Das sündige Versprechen des Playboys

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Emily Royce ist verzweifelt: Für den exklusiven Club in London, seit Jahrzehnten im Besitz ihrer Familie, braucht sie dringend einen Investor. Sonst ist alles verloren! Hauptinteressent ist der spanische Tycoon Ramon de la Vega. Der notorische Playboy verhandelt knallhart. Doch in seinem Blick liegt zugleich ein erotisches Versprechen, das Emily die Hitze in die Wangen treibt. Er spricht über Geld - oder ist längst von Leidenschaft die Rede? Emily ahnt nicht, wie schnell Ramon ihr eine Antwort auf diese Frage geben wird …


  • Erscheinungstag 05.06.2018
  • Bandnummer 2338
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710187
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Dafür bist du mir was schuldig, Xav.“

Ramon de la Vega ließ sich auf den Besucherstuhl fallen, streckte die Beine aus und legte die Füße auf der Kante von Xaviers Schreibtisch ab. Hinter ihm lag ein achtstündiger Transatlantikflug, und danach noch einmal eine Stunde in der Firmenlimousine. Entsprechend gerädert fühlte er sich.

„So, bin ich das?“, fragte sein Bruder.

„Und ob!“ Ramon nickte. „Eigentlich wollte ich das Wochenende in Vegas verbringen.“

Xavier saß ihm gegenüber, auf der anderen Seite des wuchtigen Eichenschreibtischs, in seinem schwarzen Chefsessel. Durch die Fensterfront hinter ihm, die sich über die gesamte Wand erstreckte, eröffnete sich Ramon der spektakuläre Ausblick auf das abendliche Barcelona. Doch er nahm es kaum wahr. Stattdessen konzentrierte er sich ganz auf seinen Bruder, der trotz der drückenden Augusthitze in seinem maßgeschneiderten schwarzen Anzug kühl und gelassen wirkte.

Wie immer verriet Xaviers Gesicht nichts über seine Gedanken oder Gefühle. Einzig das leise Trommeln seiner Finger auf der Tischplatte zeigte, dass er durchaus menschliche Regungen besaß.

Ramon verzog das Gesicht. Das Hämmern erschien ihm in der Stille des Raumes geradezu ohrenbetäubend. Es war wohl keine besonders gute Idee gewesen, auf dem Flug Alkohol zu trinken.

„Um was zu tun?“, fragte Xav höhnisch. „Zu spielen und mit Frauen ins Bett zu gehen?“

Ramon ignorierte die Geringschätzung, die in der Stimme seines Bruders mitschwang. Stattdessen setzte er sein berüchtigtes Lächeln ein, mit dem er sowohl Frauen als auch schwierige Geschäftspartner innerhalb von Sekunden um den kleinen Finger wickeln konnte.

Auf Xavier blieb die Wirkung jedoch aus.

„Man nennt es im Allgemeinen auch Erholung“, entgegnete Ramon leichthin. „Du solltest es vielleicht auch einmal damit probieren.“

Die steile Falte zwischen Xavs Brauen machte mehr als deutlich, dass er vermutlich lieber seinen rechten Arm opfern würde als sich derartigen Vergnügungen hinzugeben.

Wenigstens hörte er endlich auf zu trommeln. Stattdessen ballte er nun die rechte Hand zur Faust. „Nimm die Füße von meinem Tisch.“ Sein Blick wanderte über Ramons Jeans und sein Hemd, ehe er wieder zu seinen Füßen zurückkehrte. „Und wo, zur Hölle, sind deine Schuhe?“

Ramon ließ die Füße vom Rand des Tisches rutschen und setzte sich gerade hin. Seine Schuhe waren … Er versuchte sich zu erinnern, wo er sie gelassen hatte. Ach ja, im Vorzimmer. Unter dem Tisch der hübschen Brünetten, deren Name ihm bereits wieder entfallen war.

