Der Millionär und die Diamantenerbin

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Leila, die reiche Diamantenerbin, ist es leid, ihren Ruf als ewige Unschuld zu verteidigen. Dafür ist das Leben zu verlockend, und wer könnte sie stärker in Versuchung führen als der attraktive spanische Millionär Don Raffa? Niemand! Doch dafür zahlt sie einen hohen Preis …


  • Erscheinungstag 21.07.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768805
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ihr Magen krampfte sich zusammen, als ­Leila aus dem Fenster des Taxis blickte, um die in das Hotel strömenden Gäste zu betrachten. Ihre Heimatstadt Skavanga lag nördlich des Polarkreises im Land der Mitternachtssonne, und dies war nicht gerade die ideale Jahreszeit für ein solches gesellschaftliches Ereignis. Aber wenn ihre Schwester Britt eine Party gab, interessierte das Wetter niemanden. Während die Männer dicke Mäntel über ihren Anzügen trugen, waren die Frauen in ihren eng anliegenden Kleidern und schwindelerregend hohen Absätzen ausgesprochen spärlich bekleidet.

Als Einzige der drei Skavanga-Schwestern glänzte ­Leila nicht auf Partys, denn Smalltalk war nicht ihre Stärke. Am wohlsten fühlte sie sich in ihrem Büro im Erdgeschoss des Minenmuseums, wo sie interessante Fakten sammelte und auswertete …

Entspann dich, ermahnte ­Leila sich energisch. Britt hatte ihr ein fantastisches Kleid mit dazu passenden hochhackigen Pumps geliehen, und auf dem Sitz neben ihr lag eine dicke Jacke. Sie musste nur ins Hotel eilen und sich in der Menge verlieren.

„Na los, amüsieren Sie sich“, sagte der Fahrer, als sie ihn bezahlte und ihm ein großzügiges Trinkgeld gab. „Tut mir leid, dass ich Sie nicht näher ans Hotel fahren konnte. Ich habe hier noch nie so viele Taxis gesehen …“

Der Britt-Effekt, dachte ­Leila, als sie ihn anlächelte. „Macht nichts …“

„Passen Sie auf, dass Sie nicht ausrutschen …“

Zu spät!

„Alles in Ordnung?“ Der Fahrer ließ das Fenster hinunter und betrachtete sie besorgt.

„Ja, danke.“

Momentan saß sie wenig damenhaft neben dem Taxi. Ihre Strumpfhose war zerrissen und ihr Kleid … zum Glück nicht völlig ruiniert, nachdem sie gegen das mit Schneematsch verschmutzte Auto geprallt war. Zum Glück war es blauschwarz – eine ausgesprochen praktische Farbe.

Nachdem ­Leila sich aufgerappelt hatte, wartete sie auf eine Lücke im Verkehr. Auch der Taxifahrer wartete darauf, sich einfädeln zu können. „Sind das nicht die drei Männer aus dem Konsortium, die die Stadt gerettet haben?“ Er deutete zum Hotel.

Als sie seinem Blick folgte, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Auf den Stufen sah sie den Ehemann ihrer ältesten Schwester Britt, den Scheich von Kareshi, den Verlobten ihrer mittleren Schwester Eva, den attraktiven italienischen Grafen Roman Quisvada, sowie den dritten Mann aus dem Konsortium, der ganz oben stand. Raffa Leon. Gefährlich attraktiv. Und momentan alleinstehend.

­Leila schüttelte den Kopf, weil sie sich einen Moment lang irgendwelchen Fantasien hingegeben hatte. Anders als ihre forschen Schwestern war sie schüchtern und unerfahren, und selbst die erfahrenste Frau hätte es sich zweimal überlegt, bevor sie sich ihm an den Hals warf.

Der Taxifahrer hatte allerdings recht mit seiner Bemerkung, dass die drei Männer die Stadt gerettet hatten. Zusammen mit ihren Schwestern und ihrem lange verloren geglaubten Bruder Tyr gehörte ihr die Mine, doch als die Mineralien knapp geworden waren und man Diamanten gefunden hatte, hatten sie sich die zum Abbau erforderlichen Maschinen nicht leisten können. Und da die Mine immer der größte Arbeitgeber in Skavanga gewesen war, hatte die Zukunft der Stadt auch auf dem Spiel gestanden. Das Konsortium hatte schließlich sowohl die Stadt als auch das Unternehmen gerettet.

