Ein Konkurrent zum Küssen

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Er ist smart, verwegen, sexy - und er treibt Ruby in den Ruin: Jax Maroney, der Diamantminen-Besitzer mit dunkler Vergangenheit. Es gibt nur einen Weg, wie ihre Schmuckdynastie den Preiskampf mit ihm überleben kann: Ruby muss ihren größten Konkurrenten so schnell wie möglich heiraten! Der Deal: Er hört endlich auf, sie zu unterbieten, und sie führt Jax in Australiens High Society ein, die mit jemandem wie ihm sonst keine Geschäfte macht. Eine Scheinehe also, Sex völlig ausgeschlossen. Doch als Ruby an die Hochzeitsnacht denkt, werden ihre Knie plötzlich ganz weich …


  • Erscheinungstag 16.04.2013
  • Bandnummer 082013
  • ISBN / Artikelnummer 9783954465149
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jax Maroney konnte nicht fassen, dass er den klaren Himmel des Outback gegen das hier eingetauscht hatte.

In der sehr exklusiven Enklave Armidale waren heute die VIPs von Melbourne zu Gast – und er war einfach uneingeladen aufgetaucht.

Diese verdammten Schnösel waren nicht nur Konkurrenten, sondern Feinde. Sie ignorierten Jax, flüsterten und warfen ihm finstere Blicke zu. Leider musste er genau diese Feinde umwerben, damit er sein Ziel erreichte. Das gefiel ihm gar nicht.

Sein Magen zog sich zusammen, und gleichzeitig verspürte er jene Wut, die in seinem Innern auf stetiger kleiner Flamme brannte. Sie richtete sich gegen den Menschen, der ihn in diese Zwangslage gebracht hatte.

„Vorsicht. Wenn das nächste Mal die Tür aufgeht und ein Windzug kommt, bleibt Ihre Stirn für immer gerunzelt.“

Überrascht sah Jax die schlagfertige Blondine an, die so viele Diamanten trug, wie seine Mine in Western Australia in einem ganzen Jahrzehnt produzierte.

„Und was geht Sie das an?“, gab er zurück.

Seine schroffe Antwort ließ sie völlig kalt. Mit einem neckenden Lächeln auf den rubinrot glänzenden Lippen erwiderte sie: „Die Präsentation der Seaborn-Frühjahrskollektion sollte überschwänglich gefeiert werden: mit Champagner und Kaviar. Ihr Stirnrunzeln ist da wirklich unpassend.“

„Weil die meisten Snobs hier vor lauter Botox nicht einmal mehr mit den Augenbrauen zucken können?“ Verächtlich musterte Jax die makellos frisierten, wohlhabenden Gäste in Designer-Outfits, die ihn für die Sünden seines Vaters bestraften.

Zu seiner Überraschung vertiefte sich das Lächeln der jungen Frau. „Da haben Sie wahrscheinlich recht. Trotzdem sollten Sie freundlich auftreten. Die Sicherheitsleute, die sich unauffällig unter die Gäste gemischt haben, mögen nämlich keine Rüpel, die am Rand stehen und alles beobachten. Sie könnten Sie für einen Dieb halten.“

Als ihr Blick kurz und prüfend über ihn glitt, überkam ihn ein merkwürdiges Gefühl. Dann sah die Frau Jax herausfordernd an. Er war sicher, ein Glühen in ihren Augen zu sehen.

„Hm, vielleicht doch nicht“, sagte sie.

Weder im Privat- noch im Berufsleben war Jax es gewohnt, dass jemand ihn herausforderte. Wider besseres Wissen bekam er Lust, sich ein kleines Wortgefecht mit dieser faszinierenden Blondine zu liefern. Dabei mochte er eigentlich Frauen, die leicht durchschaubar und unkompliziert waren.

„Sollten Sie sich nicht um die Gäste kümmern?“

„Sollten Sie nicht lächeln?“, gab sie zurück und hob triumphierend die Faust, als es um seinen Mund zuckte. „Ich wusste doch, dass Sie es können!“

„Wer sind Sie eigentlich?“, fragte Jax perplex.