Er unterzog den Rest seines Outfits einer genaueren Prüfung. Verwaschene Designerjeans, ein lockeres weißes Hemd, das von der Reise zerknittert war. Mit der makellosen Garderobe seines Bruders konnte er definitiv nicht mithalten. Aber das war nach achtzehn strapaziösen Stunden wohl auch kaum zu erwarten. Ganz besonders, nachdem Xavier den Nerv besessen hatte, ihn erst in einer dringenden Angelegenheit hierher zu bestellen, und ihm dann den Firmenjet zu verweigern.

Was ich brauche, ist ein eigener Jet, machte Ramon sich eine geistige Notiz.

Nun, zumindest hatte sich die dralle rothaarige Stewardess nicht an seinem Aufzug gestört. Aber ja, für das Hauptquartier von Vega Corps im Herzen von Barcelonas blühendem Geschäftsviertel war er definitiv nicht angemessen gekleidet.

Trotzdem konnte sich Xav ruhig mal ein bisschen entspannen und nachsichtig mit ihm sein, fand Ramon. Er hatte immerhin alles – inklusive einem Wochenende in Las Vegas mit seinen alten Harvard Freunden – sausen lassen, nur weil sein Bruder ihn aus heiterem Himmel angerufen und ihm mitgeteilt hatte, dass er ihn brauchte.

Dass er ihn brauchte.

Wenn Ramon ehrlich war, hatte er solche Worte aus dem Munde seines stolzen Bruders niemals erwartet. Umso größer war dann auch seine Überraschung gewesen.

Abgesehen von dieser höchst erstaunlichen Bitte hatte Xav ihm keine weitere Erklärung gegeben. Und Ramon hatte nicht gefragt. Als Hauptgeschäftsführer stand Xav technisch gesehen über ihm, doch das war nicht der Grund, warum er keine Sekunde gezögert hatte. Denn wenn es um seine Familie ging, gab es eine Wahrheit, der er einfach nicht ausweichen konnte.

Er war ihnen etwas schuldig.

Das bedeutete jedoch nicht, dass er es ihnen leicht machen musste. Er lächelte weiter, obwohl er die Situation alles andere als komisch fand. Nichts an der Tatsache, wieder in Spanien zu sein, amüsierte ihn auch nur im Geringsten.

Nein, er tat es ausschließlich, weil er genau wusste, dass es Xav ärgerte.

„Vom Fliegen krieg ich immer geschwollene Füße“, sagte er, „und deine Sekretärin war so freundlich, sie mir zu massieren, während ich auf das Ende deiner Sitzung gewartet habe.“

Abscheu spiegelte sich auf der Miene seines Bruders wieder. „Bitte sag mir, dass das nur ein dummer Scherz ist.“

, Bruderherz.“ Ramon schaltete sein Lächeln noch einen Gang hoch. „War nur ein Witz.“

Obwohl er sich ziemlich sicher war, dass … wie hieß sie noch gleich? Lola? Lorda? Nun, für Ramon bestand kein Zweifel, dass sie mit Freuden bereit gewesen wäre, ihm die Füße zu massieren, hätte er ihr die Gelegenheit dazu gegeben. Und vielleicht, so überlegte er, sollte er das später nachholen. Der Himmel wusste, dass er dringend eine Ablenkung benötigte, während er hier war. Denn Ablenkung war immer noch das beste Mittel, um die Geister der Vergangenheit zu verdrängen, die ihn früher oder später heimsuchen würden.

Xav rieb sich die Schläfen – die Geste erinnerte Ramon unglaublich an ihren Vater, Vittorio. Nicht, dass irgendeine Ähnlichkeit genetischen Ursprungs sein konnte. Xav war von ihren Eltern nach zwei fehlgeschlagenen Schwangerschaften adoptiert worden. Vier Jahre später wurde Ramon geboren – das Wunderkind, von dem die Ärzte seiner Mutter gesagt hatten, dass sie es niemals empfangen, geschweigen denn zur Welt bringen würden.

Wunderkind.

Wie er dieses Wort hasste. Er war kein vom Himmel gesandtes Wunder. Man musste nur die Cassano-Familie fragen. Oder die Mendosas. Ohne Zweifel würden die ganz andere Bezeichnungen für ihn finden.

