Für immer betört von dir

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Hat sie den Verstand verloren, sich ihrem Chef derart an den Hals zu schmeißen? Grafik-Designerin Bella kennt sich selbst nicht wieder. Doch seit der verboten attraktive Unternehmer Hugh Moncrieff ihr auf dem mondänen Familienschloss die aufregendste Nacht ihres Lebens schenkte, steht ihr Leben Kopf. Dabei hat sie sich geschworen, wegen eines Mannes nie wieder ihre Existenz zu riskieren! Aber je mehr Zeit sie mit Hugh verbringt, desto mehr vertraut sie ihm … bis er sie kühl in ihre Schranken weist! Wird sie jetzt trotzdem noch um seine Liebe kämpfen?


  • Erscheinungstag 25.04.2017
  • Bandnummer 0009
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708337
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ich hole dich ab, simste Bella ihrer Schwester. Warte im Foyer, ich bin so schnell wie möglich da.

Ausnahmsweise schien die Rolle der Retterin dieses Mal ihr zuzufallen. Sonst war sie immer diejenige, die von Grace aus irgendeiner prekären Situation herausgeboxt werden musste, doch nun war es an ihr, die Ruhige, Gefasste zu sein, die alles im Griff hatte. Und mit ihrem neuen Job, der ein echter Powerschub für ihr Selbstbewusstsein war, fühlte Bella sich der Aufgabe beinah gewachsen.

Suchend blickte sie um sich und entdeckte ein am Straßenrand wartendes Taxi. Eilig steuerte sie auf den Wagen zu. „Zum Bramerton Hotel in Kensington“, teilte sie dem Fahrer mit, bevor sie die hintere Tür öffnete und sich auf den Rücksitz fallen ließ. Erst, als sie ein diskretes Hüsteln vernahm, bemerkte Bella den Mann neben sich.

O Gott, wie peinlich!

Sie war in Gedanken so intensiv bei Grace gewesen, dass sie ihn beim Einsteigen glatt übersehen hatte. „Tut mir wirklich leid, aber ich dachte, dieses Taxi wäre frei“, entschuldigte sie sich betreten.

So ein Mist! Jetzt würde sie sich ein neues suchen müssen, was vielleicht ewig dauern würde, während Grace dringend ihre Unterstützung brauchte. Bittend richtete Bella den Blick auf den Mann, der im dunklen Wageninnern nur schemenhaft zu erkennen war. „Hören Sie, ich möchte bestimmt nicht unverschämt erscheinen. Sie waren zuerst da, und ich weiß, dass ich jetzt eigentlich das Feld räumen müsste. Aber es ist wirklich wichtig, dass ich so schnell wie möglich zum Bramerton komme. Wären Sie eventuell bereit, sich ein anderes Taxi zu suchen und …“

„Wie der Zufall es so will, wollte ich ebenfalls nach Kensington“, unterbrach der Mann sie gelassen. „Ich könnte Sie also mitnehmen und am Bramerton absetzen.“

Eine Welle der Erleichterung durchflutete Bella. Anscheinend hatte sie gerade die moderne Version des schimmernden Ritters auf dem weißen Pferd getroffen.

„Oh, ich danke Ihnen, das ist wirklich unglaublich nett!“ Spontan beugte sie sich vor und drückte ihrem Retter einen Kuss auf die Wange, bevor sie seufzend in ihren Sitz zurücksank. „Sie haben ja keine Ahnung, wie sehr Sie mir damit helfen.“

„Was gibt es denn so Dringendes?“, erkundigte der Mann sich, nachdem das Taxi losgefahren war.

„Eine Familiensache“, antwortete Bella vage. Es stand ihr nicht zu, mit einem Außenstehenden über die Situation ihrer Schwester zu sprechen. Schon gar nicht mit einem Wildfremden.

„Hm …“, machte er nachdenklich. „Habe ich Sie nicht gerade aus dem Gebäude von Insurgo Records kommen sehen?“

Bella warf ihm einen überraschten Blick zu. In dem perfekt sitzenden, anthrazitfarbenen Anzug sah er aus wie ein konservativer Geschäftsmann. Kaum die Zielgruppe für die Musik, die bei Insurgo produziert wurde – eine wilde Mischung aus Folk, Punk, Indie und diversen Seltsamkeiten, die sich jeder Kategorisierung entzogen.