Scherzhaft schnitt die Frau eine Grimasse. „Ihr allerschlimmster Albtraum, Mr Honigkuchenpferd.“

Als Jax lachte, klang es merkwürdig und fremd. Er wusste nicht mehr, wann er das letzte Mal gelacht hatte.

„Mit einem derartig vorlauten Mundwerk könnten Sie leicht Ärger bekommen.“ Er betrachtete ihre glänzenden sinnlichen Lippen, und das merkwürdige Gefühl in seinem Magen verlagerte sich ein wenig tiefer.

„Gegen Ärger habe ich nichts“, behauptete sie.

Jax beschloss, sie auf die Probe zu stellen. „Das kann ja jeder behaupten.“

Mit lässigem Schulterzucken drehte sie sich um und präsentierte ihm dabei ihren Rücken – nackt bis zur Taille, wo eine etwas unpassende Schleife auf dem smaragdgrünen Designerkleid saß. Über die Schulter gewandt sagte sie: „Vielleicht finden Sie die Wahrheit heraus, wenn Sie bis nach der Präsentation bleiben.“

Damit tänzelte sie davon, wobei sie extra für ihn die Hüften schwang. Der Satin ihres Kleides schmiegte sich eng um den verführerischen Po.

Eigentlich hatte Jax höchstens eine halbe Stunde bleiben wollen, um der High Society von Melbourne zu zeigen, dass er wieder da war – und dass niemand etwas dagegen tun konnte. Doch nun hatte die atemberaubende Blondine ihm diesen unwiderstehlichen Vorschlag gemacht …

Ruby ergriff ein Glas Champagner vom Tablett eines Kellners, damit ihre Hände beschäftigt waren. Am liebsten hätte sie sich nämlich das Collier aus seltenen grünen Diamanten vom Hals gerissen und sich erst einmal ausgiebig gekratzt.

Wie hielt ihre Schwester Sapphie diese Präsentationen bloß aus? Sie hatte das bis vor Kurzem schließlich regelmäßig gemacht.

Tonnenschwer schienen die Diamanten an Rubys Hals zu hängen, und sie war sicher, dass ihre Ohrläppchen von den glitzernden, diamantbesetzten Hängern schon mehrere Zentimeter länger geworden waren. Während die Gäste die Schmuckstücke bestaunten, musste sie sich zwingen, dem Juckreiz nicht nachzugeben.

Denn das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse: Ruby Seaborn, Edelsteinschneiderin und geniale Schöpferin der neuesten Frühjahrskollektion, war allergisch gegen ihre eigenen kreativen Meisterwerke!

Wahrscheinlich war es einfach ihr Unterbewusstsein, das ihr mitteilte: Du gehörst hinter die Kulissen. Schließlich verwendete Ruby nur die hochwertigsten Metalle und Edelsteine. Letztere waren inzwischen allerdings viel schwerer zu bekommen – dank Maroney Mine, dem Minengiganten, der sich alles und jeden einzuverleiben schien. Sollte sie den Geschäftsführer jemals in die Finger bekommen, würde sie ihn eigenhändig erwürgen.

Bei der Redewendung „in die Finger bekommen“ blickte sie automatisch zu dem mürrischen Adonis, der am anderen Ende des Raums außerhalb der Gästemenge an der Wand lehnte.

Er trug einen anthrazitfarbenen Nadelstreifenanzug mit hellblauem Hemd, aber da hörte seine Seriosität auch schon wieder auf. Seine unergründlichen dunklen Augen, die rätselhafte Miene und der leicht angewidert verzogene, sinnliche Mund bewiesen eindeutig, dass mit ihm nicht zu spaßen war.

Warum ist er hergekommen? fragte Ruby sich angesichts seines offensichtlichen Widerwillens. Und wer war er überhaupt? Der Ruf des Hauses Seaborn’s hatte viel mit Exklusivität zu tun. Daher hatten sämtliche anwesenden Gäste eine edle Abstammung und Geld wie Heu. Geld, das das Juwelierunternehmen der Familie Seaborn dringend brauchte, um überleben zu können.