Bezeichnungen wie Todesengel.

Oder Teufel in Menschengestalt.

Mit einiger Mühe schüttelte Ramon die Gedanken an die Vergangenheit ab und kehrte in die Gegenwart zurück. Das war der Grund, warum er, wenn irgendwie möglich, einen weiten Bogen um Spanien machte.

Zu viele Geister.

Zu viele Erinnerungen.

„Sag mir, warum du mich herbestellt hast“, forderte er. So langsam war er mit seiner Geduld am Ende.

„Morgen findet eine Vorstandssitzung statt.“

Ramon runzelte die Stirn. „Ich dachte, bis zum nächsten vierteljährlichen Meeting wären es noch sechs Wochen.“ Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, über die Termine für diese Treffen informiert zu sein. So konnte er rechtzeitig dafür Sorge tragen, sich möglichst am anderen Ende der Welt zu befinden. Seiner Erfahrung nach waren derartige Sitzungen die reinste Folter. „Und seit wann trifft sich der Vorstand an einem Samstag?“

„Seit ich vor weniger als vierundzwanzig Stunden entschieden habe, ein Notfalltreffen einzuberufen.“

Langsam war er mit seiner Geduld am Ende. „Warum, zum Teufel, hast du am Telefon nichts davon gesagt, dass du mich wegen einer Vorstandssitzung antanzen lässt?“

„Weil du dann eine Ausrede gefunden hättest, nicht zu kommen“, schnappte Xavier. „Du würdest deine Zeit lieber am Pokertisch verschwenden – oder zwischen den Schenkeln irgendeiner völlig unangemessenen Frau!“

„Das Einzige, was hier unangemessen ist, sind deine Worte“, knurrte Ramon.

Xavier stand abrupt auf, trat an die Fensterfront und schaute hinaus. Ramon bohrte mit Blicken Löcher in seinen Rücken. Xavs Verhalten war unangemessen. Ja, er, Ramon, mied den Sitzungssaal wie die Pest. Aber sich mit dem Vorstand herumzuschlagen und die alten Geldsäcke glücklich zu machen war nun mal Xaviers Verantwortung, nicht seine. Und niemand konnte behaupten, dass er nicht seinen Teil zum Erfolg von Vega Corps beitrug.

Am Tag seines fünfundzwanzigsten Geburtstages hatte sein Vater ihm die Rolle des Vizepräsidenten angeboten. Und seitdem hatte Ramon seine Karriere als Architekt an den Nagel gehängt und kaufte und verwaltete nun Luxushotels, anstatt sie auf dem Reißbrett zu designen.

Er war über sich hinausgewachsen – und im Laufe seines ersten Jahres in der Firma war ihm bewusst geworden, dass dies der Weg war, wie er seine Schuld bei seiner Familie zurückzahlen, wie er für den Schmerz, den sein achtzehnjähriges Selbst verursacht hatte, Buße tun konnte.

Er würde der Firma seinen Stempel aufdrücken. Er würde zu ihrem Erfolg beitragen.

Es war keine leichte Aufgabe gewesen. Das de la Vega Imperium war bereits etabliert gewesen. Erfolgreich. Es überspannte Kontinente und verschiedene Wirtschaftszweige, von der Baubranche über Immobilien bis hin zum Gastgewerbe und zur Unterhaltung.

Jeder Beitrag, den Ramon dazu leistete, musste bedeutsam sein.

Er hatte sich auf die Herausforderung eingelassen und war in ihr aufgegangen. Zunächst mit der Übernahme der Chastain Gruppe – einem Verbund von Luxusresorts und kleineren Hotels, die den Marktanteil von Vega Corp auf dem europäischen Kontinent verdoppelt hatte.

Ja, er hatte sich einen Namen gemacht.

Doch für seinen Bruder – und für einen großen Teil des Vorstands – bedeuteten seine spektakulären Errungenschaften bei Weitem nicht so viel wie sein Lebenswandel.

