Julia Sommerliebe Band 25

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

MÄRCHENHOCHZEIT AM MITTELMEER von BENNETT, JULES
Jedes Mädchen träumt davon, einmal Prinzessin zu sein. Doch als Victoria ihren besten Freund Prinz Stefan in seinem Palast am Mittelmeer heiratet, ist ihr schwer ums Herz. Denn während sie ihn heimlich liebt, braucht er nur eine Ehefrau, um an die Krone zu kommen …

VERLOCKUNG UNTER GRIECHISCHER SONNE von CONDER, MICHELLE
"Ich soll mit Ihnen nach Griechenland reisen?" Überraschend muss die Kindergärtnerin Lexi ein Wochenende auf der Luxusjacht des Milliardärs Leo Alexandrov verbringen. Natürlich bloß, weil er eine Nanny für seinen Sohn benötigt! Aber dann beginnt Leo sie zu verführen …

HAPPY END AUF DEN BAHAMAS? von NEIL, JOANNA
Sanft wiegen sich die Palmen im Wind, als Alyssa hingebungsvoll in Connors Arme sinkt. Für einen Moment vergisst sie, dass sie auf die Bahamas gekommen ist, um ihr gebrochenes Herz zu heilen. Ein Fehler? Denn ein heißer Flirt ist nicht gerade das richtige Mittel, oder?


  • Erscheinungstag 06.06.2014
  • Bandnummer 0025
  • ISBN / Artikelnummer 9783733705695
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jules Bennett, Michelle Conder, Joanna Neil

JULIA SOMMERLIEBE BAND 25

JULES BENNETT

Märchenhochzeit am Mittelmeer

„Ich brauche nur offiziell eine Ehefrau.“ Prinz Stefan will nicht auf sein Playboyleben verzichten, und so sagt er Victoria klar und deutlich, was er von der Scheinheirat mit ihr erwartet. Doch während er mit ihr in der Öffentlichkeit das verliebte Paar spielt, stürmische Küsse am Strand inklusive, erwachen plötzlich ungeahnte Gefühle in ihm …

MICHELLE CONDER

Verlockung unter griechischer Sonne

Der Milliardär Leo Alexandrov nimmt Lexi mit nach Griechenland, damit sie sich um seinen kleinen Sohn Ty kümmert. Aber unter der heißen Sonne des Südens entbrennt Leos Verlangen mit jedem Moment mehr. Gekonnt verführt er die betörend unschuldige Lexi zu einer leidenschaftlichen Nacht – mehr nicht! Denn den Glauben an die Liebe hat er längst verloren …

JOANNA NEIL

Happy End auf den Bahamas?

Was hat die schöne Fremde in seinem Strandhaus auf den Bahamas zu suchen? Vom ersten Augenblick an ist Connor von Alyssa fasziniert. Und als es nach einem romantischen Spaziergang am Meer immer stärker zwischen ihnen knistert, scheint alles auf eine heiße Affäre hinauszulaufen. Doch dann weist Alyssa ihn unvermittelt zurück …

PROLOG

„Schon mal Nacktbaden ausprobiert?“

Victoria Dane schnappte nach Luft, als Stefan Alexander, Prinz von Galini Isle, sein Hemd auszog. „Ähm…“ Sie sah sich einem beeindruckenden Sixpack gegenüber und schluckte. „Nein. Nein, habe ich nicht.“

Er schlüpfte aus seinen Schuhen.

„Du wirst doch nicht …“

Sein leises Lachen verursachte bei ihr eine Gänsehaut. Mit 15 fühlte sie sich beklommen in der Nähe dieses attraktiven Prinzen, der drei Jahre älter und damit genau genommen schon ein Mann war.

Sie hatten sich rasch angefreundet, seit die Dreharbeiten ihrer Mutter auf seinem Anwesen begonnen hatten. Victoria vermutete, dass es normal war, in den Prinzen verknallt zu sein. Aber würde er sich jetzt tatsächlich komplett ausziehen?

„Allein mache ich das nicht“, sagte er, die Hände auf die schmalen Hüften gestützt.

Ihr Blick wanderte zu seinem Brustkorb. „Du hast ein Tattoo?“

Er grinste jungenhaft. „Das erste von vielen, hoffe ich.“

„Was ist es?“ Sie trat näher, um das Tattoo in Augenschein zu nehmen.

Wäre sie unhöflich, wenn sie es berührte? Wahrscheinlich, also vergrub sie die Hände in den Taschen ihres Strandkleides. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, die schwarzen Linien des Tattoos in Gedanken mit den Fingerspitzen nachzufahren.

„Mein Familienwappen. Ich fand es angemessen, damit zu starten. Außerdem könnte mein Vater wegen des Symbols weniger Einwände haben.“

Die Nachmittagssonne brannte auf sie herab, doch Victoria wusste, dass die Hitze, die sie förmlich verzehrte, nichts mit dem Wetter zu tun hatte. Seit fast zwei Monaten leistete sie ihrer Mutter nun Gesellschaft bei den Dreharbeiten. Von Anfang an hatte die Chemie zwischen Stefan und ihr gestimmt. Er sah in ihr wohl eine kleine Schwester und hatte keine Ahnung, dass sie dabei war, sich in ihn zu verlieben.

Die Jungs zu Hause waren völlig anders als er.

„Hat dein Vater es schon gesehen?“, erkundigte sie sich, wobei sie das Tattoo zum Vorwand nahm, um weiter auf Stefans Brust zu starren.

„Nein. Seit ich es vor zwei Wochen machen ließ, habe ich in Dads Nähe immer ein Hemd getragen. Er wird ausrasten, aber es lässt sich nicht rückgängig machen, also kann er wenig ausrichten.“

Victoria schlenderte zum Pool, setzte sich an den Beckenrand und baumelte mit den Füßen im kühlen Wasser. „Du bist so entspannt, wenn du Regeln brichst und dich Leuten widersetzt. Machst du dir keine Sorgen, dass du eines Tages ernsthafte Schwierigkeiten kriegst?“

„Schwierigkeiten?“ Lachend setzte er sich neben sie. „Vor denen habe ich keine Angst. Ich will ich selbst sein und mein Leben so leben, wie es mir gefällt. Nicht beherrscht werden von dem, was andere richtig finden. Wer kann schon beurteilen, was richtig oder falsch für mich ist?“

Sie bewunderte seine zupackende Art, das Leben anzugehen. Darin erinnerte er sie an ihren Bruder, Bronson. „Fällt das für dich nicht unter Lügen? Ich meine, du wusstest doch, dass du dich tätowieren lassen würdest. Warum hast du es deinem Dad nicht einfach gesagt?“

Stefan sah sie an. Der Blick aus seinen strahlend blauen Augen hielt den ihren fest. „Lügen durch Weglassen zählt für mich nicht.“

„Also, für mich schon. Vielleicht ist das ein kultureller Unterschied.“

Er tauchte eine Hand ins Wasser und spritzte Victorias bloße Oberschenkel nass. Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken.

„Ich denke, der Unterschied liegt darin, ob man brav ist oder das tut, was einem gefällt“, meinte er leichthin. „Was ist jetzt mit dem Nacktbaden?“

„Du weißt doch, ich bin brav. Kein Nacktbaden für mich.“ Lächelnd legte sie ihm eine Hand auf den Rücken und schubste ihn in den Pool.

1. KAPITEL

Jedes Mädchen träumt von einer Märchenhochzeit. Die lange weiße Schleppe, die von Pferden gezogene Kutsche, der große schöne Prinz mit der ordensgeschmückten Brust und der blauen Schärpe, die genau zu seiner Augenfarbe passt.

Victoria Dane lebte dieses Märchen zwar nicht, doch sie hatte den ehrenvollen Auftrag, das königliche Brautkleid zu entwerfen. Millionen würden dieses Kleid sehen, wenn die künftige Königin von Galini Isle es trug.

Zugegeben, das Kleid zu entwerfen, konnte nicht annähernd damit konkurrieren, Königin zu werden.

„Victoria.“

Als sie die vertraute Stimme ihres Freundes hörte, wandte sie sich vom atemberaubenden Blick auf das smaragdfarbene Meer ab. Wie es in diesem Land Brauch war, begrüßte sie den Prinzen mit einer leichten Verbeugung.

Er hatte sein enges schwarzes T-Shirt in die Designerjeans gesteckt. Viele Menschen hätten sich nur schwer vorstellen können, dass Prinz Stefan Alexander – Besitzer eines auffällig blauen Augenpaares und eines neuen Tattoos, das unter einem Ärmel auf einem beeindruckenden Bizeps hervorlugte – als Nächster dieses schöne Land regieren würde.

Seine Muskeln schienen zwischen jeder ihrer Begegnungen zu wachsen. Kein Wunder, Stefan kletterte leidenschaftlich gern. Ja, das würde ein tolles Bild abgeben. Ein starker griechischer Gott, der mit freiem Oberkörper hoch über dem Boden an einem Fels hing …

Die Frau, die ihn heiraten würde, konnte sich glücklich schätzen. Victoria hätte gelogen, wenn sie abgestritten hätte, in ihrer Fantasie schon einmal jene Frau gewesen zu sein, die Prinz Alexander endlich zähmte. Doch im wirklichen Leben hatte sie seine unschätzbare Freundschaft nicht aufs Spiel setzen wollen.

Mit den starken Armen, die sie während der letzten paar Jahre vermisst hatte, zog er sie an sich. Die warme einladende Umarmung war ein Band, das Telefonate und E-Mails nicht ersetzen konnten.

„Prinz Alexander“, sagte sie, während sie seine Umarmung erwiderte.

„Nenn mich nicht so.“ Sein Lachen machte sie noch aufgeregter, als sie nach der langen Trennung ohnehin war. „Und um Himmels willen verbeuge dich nicht. Unser letztes Treffen liegt eine Weile zurück, aber das heißt nicht, dass ich ein königlicher Snob geworden bin.“

„Es ist so schön, dich zu sehen.“ Sie trat zurück und blickte ihm in die Augen. „Als du mir am Telefon von deiner Hochzeit erzählt hast, bin ich aus allen Wolken gefallen. Deine Braut muss außergewöhnlich sein.“

„Die wichtigste Frau in meinem Leben.“ Er hob ihre Hand zu seinen Lippen.

Ein Märchenprinz konnte Stefan nicht das Wasser reichen. Eifersucht keimte in Victoria auf, weil eine andere Frau in sein Leben treten würde … Nicht nur kommen und gehen, wie all die anderen weiblichen Wesen.

Er deutete auf die Sitzecke mit den orangefarbenen Kissen. „Wollen wir über meine schöne Braut reden?“

Mit einem Nicken entließ er seine Assistenten. Ein Mann in seiner Position und mit seiner Macht brauchte dafür keine Worte. Für Victoria war er allerdings noch immer jener verwegene Teenager, der sie zum Nacktbaden im königlichen Pool überreden wollte – während eine Dinnerparty im großen Ballsaal stattfand.

„Ich habe einige Entwürfe mitgebracht, damit deine Verlobte und du einen Blick darauf werfen könnt.“ Sie legte ihre Mappe auf den Tisch und schlug sie auf. „Wenn es deiner Braut lieber ist, kann ich Stilrichtungen kombinieren oder mir etwas völlig anderes überlegen. Es sind klassische Entwürfe, allerdings mit eigenen Akzenten. Jedes dieser Kleider würde einer künftigen Königin gut stehen.“

„Du wirst zweifellos das perfekte Kleid schneidern.“ Er legte seine Hand auf ihre, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Wie schön, dass du hier bist, Victoria. Du hast mir gefehlt.“

Sie lächelte zurück, unfähig, ihre Nervosität wegen des Wiedersehens und auch wegen der Tatsache, dass Stefan endlich die große Liebe gefunden hatte, zu verbergen. Ihr waren schon Zweifel gekommen, ob ihm das jemals gelingen würde. Früher einmal hatte sie gewünscht, seine große Liebe zu sein, aber ihre Freundschaft war wichtiger. Als seine beste Freundin freute sie sich, weil er so glücklich und verliebt war. Sie brauchte dieses gute Beispiel, dass nicht alle Männer ihre Heiratsversprechen brachen.