Sie sah den Fremden einen Moment zu lange an, sodass ihre Blicke einander begegneten. Als er spöttisch eine Augenbraue hob, erschauerte sie leicht. Ruby merkte jetzt erst, dass sie die Luft angehalten hatte. Sie atmete aus, grüßte mit einem kurzen Nicken und wandte sich um. Plötzlich kam ihre Halskette ihr unerträglich eng vor. Doch auch, als sie diese lockerte, spürte sie noch den heißen Blick des Fremden, der durch ihren Körper jagte wie ein Stromstoß.

Dieser Mann strahlte etwas Wildes, Ungebändigtes aus, auf das Ruby unwillkürlich reagierte – und zwar heftiger, als ihr lieb war. Normalerweise würde sie mit so einem Mann ein bisschen Spaß haben und die Sache dann beenden. Er war absolut nicht ihr Typ.

Doch da Sapphie gezwungenermaßen pausierte und sich noch immer nicht erholt hatte, musste Ruby nun zusätzliche Aufgaben und Pflichten übernehmen. Statt die Schmuckstücke zu entwerfen, die sie so liebte, musste sie heute das Unternehmen repräsentieren und seine Kreationen zur Schau stellen.

Seit ihre Schwester vor einigen Monaten zusammengebrochen war und Ruby die Wahrheit erfahren hatte, wünschte sie, das vergangene Jahr wäre anders verlaufen. Warum hatten ihre Mum und Sapphie ihr nicht vertraut?

Der Verlust ihrer geliebten Mutter war schmerzlich gewesen. Ruby hatte es sehr beeindruckt, als Sapphire die Geschäftsführung von Seaborn’s übernommen und das Unternehmen nach außen repräsentiert hatte. Auf diese Aufgabe hatte man Sapphie seit ihrer Kindheit vorbereitet.

Ruby beneidete ihre Schwester nicht und war zufrieden, als leicht Zerstreute, Unbekümmerte der beiden Geschwister ihre kreative Seite ausleben zu dürfen. Aber da Sapphie eine Bombe hatten platzen lassen, bevor sie zwangsweise eine Erholungspause eingelegt hatte, musste Ruby nun mehr Verantwortung übernehmen, als sie je gewollt oder sich vorgestellt hätte. Es ärgerte sie immer noch, dass sie die Wahrheit erst herausgefunden hatte, als ihre Schwester zusammengebrochen war.

Erschwerend hinzu kam die stetig schrumpfende Gewinnspanne von Seaborn’s. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage eröffneten überall Juwelierfilialen, und Maroney Mine tat alles, um Seaborn’s vom Markt zu drängen. Die letzten Monate waren hart gewesen.

Ruby blieben nur noch zwölf Wochen, um das Ruder herumzureißen und ihrer Schwester und dem Rest der Geschäftswelt zu zeigen, dass sie keinesfalls das flatterhafte Dummchen war, für das man sie hielt.

Sie ging durch die Schar der Gäste, die ihr Luftküsschen zuwarf und ihr zu den jüngsten Kreationen gratulierte. Dabei wanderte ihr Blick viel zu häufig zu dem finster dreinblickenden Fremden. Und wann immer sie das tat, sah er sie durchdringend an. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, sie würden einander magisch anziehen. Um dieses beunruhigende Gefühl abzuschütteln, konzentrierte sie sich stärker auf ihre Gäste, lächelte über alles und lachte über nichts Besonderes.

Nach der Veranstaltung sank sie erleichtert auf einen Hocker – bis ihre Cousine Opal ihr auf die Schulter tippte.

„Wir haben nicht genug verkauft“, erklärte sie stirnrunzelnd.

Ruby nahm ihr die Liste aus der Hand und überflog sie, wobei sich ihr vor Angst der Magen zusammenzog. Mit Seaborn’s ging es abwärts, und offenbar konnte das nicht einmal die größte Präsentation der schönsten Stücke verhindern.

„Es wird alles gut werden“, versuchte Opal sie zu beruhigen.

