Das Herz führt Regie

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Was für ein toller Mann: atemberaubend attraktiv, erfolgsverwöhnt und charmant. Juliet ist auf den ersten Blick von dem Regisseur Nik Prince fasziniert, als sie ihm auf einer exklusiven Party in London begegnet. Stürmisch erwidert sie seinen heißen Flirt und sagt Ja zu einem Wiedersehen. Noch nie hat sie sich spontan so leidenschaftlich verliebt, aber offensichtlich nicht in den Richtigen. Versucht Nik über sie nur an die Rechte für ein Drehbuch zu kommen? Juliet muss herausfinden, was er wirklich von ihr will ...


  • Erscheinungstag 10.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777951
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Und was hat Ihr Autor diesmal zu meinem Angebot gesagt?“ Niks Stimme klang fast gelangweilt. Aber sein Gleichmut war nur gespielt und gehörte zu seiner Taktik, wenn er um die Filmrechte an dem bewegenden Buch von J. I. Watson verhandelte.

Er saß dem Verleger gegenüber und beobachtete unter halb gesenkten Augenlidern, wie unbehaglich James Stephens sich fühlte. Der Mann war Mitte fünfzig und hatte den Verlag vor zwanzig Jahren von seinem Vater übernommen. Zweifellos besaß er Erfahrung mit Autoren und wusste auch die vielen Sonderlinge unter ihnen zu nehmen. Aber das Verhalten dieses J. I. Watson schien selbst Stephens ein Rätsel zu sein.

Auch Nik verstand nicht, warum der Autor sich so zierte, ihm die Filmrechte zu verkaufen. Das Buch hatte, als es vor sechs Monaten erschien, einen Wirbel verursacht. Da lag eine Verfilmung doch nahe. Und träumte nicht jeder Autor davon? Besonders dann, wenn ein namhafter Produzent und Oscar-Preisträger wie er, Nikolas Prince, sich des Stoffes annehmen wollte?

Dieser J. I. Watson offenbar nicht. Denn von den vier Briefen, die Nik ihm schon geschrieben hatte, waren die ersten beiden unbeantwortet geblieben. Auf den dritten reagierte der Autor mit einer knappen, wenn auch höflichen Ablehnung. Und nun war Nik in den Verlag gekommen, um sich die Antwort auf den letzten vom Verleger persönlich abzuholen. Nach Stephens Gesichtsausdruck zu urteilen, würde er wieder kein Glück haben.

Seit zwei Monaten versuchte Nik nun schon, J. I. Watson kennenzulernen. Das Warten nervte ihn zunehmend. Vor vier Wochen hatte er sich deshalb ohne Stephens Wissen an die Cheflektorin gewandt. Nachdem sie ein paar Mal zusammen gegessen und Wein getrunken hatten, rückte sie endlich mit dem Geständnis heraus, dass der Autor unter Pseudonym veröffentlichte und sein richtiger Nachname Nixon sei. Aber das helfe ihm kaum weiter, denn selbst sie wisse nichts über den Mann und halte nur über eine Postfachadresse mit ihm Kontakt. Nik musste ihr versprechen, niemandem davon zu erzählen und schon gar nicht zu verraten, wem er diese Informationen verdankte.

„Mein Angebot wurde wieder abgelehnt, oder?“, sagte Nik und zeigte seinen Ärger darüber.

„Ja“, bestätigte Stephens. Er war offensichtlich erleichtert, dass er die Absage nicht selbst formulieren musste.

„Was stimmt mit diesem Menschen nicht?“ Nik erhob sich und baute sich in voller Größe von ein Meter neunzig vor dem Schreibtisch des Verlegers auf. „Will er mehr Geld herausschlagen?“ Seine grauen Augen funkelten in dem männlich geschnittenen Gesicht, sein dunkles, widerspenstiges Haar unterstrich sein einschüchterndes Auftreten. „Ich werde ihm alles geben, was er verlangt, solange es den Rahmen des Machbaren nicht sprengt.“

Stephens zuckte mit den Schultern. Er war zwar schmächtig und hatte kaum noch Haare auf dem Kopf, aber seine klugen blauen Augen warnten die Umwelt, ihn nicht zu unterschätzen. „Ich werde Ihnen das Antwortschreiben zeigen.“ Er öffnete eine Schublade, zog einen Bogen Papier heraus und reichte ihn Nik.

