Liebesträume im Chateau

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Wie flüssiges Kupfer leuchten ihre Locken in der warmen Frühlingssonne: Armand d’Aville hat noch nie zuvor eine Frau so begehrt wie Glenda, die er in Erfüllung eines alten Versprechens als Braut auf sein Château führt. Doch sie entzieht sich ihm und weigert sich, wirklich seine Frau zu werden. Armand ahnt, dass Glenda ein dunkles Geheimnis vor ihm verbirgt ...


  • Erscheinungstag 07.02.2008
  • Bandnummer 60
  • ISBN / Artikelnummer 9783863499532
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

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VIOLET WINSPEAR

Liebesträume im Château

1. KAPITEL

Überall klickten Kameras. Seit Jahren hatten die Leute von Barton-le-Cross keine solch prunkvolle Hochzeit mehr gesehen.

Jeder bedauerte es, dass die Brautmutter nicht lange genug gelebt hatte, um Glendas Heirat noch mitzuerleben. Edith Hartwell wäre stolz auf ihre Tochter gewesen, hätte sie sie in dem weißen Brautkleid aus schimmerndem Satin und mit dem feinen Spitzenschleier sehen können.

Als die Braut den Mittelgang des Kirchenschiffes entlangging, forderten die Fotografen sie auf, den Schleier zurückzuschlagen, um Aufnahmen von ihrem Gesicht machen zu können, doch Glenda reagierte nicht darauf. Gefasst schritt sie am Arm von Sir Arthur Brake, einem engen Freund der Mutter, auf den Altar zu. Und auch dort angekommen, hob sie den Schleier nicht.

Für Glenda hatte diese Zeremonie etwas Unwirkliches. Hier in der altehrwürdigen normannischen Kirche zu stehen weckte traurige Erinnerungen an jenen Tag, als die Messe aus ganz anderem Anlass gehalten worden war.

Damals hatte es in Strömen geregnet. Die schweren Tropfen hatten sich mit den Tränen gemischt, die ihr unablässig über die Wangen liefen, als Ediths Sarg in die schwarze Erde niedergelassen wurde. Seit ihrem zehnten Lebensjahr hatte Glenda bei Edith gelebt, und jeder hatte sie für Mutter und Tochter gehalten.

Auch die heute hier Anwesenden glaubten, Zeugen der Hochzeit zwischen Armand d’Aville und Edith Hartwells Tochter zu sein. Nur Sir Arthur und Glenda selbst kannten die Wahrheit: dass nämlich Ediths leibliche Tochter vor zehn Jahren gestorben und auf der Insel Malta begraben worden war.

„Wie soll ich das nur durchstehen?“, hatte Glenda einige Tage vor der Hochzeit Sir Arthur verzweifelt gefragt.

„Natürlich stehst du das durch, Liebes. Du stehst es durch, weil du diese Frau geliebt hast und weil du es ihr versprochen hast. Edith hatte sicherlich ihre Fehler, aber sie war immer gut zu dir. Wenn du dich jetzt weigerst, d’Aville zu heiraten, brichst du das Wort, das du einer Verstorbenen gegeben hast. Denke immer daran, dass sie es war, die dich aus diesem Kinderheim in Llandudno herausgeholt hat. Sie hat dir ein Leben ermöglicht, wie du es sonst niemals gehabt hättest.“

Und so stand Glenda nun hier, an der Seite des großen, düsteren Mannes vor dem Altar. Es schien ihr wie ein Traum, der eher einem Albtraum glich, als sie das Gelübde ablegte. Beim Ringtausch spürte sie Armands durchdringenden Blick auf ihrem Schleier ruhen und war erleichtert, ihr Gesicht hinter der Spitze verbergen zu können.

Er glaubte das Mädchen zu heiraten, das sein Großvater vor über zehn Jahren für ihn ausgewählt hatte. Duval d’Aville, Patriarch alter Schule, hatte auf dem Sterbebett die Hand eines Schulmädchens mit der seines Enkels vereint und das gleiche Versprechen von dem jungen Mann verlangt, das auch Edith ihrer geliebten Glenda abgenommen hatte.

Eines Tages, kurz vor ihrem Tod, hatte Edith schlimmere Schmerzen denn je zuvor gelitten, und dennoch hatte sie sich geweigert, ihre Medikamente zu nehmen, bevor Glenda ihr nicht ihr Wort gegeben hatte.