Als Ruby Tränen in die Augen traten, blinzelte sie. „Das muss es auch“, sagte sie leise. Wegen Sapphie – und wegen des Familienunternehmens, das sie auf keinen Fall verlieren wollte. Erst seit Kurzem wusste Ruby, dass Sapphie ihrer Mutter im vergangenen Jahr auf dem Sterbebett etwas versprochen hatte. Mathilda Seaborn hatte fünfzehn Jahre lang an der Spitze des Unternehmens gestanden. Trotz ihrer Krankheit und des Morphiums war sie bei klarem Verstand gewesen. Der Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte ihren Körper zerstört, aber ihrem scharfen Geschäftssinn nichts anhaben können. Rubys Mum hatte Sapphire das Versprechen abgenommen, alles zu tun, damit das Familienunternehmen überlebte – für ihre beiden Töchter und für deren Kinder. Mit Letzteren war allerdings kaum zu rechnen, da Sapphie ebenso wie Ruby kaum jemals eine längere Beziehung zustande brachte.

Nachdem Sapphie vor lauter Stress und Anstrengung zusammengebrochen war, befolgte sie nun die strengen ärztlichen Anweisungen. Und Ruby trug die Last, die sie sich eigentlich hätten teilen wollen. Für sie war es ein doppelter Schock gewesen von Seaborn’s finsterer finanzieller Lage zu erfahren und zu erkennen, dass sie ungewollt den Zusammenbruch ihrer Schwester verursacht hatte. Sie war immer diejenige der Seaborn-Töchter gewesen, der man nachgiebig erlaubt hatte, ihren Träumen nachzugehen und zu reisen. Währenddessen hatte Sapphie alles Wichtige von ihrer Mutter gelernt. Sie studierte und bekam überall Bestnoten, während es bei Ruby stets nur fürs Mittelmaß gereicht hatte. Gewissenhaft und ganz selbstverständlich studierte Sapphie Wirtschaft, während Ruby sich ihrem Studium nur beiläufig widmete und nebenbei schon anfing, markante Schmuckstücke für Seaborn’s zu entwerfen. Sapphie besaß wegen ihrer Verpflichtungen für die Firma praktisch kein Sozialleben, Ruby dagegen hatte das Nachtleben Melbournes in vollen Zügen genossen. Kein Wunder, dass ihre Mutter Sapphie und nicht ihr den Erhalt des Familienunternehmens übertragen hatte. Aber jetzt wollte Ruby ihr beweisen, dass auch in ihr etwas steckte. Sie würde Seaborn’s aus den roten Zahlen holen.

„Einer der Gäste will offenbar nicht gehen“, bemerkte Opal in diesem Moment.

Ruby sah, dass einer der Sicherheitsmänner den mürrischen Fremden unter Druck setzte. Dass er tatsächlich geblieben war, ließ ihr Herz schneller schlagen. Fast hätte sie trotz der schlechten Nachricht, die Opal ihr gerade überbracht hatte, gelächelt. Männer waren ja so berechenbar! Nach einem harmlosen kleinen Flirt glaubten sie schon, man würde ihnen sein Herz auf dem Silberteller schenken.

„Darum werde ich mich kümmern.“

Besorgt blickte Opal zu dem Fremden, der den Sicherheitsmann um mehr als einen Kopf überragte. „Bist du sicher?“

„Na klar. Je größer sie sind, umso härter der Aufprall beim Fallen“, versicherte Ruby und fügte hinzu: „Vielen Dank für deine Unterstützung heute Abend. Allein hätte ich das niemals hinbekommen.“

Nach einem letzten skeptischen Blick auf den Gast machte Opal sich auf den Heimweg.

Das Collier juckte immer noch, die Füße taten ihr weh, weil sie Stilettos statt der gewohnten Ballerinas trug, und wenn der Satin über ihre Hüften glitt, verspürte sie in den unpassendsten Momenten eine merkwürdige statische Aufladung. Wie zum Beispiel jetzt, als sie auf „Mr Honigkuchenpferd“ zuging, um ihm ordentlich in den Hintern zu treten.