Darauf stand nur ein einziger Satz. „Auch nicht, wenn Nik Prince persönlich darum bittet.“ Eine knappe, auf den Punkt gebrachte, unmissverständliche Absage.

Aber so irritierend sie auch war, Nik beschäftigte sich nicht weiter mit dem Inhalt des Satzes, denn er hatte die Absenderadresse entdeckt. An der Nummer erkannte er, dass das Postfach, von dem die Cheflektorin ihm erzählt hatte, hier irgendwo in London sein musste. Daran hatte James Stephens wohl nicht gedacht, als er ihm den Brief zum Lesen überlassen hatte …

Ohne Kommentar und mit ausdruckslosem Gesicht gab Nik den Briefbogen zurück. Er zweifelte nicht an der Loyalität des Verlegers. Wenn der Mann merkte, dass er die Anonymität seines Autors versehentlich preisgegeben hatte, indem er Nik die Postfachnummer hatte lesen lassen, würde er sich mit dem Schriftsteller umgehend in Verbindung setzen und ihn bitten, seine Adresse zu ändern.

„Haben Sie mit dem Mann persönlich über mein Anliegen gesprochen?“, fragte Nik.

„Nein. Wie sollte ich? Ich bin dem Autor noch nie begegnet“, gab Stephens zu.

„Was? Nicht einmal Sie kennen ihn?“ Nik war ehrlich überrascht. Er hatte sich all die Wochen geärgert, weil der Verleger so mauerte, wenn es darum ging, J. I. Watson zu treffen. Dass selbst Stephens nicht an ihn herankam, damit hatte Nik nicht gerechnet. Das Ganze nahm allmählich die Züge einer Farce an.

Der Verleger schnitt ein Gesicht. „Ich weiß nicht, wie der Mann aussieht und wie seine Stimme klingt. Wir haben nicht einmal miteinander telefoniert, sondern nur über den Postweg Mitteilungen ausgetauscht.“

„Unfassbar!“ Nik ließ sich wieder auf dem Stuhl nieder und blickte auf die Schreibtischplatte. Er verstand nicht, was das alles bedeutete. Bisher hatte er angenommen, dass wenigstens der Verleger den Autor kenne und die Postfachadresse nur für den Kontakt mit Verlagsangestellten eingerichtet worden sei. „Ich habe das geheimnisvolle Getue für einen Werbegag des Verlags gehalten.“

„Schön wär’s“, brummte Stephens. „Bei diesem Buch haben wir mehr reagiert als agiert. Es begann damit, dass uns das Manuskript vor fast achtzehn Monaten ungebeten zugeschickt wurde. Schließlich las es eine junge Lektorin. Weil ihr die Handlung gefiel und sie die Qualität des Stils erkannte, gab sie es an eine erfahrene Kollegin weiter. Der Roman brauchte nicht einmal drei Monate, bis er auf dem Schreibtisch der Cheflektorin landete.“ Und weil Nik ihn irritiert ansah, fügte er hinzu: „Das ist keineswegs lang für einen Text, den wir nicht bestellt haben.“

„Wenn Sie das sagen“, meinte Nik. Er war immer noch nicht darüber hinweggekommen, dass niemand aus dem angesehenen Verlagshaus den Schriftsteller kannte, der Millionen eingespielt hatte. Auch das wusste er von der Cheflektorin.

Stephens lehnte sich zurück. „Wir haben uns natürlich bei vielen Gelegenheiten bemüht, Mr Watson persönlich kennenzulernen. Aber ohne Erfolg. Jeder Versuch wurde rundweg abgelehnt.“

Kein Wunder, dass es so schwer war, mit dem Schriftsteller zu verhandeln, wenn der Mann nicht einmal bereit war, sich mit seinem Verleger zusammenzusetzen. Nik schüttelte verwundert den Kopf.

