Heiße Küsse auf Wolke 7

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Seit dem ersten Treffen in der Privatlounge des Flughafens besteht zwischen Danie und dem attraktiven Arzt Jonas Noble eine unglaublich starke Anziehungskraft. Aber jedes Gespräch endet unweigerlich in einem Streit: Temperamentvoll verlangt Danie, die als Pilotin für ihren steinreichen Vater arbeitet, zu wissen, was Jonas auf dessen Anwesen eigentlich will. Sorge um ihren Vater treibt sie zu einem gewagten Plan: Sie will Jonas verführen, damit er ihr endlich die Wahrheit darüber sagt, wie es ihrem Vater wirklich geht. Und Jonas lässt sich die Verführungsversuche der rot gelockten Schönheit mit den blitzenden grünen Augen nur allzu gern gefallen...


  • Erscheinungstag 03.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777937
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Mr Noble?“

Jonas war eingenickt und kam langsam wieder zu sich. Und dann blickte er in die schönsten Augen, die er jemals gesehen hatte. Sie waren so grün wie Smaragde und von dichten, langen dunklen Wimpern umrahmt.

Die junge Frau hatte eine irgendwie keck wirkende Nase, feine Haut, wunderschön geschwungene Lippen und ein energisches Kinn.

Den Rest konnte er nicht genau erkennen. Sie hatte das Haar unter einer schwarzen Baseballkappe verborgen. Zu einem weiten schwarzen Top mit Reißverschluss und Rollkragen trug sie eine schwarze Fliegerhose.

Offenbar will diese junge Frau ernst genommen werden, dachte Jonas und lächelte leicht belustigt.

„Was finden Sie denn so komisch?“, fragte sie prompt.

„Nichts“, versicherte er ihr rasch. Dann schwang er die langen Beine von der Sessellehne und richtete sich auf.

„Sie sind doch Mr Noble, oder?“

Er sah sich in der luxuriös ausgestatteten, menschenleeren Lounge um, ehe er die junge Frau spöttisch ansah. „Ist sonst noch jemand hier, der es sein könnte?“, antwortete er schließlich ironisch.

In ihren grünen Augen blitzte es zornig auf. Sie beherrschte sich jedoch. „Da Sie Ihren Kaffee getrunken haben“, begann sie mit einem Blick auf die leere Tasse vor ihm, „sind Sie wohl zum Abflug bereit.“

Er wusste nicht, ob er trotz des starken Kaffees, den er vor fünfzehn Minuten getrunken hatte, überhaupt noch zu irgendetwas bereit war. Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich und war nicht begeistert darüber, zu einem Mann zu fliegen, den er nicht kannte.

Aber als Jerome Summer ihn am Tag zuvor angerufen hatte, hatte er eingewilligt, zu ihm zu kommen, und er hielt grundsätzlich seine Versprechen. Deshalb hatte er sich trotz seiner Müdigkeit pünktlich in der Privatlounge des Flughafens eingefunden.

Jonas stand auf und bewegte die steifen Glieder. „Sie haben ja eine seltsame Uniform an“, stellte er verächtlich fest. Wenn er damit gerechnet hatte, während des kurzen Fluges von einer attraktiven Flugbegleiterin verwöhnt zu werden, hatte er sich getäuscht.

„Uniform?“, wiederholte die junge Frau und betrachtete ihr dunkles Outfit. „Das ist meine normale Kleidung, Mr Noble“, erklärte sie kühl.

Jerome Summer ist wohl ein ziemlich unkomplizierter Typ, überlegte Jonas. Es ging ihn nichts an, wie der andere Mann sein Personal behandelte. Doch aus eigener Erfahrung wusste er, dass es gewisse Vorschriften geben musste. Wenn man seinen Mitarbeitern zu viel durchgehen ließ, war die Katastrophe vorprogrammiert. Das beste Beispiel war Jonas’ Sekretärin Dorothy.

Mit ihren beinah fünfzig Jahren – sie war mehr als zehn Jahre älter als er – hatte sie so etwas wie eine Mutterrolle in seinem Leben übernommen. Und wie alle Mütter erwachsener Söhne glaubte sie, ihn bevormunden zu können.

Doch um Jerome Summer, der ungefähr Anfang oder Mitte fünfzig war, wie Jonas erfahren hatte, zu bemuttern, war diese Frau zu jung. Sie war höchstens Ende zwanzig. Es wäre interessant zu wissen, welche Rolle sie in Jerome Summers Leben spielt, überlegte er.