„Gibt es Probleme, Fritz?“

Sofort wurde die strenge Miene des langjährigen Sicherheitsmitarbeiters sanfter. Ruby hatte eine besondere Beziehung zu ihm, weil er ihr als Kind immer heimlich ihre Lieblings-Weingummis zugesteckt hatte, wenn ihre Mutter nicht aufgepasst hatte. Als Kind war Ruby wegen der andächtigen Atmosphäre und des funkelnden und glitzernden Schmucks sehr gern im Geschäft gewesen.

„Dieser Herr will nicht gehen“, erwiderte Fritz.

Mr Honigkuchenpferd sah sie so düster an, als wäre seine bevorstehende Verhaftung allein ihre Schuld.

Angesichts ihrer schmerzenden Füße und des heftigen Juckreizes beschloss Ruby, ihre Einladung zurückzunehmen. Sie hatte keine Zeit, um mit einem Mann zu flirten, den sie nie wiedersehen würden. Es gab so viel Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel musste sie sich überlegen, wie sie genügend Geld verdienen konnte, um Seaborn’s zu retten. Doch gerade, als sie den attraktiven Fremden in die Wüste schicken wollte, beging sie den Fehler, ihm in die Augen zu sehen.

Er schien sie mit seinem durchdringenden Blick auf die Probe zu stellen. Würde sie einen Rückzieher machen?

Woher wusste er nur, dass Ruby Herausforderungen noch nie hatte widerstehen können? Sie war die Jüngste in ihrer Familie gewesen, die sich im Luna Park in die riesige Achterbahn gewagt hatte und am Bells Beach gesurft war. Und sie war die jüngste Schmuckdesignerin, die Seaborn’s je gehabt hatte. Auf keinen Fall würde sie sich von diesem geheimnisvollen Mann in die Flucht schlagen lassen.

„Schon in Ordnung, Fritz, ich habe ihn zu einem Kaffee nach der Präsentation eingeladen.“

Fritz zog die buschigen Augenbrauen zusammen. Doch seine Loyalität zu Seaborn’s war so unerschütterlich, dass er keine Einwände erhob.

„Bitte schließ den Ausstellungsraum ab, bevor du nach Hause gehst. Mein Gast und ich werden oben unseren Kaffee trinken.“

Fritz nickte und wünschte ihr eine gute Nacht.

Als er gegangen war, drehte sich Ruby zu ihrem Gast um, dessen Lächeln ihr den Atem verschlug. Das war ihr schon einmal passiert, als sie zum ersten Mal einen rosafarbenen Diamanten gesehen hatte. Wie schafft er es nur, mich so aus dem Gleichgewicht zu bringen?

„Um ehrlich zu sein, ich hatte einen ziemlich anstrengenden Tag …“, begann sie, doch er fiel ihr ins Wort.

„Angst vor der eigenen Courage?“, sagte er leise, den Kopf zu ihrem Ohr hinuntergebeugt.

Fast wurde ihr schwindelig, denn sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Wange und wurde von seinem frischen Zitrusduft eingehüllt. Es war ein unwiderstehlicher, sehr sinnlicher Geruch. Um ihre heftige körperliche Reaktion nicht zu zeigen, verschränkte Ruby die Arme vor der Brust und schnitt eine Grimasse.

„Also gut, einen Kaffee, und dann gehe ich.“

Als der attraktive Fremde ihren Arm ganz leicht berührte, durchzuckte ein Stromschlag ihren Körper. „Ganz so mutig sind Sie also doch nicht.“

Das hat nichts mit Mut zu tun, sondern mit Selbstschutz, dachte Ruby. Denn die Anziehung zwischen ihnen war so stark, dass sie ihr Schwierigkeiten bereiten könnte. Und die konnte sie nicht gebrauchen – schließlich musste sie sich um Seaborn’s kümmern.

„Ich flirte mit allen Männern, beziehen Sie das also nicht auf sich.“

„Ach, tatsächlich?“ Er kam einen Schritt näher und stand auf einmal sehr nah vor ihr. Zwar berührte er sie nicht, doch das war auch nicht nötig. Rubys Gänsehaut zeigte deutlich, wie heftig seine Nähe sich auf sie auswirkte.

