Die Eisprinzessin und der Millionär

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Sie ist gar nicht so kühl, wie sie im Büro tut. Bewundernd lässt Cameron seine Blicke über die graziöse Erscheinung seiner Assistentin Liz gleiten, die kurzfristig als seine weibliche Begleitung bei einem Gala-Empfang eingesprungen ist. Und sie wirkt bezaubernd in dem Partydress ... Aber es ist nicht nur ihr neues Äußeres, was den australischen Millionär fasziniert. Er will die gefühlvolle Frau hinter der Fassade der Eisprinzessin entdecken. Wird es ihm bei einem Aufenthalt auf seinem Landsitz in den Bergen gelingen? Als die Sonne untergegangen ist, küsst er Liz zärtlich …


  • Erscheinungstag 30.03.2012
  • Bandnummer 2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783864941320
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Miss Montrose“, rief Cameron Hillier, „wo, zum Teufel, bleibt die Bekannte, mit der ich verabredet bin?“

Liz Montrose hob die Brauen. „Ich weiß es nicht, Mr Hillier. Wie sollte ich?“

„Weil es Ihr Job ist – Sie sind als meine persönliche Assistentin für meinen Terminkalender zuständig, oder etwa nicht?“

Liz starrte Cam Hillier, wie er genannt wurde, irritiert an. Sie arbeitete erst seit eineinhalb Wochen bei ihm, und dies nur als Aushilfskraft, solange sein regulärer persönlicher Assistent krank war. Doch selbst in dieser kurzen Zeit hatte sie bereits zur Genüge erfahren, wie kompliziert, fordernd und arrogant er sein konnte.

Nur was sollte sie jetzt tun, um das Problem mit seiner nicht erschienenen Bekannten zu lösen?

Mit leiser Verzweiflung blickte sie sich um. Sie befanden sich im Außenbüro – das Reich seiner Sekretärin Molly Swanson –, und als Molly ihr jetzt den Telefonhörer entgegenhielt und eine vielsagende Grimasse hinter Cams Rücken schnitt, hätte Liz sie vor Dankbarkeit am liebsten umarmt.

„Ich kümmere mich darum“, sagte Liz zu ihrem Boss.

Er zuckte die Achseln und ging in sein Büro zurück.

„Wie heißt sie?“, flüsterte Liz, während sie den Telefonhörer ergriff.

„Portia Pengelly“, flüsterte Molly zurück.

Liz runzelte die Stirn. „Doch nicht etwa das Model und Fernsehstarlet?“

Molly nickte, und gleich darauf meldete sich jemand am anderen Ende der Leitung.

„Miss Pengelly?“, fragte Liz und fuhr, als dies bejaht wurde, fort: „Miss Pengelly, ich rufe im Auftrag von Mr Hillier an, Mr Cameron Hillier …“

Sekunden später gab sie Molly den Hörer zurück. In ihrer Miene spiegelte sich eine Mischung aus Belustigung und Bestürzung.

„Was hat sie gesagt?“, erkundigte sich Molly.

„Sie würde eher mit einem blutrünstigen Kannibalen ausgehen als mit ihm. Gott, wie soll ich ihm das bloß beibringen?“

Cam Hilliers Büro war minimalistisch eingerichtet: ein dicker grüner Teppich, elfenbeinfarbene Jalousien an den Fenstern, ein breiter Eichenholzschreibtisch mit einem grünen Ledersessel dahinter und zwei kleineren Sesseln davor. Liz empfand den fast leeren Raum als angenehm erholsam, wiewohl die Kunst an den Wänden von zwei sehr unterschiedlichen, aber gleichermaßen arbeitsintensiven Unternehmensbereichen erzählte, die Cam zum Multimillionär gemacht hatten – Pferde und eine Fischereiflotte.

Neben silbergerahmten Gemälden von Hengsten, Stuten und Fohlen hingen Bilder von Trawlern, die mit ihren Schleppnetzen und von Möwen umflattert durch die Meere pflügten.