„Ich werde Jerome empfehlen, die Flugbegleiterinnen kurze Röcke und Seidenblusen tragen zu lassen, damit die Fluggäste sich noch wohler fühlen“, sagte Jonas betont freundlich.

Als ihr die Bedeutung seiner Bemerkung bewusst wurde, zog sie leicht verächtlich die Augenbrauen hoch. „Von welchen Fluggästen reden Sie, Mr Noble?“

„Von mir natürlich.“ Er lächelte und hatte plötzlich das Gefühl, der starke Kaffee mache ihn endlich munter, denn er verspürte so etwas wie einen Adrenalinstoß. Ihm war klar, dass die Wirkung bald wieder nachlassen würde, er hoffte aber, während des Meetings hellwach zu sein. „Wo ist eigentlich Mr Summer? Sie haben doch gesagt, es könnte losgehen.“ Er runzelte die Stirn. „Ist er vielleicht schon im Flieger?“

„Rome ist auf seinem Landsitz“, erwiderte die junge Frau ironisch. „Wenn er in der Stadt wäre, brauchten Sie nicht zu ihm zu fliegen.“

So ist das, sie nennt ihren Arbeitgeber beim Vornamen, überlegte er. Mit Rome meinte sie wahrscheinlich Jerome. Die beiden hatten offenbar einen vertrauten Umgang miteinander. Er war skeptisch.

„Ich habe von Danny Summer gesprochen“, wandte Jonas ein. „Man hat mich informiert, er würde mich abholen. Er ist wohl ein Verwandter, oder?“, fügte er hinzu, als er spürte, wie sehr sich die junge Frau ärgerte.

Sie verzog die Lippen. „Richtig geraten, Mr Noble“, antwortete sie spöttisch. „Haben Sie Gepäck?“

„Nur diese Tasche.“ Er bückte sich und hob den kleinen Koffer auf, den er neben den Sessel gestellt hatte. „Ich möchte mich nicht länger als nötig auf Mr Summers Landsitz aufhalten“, fügte er energisch hinzu. „Sobald die … Sache erledigt ist, fliege ich zurück.“

Wenn die anderen Mitarbeiter von Jerome Summer auch so arrogant sind wie diese junge Frau, kann es mir gar nicht schnell genug gehen, wieder zu verschwinden, schoss es ihm durch den Kopf. Er war nicht in der Stimmung, diese aggressive Person taktvoll und diplomatisch zu behandeln.

Die junge Frau warf ihm einen Blick von der Seite zu, als sie das Gebäude verließen und auf den Privatjet zueilten, der nur wenige Meter vor ihnen auf der Rollbahn stand. „In welcher Branche sind Sie tätig, Mr Noble?“, fragte sie beiläufig.

Zu beiläufig für Jonas’ Geschmack. Bisher schien sie keinen Wert auf Höflichkeiten gelegt zu haben. Weshalb änderte sie plötzlich ihre Taktik? Er war auf der Hut.

„Ich mache jedenfalls keine illegalen Geschäfte, das kann ich Ihnen versichern“, antwortete er ausweichend.

Sie rümpfte die Nase. „Das ist mir klar, sonst wären Sie bestimmt nicht auf dem Weg zu Rome“, erklärte sie verächtlich.

Jonas hatte alles Mögliche über Jerome Summer gelesen und gehört, und er stimmte der Frau insgeheim zu. Der Mann war so etwas wie eine lebende Legende. Als Sohn eines Arztes hatte er hart und zielstrebig daran gearbeitet, sich ein riesiges Firmenimperium aufzubauen.

Dennoch hatte Jonas nicht die Absicht, den Zweck seines Besuchs mit dieser unhöflichen jungen Frau zu besprechen.

„Das freut mich.“ Er lächelte und stieg vor ihr in den Jet.

Jonas war an einen gewissen Luxus gewöhnt. Aber das, was ihn in dem Privatflieger erwartete, überraschte ihn. Er kam sich vor wie in einem elegant eingerichteten Wohnzimmer – mit dem einzigen Unterschied, dass es an dem Ledersofa und den Ledersesseln Sicherheitsgurte gab.

