Gehört dein Herz einer anderen?

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Fang nie etwas mit den Künstlerinnen an - das bringt nur Ärger! Das ist der feste Vorsatz von Musikproduzent Jake Sorenson. Doch dann betritt Caitlin die Bühne! Bei ihren ersten Tönen weiß Jake, dass sie die ideale Sängerin für seine Band ist. Und wenn er sich ihre Kurven und ihr Lächeln ansieht, wäre sie auch ideal für ihn! In ihren Augen liest er Interesse an ihm - aber warum weist sie ihn immer wieder zurück? Gehört ihr Herz etwa einem anderen? Jake muss es herausfinden. Auch wenn er weiß, dass er Caitlin dann für immer verlieren könnte …


  • Erscheinungstag 02.02.2016
  • Bandnummer 2217
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702359
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Was denkst du?“, fragte Jake Sorenson. Enttäuscht schaute er zu seinem Partner Rick hoch, der entnervt auf der Bühne auf und ab tigerte. Das Casting lief alles andere als gut.

Rick blieb abrupt stehen und fuhr sich mit einer Hand ungeduldig durch das dicke blonde Haar. „Was glaubst du denn, was ich denke?“, erwiderte er gereizt. „Ich denke, dass Rosie Rhys-Jones, oder wie auch immer ihr Name lautet, einfach nicht gut genug ist. Natürlich ist es verdammt schwer, einen adäquaten Ersatz für Marcie zu finden, aber Rosie …“

„Josie.“

„Josie. Wie auch immer …“ Rick machte ein finsteres Gesicht, verschränkte die Arme über seiner schwarzen Lederweste und fuhr fort: „Die Frau wäre auf einem Kreuzfahrtschiff in Ordnung, wo sie Leute unterhält, die über mehr Geld als Geschmack verfügen, aber nicht als Leadsängerin einer Rockband. Ganz ehrlich? Keine der Kandidatinnen, die wir bis jetzt gehört haben, hat das Zeug, die Frontfrau einer so großartigen Band wie Blue Sky zu werden – oder siehst du das anders?“

Jake antwortete nicht, sondern starrte nur in die Ferne. Wenn er an die vergangenen Castings zurückdachte, dann konnte er nur zustimmen. Schließlich richtete er den Blick wieder auf seinen Freund. „Natürlich hast du recht. Wir müssen einfach weitersuchen.“

Jake führte seine Gedanken selten näher aus. Nicht, wenn es sich vermeiden ließ. Zumal das letzte Wort ohnehin bei ihm lag. Zwar arbeitete Rick noch länger im Musikbusiness als er selbst – auf dem Höhepunkt seiner Karriere war Jake einer der erfolgreichsten Plattenproduzenten der Branche gewesen –, dennoch schätzte der Freund seine Fähigkeiten und sein Urteilsvermögen.

„Ist da draußen noch jemand?“ Gähnend stand Jake auf und streckte dabei die Arme über den Kopf. Durch die Bewegung rutschte sein Hemd ein Stück hoch und enthüllte seinen flachen, muskulösen Bauch.

Gleichzeitig sprang Rick von der Bühne, durchquerte den Saal und gesellte sich zu Jake. „Nicht, dass ich wüsste.“ Sein Gesichtsausdruck machte deutlich, was er davon hielt, ein Gesangscasting in einem obskuren Gemeindesaal im tiefsten ländlichen England abzuhalten. Jake wusste aber die Ungestörtheit zu schätzen, die sie hier genossen und die in London nicht so ohne Weiteres zu finden war.

Die Musik- und Boulevardpresse stürzte sich immer wie eine Hyäne auf alles, was er in Angriff nahm. Schließlich war er der Mann, der mehrere britische Bands zu internationalem Ruhm geführt hatte. Doch auf dem Höhepunkt seiner Karriere war er in einen schlimmen Skandal verwickelt worden, der seinem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg ein jähes Ende bereitet hatte.