„Es ist mir ein Vergnügen, das Kleid zu entwerfen. Außerdem haben wir auf diese Weise einen Grund, uns trotz der vielen Termine zu sehen.“ Victoria strich sich die langen Haare über die Schulter zurück. „Telefonate sind nicht dasselbe.“

„Nein, sind sie nicht.“

Er lächelte sexy, beinahe herausfordernd. Dieser Mann war in der Tat der Inbegriff eines Prinzen. Das T-Shirt schmiegte sich um seine breiten Schultern und die durchtrainierten Oberarme. Victoria fragte sich, was das neue Tattoo darstellte. Wie sie Stefan kannte, würde er bald einen Grund finden, um sein Hemd auszuziehen. Er hatte sich im Laufe der Jahre verändert, und zwar ausnahmslos an den richtigen Stellen. Klettern tat dem Körper offensichtlich gut.

„Beeindruckend“, sagte er, während er in den Skizzen blätterte. „Hast du sie selbst gemacht, oder arbeitest du mit einem Team?“

Stolz meldete sich in Victoria. Sie mochte eine der gefragtesten Designerinnen sein, widmete aber jeder Kundin ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Auch hörte sie gern Lob für ihre Arbeit … Vor allem von so einem guten Freund.

„Ich habe ein kleines Team, aber diese Entwürfe stammen von mir. Als es um deine Braut ging, war ich egoistisch.“ Sie legte ein Blatt beiseite, um Stefan die übrigen Entwürfe zu zeigen. „Dieses Kleid gefällt mir am besten, wegen seiner klaren Linien, des Ausschnitts und der Korsage. Klassisch und doch sexy.“

Fast wie jenes Kleid, das sie für ihre eigene Hochzeit entworfen hatte. Natürlich war das sechs Monate, etliche hämische Zeitungsartikel und einen niederschmetternden Liebeskummer her. Damals hatte ihr Verlobter, ein aufstrebender Schauspieler, beschlossen, Victoria öffentlich zu erniedrigen. Mit Stefan und seiner Verlobten zu arbeiten, würde sie daran erinnern, dass es doch noch Happy Ends gab.

Als Teenager war sie von dem Jungen mit der goldfarbenen Haut und dem verwegenen Lächeln hin und weg gewesen, um es milde auszudrücken. Doch rasch hatte sich eine Freundschaft entwickelt, die die Jahre überdauerte. Fantasien waren gekommen und gegangen … Und wieder gekommen, wenn sie sich ausmalte, wie Stefan ihr einen Antrag machte und ihr seine heimliche endlose Liebe gestand. Kleinmädchenträume halt. Außerdem hatte er stets eine oder zwei Gespielinnen gehabt.

„In diesem Kleid würdest du wunderschön aussehen.“

Mit einer abrupten Kopfbewegung schüttelte Victoria ihre Gedanken ab und wandte sich Stefan zu.

„Entschuldige. Ich weiß, deine eigene Verlobung liegt noch nicht lange zurück, aber …“

Sie stellte sich kerzengerade hin. „Nein, schon okay. Lass uns nicht davon reden. Ich möchte mich viel lieber auf dein Glück konzentrieren.“

Stefan legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie tröstend. „Ich bin nach wie vor dein Freund. Mir ist klar, dass du am Telefon nicht näher darüber reden wolltest, weil mein Vater gerade gestorben war. Aber jetzt bist du hier, und wenn du jemanden zum Anlehnen brauchst, stehe ich dir zur Verfügung.“

Eine wohlige Wärme durchströmte sie. Neben ihren Brüdern war dies der dritte Mann, auf den sie sich stets hatte verlassen können. Auch, als sie älter geworden waren und viel arbeiteten, hatte sie gewusst, dass Stefan immer für sie da war.

„Vielleicht komme ich auf dein Angebot zurück“, sagte sie lächelnd. „Aber jetzt geht es um dich.“

Weil sie an ihren Beruf und diese Freundschaft denken wollte statt an die erlittene Demütigung, ließ sie ihren Blick über die Skizzen wandern. „Ein Kleid soll bewirken, dass eine Frau sich schön und anziehend fühlt. Diese Schönheit wollte ich ausdrücken, mit der Andeutung eines Märchens. Wenn ich die Kundin nicht persönlich kenne, ist das Entwerfen etwas schwieriger, darum habe ich ganz unterschiedliche Vorschläge für deine Verlobte mitgebracht. Wann kommt sie denn an?“

Er lehnte sich mit einer Hüfte an den Tisch und lächelte. „Sie ist schon hier. Ich möchte dir etwas vorschlagen, Victoria.“

Gespannt legte sie eine Hand auf die Tischplatte. „Was denn, Eure Hoheit?“

„Du machst dich über mich lustig.“ Stefan lachte leise.

„Überhaupt nicht“, schwindelte sie, froh, wie selbstverständlich sie zu dem Geplänkel von früher zurückfanden. „Du hast eben bloß so ernst geklungen. Wie lautet dein Vorschlag?“

Er fasste ihre Hände und schaute ihr in die Augen. „Es hat mit meiner Verlobten zu tun … Irgendwie.“

Oh nein. Sie kannte diesen Blick. Jenen frechen listigen Blick, mit dem Stefan sie früher als Komplizin hatte gewinnen wollen. Zum Beispiel, um bei einem Wohltätigkeitsball seine Freundin zu mimen, weil eine hartnäckige Dame sein Nein nicht akzeptierte. Das mulmige Gefühl in Victorias Magen wurde stärker. Dieser Mann führte etwas im Schilde.

„Stefan.“ Sie löste ihre Hände aus seinem Griff und rieb sie aneinander. „Sag mir, dass deine Verlobte existiert und du tatsächlich heiraten wirst.“

„Ich werde heiraten, und es gibt eine Verlobte.“ Er strahlte Victoria an. „Dich.“

Stefan erwartete die Antwort auf seinen unvermittelten Heiratsantrag. Er hatte etwas mehr Finesse an den Tag legen wollen, doch die Zeit lief ihm davon, und er konnte es sich nicht leisten, die Hochzeit im traditionellen Sinne anzugehen. Nichts an dieser Situation war traditionell.

Victoria legte die Hände an ihre Schläfen, als wollte sie den Spannungskopfschmerz wegmassieren … In letzter Zeit hatte auch Stefan solche Momente erlebt. Nie hatte er sich als Mann einer einzigen Frau gesehen. Der Gedanke ließ ihn jedes Mal erschauern.

„Entschuldige, dass ich dich hineinziehe. Im Augenblick kann ich keinem anderen Menschen trauen.“ Er hoffte inständig, die richtigen Worte zu finden, damit Victoria begriff. Immerhin war sie noch dabei, sich von einer hässlichen Trennung zu erholen.

Sie war stets so eine gute Freundin gewesen. Unzählige Male hatten sie mitten in der Nacht telefoniert. Victoria erzählte von ihren Träumen, Stefan hörte zu und hoffte, dass diese Träume eines Tages in Erfüllung gingen. Jetzt konnte er vielleicht etwas nachhelfen.

„Warum brauchst du mich plötzlich?“, fragte Victoria.

„Galini Isle fällt an Griechenland zurück, wenn ich nicht heirate und König werde. Mein Bruder scheidet aus, weil er eine geschiedene Frau geheiratet hat und die verflixten Gesetze altertümlich sind. Ich werde alles tun, um dieses Land in meiner Familie zu halten und meine Landsleute nicht zu enttäuschen. Ich will meinen Titel, aber keine Ehefrau. Leider gibt es kein Schlupfloch.“

Victoria sank auf einen Sessel. „Warum ausgerechnet ich?“

„Eine Ehefrau brauche ich nur offiziell. Ich kann nicht zulassen, dass mein Land an Griechenland zurückfällt. Es ist seit Generationen im Besitz meiner Familie. Ich darf nicht versagen.“

„Das ist doch verrückt“, murmelte sie kopfschüttelnd.

Stefan machte einen Schritt auf sie zu. „Neulich gab es einen Skandal in deinem Leben. Zeig diesem Verlobten, der dich sitzen gelassen hat, und den Medien, die deinen Schmerz ausgebeutet haben, dass du stark bist. Wie könntest du besser beweisen, dass du darüber hinweg bist, als durch die Hochzeit mit einem Prinzen?“

„Ist das dein Ernst?“ Fragend blickte sie zu ihm hoch. „Würde man uns das glauben? Wir sind seit Jahren nicht zusammen in der Öffentlichkeit aufgetreten.“

Er setzte sich neben Victoria auf einen schmiedeeisernen Stuhl. „Meine Landsleute wissen nicht, wer meine Braut ist. Nur, dass es eine Hochzeit geben wird. Ich war sehr verschwiegen, was die Romanze noch geheimnisvoller macht.“

Romanze. Das war so ziemlich das Letzte, woran er jetzt dachte. Konnte er nicht einfach die Krone haben? Schließlich war er der Prinz! Zählte das denn gar nicht? Warum brauchte er eine Ehefrau, um König zu werden?

„Sobald sie dich sehen, werden sie wissen, warum ich die Verlobung nicht an die große Glocke gehängt habe“, fuhr er fort, um Victoria davon zu überzeugen, dass es keine andere Option gab.

Verdammt, er hasste es, verletzlich zu sein und in eine Ecke gedrängt zu werden. Er hasste es auch, Victoria in Verlegenheit zu bringen.

Sie lachte. „Und ich dachte schon, du würdest dich von deiner romantischen Seite zeigen.“

„Du bist eine der bekanntesten weiblichen Singles Hollywoods. Ich werde erklären, dass ich dich vor weiterem Aufsehen bewahren wollte und wir beschlossen haben, unsere Liebe erst am Hochzeitstag zu zeigen. Außerdem existieren etliche alte Fotos von uns beiden. Die Medien haben schon eine Verlobung gewittert, als ich dir zum 21. Geburtstag die Kette mit den Diamanten geschenkt habe. Der Hintergrund ist also da. Die Medien werden sich darauf stürzen.“

„Oh, Stefan.“ Sie seufzte. „Das ist so eine wichtige Entscheidung. Du kannst nicht erwarten, dass ich jetzt sofort antworte.“

Er lehnte sich zurück und nickte. „Ich bitte dich nur um sechs Monate, Tori. Nach meiner Krönung wird das Land wieder sicher in den Händen meiner Familie sein.“

„Und dann?“

Stefan zuckte die Schultern. Für ihn zählte vorläufig nur, zu heiraten und König zu werden. „Du kannst mit mir verheiratet bleiben oder die Ehe beenden. Die Entscheidung liegt bei dir. Wer weiß, vielleicht gefällt es dir, Königin zu sein.“

Er war zwar ein Playboy, doch er konnte sich viele schlimmere Dinge vorstellen, als mit der atemberaubenden Victoria Dane verheiratet zu sein, die jetzt auf das Meer hinausschaute. Ihre Schönheit war außergewöhnlich und überraschend natürlich. Victoria stammte aus einem Land, in dem Chirurgen für Perfektion sorgten, und wirkte viel attraktiver als die unechten Silikonanhängerinnen, die Stefan kannte. Er hatte großes Glück, dass sie zu seinem Leben gehörte.