„All die Jahre habe ich den alten Mann getäuscht. Ich habe den d’Avilles nie gesagt, dass mein kleines Mädchen vor so langer Zeit auf der Kreuzfahrt verstarb und auf Malta begraben wurde.“ Von Schmerzen gequält, hatte Edith die Worte nur mit Mühe aussprechen können. „Sie hätten mir sonst die jährliche Zuwendung gestrichen. Und wovon hätte ich leben sollen? Ich habe nie gearbeitet. Der alte Geizkragen hat nur gezahlt, weil es sein Wille war, dass sein Enkel meine Tochter heiratet.“

Und heute, hier in dieser Kirche und vor der versammelten Gemeinde, wurde dieses Versprechen erfüllt. Die Orgel spielte ergreifend, als eine innerlich bebende Glenda am Arm von Armand d’Aville zum Heiratsregister ging, um ihre Unterschrift in das große Buch zu setzen. Armands Mutter war Französin gewesen, er selbst jedoch wurde in England geboren. In wenigen Augenblicken, sobald sie ihre Unterschriften geleistet hatten, würden sie Mann und Frau sein, unabänderlich, in guten wie in schlechten Zeiten.

Nun verstand Glenda auch, warum Edith solche Eile gehabt hatte, ihren Namen offiziell in Hartwell umändern zu lassen. Und wie hätte ein kleines verschüchtertes Mädchen aus dem Kinderheim der wunderschönen Frau im Pelzmantel den Wunsch abschlagen können, auf den hübschen Namen Glenda zu hören? Jedes Kind wäre von dieser Frau beeindruckt gewesen. Ihre grünen Augen sprühten vor Leben und Wärme, und sie duftete nach einem schweren, blumigen Parfüm. Sie hatte es getragen, als sie das magere kleine Ding aus dem Waisenhaus in ihrem Rolls-Royce mit nach Hause nahm, und sie trug es noch bei ihrem letzten Atemzug in dem unpersönlich weißen Krankenhauszimmer.

Viele Jahre hatte Ediths angebliche Tochter nun auf den Namen Glenda Hartwell gehört. Dennoch rutschte ihr der Stift fast aus der Hand, als sie ihre Unterschrift unter die schwungvolle des großen kräftigen Mannes im hellgrauen Cut schrieb. Armand d’Aville – ein Name, so Ehrfurcht gebietend und distinguiert wie der Mann selbst. Ein Mann, den sie kaum kannte, der aber jetzt ihr Ehemann war und nicht wusste, dass er soeben eine Betrügerin geheiratet hatte.

„Hebe deinen Schleier“, bat er sie. „Die Leute da draußen werden dein Gesicht sehen wollen.“

Genau in diesem Augenblick sank Glenda ohnmächtig zu Boden. Erst später erfuhr sie, dass Sir Arthur zu ihrer Rettung geeilt war.

„Du musst bedenken“, hatte er dem Bräutigam diplomatisch erklärt, „dass das Mädchen erst vor Kurzem einen schrecklichen Verlust erlitten hat. Glenda und ihre Mutter waren immer zusammen. Edith hat dem Kind ihre ganze Liebe geschenkt. Ich weiß, welche Kraft deine Braut heute aufbringen musste, weil Edith nicht mehr bei ihrer Hochzeit dabei sein kann.“

Als das frisch vermählte Paar auf dem Flughafen ankam, fühlte sich Glenda zumindest körperlich besser. Durch den Champagner, den sie während des Empfangs getrunken hatte, war ihr Kreislauf wieder in Schwung gekommen. Doch als Armand ihr eine Hand auf die Hüfte legte, um ihr beim Einsteigen in den Privatjet zu helfen, verspannte sie sich sofort erneut. Sie würden nach Angervilliers fliegen, zu Armands Château an der Loire.

Gleich nach dem Start ging Glenda in den Waschraum. Nach der Feier waren Reiskörner geworfen worden, und einige davon waren in den Kragen ihrer Seidenbluse gerutscht. Sie starrte ihr Spiegelbild an. Ob Armand aufgefallen war, dass ihre unnatürliche Blässe die goldenen Punkte in ihren bernsteinfarbenen Augen wie Feuer aufglühen ließen?