„Sie können mir das ruhig glauben“, sagte Stephens, weil er Niks Geste offenbar falsch verstanden hatte. „Über den Vertrag, unsere Änderungswünsche am Manuskript, von denen es übrigens nur wenige gab, über alles verhandelten wir nur schriftlich per Post.“

„Und was machen Sie mit den Fan-Mails? Lassen Sie ihm die alle als Ausdrucke zukommen?“, fragte Nik.

„Wir treffen gelegentlich eine Auswahl und schicken sie ihm, damit er einen Eindruck gewinnt, was seine Leserschaft über das Buch denkt. Natürlich keine gemeinen Stimmen. Die behalten wir ein.“

„Gemeine Stimmen?“ Nik zog die Brauen hoch.

„Beleidigungen, Morddrohungen.“ Der Verleger zuckte die Schultern. „So ein Erfolg, der über Nacht kommt, ruft Neider auf den Plan. Manche zeigen sich von ihrer miesesten Seite.“

Damit kannte Nik sich aus. Im Laufe der Jahre hatte er mehr als genug widerliche Briefe bekommen. Aber darüber wollte er jetzt nicht sprechen. Er kam auf einen Punkt zurück, der vielleicht wichtig für ihn war. „Der Vertrag. Sicher sind darin …“

„Die Klausel über die Film- und Fernsehrechte wurde herausgenommen“, unterbrach ihn Stephens. „Auf Wunsch des Autors, selbstverständlich.“ Seine blauen Augen blitzten schalkhaft.

„Natürlich.“ Niks Miene verfinsterte sich. Der Mann hatte allen Grund, sich zu amüsieren. Der Verlag hatte seine Schäfchen ins Trockene gebracht.

„Wir wollten das Buch unter allen Umständen veröffentlichen.“ Jetzt grinste Stephens ganz unverhohlen.

Sollte er! Nik war sicher, dass ein Manuskript wie „Kein gewöhnlicher Junge“ einem Verleger nur einmal im Leben ins Haus flatterte. Wer konnte ihm da verübeln, dass er zugegriffen und die Bedingungen des Autors akzeptiert hatte? Sonst wäre sicher ein Konkurrent bereit gewesen, auf alle Wünsche von Watson einzugehen.

Für Nik war das alles ohne Belang. Ihm ging es nur um die Verfilmung des Buches. Aber ohne die Einwilligung des Autors war das unmöglich.

„Wenn Sie jetzt enttäuscht sind“, sagte Stephens, „dann können Sie vielleicht nachvollziehen, wie es uns ergangen ist, als der Mann ablehnte, in der Öffentlichkeit aufzutreten, Interviews zu geben, Lesereisen zu machen, Bücher zu signieren und was es sonst noch alles an PR-Maßnahmen gibt. Watsons Öffentlichkeitsscheu hat uns wahrscheinlich Millionen gekostet.“

„Immerhin hat er Ihnen auch Millionen eingebracht“, erwiderte Nik. „Und wenn ich die Filmrechte bekäme, würde Ihnen das auch nicht gerade schaden.“

„Stimmt.“ Der Verleger lächelte. „Aber da Sie die Filmrechte nicht bekommen werden …“

„Wer sagt denn das?“, fiel ihm Nik ins Wort und erhob sich verärgert.

Der Verleger sah neugierig zu ihm hoch. „Mich würde interessieren, weshalb Sie sich eine Chance ausrechnen, mit dem Mann zu verhandeln. Er redet mit niemandem. Er redet nicht einmal mit uns, obwohl wir uns seit Monaten darum bemühen.“

„Mit mir wird er reden“, sagte Nik zuversichtlich. „Ich spiele nach anderen Regeln als Sie, Mr Stephens.“ Nun, da er die Postfachnummer kannte, glaubte Nik, diesen Watson oder Nixon ausfindig machen zu können. „Mit einem Nein habe ich mich übrigens noch nie abgefunden“, fügte er harsch hinzu.

Das würde er auch diesmal nicht tun. J. I. Watson sollte das bald merken.