Denn der bereitete ihnen große Sorgen.

Es war nicht so, dass er die Presse in irgendeiner Weise ermutigte. Allerdings gab er sich auch keine sonderliche Mühe, den Paparazzi aus dem Weg zu gehen. Schüttelte man einen ab, waren im nächsten Moment bereits zehn neue zur Stelle. Es war deutlich leichter, ihnen einfach zu geben, was sie wollten.

Und so lächelte er, mit einer schönen Frau an seiner Seite, in die Kameras, und die Revolverblätter und die klatschsüchtigen Leser waren zufrieden.

Machte man es ihnen schwer, verwandelten sie sich in räuberische Hyänen und erschufen Skandale, wo keine waren – oder schlimmer noch, deckten existierende auf. Das Letzte, was er brauchte, war, dass jemand in seiner Vergangenheit herumstocherte und die Verfehlungen seiner Jugendzeit ins Licht der Öffentlichkeit zerrte.

Sein Playboy-Image diente einem Zweck. Die Medien sahen nur, was er sie sehen lassen wollte: einen erfolgreichen, wohlhabenden und aristokratischen Junggesellen, der ebenso beharrlich nach Vergnügen strebte wie nach beruflichen Erfolgen.

Er zwang sich zur Ruhe. „Warum eine Notfallsitzung?“

Xavier drehte sich um, seine Miene war steinern. „Hector versucht, sich die Rolle des Vorstandsvorsitzenden unter den Nagel zu reißen.“

Ramon runzelte erneut die Stirn. „Ich dachte, Papá und du hättet Sanchez dafür vorgesehen“, sagte er.

Abgesehen von Xav und ihrem Vater, der als Vorsitzender zurücktreten würde, war Sanchez – das neueste und dynamischste Mitglied des Vorstands – der Einzige, für den Ramon echten Respekt empfand.

Hector hingegen war ein einziger Albtraum.

Der Cousin ihres Vaters war machthungrig und hasste jeden, der mehr besaß als er selbst. Der Mann war selbstherrlich und engstirnig. Nicht unbedingt das Material, aus dem Anführer gemacht wurden.

Ungläubig schüttelte Ramon den Kopf. „Er wird nie die nötige Unterstützung bekommen.“

„Die hat er schon.“ Xav ließ sich wieder in seinen Stuhl fallen. „Er hat hinter meinem Rücken für seine Sache Stimmung gemacht und die anderen davon überzeugt, dass es ein Fehler wäre, für Sanchez zu stimmen.“

„Aber Papá kann sie doch sicher zur Vernunft bringen.“

Sein Bruder warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Papá hat sich fast vollständig aus dem Geschäft zurückgezogen. Es geht ihm zu schlecht für ein solches Drama – und das wüsstest du, wenn du dich hin und wieder dazu herablassen würdest, uns zu besuchen.“

Ramon verspürte einen scharfen Stich. Er wusste, dass sein Vater unter hohem Blutdruck litt und in der Vergangenheit bereits mehrere – zum Glück leichte – Herzinfarkte erlitten hatte. Doch ihm war nicht bewusst gewesen, dass es in letzter Zeit weiter bergab mit Vittorios Gesundheit gegangen war.

Er kämpfte gegen eine Welle von Schuldgefühlen an. Dass er sich von Familientreffen jeglicher Art fernhielt, geschah nicht ohne guten Grund. Es gab einfach zu viele Dinge, die unausgesprochen geblieben waren. Nein, Ramon würde sich von seinem Bruder keine Schuld einreden lassen. Er tat jedem, einschließlich sich selbst, einen Gefallen, indem er fort blieb.