Nachdem sie die Tür zugemacht und verriegelt hatte, erklärte die Frau: „Wir haben genug zu essen und zu trinken an Bord. Sie können sich an der Bar bedienen, sobald wir in der Luft sind. Obwohl heute nur wenige Luftturbulenzen gemeldet sind, rate ich Ihnen, damit zu warten, bis wir genügend Höhe gewonnen haben.“ Dann ging sie an ihm vorbei.

Er zog die Augenbrauen hoch. „Und was machen Sie, während ich mich bediene, wie Sie es ausgedrückt haben?“

Sie drehte sich an der offenen Tür zum Cockpit um. „Was soll ich schon machen? Ich fliege diese Maschine, Mr Noble“, erwiderte sie betont unschuldig.

Sie war Pilotin? Jonas war mehr als verblüfft. Nie wäre er auf die Idee gekommen, sie …

Vorsicht, mein Lieber, das ist Chauvinismus, mahnte er sich. Er war sich jedoch sicher, dass er kein Chauvinist war, denn er respektierte starke Frauen. Sie gefielen ihm sogar.

Diese junge Frau hatte offenbar seine Gedanken erraten. Deshalb hatte sie ihn absichtlich im Ungewissen gelassen und freute sich jetzt über sein Erstaunen, wie ihr zufriedenes Lächeln verriet.

Was hatte sie eigentlich gegen ihn? Als sie in die Lounge gekommen war, hatte sie noch nicht einmal gewusst, wer er war. Nur weil außer ihm dort niemand gesessen hatte, hatte er ihrer Meinung nach der Mann sein müssen, den sie abholen sollte. Was hatte er ihr in den wenigen Minuten ihrer Bekanntschaft getan? Weshalb behandelte sie ihn so aggressiv und beinah feindselig?

Er war sich keiner Schuld bewusst. Es sei denn …

„Ist Danny Summer heute Morgen verhindert?“, fragte er betont unbekümmert. Wenn man die junge Frau kurzfristig gebeten hatte, ihren freien Tag zu opfern und für jemand anders einzuspringen, könnte das ihr seltsames Verhalten erklären.

Ihr Lächeln verschwand, und sie presste die Lippen zusammen. „Ich bin Danie Summer, Mr Noble“, stellte sie kühl fest. „Jerome Summer ist mein Vater. Zu Ihrer Beruhigung: Ich bin ausgebildete Pilotin. Es ist mein Beruf, und ich beherrsche ihn perfekt.“

Jonas war sprachlos. Sie war nicht nur eine entfernte Verwandte, sondern Jerome Summers Tochter. Er hatte nicht ahnen können, dass sie nicht Danny, sondern Danie hieß und eine Frau war und kein Mann. Diese Danie Summer hat sich lange genug auf meine Kosten amüsiert, sagte er sich irritiert.

„Dann rate ich Ihnen, endlich zu starten.“ Seine Stimme klang hart. „Meine Zeit ist kostbar und die Ihres Vaters auch, soweit mir bekannt ist.“

Danie schien etwas erwidern zu wollen, überlegte es sich jedoch anders. Sie atmete tief ein, ehe sie ins Cockpit ging und die Tür hinter sich zumachte.

Verdammt! dachte Jonas und ließ sich in einen Sessel sinken. Er war müde und bereute, überhaupt eingewilligt zu haben, den Mann an einem Samstag zu treffen. Am allerwenigsten wollte er sich mit einer Frau auseinandersetzen, die ihre Gleichberechtigung betonen musste, obwohl er sie gar nicht infrage gestellt hatte. Doch halt, stimmte das wirklich? Hatte er nicht angenommen, sie sei Flugbegleiterin?

„Schnallen Sie sich bitte an, Mr Noble“, forderte sie ihn in dem Moment kühl über die Sprechanlage auf. „Wir heben in wenigen Sekunden ab.“

Jonas fühlte sich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass sein Leben jetzt in den Händen von Danie Summer lag, die ihn zu verachten schien.

1. KAPITEL

Wer war Jonas Noble?

Bis vor zwei Stunden hatte Danie geglaubt, sie könnte ihren freien Samstag genießen. Sie hatte vorgehabt, mit ihrer älteren Schwester Harrie und deren Mann, Quinn McBride, zu frühstücken und anschließend in die Stadt zum Einkaufen zu fahren.

Dann hatte überraschend ihr Vater angerufen und sie trotz ihrer Einwände mit seinem Charme und diplomatischem Geschick überredet, Jonas Noble mit dem Privatjet auf seinen Landsitz zu fliegen.