1. KAPITEL

„Danke für die Einladung, Susan“, sagte Jinx lächelnd, nachdem sie von der Gastgeberin ins Haus gebeten worden war.

Susan umarmte die Freundin. „Bitte sei nicht so höflich, Jinx. Ich weiß doch, dass du es dir lieber zu Hause mit einem Buch gemütlich gemacht hättest und nur gekommen bist, weil ich dich bei unserem letzten Treffen so sehr darum gebeten habe.“

Die beiden Frauen kannten sich schon seit ihrer Schulzeit. Susan war inzwischen mit einem Steuerberater verheiratet und hatte zwei kleine Kinder, auf die jetzt das Kindermädchen aufpasste, damit sie die Party zum fünften Hochzeitstag ihrer Eltern nicht störten.

„Ich freue mich, dass du da bist, Jinx. Ohne meine Brautjungfer wäre dieses Fest nur halb so schön.“ Susan küsste ihre Freundin auf die Wange, bevor sie sie kritisch musterte. Die zierliche Jinx trug ein elegantes schwarzes Kleid, das wunderbar zu ihrem langen feuerroten Haar passte. „Verrate mir doch bitte, weshalb du von Mal zu Mal jünger aussiehst, während ich mich mehr und mehr zur Matrone entwickele.“

„Hör auf mit den Schmeicheleien“, sagte Jinx und überreichte Susan einen Strauß blass orangefarbener Rosen. Er sah fast so aus wie damals der Brautstrauß.

„Oh, wie hübsch!“ Susan strahlte. „Sag mal, wie geht es Jack?“

Jinx lächelte mit traurigen Augen und zuckte hilflos die Schultern. „Keine Veränderung.“ Für ein ausgelassenes Fest waren die Probleme ihres Vaters wirklich nicht der geeignete Gesprächsstoff. „Wo steckt denn dein Göttergatte?“

„Hier bin ich, meine Liebe.“ Leo war hinter seiner Frau hervorgetreten, nahm Jinx in den Arm und küsste sie herzlich. „Wir könnten immer noch zusammen durchbrennen. Was meinst du?“, scherzte er und kassierte dafür einen liebevollen Klaps von seiner Frau.

„Die Stimmung scheint ja gut zu sein“, sagte Jinx und deutete in Richtung der Wohnzimmer, aus denen Stimmengewirr, Gläserklirren und Gelächter drangen.

„Wir haben sogar einen Überraschungsgast.“ Susan hakte ihre Freundin unter und schob sie durch den Flur. „Sagt dir der Name Stazy Hunter etwas?“

Allerdings! Über sechs Monate waren die Innenarchitektin und die Verschönerung der repräsentativen Räume Susans Gesprächsthema gewesen. Natürlich wusste sie noch, dass die bekannte Stazy Hunter den Traum aus Gold und Terrakotta entworfen hatte.

Susan wartete die Antwort nicht ab. „Wir sind Freundinnen geworden. Deshalb habe ich Stazy und ihren Mann Jordan auch eingeladen. Vor einer Stunde rief sie an und fragte mich, ob sie ihren Bruder mitbringen dürfe. Der sei unerwartet zu Besuch gekommen. Ich hatte natürlich nichts dagegen. Und nun rate mal, wer Stazys Bruder ist!“

„Schatz, du weißt doch, dass Jinx sich für solche Leute nicht interessiert“, sagte Leo und legte den Arm um die Schultern seiner Frau. „Dieser Mann ist weder Universitätsprofessor noch Archäologe, sondern nur …“

„Sprich nicht so abfällig über ihn, Leo“, fiel ihm Susan ins Wort. „Er ist einfach umwerfend. Anziehend wie ein Magnet. Das kannst du mir glauben, Jinx.“

„Und ich?“, meldete sich Leo.

„Du natürlich auch, Liebling.“

„Aber diesen Kerl findest du wohl noch ein bisschen umwerfender und erotisch anziehender als mich, oder?“, maulte er.