„Ja, das stimmt“, bestätigte sie.

„Sind Sie eine der Künstlerinnen dort?“ Mit ihrer schwarzen Jeans, dem schwarzen T-Shirt und dem platinblonden Bob hätte man Bella, wie sie wusste, auch für die Sängerin einer Britpop – Band halten können.

„Nein“, antwortete sie einsilbig und merkte sofort, wie abweisend das klang. „Ich bin Grafikdesignerin und fange nächste Woche bei Insurgo an“, fügte sie daher rasch hinzu. Immerhin war der Mann so freundlich gewesen, sie mitzunehmen, und sie wollte nicht unhöflich zu ihm sein. Außerdem würde ein wenig Smalltalk sie von ihren Sorgen um Grace ablenken.

„Ach, tatsächlich?“

Etwas an seinem Tonfall ließ Bella aufhorchen, doch dann sagte sie sich, dass er ein völlig Fremder war und es keinen Grund gab, Gespenster zu sehen, wo keine waren. „Ja, und ich freue mich schon riesig darauf“, erklärte sie mit einem strahlenden Lächeln. „Ich werde für die Gestaltung der Website zuständig sein und außerdem Albumcover und Fanartikel für die Bands entwerfen. Ehrlich gesagt, kann ich es immer noch nicht ganz fassen, dass ich gerade meinen Traumjob bekommen habe.“

Wirklich perfekt wäre es gewesen, als Freelancerin und nicht als Angestellte für Insurgo zu arbeiten, aber in ihrer derzeitigen Situation war ein gesichertes Einkommen wichtiger als ihre Freiheit.

„Sie wissen nicht, wer ich bin, oder?“

„Außer einem Fremden, der so nett war, mit mir sein Taxi zu teilen?“ Bella schüttelte den Kopf. „Nein, wirklich nicht, tut mir leid.“

„Dann möchte ich mich Ihnen vorstellen.“ Er beugte sich ein Stück vor, sodass sein Gesicht aus dem dunklen Schatten hervortrat, und streckte ihr seine Hand entgegen.

Bella blieb die Luft weg. Der Typ sah einfach umwerfend aus! Dunkles, volles, aus der Stirn gekämmtes Haar, kornblumenblaue Augen und genau die Art von Kinnpartie, wie man sie auf Werbeplakaten für exklusive Männerparfums sah. Sie musste sich mit aller Kraft beherrschen, um nicht mit den Fingerspitzen über seine glatt rasierte Wange zu streichen. Und dann dieser Mund! Sinnlich und zugleich unglaublich männlich. Mit Abstand der aufregendste Mund, den sie seit langer Zeit gesehen hatte.

Leicht benommen erwiderte Bella seinen festen Händedruck. Dabei ignorierte sie entschlossen das elektrisierende Kribbeln in ihrer Handfläche. Nachdem Kirk sie so tief enttäuscht hatte, waren Männer auf unbestimmte Zeit von ihrer Agenda gestrichen. Selbst, wenn das Exemplar vor ihr eine echte Augenweide war.

Keine Verstrickungen und basta!

Nie wieder würde sie einem Mann die Gelegenheit geben, sie so dumm und gedemütigt dastehen zu lassen, wie Kirk es getan hatte. Nie wieder.

„Hugh Moncrieff“, sagte ihr Taxigefährte langsam und wartete darauf, dass bei ihr der Groschen fiel.

Es dauerte etwa fünf Sekunden.

„Hugh Moncrieff wie … der Inhaber von Insurgo?“

„Genau der bin ich“, bestätigte er und schien Bellas entgeisterten Gesichtsausdruck regelrecht zu genießen.

Er war ihr neuer Boss? „Aber … das kann nicht sein …“ Auch wenn es sein auffallendes Interesse an ihrer Verbindung zu Insurgo erklären würde.