Liz hatte diese Gemälde schon öfter betrachtet, wenn ihr Boss außer Haus war. Offenbar war Cam ein großer Shakespeare-Freund, denn die drei porträtierten Hengste hießen Hamlet, Prospero und Othello und die Trawler Miranda, Julia, Wie es euch gefällt, Cordelia und so weiter.

Liz hätte gern gewusst, wo dieser Hang zu Shakespeare herrührte. Doch einen Cam Hillier konnte man nicht mit neugierigen Fragen oder Small Talk behelligen. Dies hatte man ihr noch vor der ersten Begegnung mit ihm klargemacht. Die Stellenvermittlung, für die sie arbeitete, hatte sie gewarnt, er sei ein hochkarätiger Geschäftsmann und nicht einfach im Umgang, und wenn sie Bedenken habe, ob sie mit solch einem Mann zurechtkomme, solle sie die Stelle auf keinen Fall annehmen. Man hatte sie auch gewarnt, dass „persönliche Assistentin“ eine Vielzahl anderer Arbeiten beinhalten könne.

Doch Liz hatte schon öfter für hochkarätige Geschäftsmänner gearbeitet und keine Probleme damit gehabt; sie schien vielmehr ein Händchen dafür zu haben. Allerdings hatte sie noch keinem dieser Männer sagen müssen, die Frau ihrer Wahl würde lieber mit einem Kannibalen ausgehen als mit ihnen …

Und noch etwas war bei Cam Hillier anders. Er war jung – höchstens Anfang dreißig –, er war extrem fit, und er war – nun, sie hatte es aus dem Mund seiner Buchhalterin gehört, „auf irgendeine undefinierbare Art verdammt sexy“.

Was ist daran so undefinierbar? hatte sie sich damals gedacht. Er war groß, schlank, schlaksig und breitschultrig. Er hatte dichtes dunkles Haar und tiefblaue Augen; sicher, sein Gesicht war nicht im konventionellen Sinne attraktiv, doch allein der Blick aus diesen Augen konnte einem einen Schauer über den Rücken jagen.

In der Tat musste sich Liz zu ihrem Ärger eingestehen, dass sie gegen Cam Hilliers machtvolle maskuline Präsenz keineswegs immun war. Vor einigen Tagen war ihr das zum ersten Mal bewusst geworden, eine Erinnerung, die sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt hatte …

Es war ein heißer Tag in Sydney, und sie waren auf dem Weg zu einem Meeting gewesen. Sie gingen zu Fuß, weil ihr Ziel nur zwei Blocks von seinem Büro entfernt war. Der Verkehrslärm hallte in den Straßenschluchten wider, und auf dem Gehsteig herrschte ein reges Treiben. Plötzlich blieb Liz mit ihrem Absatz zwischen zwei Pflastersteinen hängen.

Sie stolperte und wäre hingefallen, hätte Cam sie nicht an den Schultern festgehalten, bis sie ihr Gleichgewicht wiederfand.

„D…danke“, stammelte sie.

„Alles in Ordnung?“ Eine Augenbraue angehoben, musterte er sie.

„Klar“, log sie. Weil nämlich gar nichts in Ordnung war. Sie war völlig aus der Bahn geworfen, zutiefst getroffen von der Berührung seiner Hände, von seiner Nähe, von der jähen Erkenntnis, wie groß er war, wie breitschultrig, wie dicht sein dunkles Haar war.

Mehr als alles andere war sie sich jedoch des erregenden Prickelns bewusst, das seine körperliche Nähe in ihr auslöste.

Zum Glück war sie geistesgegenwärtig genug, den Blick rasch zu senken, um sich nicht zu verraten; sie wäre vor Scham in den Boden versunken, wenn sie rot geworden wäre.

Da ließ er sie los, und sie gingen weiter.

Seit jenem Tag achtete Liz darauf, dass sie in Gegenwart ihres Chefs nicht stolperte oder irgendetwas anderes tat, das diese Gefühle erneut in ihr auslösen könnte. Falls Cam Hillier etwas bemerkt haben sollte, so ließ er sich nichts anmerken – was natürlich hilfreich war. Weniger hilfreich war freilich die kleine Stimme in ihrem Inneren, der es nicht gefiel, dass Liz sich Cam gegenüber zu einem äußerst kontrollierten Verhalten zwang.