Mit einem leisen Lachen blickte sie Stefan an. „Etwas Abwegigeres habe ich noch nie gehört. Du nimmst eine ernste Sache wie eine königliche Hochzeit, bei der die neuen Regenten deines Landes eingesetzt werden, und machst daraus eine … eine Lüge. Meine Güte, Stefan, damit setzt du unsere Freundschaft wirklich unter Druck. Weißt du, wie riskant das ist? Ich will dich nicht verlieren.“

Ernst lehnte er sich vor. „Du könntest mich nie als Freund verlieren. Würde ich das vermuten, hätte ich dich nicht gefragt. Betrachte es als ausgedehntes, längst überfälliges Wiedersehen. Ich brauche eine Frau, bei der ich sicher sein kann, dass sie nicht im letzten Moment kneift oder auf Geld aus ist.“

„Warum fragst du mich erst jetzt?“

„Offen gestanden dachte ich, es gäbe einen anderen Weg.“ Er hatte nun wirklich nichts unversucht gelassen. „Es gibt keinen. Als ich das erkannte, wusste ich, dass mir nur eine Chance bleibt. Du bist der einzige Mensch, dem ich bei etwas so Persönlichem und Wichtigem vertraue.“

„Ich würde alles für dich tun, das weißt du, aber du verlangst viel. Was ist mit deinen Landsleuten? Werden sie nicht enttäuscht sein, wenn wir uns scheiden lassen? Und was passiert nach deiner Krönung? Bleibst du der Regent?“

„Die Menschen werden nicht enttäuscht sein“, versicherte Stefan. „Ich werde ihr Regent bleiben und die Geschicke des Landes leiten. Allerdings brauche ich dazu den Titel. Und da kommst du ins Spiel.“

„Du hast es gut durchdacht, nicht wahr?“ Victoria schlug die Beine übereinander und beugte sich ein wenig in Stefans Richtung. „Sicher erwartest du nicht, dass ich mein Leben für ein halbes Jahr auf Eis lege. Ich bin eine viel beschäftigte Frau.“

Ihre Neigung, Ziele ebenso hartnäckig zu verfolgen, wie er selbst es tat, hatte ihm schon immer imponiert. Ganz abgesehen davon, dass Victoria Stil besaß und mehr als sexy war.

Genau wie damals als 18-Jährigen zog sie ihn auch heute noch unwiderstehlich an. Er wollte sie auf eine Weise, die über Freundschaft hinausging. Vor Jahren hatte er versucht, die Beziehung in Richtung Sex zu lenken, doch Victoria hatte ihn nicht ernst genommen. Um sein Ego zu schützen, hatte Stefan getan, als wäre es tatsächlich nur ein Witz gewesen. Als er den zweiten Versuch starten wollte, hatte sie einen festen Freund gehabt. Jetzt war sie frei.

„Ich weiß, dass du viel zu tun hast, und ich will dir dein Leben nicht wegnehmen. Allerdings möchte ich dir etwas anbieten.“ Er nahm ihre Hand in seine. „Du kannst der Welt zeigen, dass du nicht die arme, gedemütigte Frau bist, die manche Medien aus dir gemacht haben. Keine Frau, die im Schatten ihrer Brüder steht und von ihrem Verlobten sitzen gelassen wurde. Wenn du mitmachst, kannst du nicht nur dein Hochzeitskleid entwerfen, sondern auch die Brautkollektion auf den Markt bringen, mit der du schon länger liebäugelst. Es wird dir in jedem Fall nutzen, Königin zu sein.“

Ihr Blick glitt wieder zum Meer. Bald würde die Sonne untergehen. Stefan wusste, dass dies vermutlich der am wenigsten romantische Antrag aller Zeiten war. Doch der innere Kampf, den Victoria offensichtlich ausfocht, zeigte, dass sie das Angebot wenigstens in Erwägung zog.

„Ich kann förmlich sehen, wie deine grauen Zellen arbeiten“, bemerkte er. „Wir profitieren beide von dieser Sache.“

„Deine Einstellung ist nicht besonders griechisch. Seid ihr nicht dafür bekannt, dass es bei euch immer um Liebe geht?“

Lachend drückte er ihre Hand. „Ich glaube, du weißt, wie leidenschaftlich ich werden kann, wenn ich etwas will.“

Sie schaute hinunter auf ihre Hand, die in Stefans Hand ruhte. Seine olivfarbene Haut bildete einen Kontrast zu ihrer eigenen hellen. Victoria hob den Kopf und blickte Stefan in die Augen. In dieser Sekunde wusste sie, dass sie ihn nicht enttäuschen würde.

„Du warst schon immer entschlossen“, flüsterte sie. „Genau wie ich. Nachdem ich in aller Öffentlichkeit erniedrigt wurde, habe ich alles darangesetzt, mich aufzurappeln und mein Leben in die Hand zu nehmen.“

Stumm wartete er auf die Worte, die ihm zeigen würden, dass er am Ziel war.

„Wer soll eigentlich wo schlafen?“, fragte Victoria mit großen Augen.

Er grinste belustigt. „Du lebst in Hollywood, wo die Sünde so reichlich fließt wie der Wein in meinem Land, und errötest beim Gedanken daran, das Bett mit mir zu teilen? Kein Kompliment für mich.“

Ihm war bewusst, dass er seine Besucherin überrumpelt hatte. Weiter mochte er sie nicht drängen. Ja, er begehrte sie seit Jahren, aber er wollte, dass sie zu ihm kam. Sie sollte erkennen, dass im Schlafzimmer etwas Spektakuläres zwischen ihnen passieren könnte.

Mit dem Daumen streichelte er die zarte Haut auf ihrem Handrücken. „Wir werden ein Zimmer teilen müssen, um das Personal im Glauben zu lassen, dass alles mit rechten Dingen zugeht.“

Das Herz schlug ihr heftig gegen die Rippen. Unwillkürlich sah sie sich mit Stefan zwischen zerwühlten Satinlaken in einem breiten Bett liegen. Sie wusste, dass die olivfarbene Haut Teil seiner Herkunft war und nicht von Sonnenbädern am Pool stammte. Also sah Stefan am ganzen Körper so goldbraun aus. Es gab Gerüchte über versteckte Tattoos – manche hatte sie gesehen, andere nicht. Dieser Mann strahlte Rätselhaftigkeit und Sex aus.

„Ich weiß nicht“, murmelte sie. „Ich habe Angst, dass sich alles zwischen uns ändert.“

„Es wird uns besser gehen als je zuvor“, beteuerte Stefan mit einem geradezu verstörend attraktiven Lächeln. „Wir waren zu lange getrennt. Jetzt sollten wir uns einfach auf die Tatsache konzentrieren, dass wir zusammen sein werden, wie früher. Ich brauche dich, Tori.“

Sollte sie wirklich einen weiteren Skandal riskieren? Und ihre Freundschaft aufs Spiel setzen? Ja. So viel bedeutete er ihr. Sie wusste, dass er im umgekehrten Fall nicht zögern würde, ihr zu helfen. Außerdem gehörte sie zu den berühmten Danes aus Hollywood, Skandale waren ihr also nicht neu. Seit Jahren stand sie als Schwester der beiden mächtigsten Produzenten Hollywoods und Tochter der Schauspielerin Olivia Dane im Rampenlicht. Skandale waren für ihre Familie nichts Neues.

Auch Stefans Familie hatte Erfahrungen damit gesammelt, als seine Mutter vor Jahren gestorben war. Die Loyalität seiner Familie und seinem Land gegenüber machte es zu seinem obersten Ziel, die Krone zu erlangen. Mit Loyalität der Familie gegenüber kannte Victoria sich aus.

Je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr Stefans Antrag. Natürlich reizte sie die Aussicht, der Welt zu zeigen, dass sie sich nicht unterkriegen ließ, sondern ganz oben mitmischte – mit einem sexy Prinzen obendrein.

Als Alex ihr einen Ring angesteckt hatte, war sie entschlossen gewesen, eine glückliche Ehe wie ihre Eltern und Brüder zu führen. Victoria wollte kein Mitleid. Sie wollte nicht, dass die Leute sie ansahen, als würde sie zusammenbrechen, wenn sie die geplatzte Verlobung erwähnten. Leider taten Verwandte und Freunde genau das. Stefan hingegen sprach das Thema offen an. Er behandelte sie nicht wie eine verwelkte Blume, sondern wie eine Frau, die zäher war, als die meisten Menschen glaubten.

Victoria wollte jedem, auch sich selbst, beweisen, dass ihre Mutter und ihre Überflieger-Brüder nicht die Einzigen waren, die mit Widrigkeiten fertigwurden.

Sie wusste, dass Stefan und sie einander unterstützen konnten … Genau wie immer. Dieses Arrangement war bloß ein paar Nummern größer als alles, was sie bisher zusammen erlebt hatten.

Vielleicht war Stefans Antrag tatsächlich die Lösung. Kein Mitleid mehr. Alle würden sehen, dass es ihr bestens ging und sie ihr Leben im Griff hatte. Außerdem könnte sie die Aufmerksamkeit in der Tat für ihre Brautkollektion nutzen. Wie ließ sich das wohl besser anstellen, als das Kleid für die königliche Hochzeit zu entwerfen und es zu tragen?

„Du denkst zu viel“, sagte Stefan scherzhaft. „Verlass dich auf dein Gefühl, Victoria. Du weißt, dass es funktionieren wird. Dir wird nichts geschehen, dafür sorge ich.“

Sie blickte ihm in die leuchtenden Augen. Ja, er würde alles tun, um sie vor Kummer zu schützen. Das machte seinen Antrag umso reizvoller.

Kein Zweifel, dieser Mann war überaus sexy. Seit Jahren nannten die Medien ihn „Griechischer Playboy-Prinz“. Allerdings war Alex ebenso attraktiv und frech gewesen … Bis er gestanden hatte, dass er sie ausgenutzt hatte, um mit ihrem Nachnamen seine Schauspielkarriere voranzutreiben. Natürlich war die Wahrheit erst herausgekommen, nachdem er eine andere Frau geschwängert hatte und die Verlobung lösen musste.

Wie konnte sie nur hier sitzen und die beiden Männer vergleichen? Alex war es nicht wert, dass sie einen einzigen Gedanken an ihn verschwendete, während Stefan ihr alles bedeutete.

Noch einmal blickte Victoria ihm in die Augen. Beinahe hätte sie gelacht. Er hatte unverblümt mit ihr geredet, weil er nun mal ein echter Freund war. Sein Vorschlag unterschied sich komplett von dem, was Alex ihr angetan hatte. Was konnte sie Stefan abgesehen von dieser Hochzeit bieten, das er sich nicht selbst beschaffen konnte? Wie konnte sie ihn abweisen, wenn sie wusste, dass er in einem Dilemma steckte und nur ihr traute?

„Ich würde von dir erwarten, dass du mir treu bist“, sagte sie.

„Du wirst meine ungeteilte Aufmerksamkeit haben, das versichere ich dir.“

Victoria schob die Zweifel beiseite und beschloss, ihre Vorsicht über Bord zu werfen. Sie lächelte. „Es wäre mir eine Ehre, dich zu heiraten, Stefan.“

2. KAPITEL

Stefan hatte Victoria eingeladen, im Palast zu bleiben, damit sie Zeit zu zweit hatten. Sie mussten versuchen, sich wie ein Liebespaar zu geben. Die Medien würden merken, wenn das künftige Königspaar wirkte, als würde es sich unwohl miteinander fühlen. Jeder Blick, jede Berührung musste authentisch aussehen.