„Und warum nicht?“

„Weil Sie …“ Bella deutete auf seinen Anzug. „Sie sehen einfach nicht aus wie der Besitzer eines Independent-Labels. Ich hätte Sie eher für einen Börsenmakler oder so etwas gehalten.“

„Die Banken mögen es, wenn ein Firmenchef einen Anzug trägt“, erwiderte er mild. „Wäre ich in zerrissenen Jeans, einem T-Shirt mit Punkmotiv und einem freakigen Haarschnitt dort aufgetaucht, hätten sie mich automatisch als Risikofaktor eingestuft.“

Bei dem Wort Bank beschlich Bella ein beklommenes Gefühl. Wenn er am späten Freitagnachmittag im feinsten Zwirn zu einem Banktermin erschien, hatte das sicher ernste Gründe. War die Firma etwa in Schwierigkeiten? Würde es mit ihrem Job schon vorbei sein, bevor es überhaupt losging?

Ihre Ängste mussten sich deutlich auf ihrem Gesicht abgezeichnet haben. „Es war unser jährliches Bilanztreffen“, fügte er beruhigend hinzu. „Danach bin ich noch mit einem Geschäftsfreund auf einen Drink in eine Bar gegangen, Sie brauchen also nicht so panisch dreinzuschauen.“ Einige Sekunden lang musterte er sie eingehend. „Sie sind also meine neue Grafikdesignerin?“

Sie nickte heftig. „Bella Faraday. Und ich bin sehr gut in meinem Job.“

„Davon gehe ich aus“, meinte Hugh trocken. „Sonst hätte Tarquin Sie nicht engagiert.“

„Wieso fahren Sie überhaupt Taxi, wenn Sie ein Musikproduzent sind? Warum haben Sie keine Stretchlimousine mit einem Chauffeur, der Sie überall herumkutschiert?“ Die Frage war heraus, bevor Bella es verhindern konnte. Mach nur weiter so, schalt sie sich. Stell ihm noch ein paar so dämliche Fragen, nachdem du ihm gerade gesagt hast, er sähe aus wie ein Finanzheini und nicht wie der Eigentümer eines Independent-Labels. Dann kannst du am Montag gleich wieder deine Papiere abholen.

„Ganz einfach“, beantwortete Hugh entgegenkommend ihre Frage. „Ich stecke mein Geld lieber ins Geschäft, anstatt es für einen albernen Luxusschlitten und einen Fahrer hinauszuwerfen, der die meiste Zeit nur herumsitzen würde. Und da mein Auto gerade in der Werkstatt ist, habe ich mir ein Taxi genommen.“

Bella konnte spüren, dass sie hochrot anlief. „Tut mir leid“, murmelte sie. „Das geht mich ja auch alles gar nichts an.“ Sie räusperte sich. „Hören Sie, ich steige besser an der nächsten Ecke aus und suche mir ein anderes Taxi.“

„Sie sagten doch, Sie seien in einer dringenden Familienangelegenheit unterwegs.“

„So ist es auch.“

„Dann lassen Sie sich von mir zum Hotel mitnehmen. Tarquin hat offenbar mal wieder kein Ende gefunden und das Einstellungsgespräch zu lange dauern lassen. Es ist also Insurgos Schuld, dass Sie jetzt so spät dran sind.“

Tatsächlich war es niemandes Schuld. Aber da Bellas Sorge um Grace in diesem Moment größer war als ihr Wunsch, auf ihren neuen Boss einen guten Eindruck zu machen, nahm sie sein Angebot an.

„Vielen Dank noch einmal, Mr. Moncrieff“, sagte sie höflich, als das Taxi vor dem Bramerton Hotel vorfuhr. „Was bin ich Ihnen für die Fahrt schuldig?“

„Nichts. Es lag ja praktisch auf meinem Weg.“

„Tja, also dann … nochmals danke. Ich werde zum Ausgleich die ganze nächste Woche Überstunden machen.“

Bevor sie noch mehr Unsinn reden konnte, stieg Bella rasch aus. Kaum hatte sie das Foyer betreten, kam Grace schon auf sie zu. Sie war kreidebleich, und von Howard fehlte jede Spur. Hatte er einen Unfall gehabt, oder war er plötzlich krank geworden? Nein, verwarf Bella den Gedanken gleich wieder. In dem Fall hätte Grace das in ihrer SMS erwähnt. Sie hatte nur Ich brauche deine Hilfe getextet und anschließend Bellas Rückruf weggedrückt. Sekunden später war eine zweite Nachricht gekommen. Kann jetzt nicht reden.