Ihre Gefühle hatten sie total schockiert. Wenn er sich als ihr Chef nicht korrekt verhalten hätte, wäre sie entsetzt gewesen; umso unfassbarer war es, dass sie überhaupt im Zusammenhang mit ihm an Sex dachte!

Schließlich hatte sie den Zwischenfall unter der Rubrik „momentaner Blackout“ abgelegt, auch wenn es ihr nicht gelingen wollte, den Vorfall komplett zu vergessen.

Doch zu ihrer Überraschung – wenn man die widerstreitenden Gefühle bedachte, die in ihr tobten, und die Tatsache, dass Cam Hillier zwar ein grauenhafter Chef sein konnte, aber einem mit seinem hinreißenden schiefen Grinsen wortwörtlich den Atem verschlug – schaffte sie es die meiste Zeit, ihre Arbeit mit der üblichen Professionalität zu verrichten.

Als er jetzt von den Akten auf seinem Schreibtisch aufblickte und Liz fragend ansah, lächelte er nicht.

„Miss Pengelly …“ Liz schluckte. Miss Pengelly bedauert? Nein, das wäre eine glatte Lüge. Miss Pengelly lässt grüßen? Von wegen! „Ähm – sie kommt nicht. Miss Pengelly, meine ich“, fügte sie der Vollständigkeit halber hinzu.

Cam Hillier runzelte die Brauen und stieß einen leisen Fluch aus. „Einfach so?“, herrschte er Liz an.

„Mehr oder weniger.“ Liz spürte, wie Wärme in ihre Wangen stieg.

Cam musterte sie eindringlich. Dann verzog sich sein Mund zu diesem hinreißend schiefen Grinsen, das jedoch sofort wieder verschwand. „Verstehe“, sagte er ernst. „Ich bedaure, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe. Da bleibt nur eines – Sie werden mich an Portias Stelle begleiten müssen.“

„Das werde ich ganz sicher nicht!“, entfuhr es Liz.

„Warum denn nicht? Es ist doch nur eine Cocktailparty.“

Liz verschlug es förmlich den Atem. „Korrekt. Warum können Sie nicht allein dorthin gehen?“

„Ich gehe nicht gern allein auf Partys. Da werde ich zu sehr bedrängt. Portia“, fügte er mit leisem Bedauern hinzu, „war die ideale Begleitung, um aufdringliche Damen abzuschrecken.“ Er zuckte die Achseln. „Mit ihrer Schönheit war sie einfach konkurrenzlos.“

Liz blinzelte. „War sie denn lediglich …?“ Sie brach ab und machte eine Geste, die besagen sollte: Streichen! „Aber, Mr Hillier“, sagte sie stattdessen, „Ihren persönlichen Assistenten, der normalerweise für Sie arbeitet und den ich gerade vertrete, hätten Sie doch auch nicht mitnehmen können, um … aufdringliche Damen abzuwehren.“

„Richtig“, stimmte er zu. „Roger hätte mir einfach eine passende Begleitung organisiert.“

Wahrscheinlich aus einem Begleitservice, dachte Liz voller Abscheu. „Nun, da muss ich ebenfalls passen“, sagte sie schroff. „Abgesehen davon verfüge ich auch nicht über Portia Pengellys … Abwehrkraft gegen aufdringliche Damen.“

Cam Hillier stand auf und trat hinter seinem Schreibtisch hervor. „Wer weiß?“ Er setzte sich auf die Schreibtischkante und betrachtete Liz eingehend – vor allem ihr straff zurückgebundenes Haar und die Hornbrille. „Sie sind ein sehr heller Typ“, murmelte er.