„Das könnten einige Männer aber falsch verstehen.“

„Wie denn?“, fragte sie wider alle Vernunft, da seine selbstsichere Gelassenheit sie wütend machte.

„Dass Sie etwas in Aussicht stellen, das Sie anschließend nicht erfüllen.“

Sie riss sich zusammen, hob das Kinn und erwiderte: „Ich stelle Ihnen einen Kaffee in Aussicht. Nicht mehr und nicht weniger.“

Als er zögerte, war sie enttäuscht, denn sie hätte die erotischen Avancen dieses Mannes, den sie kaum kannte, zu gern abgewehrt.

Als er ihr Gesicht betrachtete, fühlte Ruby sich ihm so ausgeliefert, dass sie ihr Angebot fast zurückgezogen hätte. Doch dann sagte er: „Gehen wir nach oben.“

Jax hatte ziemliches Glück.

Aus zwei Gründen war er heute Abend hergekommen: um den Melbourner Snobs zu zeigen, dass er wieder da war und in ihre geschlossenen Reihen eindringen würde, und um Sapphire Seaborn die Vorstellung einer Übernahme so schmackhaft wie möglich zu machen. Leider war sie nicht anwesend, dafür aber die zweitbeste Möglichkeit: ihre Schwester.

Mit einem Blick auf Ruby, die problemlos mit ihm Schritt hielt, revidierte er sein Urteil. Vielleicht hatte er doch kein so großes Glück. Die jüngere der Seaborn-Schwestern war nämlich ziemlich temperamentvoll und nicht auf den Mund gefallen. Sein Typ war sie zwar ganz und gar nicht, aber ein paar dekadente Stunden lang könnte sie es sein. Auf körperliche Annäherungsversuche würde er verzichten, dafür stand viel zu viel auf dem Spiel. Jax hatte große Pläne. Doch als ihr Haar im Licht der Unterbauleuchten wie gesponnenes Gold glänzte und sich ihre Brüste bei jedem Schritt deutlich unter dem Satin abzeichneten, wünschte er einen Moment lang, es ginge nicht um so viel.

„Sie waren noch nie bei Seaborn’s“, stellte Ruby gerade fest. Ihre direkte Art gefiel ihm.

„Stimmt. Hätten Sie sich an mich erinnert?“, fragte er neckend.

„Ich erinnere mich an alle unsere Kunden.“

„Das kann ich kaum glauben.“

Ruby lachte leise und hob geschlagen die Hände. „Also gut, das war geschwindelt. Aber ich erinnere mich an sämtliche Schmuckstücke, die ich entworfen habe. Und an die Kunden, die sie gekauft haben.“

„Sehr beeindruckend.“

Ebenso wie der große, lang gestreckte Ausstellungsraum, durch den sie ihn führte, mit auf Hochglanz polierten Dielen, elfenbeinfarbenen Wänden und Lampen, die so platziert waren, dass sie die ausgestellten Stücke perfekt ins Licht setzten.

Es waren ausschließlich Einzelstücke, aus Edelsteinen aller Formen und Größen gefertigt. Sie lagen in mit Alarmanlagen ausgestatteten Vitrinen. Jax war schon seit einigen Jahren im Edelsteinhandel tätig, hatte sich jedoch nie für die Steine selbst interessiert. Für ihn ging es um die Summen, die unterm Strich herauskamen, und nicht um die glitzernden Schmuckstücke.

„Wie finden Sie meine Arbeit?“

Ruby Seaborn hatte also bemerkt, dass er sich die Stücke ansah. Sie war nicht nur attraktiv und direkt, sondern auch aufmerksam und aufgeweckt.

„Nicht schlecht, wenn man so etwas mag.“

Übertrieben dramatisch presste sie sich die Hand aufs Herz. „Nicht schlecht?“ Als sie heftig mit dem Finger auf ihn wies, hätte er ihre Hand am liebsten gepackt und geküsst.