„Na ja. Mit dir bin ich verheiratet. Das ändert vieles.“

„Wenn du meinst.“ Er wandte sich an Jinx. „Bitte brenn mit mir durch.“

Jinx lachte. „Ach, Leo, ohne deine Frau würdest du es doch keinen Tag aushalten.“

Er schüttelte den Kopf. „Doch, solange sie für berühmte Filmregisseure schwärmt.“

Jinx’ Augen weiteten sich. „Stazy Hunters Bruder ist Regisseur?“

„Ja. Aber nun musst du uns entschuldigen. Es hat wieder geklingelt.“ Susan drückte ihrer Freundin den Arm, nahm ihren Mann bei der Hand und zog ihn mit sich zurück zur Haustür.

Als Jinx den Wohnraum betrat, stand sie plötzlich einem Mann gegenüber. Ihr war sofort klar, dass er derjenige war, den Susan als erotischen Magneten bezeichnet hatte.

Trotz ihrer hochhackigen Pumps musste sie zu ihm aufschauen. Er musterte sie mit silbergrauen Augen, sein streng geschnittener Mund zeigte dabei nicht einmal den Anflug eines Lächelns.

Das also war der berühmte Nik Prince! Früher Schauspieler, nun erfolgreicher Filmregisseur, der Älteste von drei Brüdern, denen gemeinsam die angesehene amerikanische Filmgesellschaft PrinceMovies gehörte.

Ihre veilchenblauen Augen verschleierten sich, sie hob das Kinn und stellte sich kampflustig seiner abschätzenden Musterung. Für einen Moment traten die Stimmen, das Gelächter, die Musik in den Hintergrund, und die Welt bestand nur aus ihm und ihr. Aus seinen grauen und ihren blauen Augen.

Während sie sich betrachteten, begann ihre Haut ein Eigenleben zu führen. Sie spürte im Rücken die kitzelnde Fülle des roten Haares, die schmeichelnde Seide des Kleides auf Taille, Hüften und Oberschenkeln. Von diesem Mann ging eine fast animalische Anziehungskraft aus. Sein schwarzer Abendanzug und das schneeweiße Hemd wirkten wie eine nur dünne zivilisatorische Hülle. Jede Faser ihres Körpers reagierte auf seine Gegenwart. Als sein Blick hinab zu ihren Brüsten glitt, empfand sie das wie eine zarte Berührung.

Dann lächelte er. Amüsierte er sich über sie? Spürte er, welche Wirkung er auf sie hatte? Die Art, wie er die sinnlichen Lippen verzog, kam ihr zynisch und viel zu selbstbewusst vor. Dieser Mann war annähernd vierzig und erfahren. Jedenfalls wusste sie von zahlreichen Affären mit bekannten Damen aus der Filmwelt. Das brachte Jinx zur Vernunft und bannte die Zauberkraft seiner Augen. Sie verzog spöttisch den Mund.

„Und?“, fragte sie.

Er zog die dunklen Brauen hoch. „Was, und?“

Seine Stimme war tief und ein wenig heiser. Der amerikanische Akzent verlieh ihr einen erotischen Unterton. Wenn sie dem lauschte, vernahm sie eine andere Botschaft hinter seinen belanglosen Worten. Und die war ganz eindeutig zweideutig.

Sie hielt seinem Blick stand. „Gefällt Ihnen, was Sie sehen?“, fragte sie.

Nun lächelte er breit. Seine Zähne waren ebenmäßig und weiß. Um Augen und Mund bildeten sich Fältchen. „Jedem Mann würde dieser Anblick gefallen.“

„Ich habe aber Sie gefragt“, konterte Jinx.

Nik Prince machte einen Schritt auf sie zu, bis er gefährlich dicht vor ihr stand, sie den Duft seines Aftershaves einatmete und meinte, die Wärme seines Körpers zu spüren.

„Ja, mir gefällt, was ich sehe. Aber das wissen Sie ja selbst“, sagte er heiser. „Was halten Sie davon, wenn wir uns entschuldigen und von hier verschwinden?“

Jinx blinzelte vor Schreck über dies offene Angebot nach so kurzer Bekanntschaft. Bei Nik Prince mussten Frauen wohl auf einiges gefasst sein. Schaute er denn nicht hin, wen er vor sich hatte? Sie war kein Partygirl, das sich von Männern abschleppen ließ. Sie ging nicht einmal gerne auf Partys. Sie war nur hier, weil Susan und Leo ihre Freunde waren.

