Atemlos vor Begehren

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Atemlos vor Leidenschaft gibt Sarah sich ihrem Mann Scott hin. So stürmisch hat der Diamanten-Magnat sie noch nie geliebt! Doch schockiert findet sie am nächsten Tag heraus, dass er sie für eine Betrügerin hält und einzig aus Eifersucht und Rachedurst zu solch aufregenden sinnlichen Spielen verführt hat. Aufgebracht und mit gebrochenem Herzen läuft sie davon. Sie braucht keinen Mann an ihrer Seite, der ihr nicht vertraut! Allerdings kann sie das überwältigende Verlangen, das Scott in ihr geweckt hat, trotz allem einfach nicht vergessen …


  • Erscheinungstag 19.12.2017
  • Bandnummer 2314
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711627
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Zu Tode gelangweilt, saß Sarah an ihrem Schreibtisch und drehte Däumchen. Dem Himmel sei Dank war Freitag. Nur noch ein paar Stunden, und das Wochenende wäre da und sie könnte das Kleingedruckte in Verträgen und Abschlüssen vergessen. Sie war nicht Anwältin geworden, um Mandanten zu zeigen, auf welche gestrichelte Linie sie ihre Unterschriften zu setzen hatten. Das konnte jeder, dazu brauchte man kein Jurastudium.

Als sie den Job bei der renommierten Anwaltskanzlei Goldstein & Evans angenommen hatte, hatte sie sich als Kämpferin für die Gerechtigkeit gesehen. Mit glühenden Plädoyers im Gerichtssaal würde sie Geschädigten zu ihrem Recht verhelfen … Doch seit sie zu Jahresbeginn hier angefangen hatte, war sie in den ersten sieben Wochen nicht einmal in die Nähe eines Gerichtssaals gekommen. Zwei Wochen hatte sie sich mit nichts anderem beschäftigt als Eigentumsübertragungen, dann noch einmal zwei Wochen mit Treuhandangelegenheiten und Testamenten und danach zwei Wochen mit Familienrecht … was ihr überhaupt nicht lag. Kaum zu fassen, aber das war immer noch besser gewesen als die Aufgaben der letzten Woche.

Schon jetzt war sie dankbar dafür, dass sie in den nächsten Wochen endlich als Verteidigerin im Strafrecht arbeiten durfte. Das war es, was sie wirklich interessierte. Die Kanzlei bot einen Pro-bono-Pool – vermutlich wurden wohl vor allem die Neuen eingesetzt, die dann als Pflichtverteidiger jenen Mandanten zugeteilt wurden, die sich eine teure Rechtsvertretung nicht leisten konnten. Sarah freute sich darauf, endlich an die Arbeit gehen zu können.

In der Zwischenzeit vertrieb sie sich die Zeit damit, mehr über den Mandanten herauszufinden, der um drei zu einem Termin kommen sollte, um einen Kaufvertrag zu unterschreiben … für eine Diamantmine. Scott McAllister hieß er, irgendeiner der ganz Großen. Laut ihrem Mentor Bob hätte ihr der Name längst begegnen müssen. Offenbar war der Mann in letzter Zeit oft in Talkshows und Nachrichten präsent gewesen, aber da Sarah Fernsehen nicht besonders mochte, war auch der Trubel um den Mann an ihr vorbeigegangen. Sie hatte keine Ahnung, wer er war.

Im Internet fand sie einige Informationen über Scott McAllister. Als einer der jüngsten Minen-Magnaten Australiens mischte er bei den unterschiedlichsten Projekten mit – Eisenerz, Gold, Kohle, Nickel und Aluminium. Und jetzt also auch noch Diamanten. Vor mehr als zehn Jahren hatte er das Unternehmen nach dem Tod des Vaters übernommen, wobei, wie es Sarah schien, vor allem Glück eine große Rolle gespielt hatte. Nicht jedoch laut Bob, der ihren Mandanten für einen außerordentlich cleveren Geschäftsmann hielt, dem der Ruf vorauseilte, einen Felsen zu kaufen und ihn dann in Diamanten zu verwandeln.

