten auch?“

„Manche.“ Fragend runzelte sie die Stirn. „Warum?“

„Vielleicht könntest du ja mehr delegieren. Damit würdest du dein Geschäft auch ausweiten können, ohne auf deine Experimentiertage verzichten zu müssen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Auf gar keinen Fall. Meine Kunden erwarten persönlichen Einsatz von mir, und genau den bekommen sie auch. Tut mir leid, aber ich bin voll ausgelastet, Karim. Das Einzige, was ich tun kann, ist, dir ein paar Empfehlungen zu geben. Sie sind alle gut – sonst würde ich sie nicht empfehlen.“

Das wäre das Vernünftigste: Ihr für die Namen danken und jeden Einzelnen anrufen, bis er irgendjemanden gefunden hatte.

Das Problem war, er wollte nicht einfach nur „irgendjemanden“. Er wollte Lily. Und er war nun mal daran gewöhnt zu bekommen, was er wollte. „Danke, aber nein. Ich will nur Elizabeth Finch. Ob einer deiner Kunden bereit wäre, umzubuchen?“

„Nein. Und schlage jetzt bloß nicht vor, ich solle mich krank melden. Ich belüge meine Kunden nie.“

„Das ist gut, du besitzt Integrität. Das respektiere ich.“ Er machte eine Pause. „Ich verdopple dein übliches Honorar.“

„Nein.“

„Das reicht dir nicht?“ Karim zuckte mit den Schultern. „Auch gut. Sparen wir uns die Zeit. Wie viel, Lily?“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Du glaubst wirklich, man kann alles kaufen?“

„Alles hat seinen Preis.“

Sie schnaubte verächtlich. „Du musst ein wahrhaft trauriges Leben führen.“

Er lachte. „Im Gegenteil. Aber es ist die normale Geschäftstaktik. Angebot und Nachfrage, einer bietet an, der andere kauft. Über den Preis lässt sich verhandeln.“

„Menschen kannst du nicht kaufen, Karim.“

„Das ist mir klar. Ich will ja auch nicht dich kaufen.“ Er wartete gerade lange genug, damit ihr Gesicht vollständig rot anlaufen konnte. „Ich suche immer nach dem Besten. Deshalb bitte ich dich, für ein paar meiner Geschäftstreffen, von deren Gelingen enorm viel abhängt, die Verpflegung zu übernehmen.“

„Ich fühle mich geschmeichelt, dass deine Wahl auf mich gefallen ist, aber wie ich bereits sagte … ich bin ausgebucht. Ich fürchte, ich kann leider nichts für dich tun.“

„Erstens: Hartnäckigkeit ist unerlässlich im Geschäft. Und zweitens: Es gibt immer eine Lösung“, insistierte er unbeirrt.

„Hat dir eigentlich noch nie jemand etwas abgeschlagen?“

Über die Antwort brauchte er nicht einmal nachzudenken. „Letztendlich bekomme ich immer, was ich will.“

„In diesem Falle wohl nicht, fürchte ich. Es sei denn, du kannst bis zum nächsten freien Termin warten. Der ist in drei Monaten.“

„So lange kann ich nicht warten. Die Meetings lassen sich nicht aufschieben.“

„Dann tut es mir leid.“ Sie schrieb wieder auf den Block, riss das Blatt ab und reichte es ihm. „Hier. Das sind die Veranstalter, die ich empfehlen kann – und ich bin wählerisch.“

„Ich auch.“ Er trank seine Tasse leer. „Danke für den Kaffee. Und den Kuchen.“

„Keine Ursache.“

Sie war nur höflich, das wusste er. Er wusste auch, dass sie nur noch mehr auf Distanz ginge, sollte er jetzt dem Drang nachgeben, sie in seine Arme zu ziehen und zu küssen. Sehr wahrscheinlich würde sie sich zwar nicht gegen ihn wehren, wäre hinterher aber umso wütender auf sich für ihr unprofessionelles Verhalten. Er wollte, dass sie aus freien Stücken zu ihm kam.

„Falls du es dir noch einmal überlegen solltest …“, er würde schon dafür sorgen, dass sie es sich überlegte! „… sag mir Bescheid. Meine Karte hast du ja.“

„Um ehrlich zu sein, ich habe sie verloren.“

Skeptisch zog er eine Augenbraue in die Höhe und sah sie an. Hatte sie die Karte tatsächlich verloren oder nicht vielleicht eher zerrissen, aus Wut über sich und ihre fehlende Selbstdisziplin? Unter dieser kühlen Oberfläche brodelte Leidenschaft, das wusste er. Dort auf Felicitys Terrasse hatte sie so stark auf ihn reagiert, dass sie beide vergessen hatten, wo sie waren.

Er nahm eine andere Karte aus einem silbernen Halter, schrieb seine Privatnummer auf die Rückseite und gab sie Lily. „Der Ersatz für die, die du … verloren hast.“

Sie zuckte mit keiner Wimper, ging zu ihrem Adresskarteikasten und kam mit ihrer eigenen Visitenkarte zurück. „Falls du deine Termine doch noch ändern solltest. Nur denk dran, dass ich erst in drei Monaten wieder Zeit habe.“

„Die Leute planen ihre Partys so weit im Voraus?“

„Hochzeiten, Taufen, Jubiläen … Ich hinterfrage nicht, wie meine Kunden ihr gesellschaftliches Leben führen. Ich bespreche ihre Vorstellungen mit ihnen und liefere, mehr nicht.“

„Also richtest du auch Dinnerpartys aus?“

„Donnerstags und sonntags“, bejahte sie.