„Die Vorstandsmitglieder respektieren dich“, sagte er. „Zieh sie wieder auf deine Seite.“

Xavier schüttelte den Kopf. „Was auch immer Hector ihnen für ihre Unterstützung angeboten hat, es funktioniert. López, Rueben, Anders und Ramirez haben diese Woche allesamt meine Anrufe ignoriert.“

Ramon hob eine Braue. „Und was soll das Meeting dann bringen?“

„Ich will Hector öffentlich konfrontieren. Ihn zwingen, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Danach sollen die anderen sich für eine Seite entscheiden. Dann wissen wir wenigstens, womit wir es zu tun haben.“

„Wir?“

„Ich brauche deine Unterstützung. Genau wie Sanchez, wenn er eine Chance haben soll, zum Vorsitzenden gewählt zu werden. Wir müssen Einigkeit zeigen. Und Stärke.“

Ein heiseres Lachen entfuhr Ramon. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie du auf die Idee kommst, dass ich dir dabei behilflich sein könnte“, sagte er, während im selben Moment schon das Adrenalin durch seine Adern pumpte, wie immer im Angesicht einer Herausforderung.

Doch da war auch noch etwas anderes. Der Drang, seinem Bruder zu helfen.

Er musterte Xavier einen Moment lang und erkannte, dass nicht allein Zorn für die steile Falte auf seiner Stirn verantwortlich war.

„Du bist besorgt“, stellte er fest. „Wieso?“

„Der Cline-Deal ist geplatzt.“ Xaviers Miene verfinsterte sich.

Ramon pfiff durch die Zähne. „Tut mir leid“, sagte er, und das meinte er vollkommen ehrlich. Auch er hatte ab und an mal einen Fehlschlag erlebt. Er kannte die Enttäuschung und die Frustration, die folgte, wenn man unzählige Arbeitsstunden in einen Deal investiert hatte, der am Ende platzte. „Du machst dir Sorgen, dass deine Glaubwürdigkeit Schaden genommen hat“, vermutete er.

„Hector hat die Gelegenheit natürlich genutzt, mir die Schuld zuzuschieben. Angeblich ist mein Urteilsvermögen getrübt“, erklärte Xavier empört. „Er versucht das Vertrauen der Vorstandsmitglieder in mich zu erschüttern. Wir brauchen einen Erfolg, um ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Etwas, dass sie das Cline-Debakel vergessen lässt und uns etwas in die Hand gibt, mit dem wir arbeiten können.“ Er setzte sich kerzengerade hin. Seine grauen Augen blitzten. „Hast du schon etwas bei Royce erreicht?“

Ramon versteifte sich.

Wo wir gerade von Fehlschlägen sprechen …

„Noch nicht“, erwiderte er vorsichtig.

Xavier lehnte sich zurück. Das Funkeln in seinen Augen verschwand. Er atmete langsam aus. „Es war von Anfang an ein Spiel auf Risiko.“

Sein abschätziger Tonfall genügte, um Ramon anzuspornen. Es stimmte, dass es ein ehrgeiziges Vorhaben war, sich The Royce, einen von Londons ältesten und exklusivsten Herrenclubs, unter den Nagel zu reißen. Doch sein Bruder sollte ihn nicht so schnell abschreiben.

„Du könntest mir ruhig ein bisschen mehr zutrauen, Bruderherz“, sagte er. „Ich bin lediglich auf eine kleine Hürde gestoßen, das ist alles. Nichts, was ich nicht regeln könnte.“

„Eine Hürde?“

„Royce hat einen Pförtner.“ Er spielte die Sache mit einem Schulterzucken herunter. „An ihm vorbeizukommen hat sich als … Herausforderung erwiesen.“

Xaviers Stirnrunzeln wurde tiefer. „Wissen die denn nicht, wer du bist?“ In seiner Stimme schwang Hochmut mit. „Der Name de la Vega dürfte doch wohl ausreichen, um dir bei Royce alle Türen zu öffnen.“

Ramon hätte beinahe laut aufgelacht. Für Xav war ihr Familienname schon immer wichtiger gewesen als für ihn. Ihre Mutter und deren Geschwister waren entfernt mit dem König von Spanien verwandt.

„Du vergisst anscheinend, welches Klientel das Royce bedient?“ Xavier fiel es offensichtlich schwer, sich vorzustellen, dass ihr Name ausnahmsweise einmal für etwas nicht genug sein sollte. Doch bei einem Etablissement, das nur die reichsten und mächtigsten Männer der Welt in seine Ränge aufnahm, war das leider nicht so leicht.