Nach seinem öffentlichen Absturz hatte er seine Wunden geleckt, indem er sich aus dem Musikgeschäft zurückzog und mehrere Jahre durch die Welt reiste. Zu Beginn hätte er es für völlig ausgeschlossen gehalten, jemals wieder in diese Branche einzusteigen, doch während er reiste, lernte er die ethnischen Klänge anderer Völker kennen, und ihm wurde klar, dass er ohne Musik nicht leben konnte. Also kehrte er nach Großbritannien und zu seinen Wurzeln zurück.

Er hatte schon Bands gemanagt, lange, bevor er Produzent geworden war, und jetzt, nach fünfzehn Jahren im Geschäft, schloss sich der Kreis, denn nun war er Manager von Blue Sky.

Jake blickte auf seine Armbanduhr und zog eine Grimasse. „Wie auch immer, ich habe genug gehört, um zu wissen, dass wir unsere Sängerin noch nicht gefunden haben. Sollen wir für heute Schluss machen? Morgen früh kommt noch ein Mädel aus Birmingham, das ganz vielversprechend erscheint. Sie ist die Frontfrau einer Band, die sich in ihrer Heimatstadt eine ziemlich große Fangemeinde erspielt hat.“

Obwohl er sich bemühte, optimistisch zu klingen, wusste Jake, dass ihm seine Skepsis deutlich anzuhören war. Wonach er suchte – wonach sie alle suchten –, war jemand Außergewöhnliches, eine Sängerin, die aus der Masse herausstach. Die mit einer Band mithalten konnte, die kurz vor dem Durchbruch gestanden hatte, ehe Marcie sie abrupt verließ.

Es war eine Schande, dass die Frau kurz vor dem Ziel entschieden hatte, doch lieber ihre Jugendliebe zu heiraten, in die Dordogne zu ziehen und dort Wein anzubauen, anstatt mit einer Rockband auf Tour zu gehen. Doch wenn jemand noch ein Wunder bewirken konnte, dann war es Jake. Dazu musste er einfach nur eine umwerfende Sängerin finden.

Urplötzlich knallte mit voller Lautstärke eine Tür zu. Der halbe Raum schien dabei zu erzittern. Was zur Hölle …?

Jake war überrascht, als er den Eindringling sah. Groß, schlank und dunkelhaarig war die Frau, die mit dem Gürtel ihres Regenmantels kämpfte, der sich in der Hintertür des Gemeindesaals verfangen hatte. Sein faszinierter Blick wanderte von ihren schwarzen Wildlederstiefeln über die langen, schlanken Beine, die in schwarz schimmernden Strümpfen steckten. Für einen Moment war er von einem wohlgeformten Knie wie gebannt, denn dort hatten die Strümpfe ein kleines Loch, durch das zarte Haut schimmerte.

Kurz drehte Jake den Kopf und sah, dass Rick breit grinste. Und zwar nicht nur, weil die Frau sich eingeklemmt hat. Als sie es endlich geschafft hatte, ihren Gürtel zu befreien, den Kopf zu heben und mit einiger Verlegenheit eine Entschuldigung zu murmeln, blieb Jake im ersten Moment die Luft weg. Sie ist absolut atemberaubend. Selbst auf die Distanz konnte er erkennen, dass sie die grünsten Augen besaß, die er je gesehen hatte, und volle, sinnliche, kirschrote Lippen. Er spürte förmlich, wie allen Männern im Raum – neben ihm und Rick waren das die drei Musiker der Band – die Kinnlade nach unten klappte.

Rick war der Erste, der sich fing. „Hallo. Kann ich dir helfen?“, rief er fröhlich.

„Hier findet doch das Gesangscasting statt, oder?“

Die junge Frau blickte sich nervös um, registrierte die fünf Männer, die da standen, die Plastikstühle, die man gegen die Wand geschoben hatte, den staubigen Boden und den vergilbten Gipsputz an der Decke. Sie sah aus, als könne sie nicht recht fassen, wo sie hier gelandet war, und sie bewegte sich keinen Zentimeter von der Tür weg.