„Und wenn einer deiner Stammkunden eine Dinnerparty am Montag, Dienstag oder Mittwoch plant? Oder einfach spontan eine Party geben will?“

„Meine Kunden wissen, wann ich für sie koche und wann nicht. Jeder Mensch braucht auch Freizeit.“

„Stimmt.“ In seinem Kopf begann sich bereits eine Idee zu formen. „Nun, es war nett, dich wiederzusehen, Lily.“

„Ja, ebenfalls.“

Eine Sekunde lang spielte er mit dem Gedanken, sie auf die Wange zu küssen. Doch dabei würde es wohl kaum bleiben. Erst musste das Geschäftliche geklärt werden, bevor sie sich zu anderen Dingen verleiten lassen konnten.

Ein Handkuss wäre zu affektiert gewesen, also beließ er es bei einem festen Händedruck. „Danke für deine Zeit.“

Selbst etwas so Unpersönliches wie ein Händedruck ließ seine Haut brennen. Und ihrer Miene nach zu urteilen – die strenge Maske, die sie abrupt aufsetzte – war es für sie ebenso.

Es war noch nicht vorbei.

Noch lange nicht.

3. KAPITEL

„Mein Freund, du bist einfach nur sauer. Zum ersten Mal im Leben hast du einen Korb bekommen“, meinte Luke mit einem breiten Grinsen.

„Ich bin nicht sauer“, bestritt Karim.

„Du bist abgelenkt und zerstreut. Sonst hättest du mir ein besseres Spiel geboten.“

Das wiederum konnte Karim nicht bestreiten. Der Montagabend war für ihre Squashrunde reserviert, und normalerweise war der Endspielstand immer sehr knapp. Heute hatte er wirklich jämmerlich verloren. Aber einem musste er widersprechen. „Sie hat mir gar keinen Korb gegeben.“

Luke hob eine Augenbraue. „Sagtest du nicht, sie sei zu beschäftigt, um deine Geschäftstreffen auszurichten?“

„Ja, tritt ruhig noch nach, wenn ich schon am Boden liege! Wie auch immer … sie wird ihre Meinung noch ändern.“ Dafür würde er schon sorgen.

„Vielleicht kann ich behilflich sein“, bot Luke an. „Cathy hat ein paar tolle Ideen, um das Bistro hier auf Vordermann zu bringen. Wenn du sie nett bittest, wird sie sicher auch ein paar Menüs für dich zusammenstellen. Sie könnte dafür die Küche hier nutzen. Wenn es dir aus der Klemme hilft …“

„Du erlaubst mir, dein Personal abzuziehen?“, fragte Karim erstaunt. Luke hatte den Sportclub vor drei Monaten gekauft und unternahm sämtliche Anstrengungen, um das volle Potenzial herauszuholen – Fitnesscenter, Wellnessoase und Delikatessenbistro.

„Eine Leihgabe auf Zeit“, korrigierte Luke. „Um dir zu helfen.“

„Aber dafür erwartest du sicher etwas zurück?“

„He, ein solcher Hai bin ich nun auch wieder nicht. Ich würde auch nicht jedem ein solches Angebot machen.“ Es zuckte um seine Mundwinkel. „Schließlich habe ich dich gerade besiegt, und außerdem bist du mein bester Freund. Im Moment habe ich echtes Mitleid mit dir, du solltest dir also meine Gutmütigkeit zunutze machen.“

Karim lachte. „Warte nur bis nächsten Montag, dann gibt’s Revanche.“

„Da träumst du nur von“, frotzelte Luke zurück.

Nach der Dusche saßen die beiden Männer noch an der Bar.

„Du grübelst ja immer noch“, bemerkte Luke.

Karim versuchte abzulenken. „Ich schmolle, weil ich haushoch verloren habe. Zum ersten Mal seit Monaten.“

„Wem willst du das weismachen? Über etwas so Unwichtiges regst du dich nicht auf.“ Luke hielt inne. „Sie muss wirklich etwas Besonderes sein.“

„Wer?“

„Die Frau, über die du nachgrübelst. Lass mich raten. Groß, blond, pralle Kurven … und sie liiiiebt Partys.“

Karim grinste. „Das ist dein Typ, nicht meiner.“

Luke grinste zurück. „Du täuschst dich. Ich stehe auf Brünette. Vorzugsweise die, die nicht gleich nach der dritten Verabredung die Hochzeitsglocken läuten hören.“ Um jedes Risiko von vornherein auszuschließen, hatte Luke es sich zur Regel gemacht, nie eine vierte Einladung auszusprechen.

„Um genau zu sein, sie ist überhaupt nicht mein Typ“, entgegnete Karim nachdenklich. „Eher klein, mittelbraunes Haar und arbeitet hart.“

Luke blinzelte. „Du machst Witze.“

„Ich wünschte, es wäre so. Wäre sie ein Partygirl, wüsste ich, wie ich sie überzeugen könnte. Aber Lily …“, Karim stieß die Luft durch die Zähne. „Sie ist anders.“

„Und du willst sie anheuern, damit sie für deine Meetings das Catering übernimmt?“ Luke krauste die Nase. „Geschäft und Vergnügen lassen sich nicht kombinieren. Das gibt nur Ärger.“

„Möglich.“

„Definitiv. Du wärst dann praktisch ihr Boss. Das ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.“

„Sie ist ihr eigener Boss. Faktisch gesehen, bin ich ihr Kunde.“

„Das kommt aufs Gleiche heraus“, beharrte Luke. „Lass die Finger davon, Karim. Schön, du hast Interesse an ihr. Aber bei deinen Meetings steht viel auf dem Spiel. Du ärgerst dich schwarz, wenn das schiefgeht für – sagen wir – ein halbes Dutzend Verabredungen. Dann bist du entweder gelangweilt, oder sie klammert so sehr, dass du dich zurückziehst.“

„Bei den Meetings wird nichts schiefgehen.“

„Wenn du mit einem anderen Teil deines Körpers denkst als mit dem Kopf, schon“, warnte Luke. Er trank sein Bier aus. „Überleg dir mein Angebot. Wenn du willst, rede ich mit Cathy.“

„Danke. Ich weiß das zu schätzen.“

Verständnis lag auf einmal in Lukes Blick. „Es muss schwierig sein, die Erwartungen der Eltern zu erfüllen.“

Nicht so schwierig, wie überhaupt keine Familie zu haben. Doch Karim sprach es nicht aus, er kannte den wunden Punkt seines Freundes. „Ich bin in dem Wissen aufgewachsen, dass ich eines Tages meinen Teil zum Familienbetrieb beitragen muss.“ Nur hatte er nicht damit gerechnet, dass er nicht nur einen Teil beitragen, sondern komplett übernehmen musste.