„Und wenn in den Gerüchten, die du gehört hast, ein Körnchen Wahrheit steckt, ist er mit der Gesellschaft, mit der er sich persönlich umgibt, längst nicht so wählerisch. Es sollte also nicht unter seiner Würde sein, sich mit dir zu treffen.“

Ramon entging der Stachel nicht, der in den Worten seines Bruders mitschwang. Er knirschte mit den Zähnen, ehe er zum Sprechen ansetzte. „Es handelt sich um kein Gerücht. Die Information, die ich habe, stammt aus sicherer Quelle. Sie ist verlässlich.“

So verlässlich wie überraschend, denn die Enthüllung seines Freundes Christophe war völlig aus heiterem Himmel gekommen. „Royce ist spielsüchtig. Seine Schulden nehmen extreme Dimensionen an“, hatte er gesagt. „Ich weiß es direkt von seinem Buchhalter.“

Der hatte dann nach ein oder zwei Cocktails über seinen Arbeitgeber aus dem Nähkästchen geplaudert – und zwar ausgerechnet in Gegenwart von Christophes Schwester. Die hatte die Information sogleich an Christophe weitergeleitet, der wiederum sofort Ramon anrief.

Royces finanzielle Probleme lieferten Ramon eine einmalige Gelegenheit. Leute, die sich unwillig zeigten, einem Verkauf zuzustimmen, ließen sich mitunter schnell überzeugen, wenn man sie mit ihrer Situation konfrontierte.

Das Royce befand sich seit mehr als einhundert Jahren im Besitz derselben Familie, doch es kam nicht selten vor, dass sich die dritte oder vierte Generation eines Familienbetriebs zum Verkauf entschloss.

Und Maxwell Royce brauchte dringend Geld. Die Gelegenheit war einfach zu günstig, um sie sich entgehen zu lassen. Die Clubs, in denen Ramon Mitglied war, waren allesamt kultiviert und erstklassig – doch das Royce spielte noch einmal in einer ganz anderen Liga. Einer, der nur etwa ein Dutzend Clubs auf der ganzen Welt angehörten.

Xavier atmete hörbar aus. „Ich muss dir wohl kaum erklären, was für einen Eindruck eine solche Übernahme auf den Vorstand machen würde.“

Ramon verstand. Es war genau das, wonach sein Bruder so verzweifelt suchte. Ein Weg, Hector in die Knie zu zwingen und die Kontrolle über den Vorstand zurückzugewinnen.

„Werde mit Royces Pförtner fertig, wer immer es auch sein mag, und dann sorg dafür, dass Royce sich mit dir trifft“, drängte Xavier. „Und zwar bald.“

Ramon bemühte sich, den Ärger hinunterzuschlucken, den der Tonfall seines Bruders in ihm hochkochen ließ. Xav hatte ihn um Hilfe gebeten. Wie oft war das in der Vergangenheit schon vorgekommen?

Nicht oft. Aber jetzt stand er unter enormem Druck. Ramon machte sich da nichts vor. Davon abgesehen war er ebenso wenig darauf erpicht, Hector an der Spitze des Familienunternehmens zu sehen.

Er dachte an das Hindernis, das ihm im Weg stand.

Kein Er, wie Xav angenommen hatte, sondern eine Sie.

Eine schlanke, nicht unattraktive Blondine, die ihn in den vergangenen Wochen immer wieder hatte abblitzen lassen.

Es kam nun wirklich nicht gerade häufig vor, dass es ihm nicht gelang, von einer Frau genau das zu bekommen, was er wollte. Doch diese Frau schien absolut immun seinem Charme gegenüber zu sein.

Dreimal innerhalb von zwei Wochen hatte sie ihn telefonisch zurückgewiesen und ihn äußerst kühl aufgeklärt, dass Mr. Royce zu beschäftigt sei, sich mit ungebetenen Besuchern zu befassen.