„Komme ich zu spät? Es tut mir leid, dass ich es nicht früher geschafft habe, aber ich war noch mit der Inventur beschäftigt.“

Es ist an der Zeit, das Heft in die Hand zu nehmen, dachte Jake leicht irritiert. Die Frau mochte ja nett anzusehen sein, aber wahrscheinlich würde er auch mit ihr nur seine Zeit verschwenden – Gott allein wusste, dass er in den vergangenen vier Tagen genug lausige Sängerinnen gehört hatte und es allmählich leid war.

Was das Ganze noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass er mit genau so einer Frau zusammengelebt hatte – und durch ihre rücksichtslose Sucht nach Ruhm und Geld in den Ruin getrieben worden war. Zumal sie für ihr Ziel bereit gewesen war, über Leichen zu gehen. Wie auch immer, die junge Frau vor ihm brachte vermutlich keinen geraden Ton heraus.

Dummerweise erwachte in Jake ein heißes Verlangen, als er seinen Blick über sie gleiten ließ. Es war so heftig, dass ihm beinah schwindlig wurde – ein eindeutiges Warnsignal, dass er sich von ihr fernhalten sollte. Egal, wie schwierig es sein mochte, einer solchen Schönheit zu widerstehen.

„Um ehrlich zu sein – Sie sind zu spät dran.“

Kaum ausgesprochen, strafte Jakes weiteres Verhalten seine Worte auch schon Lügen. Denn er konnte nicht anders, als auf diese verführerische Frau zuzugehen, und das Bedürfnis, sie schnellstmöglich loszuwerden, verflog schlagartig. Sein Instinkt sagte ihm, dass er sich die Chance nicht entgehen lassen durfte, ihre Schönheit zu bewundern. Immerhin schneite nicht jeden Tag ein leibhaftiger Engel in sein Leben.

„Was ich damit sagen will“, fuhr er fort, „ist, dass Sie für das heutige Casting zu spät dran sind, aber Sie können morgen wiederkommen, wenn Sie es wirklich ernst meinen. Falls nicht, kann ich mich nur für Ihr Interesse bedanken und Ihnen alles Gute wünschen.“

„Sie bezweifeln, ob ich es ernst meine? Warum sollte ich sonst hier sein?“

Es überraschte ihn, dass sie so zurückschoss. „Nun, wenn dem so ist, dann macht es Ihnen sicher nichts aus, morgen erneut zu erscheinen, oder?“, entgegnete Jake trocken. „Wir sind alle schon seit heute früh dran und können eine Pause gebrauchen.“

Er sah, wie sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr schob und gleich wieder löste, so, als wisse sie nicht, was sie als Nächstes tun sollte.

„Ich hatte wirklich gehofft, dass Sie mich heute Abend noch anhören können. Die Sache ist nämlich die: Ich habe morgen leider keine Zeit.“

Da er sich nicht von ihrem engelsgleichen Gesicht und ihren grünen Augen bezirzen lassen wollte, ermahnte Jake sich, nicht nachzugeben. Dennoch hörte er sich selbst fragen: „Wie ist Ihr Name?“

„Ich heiße Caitlin. Caitlin Ryan.“

„Nun, Caitlin …“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und ließ seinen Blick interessiert über ihre Figur wandern – einfach weil es zu verführerisch war, es nicht zu tun. „Wie ich bereits sagte: Wenn Sie es ernst meinen, kommen Sie morgen wieder. Sollen wir gegen halb zwölf sagen?“

„Es tut mir leid …“ Sie wirkte verlegen. „Ich möchte ganz sicher keine Umstände bereiten, aber morgen kann ich einfach nicht. Einer engen Freundin – der Besitzerin des Ladens, in dem ich arbeite – werden morgen die Weisheitszähne entfernt, und ich bin die Einzige, die im Geschäft für sie einspringen kann.“

Jake bekämpfte den Drang, laut loszulachen. Er hätte ja mit allem gerechnet, nur nicht mit dieser Erklärung. Einer Freundin wurden die Weisheitszähne gezogen!