„Finden Sie nicht, dass es unhöflich gegenüber den Gastgebern wäre, wenn wir uns so schnell gemeinsam verabschiedeten?“

Er schaute teilnahmslos in Richtung Haustür, wo das Paar neue Gäste begrüßte. „Ich kenne die Gastgeber nicht, und sie kennen mich nicht. Mir kann es egal sein, was sie denken.“

Die Antwort passte zu dem, was Jinx von diesem Mann gehört hatte. Er galt als kompromisslos bei der künstlerischen Arbeit, als dickköpfiges Oberhaupt seiner Geschwister, als erfolgreicher, aber bindungsscheuer Frauenheld. Kurzum, als skrupelloser Machtmensch.

Außerdem war er ganz und gar nicht ihr Typ. Oder? Sie hatte lange nichts mehr für einen Mann empfunden. Wusste sie eigentlich noch, wie ihr Typ aussah?

Sie zuckte die Schultern. „Das zeigt Ihre Einstellung zu großzügig gewährter Gastfreundschaft.“

Er senkte übertrieben schuldbewusst den Kopf. „Den Tadel habe ich wohl verdient“, sagte er und lächelte sie an.

Dieses offene Lächeln entwaffnete sie. Jinx wurde bewusst, wie atemlos sie war und wie schwach sie sich auf den Beinen fühlte. Es ärgerte sie.

„Gut“, sagte sie bissiger als beabsichtigt und trat einen Schritt zurück, um seiner Nähe zu entkommen. „Und nun entschuldigen Sie mich bitte, Mr Prince.“ Mehr brachte sie nicht heraus, denn er griff nach ihr. Sie spürte die Wärme seiner starken Hand auf ihrem Arm, und ein Schauer durchlief sie. Ihr blieb die Luft weg, ihre Augen weiteten sich.

„Sie wissen offensichtlich, wer ich bin. Aber ich kenne nicht einmal Ihren Namen“, sagte er leise, während sie ihn verdutzt ansah. Dann neigte er den Kopf zur Seite. „Lassen Sie mich raten. Wie eine Joan sehen Sie nicht aus. Auch nicht wie eine Cynthia. Vielleicht …“

„Sagen Sie bloß, diese Anmache funktioniert normalerweise?“, fuhr Jinx dazwischen. Wenn sie diesen Mann nicht rasch in die Schranken wies, konnte er ihr gefährlich werden.

Ihr Spott erschütterte Nik Prince kein bisschen. Er trat sogar wieder näher, und seine Augen glänzten vor Vergnügen. „Ob Sie es glauben oder nicht, Anmache habe ich nicht nötig.“

Sie glaubte ihm. Natürlich. Bei diesem Mann standen die Frauen wahrscheinlich Schlange. „Was auf das Gleiche hinausläuft“, bemerkte sie trocken.

Die schlagfertige Zurechtweisung quittierte er mit einem anerkennenden Lächeln. „Ich bitte um Nachsicht, wenn ich mich ungeschickt verhalte. Es ist eine Weile her, seit ich für mich werben musste“, entgegnete er ironisch.

„Trotzdem möchte ich Sie bitten, meinen Arm loszulassen, wenn Sie nichts dagegen haben“, sagte sie, nachdem sie vergeblich versucht hatte, sich selbst zu befreien.

„Aber ich habe etwas dagegen“, antwortete er rau und streichelte mit dem Daumen ihr Handgelenk.

„Dagegen habe ich nun wieder etwas“, fuhr sie ihn an. „Und jetzt muss ich wirklich Susans Eltern begrüßen.“ Sie war froh, die vertrauten Gesichter zwischen den anderen Gästen entdeckt zu haben.