Ramon hatte sich davon nicht entmutigen lassen. Sicher, dass er persönlich erfolgreicher sein würde, war er nach London geflogen und vor der Tür des Clubs im Herzen des eleganten Mayfair aufgetaucht.

Es war zu erwarten gewesen, dass der Sicherheitsdienst des Royce sowohl diskret als auch effizient sein würde. Sobald man ihn als Nicht-Mitglied des Clubs identifiziert hatte, war ein Mann im dunklen Anzug aufgetaucht und hatte ihn um das Gebäude herum und zu einem Seiteneingang geführt. Von dort aus hatte man ihn in eine Art Warteraum gebracht – und genau das tat er dann auch.

Warten.

Nicht für zehn Minuten.

Nicht für zwanzig Minuten.

Oder vierzig.

Nein, er wartete eine volle Stunde, und nur wilde Entschlossenheit und die Möglichkeit, zwischendurch aufzustehen und sich die Beine zu vertreten, ließ ihn überhaupt so lange durchhalten.

Ramon hatte ein erleichtertes Seufzen unterdrücken müssen, als sie endlich erschien.

„Sie haben keinen Termin, Mr. de la Vega.“ Was ihm als Erstes an ihr auffiel, waren die grauen Augen, die von innen heraus zu leuchten schienen. Doch auch der Rest von ihr war nicht zu verachten.

Hübsch, war sein erster Eindruck, aber nicht sein Typ. Zu reserviert. Zu zugeknöpft und steif. Er mochte seine Frauen entspannt und ungehemmt.

„Weil Sie sich geweigert haben, mir einen zu geben“, antwortete er gelassen.

„Und Sie glauben, dass sich das jetzt ändern wird, nur weil Sie persönlich erschienen sind?“

„Ich denke, dass Mr. Royce von der Gelegenheit, sich mit mir zu treffen, profitieren würde. Eine Gelegenheit, die Sie ihm allem Anschein nach um jeden Preis verweigern wollen.“

Das Lächeln, das sie ihm zukommen ließ, war anders als er es von Frauen gewohnt war. Die Frauen, mit denen er sich umgab, lächelten in der Regel schüchtern oder auch verführerisch.

Ihr Lächeln jedoch war weder warm noch einladend. Im Gegenteil – es schwang Herablassung darin mit, und eine Art von mühsam unterdrückter Ungeduld.

„Dann will ich Ihnen mal mitteilen, was ich denke, Mr. de la Vega“, sagte sie mit einer Stimme, die auf seltsame Weise zugleich süß und eisig klang. „Ich denke, dass ich Mr. Royce besser kenne als Sie, weshalb ich auch deutlich besser beurteilen kann, von was er profitieren würde – oder eben nicht. Ich denke außerdem, dass Sie meine Intelligenz unterschätzen. Ich weiß, wer Sie sind, und es gibt nur einen Grund, weshalb Sie sich mit Mr. Royce treffen wollen. Also lassen Sie mich am besten gleich etwas klarstellen und Ihnen damit Zeit und Mühe ersparen: Das Royce ist nicht zu verkaufen.“

Er erinnerte sich noch gut daran, wie plötzlich eine leichte Röte ihre Wangen gefärbt hatte, die einen äußerst attraktiven Kontrast zu ihren funkelnden grauen Augen darstellte.

Interessant, hatte er gedacht. Vielleicht brodelte ja doch ein Feuer unter der eisigen Fassade. Er reichte ihr seine Visitenkarte und machte einen Schritt auf sie zu, doch sie trat sofort zurück. Ja, sie wirkte beinahe alarmiert, so als hätte er eine unsichtbare Grenze überschritten.

Sogar noch interessanter …

„Zehn Minuten von Mr. Royces Zeit ist alles, worum ich bitte“, sagte er.