„Wissen Sie, wie lange ich für ein solches Stück brauche?“

„Nein, aber Sie werden es mir sicher gleich verraten.“

Ihr Blick verriet deutlich, dass sie ihn für einen Banausen hielt. Sie wies auf die nächste Vitrine. Darin lag eine schlichte goldene Halskette, die durch meisterhaft geschliffene Smaragde zu etwas ganz Besonderem wurde.

„Ich entwerfe nicht nur den Schmuck, sondern bearbeite auch die Edelsteine selbst. Die Smaragde zu schleifen und zu polieren, hat mich einen ganzen Monat gekostet. Zwei weitere Monate habe ich gebraucht, um die Fassung und die Knebelschließe hinzubekommen – und dieses Teil, mit dem der Anhänger an der Kette befestigt wird.“

Als Jax fragend die Augenbrauen hob, erklärte sie: „Bei einer Knebelschließe wird der kleine Metallstab durch den Ring geführt, um die beiden Enden der Kette miteinander zu verbinden.“

„Wirklich faszinierend.“

Offenbar glaubte sie, er mache sich über sie lustig, doch das war nicht der Fall. Im Gegenteil, ihre begeisterte Schilderung fachte sein Interesse noch stärker an. Unwillkürlich fragte er sich, wie leidenschaftlich sie wohl in anderen Bereichen sein konnte …

Als sie ihn mit einer Geste aufforderte, näher zu kommen, tat er das nur zu gern. „Sehen Sie, dass alle Smaragde in einer Zargenfassung sitzen? Das ist mein besonderes Markenzeichen.“

„Wunderschön“, sagte Jax, doch er sah nicht die Kette an.

Auch Ruby bemerkte das. Ihre Wangen röteten sich leicht, dann richtete sie sich auf und wich zurück.

Bevor er sein Handeln überdenken konnte – was er im Geschäftsleben grundsätzlich nie tat –, hielt Jax sie am Arm fest. „Sie sind plötzlich so schüchtern. Warum können Sie denn keine Komplimente annehmen?“

In Rubys Augen flackerte ein Ausdruck auf, der fast wie Schmerz wirkte. Schnell blinzelte sie, dann funkelten ihre Augen wieder stärker als die Smaragde in der Vitrine.

„Es war ein sehr langer Tag, und ich falle fast um vor Müdigkeit.“

In Jax regte sich Mitgefühl. Höflicherweise hätte er jetzt gehen und ein anderes Mal wiederkommen sollen, wenn Sapphire Seaborn da wäre und er seinen subtilen Angriff starten könnte. Doch hätte er Skrupel gehabt, wäre er niemals so weit gekommen. Und er hatte eine Botschaft zu überbringen, die diese schöne Blondine ihrer Schwester zudem viel besser übermitteln könnte als er selbst.

„Möchten Sie, dass ich gehe?“

Sie drehte ihr Armband hin und her. „Ja und Nein.“ Mit einem langen Seufzer sah sie ihm ins Gesicht. „Ja, mir wäre es sehr lieb, wenn Sie gehen. Dann könnte ich endlich raus aus diesem schicken Outfit und es mir mit meinen flauschigen Hausschuhen, Karamell-Popcorn und Jake Gyllenhaal gemütlich machen.“

Gibt es eigentlich auch Frauen, die nicht auf diese aalglatten Filmstars stehen? Statt des Armbands drehte Ruby nun einen Ring hin und her. „Und nein, weil Sie so rätselhaft sind und ich wissen möchte, aus welchem Grund Sie wirklich hergekommen sind und was Sie hier getan haben – vom Lauern in den Ecken und vom Ignorieren meiner exquisiten Kreationen einmal abgesehen.“

Temperamentvoll war diese Frau, wie Jax mit Interesse feststellte, in dessen Leben für solche Gedanken eigentlich gar kein Platz war.

„Ich bin nicht rätselhaft, ich bin Jax Maroney.“ Er reichte ihr die Hand – und musste Ruby gleich darauf auffangen, da diese in Ohnmacht zu fallen drohte.