Ihm würde es nicht schwerfallen, so zu tun, als sei er hingerissen von Victorias Schönheit. Ihre Eleganz hatte seit der letzten Begegnung noch zugenommen. Stefan war überaus dankbar, dass sie seinen Antrag angenommen hatte.

Mit dem königlichen Fotografen im Schlepptau zeigte er ihr das Anwesen. Schnappschüsse entstanden, während sie auf Pferden ritten, sich unter rankenden Blumen aneinanderschmiegten und am Privatstrand spazierten. Die Fotos würden nützlich sein, wenn die Medien sich auf Stefans Romanze mit der nächsten Königin von Galini Isle stürzten. Er bat den Fotografen, Victorias Gesicht unkenntlich zu machen, um eine mysteriöse Aura zu schaffen. Früher war er gern bereit gewesen, die Frauen an seiner Seite vorzuzeigen, doch Victoria schirmte er ab.

Ihre Anwesenheit machte ihn glücklich. Er genoss es, sie in den Armen zu halten, mit ihr zu lachen oder abends lange mit ihr zu plaudern. Nie wieder würde er so viel Zeit zwischen einem Treffen und dem nächsten verstreichen lassen, schwor er sich – falls Victoria denn wirklich nach sechs Monaten abreiste.

Sie riss ihn aus seinen Überlegungen, als sie auf dem Balkon seiner Suite erschien. Stefan hatte das Personal angewiesen, alles für ein privates Abendessen vorzubereiten. Jetzt stockte er. Das unterschwellige Verlangen, das er seit jeher für Victoria empfand, wurde heftiger, je mehr Zeit sie miteinander verbrachten.

Ja, er brauchte Victoria, um sein Land zu behalten, doch er war kein Narr. Er wollte seine Verlobte davon überzeugen, was für eine großartige Idee es war, mehr als Freunde zu sein. Auf keinen Fall würde er diese Gelegenheit sausen lassen. Zwar mochte er nicht bereit sein für eine „richtige“ Ehe, doch es war höchste Zeit, dass Victoria ihn in einem neuen Licht sah.

Vorläufig musste er seine Gedanken und Gefühle allerdings für sich behalten. Sie hatte garantiert keinen Bedarf an einem neuen Liebesabenteuer. Abgesehen davon, dass sie ihn rettete, hatte sie gerade eine geplatzte Verlobung hinter sich mit einem Mistkerl, der nicht ahnte, welchen Schatz er aufgab.

Stefan hatte sofort zum Telefon gegriffen, als die Trennung publik geworden war, doch Victoria hatte in der ihr typischen Art versichert, sie sei okay. Verletzt und wütend, aber sie komme klar.

Als er sie jetzt anschaute, stellte er fest, dass sie eindeutig mehr als okay war. Sie trug ein langes trägerloses Kleid, schlicht und doch elegant. Der eisblaue Chiffon schmiegte sich so verheißungsvoll um ihren schlanken Körper, dass Stefans Fingerspitzen kribbelten, weil er Victoria berühren wollte. Jahre der Freundschaft hielten ihn ebenso davon ab wie die Tatsache, dass zwischen ihnen nie etwas Intimes gelaufen war.

„Wunderschön siehst du aus.“ Er streckte ihr eine Hand entgegen und war froh, als sie sie ergriff. „Du wirst die perfekte Königin sein.“

Ihr Lächeln war echt, doch ihr Blick glitt sofort zu dem Angestellten im schwarzen Frack. „Ich hatte gehofft, allein mit dir zu sein.“

Obwohl er genau diese Worte hören wollte, wusste er doch, dass Victoria nur reden wollte. Er drückte ihre Hand und nickte seinem Mitarbeiter zu, der den Balkon prompt verließ.

Victoria lachte. „Es passiert schon zum zweiten Mal, dass du nickst und jemand tut, was du willst. Bist du sicher, dass dir dein Prinzendasein und die Aussicht auf die Königskrone nicht zu Kopf steigen?“

Stefan zuckte die Schultern und führte seine Verlobte zum gedeckten Tisch. „Sie kennen meine Bedürfnisse, also sind Worte meist überflüssig. Außerdem verbringe ich meinen Abend viel lieber mit meiner atemberaubenden Verlobten als mit langweiligen Angestellten. Mein Titel bringt viele Pflichten mit sich. Wenn ich frei habe, will ich bei dir sein.“

„Donnerwetter, ich rangiere eine Stufe über Langeweile und Pflichten. Wie charmant. Wundert mich nicht, dass du keine andere Frau dazu kriegen konntest, dich zu heiraten.“ Sie tätschelte seinen Arm und seufzte. „Ich hoffe nur, dass meine Familie Verständnis für meine Entscheidung hat.“

„Wir dürfen niemandem verraten, dass diese Ehe nur auf dem Papier existiert.“ Um Victoria klarzumachen, wie wichtig es war, drehte Stefan sie so, dass sie ihm in die Augen schauen musste. „Ich darf meinen Titel nicht wegen eines Versprechers gefährden.“

Er kannte das starke Band zwischen ihr und ihren Angehörigen und wusste, dass sie ihrer Familie die Wahrheit sagen wollte, doch er musste sie warnen. Außer seinem Bruder war niemand eingeweiht.

„Ich muss es meiner Mutter sagen“, beharrte Victoria. „Vertrau mir. Sie wird ahnen, dass etwas im Gange ist, und uns löchern, bis sie alles weiß. Außerdem hat sie dich immer gemocht.“

„Als Freund schon“, stimmte er zu und lachte. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich als Schwiegersohn will.“

„Nun, sie hält dich für einen Playboy, und von deinen Tattoos ist sie nicht gerade begeistert. Aber sie mag dich wirklich, Stefan. Außerdem weiß sie, wie viel mir an dir liegt.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Was ist mit deinen Brüdern?“

„Denen kann ich auch keine Lüge auftischen. Du weißt doch, meine Familie versteht bestens, was passieren kann, wenn Geheimnisse keine Geheimnisse bleiben.“

Stefan spürte, dass Victoria es sich nicht leicht machte, in diesem Punkt aber unnachgiebig bleiben würde. Er nickte. „Wenn du versprichst, dass es im engsten Familienkreis bleibt, bin ich einverstanden. Ich vertraue deinen Verwandten genauso wie dir.“

„In Ordnung.“ Sie sah, wie Stefan aufatmete und die Anspannung aus seinen Schultern wich. „Meine Mutter wird die stille Beobachterin spielen, aber meine Brüder werden Theater machen, vor allem wegen der Geschichte mit Alex.“

Mit Victorias Brüdern wollte er ohnehin sprechen, um ihnen ein Geschäft vorzuschlagen. Eine Dokumentation, die den Namen seiner Eltern in Bezug auf den Tod seiner Mutter reinwaschen sollte. Manche Leute dachten, seine Mutter habe Selbstmord begangen. Andere glaubten, Stefans Vater habe sie umbringen lassen. Beides war absurd. Stefan wollte seine Regentschaft ohne Schatten auf dem Ruf seiner Familie antreten. Gleichzeitig wollte er Victorias Brüdern versichern, dass er seine Verlobte vor weiterem Kummer bewahren würde.

„Hätte ich eine Schwester, würde ich gut auf sie achtgeben. Ich komme mit deinen Brüdern zurecht, glaub mir.“ Stefan machte einen Schritt auf Victoria zu. Jetzt nahm er ihren schlanken Körper und ihren vertrauten blumigen Duft noch intensiver wahr. Prompt warf er sich vor, ein Dummkopf zu sein, der sich selbst folterte. Dennoch konnte er nicht anders, denn er brauchte diese Nähe, die nur Tori ihm geben konnte.

Er redete sich ein, er mache es nur, um sich daran zu gewöhnen, diese „Beziehung“ echt wirken zu lassen. In Wirklichkeit wollte er seine Verlobte berühren, sie küssen … und ausziehen. Vor seinem inneren Auge stiegen aufregende Bilder auf. So vieles war möglich. Er hatte Jahre gewartet, um eine Chance bei ihr zu haben, und nun fühlte er sich nervös wie eine Jungfrau in der Hochzeitsnacht.

Na pari i eychi. Verdammt. Zuletzt war er Victoria vor zwei Jahren in Los Angeles bei einer Ausstellung zugunsten einer Stiftung für Kinder begegnet. Stefan hatte es kaum erwarten können, sie zu verführen. Dann hatte sie ihm jedoch einen aufstrebenden Schauspieler vorgestellt, mit dem sie seit Kurzem ausging. Die Sache schien ernst zu sein, was Stefan überrumpelte.

Victoria und er telefonierten mehrmals pro Woche, schickten sich E-Mails und Textnachrichten auf ihre Handys, aber von diesem Mann war nie die Rede gewesen. Angesichts der überglücklichen Victoria hatte Stefan sein Verlangen nicht gezeigt und Abstand gehalten. Jetzt war sie hier, weil dieser Mistkerl ihr das Herz gebrochen hatte.

Stefan wollte ihr über die schlimme Erfahrung hinweghelfen. Gleichzeitig wusste er, dass er sein Begehren nicht unterdrücken konnte. Früher oder später würde er gestehen müssen, dass er keine Ehe auf dem Papier wollte, sondern Victoria – ganz und gar.

Als wäre ihr eben erst bewusst geworden, wie dicht sie inzwischen voreinander standen, schaute Victoria ihm in die Augen. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, die feucht und einladend wirkten. „Ich denke immer noch, dass wir unsere liebe Mühe haben werden. Schließlich sind wir nie mehr gewesen als beste Freunde.“

Auf so ein Stichwort hatte er gewartet. „Dann sollten wir besser ab sofort üben, glaubwürdig zu erscheinen.“

Im nächsten Moment schlang er die Arme um Victorias Taille. Sie schnappte nach Luft, doch er erstickte den Laut, indem er seine Lippen auf ihre presste. Er hatte nicht geplant, vorzupreschen. Sobald ihre Körper sich berührten, wusste er, dass es eine schlechte Idee war, denn jetzt begehrte er diese Frau nur noch mehr. Doch selbst, wenn es um sein Leben gegangen wäre, hätte er sich nicht von ihr lösen können.

Victoria zögerte nur ganz kurz. Dann explodierte sie förmlich in Stefans Armen, küsste ihn mit einer Leidenschaft, die er nicht erwartet hatte, aber nur zu gern auskostete. Jahrelang hatte er davon geträumt, und nun küsste sie ihn, als ob sie in ihm nicht bloß einen Kumpel sah, sondern einen aufregenden Mann. Offenbar hatte nicht nur er selbst sich die Situation ausgemalt – ein Gedanke, der sein Verlangen anfachte.

Er wollte mehr, und er nahm es sich, indem er seine Zunge zwischen Victorias Lippen schob. Gleich darauf spürte er, wie seine Verlobte sich enger an ihn schmiegte und den Druck ihrer Finger auf seinen Oberarmen verstärkte. Ihr Körper passte perfekt zu Stefans, genau wie in seiner Fantasie.

Bevor er sich weiter vorwagen und die Hände über Victorias verführerische Kurven gleiten lassen konnte, wich sie einen Schritt zurück. Hastig bedeckte sie ihren Mund mit den Fingerspitzen. „Wir können doch nicht … Das war …“

Stefan ging den Schritt vor, den sie eben zurückgewichen war, allerdings nicht, um dort anzuknüpfen, wo sie aufgehört hatten. Er wollte Victoria davon überzeugen, dass der Kuss kein Fehler gewesen war. Eine Offenbarung, aber auf keinen Fall ein Fehler.