Mit dem Tod seines Bruders vor fünf Jahren hatte sich alles geändert. Also hatte er das einzig Richtige getan. Er hatte sein Studium aufgegeben und war nach Hause zurückgekehrt, als nächster Erbe des Throns.

Eine Pflicht, mit der er sich noch immer nicht so recht angefreundet hatte. Seinen Eltern würde er das natürlich nicht sagen, und niemals würde er sein Land im Stich lassen. Dennoch, das Studium fehlte ihm, ganz gleich, ob er nun feierte oder arbeitete.

Karim leerte sein Glas. „Ich habe heute genug gefaulenzt. Ich gehe nach Hause.“

„Etwa um zu arbeiten?“

Lachend stand er auf. „Das sagt ausgerechnet der Mann, der jetzt genau das Gleiche tun wird.“

Sie mochten aus zwei völlig verschiedenen Welten stammen, aber Karim und Luke hatten eine sehr ähnliche Einstellung zum Leben. Sie hatten sich gleich am ersten Tag an der Uni kennengelernt, und über die Jahre war aus der Bekanntschaft eine enge Freundschaft geworden. Luke war der Bruder, den Karim nicht mehr hatte. Luke war auch der einzige Mensch, dem Karim von Lily erzählen würde. Rein vom Verstand her musste Karim dem Freund recht geben – Vergnügen und Arbeit vermischte man besser nicht. Doch er konnte nicht aufhören, an Lily zu denken.

Auf dem Nachhauseweg nahm sein Plan mehr und mehr Gestalt an. Geld war schließlich nicht ausschlaggebend für Lily, sondern Zeit war hier der Hauptfaktor.

Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit, sie zu überzeugen …

Um Punkt neun Uhr am nächsten Morgen stand Karim vor Lilys Haustür.

Lily zog die Tür auf und starrte ihn für einen Moment stumm an. Nach einer Weile holte sie schließlich tief Luft.

„Guten Morgen, Lily.“

„Was willst du hier?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn.

„Ich bin dein neuer Lehrling.“

Sie schüttelte den Kopf. „Davon abgesehen, dass ich genügend Personal habe … du kannst nicht mein Lehrling sein. Du hast weder die benötigten Gesundheitsatteste noch irgendwelche Erfahrung im Catering.“

„Woher willst du das wissen?“, forderte er sie heraus.

„Ich habe dich im Internet gesucht und gefunden.“ Sie hielt bedeutungsvoll inne. „Euer Hoheit.“

Nun, er hatte schließlich auch nach ihr im Netz gesucht. Aber sie hatte ihre eigene offizielle Webseite. Auch in den Klatschseiten hatte er nachgesehen, aber in den letzten vier Jahren wurde nirgendwo ein männlicher Name mit ihr in Verbindung gebracht. Wahrscheinlich war sie all die Zeit zu beschäftigt gewesen, ihr Geschäft aufzubauen. Umso besser.

„Ist das ein Problem für dich?“

„Solltest du jetzt erwarten, dass ich meine Kunden versetze, nur weil du einen Titel trägst, muss ich dich enttäuschen … Euer Hoheit.“

Es freute ihn, dass sie Prinzipien hatte und sich auch daran hielt. „Mein Titel ist unwichtig. Für dich bin ich Karim.“

„Scheich Karim al-Hassan aus Harrat Salma“, verbesserte sie betont. „Du bist ein Prinz. Dein Vater regiert über ein Land.“

„Dieser Titel gefällt dir nicht, nicht wahr?“

„Nicht unbedingt.“ Lily zuckte unbeteiligt mit einer Schulter. „Ich kenne viele Leute, die einen Titel tragen.“

Und sie arbeitete für sie. Aber das wusste er ja bereits. Es gefiel ihm, dass sie diskret genug war und keine Namen anführte. „Also, was stört dich dann?“

Du. Sie hatte Erfahrung im Umgang mit den Reichen und Berühmten. Es war nicht der Titel, es war der Mann, der sie störte. Wie ihr Körper auf den Mann reagierte, störte sie. Wie er sie praktisch mit einem schlichten Lächeln umhauen konnte, störte sie. „Nichts“, behauptete sie jedoch.

„Fein. Dann bin ich also ab jetzt dein neuer Lehrling.“

„Du kannst nicht mit Essen hantieren, wenn du die Atteste nicht hast“, führte sie erneut an.

„Ich kann Besorgungen machen. Kaffee kochen. Abspülen und aufräumen.“ Er lächelte und zeigte eine Reihe perfekter weißer Zähne. Sexy Zähne in einem sexy Mund.

Himmel, wenn sie nur daran dachte, was dieser Mund alles mit ihr angestellt hatte, fingen ihre Knie schon wieder an zu zittern.

„Ich könnte dir auch Lunch zubereiten.“

„Soll das heißen, du kannst kochen?“

Er lachte. „Ein Sandwich zubereiten würde ich nicht gerade kochen nennen. Aber wenn du herausfinden willst, ob ich kochen kann, wirst du wohl mit mir zu Abend essen müssen – ich koche.“

Der Mann hatte Selbstbewusstsein. Die meisten würden sich kaum wagen, einen professionellen Koch zu verköstigen, aus Angst vor Kritik. Allerdings ahnte Lily, dass Karim al-Hassan in allem, was er tat, gut sein würde.

Im Küssen war er jedenfalls unschlagbar.