Nik Prince ließ ihren Unterarm los und fasste nach ihrem Ellenbogen. „Warum stellen Sie mich nicht vor? Dann erfahre ich dabei vielleicht Ihren Namen.“

Sie sah ihm gerade in die Augen. „Ich heiße Juliet.“

Für einen Moment schien er überrascht, als hätte er mit etwas anderem gerechnet. Aber dann gewann sein schauspielerisches Talent wieder Oberhand. Er wiegte den Kopf. „Das hört sich schon ziemlich passend an.“

„Hm, aber machen Sie sich keine Mühe, für mich den Romeo zu spielen, Mr Prince.“

„Schade. Dann aber Nik, bitte.“

„Nik“, wiederholte sie.

„Danke!“ Er schien zufrieden. „Und was machen Sie so, Juliet?“

„Wieso machen?“, fragte sie misstrauisch.

„Berufsmäßig, meine ich. Oder bin ich in ein Fettnäpfchen getreten, weil Sie gar nicht berufstätig sind?“

Es ärgerte sie, weil er sich offen amüsierte. „Um Ihre Frage zu beantworten, Mr Nik, ich unterrichte. Und zwar Geschichte. An der Universität von Cambridge.“ Sie versuchte, den Stolz darüber zu unterdrücken und ihrer Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben. Er durchschaute sie trotzdem und kräuselte die Lippen.

„Um ganz genau zu sein, ich habe mich für ein Jahr beurlauben lassen. Sechs Monate davon sind bereits um“, gab sie zu.

„Dann haben Sie bestimmt promoviert, und ich müsste Sie Doktor – wie eigentlich? – nennen.“

„Stimmt. Und nun entschuldigen Sie mich. Ich bin zwar allein gekommen, aber das heißt ja nicht, dass ich den ganzen Abend hier allein verbringen möchte.“

„Ich leiste Ihnen gerne Gesellschaft.“

Verärgert runzelte sie die Stirn. „So habe ich das nicht gemeint. Und das wissen Sie auch.“

„Wirklich?“

Sie ignorierte seinen gespielt unschuldigen Gesichtsausdruck. „Ja!“

„Ich verstehe.“ Er sah sich um. „Und zu welchem der ungefähr zwanzig anwesenden Herren gehören Sie?“

Ihr stieg das Blut in die Wangen. Sie gehörte zu niemandem. Sie war achtundzwanzig Jahre alt und ungebunden. Wahrscheinlich würde sie es immer bleiben.

Mit einem Ruck straffte sie die Schultern und schüttelte seine Hand ab. „Das geht Sie gar nichts an, Mr Prince“, sagte sie, drehte sich um und marschierte davon. Doch bei jedem Schritt, den sie tat, spürte sie den Blick von Nik Prince auf ihren schwingenden Hüften.

Nik beobachtete verwundert, wie die Rothaarige zwischen den anderen Gästen verschwand.

Verdammt. Das hatte er nicht gut gemacht. Seine Verführungskunst musste in letzter Zeit eingerostet sein. Jedenfalls hatte sie bei Juliet, Jinx, Nixon versagt. Sollte deshalb alles vergeblich gewesen sein?

Er hatte einen Mann engagiert, um das Postfach bewachen zu lassen, und von ihm erfahren, dass es täglich um zwölf Uhr dreißig von einem Mädchen geleert wurde. Als Nik sich dann selbst auf die Lauer gelegt hatte, fand er heraus, dass es sich keineswegs um ein Mädchen, sondern um eine mädchenhaft zierliche Frau handelte. Verkleidete sie sich absichtlich mit Jeans, T-Shirt und Baseballkappe? Wahrscheinlich.

Zumindest war er davon überzeugt gewesen, als er ihr zum Parkplatz gefolgt war. Nachdem sie den Wagen aufgeschlossen und die Post hineingeworfen hatte, nahm sie nämlich die Kappe ab und schüttelte das feuerrote Haar, bis es ihr in Wellen auf den Rücken fiel. Danach schleuderte sie die Kopfbedeckung zu den Briefen und zog eine maßgeschneiderte Jacke über das Shirt. Noch ein bisschen Lippenstift, und der durchschnittlich aussehende Teenager mauserte sich zu einer eleganten und schönen jungen Frau.