„Interessant, wie dich ein einziger Kuss aus der Ruhe bringt“, stellte er lächelnd fest. Er fühlte sich, als würde er sie noch immer schmecken. „Wir haben uns doch schon öfter geküsst, Tori.“

Eine Hand noch immer an ihrem Mund, legte sie die andere Hand auf Stefans Brust. „Aber nie auch nur annähernd so wie eben.“

Da er im Umgang mit Damen ein Gentleman war, erwähnte er nicht, wie Victoria gestöhnt hatte, als er ihre Lippen mit seinen erforscht hatte. Sie sollte über das nachdenken, was passiert war – und was er selbst wahrhaftig nie vergessen würde. Wie sie schmeckte und sich anfühlte, war in sein Gedächtnis eingebrannt, doch er musste das Tempo drosseln und Kurs halten.

„Mein Chefkoch hat Moussaka zubereitet.“ Stefan zog einen Stuhl für Victoria zurecht. „Ich weiß noch, wie sehr du die griechische Küche bei deinem letzten Besuch mochtest.“

Sie blickte nicht auf den Tisch, der mit einem Bouquet exotischer Blumen und zwei langen weißen Kerzen geschmückt war. Ihre Augen blieben auf Stefan gerichtet, der ihr gegenüber Platz nahm. „Willst du so tun, als ob der Kuss dich kaltlässt?“ Sie zog eine perfekt geschwungene Braue in die Höhe.

Ihre selbstbewusste Frage entlockte ihm ein Lächeln. Warum sollte er lügen? Dafür kannte sie ihn viel zu gut. „Er hat mich nicht kaltgelassen, Victoria.“ Stefan sah ihr direkt in die Augen, um ihr zu zeigen, wie ernst er es meinte. „Nur ein Dummkopf fühlt sich nicht von dir angezogen. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir noch nie der Gedanke gekommen ist, dich zu küssen.“

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Sie blickte auf die Tischplatte, räusperte sich und schaute wieder zu Stefan hoch. „Jetzt ist mir klar, woher du deinen Ruf hast – so, wie du küsst. Wenn du das auch in der Öffentlichkeit hinkriegst, wird kein Reporter unsere Verlobung hinterfragen.“

„Bei unserem Anblick werden sie nichts als eros sehen. Leidenschaftliche erotische Liebe. Genau das werden die Kameras zeigen, denn sie lügen nicht. Ich werde kein Problem damit haben, unsere Beziehung echt wirken zu lassen.“

Victoria schüttelte den Kopf. „Deine Dreistigkeit und dein Ego werden mich auf jedem Foto in den Schatten stellen, aber ich gebe zu, ich finde dieses Ego charmant. Dein Stolz beruht auf Zuversicht, und die ist bei jedem Mann ein positiver Charakterzug. Allerdings weiß ich, dass unter deiner harten Fassade eine weiche Seite steckt. Übrigens bin ich seit meiner Geburt an Publikum und Kameras gewöhnt, also fallen sie mir kaum noch auf.“

Aber du fällst ihnen auf.

„Freut mich, dass die Medien dich nicht stören, denn nach der Hochzeit müssen wir für offizielle Fotos posieren. Außerdem werden die Paparazzi uns jagen.“ Stefan nahm die silbernen Deckel von den Schüsseln. „Weniger gewöhnt bist du möglicherweise an Personal. Als Königin wirst du Assistenten haben, die alles erledigen – dich anziehen, deine Mahlzeiten zubereiten und dich begleiten, wohin du auch gehst.“

Ihre manikürte Hand, die mit dem Stiel des Weinglases spielte, verharrte. „Ich brauche niemanden, der mich anzieht. Das gehört doch zu meinem Beruf. Und sind Begleiter wirklich nötig? Nach der Hochzeit kann ich nicht bleiben, bis du den Königstitel hast, Stefan. Auf mich warten ein Leben und Arbeit in Amerika. Wenn wir uns gemeinsam zeigen sollen, wirst du mit mir kommen müssen.“

„Wie lange? Da es derzeit keinen Regenten gibt, bin ich der Vertreter.“

„Du bist jetzt schon sozusagen König? Das wusste ich nicht.“

Er nickte. „Bis zur Krönung ist nichts offiziell, aber laut Gesetz folgt der älteste Sohn umgehend nach, wenn der König stirbt. Sollte mir etwas zustoßen oder ich nicht heiraten, würde das Land wieder an Griechenland fallen. Wir befinden uns also in einer Übergangszeit, bis ich meinen Pflichten nachkomme.“

„Heißt das, du darfst hier nicht weg und unsere Ehe wird eine Fernbeziehung sein?“

„Nein. Nach der Trauung werden wir sowohl hier als auch in Los Angeles Termine wahrnehmen, damit niemand an unserer Ehe zweifelt. Auf die Details einigen wir uns schon.“

Stefans Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche, blickte auf das Display und drückte den Anruf weg. Bevor er das Handy wieder einsteckte, konnte Victoria allerdings lesen, wer angerufen hatte. Hannah.

„Werde ich mit deinem Harem um deine Aufmerksamkeit ringen müssen?“, fragte sie mit einem Lachen, nach dem ihr nicht zumute war.

„Du wirst nie um meine Aufmerksamkeit ringen müssen, Tori.“ Er sah ihr in die Augen. „Du bist im Moment die einzige Frau in meinem Leben.“

Sie glaubte ihm, weil sie ihm glauben wollte. Stefan hatte sie noch nie belogen, und wenn er ihr sagte, sie solle sich keine Sorgen machen, dann stimmte das. Aber er konnte die anderen Frauen nicht zwingen, ihn in Ruhe zu lassen. Nach der Hochzeit würden die Anrufe aufhören. Hoffentlich.

Victoria verwünschte Alex, der Schuld hatte, dass sie Männern gegenüber misstrauisch geworden war. Es war albern, an Stefan zu zweifeln. Er tat alles, um sein Land in den Händen seiner Familie zu halten. Das sprach doch Bände, was sein Verständnis von Loyalität anging. Victoria glaubte nicht, dass er ihr Vertrauen missbrauchen würde. Er war das genaue Gegenteil von Alex.

Im Geiste ging sie die bevorstehenden Termine durch. „Ich habe einen Berg Arbeit, aber es ist nur fair, wenn wir die Zeit zwischen deiner und meiner Heimat aufteilen.“

„Das lässt sich machen.“ Stefan erhob sich, ging um den Tisch herum und legte Victoria eine Serviette auf den Schoß. Als ihre Blicke sich trafen, fuhr er fort: „Während der ersten beiden Wochen unserer Ehe müssen wir im Palast bleiben. Das ist Tradition, schon seit dem ersten König von Galini Isle. Die Menschen hier nennen es die Flitterwochen-Phase.“

Ihre blauen Augen weiteten sich. „Ich dachte, in den Flitterwochen verreist das Paar an einen geheimen Ort, um allein zu sein.“

Er wollte lieber nicht daran denken, wie es wäre, Victoria zwei Wochen ganz für sich zu haben. Unwillkürlich stiegen erotische Bilder vor ihm auf. Um sich nicht zu einer peinlichen Handlung hinreißen zu lassen, setzte er sich wieder.

„In diesem Land gibt man viel auf Rituale. Ethos, Sitten, müssen respektiert werden.“

An ihrem Blick konnte er ablesen, dass sie Lampenfieber bekam. Er wollte sie ablenken: „Erzähl mir, woran du gerade arbeitest. Abgesehen von deinem Hochzeitskleid.“

Sofort verschwand die Anspannung aus ihrer Miene. Victorias Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, das Stefan seltsam berührte. Er fragte sich, mit welchem Lächeln sie wohl zu ihm aufblickte, die Haare über seinem Kissen ausgebreitet, während er in sie eindrang.

Verdammt. Mehr denn je wollte er diese Frau in seinem Bett. Doch er würde sie nicht unter Druck setzen, sondern warten, bis sie zu ihm kam. Seit dem leidenschaftlichen Kuss hatte er so ein Gefühl, dass sie es früher oder später ausgesprochen gern tun würde.

Victoria unterschied sich von den meisten Frauen, mit denen er sich verabredete – und schlief. Sie war echt. Nur wenige Frauen waren so schön und sexy, ohne ihren Körper zur Schau zu stellen oder ihn berechnend einzusetzen. Stefan hatte stets bewundert, wie sie sich einen eigenen Namen machte, ohne ihre berühmte Familie ins Spiel zu bringen.

„Meine Brüder drehen einen Film über unsere Mutter“, erzählte sie jetzt. „Seit sie ihren Streit begraben haben und sich auf Mom und diesen Film konzentrieren, kommen sie gut miteinander aus. So gut, dass sie sogar in der Freizeit mit ihren Familien etwas gemeinsam unternehmen.“

Stefan konnte nach wie vor kaum glauben, dass Victorias Mutter, die große Dame Hollywoods, vor fast 40 Jahren ein Baby zur Adoption freigegeben hatte – und dass sich dieses Kind als Anthony Price entpuppte, Konkurrent von Victorias legitimem Bruder, Bronson Dane. „Sicher war es ein Schock herauszufinden, dass Anthony dein Halbbruder ist. Entschuldige, dass ich damals nicht öfter für dich da war. Zu dem Zeitpunkt kämpfte mein Vater gegen seine Krebserkrankung …“

„Hier hat man dich mehr gebraucht, Stefan.“ Sie nippte an ihrem Wein und griff zur Gabel. „Ich war entgeistert, aber schlimmer hat es meine Brüder getroffen. Als Mom Anthony zur Adoption freigab, stand sie am Anfang ihrer Karriere. Sie wollte ein gutes Leben für ihn und war nicht bereit für ein Kind.“

„Eine verantwortungsvolle Entscheidung.“

Victoria lächelte warm. „Ich wusste, dass du es verstehen würdest. Du warst schon immer aufgeschlossen. Viele Leute haben Mom egoistisch genannt.“

„Egoistisch wäre es gewesen, das Baby zu behalten, obwohl sie wusste, dass die Karriere für sie an erster Stelle kam.“

Zuerst dachte er, Victoria würde noch etwas sagen, doch dann führte sie einen Bissen Moussaka zum Mund. Stefan schaute sehnsüchtig zu, wie die Gabel zwischen den blassrosa geschminkten Lippen verschwand.

Entzückt stöhnte Victoria auf und schloss die Augen. „Unglaublich“, sagte sie, während Stefan dachte, seine Erregung könnte sich unmöglich noch steigern lassen. „Du ahnst nicht, wie dankbar ich bin, dass du dir meine Lieblingsspeise gemerkt hast.“

Er kannte jedes Detail, das sie betraf – ihre Lieblingsfarbe, die Filme, die sie etliche Male angeschaut hatte, sogar das Tagebuch, dem sie ihre privaten Gedanken anvertraute. Über Victoria wusste er mehr als über irgendeine andere Frau. Deshalb war das Band zwischen ihnen auch so stark. Die meisten Frauen redeten, um ihn zu beeindrucken. Victoria hingegen beeindruckte ihn, indem sie für ihn da war, ihn zum Lächeln brachte und keine Gegenleistung erwartete.

„Erzähl mir mehr von dem Film. Was ist deine Aufgabe dabei?“ Stefan hatte nichts dagegen, sie die ganze Nacht hindurch reden zu lassen. Genau wie in ihren Telefonaten zog Victorias Stimme ihn in ihren Bann und ließ ihn Dinge wünschen, die er jetzt nicht haben konnte. Aber wer wusste schon, was die Zukunft brachte? Vielleicht würden sie verheiratet bleiben. Das würde dieser Ehe auf dem Papier mit seiner besten Freundin eine unerwartete Wendung geben.