„Was hat das denn damit zu tun?“, entgegnete Liz kühl. Sie blickte an ihrem eleganten, aber absolut schlichten elfenbeinfarbenen Leinenkleid hinunter. „Außerdem bin ich für eine Party auch gar nicht richtig angezogen!“

Er zuckte die Achseln. „Ach was. Mit Ihren hellblauen Augen, diesem hellblonden Haar und dem strengen Outfit verströmen Sie so eine Eisprinzessinnen-Aura. Auf Ihre Art genauso wirkungsvoll wie Portias Ausstrahlung, finde ich.“

Liz spürte, wie heiße Wut in ihr hochstieg, und sie musste ein paar Mal tief durchatmen. Einerseits hätte sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst und den Job hingeschmissen, andererseits war das Gehalt zu verlockend, das sie für den einen Monat als Aushilfe bekommen sollte. Abgesehen davon würde sich eine vorzeitige Kündigung – ganz zu schweigen von einer Ohrfeige – nicht sehr gut in ihrer Personalakte bei der Stellenvermittlung machen.

Geduldig wartete er ab, ließ sie nicht aus den Augen.

Innerlich fluchend sagte sie schließlich betont kühl: „Gut, ich komme mit. Aber auf rein geschäftlicher Basis – und ich brauche noch ein paar Minuten, um mich etwas frisch zu machen.“

Das belustigte Funkeln in seinen Augen trug nicht unbedingt zur Verbesserung ihrer Stimmung bei, doch zum Glück erwiderte er lediglich: „Vielen Dank, Miss Montrose. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Ich erwarte Sie in einer Viertelstunde in der Eingangshalle.“

Liz wusch sich Gesicht und Hände in dem für das Personal zur Verfügung stehenden Badezimmer – eine Komposition aus gemasertem schwarzen Marmor und gut beleuchteten Spiegeln. Nach wie vor kochte sie vor Zorn. Gleichzeitig war sie tief gekränkt – und brannte darauf, es Cam heimzuzahlen!

Seufzend musterte sie sich im Spiegel. Für die Arbeit kleidete sie sich absichtlich schlicht und streng, doch so war sie nicht immer angezogen. Schließlich hatte sie eine Mutter, die eine exzellente Schneiderin war. Zu dem elfenbeinfarbenen Kleid, das sie heute trug, gab es eine dazu passende Seidenjacke. Und eben diese Jacke hatte sie heute in der Mittagspause aus der Reinigung abgeholt.

Jetzt nahm sie sie vom Bügel und schlüpfte hinein. Die Jacke hatte einen runden Halsausschnitt, dezent gepolsterte Schultern, war eng tailliert und schmiegte sich locker um die Hüften. Wie es der derzeitigen Mode entsprach, schob Liz die langen Ärmel hoch, doch der umwerfende Effekt dieser Geste war weniger der Mode als vielmehr dem Stil der Jacke zuzuschreiben – ein verschwommenes Leopardenmuster in Blau, Schwarz und Silber.

Beim Anblick ihres Spiegelbildes musste sie unwillkürlich lächeln. Allein durch das Hochschoppen der Jackenärmel war sie von der strengen Bürodame zum Partygirl geworden. Oder fast, berichtigte sie sich.

Kurz entschlossen zog sie sich die Klemmen aus dem Haar. Sogleich ergoss es sich wie ein glänzender Vorhang über ihre Schultern. Darauf nahm sie die Brille ab, holte aus ihrer Handtasche die Kontaktlinsen heraus und setzte sie behutsam ein. Stirnrunzelnd inspizierte sie dann den Inhalt ihres Schminkbeutels – er enthielt nicht viel, da sie tagsüber nur ein Minimum an Make-up benutzte. Sie würde sich also mit Lidschatten, Wimperntusche und Lipgloss begnügen müssen.

Rasch schminkte sie sich die Augen und trat zurück, um ihr Spiegelbild zu begutachten. Der Unterschied war verblüffend. Sie sprühte sich etwas Parfüm auf, bürstete ihr Haar und schüttelte anschließend den Kopf, damit es zerzauster wirkte. Zum Glück trug sie heute die grauen Wildlederschuhe, die perfekt mit der Jacke harmonierten.

Ein letztes Mal musterte sie sich und war zufrieden mit dem, was sie sah. Doch plötzlich kam ihr ein Gedanke, und sie runzelte die Stirn.