Sie fröstelte trotz der Wärme in dem luxuriös ausgestatteten Jet. Noch vor einer Stunde hatte sie, in Spitze und Satin gekleidet, die Hochzeitszeremonie verfolgt. Als der Priester fragte, ob jemand einen Einwand gegen diese Eheschließung vorbringen wollte, war ihr das Blut in den Adern gefroren. Nur eiserne Selbstbeherrschung hatte sie aufrecht gehalten.

Glenda wusste, warum sie in Ohnmacht gefallen war – aus Angst und wegen ihrer Schuldgefühle. Außerdem ließ sie etwas in Armands Art auf der Hut sein. Er wirkte auf sie wie ein Mann, der skrupellos auf Täuschung reagieren würde. Und sie hatte ihn mit dieser Heirat hintergangen und betrogen. Um ihre Dankbarkeit für Edith Hartwell zu beweisen, war sie mit diesem Mann vor den Altar getreten. Sie wagte sich nicht auszumalen, was er tun würde, sollte er ihr Geheimnis je herausfinden.

Der Ring an ihrer Hand erinnerte sie an den schrecklichen Augenblick, als Armand ihn ihr an den Finger gesteckt hatte. Sein Blick hatte auf ihrem Schleier gelegen, so intensiv und eindringlich, als wolle er sich durch die Spitze brennen. Was mochte er wohl in jenem Augenblick gedacht haben? Lehnte er die Braut ab, die man ihm ausgesucht und aufgezwungen hatte? Glenda ballte die Fäuste, bis sich ihre Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen gruben. Umso schlimmer, wenn ihm erst aufging, dass sie gar nicht das Mädchen war, dessen Hand sein Großvater in die seine gelegt hatte.

Nein, dieses Mädchen war sie nicht. Sie war ein Findelkind, das Edith Hartwell aus Dutzenden zehnjähriger Mädchen ausgewählt hatte, weil sie die gleiche feine, helle Haut und das dunkelrote Haar besaß wie Ediths leibliche Tochter. Der einzige Unterschied lag in der Farbe der Augen. Die Augen des verstorbenen Mädchens hatten das gleiche Grün gehabt wie die seiner Mutter.

Regungslos betrachtete Glenda ihr Bild im Spiegel über dem Waschbecken und lauschte auf das ängstliche Schlagen ihres Herzens. Sollte Armand d’Aville ein ausgeprägtes Gedächtnis für solche Details haben, steckte sie in Schwierigkeiten. Es war zehn Jahre her, seit die Ehe arrangiert worden war. Sie konnte nur hoffen, dass er sich nicht an die grünen Augen der ihm bestimmten Braut erinnerte.

Seltsam, in all den Jahren hatte Armand Barton-le-Cross nie wieder besucht. Er hatte sich von der weißen Villa auf dem Hügel ferngehalten, die Glendas Heim geworden war. Sofort nach der Adoption war Edith aus Chelsea weggezogen, hatte alle Brücken zu ihren alten Kreisen abgebrochen und sich mit Leuten angefreundet, die nicht ahnten, dass Glenda nicht die leibliche Tochter war. Der einzige Mensch, dem Edith sich anvertraut hatte, war Sir Arthur Brake.

Der joviale alte Herr hatte Edith wahrscheinlich überhaupt erst auf die Idee gebracht. Vermutlich hatte er die Höhe der Zuwendung gekannt, die die Familie d’Aville Edith zahlte. Ihr verstorbener Mann war mit der Familie verwandt gewesen. Die liebevolle, extravagante Edith hatte Glenda ein wunderbares Leben und eine Ausbildung ermöglicht und die Kleine auf jede ihrer Reisen mitgenommen. Kinder werden größer und verändern sich eben, hatte Edith sich und ihre vermeintliche Tochter beruhigt. Sollten sie zufällig einem früheren Bekannten begegnen, so würde ihm nur Glendas Haut und ihre Haarfarbe auffallen – und die offensichtliche Zuneigung zwischen Edith und Glenda.

Diese Zuneigung hatte es Glenda auch unmöglich gemacht, sich der Heirat zu verweigern. Damals hatte sich Edith an ihre Hand geklammert und gefleht: „Lass nicht zu, dass ich nach meinem Tod bei ihnen als Diebin gelte! Die d’Avilles sind reich, aber sie sind auch sehr stolz. Niemand außer Arthur weiß, dass meine kleine Glenda auf Malta begraben liegt. Tu es für mich, Liebes. Es ist nur eine kleine Notlüge.“

Nein, es war alles andere als eine Notlüge, und schon gar keine kleine.