Nie zuvor hatte Stefan ein Arrangement wie dieses gewollt. Es wäre eine engere Bindung gewesen, als er akzeptierte. Aber für Victoria … Ja, wenn es um sie ging, lag die Sache anders.

„Ich habe noch nie mit Verwandten gearbeitet oder Kostüme für einen Film entworfen“, erklärte sie eifrig. „Hier musste ich eine Ausnahme machen. Ich konnte nicht zulassen, dass ein anderer Designer die Aufgabe übernimmt, die mir so viel bedeutet.“

„Klingt, als würdest du in nächster Zeit ziemlich beschäftigt sein“, meinte Stefan und aß etwas Moussaka.

„Die Entwürfe stehen, seit die Dreharbeiten vor ein paar Monaten gestartet sind. Trotzdem werde ich gebraucht, falls etwas nicht funktioniert oder kurzfristig ein Kostüm ausgewechselt wird.“ Victoria nippte an ihrem Wein. „Derzeit kümmert sich mein Team in Los Angeles um alles. Vielleicht muss meine Assistentin ein paar Aufgaben mehr übernehmen, bis unsere Hochzeit vorbei ist. Meine Güte, es ist wirklich seltsam, das auszusprechen.“

Er legte die Gabel beiseite und nahm Victorias Hand. „Danke für alles, was du für mich und mein Land tust. Ich werde dir nie genug dafür danken können.“

„Seit ich eine Zahnspange hatte, warst du mein bester Freund“, scherzte sie. „Wir leben zwar weit auseinander, aber abgesehen von meiner Familie stehst du mir von allen Menschen am nächsten.“ Lächelnd drückte sie seine Hand. „Außerdem hast du mir einen Traumjob auf dem Silbertablett angeboten. Ich darf das Brautkleid entwerfen und für ein paar Monate Königin spielen. Also schneide ich bestens ab.“

Stefan lachte. „Ich war mir nicht sicher, ob du zustimmen würdest. Mir hätte klar sein sollen, dass du zu mir hältst.“

„Zugegeben, mir ist unwohl bei dem Gedanken, die Öffentlichkeit zu belügen, meine Freunde und Mitarbeiter.“ Victoria ließ Stefans Hand los. „Aber es ist mir eine Ehre, dir zur Seite zu stehen. Man trifft im Leben nicht oft jemanden, auf den man sich hundertprozentig verlassen kann.“

Der Schmerz in ihrer Stimme missfiel ihm ebenso wie das Gefühl, ihre Hand nicht mehr in seiner zu halten. „Ich hatte befürchtet, du würdest nach deiner Trennung verletzlich sein und ablehnen, bevor ich dir meine Gründe schildern kann.“

„Vielleicht bin ich noch verletzlich.“ Victoria kaute auf ihrer Unterlippe und wich Stefans Blick kurz aus. „Aber ich werde kein zweites Mal zulassen, dass mich mein Herz aus der Bahn wirft, und ich weiß, dass ich in der Hinsicht bei dir sicher bin.“

„Das bist du, Victoria.“ Er hätte sein Leben geopfert, um Leid von ihr abzuwenden. „Du weißt ja, wie viel du mir bedeutest.“

Es imponierte ihm, dass sie sich nach der geplatzten Verlobung nicht hinter ihrer Familie versteckte, sondern mit erhobenem Kopf weitermachte. Aus eigener Erfahrung wusste er, wie schwer ein Leben im Rampenlicht war. Die Medien waren erbarmungslos, und wenn es keine Story gab, erfanden sie eine, ohne sich um die Folgen zu scheren. Wie schnell ein Ruf ruiniert werden konnte, hatte Stefan erlebt, als seiner Familie nach dem Tod der Königin alle möglichen Anschuldigungen entgegengeschleudert worden waren.

Den Rest des Essens über lachten sie viel und unterhielten sich, doch Stefan konnte den elektrisierenden Kuss nicht vergessen. Er wollte Victoria berühren. Um sich erneut zu quälen oder einen kurzen Moment der Befriedigung zu erleben, wusste er nicht.

„Tanz mit mir“, sagte er, als Victoria ihre Serviette neben den leeren Teller legte.

„Jetzt?“ Sie blickte sich auf dem vom Mond beschienenen Balkon um. „Wir haben doch gar keine Musik.“

Er ging hinein, und wenig später erklang ein Lied. Wieder auf dem Balkon, hielt er Victoria eine Hand hin. „Wir brauchen Übung für den offiziellen königlichen Hochzeitstanz. Es ist Jahre her, seit wir das letzte Mal miteinander getanzt haben.“

Kaum hatte Victoria ihre Hand in seine gelegt und war aufgestanden, zog Stefan sie an sich und schlang einen Arm um ihre Taille. Er konnte es nicht erwarten, ihr nahe zu sein.

„Kein Wunder, dass man dich den Playboy-Prinzen nennt“, murmelte sie. Er spürte ihren Atem an der Wange. „Du machst das richtig gut. Wie würdest du erst deinen Charme spielen lassen, wenn ich keine alte Freundin aus Kindertagen wäre?“

Stefan bog den Kopf ein wenig zurück, ohne den Rest seines Körpers von Victoria zu lösen. „Ich habe versprochen, diese Geschichte nicht kompliziert zu machen und dir die Kontrolle zu überlassen. Und ich pflege mein Wort zu halten.“

„Davon bin ich überzeugt. Andererseits kenne ich deinen Ruf. Und vorhin habe ich erlebt, wie es ist, von dir geküsst zu werden.“

„Nicht nur ich war derjenige, welcher. Du warst auch recht aktiv dabei.“

Victoria stockte. „Stimmt. Aber wir sind schon zu lange befreundet, um unsere Lust gegen unseren gesunden Menschenverstand siegen zu lassen. Es wäre dumm, miteinander zu schlafen.“

Er neigte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: „Wer sagt das?“

Ihre Hand spannte sich in seiner an, als sie zu ihm aufblickte. Fast berührten sich ihre Lippen. „Vielleicht hat die Anziehungskraft zwischen uns mit dem Bild zu tun, das wir der Öffentlichkeit vorspielen wollen, oder mit der Tatsache, dass wir uns lange nicht gesehen haben. Auf jeden Fall will ich unsere Freundschaft nicht wegen eines plötzlichen Knisterns aufs Spiel setzen.“

„Ich weiß nicht, ob es wirklich so plötzlich kommt – wenigstens, was mich betrifft.“ Stefan streifte ihre Lippen leicht mit seinen. „Ich werde nicht leugnen, dass ich dich begehre. Aber ich verspreche, nichts zu tun, was du nicht willst.“

„Ich verlasse mich darauf. Mir ist klar, dass diese Sache hart für dich sein wird.“

Er lachte über ihre Wortwahl. „Du hast ja keine Ahnung.“

3. KAPITEL

Victoria strich mit einer Hand über die taillierte Satinkorsage und betrachtete sich in dem Spiegel, der vom Boden bis zur Decke reichte. Das Kleid saß perfekt. Sie war heilfroh, dass sie in ihrer knappen Freizeit eine Handvoll Brautkleider geschneidert hatte, um für die Kollektion gerüstet zu sein, die ihr vorschwebte.

Bisher kannte niemand außer ihr diese Kleider. Victoria hatte ihrer Mutter erklärt, wo sie lagerten, und darum gebeten, sie ihr per Schiff zu schicken. Ein paar Entwürfe hatte sie aufgetrennt und anders zusammengenäht, bis das Stück ihren Vorstellungen entsprach.

Sooft sie sich ihren Hochzeitstag auch ausgemalt hatte – nie war ihr der Gedanke gekommen, sie könnte Stefan unter diesen seltsamen Umständen heiraten.

Dann und wann hatte sie sich vorgestellt, wie es wäre, wenn Stefan und sie einen Schritt weiter gingen. Sie gab es ungern zu, aber ein- oder zweimal war es in ihrer Fantasie zu Küssen gekommen … Bevor Stefan sie in seine Arme gezogen, seinen Mund auf ihren gepresst und ihr gezeigt hatte, was ihr all die Jahre entgangen war. Wie konnte sie das erregende Gefühl vergessen? Was musste sie tun, damit ihre Lippen nicht mehr nach Stefan schmeckten? Und warum sollte sie sich eigentlich bemühen, den aufregenden Moment aus ihrer Erinnerung zu streichen?

Weil der Prinz ein Playboy war. Sie glaubte ihm, dass er treu sein würde, doch das hielt seine früheren Geliebten nicht davon ab, ihn anzurufen.

Hier stand sie also, durcheinander, gespannt und bereit zu dem Schritt in eine Ehe, während ihr zwei Angestellte den Schleier in die Haare steckten. Eine weitere Frau legte letzte Hand an Rouge und Puder.

Victoria hoffte, dass sie diese Prozedur nicht für jeden ihrer Auftritte als Königin über sich ergehen lassen musste. Viele Termine erwartete niemand von ihr, hatte Stefan versichert. Obwohl sie aus einer berühmten Hollywood-Familie stammte, zog es sie nicht ins Rampenlicht.

„Darf ich kurz allein mit meiner Tochter sprechen?“ Olivia Dane stand in der offenen Tür zum prachtvollen Gang, der zu einer der vielen Suiten im Palast führte.

Die Angestellten huschten hinaus. Olivia trat hinter Victoria und lächelte fragend. „Bist du sicher, dass du es tun willst?“

Victoria erstickte die Zweifel, die sich tief in ihr meldeten, und erwiderte das Lächeln. „Ich bin sicher, Mom. Stefan braucht mich, und vielleicht brauche ich ihn gerade jetzt auch. Er ist mein bester Freund.“

„In den letzten Jahren habt ihr euch kaum gesehen.“

„Die Entfernung spielt keine Rolle. Nicht für uns. Du weißt doch, dass wir fast täglich miteinander reden. Es freut mich, dass er mir vertraut. Zwischen uns gibt es eine stärkere Verbindung als in den meisten Ehen. Dies ist nur ein weiteres Kapitel unserer Freundschaft. Einmal habe ich mich aus romantischen Gründen verlobt. Jetzt tue ich es wegen einer anderen Art von Liebe.“

„Genau das macht mir Sorgen, Darling.“ Olivia zog den Schleier über Victorias Gesicht und legte ihr beide Hände auf die Schultern. „Als Mutter befürchte ich, dass dein Herz nicht ungeschoren davonkommt. Stefan ist wundervoll … als Freund. Ich habe Angst, dass er am Ende alles hat, was er will, während du wieder mit Liebeskummer dastehst.“

Von den leidenschaftlichen Küssen hatte Victoria ihrer Mutter nichts erzählt. Manches behielt man besser für sich – erst recht, solange sie sich selbst keinen Reim machen konnte auf ihre Mischung aus Erregung und Verwirrung.