Er hörte beinahe, wie Rick sich hinter ihm das Lachen verbiss. Mist. Es war verdammt schwierig, dieser Schönheit etwas abzuschlagen, wenn sie ihn wie ein unschuldiges kleines Mädchen anstarrte.

„Nun hab dich nicht so, Jake“, sagte Rick und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. „Die Band ist noch da, die Instrumente sind angeschlossen – was haben wir zu verlieren?“

Ich meinen Verstand, dachte Jake mit unguter Vorahnung. Wenn Caitlin Ryan jetzt schon völlig verloren wirkte, wo er noch keinen Ton von ihr gehört hatte, wie würde sie dann erst ausschauen, wenn er ihr sagte, dass sie ihren Job besser nicht aufgeben sollte.

Er seufzte entnervt, fuhr sich mit den Fingern durch das dichte dunkle Haar und starrte sie an.

„Okay“, erwiderte er resigniert. „Ich gebe Ihnen zehn Minuten, um mir zu zeigen, was Sie drauf haben.“ Oder eher, was Sie nicht drauf haben. Er würde nicht so tun, als hätte er allzu große Erwartungen.

Caitlins Herz schlug wie verrückt. Okay, ich schaffe das, redete sie sich gut zu. Das Singen ist meine zweite Natur.

Leider zeigte ihr Versuch, sich Mut zu machen, keinerlei Wirkung. Nervös ging sie auf die Bühne zu. Die drei jungen Männer, die dort bereits versammelt waren, kehrten lässig an ihre Instrumente zurück. Caitlin fragte sich, wie viele Sängerinnen sie schon gecastet hatten – besonders beeindruckt wirkten sie jedenfalls nicht.

Als Erster stellte sich der Gitarrist vor. Sein Name war Mike. Mit ausgestreckter Hand half er ihr die letzte Stufe zur Bühne hinauf. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht, ganz anders als Kapitän Ahab da unten, der so aussah, als würde er ihr lieber den Hals umdrehen, bevor er auch nur ein Lächeln an eine Frau verschwendete, die ihm offensichtlich nur seine Zeit stahl.

Oh Gott, warum bin ich bloß auf die Idee gekommen, bei diesem Casting mitzumachen? Nur weil sie Spaß am Singen hatte, hieß das doch noch lange nicht, dass sie genug Talent besaß, um mit einer professionellen Rockband aufzutreten …

„Ich bin übrigens Rick. Der Typ, der dir gesagt hat, dass du morgen wiederkommen sollst, ist der Oberboss. Willst du deinen Mantel nicht ausziehen?“

Der Mann, der seinen Chef überzeugt hatte, ihr eine Chance zu geben, stand am Fuß der Bühne und zwinkerte ihr mit seinen haselnussbraunen Augen verschwörerisch zu. Es war ein himmelweiter Unterschied zu dem Empfang, den ihr sein Kollege mit dem versteinerten Gesicht bereitet hatte.

Während sich sein finster dreinblickender Freund im Hintergrund hielt, fiel ihr auf, dass er sie anstarrte, so als wolle er sagen: Dein Vortrag muss schon verdammt außergewöhnlich sein, wenn du mich beeindrucken willst.

„Ich würde ihn lieber anlassen“, antwortete sie Rick. „Mir ist ein bisschen kalt.“

Sie legte ihre Hand um das Mikro, so als brauche sie etwas, woran sie sich festhalten könne. Warum in aller Welt habe ich nur diesen kurzen Rock angezogen? Weil ihre Freundin Lia gesagt hatte, dass sie sich Mühe geben solle, „hübsch auszusehen“, deshalb. Caitlin hätte bei ihrem üblichen Outfit aus Jeans und T-Shirt bleiben sollen.

Rick hob die Stimme, damit sie ihn auch gut hören konnte. „Was willst du für uns singen?“

Caitlin sagte es ihm. Es war ein Song, den man in den Annalen der Rockgeschichte als Klassiker bezeichnen würde. Auch wenn er einen treibenden, groovigen Beat hatte, lagen in den Lyrics Leidenschaft und Pathos. Sie liebte diesen Song.