„Es heißt, die Diamantmine, die McAllister heute kauft, sei ausgeschürft“, hatte Bob ihr gesagt. „Aber dann würde ein Mann wie er sie nicht kaufen. Er muss etwas wissen, was jedem anderen entgangen ist.“

Er sprudelte geradezu über vor Bewunderung für den Mann. Sarah dagegen bewunderte so schnell niemanden. Aber immerhin war sie neugierig geworden und hatte sich informiert.

Das Foto, das sie von Scott McAllister gefunden hatte, verriet ihr nicht viel mehr, als dass er sehr groß und sehr gut gebaut war. Es war bei einer Schürfstelle aufgenommen worden, alle Arbeiter trugen gelbe Sicherheitswesten und gelbe Arbeitshelme. McAllisters Gesicht war kaum zu erkennen, saß ihm doch auch noch eine Sonnenbrille auf der Nase. Aber immerhin war es eine gerade Nase. Braun gebrannte Haut und ein eckiges Kinn waren zu sehen. Um seinen Mund lag ein harter, unnachgiebiger Zug. Angeblich war der Mann erst fünfunddreißig, aber er sah definitiv älter aus. Und er war ledig. Was Sarah nicht überraschte. Nicht viele Frauen würden sich von einem solchen Mann einnehmen lassen, trotz seines Reichtums.

Bobs Telefon klingelte. Mit einem gemurmelten Fluch riss er den Hörer ans Ohr. Sekunden später fluchte er noch heftiger.

„Entschuldigung“, richtete er sich an Sarah. „McAllister ist schon hier, die anderen Parteien aber noch nicht. Und den Vertrag habe ich auch noch nicht richtig durchgelesen. Könnten Sie mir einen Gefallen tun? Könnten Sie nach unten gehen und ihn in Empfang nehmen? Gehen Sie mit ihm in den Konferenzraum vor, bieten Sie ihm einen Kaffee an, ja? Oder einen Drink, was immer der Mann haben will. Sie sind doch gut in so was.“

Das stimmte zweifellos. Sie hatte ausreichend Übung im Kaffeeservieren für Bob und Kohorten gesammelt, seit sie hier angefangen hatte. Sie hätte genauso gut in einem Café als Bedienung jobben können. Aber ihre Mutter hatte ihr makellose Manieren beigebracht. Also lächelte sie nur und behauptete, es wäre ihr ein Vergnügen.

Bob strahlte sie an. „Sie sind ein gutes Mädchen.“

Das hätte Sarah beleidigt, wäre Bob nicht der dreiundsechzigjährige Gentleman, der er war. Sie wurde demnächst sechsundzwanzig … wohl kaum noch ein Mädchen!

Sie stand und machte sich auf den Weg zur Rezeption. In gewisser Hinsicht war sie sogar froh, etwas zu tun zu haben. Und ehrlich gesagt, war sie neugierig auf den Mann, den sie jetzt treffen würde. Neugierig, wie er ohne Sonnenbrille aussah.

Im Foyer erkannte sie ihn sofort. In einem anthrazitfarbenen Anzug mit weißem Hemd und langweiliger blauer Krawatte saß er auf einem der schwarzen Ledersofas im Wartebereich, die Arme auf die Rücklehne gelegt, den rechten Fuß auf dem linken Knie. Seine Schuhe waren geputzt, aber alles andere als neu. In Sachen Mode schien der Mann nicht besonders bewandert zu sein. Aber vielleicht achteten Minen-Magnaten ja nicht auf Äußerlichkeiten.

Wirklich enttäuschend jedoch war es, dass er die Augen geschlossen hielt. Dafür aber nutzte sie die Gelegenheit, um sein Gesicht zu studieren. Das sehr kurze dunkelbraune Haar stand ihm gut, seine Nase war sogar noch größer als auf dem Foto, aber das passte zu seinem Gesicht. Ein großzügiger Mund, die Oberlippe eher schmal, die untere voller, aber eben nicht voll genug, um sein Gesicht weicher wirken zu lassen.