Sah sie tatsächlich wie eine Eisprinzessin aus? Ach, wenn er wüsste …

Als Liz die Eingangshalle betrat, stand Cam Hillier bereits da und unterhielt sich mit Molly. Er hatte Liz den Rücken zugewandt, sah jedoch, wie Mollys Augen sich plötzlich weiteten, und wirbelte herum.

Im ersten Moment erkannte er Liz nicht. Dann sah er ein zweites Mal zu ihr hin und stieß einen leisen Pfiff aus. Normalerweise hätte sich Liz geschmeichelt gefühlt, wäre da nicht sein Blick gewesen, der über ihren Körper glitt, auf ihren Beinen verweilte und dann auf jene Art in ihre Augen tauchte, mit der Männer Frauen zu verstehen geben, dass sie als Bettgenossinnen willkommen sind.

Zu Liz’ Ärger weckte dieser langsame, taxierende Blick dieselben verwirrenden Gefühle in ihr wie damals, als sie auf dem Gehsteig gestolpert war: beschleunigte Atmung, sinnliches Prickeln und die beunruhigende Erkenntnis, wie groß und gut gebaut Cam war.

Nur dank ihres nach wie vor schwelenden Grolls gelang es ihr, nicht rot zu werden. Stattdessen reckte sie kämpferisch ihr Kinn.

„Soso“, sagte er ernst. Er schob die Hände in die Hosentaschen, ehe er hinzufügte: „Es tut mir leid, wenn ich Sie gekränkt haben sollte, Miss Montrose. Ich wusste nicht, dass Sie so … so umwerfend aussehen können. Und genauso wenig wusste ich, dass Sie aus dem Nichts Haute Couture herbeizaubern können.“ Erneut musterte er sie kurz. „Okay. Gehen wir.“

Sie erreichten den Veranstaltungsort der Cocktailparty in Rekordzeit. Dies lag zum einen an der PS-Stärke und Wendigkeit seines Wagens, einem grafitgrauen Aston Martin, und zum anderen an seiner waghalsigen, aber geschickten Fahrweise und seiner guten Ortskenntnis, mit deren Hilfe er den dichten Feierabendverkehr umfuhr.

Während der Fahrt hatte sich Liz weder an der Armlehne festgeklammert noch irgendwelche anderen Anzeichen von Nervosität zu erkennen gegeben. Erst als sie vor dem Ziel vorfuhren und er den Motor ausstellte, bemerkte sie trocken: „Ich glaube, Sie haben Ihren Beruf verfehlt, Mr Hillier. Sie hätten Formel-Eins-Rennfahrer werden sollen.“

„In meiner wilden Jugend bin ich tatsächlich Rennen gefahren“, erwiderte er leichthin. „Doch das wurde etwas langweilig.“

„Tja, diese Fahrt würde ich nicht als langweilig bezeichnen. Aber Sie können doch hier nicht parken, oder?“

Er stand in der Einfahrt eines Hauses, das sich neben einem hell erleuchteten herrschaftlichen Anwesen mit hoher Mauer befand – eindeutig der Veranstaltungsort der Party.

„Das ist kein Problem“, murmelte er.

„Und wenn der Hauseigentümer nun hinaus- oder hineinfahren möchte?“

„Der Eigentümer ist nicht da“, erwiderte er.

Er scheint ja gut Bescheid zu wissen, dachte Liz, fragte aber nicht weiter.

Sie befanden sich in Bellevue Hill, einem der nobelsten Vororte von Sydney, und Liz war klar, dass sie eine nicht minder noble Cocktailparty vor sich hatte. Beides reizte sie nicht im Geringsten.

„Gut.“ Sie legte die Hand auf den Türgriff. „Bringen wir es hinter uns.“

„Moment noch“, entgegnete Cam Hillier trocken. „Ich sehe ein, dass ich Sie womöglich gekränkt habe – dafür möchte ich mich entschuldigen. Und mit Ihrer verblüffenden Verwandlung haben Sie sowieso das Ruder herumgerissen. Gibt es also irgendeinen Grund, weshalb Sie so missbilligend dreinblicken? Wie eine gestrenge Richterin – oder eine Gouvernante.“

Liz spürte, wie sie rot wurde. Sie war sprachlos.