„Sie müssen sich beeilen – ein Milliardär ist noch übrig“, meinte der Taxifahrer augenzwinkernd. „Die anderen beiden sind schon verheiratet … oder so gut wie.“

„Ja, mit meinen Schwestern“, erwiderte ­Leila lächelnd.

„Dann sind Sie also einer der berühmten Skavanga-Diamanten!“, rief er, sichtlich beeindruckt.

„Ja, so nennt man uns.“ Sie lachte. „Ich bin der kleinste Stein mit den meisten Einschlüssen …“

„Also der interessanteste. Und es ist immer noch ein Milliardär für Sie übrig.“

Wieder lachte sie. Sie mochte seinen Humor. „So dumm bin ich nicht. Und ich bin ganz sicher nicht Raffa Leons Typ – zum Glück!“

„Ja, er soll ein Frauenheld sein“, bestätigte der Taxifahrer. „Aber man muss ja nicht alles glauben, was in der Presse steht. Außerdem heiraten Milliardäre gern ganz normale Frauen. Sie möchten ein ruhiges Familienleben führen, weil ihr Beruf schon aufregend genug ist. Ich meine das als Kompliment“, fügte er schnell hinzu. „Sie scheinen eine nette, ruhige junge Frau zu sein.“

­Leila lachte schallend. „Ich bin auch nicht beleidigt. So, fahren Sie vorsichtig, die Straßen sind glatt, und Sie haben bestimmt eine lange Nacht vor sich.“

„Stimmt. Gute Nacht, meine Liebe. Amüsieren Sie sich.“

„Das werde ich“, versprach sie. Sobald sie in der Damentoilette ihr Kleid gesäubert hätte. Schließlich wollte sie ihre glamourösen Schwestern nicht blamieren, indem sie den Anschein erweckte, dass sie gerade eine Runde Schlammcatchen hinter sich hatte.

Nachdem sie die Straße überquert hatte, hielt sie sich am Rand der Treppe im Dunkeln. Raffa Leon stand immer noch oben, den Blick auf die Straße gerichtet. Wahrscheinlich wartete er auf irgend so eine Schickeriatussi, die jeden Moment in einer Limousine vorfahren würde.

Verdammt, war er attraktiv!

Sie musste nur den richtigen Moment abpassen und sich an ihm vorbeischleichen. Er würde sie nicht einmal wahrnehmen …

Alles ging gut. Er blickte in eine Richtung, während sie auf der anderen Seite die Treppe hochlief. Dann rutschte sie jedoch wieder aus. Erschrocken schrie sie auf und machte sich auf einen harten Aufprall gefasst.

Irrtum.

„­Leila Skavanga!“

Schockiert schwieg sie, während das attraktivste Gesicht der Welt nur wenige Zentimeter vor ihrem auftauchte.

„Raffa Leon!“, gab sie sich überrascht. „Entschuldigen Sie bitte. Ich hatte Sie gar nicht gesehen …“

Er umklammerte ihren Arm so fest, dass sie sich nicht rühren konnte. Hitzewellen durchfluteten sie. Sie versuchte, nicht zu atmen, weil sie fürchtete, das Käsesandwich, das sie kurz vorher gegessen hatte, könnte den Geruch der Zahnpasta überlagern. Regungslos verharrten sie so, während er … einfach umwerfend duftete. Und dann diese Augen …

„Danke“, sagte ­Leila und riss sich zusammen, als er ihr hochhalf.

„Ich bin froh, dass ich Sie aufgefangen habe“, sagte er mit seiner tiefen, sexy Stimme, die einen so verführerischen Akzent hatte. „Sie haben sich nicht den Knöchel verstaucht, oder?“

Wäre sie ein Rugbyball gewesen, hätten ihm gerade Standing Ovations gebührt. Zu ihrem Leidwesen betrachtete Raffa nun ihre ruinierte Strumpfhose.

„Nein. Alles in Ordnung.“ Abwechselnd bewegte sie beide Füße und kam sich dann ziemlich albern vor.

„Wir sind uns schon einmal begegnet.“ Unmerklich hob er die Schultern.

„Ja, auf dem Empfang von Britts Hochzeit“, bestätigte ­Leila. „Schön, Sie wiederzusehen.“

Er roch nicht nur göttlich und sah ebenso aus, sondern hatte fantastische Augen und strahlte eine unglaubliche Energie aus. ­Leila fühlte sich schrecklich befangen und hätte am liebsten die Flucht ergriffen, doch er schien es nicht eilig zu haben. Forschend betrachtete er nun ihr Gesicht. War etwa ihre Mascara verschmiert? Sie war nicht besonders gut im Schminken. Oder hatte sie noch Sandwichreste zwischen den Zähnen?