Glenda nahm all ihren Mut zusammen und ging zurück zu ihrem Platz. Für die Reise trug sie ein cremefarbenes Kostüm und einen Hut mit breiter Krempe. Den Hut hatte sie tief in die Stirn gezogen, sodass ihr Gesicht im Schatten lag. Schon den ganzen Tag hatte sie das Bedürfnis, Gesicht und Augen zu verstecken. Sie brachte es kaum über sich, neben dem Mann zu sitzen, der nun der Gatte einer schamlosen Betrügerin war.

Es ließ sich nicht beschönigen: Sie hatte von der arrangierten Ehe zwischen Ediths wahrer Tochter und Duval d’Avilles Enkel gewusst. Aber Edith hatte so unbeschwert darüber gesprochen, dass Glenda geglaubt hatte, Armand d’Aville würde von der Adoption unterrichtet werden, bevor sie zusammen vor den Altar treten würden.

Doch dann war Edith schwer erkrankt. Die notwendige Operation brachte nur für kurze Zeit Besserung, danach schritt das Leiden rasant voran. Und bevor Glenda sich dessen überhaupt recht bewusst wurde, hatte sie sich bereits mit einer sterbenden Frau verschworen, deren jahrelangen Betrug an der Familie d’Aville zu vertuschen.

„Er wird es gar nicht merken“, hatte Edith schwach hervorgestoßen. „Für Franzosen sind arrangierte Ehen nicht ungewöhnlich, und Armand ist mütterlicherseits Franzose. Und du, liebste Glenda, bist immer meine Tochter gewesen. Du und ich, wir waren doch glücklich miteinander, nicht wahr?“

Ja, die Jahre bei Edith waren wunderbar gewesen. Doch als Glenda jetzt das Glas Wein annahm, das Armand ihr reichte, schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie nie wieder Glück erfahren würde.

Sie fühlte sich wie eine Sünderin, dabei wirkte sie mit ihrer Blässe unschuldig wie die weißen Lilien in dem Brautstrauß, den sie zum Altar getragen hatte. Der Brautstrauß war völlig zerdrückt worden, als sie in Ohnmacht gefallen war.

„Trink einen Schluck“, forderte Armand sie auf. „Du bist immer noch bleich wie ein Laken. Normalerweise sinkt eine Braut dem Bräutigam nicht ohnmächtig zu Füßen. Lag es an der Aufregung?“

Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande und nippte an dem Wein.

„Wir werden einander kennenlernen müssen“, fuhr Armand fort. „Es kann nicht leicht für dich sein, einen Fremden zu heiraten. Na ja, zumindest einen fast Fremden. Als wir einander vorgestellt wurden, da warst du noch ein Kind mit riesengroßen Augen.“

Sie trank noch einen Schluck und wagte nicht, Armand anzuschauen. Doch bevor sie ihn aufhalten konnte, streckte er schon die Hand aus und nahm ihr den Hut vom Kopf.

„So ist es besser. Nun kann ich dein Gesicht sehen. Du bist zu einer schüchternen jungen Frau herangewachsen, Glenda. Dabei erinnere ich mich an eine kecke junge Dame, die mir unter ihren langen Wimpern hervor ständig kokette Blicke zugeworfen hat.“

Starr blickte Glenda auf seine Finger, die den Stiel des Weinglases drehten. Lange, schlanke und doch starke Finger. Kraftvoll genug, um einer Frau den Hals zu streicheln – oder zuzudrücken.

„Es ist schwierig für zwei Menschen, die sich nicht kennen, eine Ehe einzugehen. Kein Wunder, dass du ohnmächtig geworden bist. Fühlst du dich jetzt etwas besser?“

„Ich bemühe mich. Es …“, sie stockte, setzte erneut an, „es hätte die Dinge vielleicht einfacher gemacht, wenn du uns besucht hättest, bevor Edith … bevor meine Mutter starb. Warum bist du nie gekommen?“

„Deshalb.“ Er hob die Hand an seine linke Wange. „Ich sehe anders aus als bei unserer Begegnung damals. Vor zwei Jahren brach ein Feuer in einer unserer Fabriken aus. Ich dachte, es sei besser, wenn die petite fille mich unversehrt in Erinnerung behält.“

Glenda sah auf die Narben in seinem Gesicht, die er von dem Unglück zurückbehalten hatte. Früher musste Armand einmal sehr gut ausgesehen haben, und auch jetzt wirkte er eher düster als entstellt.