„Was genau gefällt Ihnen nicht?“, hakte er nach.

Liz fand ihre Sprache wieder. „Wenn Sie das wirklich wissen wollen …“

„Ja, will ich“, fiel er ihr ins Wort.

Sie öffnete den Mund, biss sich dann aber auf die Lippe. „Vergessen Sie’s. Es steht mir nicht zu, etwas zu billigen oder nicht zu billigen. Passen Sie auf.“ Sie riss die Augen auf, streckte den Rücken durch und strich sich das Haar hinter die Ohren. Nachdem sie einige Sekunden Gesichtsgymnastik gemacht hatte, wandte sie sich ihm zu. „Besser?“

Eine Weile starrte Cam Hillier sie mit ausdrucksloser Miene an, und dann geschah etwas Seltsames. Die Luft im Inneren des Wagens war plötzlich von einer knisternden Spannung erfüllt.

Abermals wurde sich Liz seiner breiten Schultern unter dem Jackett seines dunkelgrauen Anzugs bewusst, zu dem er ein grünes Hemd und eine Krawatte in einem etwas dunkleren Grün trug. Sie sah die feinen Linien um seinen Mund und den klugen, tiefgründigen Ausdruck in seinen blauen Augen.

Gleichzeitig waren ihre Sinne auf eigenartige Weise geschärft – sie spürte das weiche Lederpolster des Wagens wie eine zweite Haut.

Doch am meisten war sie sich seines Blickes bewusst … Ein sinnliches Mustern, das ihr Gänsehaut verursachte. Da sie so dicht nebeneinandersaßen, verspürte Liz plötzlich den völlig irrealen Wunsch, dass er die Arme um sie schlang, mit der Hand durch ihr Haar strich, den Mund auf ihre Lippen presste …

Abrupt wandte sie sich ab.

Schweigend öffnete er die Tür. Liz tat es ihm nach und stieg ohne seine Hilfe aus dem Wagen.

Obwohl Liz auf ein edles Ambiente vorbereitet war, verschlug es ihr beim Betreten der Villa den Atem. Ein breiter Gang führte zur ersten von drei ausladenden Terrassen mit Blick auf den Hafen von Sydney im schwindenden Licht des Tages. Glühende Kohlenbecken erhellten die Terrassen, überall standen Tongefäße mit exotischen Pflanzen, und der aquamarinblaue Swimmingpool auf der untersten Terrasse schimmerte wie ein funkelnder Diamant.

Es waren bereits zahlreiche Gäste da, die sich angeregt unterhielten. In der Ecke der mittleren Terrasse spielte eine Band afrikanische Musik, die mit ihren Trommeln einen hypnotisierenden Rhythmus verströmte.

Ein befrackter Kellner mit weißen Handschuhen näherte sich ihnen und bot ihnen Champagner an.

Liz wollte schon ablehnen, doch Cam drückte ihr einfach ein Glas in die Hand. Die Gastgeberin kam auf sie zugeeilt.

Sie war eine große, auffallende Erscheinung in einem pinkfarbenen Kaftan und mit Unmengen von Gold- und Diamantschmuck behangen. In ihrem silberfarbenen Haar schimmerten rosa Strähnen.

„Cam, mein Lieber!“, flötete sie. „Ich fürchtete schon, du würdest nicht kommen!“ Sie wandte sich Liz zu und hob die Augenbrauen. „Und wer ist das?“

„Darf ich vorstellen – Liz Montrose. Narelle Hastings.“

Liz reichte der Frau die Hand und murmelte: „Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte Narelle Hastings. Mit einem raschen, geübten Blick musterte sie Liz von Kopf bis Fuß. „Sie haben also Portia ersetzt?“

„Nein, nein“, erwiderte Cam. „Portia will offenbar neue Wege beschreiten, und da Liz gerade als Aushilfe für Roger bei mir arbeitet, habe ich sie mehr oder weniger dazu gezwungen, mich zu begleiten. Das ist alles.“