Noch bevor er die Augen öffnete, hatte Sarah entschieden, dass Scott McAllister kein im klassischen Sinne gut aussehender Mann war. Dennoch fand sie ihn auf unerklärliche Weise sehr attraktiv. Völlig unverständlich. Große bullige Macho-Typen hatten sie noch nie gereizt, sie fand sie eher einschüchternd und zog schlanke, elegante Männer vor, die mehr Verstand als Muskeln hatten.

In gebührendem Abstand blieb sie vor ihm stehen und räusperte sich. „Mr. McAllister?“ Plötzliche Nervosität ließ ihre Stimme höher klingen als normal. Bei den Theateraufführungen in der Schule hatte ihre Lehrerin ihre Stimme als „trällernd“ bezeichnet, was wohl eher mädchenhaft wirkte. Sicher kein Plus bei Plädoyers im Gerichtssaal, aber sie arbeitete daran!

Der Mann vor ihr hob die Lider, und sie konnte endlich seine Augen sehen.

Silbergrau, erstaunlich lange Wimpern, überhaupt nicht hart, aber definitiv auf der frostigen Seite. Und gleichzeitig heiße Funken sprühend. Heiß und gierig. Mit einem schnellen Blick hatte er sie von Kopf bis Fuß gemustert. Das raubte ihr vorübergehend den Atem und jagte einen Hauch Rot in ihre Wangen. Wie erniedrigend!

„Der bin ich, ja.“ Er stand auf, überragte sie um Haupteslänge, trotz ihrer ein Meter fünfundsiebzig und die Absätze – wenn auch gemäßigt –, die sie trug.

Sie musste tatsächlich den Kopf in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Ihr Mund war verstörenderweise jäh staubtrocken geworden.

Sie leckte sich über die Lippen. „Die aktuellen Besitzer der Mine sind leider noch nicht eingetroffen.“ Sarah konzentrierte sich auf Erziehung, Gewandtheit und Professionalität und setzte ein höflich-verbindliches Lächeln auf, das sie auf Kommando abrufen konnte. „Mr. Katon bat mich, mich Ihrer anzunehmen, bis die anderen Parteien zu uns stoßen.“

Er erwiderte ihr Lächeln, fixierte sie mit diesem grauen Blick.

Völlig unangebrachtes Verlangen drohte, sich in ihr auszubreiten und sie dazu zu verleiten, die unmöglichsten Dinge zu sagen und zu tun. Nur mit eiserner Anstrengung riss sie sich zusammen. „Wenn Sie mir dann bitte folgen wollen, Sir …“

„Engelchen“, jetzt zuckte ein Lächeln um seine Mundwinkel, ließ seinen Mund unglaublich sexy wirken. „Ihnen würde ich sogar in die Hölle folgen.“

Und Sarah stand der Mund offen, als ihr klar wurde, dass sie das Gleiche für ihn tun würde.

1. KAPITEL

Sydney, fünfzehn Monate später …

In seinem Büro stand Scott am Fenster und sah mit leerem Blick hinaus. Nicht dass es hier viel zu sehen gäbe. Das Bürogebäude von McAllister Mines lag am Südende von Sydneys Geschäftsviertel. Hier gab es keinen pittoresken Blick auf Hafen und Opernhaus, nicht einmal auf beruhigendes Grün von Parkanlagen oder Gärten. Nur mit Autos verstopfte Straßen und langweilige Hochhäuser.