„Hat es sehr wehgetan?“ Was für eine kindische Frage! Die Röte der Verlegenheit schoss Glenda in die Wangen, und sie senkte den Blick. „Natürlich hat es wehgetan“, beantwortete sie die Frage selbst.

„Allerdings.“ Zigarrenrauch schwebte durch die Luft, das volle Aroma wehte zu ihr herüber. „Haben dir meine Narben einen Schock versetzt? Ist dir klar geworden, dass du von nun an mit ihnen leben musst?“

„Ich bin kein Kind mehr.“

„Nein, mag sein.“ Er musterte sie eindringlich. „Wahrscheinlich fragst du dich, warum ich nicht auf die Künste eines plastischen Chirurgen zurückgreife. Nun, ma chérie, in meinem Fall kann nicht viel getan werden.“

„Bitte“, unterbrach Glenda ihn, „es sind wirklich nicht die Narben, die mir Sorgen machen.“

„Sondern der Mangel an Romantik, weil du den sprichwörtlichen Fremden geheiratet hast?“

„Ja.“ Sie senkte den Kopf, und ihr Haar schimmerte im Sonnenlicht.

„Mach dir deshalb keine Gedanken.“ Er lachte trocken auf. „Das wird sich ändern, sobald ich dich nach Château Noir gebracht habe.“

„Ich möchte dich bitten …“ Die Worte waren kaum vernehmbar. Die Schuldgefühle ließen Übelkeit in ihr aufsteigen, überwältigende Scham bemächtigte sich ihrer. Besaß ein Ehegelübde überhaupt Gültigkeit, wenn die Braut unter dem angenommenen Namen einer lange Verstorbenen vor den Altar trat? Wie sollte sie sich je als Armands Frau fühlen können, wenn sie sich doch wie eine Betrügerin vorkam, die ständig Angst vor der Entdeckung haben musste?

„Ich nehme an, du willst mich bitten, dir Zeit zu lassen, oder? Zeit, damit du mich als deinen Ehemann kennenlernen kannst?“

„Ich brauche …“ Sie stellte das Weinglas ab, aus Angst, es sonst fallen zu lassen, und verschränkte die zitternden Finger.

„Wir beide wussten doch, dass dieser Tag kommen würde.“ Mit stahlhartem Blick musterte er sie. „Deine Mutter hat mich nie darüber informiert, dass du – wie soll ich es am besten ausdrücken? – dir nicht sicher bist. Es gab immer die Möglichkeit, mich wissen zu lassen, dass die Hochzeit nicht wie geplant nach der Vollendung deines zwanzigsten Lebensjahres stattfinden wird. Aber weder von ihrer noch von deiner Seite kam ein solches Zeichen. Deine Bitte hättest du äußern müssen, bevor du heute vor den Altar getreten bist und deine Hand in meine gelegt hast.“

Abrupt stellte er das eigene Glas ab und griff in seine Tasche, um eine Schatulle hervorzuholen. Als er den Deckel aufschnappen ließ, brach sich das Sonnenlicht funkelnd in den Facetten eines herzförmigen, in Gold gefassten Brillanten.

„Dieser Ring gehörte meiner Großmutter“, sagte er. „Jetzt musst du ihn tragen.“

„Nein …“

„Doch, Glenda.“ Als er nach ihrer Hand fasste und ihr den Ring ansteckte, spürte sie die Kraft seiner Finger. Sie wollte widersprechen, aber instinktiv verbiss sie sich die Worte. Es war wohl klüger, nachzugeben. Armand hob ihre Hand an die Lippen und küsste die Innenfläche. „In Frankreich gilt ein Kuss auf diese Stelle als etwas sehr Intimes“, murmelte er. „Weiblichen Verwandten und guten Freundinnen küsst man nur den Handrücken. Bei der Ehefrau ist das etwas anderes, und du bist meine Ehefrau, Glenda. Wir sind vereint, in guten wie in schlechten Zeiten. Wir haben uns gegenseitig das Eheversprechen gegeben.“

Wieder fing Glenda an zu zittern, so wie vorhin in der Kirche.

„Gefällt dir der Ring etwa nicht, ma chérie? Ich habe ihn extra für dich anpassen lassen.“ Sein Griff wurde fester.