Hastig verdrängte sie den Gedanken. Er würde sie nicht noch einmal küssen! „Das ist wirklich nett, aber ich fürchte, ich habe keine Zeit.“

„Heute ist Dienstag. Du kochst heute Abend nicht.“

„Aber ich habe andere Dinge zu erledigen. Meine Firma ist ein Betrieb wie jeder andere, da sind Bücher zu führen und Geschäftspläne aufzustellen.“

„Na schön. Nächsten Montag dann. Ich koche abends für dich.“

Das hörte sich verdächtig nach einer Verabredung an. Und sie verabredete sich nun mal nicht.

„Wir könnten uns auch zum Lunch verabreden, wenn du dich dann sicherer fühlst“, schlug er vor.

„Ich habe keine Angst vor dir.“ Das stimmte. Sie hatte Angst vor sich selbst. Weil sie noch nie so gefühlt hatte. Nicht einmal bei Jeff. Und bei Jeff hatte sie völlig den Kopf verloren.

Sowie ihr Haus, ihr Geschäft, ihr Selbstbewusstsein und ihr Herz. Einen solch kapitalen Fehler wiederholte man nicht.

„Also Lunch am Montag.“ Das war wieder eine Anordnung, keine Frage.

Der vernünftige Teil in ihr sagte Nein. Aber die Frau, die geküsst worden war, wollte mehr erfahren. Der Mann war ein Perfektionist. Kochte er so gut, wie er küsste? Und war er in der Liebe so gut, wie er kochte?

Noch während sie abwägte, formte ihr Mund wie von allein die Antwort. „Lunch wäre nett, ja.“

„Abgemacht. Bis dahin fungiere ich als dein Lehrling.“

„Danke, aber ich brauche wirklich keinen Lehrling.“

„Du musst mich auch nicht bezahlen, wenn es das ist, was dir Kopfzerbrechen bereitet. Ich stelle dir meine Zeit umsonst zur Verfügung.“

Lily kniff die Augen zusammen. „Falls das ein Versuch sein soll, mich dazu zu bringen, meine Meinung zu ändern und doch bei deinen Geschäftstreffen das Catering zu übernehmen …“

Er hob abwehrend die Hände. „Ich will dich nicht kaufen, Lily. Zeit ist wertvoller als Geld. Aber wenn ich meine Zeit opfern kann, um dir zu helfen, könntest du vielleicht wenigstens versuchen, etwas von deiner Zeit zu erübrigen.“

Nichts war umsonst – auch seine Hilfe nicht. Aber zumindest war er ehrlich.

Er drängelte sich nicht vor oder versuchte mit Geld sie dazu zu bewegen, für ihn zu arbeiten. Nein, er bat sie im Gegenzug zu seiner Hilfe, etwas von ihrer freien Zeit für ihn zu investieren. Offensichtlich erkannte an, dass ihre Zeit wertvoll war, und er bot ihr etwas an, das auch für ihn wertvoller war als Geld.

Sie musste verrückt sein, dass sie überhaupt darauf einging. Dennoch trat sie von der Tür zurück. „Komm herein.“

Karim lächelte, als er ihr in die Küche folgte. „Also, Chef, wie trinkst du deinen Kaffee?“

„Milch, kein Zucker. Und ich bin nicht dein Chef.“

„Ich habe kein Problem damit, Anweisung auszuführen.“

Er machte sich lustig. Dieser Mann nahm keine Anweisungen an, er verteilte sie. Lily musste diesen Gedanken wohl laut ausgesprochen haben, denn er lachte amüsiert auf.

Habibti, ich bin sogar gut darin, Anweisungen auszuführen. Sag mir, was ich tun soll.“

Er redete nicht über Kaffee, das wusste sie, denn es lag ein wölfisches Funkeln in seinen Augen. Es wäre ihm ein Vergnügen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen – und es wäre sicher auch zu ihrem Vergnügen.

„Kaffee“, brachte sie heraus, bevor sie irgendetwas sagte, das sie bereuen würde.

Feigling. Das stand eindeutig in seinem Blick zu lesen. Er wusste genau, was ihr durch den Kopf gegangen war.

„Gut. Du machst weiter mit dem, was du vorhattest, und ich sorge für den Kaffee.“

Lily setzte sich an die Arbeitsinsel in der Mitte der Küche. Sie hatte heute Morgen mit ihrer Kolumne über Sommergerichte und Salate angefangen, aber wie sollte sie sich konzentrieren, wenn dieser Mann mit im Raum war? Sie spürte jede seiner Bewegungen, auch wenn sie nicht zu ihm hinüberschaute.

Mindestens ein Dutzend Mal tippte sie dieselben drei Worte in ihren Laptop ein und löschte sie wieder.

So funktionierte das nicht. Er machte sie nervös. Jetzt suchte er in ihren Schränken nach Geschirr, aber sie biss sich auf die Zunge, um ihm nicht behilflich zu sein. Denn dann würde er ja wissen, dass sie ihn beobachtete, anstatt zu arbeiten.

Lily zwang sich, wieder auf den Bildschirm zu starren. Wenige Augenblicke später wurde ein Becher Kaffee und ein Dessertteller neben sie gestellt, mit einer kleinen goldenen Schachtel darauf.

Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus, aber schnell rief sie sich wieder zur Vernunft. Selbst wenn er ein Scheich war und endlos reich, er würde sie sicher nicht grundlos mit Juwelen überhäufen.

Außerdem erkannte sie jetzt den Namenszug auf der Schachtel. Sie stammte von einem sündhaft teuren und exklusiven Chocolatier.

Karims Augen blitzten amüsiert auf, als hätte er den verrückten Gedankengang erraten, der ihr durch den Kopf geschossen war. „Ich wusste nicht, ob du weiße, helle oder dunkle Schokolade vorziehst.“

Lily öffnete den Deckel. Zwei Pralinen von je einer Sorte waren behutsam in der Schachtel verstaut. Eine aufmerksame Geste, ohne aufdringlich zu sein, schließlich hatte sie über ihn gelesen, dass er mit seinem Vermögen auch problemlos den gesamten Laden hätte kaufen können. Aber er hatte sich wohl daran erinnert, dass sie ihm gesagt hatte, sie sei nicht käuflich.