„Sie verschwenden Ihre Zeit. Mr. Royce ist nicht hier.“

„Dann soll er mich bitte anrufen, wenn er zurück ist. Ich werde mich noch achtundvierzig Stunden in London aufhalten.“

Endlich nahm sie seine Karte entgegen, wobei sie darauf bedacht war, ihn nicht versehentlich zu berühren.

Sie lächelte wieder – ebenso kühl und frostig wie zuvor, doch dieses Mal löste es überraschend ein Flattern tief in seiner Magengrube aus.

Er hatte sich vorgestellt, wie es wohl wäre, ihr dieses hochmütige Lächeln von den hübschen Lippen zu küssen, sie gegen die harten Marmorsäulen zu pressen, ihren Mund zu plündern und nicht aufzuhören, bis sie willig und weich in seinen Armen lag.

Er schaffte es irgendwie, sich seine Gedanken nicht anmerken zu lassen – sie waren selbst für ihn schockierend. Er hatte noch nie eine Frau zu irgendetwas gedrängt. Nicht, dass er etwas gegen wilden Sex hatte. Doch er bevorzugte fügsame und anschmiegsame Bettgefährtinnen.

Sie trat einen weiteren Schritt zurück, und ihre Augen weiteten sich. Es schien ihm fast so, als hätte sie seine Gedanken gelesen.

„Mr. Royce wird die ganze Woche nicht im Hause sein“, erklärte sie. Das Lächeln war von ihren Lippen verschwunden. „Ich würde mir an Ihrer Stelle also keine Hoffnungen machen.“

Mit diesen Worten hatte sie sich abgewandt und war mit klappernden Absätzen davongegangen. Für einen Moment war er wie gefangen gewesen vom Anblick ihrer wohlgeformten Kehrseite.

Dann war ihm klar geworden, dass diese Frau ihn soeben abserviert hatte. Etwas, das ihm noch nie zuvor passiert war.

Das Klingeln von Xaviers Telefon holte Ramon wieder zurück in die Gegenwart. Er setzte sich gerade auf.

Xavier legte die Hand auf den Hörer. „Sprich auf dem Weg nach draußen mit Lucia“, sagte er. „Ich habe sie angewiesen, eine Dinner-Reservierung für uns zu machen. Lass dir von ihr alles erklären. Wir sehen uns dann im Restaurant.“

Ah, Lucia. Das war der Name der Sekretärin, nicht Lola oder Lorda. Schon merkwürdig, dass er sich nicht an den Namen der hübschen Brünetten erinnern konnte, die in sein Bett zu holen er bereits erwogen hatte – an den einer gewissen Engländerin, die er lieber zum Teufel jagen als mit ihr schlafen wollte, aber sehr wohl.

Emily …

2. KAPITEL

Emily Royce saß hinter ihrem Schreibtisch und holte tief Luft. Für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen, und ein Gefühl von Übelkeit stieg in ihr auf.

Was zum Teufel …? So reagierte sie doch normalerwiese nicht auf schlechte Nachrichten. Emily hatte schon vor langer Zeit gelernt, mit Enttäuschungen umzugehen. Sie brach nicht unter ihrem Gewicht zusammen. Wenn schlechte Neuigkeiten kamen, nahm sie diese mit Sachlichkeit und Ruhe entgegen.

Doch das, was sie gerade in diesem Moment empfand, hatte mit Ruhe und Sachlichkeit nicht viel zu tun. Ihr stand der kalte Schweiß auf der Stirn, und ihre Finger gruben sich in die Armlehnen ihres Stuhls.

Sie würde ihren Vater umbringen.

Nun, zumindest würde sie ihn ausfindig machen, wo auch immer er sich gerade aufhielt. Und dann würde sie ihn anschreien, bis ihr die Stimme wegblieb.

Oder vielleicht auch nicht.

Nein, sie würde nichts dergleichen tun. Denn ganz egal, wie oft sie sich auch vorgestellt hatte, ihrem Ärger endlich einmal Luft zu machen und einen Teil der Wut und der Enttäuschung, die sich über die Jahre in ihr aufgestaut hatten, herauszulassen – sie hatte es doch nie getan.

Autor

Angela Bissell
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