„Wie konntest du wissen, welche Größe ich habe?“, fragte sie gepresst. „Du bist nie nach Barton-le-Cross gekommen und hast mich seit zehn Jahren nicht gesehen. Ich hätte zu einer anderen heranwachsen können. Junge Mädchen verändern sich.“

„Dein Haar konnte sich nicht verändern.“ Er lehnte sich in dem Sitz zurück, und als er lächelte, verzogen sich seine Lippen seltsam. „An dem Tag, als mein Großvater deine Hand in meine legte, hing es dir in langen Zöpfen über die Schultern. Auch damals floss Sonnenlicht durch die Fenster und ließ Flammen darin aufscheinen. Ein wunderbarer Kontrast zu deiner hellen Haut. Das alles hat sich nicht verändert, auch nicht deine ungewöhnlich langen Wimpern. Nur deine Begeisterung, auf Château Noir zu leben, ist geschwunden. Aber vielleicht, wenn du es wiedersiehst, kehrt ein wenig von diesem früheren Enthusiasmus zurück.“

„Ich … Nach so langer Zeit wird es sicher fremd für mich sein.“

„Vermutlich“, stimmte er ihr zu. „Die Zöpfe sind ab, und das rote Haar ist modisch frisiert. Du bist wirklich zu einer höchst attraktiven jungen Frau herangewachsen, Glenda. Trotzdem bist du irgendwie anders, als ich erwartet hatte. Wo ist das kecke Küken geblieben?“

Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. „Du klingst, als wärst du enttäuscht von mir“, sagte sie leise.

Er beugte sich zu ihr, und seine grauen Augen schimmerten wie Silber. „Ich bin mir noch nicht klar darüber, was ich für dich empfinde, Glenda. Auf jeden Fall hatte ich nicht erwartet, dass du in Ohnmacht fällst. Das Mädchen damals in Angervilliers nahm es sehr gelassen hin, mit einem jungen Mann verlobt zu werden, der bereits aufs College ging. Damals hast du mich auch ganz unbefangen auf die Wange geküsst. Allerdings gab es da diese Narben noch nicht.“

„Es geht überhaupt nicht um die Narben.“ Glenda senkte die Lider. Er sollte nicht in ihren Augen lesen können, dass sie keine Erinnerung an den gut aussehenden Neunzehnjährigen besaß. „Onkel Arthur hat dir doch erklärt, dass ich den Tod meiner Mutter noch nicht verkraftet habe. Ich habe sie sehr geliebt.“

„Natürlich.“ Armand strich ihr mit der Fingerspitze über die Wange bis zum Mundwinkel. Glenda hatte Mühe, nicht zurückzuschrecken. „Ich weiß noch, wie ich mich gefühlt habe, als mein Großvater starb. Er war es, der mich nach dem Tod meiner Eltern großgezogen hat. Sie verbrannten bei einem Bombenanschlag in Algier, weil sie sich nicht aus dem Feuer retten konnten. Ich hatte mehr Glück, ich bin mit dem Leben davongekommen. Allerdings sind diese Narben nicht sehr angenehm anzusehen. Du brauchst nicht zu widersprechen – sie müssen abstoßend auf dich wirken.“

„Das tun sie nicht“, behauptete sie. Doch ganz sicher war sie sich nicht. Die Male verliehen ihm einen düsteren Ausdruck, der durch das nachtschwarze Haar noch unterstrichen wurde.

Sie trank einen Schluck Wein, doch als die Stewardess den geräucherten Lachs auftrug, lehnte Glenda dankend ab. Sie brachte jetzt keinen Bissen hinunter. Daran änderte auch Armands Warnung nichts, dass ihr der Wein zu Kopf steigen könnte, wenn sie nichts aß. Sollte der Alkohol ruhig ihre Gedanken ein wenig benebeln. Vielleicht würde dann auch das Schuldgefühl gelindert. Und vielleicht half ihr der Wein auch, wenn der Augenblick gekommen war, Château Noir als neue Herrin zu betreten.

Sie konnte nur hoffen, dass es nicht ein riesiges düsteres Gemäuer war, mit endlos vielen Dienstboten und strengen Abläufen, die sie einzuhalten hatte. In Barton-le-Cross hatten sie und Edith sehr gut gelebt, aber Glenda war es nicht gewöhnt, einen großen Haushalt zu führen und einer Hausdame und einem Butler Anweisungen zu geben.