„Darling“, zwitscherte Liz liebevoll, „nenn es, wie du willst, aber erwarte von mir nicht, dass ich dir das abnehme.“ Sie wandte sich Liz zu. „Für eine Sekretärin sind Sie viel zu hübsch, meine Liebe, und Cam sieht auf seine Art ja auch nicht schlecht aus. Das ist nun mal der Lauf der Welt. Aber mal abgesehen davon …“, sie richtete das Wort wieder an Cam, „… wie geht es Archie?“

„Ein Nervenbündel. Er rechnet jeden Tag mit Wenonahs Baby-Welpen.“

Narelle Hastings kicherte. „Sag ihm liebe Grüße. Oh! Entschuldigt mich! Da sind noch mehr Neuankömmlinge. Und nicht vergessen“, sagte sie zu Liz, „das Leben ist nicht dazu da, um nur zu arbeiten und sich alle Freuden zu versagen. Genießen Sie also die Zeit mit Cam, solange Sie können!“ Damit ging sie weiter.

„Erzählen Sie mir jetzt bloß nicht, welche Miene ich aufsetzen soll“, warnte Liz.

„Nie im Leben! Narelle ist manchmal ein wenig exzentrisch.“

„Trotzdem. Ich wusste, es war keine gute Idee“, fügte sie düster hinzu.

Achselzuckend erwiderte er: „Ich finde, man sollte der Sache nicht allzu viel Wichtigkeit beimessen.“

Liz bedachte ihn mit einem wütenden Seitenblick. Doch das war ein Fehler, da ihr schlagartig wieder bewusst wurde, wie gefährlich attraktiv Cameron Hillier war. Groß, dunkel und athletisch, zog er die Blicke etlicher weiblicher Gäste auf sich. War der Gedanke da so abwegig, dass die Frauen ihn in Scharen bedrängten? Nein, das war lächerlich …

„Es geht nicht nur um Ihren Ruf“, entgegnete sie schließlich. „Der war vermutlich schon vorher …“ Sie hielt inne.

„Ruiniert?“, schlug er vor.

Mit einer Grimasse wandte Liz den Blick ab und dachte leider zu spät an die potenziellen Minuspunkte in ihrer Personalakte. Ist mit ihrem Arbeitgeber nicht zurechtgekommen, hat ihn sogar beleidigt

„Ein herrliches Haus“, sagte sie in unverbindlichem Ton und trank einen Schluck Champagner. „Hat die Party irgendeinen besonderen Anlass?“

Überrascht über dieses Friedensangebot, hob Cam Hillier die Brauen. Ein amüsiertes Funkeln trat in seine Augen. „Glaube ich nicht. Narelle braucht niemals einen Anlass, um eine Party zu schmeißen. Sie ist eine der wichtigsten Figuren von Sydneys High Society.“

„Wie … interessant“, bemerkte Liz höflich.

„Finden Sie es denn falsch, eine Party einfach nur zum Spaß zu veranstalten?“, fragte er.

„Habe ich das etwa gesagt? Wenn man es sich leisten kann …“ Sie machte eine vage Handbewegung.

„Sie haben es nicht gesagt, aber ich habe das Gefühl, dass Sie das dachten. Ach, Narelle ist übrigens meine Großtante.“

„Oh.“ Leicht zerknirscht nippte Liz an ihrem Champagner. „Danke“, sagte sie. Auf seinen fragenden Blick hin fügte sie hinzu: „Für diesen Hinweis. Ich … Ich neige manchmal dazu, meine Gedanken laut auszusprechen“, gestand sie. „Aber über jemandes Großtante würde ich mich immer nur schmeichelhaft äußern.“

Dies entlockte Cam Hillier mehr als nur sein typisch schiefes Grinsen: Er lachte lauthals auf.