Und nun war Bella ernsthaft besorgt. Was in aller Welt war geschehen?

In einem Punkt hatte Grace recht. Hier konnten sie nicht reden, während Howards Eltern nebenan im Festsaal ihre goldene Hochzeit feierten.

„Komm, lass uns erst mal von hier verschwinden.“ Fürsorglich legte Bella ihrer Schwester den Arm um die Schultern und führte sie aus dem Hotel. Als sie sich nach einem Taxi umsah, bemerkte sie, dass der Wagen, mit dem sie gekommen war, noch immer in der Parkbucht stand. Hugh Moncrieff war ebenfalls noch da. Er kurbelte das Fenster herunter und winkte sie heran. „Kann ich Sie vielleicht irgendwohin mitnehmen?“

„Aber …“

„Es sah so aus, als hätten Sie ein Problem“, unterbrach er sie freundlich. „Daher dachte ich, ich warte noch einen Moment auf Sie und … Ihre Schwester, nehme ich an …?“ Bella nickte bestätigend. „Schön. Also, wohin kann ich Sie bringen?“

Sie gab ihm Grace’ Adresse. Ihre eigene Wohnung war für zwei Personen zu klein, und sie wollte ihre Schwester nicht über Nacht allein lassen. „Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Auch dafür, dass Sie gewartet haben, was wirklich alles andere als selbstverständlich ist.“

Hugh winkte ab. „Kein Problem.“

Bella half Grace, die bis dahin noch kein Wort gesagt hatte, ins Taxi. Besorgt nahm sie ihre Hand und drückte sie, aber Grace reagierte nicht darauf. Da niemandem nach Smalltalk zumute war, verlief die Fahrt in gegenseitigem Schweigen, das Bella mit jeder Minute spannungsgeladener erschien.

Und dann, als das Taxi gerade in Grace’ Straße einbog, übergab diese sich schwungvoll über Hughs Hosenbeine und seine eleganten italienischen Schuhe.

„Es tut mir leid …“, murmelte Bella, die vor Peinlichkeit wie erstarrt war. Was sollte eine Frau auch schon sagen, deren neuer Boss gerade von der eigenen Schwester vollgekotzt worden war?

Hugh machte keine große Sache daraus. „So etwas kann vorkommen“, meinte er nur lässig. „Soll ich Ihnen helfen, Ihre Schwester hineinzubringen?“

„Sehr nett von Ihnen, aber das ist wirklich nicht nötig. Ich denke, Sie haben heute schon genug für uns getan.“ Bella atmete tief durch. „Selbstverständlich werde ich die Reinigungskosten für das Taxi und Ihre Hose übernehmen. Und die ruinierten Schuhe ersetze ich Ihnen natürlich auch.“

„Darüber können wir später reden. Sind Sie sicher, dass Sie allein klarkommen?“

„Ja“, log Bella. „Und nochmals danke. Und Entschuldigung. Und …“

„Bringen Sie Ihre Schwester nur sicher hinein“, bat Hugh sie. „Alles andere klären wir zu gegebener Zeit.“

So hatte Hugh sich diesen Freitagabend bestimmt nicht vorgestellt. Auch nicht, dass er auf diese verrückte Weise sein neues Teammitglied kennenlernen würde.

Bella Faraday …

Sie wäre vor Verlegenheit fast gestorben, als ihre Schwester plötzlich ihren Mageninhalt über ihn verteilt hatte. Anscheinend hatte die Ärmste sich auf einer Party im Hotel zu heftig die Kante gegeben. Oder sie war plötzlich krank geworden, was entschieden besser zu ihrem damenhaften Erscheinungsbild passen würde. Egal. Was auch immer mit ihr los war, es ging ihn nichts an. Besser, er hing sich da nicht zu sehr hinein.

„Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten“, sagte er zum Taxifahrer. „Wenn Sie mich jetzt bitte nach Hause fahren würden. Ich komme natürlich für die Reinigung des Wagens und die Wartezeit auf.“

Hugh nannte dem Mann seine Adresse und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Seltsam, dass ihm Bella einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. Besonders der Moment, als sie seine Wange geküsst hatte, war ihm noch lebhaft im Gedächtnis. Es hatte sich wie ein Stromstoß angefühlt, der seinen ganzen Körper durchdrang. Und als sie seine Hand geschüttelt hatte, war er sich überdeutlich des Gefühls ihrer Haut an seiner bewusst gewesen.

Hugh fühlte sich definitiv von ihr angezogen. So sehr, wie schon lange nicht mehr von einer Frau.

Doch da war dieses große Aber.

Aus dem Fiasko mit Jessie hatte er die Lehre gezogen, nie wieder Arbeit und Privatleben miteinander zu vermischen. Und da Tarquin Bella gerade als neue Grafikdesignerin engagiert hatte, fiel sie glasklar in die Kategorie Arbeit. Deswegen würde er zukünftig ihre Anziehungskraft ignorieren und sie so wie alle seine Mitarbeiter behandeln – kollegial und freundschaftlich, aber mit professioneller Distanz.

Auch wenn sie den verlockendsten Mund und die strahlendsten Augen hatte, die er je gesehen hatte.

Keine Verstrickungen.

Kein Risiko.

Diesmal würde er sich daran halten.

„Es tut mir so schrecklich leid, dass mir das passiert ist …“

Bella betrachtete ihre Schwester mit gerunzelter Stirn. „Sag mal, hast du überhaupt etwas gegessen, bevor du was weiß ich in dich hineingeschüttet hast?“

„Es waren drei Gläser Champagner“, präzisierte Grace. „Und nein, mein Magen war so verkrampft, dass ich keinen Bissen herunterbringen konnte.“

Alkohol und ein leerer Magen. Das war keine gute Kombination. Besonders für Grace, die sonst so gut wie nie trank. Was in aller Welt konnte so schlimm sein, dass sie sich veranlasst gefühlt hatte, sich regelrecht zu besaufen? Bella atmete tief durch. Eins nach dem anderen. Zuerst musste Grace wieder einen klaren Kopf bekommen.

„Du musst jetzt viel Wasser trinken“, ordnete sie an. „Richtig viel, verstehst du?“ Nachdem sie ihre Schwester mit zwei Literflaschen Mineralwasser und einem großen Glas versorgt hatte, durchforstete Bella die Küchenschränke nach etwas Essbarem, das Grace vertragen würde, und fand schließlich ein Päckchen Haferflocken. Sehr schön, die würden wunderbar den Champagner aufsaugen. Und selbst sie sollte in der Lage sein, nach der Anleitung auf der Packung ein Porridge zuzubereiten.

Fünf Minuten später nahm Bella die dampfende Schale aus der Mikrowelle, gab noch eine klein geschnittene Banane dazu und stellte das Gemisch vor Grace hin, die bei dem Anblick gequält den Kopf abwandte.

„Ich kann nicht.“

„Du musst“, befahl Bella. „Dein Elektrolythaushalt ist völlig aus dem Lot, da hilft die Banane richtig gut. Und die Haferflocken heben den Blutzuckerspiegel, ohne den Magen zu belasten.“

„Woher weißt du das alles?“, wunderte sich Grace.

Bella lächelte. „Ich bin doch vor ein paar Jahren mit diesem Arzt ausgegangen, weißt du nicht mehr? Er hat mir ausführlich erklärt, was man bei einem Kater am besten essen sollte.“

„Es tut mir leid“, sagte Grace wieder. „War der Taxifahrer sehr sauer?“

„Mach dir keine Gedanken“, winkte Bella lässig ab. „Mein Boss regelt das.“

Grace riss die Augen auf. „Dein Boss?

„Genau.“ Bella grinste. „Ich habe den Job nämlich bekommen.“

„Oh, mein Gott! Heißt das, ich habe mich über deinen Chef übergeben, bevor du überhaupt zu arbeiten angefangen hast?“ Grace sank verstört in sich zusammen. „Ich werde mit ihm reden. Ihm alles erklären, damit er dich nicht feuert oder …“

„Gracie, alles ist gut“, beruhigte Bella sie.