„Eine gute Wahl.“

Zu dumm, dass sein Lob sie erröten ließ. Rasch drehte sich Caitlin zur Band herum, damit er nicht sah, wie ihre Wangen Farbe annahmen. „Ist das für euch in Ordnung?“, fragte sie.

Der blonde Schlagzeuger, der sich als Steve Bridges vorgestellt hatte, antwortete, indem er einen zustimmenden Trommelwirbel ertönen ließ, und der kräftige schottische Bassist, dessen Name Keith Ferguson war, spielte ein paar Akkorde auf seinem Instrument.

„Dann wollen wir es mal krachen lassen, oder?“ Rick grinste sie spöttisch an. „Die Bühne gehört ganz dir. Rock it, baby!

Ich schaffe das, redete sich Caitlin noch mal gut zu, während sie darauf wartete, dass die Band loslegte.

Für ein paar Sekunden kniff sie die Augen fest zusammen. Wenn sie nicht das letzte Quäntchen Mut verlieren wollte, schaute sie besser nicht zu Mr Groß, Dunkel, Einschüchternd. Gott sei Dank verschwand ihre Furcht, als die ersten Akkorde erklangen. Schlagartig setzte ihre Freude am Singen ein.

Dieses spezielle Stück kannte sie in- und auswendig. Was sie den Männern im Saal gegenüber jedoch nicht zugeben würde, war die Tatsache, dass sie es bislang nur unter der Dusche oder in ihrem Schlafzimmer gesungen hatte. Ach ja, und einmal für Lia. Caitlin wartete auf ihren Einsatz, dann öffnete sie den Mund und begann zu singen.

Jake durchzuckte es wie ein Blitz. Sein Magen zog sich heftig zusammen, während er von schockartiger Begeisterung erfasst wurde. Er hörte der rauchigen Samtstimme zu, die von der schwarzhaarigen Schönheit auf der Bühne kam, und wusste, dass er auf pures Gold gestoßen war. Er hätte sie den Song nicht mal zu Ende singen lassen müssen, um das zu erkennen, aber natürlich würde er sie nicht unterbrechen.

Caitlins einmalige Stimme verschmolz mit dem fantastischen Sound der Band, als wären sie füreinander gemacht. Ihre Leistung war schlicht atemberaubend … sie zwang ihn förmlich in die Knie.

Jake sah, wie sich die Bandmitglieder angrinsten, und er sah auch, wie Rick lautlos das Wort „Heureka!“ murmelte, als er sich zu seinem Freund umdrehte und mit dem Daumen nach oben zeigte. In den vergangenen vier Tagen hatte Jake nicht eine Kandidatin gehört, die auch nur annähernd über Caitlin Ryans Talent verfügte. Zur Hölle … in den ganzen vergangenen Jahren hatte er keine Sängerin gehört, die in ihrer Liga spielte. Die Frau interpretierte den Song, als wäre sie nur dafür geboren. Verdammt.

Plötzlich spürte Jake, wie ihn Erregung erfasste. Wenn er wirklich für etwas brannte, konnte er vierundzwanzig Stunden am Tag ohne Pause arbeiten, und das würde er nur allzu bereitwillig tun, um diese Band zum Erfolg zu führen. Allerdings verlangte er von allen Beteiligten, dass sie genau denselben Einsatz zeigten.

Als die letzten Töne verklangen, atmete Caitlin erleichtert aus. Dann ließ sie widerwillig das Mikro los.

Hinter ihr pfiff Steve Bridges anerkennend durch die Zähne. „Das war unglaublich. Du hast es wirklich drauf!“

Das Kompliment ließ sie schon wieder erröten. Noch dazu stellte sie überrascht fest, dass die zwei Männer, die sie beobachtet hatten, plötzlich auf die Bühne sprangen.

„In welchen anderen Bands haben Sie gesungen?“, fragte Jake, der sie als Einziger siezte.