Allerdings bezweifelte er sowieso, dass irgendetwas ihn an diesem Montagmorgen hätte beruhigen können. In seinem ganzen Leben war er noch nie so aufgewühlt gewesen, nicht einmal, als sein Vater gestorben war. Mit dem Tod war leichter umzugehen als mit Betrug. Noch immer konnte er nicht glauben, dass Sarah ihm so etwas antun würde. Sie waren doch gerade mal ein Jahr verheiratet, gestern war ihr erster Hochzeitstag gewesen. In Scott lebte ein grundsätzlicher Argwohn gegenüber dem weiblichen Geschlecht, aber Sarah war so anders als all die Frauen, die für seinen Zynismus verantwortlich waren. Komplett anders. Dass sie ihn betrügen sollte, schien … schlicht unmöglich.

Doch letzten Freitag war dieser Text mitsamt Fotos auf seinem Smartphone eingegangen, kurz nach dem Meeting mit dem Milliardär aus Singapur an der Goldküste, von dem er sich eine Liquiditätsspritze erhofft hatte. Nur gut, dass er zu dem Zeitpunkt allein gewesen war, so hatte niemand seine entsetzte Schockreaktion miterlebt, auf die ungläubige Fassungslosigkeit gefolgt war. Und dann hatte er sich gezwungen gesehen, den Beweis, den er vor Augen hatte, zu akzeptieren – die Fotos, gestochen scharf, mit Datum und Uhrzeit, und zwar zur Lunchzeit an demselben Tag.

Vielleicht interessiert es Sie ja, was Ihre Frau so treibt, während Sie geschäftlich unterwegs sind, hatte der begleitende Text gelautet. Gezeichnet mit: Ein Freund.

Das wohl nicht, eher ein Konkurrent oder eine eifersüchtige Kollegin Sarahs. Sarah weckte Eifersucht. Nicht nur bei anderen Frauen, auch in ihrem Ehemann. Was aber nicht automatisch bedeutete, dass Sarah unschuldig war. Sein Vater hatte immer gesagt, dass, wenn etwas aussah wie eine Ente, watschelte und quakte wie eine Ente, die Wahrscheinlichkeit groß war, dass es sich auch um eine Ente handelte. Daher dauerte es nicht lange, bis Scott überzeugt war, dass seine Frau eine Affäre mit dem gestriegelten Schönling hatte, mit dem zusammen sie auf diesen verdammten Fotos abgelichtet war.

Scott hätte sich nie zu solch intensiver Eifersucht und nahezu unkontrollierbarer Rage für fähig gehalten. Er hatte seine Assistentin Cleo allein an der Goldküste zurückgelassen, um den Deal in trockene Tücher zu bringen, und war unter dem Vorwand eines häuslichen Notfalls sofort zu seiner untreuen Ehefrau zurückgeflogen.

Aber er hatte sie nicht zur Rede gestellt. Weshalb nicht? Aus Scham? Aus schlechtem Gewissen?

Eigentlich hatte er auf eine logische Erklärung gehofft. Doch als er die gemeinsame Wohnung betreten hatte, war Sarah ihm praktisch um den Hals gefallen, überglücklich, dass er früher von seiner Geschäftsreise nach Hause gekommen war. Sie hatte ihn leidenschaftlich geküsst, viel überschwänglicher als üblich. Ihr eheliches Sexleben war sicher befriedigend, aber Sarah war nie diejenige, die die Initiative ergriff. Sie überließ immer ihm den ersten Schritt. Doch nicht an jenem Abend. Da war sie ziemlich forsch gewesen.

Musste das Schuldgefühl sein, hatte er rückblickend entschieden. Und was dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt hatte … nach dem Marathon-Liebesspiel, als sie längst in den Schlaf der Erschöpfung geglitten war, hatte er wach gelegen und sich mit Vorwürfen gemartert. Komplett verrückt. Warum sollte er sich schuldig fühlen? Sie war die Ehebrecherin, nicht er.

Sie hatte ihn außerdem munter angelogen und ihm minutiös beschrieben, was sie an dem Tag alles unternommen hätte. Angeblich war sie auf der Jagd nach einem besonderen Geschenk für ihn zum Hochzeitstag gewesen. Dabei wusste er doch, was sie an dem Tag getrieben hatte!