„Ich mache mir überhaupt keine Sorgen.“ Das war wenigstens nicht komplett gelogen. „Wie lange diese Ehe dauert, überlässt Stefan mir. Vielleicht gefällt es mir ja, Königin zu sein. Vielleicht will ich aber auch mein Leben in Los Angeles zurück. Jedenfalls sind wir zu stark, um uns von diesem Arrangement unterkriegen zu lassen.“

„Du machst dir etwas vor, wenn du glaubst, dass es so einfach ist. Ich kenne Stefans Charme. Seit ich angekommen bin, sehe ich, wie er dich anblickt. Im Übrigen ist mir aufgefallen, wie er dich in all den Jahren angeschaut hat. Er ist in dich vernarrt, auf eine Weise, die über Freundschaft hinausgeht. Ihr könnt unmöglich Eheleute spielen, ohne etwas miteinander anzufangen. Er ist sehr attraktiv, und Lust vernebelt sogar das beste Urteilsvermögen.“

Victoria hätte gern gewusst, was genau ihrer Mutter an Stefans Blicken aufgefallen war. Verlangen? Irgendetwas hatte sich im letzten Monat verändert. Unabhängig von den leidenschaftlichen Küssen war Stefan außerordentlich aufmerksam gewesen, hatte sich um jeden von Victorias Wünschen gekümmert. Er ließ ihre Lieblingsspeisen kochen, brachte ihr eine frisch gepflückte Blüte, wenn sie arbeitete, und bestand auf Strandspaziergängen, damit sie ausspannen konnte. Der perfekte Märchenprinz. Die Frage, wie weit seine Gefühle für sie gingen, verdrängte sie. Genau wie die Tatsache, dass er eingeräumt hatte, in ihr nicht nur die Freundin zu sehen.

„Sein Charme und seine Anziehungskraft sind mir nicht neu, Mom. Wir heiraten nur wegen Stefans Land – und um meiner Brautkollektion zu einem guten Start zu verhelfen.“

Das stimmte nicht, wie Stefans vielversprechende Küsse und seine offenen Worte zeigten. Doch auch diesen Punkt erwähnte Victoria lieber nicht, denn er verunsicherte sie. Sie fragte sich schon oft genug, was wäre, wenn … Zusätzliche Ängste ihrer Mutter brauchte sie nicht.

„Er wäre töricht, wenn er in dir nicht mehr sehen würde“, entgegnete Olivia. „Und töricht ist er nicht, sonst hätte er dir keinen Antrag gemacht. Ich habe mich schon oft gefragt, ob aus euch ein Paar werden könnte. Allerdings muss ich sagen, dass ich es mir nicht so vorgestellt habe, wie es jetzt läuft.“

Vor Lampenfieber wurde Victoria flau im Magen. Den Titel der Prinzessin zu bekommen, wäre allein schon aufregend genug gewesen. Hinzu kam die Aussicht, monatelang ein Schlafzimmer mit Stefan zu teilen. Dass zwischen ihnen Funken sprühten, war nicht zu leugnen. Victoria konnte sich auch nicht vormachen, sie hätte die Küsse im Geiste nicht wieder und wieder durchgespielt.

Sie wandte sich vom Spiegel ab und ergriff die Hände ihrer Mutter. „Ich gehe mit offenen Augen in diese Ehe. Bei Alex war ich blind vor Verliebtheit, aber Stefan nutzt mich nicht aus. Er hat mich um Hilfe gebeten, als er es bei niemandem sonst wagte. Außerdem besteht keine Gefahr für mein Herz, denn das bleibt außen vor. Stefan wird mir nicht wehtun.“

Olivia machte den Eindruck, als wollte sie noch etwas sagen, doch Victoria drückte ihre Hände, um das Gespräch abzuschließen. „Vertrau mir.“

„Als ich das letzte Mal hier war, habe ich eine Königin gespielt.“ Olivia lachte. „Ich war nicht annähernd so schön wie du. Muss am Unterschied zwischen Schauspielerei und wirklichem Leben liegen.“

Tränen schnürten Victoria die Kehle zu, als sie ihre Mutter umarmte. Es war ihr egal, ob der Stoff Falten bekam. „Du warst wunderbar in dem Film, Mom. Und ich schauspielere ja auch, stimmt’s? Ich spiele die Königin für Stefan, damit Galini Isle in den Händen seiner Familie bleibt. Dabei habe ich geschworen, niemals Schauspielerin zu werden. Das nennt man wohl Ironie des Schicksals.“

„Du wirst eine echte Königin sein, Schatz.“ Olivia trat einen Schritt zurück. „Was im Schlafzimmer passiert, mag nicht echt sein, aber dein Titel ist es. Hast du schon darüber nachgedacht?“

Als ob es keine anderen Themen gab …

Okay, das war gelogen. Victoria hatte sich intensiv damit beschäftigt, dass ihr Verlobter, der zugleich ihr bester Freund war, Schmetterlinge in ihrem Bauch aufflattern ließ. Sie freute sich, weil sie sich gegenseitig helfen konnten, und bewunderte Stefans Entschlossenheit. Ansonsten sah sie ihn nicht als Prinzen oder König, sondern als Mann, und zwar als einen sehr erotischen und mächtigen Mann. Nicht mächtig, weil er ein Land regierte, sondern weil er jeden Raum beherrschte, den er betrat. Er konnte jede Unterhaltung kontrollieren, und sicher übernahm er auch im Schlafzimmer die Initiative.

In diese Richtung sollten Victorias Gedanken nicht schweifen. Sie ließ die Fantasie mit sich durchgehen, und das alles wegen ein paar heißer Küsse. Die eine geradezu verzehrende, überwältigende Lust auf mehr weckten. Ja, sie hatte sich vorgestellt, was passieren könnte. Doch das bedeute nicht, dass irgendetwas in dieser arrangierten Ehe passieren würde. Lust durfte nicht die engste Freundschaft zerstören, die Victoria je erlebt hatte.

Sie wusste, dass sie mit ihren Gefühlen an einem Abgrund stand und Stefan ihr nur einen kleinen Schubs geben musste, damit sie fiel – direkt in sein Bett. „Stefan und ich haben alles besprochen, Mom.“ Victoria lächelte beruhigend und hoffte, sie würde nicht lügen. „Ich glaube, wir haben alles im Griff. Er sorgt dafür, dass ich nicht total vereinnahmt werde. Im Moment bin ich für ihn nur ein Accessoire.“

„Weißt du, dass ich deine Brüder mit Gewalt daran hindern musste, dieses Zimmer zu betreten?“ Olivia glättete ihr langes hellblaues Seidenkleid. „Sie wollten sichergehen, dass es dir gut geht. Ich musste versprechen, nach dir zu sehen und Bericht zu erstatten.“

Lachend warf Victoria einen Blick auf ihr Spiegelbild. „Richte meinen selbst ernannten Leibwächtern bitte aus, dass ich keine kalten Füße bekommen habe und es mir blendend geht. Sie sollen sich lieber um ihre Frauen kümmern, die gleich vor Millionen Fernsehzuschauern neben mir stehen werden. Als ich Mia und Charlotte das letzte Mal sah, waren sie vor Nervosität einer Ohnmacht nahe.“

„Ich gehe gleich zu ihnen. Sie schaffen das schon, also konzentrier dich auf dich selbst. Dies ist dein Tag – egal, unter welchen Bedingungen.“ Olivia legte eine Wange an die ihrer Tochter. „Du bist wunderschön, Darling. Vielleicht lässt Stefan dich doch nicht über das Ende der Ehe entscheiden, weil er dich nicht gehen lassen will.“

„Der Playboy-Prinz? Er wird mich schon gehen lassen, damit er zu den unzähligen Frauen zurückkehren kann, die ihn umschwärmen. Mich wird er wieder in die Freundin-Schublade stecken.“

Unwillkürlich musste Victoria an die Küsse denken. Konnten Stefan und sie danach wieder nur Freunde sein? Wollte sie das überhaupt? Sie lebten noch nicht einmal die geplanten sechs Monate zusammen, und schon malte sie sich aus, wohin die Küsse führen könnten. Wie sollte sie das auch vermeiden? Die Leidenschaft, die sie auf dem Balkon gespürt hatte, verhieß doch pure Erotik.

In was für einen Schlamassel war sie bloß geraten? Sie hatte doch geschworen, ihr Herz zu schützen. Aber wie konnte sie Stefan abweisen, wenn er Hilfe brauchte? Vielleicht brauchte sie ihn auch. Mehr, als ihr bewusst war.

Hunderte von Gästen strömten in den Palast am Rande des smaragdfarbenen Meeres. Überall standen Kameras, um zu filmen, wer im großen Ballsaal eintraf. Die Welt wollte zuschauen, wenn das nächste Königspaar von Galini Isle heiratete.

Im Vorfeld waren viele amüsante Schlagzeilen erschienen. Stefans Favorit lautete: „Playboy-Prinz wird endlich sesshaft“. Es störte ihn nicht, wenn die Medien ihn aufs Korn nahmen. Er würde ihnen schon zeigen, wie ernst es ihm mit dieser Hochzeit war … Auch wenn der Gedanke, verheiratet zu sein, ihn in Panik versetzte.

Stefan konzentrierte sich auf den Punkt am Ende des Ganges zwischen den Sitzreihen. Prompt kam es ihm vor, als würde sich sein Brustkorb zusammenziehen und die Luft aus den Lungen pressen.

Er konnte nicht mehr denken, sich nicht einmal an den Grund erinnern, aus dem er Victoria den Antrag gemacht hatte. Er war nur dankbar, dass er es getan hatte.

Sie schien durch den Gang zu schweben wie ein rettender Engel. Der Ausschnitt ihres eleganten Brautkleids war tief genug, um Stefans Fantasie anzuregen. Auf Victorias Oberarmen ruhten zweireihige Perlenschnüre und erinnerten an zwei Träger, die der Geliebte von den schmalen Schultern dieser Frau gestreift hatte. Stefan wollte um jeden Preis dieser Geliebte sein.

Das Kleid schmiegte sich an die sanfte Kurve ihrer Taille und fiel gerade hinunter bis zum Boden. Ein schimmernder Schleier verbarg Victorias Gesicht. Stefan konnte es kaum erwarten, ihn zu lüften, seine Braut zu küssen und wieder den Geschmack zu kosten, den er mit diesen Lippen verband.

Seine beste Freundin hätte in jedem Mann aus Fleisch und Blut Sehnsüchte geweckt – mit Ausnahme ihres Exverlobten. Stefan straffte die Schultern und lächelte in der Hoffnung, der Idiot möge zuschauen und bereuen, dass er eine so schöne, talentierte Frau aufgegeben hatte.

Victorias Blick traf Stefans. Sein Herz schien einen Satz zu machen, als sich auf dem Gesicht hinter dem Schleier ein Lächeln ausbreitete.

„Du hast eine wunderschöne Königin gewählt, Stefan. Victoria ist vollkommen.“

Mit einem Nicken reagierte er auf das leise Kompliment seines Bruders und Trauzeugen. Mikos war erleichtert über die Nachricht gewesen, dass das Land weiterhin von ihrer Familie regiert werden würde. Als er selbst eine geschiedene Frau geheiratet und damit seinen Anspruch auf den Thron verwirkt hatte, war Stefan in eine Zwangslage geraten, doch Victoria hatte ihn gerettet. Nie würde er vergessen, wie selbstlos sie zugestimmt hatte, ihm zu helfen. Stefan trat einen Schritt vor und nahm ihre Hände in seine.

Sie legten das Ehegelöbnis ab und tauschten die goldenen Ringe, Erbstücke der Familie. Als Stefan den Schleier von Victorias Gesicht hob, biss sie sich vor Nervosität auf die Lippen.

„Sie dürfen Ihre Braut jetzt küssen“, sagte der Geistliche.

Stefan vergeudete keine Zeit. Angesichts des Millionenpublikums, das ihn mit Argusaugen betrachtete, konnte er Victorias Lippen nicht so für sich beanspruchen, wie es ihm vorschwebte. Dennoch berührte ihn dieser einzelne sanfte Kuss ebenso wie jener leidenschaftliche auf dem Balkon, als er mit Victoria allein gewesen war. Seitdem hatte er jede Gelegenheit genutzt, um seine Braut wieder zu küssen … Jedes Mal war süßer als das vorige gewesen und hatte sein Verlangen gesteigert.