Der ging er mit gehörigem Sicherheitsabstand nach, bis sie ein italienisches Bistro betrat, wo sie mit einer attraktiven Blondine zu Mittag aß. Später, als er eine der Kellnerinnen aushorchte, erfuhr er deren Namen: Susan Fellows. Da hatte sein Charme offenbar noch funktioniert.

Um herauszufinden, wer Susan Fellows war, hatte er ein paar Mal mit seiner Schwester Stazy sprechen müssen. Die lebte mit Mann und Baby in London und kannte Gott und die Welt in der Stadt. Von Stazy hatte er auch erfahren, mit wem Susan zum Essen gewesen war, nämlich mit ihrer guten Freundin Jinx Nixon.

Danach war es einfach gewesen herauszufinden, dass Jinx’ Vater Jackson Ivor Nixon hieß, Professor für Geschichte war und die Französische Revolution sein Spezialgebiet. Nik musste also nur zwei und zwei zusammenzählen, um zu dem Schluss zu kommen: Jackson Ivor Nixon war J. I. Watson, der Autor von „Kein gewöhnlicher Junge“.

Sogar, warum der Mann es vorzog, anonym zu bleiben, fand Nik heraus. Nixon war nämlich ein renommierter Fachautor auf seinem Gebiet. „Kein gewöhnlicher Junge“ dagegen war aus der Sicht eines Zwölfjährigen geschrieben, der an den Rollstuhl gefesselt ist und schließlich zum Helden wird. Dieser Stoff, der Jung und Alt rührte und begeisterte, war nicht gerade einer, mit dem der Wissenschaftler Nixon in Verbindung gebracht werden wollte.

Daraufhin hatte Nik sich an die Fersen seiner Tochter geheftet. Das war wenig ehrenwert von ihm, gestand er sich ein. Genauso wenig wie der Versuch, sie zu erobern, als sie vorhin zur Party ihrer Freunde erschienen war. Obwohl er zugeben musste, dass es ihm Spaß gemacht hatte. Sie war eine verdammt attraktive Frau.

Leider hatte er sie nicht einmal beeindrucken können. Aber es war ja noch nicht aller Tage Abend. Geduld gehörte zwar nicht zu seinen Stärken, wenn er mit kapriziösen Schauspielern und Schauspielerinnen drehte, aber wenn er wirklich etwas wollte, ging ihm nie die Puste aus. Und die Filmrechte an „Kein gewöhnlicher Junge“ wollte er unbedingt bekommen. An dem Buch, das der Vater von Jinx geschrieben hatte …

„Was hast du vor, großer Bruder?“ Stazy hakte sich bei Nik ein und schaute ihn neugierig an. „Streite nicht ab, dass du etwas im Schilde führst“, warnte sie ihn. „Ich sehe es dir an der Nasenspitze an. Du hast ein Auge auf die Rothaarige geworfen, sobald sie den Raum betrat.“

Stazy konnte er selten etwas vormachen. Seit ihrer Geburt hatte er eine Schwäche für seine siebzehn Jahre jüngere Schwester. Auch sie hatte rotes Haar, überragte aber die zierliche Jinx Nixon. Nach der Heirat mit Jordan Hunter und der Geburt ihres Babys war sie noch selbstbewusster geworden. Ihr etwas abzuschlagen fiel Nik immer schwerer.

„Wenn ich es mir recht überlege“, sagte sie, „sah es fast so aus, als hättest du auf diese Frau gewartet. Was hat das zu bedeuten, Nik?“

„Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Schwesterherz.“ Er tätschelte ihre Hand.

„Aber ich kann nicht anders.“

Er seufzte. Wenn Stazy etwas am Wickel hatte, dann verfolgte sie es bis zum bitteren Ende. Und seit sie glücklich verheiratet war, glaubte sie offenbar, ihren älteren Brüdern würde es auch gut tun, sich auf ewig zu binden. Weil am nächsten Tag ihr kleiner Sohn Sam getauft werden sollte, waren alle drei nach England gekommen. Wahrscheinlich wollte sie die Chance nutzen und sich als Ehestifterin versuchen …

Autor

Carole Mortimer
Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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