Scott war in sein Arbeitszimmer gegangen und hatte sich wie der Neandertaler benommen, als der er sich fühlte. Er hatte sich hemmungslos betrunken und war auf der Couch in einen bewusstlosen Schlaf gefallen.

Wo Sarah ihn am nächsten Morgen gefunden hatte. Dort hatte auch ihre letzte hässliche Konfrontation begonnen. Noch immer hatte Scott nicht verarbeitet, was Sarah ihm an den Kopf geworfen hatte, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und zur Tür hinausgerauscht war. Zurückgekommen war sie nicht.

Am späten Sonntagabend sah er sich gezwungen, die Möglichkeit zu akzeptieren, dass sie vielleicht nie wieder zurückkommen würde. Dazu setzten die nagenden Zweifel ein, dass er vielleicht vorschnelle Schlüsse gezogen haben und einem schrecklichen Irrtum aufgesessen sein könnte. Zweifel, die ihn nicht losließen.

Das Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen trüben Gedanken. Cleo steckte zögerlich den Kopf zur Tür herein. Ihre dunklen Augen sprachen Bände, sie sorgte sich um ihren Chef. Scott hatte ihr eine knappe Schilderung der Ereignisse anvertraut, da er vor Cleo kein so großes Geheimnis wahren konnte. In den drei Jahren, seit sie jetzt für ihn als PA arbeitete, war sie so etwas wie eine Freundin geworden. Cleo war sogar noch schockierter über die Nachricht gewesen als er, falls das überhaupt möglich war.

„Deine Frau liebt dich über alles“, hatte sie im Brustton der Überzeugung behauptet. „Sarah würde dich niemals betrügen!“

Das hatte er auch einmal gedacht. Aber offensichtlich hatte er sich getäuscht. Und Cleo lag genauso falsch.

Scott hatte das Smartphone dem Chef seines Sicherheitsdienstes überlassen, damit dieser so viel wie nur möglich herausfinden konnte. Harvey die Fotos seiner Frau mit einem anderen Kerl zu zeigen, war extrem erniedrigend gewesen, aber er musste einfach wissen, ob die Bilder echt waren. Und er wollte wissen, wer sie ihm geschickt hatte. Außerdem wollte er alles über den schnieken Schnösel herausfinden. Der Himmel allein wusste, was er dem Kerl antun würde, wenn dessen Identität geklärt war.

Der Typ hatte ein attraktives Gesicht, das musste Scott ihm zugestehen, aber er war weder groß noch besonders gut gebaut. Eher verweichlicht. Schick. Ein protziger Pfau.

Scott hasste ihn mit Inbrunst.

„Harvey möchte hochkommen“, erklärte Cleo. „Ist das in Ordnung? Soll ich euch beiden Kaffee bringen?“

Schon den ganzen Morgen wartete Scott auf eine Antwort von Harvey, doch jetzt, wo es so weit war, wünschte er, er hätte das Ganze niemals angefangen. Er hätte Sarah nicht gehen lassen dürfen, hätte es mit ihr ausdebattieren und eine Erklärung von ihr verlangen sollen. Aber welche Erklärung hätte sie ihm schon geben können? Sie hatte die Echtheit der Fotos ja nicht bestritten. Stattdessen war sie wütend auf ihn gewesen, auf sein Verhalten am Abend zuvor. Na schön, er hätte sie also direkt mit den Fotos konfrontieren sollen. Hatte er aber nicht. Und am nächsten Morgen war er immer noch zu zornig gewesen, um sich für sein „Höhlenmenschenbenehmen“, wie sie es nannte, zu entschuldigen. Fast wäre es ihr gelungen, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden. Nachdem sie aus dem Apartment gestürmt war, hatte er doch tatsächlich geglaubt, sie wäre unschuldig.

Bis er sich die Fotos erneut angesehen hatte.