„Danke. Ich mag Schokolade. Da zwei von jedem da sind, denke ich, wir sollten sie miteinander teilen.“

„Gern.“ Seine Zunge fuhr über seine Unterlippe. „Ich muss gestehen, ich habe eine Schwäche für Schokolade. Ich mag meine dunkel, kräftig und reichhaltig.“

Wie konnte ein Mann sie an Sex denken lassen, wenn er lediglich über Schokolade sprach? Atme, befahl sich Lily verzweifelt in Gedanken.

Karim setzte sich neben sie auf einen der hohen Hocker. Nicht so nah, dass er sich ihr aufdrängen würde, aber nah genug, dass sie sich seiner Gegenwart extrem bewusst war. Als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, war er formell mit Dinnerjackett und Fliege gekleidet gewesen, jetzt trug er Jeans und ein kragenloses Leinenhemd. Er sah jünger darin aus, zugänglicher und unglaublich sexy.

Nein. Sexy war nicht gut.

Das durfte einfach nicht passieren. Sie lebten in verschiedenen Welten. Zwischen ihnen konnte sich nichts entwickeln.

Außer vielleicht ein Flirt, meldete sich eine kleine Stimme aufmüpfig. Ein heißer, sehr leidenschaftlicher Flirt. Nur kurzfristig. Wenn keine Versprechen gemacht wurden, konnten auch keine gebrochen werden.

Die Vorstellung sandte einen Schauer über ihren Rücken.

Lily griff in die Schachtel, im gleichen Moment wie Karim. Ihre Finger berührten sich für einen Moment, und wie von allein öffneten sich Lilys Lippen einladend. Ihre Wangen begannen zu brennen, als sie merkte, dass sie auf seinen Mund starrte. Als sie den Blick hob, sah sie, dass er ebenfalls ihren Mund ansah.

Verlangen durchzog sie auf einmal und die Erinnerungen an den verheerenden Abend.

Sie bräuchte sich nur ein wenig vorzubeugen, und sie wusste, dann würde er seine Hand an ihren Nacken legen und sie zu sich heranziehen. Sein Mund würde über ihre Lippen streifen, behutsam, fragend, verheißungsvoll.

Doch dieses Mal waren sie allein. Niemand würde sie stören. Er könnte sie auf seine Arme heben und nach oben ins Schlafzimmer tragen …

Sie musste sich unbedingt zusammenreißen!

Lily rutschte unmerklich auf dem Hocker von ihm ab. Doch sie konnte sehen, dass er es bemerkt hatte und den Grund dafür genau kannte.

„Also, was machst du da gerade?“, fragte er betont beiläufig.

Er lenkt ab, dachte sie und war ihm dankbar dafür. „Ich überarbeite meinen Artikel über Sommergerichte. Stachelbeeren, Zucchini und Saubohnen.“

„Wir haben erst Frühling.“

„Sicher, aber Zeitschriften arbeiten immer drei, vier Monate im Voraus“, erklärte sie. „Für meine Gerichte nutzte ich Gemüse und Obst der jeweiligen Jahreszeiten.“

„Machst du auch die Fotos?“

„Nein. Sie schicken eine Fotografin herüber. Ich sende nur Entwürfe, damit sie eine Vorstellung vom Endprodukt fürs Layout bekommen. Morgen findet die Fotositzung hier statt.“

„Und was genau kochst du jetzt?“

„Saubohnen mit Bauchspeck, Stachelbeermus und Schokoladenkuchen mit Zucchini.“

Karim stutzte. „Zucchini im Schokoladenkuchen?“

Lily lächelte. „Hast du gestern etwa Zucchini im Kuchen geschmeckt?“

„Nein.“ Er hob abwehrend die Hände. „Lily Finch, du bist ein kulinarisches Genie.“

Mit einer leichten Verbeugung akzeptierte sie das Kompliment. „Das mit den Zucchini sagen wir den Kindern aber nicht.“

„Den Kindern?“ Fragend sah er sie an.

„Meine Freundin Hannah arbeitet mit mir zusammen und nimmt meine neuen Kreationen mit zum Kindergarten ihrer Tochter“, erklärte sie lächelnd. „Das ist meine Art, etwas für andere zu tun.“

„Das ist wirklich eine schöne Idee.“ Doch er merkte, dass sie nur ungern darüber sprach, und ging zum Fenster hinüber. „Hübscher Garten“, wechselte er das Thema.

„Mir gefällt er auch. Ich kann dort mein eigenes Gemüse ziehen, und auf der Terrasse stehen meine Kräutertöpfe.“ Sie trat zu ihm ans Fenster. „Dahinter steht der Sommerflieder, mein Lieblingsbusch. Im Sommer ziehen die lilafarbenen Blütenstände Unmassen von Schmetterlingen an.“ Sie zuckte leicht mit den Schultern. „Doch beim Zuschauen bekomme ich keine Arbeit erledigt.“

„Sag mir, was ich tun soll, und ich übernehme es.“

„Mir fällt leider gerade nichts ein.“ Nun, natürlich gab es da einiges, aber das stand nicht zur Debatte. Ganz und gar nicht. Nervös fuhr sie sich durchs Haar. „Ich muss den Artikel zu Ende schreiben, und dann muss ich nachsehen, ob ich alle Zutaten im Haus habe, um vier Portionen von den jeweiligen Gerichten zuzubereiten – eine für das Endprodukt, zwei für die verschiedenen Schritte und eine für den Notfall, falls etwas schiefgehen sollte.“

„Zeig mir die Rezepte, dann sehe ich nach“, bot er an.