Caitlin blickte in seine faszinierenden Augen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. „Ich … ich habe in gar keinen anderen Bands gesungen“, gab sie leise zu.

„Du machst Witze.“ Rick wirkte völlig fassungslos.

„Nein, ich habe immer nur zu meinem eigenen Vergnügen gesungen, und weil ich einfach nicht anders kann. Ich liebe Musik. Das ist meine große Leidenschaft.“

Erneut zog sich Jakes Magen heftig zusammen. Ja, sie ging mit viel Leidenschaft an die Sache heran, das konnte er sehen. Es war der große Unterschied zwischen ihr und all den anderen Möchtegern-Sängerinnen, die man schon vergessen hatte, kaum dass der Song beendet war.

„Sie haben also noch niemals professionell gesungen?“, hakte er nach.

„Nein.“ Ihre großen grünen Augen wirkten völlig unschuldig.

„Und womit verdienen Sie dann Ihren Lebensunterhalt?“

„Ich arbeite in einem Geschäft. Erinnern Sie sich daran, dass ich sagte, ich müsse die Ladenbesitzerin vertreten?“

„Und wo ist dieses Geschäft?“

„Hier im Dorf natürlich.“

Jake war total verblüfft. Sie hatten Sängerinnen aus ganz Großbritannien gehört, und diese junge Frau – dieser unglaubliche Schatz – kam direkt aus dem Dorf, in dem sie das Casting abhielten. Das würde ihnen niemand glauben.

Rick lachte prompt laut auf und schlug sich dabei auf den Oberschenkel. „Na, wenn das nicht wirklich der Hammer ist! Du willst uns also sagen, dass wir uns seit vier Tagen die Haare raufen, weil wir keine geeignete Sängerin finden, und in der ganzen Zeit warst du hier?“

„Ich habe erst heute von dem Casting erfahren, als ich das Plakat in der Post sah. Ich konnte es gar nicht glauben. Normalerweise passiert im Dorf nie etwas Aufregendes.“ Sie strich sich eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr und lächelte unsicher. „Wie auch immer … vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben. Egal, was passiert, ich habe es sehr genossen.“

Sie wandte sich ab, um die Treppe hinunterzugehen, doch Jake hob die Hand und schaute Caitlin irritiert an.

„Wo wollen Sie hin?“

„Ich muss zurück zur Arbeit. Ich habe Ihnen doch gesagt – wir machen gerade Inventur. Das geht wahrscheinlich noch die halbe Nacht.“

„Wollen Sie in dieser Band singen oder nicht?“, entgegnete Jake schroff, der kaum glauben konnte, was er da hörte.

„Was …? Wollen Sie damit sagen, dass …?“

Ihr erstaunter Gesichtsausdruck hätte geradezu komisch gewirkt, wenn Jake nach Lachen zumute gewesen wäre – was definitiv nicht der Fall war.

„Angesichts der fantastischen Kostprobe Ihres Könnens, die Sie gerade abgeliefert haben, wäre ich wohl verrückt, Ihnen die Chance nicht zu bieten. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Sie genau die sind, nach der wir suchen.“ Er sah sie eindringlich an. „Aber auch wenn wir Sie aufnehmen, ist Ihnen hoffentlich klar, dass eine Menge Arbeit vor uns liegt? Sie können vielleicht singen, Caitlin, aber Sie müssen noch verdammt viel lernen, ehe wir Sie auf die Bühne loslassen können. Haben Sie wirklich noch nie professionell gesungen?“

Er glaubt mir nicht. Caitlin wusste instinktiv, dass die Beziehung zu diesem Mann schwierig werden würde. „Ich war drei Jahre lang in einer Schulband. Hin und wieder spiele ich Klavier und Gitarre.“

Rick hob die Augenbrauen. „Du bist also auch Musikerin?“

„Ja, das heißt, ich kann Noten lesen und spiele ein bisschen. Ich übe, sooft ich kann … zumindest auf der Gitarre. Ich habe leider kein Klavier mehr.“

Kein Wunder, dass sie instinktiv wusste, wann sie einsetzen musste, dachte Jake. Er sah seine Überraschung gespiegelt, als er einen Blick zu Rick hinüberwarf.