Aus Nervosität trank sie noch mehr von dem Wein und spürte den forschenden Blick ihres Mannes auf sich ruhen. Wie sollte sie nur mit einem Fremden leben? Noch dazu, wenn er das Recht auf intime Begegnungen besaß, wie sie sie bisher noch niemandem gewährt hatte? Edith hatte ein Auge auf sie gehabt, aber Glenda war von Natur aus nicht allzu neugierig auf Flirts gewesen. Viel mehr als Männer hatten sie die Orte interessiert, die sie gemeinsam mit Edith bereiste. Und wenn ein Mann Anstalten machte, sich ihr zu nähern, hatte sie sein Interesse mit einem abweisenden Blick schnell erkalten lassen.

Überall stand sie in dem Ruf, Edith eine wunderbare Tochter gewesen zu sein. Doch es gab einen großen Unterschied zwischen einer guten Tochter und einer Ehefrau, die sich vor dem Mann fürchtete, den sie soeben geheiratet hatte.

2. KAPITEL

Bei Glendas und Armands Ankunft stand vor dem Flughafen eine elegante Limousine bereit, die Armand nun souverän und sicher über die Landstraße lenkte. Der Weg wand sich stetig bergauf, bis man von oben auf die Loire herunterschauen konnte, die sich wie ein silbernes Band durch die Landschaft schlängelte.

Glenda war dankbar für die lange Autofahrt. Das gewährte ihr noch Zeit, sich für das erste Treffen mit der Familie d’Aville, die auf dem Château residierte, zu sammeln.

Die untergehende Sonne färbte den Himmel purpurn und rosé, als sie ihr Ziel erreichten. Groß und beeindruckend hob sich Château Noir von dem flammenden Horizont ab. Seine grauen Mauern wurden von den letzten Sonnenstrahlen mit Gold überzogen.

Auf einer Anhöhe gebaut, überblickte das Schloss mit seinen Zinnen das gesamte Tal. Die efeubewachsenen Türme mit den Bogenfenstern hätten aus einem Märchen stammen können. Das Haupthaus selbst war vier Stockwerke hoch, und seine Balkone mit den eisernen Brüstungen vor hohen Flügeltüren luden dazu ein, die frische Abendluft zu genießen. Hinter den Fenstern im Erdgeschoss brannte Licht und zeigte, dass man drinnen noch die Ankunft des Hausherrn und seiner Braut vorbereitete.

Die d’Avilles verdankten ihr Vermögen dem Eisen. Seit Generationen gehörte der Familie eine der renommiertesten Gießereien des Landes, die viele der feinsten Eisengussarbeiten in Paris, London und anderen großen Städten entworfen und ausgeführt hatte. Armand führte die Familientradition weiter, zusammen mit zwei Cousins als Partner. Einer von ihnen war für die Gießereien in England verantwortlich, der andere, Matthieu, kümmerte sich um das Geschäft in Frankreich.

„Beeindruckt?“ Armand stellte den Motor ab und drehte sich im Sitz zu Glenda um.

„Es ist atemberaubend.“

„Ich habe dich nach Luft schnappen hören. Scheinbar hast du vergessen, wie es hier aussieht.“

„Ja.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Zehn Jahre sind eine lange Zeit.“

„Und du kommst als Fremde an diesen Ort zurück, der von nun an dein Zuhause sein wird.“

Zuhause. Dieses Wort hätte sie mit seiner Wärme und Geborgenheit willkommen heißen sollen. Doch in Glenda löste es Ängste aus, die ihr das Blut gefrieren ließen.

„Sei ganz beruhigt“, murmelte Armand jetzt. „Ich werde dir nicht zumuten, direkt heute Abend zum Dinner mit der Familie anzutreten. Sicherlich sehnst du dich nach einem entspannenden Bad. Wir werden das dîner allein einnehmen und uns eine Flasche Puligny-Montrachet aus dem Vorrat meines Großvaters bringen lassen. Er hatte nicht viel für Champagner übrig, sondern zog Wein vor – genau wie ich. Und wie es aussieht, teile ich seinen Geschmack auch, was Frauen angeht.“

Glenda presste die Hände zusammen und fühlte den Druck der Ringe. Goldene Fesseln, das waren sie für sie. „Er hat mich ausgewählt, nicht du. Fühlst du deshalb diesen … Argwohn?“

„Lassen wir die Gefühle doch erst einmal beiseite, chérie, und warten wir ab, wie sich alles entwickelt. Komm, gehen wir hinein.“ Er stieg aus und kam um den Wagen herum, um die Tür für sie aufzuhalten. Ihre Knie zitterten, als sie sich aus dem Sitz erhob. Schließlich stand sie vor der breiten Freitreppe, die zum Eingang des Schlosses hinaufführte.