„Danke, aber das mache ich besser selbst.“

„Du traust mir nicht.“

„Ich mache es selbst“, wiederholte sie. „Ich sehe es auf einen Blick, das geht schneller.“

„Du bist also kein Teamspieler.“

Seit Jeff nicht mehr. Sie hatte sich geschworen, sich nie wieder mit einem Geschäftspartner zusammenzuschließen. Es hatte ihr schwer zugesetzt, das Restaurant zu verlieren, für das sie so hart gearbeitet hatte. Auch wenn ihre Entscheidung bedeutete, dass Amazing Tastes nie wachsen würde, so konnte sie so auch sicher sein, dass das Geschäft, das sie so sehr liebte, nicht wegen den Fehlern eines anderen bankrott ging. „Mit meinen Kollegen in der Küche habe ich keine Probleme.“

„Aber mit mir?“

Sie nickte. „Du lenkst mich ab.“

Karim lächelte. „Das war nicht meine Absicht, aber ich verstehe den Wink. Ich werde gehen und dich in Ruhe arbeiten lassen. Du brauchst mich nicht zur Tür zu bringen, ich finde allein hinaus. Wir sehen uns dann morgen früh.“

Bevor sie widersprechen konnte, hatte er die Haustür bereits hinter sich zugezogen.

Er konnte nicht morgen schon wieder hier auftauchen! Sie war beschäftigt und … „Du musst nur vernünftig bleiben“, mahnte sie sich laut. „Du weißt doch, was das letzte Mal passiert ist.“

Aber Karim ist nicht Jeff, meldete sich eine leise Stimme. Karim war ein Ehrenmann, und die Anziehung beruhte auf Gegenseitigkeit. Es gab keinen Grund, warum sie dieser Anziehung nicht nachgeben sollten. Solange sie sich nicht in der Öffentlichkeit zusammen sehen ließen, würden auch die Paparazzi sie in Ruhe lassen. Und ihn zu ihrer Kundenliste hinzuzufügen wäre so oder so das perfekte Alibi …

Aber ein altes Sprichwort besagte auch, wenn etwas zu schön schien, um wahr zu sein, dann drohten am Ende doch noch Probleme.

Und von solchen hatte sie mehr als genug.

Sie musste sich also ernsthaft überlegen, wie sie Karim aus ihrem Kopf und ihrem Leben herausbekam!

4. KAPITEL

Am nächsten Morgen war Lily ziemlich sicher, dass sie Karim problemlos gegenübertreten könnte. Sie hatte sich ihre Rede genauestens zurechtgelegt.

Bis zu dem Moment als er dann tatsächlich vor ihr stand und sie mit seinem Lächeln und dem Veilchentopf in der Hand völlig aus dem Konzept brachte.

„Hundsveilchen. Sie ziehen Schmetterlinge an.“ Sein Strahlen in den Augen entwaffnete sie endgültig. „Eigentlich wollte ich ja einen Riesenstrauß Rosen mitbringen, aber dann hättest du mir vielleicht unterstellt, ich wollte dich kaufen.“

Auf jeden Fall hatte er ihr zugehört und sich für Blumen entschieden, die sie viel mehr beeindruckten. Der Veilchentopf würde wunderbar auf ihrer Terrasse aussehen. „Danke. Sie sind wunderschön. Wo hast du sie gefunden?“

„In einem kleinen Laden direkt bei mir um die Ecke. Sie werden sich gut neben deinem Thymian machen.“ Lachfältchen bildeten sich an seinen Augen. „Ich weiß ’nen Hügel, wo man Quendel pflückt, wo aus dem Gras Viol’ und Maßlieb nickt.“

„Sehr schöne Zeilen.“

„Shakespeare. Aus dem ‚Sommernachtstraum’.“

Karim hatte wohl erwartet, sie würde es kennen. „Tut mir leid. Mit dem Theater kenne ich mich nicht aus.“

„Magst du lieber Filme?“

„Ich habe leider fast nie Zeit, ins Kino zu gehen. Fernsehen schaue ich auch nur selten.“

„Was tust du dann, um dich zu entspannen?“

„Ich koche“, antwortete sie schlicht und verdrängte die Bilder von zerwühlten Laken und Karims Haut auf ihrer.

„Das Kochen ist mehr als ein Job für dich, oder? Es ist eine Leidenschaft.“

„Es ist mein Leben.“

Karim blieb vor ihrem Lieblingsbild in der Diele stehen – violette Lavendelfelder in der Provence.

„Das ist wunderschön.“ Er las die Signatur. „Amy Finch. Ist sie verwandt mit dir?“

„Meine Mutter.“ Lily ging in die Küche voraus, und er folgte ihr.

„Wolltest du jemals in ihre Fußstapfen treten?“

„Nein, für mich gab es immer nur das Kochen. Obwohl ich wahrscheinlich einiges von ihr mitbekommen habe.“ Erinnerungen und Melancholie schnürten ihr plötzlich die Kehle zu. „An einem verregneten Tag würde Mum das alte Kochbuch herausholen, mit geschlossenen Augen blättern und den Finger auf eine Seite setzen. Wo immer ihre Fingerspitze landete, würden wir dann gemeinsam das Rezept ausprobieren.“

„Stehst du deiner Mutter sehr nah?“

„Wir sehen uns nicht so oft, wie ich es gern hätte. Sie lebt in Frankreich, in der Provence. Aber wir telefonieren häufig. Das Gemälde zeigt die Lavendelfelder vor ihrem Haus.“

„Wann kommt die Fotografin?“, wechselte Karim behutsam das Thema.