„Was ist daran so komisch?“

„Weiß ich auch nicht genau“, erwiderte er amüsiert. „Weil es bestätigt, was ich sowieso vermutet hatte? Nämlich dass Sie eine überaus direkte Art an sich haben? Oder die Tatsache, dass Großtanten etwas Heiliges für Sie sind?“

Liz runzelte die Brauen. „Sie wissen genau, was ich meine. In der Regel werde ich nicht gern persönlich.“

Er blickte etwas skeptisch drein. „Narelle kann sehr gut auf sich selbst aufpassen. Aber wie kommt es, dass Sie trotz Ihrer direkten Art keine Probleme mit Ihrer beruflichen Position haben, die ja sehr viel Fingerspitzengefühl verlangt?“

„Tja, das ist mir selbst manchmal ein Rätsel“, erwiderte sie. „Obwohl man mir gesagt hat, dass meine Art sehr erfrischend sein kann. Aber natürlich bemühe ich mich, diese manchmal recht unverblümte Offenheit zu zügeln.“

„Doch nicht bei mir, oder?“

Versonnen blickte Liz auf ihr Glas und trank einen weiteren Schluck. „Um ehrlich zu sein, Mr Hillier, bisher wurde von mir noch nie verlangt, meinem Chef die Nachricht weiterzugeben, dass die Dame, mit der er verabredet ist, eher … eher mit einem blutrünstigen Kannibalen ausgehen würde als mit ihm.“

Cam Hillier stieß einen leisen Pfiff aus. „Sie muss wegen irgendetwas total sauer gewesen sein.“

„Ja – Ihretwegen. Dann war da Ihre Bemerkung, Sie könnten unmöglich allein auf eine Party gehen, weil sich sonst die halbe Damenwelt auf Sie stürzen würde. Damit hatte ich ein wenig Probleme …“

„Es geht dabei nur um mein Geld“, warf er ein.

„Aha! Nun, da bin ich wie Ihre Großtante – ich nehme es Ihnen nicht ab“, erwiderte Liz mit hörbarem Sarkasmus. Sie zuckte zusammen, da plötzlich ein Blitzlicht aufflammte. „Aber wenn man bedenkt, dass man mich wahrscheinlich für Ihre kleine Freundin hält und ich auf dieser halsbrecherischen Fahrt durch Sydneys Nebenstraßen wahre Todesängste auszustehen hatte – ist es da ein Wunder, wenn ich meine Zunge nicht im Zaum halten kann?“

„Wahrscheinlich nicht“, stimmte er zu. „Wollen Sie den Job kündigen?“

„Oh.“ Liz blickte auf ihr Glas hinunter, das zu ihrer Überraschung bereits zur Hälfte geleert war, ehe sie die blauen Augen zu Cam aufschlug. „Eigentlich nicht. Ich brauche das Geld. Wenn wir uns also wieder an die normalen Bürozeiten halten und an den normalen Wahnsinn, der mit dem Job als Ihre persönliche Assistentin einhergeht, würde ich das sehr zu schätzen wissen.“

Er überlegte kurz. „Wie alt sind Sie, und wie haben Sie diesen Job bekommen – bei der Agentur, meine ich?“

„Ich bin vierundzwanzig und habe einen Abschluss in Betriebswirtschaft. Ich war die Semesterbeste, was Ihnen vermutlich schwerfällt zu glauben – doch es stimmt.“

Seine Augen wurden schmal. „Das nehme ich Ihnen sofort ab. An der Art, wie Sie gleich zu Beginn unseres Verhältnisses – unseres Arbeitsverhältnisses – Ihre Aufgaben gemanagt haben, habe ich gemerkt, dass Sie ziemlich clever sind“, sagte er.

„Ach?“ Liz war überrascht. „Wie das?“

„Erinnern Sie sich an das Angebot von Fortune, dem Seefischvertrieb? Wie ich Ihnen die Sache gleich am ersten Tag übertragen habe, weil das Angebot unvollständig war, und gesagt habe, Sie sollten sich darum kümmern?“

Autor

Lindsay Armstrong

Lindsay Armstrong wurde in Südafrika geboren, und bis heute fasziniert sie der Kontinent sehr. Schon als kleines Mädchen wusste sie, was sie später machen wollte: Sie war entschlossen, Schriftstellerin zu werden, viel zu reisen und als Wildhüterin zu arbeiten.

Letzteres ist ihr zwar nicht gelungen, aber noch immer ist sie...

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