Victoria löste ihre weichen Lippen von denen ihres Ehemannes und blickte ihm in die Augen. „Gut, dass wir geübt haben“, flüsterte sie.

Er lächelte und küsste sie noch einmal rasch, bevor er sich mit seiner Frau den Gästen zuwandte.

„Ich präsentiere Ihnen Prinz und Prinzessin Alexander“, verkündete der Geistliche.

Beifall brandete auf. In diesem Moment konnte Stefan beim besten Willen keine Schuld empfinden. Er würde König sein, mit Victoria an seiner Seite. Endlich konnte er seine Gefühle für sie näher erforschen. Noch wusste er nicht, zu was für einer Bindung er bereit war, falls Victoria die Ehe nach Ablauf des halben Jahres fortführen wollte. Schließlich kam sein Ruf nicht von ungefähr.

Doch jetzt musste er sich auf seinen Titel konzentrieren. Darauf, das Vertrauen seiner Landsleute wiederzugewinnen, indem er jeden Makel vom Namen der Königsfamilie fernhielt. Victoria zu verführen, würde eine willkommene Ablenkung sein – und eine Herausforderung. Eine, die er unbedingt annehmen wollte. Erst recht, nachdem er jetzt wusste, dass seine Träume von ihr nicht einmal annähernd an die Wirklichkeit heranreichten.

Strahlend schritt Stefan mit seiner Braut durch den Gang. Ihm war bewusst, dass er die schönste, gescheiteste und anziehendste Frau der Welt geheiratet hatte. In den nächsten sechs Monaten war Victoria nicht nur seine beste Freundin, sondern auch seine Ehefrau … vielleicht sogar Geliebte. Möglicherweise noch länger, wenn sie entschied, bei ihm zu bleiben.

Die Aussicht erregte ihn. Man nannte ihn nicht zu Unrecht den Playboy-Prinzen. Er war ein Meister in der Kunst des Verführens.

In ihren 32 Jahren hatte Victoria noch nie so viel gelächelt wie an diesem Abend. Erst beim Fotoshooting mit Stefan und ihr allein, dann zusammen mit Stefans Bruder, dessen Frau und Victorias Familie, und schließlich während der Parade durch die am Meer gelegene Stadt. Victoria hatte schon fast geglaubt, dies sei die Wirklichkeit.

Jetzt befanden sie sich wieder im Ballsaal, wo der Hochzeitsempfang stattfand. Stefan hielt Victoria fest in den Armen, während sie ihren ersten Tanz als Prinz und Prinzessin Alexander tanzten.

Das Personal hatte die Abwesenheit der Hochzeitsgesellschaft während der Parade genutzt, um den Saal mit seinen hohen Decken aus buntem Glas umzugestalten. Nun gab es eine Tanzfläche, umgeben von Säulen, zwischen denen weiße Seide drapiert war. Weiße Seide schmückte auch die Tische, genau wie schmale Kristallvasen mit weißen Blumensträußen und durchsichtigen Glasperlen. Unzählige funkelnde Lichterketten, Eisskulpturen und Springbrunnen mit Champagner schufen eine märchenhafte Atmosphäre.

Trotz der Pracht um sie herum hatte Victoria nur Augen für ihren Tanzpartner. Zweifel und Verwirrung schmolzen dahin, als sie an Stefan geschmiegt zu einer Ballade tanzte.

Die Wärme seines Körpers, sein vertrauter männlicher Duft und die starken Arme, in denen er Victoria hielt, weckten in ihr den Wunsch, den Kopf an seine Schulter zu lehnen und den Moment zu genießen. Also tat sie es. Stefan hatte sie schon einige Male in den Armen gehalten, doch sie spürte, dass es diesmal anders war.

Seufzend schloss sie die Augen und passte sich ganz seinen Bewegungen an. Der Mann war ein Partyheld, doch jetzt wollte sie sich nur an ihn schmiegen, etwas von seiner Stärke und seinem Mut in sich aufnehmen.

Ihre Wange ruhte an seiner glatten Seidenschärpe. Victoria hatte gewusst, dass Stefan einen Smoking tragen würde. Trotzdem hatte sie der Anblick ihres am Altar wartenden Bräutigams überrascht. Normalerweise trug er ebenso wie sie selbst Freizeitklamotten. Im maßgeschneiderten schwarzen Smoking mit den doppelreihigen Goldknöpfen, den glänzenden schwarzen Schuhen und der breiten blauen Schärpe, die von der Schulter diagonal bis zur Hüfte reichte, verkörperte Stefan einen ziemlich verwegenen Prinzen. Victoria dachte an die Tattoos auf seinen durchtrainierten Armen, dem Brustkorb und Rücken. Sexy war stark untertrieben.

Orden mit Stefans Familienwappen und als Zeichen der Anerkennung für seine karitative Arbeit hingen auf einer Seite der Jacke. Das Blau der Schärpe passte genau zu seiner Augenfarbe. Als Star in einem Film ihrer Brüder hätte er nicht majestätischer aussehen können.

Die Designerin in Victoria hätte sich den meisterhaften Schnitt seines Smokings merken sollen, doch die Frau in ihr war damit beschäftigt, das Gesamtbild zu bewundern. Stefan mochte ihr bester Freund sein, aber gleichzeitig war er ein ausgesprochen gut gebauter Mann, der einer Frau unweigerlich auffiel. Im vergangenen Monat war er Victoria mehr und mehr aufgefallen. Ließ sie sich vom Hochzeitstrubel beeinflussen, oder fing sie an, ihn mehr als Mann wahrzunehmen? Charmant war er ja schon immer gewesen, aber in letzter Zeit wirkte er irgendwie … unwiderstehlich. Ihre Sehnsucht nach ihm machte sie langsam verrückt.

„Du bist eine wunderschöne Braut“, murmelte Stefan. „Und ich bin ein Prinz mit einer Riesenportion Glück.“

Sie sah ihm in die Augen und lächelte. „Ich habe auch Glück. Ich lasse den Traum jedes Mädchens wahr werden, denn ich heirate einen künftigen König und wohne in einem Palast.“

„Nur für zwei Wochen. Nach der Flitterwochen-Phase fliegen wir nach Los Angeles. Ich bin gespannt darauf, dich bei der Arbeit zu erleben und deine Familie zu besuchen. Die hat sich ja erheblich vergrößert, seit ich das letzte Mal bei euch war.“

„Ich freue mich auch schon auf Los Angeles, aber im Moment schwänze ich die Arbeit gern. Wann hat man schon die Chance, in einer Fantasiewelt zu leben?“

„Apropos Fantasie.“ Stefan senkte den Blick auf die Stelle, an der Victorias Ausschnitt seinen Smoking berührte. „Habe ich schon erwähnt, wie umwerfend du aussiehst?“

„Du machst deinem Ruf alle Ehre“, scherzte sie, obwohl das Verlangen in Stefans Augen die Schmetterlinge in ihrem Bauch umherflattern ließ. „Meine Augen sind hier oben.“

„Oh, ich weiß, wo deine Augen sind.“ Lächelnd hob er den Kopf wieder. „Aber ich genieße den Anblick meiner schönen Braut aus jeder Perspektive.“

Er wollte sie, und er beließ es nicht mehr bei vagen Andeutungen. Das faszinierte Victoria umso mehr.

„Im Übrigen hat mein Ruf nichts damit zu tun, wie ich mich gerade fühle.“ Stefan zog Victoria enger an sich und drehte sie schwungvoll. „Jeder Mann auf der Welt beneidet mich. Ich bin vor Stolz fast zersprungen, als du auf den Altar zugeschritten kamst.“

Sie lachte. „Für mich als Designerin ist das ein Kompliment. Und als Frau höre ich so was natürlich auch gern.“

Mit einem übermütigen Grinsen zog er sie ein wenig enger an sich. „Glaub mir, deine Wirkung geht nicht spurlos an mir vorüber.“

Erbarmen. Victoria fühlte, was er meinte. Wie hatte dieser Tanz so außer Kontrolle geraten können? Und warum sollte es ihr etwas ausmachen? Wie konnte sie vermeiden, dass Stefan so offen mit seinen Gefühlen umging? Sollte sie verbergen, dass sie ihn in letzter Zeit ebenfalls in einem neuen Licht sah? Was wäre, wenn, hatte sie vor Jahren geträumt. Jetzt konnte sie ihre Träume Wirklichkeit werden lassen.

Sollte sie den Schritt mit Stefan wagen? Allein der Gedanke machte sie nervös, vor allem aber neugierig.

Die Hochzeitsnacht kam näher. In wenigen Stunden endete der Empfang, dann würden sie allein sein. Perfektes Timing?

Gut gemacht, Schicksal. Gut gemacht.

„Du wirst rot.“ Stefan küsste Victoria. „Ich weiß, dass alle uns beobachten und Kameras auf uns gerichtet sind, aber dieser Kuss war rein egoistisch. Es fällt mir schwer, meine Hände von dir zu lassen.“

„Stefan.“ Sie spürte, wie ihr Herz an seiner Brust schlug. „Ich weiß nicht … Ich meine, ja, ich fühle mich mehr zu dir hingezogen als zu einem Freund. Aber macht es unser Arrangement nicht schwieriger, wenn wir weiter gehen als bisher?“

„Das werden wir erfahren, wenn wir es ausprobieren.“ Wieder streifte er ihre Lippen mit seinen. „Ich hasse es, Chancen ungenutzt zu lassen. Was, wenn es die beste Entscheidung unseres Lebens wäre, miteinander zu schlafen?“

„Läuft es denn darauf hinaus?“, fragte sie, obwohl sie Stefans Antwort schon kannte.

Jäh fielen ihr die warnenden Worte ihrer Mutter ein. Victoria solle ihr Herz nicht auf diesen Mann setzen. Andererseits hatte ein anderer Mann schon auf ihrem Herzen herumgetrampelt, sodass es nichts mehr zu zerschmettern gab. Außerdem würde Stefan sie nie verletzen. „Wie lange bleiben wir noch?“, fragte sie, als das Lied verklang.

Er lächelte. „Du willst mich wohl für dich allein haben?“

Stefan und sie kannten sich schon so lange, dass er mehr über sie wusste als die meisten Menschen. Er mochte ihre Familie fast so gern wie sie selbst, und die Loyalität, die er für sein Land empfand, ließ Victorias Herz schmelzen. Wie sollte sie da seinem Charme widerstehen?

Autor

Jules Bennett
Mehr erfahren
Michelle Conder

Schon als Kind waren Bücher Michelle Conders ständige Begleiter, und bereits in ihrer Grundschulzeit begann sie, selbst zu schreiben. Zuerst beschränkte sie sich auf Tagebücher, kleinen Geschichten aus dem Schulalltag, schrieb Anfänge von Büchern und kleine Theaterstücke. Trotzdem hätte sie nie gedacht, dass das Schreiben einmal ihre wahre Berufung werden...

Mehr erfahren
Joanna Neil
Joanna Neil startete ihre Karriere als Autorin von Liebesromanen auf ganz unkonventionellem Wege. Alles begann damit, dass Joanna Neil einen Werbespot für Liebesromane sah und von diesem Zeitpunkt an wie verzaubert war.
Sie fing an, die Romane zu verschlingen, und war überwältigt. Je mehr sie las, umso mehr hatte sie...
Mehr erfahren