„Wir gehören sogar fast zu einer Familie“, fügte er hinzu.

„Wie bitte?“ Wenn seine Augen so funkelten, konnte sie keinen klaren Gedanken fassen.

„Sí“, bestätigte er mit seinem faszinierenden spanischen Akzent. „Nun, da das zweite Konsortiumsmitglied eine der Skavanga-Schwestern heiratet, sind nur noch wir beide übrig. Machen Sie nicht so ein schockiertes Gesicht, Señorita Skavanga. Damit meinte ich nur, dass wir uns jetzt vielleicht etwas besser kennenlernen können.“

Wollte er das wirklich?

Und wenn ja, warum?

Dass ein erfolgreicher, gutaussehender Mann wie er sie besser kennenlernen wollte, machte sie sofort argwöhnisch. „Ich besitze nicht viele Aktienanteile an der Firma“, platzte sie deshalb heraus.

Raffa lachte. Dann beugte er sich über ihre Hand. „Ich habe nicht die Absicht, Ihnen Ihre Aktien zu stehlen, ­Leila.“

Wie konnte jemand, der ihren Handrücken nur mit den Lippen streifte, so viele Empfindungen in ihr wecken? Früher hatten ihre Schwestern ihr unentwegt von ihren romantischen Begegnungen erzählt, doch dies war eine ganz neue Welt für sie. Nicht, dass Raffa romantisch sein wollte. Es war nur seine Art, ihr die Befangenheit zu nehmen.

Da die Gäste noch immer ins Hotel strömten, konnte ­Leila sich nicht von Raffa lösen und sich auch nicht mit ihm unterhalten. Worüber hätte sie auch mit ihm reden sollen? Übers Wetter? In Skavanga war es immer kalt. Allerdings war dies Britts Party, und Raffa war ihr Gast. Also musste sie Konversation mit ihm machen.

„Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt hier in Skavanga“, sagte ­Leila deshalb.

Er wirkte amüsiert. „Jetzt schon.“ Sein Lächeln war zum Niederknien. „Ich hatte eine geschäftliche Besprechung nach der anderen.“ Nun wurde seine Miene ernst, was ihn nicht weniger attraktiv wirken ließ. „Die letzte habe ich gerade beendet.“

„Dann wohnen Sie hier im Hotel?“

­Leila errötete, als er sie fixierte und leicht die Stirn runzelte. Wahrscheinlich hielt er dies für einen Annäherungsversuch. Doch zu ihrer Erleichterung wandte er sich im nächsten Moment zur Tür. „Jetzt ist es etwas ruhiger geworden. Wollen wir reingehen?“

„Oh, ich schaffe das allein“, erwiderte sie, weil er es sicher kaum erwarten konnte, von ihr wegzukommen.

„Sie werden sich amüsieren, ­Leila“, erklärte er lächelnd. „Vertrauen Sie mir …“

Sie sollte Raffa Leon vertrauen? Bei seinem Ruf? „Ich mache mich jetzt lieber auf die Suche nach meinen Schwestern. Aber vielen Dank, dass Sie mich aufgefangen haben“, sagte sie und lächelte ebenfalls.

„Keine Ursache.“

Sie hätte sich in seinen dunklen Augen verlieren können, was erstaunlich war, denn er war praktisch ein Fremder. Dies bestärkte sie darin, an ihrem ursprünglichen Plan festzuhalten – einen Aperitif mit ihren Schwestern zu nehmen, zu essen und etwas Smalltalk zu betreiben, um sich dann so schnell wie möglich zu verabschieden.

„Ihnen ist ja kalt, ­Leila. Hier, ziehen Sie meinen Mantel an …“

„Oh, nein, ich …“

Zu spät! Ehe sie sich versah, hatte Raffa ihr seinen Mantel umgelegt, dem seine Körperwärme und sein verführerischer Duft anhafteten.