„Hayley kommt gegen Mittag.“ Lily holte tief Luft. Es war an der Zeit, ihn auf dieses Lehrlingsvorhaben anzusprechen, ihm klarzumachen, wie unsinnig und unmöglich es war. „Hör zu, Karim, ich weiß, du meinst es gut, aber …“

„Ich werde nicht im Weg stehen“, unterbrach er sie. „Ich besorge alles, was du brauchst. Ich spüle sogar ab und putze.“

Bei der Vorstellung musste sie grinsen. „Ein Prinz, der meine Küche schrubbt?“

„Wenn du schon kleinlich sein willst, dann sei bitte korrekt. Es heißt Scheich, nicht Prinz.“ Er lehnte sich lässig an die Anrichte. „Ich bin ein ganz gewöhnlicher Mensch.“

An dir ist nichts gewöhnlich, dachte sie und konnte nur hoffen, dass sie es nicht wieder laut ausgesprochen hatte.

„Außerdem … wenn man Angst hat, sich die Finger schmutzig zu machen, ist man kein guter Regent. Man muss erkennen, was getan werden muss, und dann muss man es auch tun. Man muss auch selbst mit anpacken.“ Er rollte mit den Augen. „Glaubst du etwa, ich hätte einen ganzen Schwarm von Dienstboten?“

„Etwa nicht?“

„Nein. Ich gestehe, ich gebe meine Hemden in die Reinigung. Das Leben ist einfach zu kurz, um zu bügeln.“

„Genau.“ Da konnte sie ihm von Herzen zustimmen. „Ich wette, du hast eine Putzfrau.“

Er spreizte die Hände. „Zugegeben, es kommt jemand täglich für zwei Stunden. Die Zeit, die man zum Putzen braucht, kann man ebenfalls besser nutzen.“

„Sicher auch einen Koch?“

„Nein, ich koche selbst. Außer Rafiq wohnt niemand mit mir unter demselben Dach. Rafiq ist mein Assistent, und er ist auch für meine Sicherheit verantwortlich.“

„Du hast einen Leibwächter?“

„Ja, aber nur einen, und wie gesagt, er ist auch mein Assistent. Er ist harmlos.“ Karim blickte nachdenklich drein. „Ich nehme allerdings an, sollte ich bedroht werden, ist er nicht mehr so harmlos.“

„Aber du warst doch allein auf Felicitys Party!“

„Rafiq ist sehr diskret.“

Lily wurde tiefrot. „Heißt das, er war an dem Abend auch auf der Terrasse?“

„Nein. Aber er wusste, dass ich mit dir auf die Terrasse gegangen war.“

Und sicher hatte der Mann auch gewusst, was sein Chef dort tat. Sie hatte die Zeitungsartikel doch gesehen, die von dem „Playboyprinz der Wüste“ sprachen. „Jetzt weiß er auch, wo du bist, oder?“

Karim legte ihr einen Finger auf die Lippen, so wie schon an dem Abend auf der Terrasse. Für einen verrückten Moment wollte sie seinen Finger mit ihren Lippen liebkosen.

Eine höchst ungute Idee. Lily trat einen Schritt zurück.

„Du braucht keine Angst zu haben.“

Vor ihm vielleicht nicht. Aber vor sich selbst.

„Das ist die übliche Gangart.“

„In deiner Welt. In meiner nicht.“

Einen Moment lang schaute er sie nachdenklich an, dann nickte er. „Rafiq ist schon lange bei mir. Ich vertraue ihm mit meinem Leben – wortwörtlich.“

„Wo ist er jetzt?“

„Draußen. Und erledigt seinen Job.“

„Wird er Hayley filzen, wenn sie hier ankommt?“

„Das ist wohl etwas zu dramatisch.“ Er runzelte die Stirn. „Hattest du nicht gesagt, du siehst nicht viel fern?“

„Tu ich auch nicht. Aber du bist ein Prinz, also hast du natürlich auch einen Leibwächter, der sich draußen die Füße in den Bauch steht, solange du hier drinnen herumlungerst. Sag ihm doch bitte, er soll hereinkommen.“ Mal ganz abgesehen von normaler Gastfreundschaft wäre das ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor für sie.

„Erstens lungere ich nicht, zweitens wird er Hayley nicht filzen, und drittens … selbst wenn ich ihm sage, dass er hereinkommen solle, wird er sich weigern.“

Lily blinzelte. „Er hat das Recht, etwas zu verweigern?“

Karim lachte. „Du glaubst, ich brauchte nur mit den Fingern zu schnippen, und jeder springt?“

„Ja.“

„Nun, du bist nicht gesprungen.“

„Das ist etwas anderes. Weder gehöre ich zu deinen Untertanen noch zu deinem Personal.“

„Ich ziehe es vor, wenn die Leute, mit denen ich arbeite, für sich selbst denken. Dann kann ich darauf vertrauen, dass sie ihren Job erledigen, ohne dass ich ihnen bei jedem Schritt Anweisungen geben muss. Rafiq erledigt seine Arbeit auf seine Weise.“

„Aber …“ Die Uhr am Ofen meldete sich und unterbrach, was immer Lily hatte sagen wollen.

Karim sah ihr fasziniert zu, wie sie sich um den Kuchen kümmerte. Sie trug die übliche Kleidung eines Kochs, also nichts außergewöhnlich Feminines, sondern ein weißes Jackett aus dicker Baumwolle und schwarze Hosen. Und doch schien sie ihm unglaublich begehrenswert. Als sie sich vorbeugte, um die Backform aus dem Ofen zu holen, hätte er liebend gern über ihr Po gestrichen. Was sie wohl unter dieser unförmigen Jacke trug? Einen Sport-BH oder Spitzendessous?

Er sollte besser mit solchen Gedanken aufhören, bevor er sie beide in Verlegenheit brachte. „Ich fange mit dem Abwasch an“, verkündete er laut.