Aschfahl sah sie ihn an. „Sie sind Jax Maroney?“, fragte sie so ungläubig, als hätte er behauptet, Elvis Presley zu sein. Dann errötete sie plötzlich heftig und richtete sich kerzengerade auf. „Raus!“

Diese Aufforderung hatte Jax als Kind oft gehört, wenn er Zeit mit Freunden verbracht hatte und sie ihren Vätern hatten nacheifern wollten: „Raus hier, Jungs. Pubs sind nur etwas für Männer.“

Eigentlich hatte es seinem Vater Denver nie etwas ausgemacht, wenn Jax ihm gefolgt war. Er hatte ihm auf den Rücken geklopft, ihm durchs Haar gestrichen und ihm scherzhaft eine angedeutete Ohrfeige gegeben. Seine Freunde hatten ihn um seinen „coolen Dad“ beneidet. Und auch Jax hatte seinen Vater vergöttert. Denver mit seinem dröhnenden Lachen, der lauten Stimme und der Fähigkeit, beim Betreten eines Raums sofort als Autorität wahrgenommen zu werden. Und natürlich hatte er auch Denvers Großzügigkeit geliebt. Zu spät hatte Jax gemerkt, dass es leicht war, großzügig mit Geld zu sein, das einem gar nicht gehörte. Durch die enge Vater-Sohn-Beziehung war das, was sein Vater getan hatte, noch schwerer zu akzeptieren gewesen.

Er ließ Ruby los. Es ärgerte ihn, dass sie noch immer so entsetzt aussah. „Das ist aber nicht sehr gastfreundlich. Sie hatten mir doch Kaffee versprochen!“

„Ich habe es mir anders überlegt – Sie kommen mit mir.“ Ruby ergriff seinen Arm und zerrte Jax in Richtung einer filigranen schmiedeeisernen Tür, die zu einer Wendeltreppe führte. „Sie brauchen einen Tritt in den Hintern, und ich bin genau die Richtige dafür.“

In letzter Zeit hatte Jax nicht viel Anlass zum Lächeln gehabt, doch jetzt musste er einfach lächeln. Sie können es ja mal versuchen, dachte er.

Ruby war schlagfertig und temperamentvoll. Aber dass sie Jax Maroney nun mit nach oben in ihr Apartment nehmen sollte, um ihn zu verhören …

Nach allem, was sie wusste, hatte er Melbourne vor mehreren Jahren fluchtartig verlassen, nachdem sein Vater verhaftet worden war. Offiziell hatte nichts gegen Jax vorgelegen, doch natürlich hatten Gerüchte die Runde gemacht. Hatte Jax von der massiven Veruntreuung gewusst? Hatte er wie sein Vater Geldwäsche betrieben und seiner Mutter dabei geholfen zu verschwinden?

Rubys Mutter war damals zutiefst empört gewesen, dass ein bekannter Krimineller wie Denver Maroney Zugriff auf das Geld der High Society hatte, das Geld ihrer Freunde, die er betrogen hatte. Mathilda Seaborn hatte ihren Töchtern sogar verboten, Jax’ Mutter jemals wieder zu erwähnen. Von einer der ihren hintergangen zu werden, fand sie noch unverzeihlicher als alle krummen Geschäfte von Jax’ Vater.

Wie war Jax nur Geschäftsführer des lukrativen Bergbaukonzerns in Western Australia geworden, der jetzt versuchte, ihr Familienunternehmen in den Abgrund zu drängen? Das wollte Ruby unbedingt herausfinden. Zumindest verstand sie jetzt, warum er so eine gefährliche Aura ausstrahlte – und warum sie sich so zu ihm hingezogen fühlte: Sie hatte schon immer eine Schwäche für Bösewichte gehabt.

Autor

Nicola Marsh
Als Mädchen hat Nicola Marsh davon geträumt Journalistin zu werden und um die Welt zu reisen, immer auf der Suche nach der nächsten großen Story. Stattdessen hat sie sich für eine Karriere in der Gesundheitsindustrie entschieden und arbeitete dreizehn Jahre als Physiotherapeutin

Doch der Wunsch zu schreiben ließ sie nicht los...
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