„Warum ist Ihr Kleid voller Schlamm, ­Leila?“

„Weil ich kurz … ausgeglitten bin?“

Wieder lachte er. „Dann muss ich mir nächstes Mal ja mehr Mühe geben.“

„Es wird hoffentlich kein nächstes Mal geben. Statt mit dem Taxifahrer zu plaudern, hätte ich besser aufpassen sollen, wohin ich trete.“

Ein verschwörerischer Ausdruck trat in seine Augen. „Ich hoffe, der Aufprall war nicht zu hart.“

Es war hart, nicht zu lachen. „Nur mein Stolz hat gelitten.“

„Dann sollten wir lieber reingehen, bevor Sie noch einen Unfall haben, finden Sie nicht, ­Leila?“

Sein Lächeln war unbeschreiblich sexy, wie ­Leila fand, als sie den Blick abwandte. Doch es war schön, sich einmal einem Mann anzuvertrauen, nachdem sie bisher immer auf ihre Unabhängigkeit bestanden hatte. Aber sie war sicher, dass Rafael Leon sich ohnehin unter einem Vorwand entschuldigen und abwenden würde, sobald sie das Hotel betraten.

Er hatte also endlich die dritte Skavanga-Schwester kennengelernt. Und sie hatte ihn ziemlich überrascht. Sie war verkrampft, aber witzig. Aus irgendeinem Grund mangelte es ­Leila Skavanga an Selbstvertrauen. Dass sie keine Lust auf die Party hatte, konnte er allerdings nachvollziehen. Smalltalk zu betreiben und dabei künstlich zu lächeln gehörte auch nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen.

Der oder die Jüngste in der Familie zu sein war nicht einfach, wie er aus Erfahrung wusste, obwohl er sich längst davon befreit hatte. Kein Wunder, dass er früher schwierig gewesen war, denn er hatte drei ältere Brüder und zwei ältere Schwestern, die ihn herumkommandiert hatten, weil ihre Eltern nie zu Hause gewesen waren. In einer solchen Familie entwickelte man sich als jüngstes Kind entweder zu einem besessenen Dickkopf, oder man zog sich in sein Schneckenhaus zurück und rechtfertigte sich ständig für seine Existenz, wie ­Leila Skavanga.

„Lassen Sie uns erst die Damentoilette suchen, damit Sie sich zurechtmachen können“, schlug Raffa vor, als sie das Foyer betraten. Er verspürte das seltsame Bedürfnis, diese Frau beschützen zu müssen, was untypisch für ihn war.

„Das hatte ich vor“, erwiderte ­Leila, als wollte sie ihm zu verstehen geben, dass sie hier die Regeln vorgab und gut auf sich selbst aufpassen konnte.

„Bevor ich Sie abgefangen habe?“

„Bevor ich in Ihren Armen gelandet bin“, verbesserte sie ihn.

Das trotzige Funkeln in ihren Augen gefiel ihm. ­Leila Skavanga schien eine vielschichtige Persönlichkeit zu besitzen. Dann errötete sie jedoch und wandte den Blick ab.

Weil er ihr zu nahe gekommen war?

War sie wirklich so unschuldig? Sein Instinkt sagte Ja. Ihre Schwestern galten nicht als schüchtern, was ­Leila umso faszinierender machte. Und wenn sie ihn so offen ansah wie eben, spürte er eine starke körperliche Reaktion.

„Kommen Sie.“ Raffa bahnte ihnen einen Weg durch die Menge. „Bringen wir Sie in Ordnung, damit Sie die Party genießen können.“

­Leila biss sich auf die Lippe, um nicht zu lächeln. Die Vorstellung, dass Raffa Leon sie in Ordnung brachte, gefiel ihr.

Das Ganze hatte etwas Gutes. Alle Gäste im Foyer starrten Raffa an, sodass niemand Notiz von ihr nahm.

Schande über dich, ­Leila Skavanga! Sollte dieses Jahr nicht dein Durchbruch werden?

Bisher hatte sie in ihrer Familie immer als die Träumerin gegolten – die Jüngste, die Stillste, die Friedensstifterin. Wenn sie je die gewohnten Bahnen verlassen wollte, musste sie sich ändern, und zwar bald. Aber das brauchte nicht in dieser Nacht zu geschehen. Als sie beschloss, sich zu ändern, hatte sie natürlich nicht an den dunkelhaarigen Teufel an ihrer Seite gedacht. Don Rafael Leon, der Herzog von Kantalabrien, war kein Mann, bei dem man etwas ausprobierte. Sie hatte sich vorgenommen, sich einen netten, häuslichen Mann zu suchen, der keine Ansprüche stellte. Einen Mann, bei dem man sich sicher fühlen konnte. Und dazu gehörte Raffa Leon bestimmt nicht.

Seine Ritterlichkeit war also nichts anderes als angeborene Höflichkeit.

­Leila stieß einen erschrockenen Laut aus, als Raffa ihre Hände nahm und sie unter einen der großen Kronleuchter zog, um sie von Kopf bis Fuß zu mustern.