„Kaffee ist nicht nötig, Cleo, danke.“ Er bemühte sich, normal zu klingen und nicht wie ein Mann, der auf sein Erschießungskommando wartete. „Ach, und Cleo … nochmals danke, dass du letzten Freitag übernommen hast. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.“

Cleo hob die Schultern. „Nur hat das leider nicht viel geholfen. Der Investor hat überdeutlich klargemacht, wie wenig es ihm behagt, mit einer Frau zu verhandeln, noch dazu mit einer unter dreißig. Aber wenn du meine Meinung hören willst … ohne ihn bist du besser dran. Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl bei dem Mann. Er hatte mir viel zu listige Augen.“

Scott lächelte schmal. Cleo beurteilte ihre Mitmenschen grundsätzlich nach den Augen, und normalerweise lag sie damit richtig. Schon mehrere Male hatte sie ihn so vor Fehlentscheidungen bewahrt. Allerdings hatte sie Sarah auch für die netteste Frau überhaupt gehalten. Man konnte eben nicht immer ins Schwarze treffen.

„Dann streiche ich ihn wohl besser von der Liste möglicher Partner, was?“

„Das wäre mein Ratschlag, ja. Trotzdem brauchst du jemanden, der flüssig ist, und das schnell. Sonst wirst du die Nickel-Fabrik schließen müssen, vielleicht sogar die Mine selbst. Du kannst das nicht auf Dauer mit Verlust laufen lassen.“

„Das weiß ich auch“, knurrte er. „Warum stellst du nicht ein paar Nachforschungen an? Suchst jemanden, vielleicht hier in Australien … Ah Harvey, kommen Sie herein.“

Cleo zog sich zurück. Harveys Pokerface verriet absolut nichts. Harvey war ein Mittfünfziger, ein Schrank von einem Mann, mit kahlem Schädel, frostigen blauen Augen und einem unnachgiebigen Mund. Zwanzig Jahre hatte er im Polizeidienst gearbeitet und zehn Jahre als Privatdetektiv, bevor er Chef von Scotts Sicherheitsdienst geworden war. Mit seiner bulligen Erscheinung vom Typ Türsteher in Lederjacke, Jeans und Stiefeln war er der perfekte Leibwächter, den ein Minen-Magnat wie Scott manchmal durchaus brauchte. Aber Harvey hatte auch Kenntnisse als IT-Experte, die ihn unverzichtbar machten.

Scott schloss die Tür hinter seinem Mann und bot ihm einen Stuhl. „Also, was haben Sie herausgefunden?“, fragte er ohne Einleitung, und seine Laune setzte zum Sturzflug an, als er das Aufblitzen von Mitgefühl in den Augen des anderen sah. Er ließ sich in seinen Bürosessel fallen. „Ihrer Miene nach gehe ich davon aus, dass Sie keine guten Neuigkeiten für mich haben.“

„Nein.“ Harvey war kein Mann großer Worte.

Scott wappnete sich für das Schlimmste. „Schießen Sie los.“

Harvey legte Scotts Smartphone auf den Schreibtisch, lehnte sich dann in den Stuhl zurück. „Die Fotos wurden mit einem Wegwerf-Handy verschickt. Keine Chance, das zurückzuverfolgen.“

„Dachte ich mir schon“, meinte Scott. „Sind die Fotos echt?“

„Ja, an ihnen wurde nichts manipuliert.“

„Datum und Zeiten stimmen auch?“

„Alles echt. Und ich habe herausgefunden, dass es sich um das Regency handelt.“

Scotts Magen verkrampfte sich. Das Regency, ein Fünf-Sterne-Hotel, lag nur einen Steinwurf von der Kanzlei entfernt, in der Sarah arbeitete.

„Einer der Kellner in dem Restaurant erinnerte sich an Sarah.“

Natürlich, dachte Scott grimmig. Jeder Mann, der nicht blind war, erinnerte sich an sie. Mit dem langen blonden Haar, den großen blauen Augen und der traumhaften Figur konnte sie jeden Heiligen in Versuchung führen.