„Nein, überhaupt nichts ist gut! Ich habe dich in eine unmögliche Situation gebracht. Du musst ihm unbedingt sagen, dass ich für die Reinigung und alles andere aufkommen werde.“

„Das habe ich ihm bereits angeboten.“

„Nein, ich habe den Schlamassel angerichtet, also bezahle ich auch.“

„Jetzt sei endlich still und iss dein Porridge. Ich will kein Wort mehr von dir hören, bis diese Schale leer ist.“

„Du hörst dich an wie Mum“, murrte Grace.

„Gut so.“ Normalerweise war Grace diejenige, die wie ihre Mutter klang, und Bella die, die beschämt den Kopf senkte.

Als Grace fertig gegessen hatte, brachte Bella sie dazu, noch zwei Gläser Wasser zu trinken. „So ist es brav“, sagte sie zufrieden. „Und jetzt erzähl mir endlich, was passiert ist.“

„Ich kann Howard nicht heiraten.“

Das war das Letzte, womit Bella gerechnet hatte. Grace war seit vier Jahren mit Howard verlobt. Okay, er war ein bisschen langweilig und seine Eltern ein Albtraum – Bella hatte sie aus gutem Grund Mr. Kröte und Mrs. Betonfrisur getauft –, aber da Grace ihren Verlobten zu lieben schien, hatte Bella sich stets bemüht, darüber hinwegzusehen.

„Aber wieso denn nicht?“, fragte sie entgeistert. „Habt ihr euch gestritten? Oder gibt es vielleicht einen anderen?“

„Natürlich gibt es keinen anderen!“, protestierte Grace. „So etwas würde ich Howard nie antun.“

„Nicht absichtlich, aber man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt.“ Sie selbst hatte ihr Herz oft genug an den Falschen verloren, und Kirk war die Krönung gewesen. Nie wieder würde sie einem Mann wirklich trauen können, egal wie attraktiv er war. Es hatte ein halbes Jahr gedauert, bis Bella den Schlag einigermaßen verwunden hatte, und noch immer war sie wütend auf sich selbst, weil sie so naiv und gutgläubig gewesen war. Warum hatte sie nicht sehen können, dass Kirk sie nur ausgenutzt hatte?

„Howard bedeutet mir sehr viel, aber ich bin nicht verliebt in ihn“, sagte Grace leise. „Das ist ein Unterschied.“

„Ich weiß.“ Bella drückte ihre Hand. „Ein großer Unterschied. Der entscheidende, sozusagen.“

„Er hat mir nie dieses gewisse Gefühl gegeben, bei dem man weiche Knie bekommt, weiß du?“

Das war keine Überraschung. Howard war besonnen und vernünftig, was ja nichts Schlechtes war, aber nach Bellas Meinung hätte ihm ein bisschen Spontaneität nicht geschadet. Rein theoretisch waren die beiden das ideale Paar, denn auch Grace war besonnen und vernünftig, doch da gab es noch dieses gewisse Etwas, das man Chemie nannte. Und wenn die fehlte, war eine Beziehung fade und reizlos.

„Du kannst nicht den Rest deines Lebens mit jemandem verbringen, der deine Welt nicht zum Leuchten bringt.“

Grace biss sich auf die Lippen. „Du bist die Einzige, die das verstehen kann. Mum wird schrecklich enttäuscht von mir sein.“

„Nein, das wird sie nicht, und Dad auch nicht. Sie wollen beide, dass du glücklich bist, und wenn eine Ehe mit Howard das nicht bewirkt, solltest du ihn definitiv nicht heiraten“, erklärte Bella fest.

„Ich bin mir auch nicht sicher, ob er je in mich verliebt war.“

„Natürlich ist er in dich verliebt! Du bist schön und klug und der wunderbarste Mensch auf der Welt. Was gibt es an dir nicht zu lieben?“

„Ich denke, wir empfinden beide viel füreinander“, räumte Grace ein. „Aber eben nicht genug. Ich meine, wir sind seit einer Ewigkeit verlobt. Wer bleibt heutzutage schon vier Jahre lang verlobt?“

„Ein Paar, das für ein eigenes Haus spart?“, schlug Bella vor.