Sweetheart, was mich angeht, bin ich felsenfest überzeugt, dass du die richtige Sängerin für die Band bist.“ Der Amerikaner lächelte und schüttelte begeistert Caitlins Hand. „Mein voller Name lautet übrigens Rick Young – ich bin das Mädchen für alles. Das heißt, ich organisiere die Gigs, sorge dafür, dass die Band rechtzeitig auftaucht, und sammle die Gage am Ende des Konzerts ein. Der Mann hier neben dir mit dem Pokerface ist Jake Sorenson – ein sehr bekannter Plattenproduzent und Manager der Band. Du musst von ihm gehört haben? Wie auch immer, er wird uns eines Tages alle so reich machen, wie er selbst es längst ist. Darauf kannst du wetten. Wenn jemand Wunder bewirken kann, dann Jake. Er sollte einen Ehrenplatz in der Rock and Roll Hall of Fame, dem Museum in Cleveland, bekommen.“

„Sehr witzig.“

Jake reichte Caitlin nicht die Hand. Im Moment hatte er das Gefühl, dass er diese Frau nicht mehr loslassen würde, wenn er es tat. Er musste professionellen Abstand wahren, wenn das hier funktionieren sollte.

Als die Band sie beglückwünschte und willkommen hieß, sah er, dass ihre Freude echt war. Er bemerkte auch, wie ihr zauberhaftes Gesicht strahlte.

„Kommen Sie mit in mein Büro, Caitlin“, forderte er sie auf. „Wir müssen uns ungestört unterhalten.“

Jake verließ die Bühne und durchquerte den Saal, wobei seine Stiefelabsätze bei jedem Schritt laut auf dem Boden aufschlugen.

Nachdem er Caitlin die Treppe hinuntergeholfen hatte, beeilte Rick sich, seinen rätselhaften Boss einzuholen. „Hey, willst du mich nicht dabeihaben?“, rief er.

Jake schüttelte den Kopf. „Im Moment nicht, mein Freund. Wir haben später noch genug Zeit, den Terminplan für die Proben durchzugehen. Morgen Nachmittag halten wir ein Bandmeeting ab, da können wir alles besprechen. Jetzt möchte ich mich mit Caitlin unter vier Augen unterhalten.“

Damit wandte er sich ab und öffnete die Tür zu seinem Büro.

Caitlin folgte ihm mit einer Mischung aus Aufregung und Furcht. Das Ganze fühlte sich völlig surreal an. Der Raum, den der charismatische Bandmanager als Büro nutzte, war nicht viel größer als eine Besenkammer. Er war lediglich mit zwei grauen Plastikstühlen möbliert und einer hochkant gestellten Orangenkiste, die als Tischersatz fungierte.

„Nehmen Sie Platz“, sagte Jake.

Caitlin tat wie geheißen. Als sie saß, presste sie die Knie zusammen, zupfte ihren Mantel zurecht und wartete voller Nervosität darauf, dass Jake weitersprechen würde.

„Sie haben mir bereits gesagt, dass Sie einen Job haben. Ich nehme an, es ist eine Vollzeitstelle?“ Er öffnete ein schwarzes Notizbuch, das auf dem provisorischen Tisch lag, und begann zu schreiben.

„Ja.“

„Sie sagten, Sie arbeiten in einem Geschäft? Welche Art Geschäft?“ Jake hob den Kopf und fesselte sie mit dem Blick seiner stahlblauen Augen an den Stuhl.

„Der Laden heißt Morgana“, antwortete sie. „Er ist auf Esoterikbücher und Selbsthilferatgeber spezialisiert. Aber wir verkaufen auch Räucherstäbchen, Indianerschmuck, spirituelle Musik und Kristalle.“

Und ich arbeite wirklich verdammt gern dort, dachte sie.