Armands Blick lag forschend auf ihr, als er ihre Hand nahm. „Wenn der Vogel erst im Käfig den Schnabel aufmacht, ist es zu spät“, zitierte er leise ein französisches Sprichwort.

Also wusste er, wie sie sich fühlte. Ja, sie kam sich wirklich wie ein gefangener Vogel vor.

Ihr Schweigen war Armand Antwort genug. „Wie auch immer“, sagte er, „es ist ein angenehmer, sozusagen ein goldener Käfig. Château Noir gilt allgemein als höchst sehenswert, auch wenn es als Schwarzes Schloss bezeichnet wird.“

„Dabei schimmern die Mauern silbern.“ Glenda sah an einem der Türme hinauf. Von dort oben musste man einen endlos weiten Blick haben.

„Der Name bezieht sich auf die Geschichte des Schlosses“, erwiderte Armand. „Die d’Avilles haben es durch harte Arbeit erworben und nicht etwa, weil Adelsblut in ihren Adern flösse. Der Legende nach hat ein düsterer Baron hier mit seiner Geliebten gelebt, die eine Hexe gewesen sein soll. Als seine Gefühle für sie erkalteten, hat er sie auf den Scheiterhaufen gebracht.“

„Wie schrecklich!“,entfuhr es Glenda.„Stimmt diese Geschichte?“

„So steht es in alten Aufzeichnungen geschrieben, die gefunden wurden, als die d’Avilles das Schloss kauften. Zur Zeit des Barons beherrschte noch der Aberglaube das Land. Es gibt sogar ein Porträt von der jungen Frau. Erinnerst du dich nicht mehr?“

Sie sah ihm ins Gesicht. Das Licht einer Laterne, die an einer Wand in der Nähe hing, fiel auf seine Augen. Augen, die sie neugierig und abschätzend anblickten.

„Es scheint, als hättest du vieles von dem vergessen, was dich bei deinem letzten Besuch so fasziniert hat. Das Bild hing in Großvaters Zimmer, und er sagte noch, dass dieses Mädchen ihn an dich erinnert.“

„An mich!“

„Ja. Auch sie hatte Haar wie Feuer, exotisch schräg stehende Augen und eine Haut wie Porzellan.“

Glendas Mund wurde plötzlich trocken. Als Armand mit der Hand ihr Kinn anhob, erstarrte sie. Er blickte ihr forschend in die Augen. „Ich frage mich schon den ganzen Tag … Wie du selbst gesagt hast, chérie, zehn Jahre sind eine lange Zeit. Nicht nur wir haben uns verändert, sondern auch unsere Gefühle. Damals warst du ein Schulmädchen, den Kopf voll von romantischem Unsinn. Heute bist du eine Frau. Und du hast Angst vor mir, nicht wahr?“

Sie konnte es nicht leugnen, denn er stand so dicht neben ihr, dass er ihr Zittern fühlen musste.

„Hast du mich gegen deinen Willen geheiratet?“, wollte er wissen. „Hat es dich solche Überwindung gekostet?“

„Für dich kann es auch nicht einfach sein“, gab sie zurück. „Eine Frau zu heiraten, die du nicht liebst.“

„Liebe?“ Er verzog spöttisch den Mund. „Ich verstehe viel davon, heißes Eisen in genau die Form zu bringen, die ich mir vorstelle. Das Gleiche werde ich mit dir tun. Bon gré, mal gré!“

„Ob es mir passt oder nicht?“, übersetzte sie. „Was bist du nur für ein Mann?“

Autor

Violet Winspear

Violet Winspear wurde am 28.04.1928 in England geboren. 1961 veröffentliche sie ihren ersten Roman „Lucifer`s Angel“ bei Mills & Boon. Sie beschreibt ihre Helden so: Sie sind hager und muskulös, Außenseiter, bitter und hartherzig, wild, zynisch und Single. Natürlich sind sie auch reich. Aber vor allem haben sie eine große...

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Julia James
Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills & Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen.

Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen...
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