„Dafür haben wir schon genug zusammen, aber du weißt, dass es nicht darum geht. Wenn wir wirklich zusammen sein wollten, hätten wir schon vor Jahren geheiratet, anstatt immer noch zu warten. Wir leben ja nicht einmal zusammen.“

„Ja, weil Cynthia Betonfrisur ihren kleinen Liebling nicht aus ihren Krallen lässt“, lästerte Bella. „Hast du dich deswegen heute Abend betrunken?“

„Nein“, klärte Grace sie auf. „Das war wegen des Cartoons Fifty Shades of Beige, den du für mich gezeichnet hast.“

Bella zuckte schuldbewusst zusammen. „Ich wollte dich damit nur zum Lachen bringen, damit du dich vor der gefürchteten goldenen Hochzeit ein bisschen entspannst.“

„Und hast damit genau den Knackpunkt getroffen!“, ergänzte Grace mit ungewohnter Heftigkeit. „Ich war dort die Einzige, die kein Beige trug, und auf einmal fühlte ich mich wie im falschen Film. Ich habe drei Gläser Champagner hintereinander weggekippt, um nicht in Depressionen zu verfallen, und es nicht einmal gemerkt.“

Was für Grace in der Tat höchst außergewöhnlich war. Sie beließ es sonst stets bei einem Glas. Die vernünftige, verlässliche Grace, die immer da war, wenn man sie brauchte, und die nie selbst Hilfe zu brauchen schien.

„Alles an mir fühlte sich plötzlich taub an“, fuhr sie leise fort, „und da war es mir auf einmal klar: Ich war auf dem Weg in ein Leben, dass ich im Grunde gar nicht führen will. Ich will nicht in fünfzig Jahren die nette, alte Grace Sutton sein, deren Herz nicht ein einziges Mal aus dem Rhythmus geraten ist und in deren Ehe die ganze Zeit über ihre Schwiegermutter das Sagen hatte.“

„Deine Entscheidung ist genau richtig“, stimmte Bella ihr zu. „Die Betonfrisur wird bestimmt hundert Jahre alt. Besser jetzt die Notbremse ziehen, als in ein paar Jahren eine zermürbende Scheidung durchzumachen.“

„Meinst du wirklich?“

„Ja, ich meine es wirklich“, bestätigte Bella mit Nachdruck. „Und Mum und Dad werden ebenfalls dieser Ansicht sein.“

Grace schluckte hart. „Ich habe nur das Gefühl, alle zu enttäuschen. Es ist schon so viel Arbeit in die Hochzeitsvorbereitungen gesteckt worden, ganz zu schweigen von dem Geld …“

„Hör auf damit, du hast niemanden enttäuscht“, fiel Bella ihr ins Wort. „Allerdings hättest du mir das schon längst erzählen müssen. Ich bin deine Schwester und finde den Gedanken schrecklich, dass es dir schon wer weiß wie lange schlecht ging, ohne dass ich dir zur Seite stehen und dich trösten konnte. Aber es ist die richtige Entscheidung, Gracie. Und eine Hochzeitsfeier abzusagen, ist auch nicht so kompliziert.“

Die Situation war beinah surreal. Auf einmal war sie die große Schwester, die sich organisiert und planvoll daranmachte, eine Problemlösung für die verzagte Grace zu entwickeln. Und zu ihrer Überraschung fand Bella sich erstaunlich gut in ihrer neuen Rolle zurecht.

„Ich übernehme die Absagen“, entschied sie. „Du musst mir nur eine Liste mit den Namen und Kontaktdaten der Gäste und Lieferfirmen zusammenstellen.“

„Nein, das kann ich unmöglich auf dich abwälzen“, protestierte Grace.

„Ich habe es ja freiwillig angeboten. Wozu sind Schwestern sonst da?“ Bella atmete tief durch. „Hast du es Howard schon gesagt?“

„Nein, das mache ich morgen.“

„Weiß er überhaupt, dass du die Feier verlassen hast?“

Grace sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. „Ja. Ich habe mich mit einer Migräne herausgeredet und ihm gesagt, dass ich nach Hause fahre.“

„Und er hat dir nicht angeboten, dich zu fahren?“, empörte Bella sich.

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert?
Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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