„Ihnen muss klar sein, dass Sie nicht mehr täglich acht Stunden in einem Geschäft arbeiten können, wenn Sie in dieser Band singen wollen?“

Jake ließ sie nicht eine Sekunde aus den Augen. Sein unverwandter Blick schnürte ihr die Kehle zu.

„Die Proben beginnen morgen Nachmittag und dauern drei Wochen. Dann wird die Band erstmals öffentlich auftreten. Danach gehen wir auf eine dreiwöchige Tournee. Sind Sie bereit, sich diesem Zeitplan zu unterwerfen, Caitlin?“

„Ich habe noch gar nicht über das Casting hinausgedacht“, gab sie ehrlich zu, „aber mir ist klar, dass die Sängerin von Blue Sky regelmäßige Gigs spielen und auf Tournee gehen muss. Insofern, ja, Mr Sorenson, ich bin dazu bereit. Ich habe mir noch nie etwas sehnlicher gewünscht.“

„Und Sie sind bereit, Ihren derzeitigen Job aufzugeben?“

„Natürlich.“

Obwohl sie keine Sekunde gezögert hätte, entging Jake nicht die kleine Falte, die sich plötzlich zwischen ihren eleganten Augenbrauen abzeichnete.

„Beunruhigt Sie das?“

Sie hob das Kinn, fest entschlossen, seinem Blick nicht auszuweichen.

„Ich gebe zu, dass es ein wenig beängstigend ist, etwas zu verlassen, was mir so vertraut ist, aber ich will mich der Herausforderung stellen. Vor allem, wenn es mir hilft, meinen Traum zu verwirklichen, eine professionelle Sängerin zu werden. Außerdem … Veränderung ist unvermeidbar, nicht wahr? Nichts bleibt auf ewig so, wie es ist.“

„Es besteht kein Grund, Angst davor zu haben. Ich erwarte nicht, dass Sie den Vertrag noch heute Abend unterschreiben“, entgegnete er. „Aber ich werde auch nicht zulassen, dass Sie Ihre Meinung ändern. Wenn ich etwas will, Caitlin, dann ruhe ich nicht eher, bis ich es erreicht habe. Kommen Sie morgen um fünf wieder. Wir werden bis spät in die Nacht proben. Sind wir uns einig?“

Sie biss sich auf die Lippe. „Ja – sind wir. Aber können wir Viertel vor sechs sagen? Ich muss den Laden um halb sechs schließen. Ich verspreche, dass ich keine Minute später komme.“

„Also gut, dann Viertel vor sechs. Und ehe Sie gehen, geben Sie mir besser Ihre Adresse und Ihre Mobilnummer – nur für den Fall der Fälle.“

Caitlin gab ihm beides und beobachtete, wie er die Infos in sein Notizbuch schrieb. Dann warf er den Kugelschreiber auf die Kiste und stand auf. Sie folgte seinem Beispiel, wobei ihr Herz erneut wie verrückt pochte – er war so groß und dominant. Sie maß einsfünfundsiebzig, dennoch überragte er sie mindestens um einen Kopf. Plötzlich wirkte der Raum viel zu klein.

Mit zitternden Fingern schloss sie ein paar Mantelknöpfe und versuchte sich an einem zaghaften Lächeln. „Dann sehen wir uns morgen, Mr …?“

„Sie können mich Jake nennen“, fiel er ihr ins Wort.

Zu ihrer Überraschung erschien wie von Zauberhand ein sexy Grübchen neben seinem sinnlichen Mund. Caitlins Inneres krampfte sich zusammen.

„Okay.“

„Nur noch eins, bevor Sie gehen.“

„Ja?“

Autor

Maggie Cox
Schreiben und Lesen gingen bei Maggie Cox schon immer Hand in Hand. Als Kind waren ihre liebsten Beschäftigungen Tagträumen und das Erfinden von Geschichten.
Auch als Maggie erwachsen wurde, zu arbeiten begann, heiratete und eine Familie gründete blieben ihre erfundenen Heldinnen und Helden ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Was immer auch...
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