Dios, ­Leila, das ist ja schlimmer, als ich dachte! Haben Sie sich wirklich nicht verletzt?“

„Nein, wirklich nicht …“ Sie wollte einfach nur noch einen Moment so dastehen und die Wärme und Kraft seiner Hände genießen. Schnell befreite sie sich aus seinem Griff, weil sie merkte, dass sie ihm eine ganz falsche Botschaft übermittelt hatte.

„Heute Abend werde ich Sie jedenfalls nicht aus den Augen lassen.“ Das amüsierte Funkeln in seinen Augen ließ darauf schließen, dass er wusste, wie verlegen sie war. „Wir können keine weiteren Unfälle mehr riskieren.“

„Einverstanden“, erwiderte sie leise, ihn immer noch wie eine Irre anstarrend.

„Gehen wir, ­Leila?“

„Ja.“ ­Leila riss sich zusammen. „Und ich komme wirklich allein klar.“

Ungeachtet ihrer Worte führte Raffa sie durch das Foyer, wo die Menge sich vor ihm wie das Rote Meer teilte.

„Bestimmt müssen Sie sich unter die Gäste mischen, Raffa.“

„Ja“, bestätigte er. „Und zwar mit Ihnen, damit der Abend für Sie besser wird, als er angefangen hat. Sie halten mich nicht auf, ­Leila. Mir ist jeder Vorwand recht, um keinen Smalltalk mit Leuten machen zu müssen, die ich nicht kenne, nicht kennenlernen möchte und auch nie wiedersehen werde.“

Als sie losfuhr, hatte sie genauso empfunden, aber nur, weil sie sich unter so vielen fremden Menschen immer befangen fühlte. Das konnte allerdings nicht sein Problem sein.

„Ich habe an Britts Hochzeit gedacht“, sagte Raffa, während sie in der Schlange vor der Damentoilette warteten. „Sie haben mit den Blumenmädchen Fangen gespielt, um sie zu beschäftigen. Das haben Sie toll gemacht.“

„Ich fand es auch toll“, gestand ­Leila. „Besonders damenhaft bin ich leider nicht.“

„Manch einer könnte es charmant nennen, ­Leila.“

Nun hatte sie ihr Geheimnis verraten. Sie liebte Kinder. Tatsächlich liebte sie Kinder und Tiere mehr als die meisten Erwachsenen – ihre Schwestern und ihren Bruder natürlich ausgenommen –, denn sie waren ehrlich und direkt.

„Wir sind gleich dran.“ Raffa legte ihr die Hand auf den Rücken und schob sie ein Stück weiter, als die Schlange sich auflöste. Sofort verspürte ­Leila ein erregendes Prickeln. „Sie mögen also Kinder?“

„Ja.“ Sie reichte ihm seinen Mantel. „Und ich kann es gar nicht erwarten, selbst welche zu bekommen. Auf einen Mann kann ich allerdings gut verzichten.“

Nun lächelte er jungenhaft. „Das dürfte schwierig werden.“

Zum Glück betrat im nächsten Moment ihre Schwester Britt an der Seite ihres attraktiven Scheichs das Hotel. Sie bemerkte sie sofort und blickte sie fragend an. Dann deutete sie mit einem Nicken zu den Aufzügen, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie sich sofort in die familieneigene Suite begeben sollte, wo sie sich vor der Party mit Eva und ihr auf einen Aperitif treffen wollte.

Als ­Leila sie nur herausfordernd anlächelte, zuckte Britt die Schultern.

„Sie können jetzt reingehen“, riss der Klang von Raffas Stimme ­Leila aus ihren Gedanken. Dann ließ er den Blick tiefer schweifen. „Ihre Strümpfe sind hinüber.“

„Meine Strumpfhose“, verbesserte sie ihn.

„Bitte nehmen Sie mir nicht meine Illusion.“

Dieses Lächeln!

Sie war völlig durcheinander, höchste Zeit, etwas auf Abstand zu dem heißesten Mann weit und breit zu gehen. „Sie brauchen nicht auf mich zu warten!“, rief sie ihm über die Schulter zu, als sie in die Damentoilette eilte. Hoffentlich hatte er den Wink verstanden.

­Leila beugte sich über das Waschbecken und atmete tief durch. Das Kleid interessierte sie in diesem Moment nicht. Sie konnte nur an den Mann vor der Tür denken. Würde er auf sie warten? Bestimmt nicht. Noch nie hatte ein Mann so auf sie gewirkt. Sie musste völlig verrückt sein, denn gegen Raffa Leon wirkte Casanova wie ein Chorknabe, und sie hatte nicht die Absicht, zu seinen Eroberungen zu zählen.