Scott würde den Moment nie vergessen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Das war erst fünfzehn Monate her. Damals hatte er eine angeblich ausgeschürfte Diamantmine kaufen wollen. Er war zu früh zur Vertragsunterzeichnung bei Goldstein & Evans erschienen, der Kanzlei, die er bei Geschäftsverträgen immer nutzte. Sarah hatte ihn in Empfang genommen, mehr eine glorifizierte Hostess als die clevere Anwältin, als die sie sich später entpuppte. Scott hatte sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Beim dritten Dinner hatte sie ihm gestanden, dass es ihr ebenso ergangen war, und drei Monate später war sie seine Frau geworden. Jetzt, ein Jahr später, sah es aus, als würde sie bald seine Exfrau werden.

Harvey räusperte sich. „Was wusste der Kellner sonst noch zu berichten?“

„Seiner Meinung nach gingen die beiden ziemlich vertraut miteinander um. Saßen in einer diskreten Nische und redeten, ohne viel zu konsumieren. Zirka eine Viertelstunde, dann sind sie gegangen.“

„Aha.“ Scott wusste so gut wie Harvey, wie es weitergegangen war. Der Typ hatte den Zimmerschlüssel an der Rezeption abgeholt, sie waren mit dem Aufzug nach oben gefahren und erst nach einer knappen Stunde wieder aus dem Zimmer gekommen.

„Nimmt man das Positive, so hat der Kellner sie vorher noch nie dort gesehen“, fügte Harvey an.

Positiv? Es gab unzählige Hotels im Geschäftsviertel.

„Und der Typ kam ihm bekannt vor, er war schon öfter dort, immer mit verschiedenen Frauen“, fuhr Harvey fort.

„Haben Sie herausgefunden, wer er ist?“

„Ein gewisser Philip Leighton, Mitte dreißig, seines Zeichens Anwalt.“

„Und arbeitet für Goldstein & Evans, richtig?“

„Richtig. Fachanwalt für Familienrecht, spezialisiert auf Scheidungen in der High Society. Alter Geldadel, Vater ist Senator. Wie gemunkelt wird, hat Mr. Leighton eine Karriere in der Politik im Auge. Der Mann ist ledig, ohne feste Beziehung. Laut seiner Kollegen ein Blaubart. Auch die Beschreibung ‚glattzüngiger Charmeur fiel.“

Scott versuchte nicht daran zu denken, wo diese glatte Zunge schon überall gewesen sein mochte. Dennoch hing die schwarze Wolke der Eifersucht über ihm. Er mochte es nicht, wenn man ihn zum Narren hielt. Und genau das hatte Sarah getan. Ihr Wutanfall am Samstagmorgen war reine Show gewesen, um von ihrem eigenen Vergehen abzulenken. Die brutale Wahrheit war, dass Sarah sich von einem schleimigen Schönling hatte verführen lassen.

Wenn du in letzter Zeit nicht so oft geschäftlich unterwegs gewesen wärst, wäre das alles vielleicht nicht passiert …

Gott, jetzt suche ich auch noch nach Entschuldigungen für sie!

Er setzte sich gerader auf, gab sich alle Mühe, gefasst und gelassen zu wirken. „Gibt es noch mehr, was ich über die Beziehung meiner Frau zu diesem Leighton wissen sollte?“

„Nun, sie ist nicht zu ihm gegangen, nachdem sie am Samstag die Wohnung verlassen hat. Er hat ein Haus an der Küste, aber sie ist dort nicht aufgetaucht.“

Sollte ihn das erleichtern? Er fühlte sich nicht erleichtert. „Wahrscheinlich ist sie bei Cory untergetaucht“, murmelte er. „Cory ist ihr bester Freund, noch aus Studientagen.“

Weiter ging Scott nicht darauf ein, schon allein weil er nichts Genaures über die Freundschaft seiner Frau mit dem Architekten wusste. Eigentlich, so stellte er in diesem Moment fest, wusste er generell wenig über Sarahs Vorleben. Während ihrer Wirbelwindromanze hatte sie ihm nur erzählt, dass ihre Mutter tot war und sie sich von ihrem Vater entfremdet hatte. Es gab noch einen älteren Bruder, der jedoch bei der schmutzigen Scheidung der Eltern zum Vater gehalten hatte, obwohl der Mann der Ehebrecher gewesen war. Scott hatte nicht weiter nachgehakt. Genauso wenig, wie er sie zu der Freundschaft genauer interviewt hatte, einfach weil er sich wegen Cory überhaupt keine Sorgen machte. Er mochte den Mann und war sicher, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte.