Lily schüttelte den Kopf. „Du fängst damit an, dem armen Mann da draußen einen Kaffee zu machen. Ich nehme an, du weißt, wie er seinen Kaffee trinkt? Oder würde er lieber Tee haben?“

Karim grinste. „Wir sind lange genug hier, um uns an den englischen Kaffee gewöhnt zu haben.“

„Dann weißt du ja, was du zu tun hast.“

Sie machte es genau wie er für gewöhnlich – gab ihm eine Aufgabe und ließ ihn dann in Ruhe arbeiten. Er goss also Kaffee ein und brachte den Becher zu Rafiq, der – wie erwartet – draußen bleiben wollte. Als Karim zurückkam, hakte Lily ein paar Punkte von einer Liste ab. Zwar ließ sie ihn nicht an die Nahrungsmittel heran – das fehlende Gesundheitsattest! –, aber sie wies ihn an, Geschirr aus den Schränken zu holen und bereitzustellen. Je länger er ihr bei der Arbeit zusah, desto beeindruckter war er. Sie schien sechs Dinge auf einmal zu machen. Doch bei genauerem Hinsehen wurde ihm klar, dass sie einfach nur über eine brillante Ordnung verfügte und Zeit auf effektivste Weise nutzte. Jeder Handgriff erfolgte in genau der richtigen Reihenfolge. Ein kritischer Beobachter konnte allein vom Zuschauen viel über sie erfahren. Und das Beeindruckendste war, sie konnte sich dabei auch noch unterhalten!

„Du bist also schon länger hier?“

„Ziemlich lange. Aber in ein paar Monaten kehre ich nach Harrat Salma zurück“, antwortete er. „Entweder übernehme ich einige Pflichten meines Vaters oder eine Botschafterrolle und reise umher. Das steht noch zur Diskussion.“

„Aber deine Zukunft ist mehr oder weniger festgelegt?“

„So ziemlich, ja“, gab er zu. „Irgendwann werde ich meinen Vater ganz ablösen. Dann bleibe ich natürlich in Harrat Salma und reise nur noch zu politischen Zwecken.“ Es gab noch eine andere Pflicht, die er dann zu erfüllen hatte – einen Thronerben zeugen. „Wenn ich wieder zu Hause bin, werden meine Eltern wohl mit den Heiratsverhandlungen beginnen.“

„Heiratsverhandlungen?“ Lily blinzelte. „Du meinst, du kannst dir deine Ehefrau nicht selbst aussuchen? Das ist ja abscheulich!“

„Wieso? Sieh dir doch nur an, wie viele sogenannte Liebesheiraten vor dem Scheidungsrichter landen.“

Sie wurde rot. „Das passiert ja nicht immer.“

„Die Statistiken sind eindeutig nicht auf der Seite der Liebe. Zwei Drittel der Ehen werden wieder geschieden. Die Leute reden von Liebe, aber mit Liebe hat es meist nichts zu tun, sondern nur mit Lust und Vernarrtheit. Wenn das abflaut, geht auch die Ehe in die Brüche, weil es sonst nichts gibt, was die beiden Menschen verbindet.“

„Das hört sich unglaublich zynisch an.“

„Nein, das ist nicht zynisch, sondern sachlich. Das belegen die Statistiken.“

Lily konnte nur den Kopf schütteln.

„Bei meinen Eltern hat es funktioniert. Zwischen den beiden herrscht eine enorme Zuneigung, und sie respektieren einander“, erklärte er.

„Ist das denn nicht dasselbe wie Liebe? Zuneigung und Respekt?“

„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Zuneigung wächst mit der Zeit. Meine Eltern haben sich nicht kopfüber in eine Beziehung gestürzt, um dann herauszufinden, dass sie nicht zueinander passen. Darum geht es bei einer Ehe ja auch nicht.“

„Sondern?“

„Es geht darum, dass man ähnliche Vorstellungen und Erwartungen vom Leben hat. Dass man zusammen auf dasselbe Ziel hinarbeitet. Es geht um Vertrauen und Respekt und Loyalität.“

„Ich kann noch immer nicht glauben, dass du tatsächlich jemanden heiraten willst, den du gar nicht kennst.“

Er schlug die Augen zur Decke auf. „Es wird ja nicht so ablaufen, dass ich sie erst am Hochzeitsmorgen kennenlerne.“

„Und was ist mit körperlicher Anziehungskraft? Wirst du dir etwa einen Harem anschaffen, für …“, abrupt und verlegen brach sie ab.

„Für befriedigenden Sex?“ Karim lächelte wissend. Lily konnte sich ihrer gegenseitigen Anziehung offensichtlich auch nicht widersetzen. „Das kommt nur in den Märchen vor. In unserem Land sind wir monogam. Ich würde meine Ehefrau niemals beleidigen, indem ich mir eine Geliebte halte.“

„Ich wollte deine Ehre nicht angreifen.“ Sie stieß laut hörbar die Luft aus. „Ich kann nur nicht fassen, wie leidenschaftslos du über ein Heirat sprichst, so als wäre die Ehe eine geschäftliche Absprache. Vor allem, da die Zeitungen praktisch wöchentlich über dich und deine immer neuen Begleiterinnen berichten.“

„Die Ehe ist eine Absprache. Und was meine Verabredungen betrifft … ja, ich gehe oft mit Frauen aus, aber ich schlafe nicht mit jeder von ihnen. Außerdem sind sie alle genau über die Situation im Bilde … dass ich nämlich nach einer vergnüglichen gemeinsamen Zeit suche, aber keine Versprechen geben kann. Es ist meine Pflicht, zu heiraten und einen Erben für den Thron zu zeugen. Ich vertraue meinen Eltern, dass sie eine passende Braut aussuchen werden – sowohl für mich als auch für Harrat Salma. Sicher habe ich auch ein gewisses Mitspracherecht, aber die Pflicht gegenüber meinem Land steht an erster Stelle.“

„Das ist so kalt und distanziert.“

„Nein, es ist vernünftig. Da eine Scheidung außer Frage steht, muss ich jemanden heiraten, dem ich vertrauen und den ich respektieren kann. Die Zuneigung füreinander wird mit der Zeit kommen.“

„Aber wenn du dich verliebst?“

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert?
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