Schließlich richtete sie sich auf und riss ein Papierhandtuch ab, das sie anfeuchtete, um ihr Kleid notdürftig damit zu reinigen. Es sah bald ganz passabel aus, doch ihre Strumpfhose war tatsächlich ruiniert. Deshalb zog ­Leila sie aus und warf sie in den Mülleimer.

Dann schnitt sie eine Grimasse. Weiße Beine waren nicht gerade ihr bevorzugter Look, aber wer würde es merken?

Raffa.

Raffa entging nichts.

Allerdings würde er an diesem Abend vermutlich kein Wort mehr mit ihr wechseln. Und wenn doch, wollte sie in diesem Jahr nicht aus sich herausgehen und einige der Dinge tun, die sie schon immer hatte machen wollen, wie zum Beispiel reisen und neue Leute kennenlernen? Und falls er tatsächlich auf sie wartete, warum sollte er sie nicht auf die Party begleiten? Britt und Eva würden sie oben in ihrer Suite nicht vermissen. Und Raffa war sicher amüsanter als der Bürgermeister von Skavanga, der sich um alle Mauerblümchen kümmerte, oder der ältere Pfarrer, der sie immer ermunterte, sich endlich einen Mann zu suchen, bevor es zu spät war.

Mit zweiundzwanzig?

Wer brauchte schon einen Ehemann? Sie wünschte sich nur Kinder. Und falls Raffa tatsächlich so verzweifelt war und draußen auf sie wartete, hätte sie einen Begleiter. Außerdem begegnete sie nicht jeden Tag einem Milliardär.

Ehe ihr Mut sie völlig verließ, öffnete sie die Tür.

„­Leila.“

„Raffa …“

So weit, so katastrophal. Ein Blick in jene lachenden dunklen Augen, und ihr stockte der Atem. Raffa sah einfach umwerfend aus. Er trug einen dunklen Anzug, der seinen muskulösen Körper perfekt zur Geltung brachte, und überragte die meisten anderen Männer. Außerdem strahlte er eine ungezügelte Energie aus.

„Tut mir leid, dass ich Sie so lange habe warten lassen.“

„Das war es wert, ­Leila. Sie sehen sensationell aus.“

Was? Beinah hätte sie die Augen verdreht. Dann rief sie sich ins Gedächtnis, dass es nur ein weiteres Beispiel für seinen routinierten Charme war.

„Na ja, wenigstens habe ich mich vom Schlamm befreit.“ ­Leila betrachtete ihr Kleid, das im Schein der Kronleuchter leider immer noch etwas mitgenommen aussah. „Ich musste die Strumpfhose ausziehen …“

Oh nein, wie würde er das jetzt verstehen?

Seine dunklen Augen funkelten, und vor lauter Nervosität fuhr sie fort: „Nackte Beine … weiße Beine …“

Nett, dass Sie mich darauf hinweisen, dachte er jetzt bestimmt.

Tolle Beine, dachte Raffa. Und auch der Rest war sehr attraktiv. ­Leila trug dasselbe Kleid wie auf Britts Hochzeit, als sie mit den Kindern gespielt hatte. Nun erinnerte er sich daran.

„Es ist Britts Kleid“, informierte ­Leila ihn. „Ich hatte es auf ihrer Hochzeit an.“

„Ja, ich erinnere mich daran.“ Und keiner Frau hätte es besser gestanden als ihr.

„Ich hatte Britt gebeten, nicht so ein albernes Brautjungfernkleid zu kaufen, das ich nie wieder anziehen würde. Und nun trage ich es wieder. Es war also kein rausgeworfenes Geld …“

Er fragte sich, warum sie keine eigenen schönen Kleider besaß.

Und warum es ihn überhaupt interessierte.

„Es ist ein bisschen zu eng“, fuhr sie fort. „Britt ist so schlank …“

Autor

Susan Stephens
Das erste Buch der britischen Schriftstellerin Susan Stephens erschien im Jahr 2002. Insgesamt wurden bisher 30 Bücher veröffentlicht, viele gehören zu einer Serie wie beispielsweise “Latin Lovers” oder “Foreign Affairs”.

Als Kind las Susan Stephens gern die Märchen der Gebrüder Grimm. Ihr Studium beendete die Autorin mit einem MA in...

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