Was sich vermutlich inzwischen geändert hat, dachte er grimmig. Sarah würde Cory alles brühwarm erzählen. Die beiden waren wie kichernde Teenager zusammen. Zu gern würde er einmal Mäuschen sein und die beiden belauschen …

Plötzlich wollte Scott allein sein, damit er selbst einige Nachforschungen anstellen konnte. Er stand auf, ging um den Tisch und streckte Harvey die Hand hin. „Danke, wie immer großartige Arbeit. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.“ Obwohl er im Grunde nicht viel mehr wusste. Liebt Sarah diesen Mann, diesen Leighton? Hat sie mich überhaupt je geliebt? Dafür hätte Scott sich die rechte Hand abschlagen lassen. Aber er hätte sich ja auch die Hand dafür abschlagen lassen, dass sie ihn niemals betrügen würde.

„Keine Ursache, Boss.“ Harvey erhob sich und schüttelte seinem Chef die Hand. „Tut mir leid, dass ich nichts Angenehmeres zu berichten hatte.“

„Ein weiser Mann hat mal gesagt, dass im Leben nichts einfach ist.“ Auch nicht in der Liebe. Denn er liebte seine untreue Ehefrau noch immer, mochte der Himmel wissen, warum!

Sobald Harvey außer Sicht- und Hörweite war, griff Scott nach seinem Smartphone und wählte Sarahs Büronummer. Als er erfuhr, dass sie sich für heute krankgemeldet hatte, wusste er nicht, was er davon halten sollte. Sarah feierte nie krank. Sie liebte ihren Job, vor allem jetzt, da sie zum Pro-bono-Team gehörte und bereits mehrere Fälle vor Gericht ausgefochten und gewonnen hatte. Ohne guten Grund würde sie nie einen Tag fehlen.

Sie musste also ziemlich durcheinander sein. Seinetwegen? Oder weil sie sich schuldig fühlte? Vielleicht bereute sie ja längst, was sie getan hatte? Vielleicht war sie deshalb letzten Freitag so impulsiv gewesen – um es wiedergutzumachen. Vielleicht war sie aber auch mit diesem Knilch, diesem Leighton, durchgebrannt!

Scott stürzte das Herz in die Kniekehlen. „Ist Mr. Leighton im Hause?“, zwang er sich zu fragen.

„Ja, Sir. Soll ich Sie zu ihm durchstellen?“, bot die nette Sekretärin am anderen Ende der Leitung an.

„Nein, im Moment nicht.“ Die Erleichterung ließ ihn kurz schwindeln. Aber bald würde er sich den Typen zur Brust nehmen. Nur musste er erst mit Sarah sprechen. Je nachdem, wie sie sich äußerte, käme dann Leighton an die Reihe. Zivilisiert würde es dabei wohl eher nicht zugehen. Allein, wenn er an den Typen dachte, schoss Wut in ihm auf wie Quecksilber. Scott zweifelte nicht daran, dass Leighton Sarah verführt hatte. Sarah war schlicht nicht der Typ untreue Frau.

Autor

Miranda Lee
Miranda Lee und ihre drei älteren Geschwister wuchsen in Port Macquarie auf, einem beliebten Badeort in New South Wales, Australien. Ihr Vater war Dorfschullehrer und ihre Mutter eine sehr talentierte Schneiderin. Als Miranda zehn war, zog die Familie nach Gosford, in die Nähe von Sydney.

Miranda ging auf eine Klosterschule. Später...
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