Rome hatte ihr wenig verraten über seinen Besucher. Freundlich, aber bestimmt war er jeder Frage ausgewichen.

Danie liebte diese Geheimniskrämerei nicht. Jonas Noble war auch nicht kooperativer als ihr Vater. Er hatte sich nicht zu dem Grund seines Besuchs äußern wollen. Sein Auftreten und seine Erscheinung ließen keine Rückschlüsse zu, wer und was er sein könnte.

Der Mann wirkte jedenfalls nicht wie ein Geschäftsmann, dazu war sein dunkles Haar etwas zu lang. Auch seine wenig formelle Kleidung – er trug schwarze Jeans, ein schwarzes Seidenhemd und ein graues Jackett – war ganz anders als die der Geschäftsleute, mit denen ihr Vater normalerweise verhandelte. Nur ihr Vater war eine Ausnahme. Er nahm keine Rücksicht mehr auf sein Image und kleidete sich, wie er wollte. Das konnte er sich auch erlauben.

War Jonas Noble etwa in derselben Lage? Danie schüttelte den Kopf, während sie die Funktionen der Bordeinrichtungen überprüfte. Von einem Jonas Noble hatte sie noch nie etwas gehört. Wenn sein Foto in den Wirtschaftsmagazinen ihres Vaters erschienen wäre, würde sie sich an ihn erinnern. Er war kein Mann, den man so leicht vergaß.

Er war nicht unbedingt schön mit dem breiten und energischen Kinn und der gebogenen, edel wirkenden Nase. Aber ganz besonders seine Augen waren faszinierend. Sie waren von einem tiefen Dunkelbraun und so warm, dass man alle anderen Ecken und Kanten, die dieser Mann hatte, gern übersah.

Vorsicht, sonst fange ich noch an, Jonas Noble für attraktiv zu halten, mahnte Danie sich sogleich.

Vielleicht war er es sogar, aber sie ließ sich von dem guten Aussehen eines Mannes nicht täuschen. Solche Männer waren oft berechnend, unehrlich und egoistisch, wie Ben ihr bewiesen hatte. Er hatte ihr alle Illusionen geraubt.

Verdammt, wieso dachte sie plötzlich an ihn? Das passierte ihr nur noch sehr selten. Er gehörte nicht mehr zu ihrem Leben. Jetzt und hier ging es nur um Jonas Noble und nicht um jemanden aus der Vergangenheit. In den letzten zwei Jahren hatte sie sich auf keine engere Beziehung mehr eingelassen.

Ihr Passagier hatte nur einen kleinen Koffer bei sich. Was mochte er darin mit sich herumtragen? Sicher keine Kleidung zum Wechseln, dazu war der Koffer zu klein. Aber auch keine Unterlagen oder Dokumente, denn dazu war er zu groß.

Eine Antwort auf diese Frage würde ihr der Mann bestimmt nicht geben. Sie musste ihre Neugier zügeln, bis sie bei ihrem Vater war.

Schließlich drückte sie auf einen Knopf über ihrem Kopf. „Wir haben unsere Flughöhe erreicht, Mr Noble“, verkündete sie über die Bordsprechanlage. „Es darf nicht geraucht werden während des Fluges, aber Sie können sich an der Bar mit Erfrischungen bedienen.“ Sie musste lächeln bei der Erinnerung an seine verblüffte Miene, als er erfahren hatte, dass sie nicht die Flugbegleiterin, sondern die Pilotin war. Es hatte ihm beinah die Sprache verschlagen. Offenbar begnügten sich die Frauen in seinem Freundes- und Bekanntenkreis mit der traditionellen Rolle, die man ihnen von jeher zugedacht hatte.

Aber Flugzeuge und das Fliegen waren schon seit ihrer Kindheit ihre große Liebe. Statt mit Puppen hatte sie mit Modellflugzeugen gespielt, später mit ferngesteuerten Flugzeugen. Edward, ein älterer Mann, der damals der Pilot ihres Vaters gewesen war, hatte ihr immer erlaubt, neben ihm im Cockpit zu sitzen. Und er hatte sogar einen Overall für sie besorgt, sodass sie mit ihm zusammen die Maschinen hatte warten können.

Mit achtzehn hatte Danie zum Leidwesen ihres Vaters genau gewusst, was sie werden wollte. Da damals gerade ihre Mutter an Krebs gestorben war, hatte Danie ihn relativ leicht überzeugen können, dass ein anderer Beruf für sie nicht infrage kam. Rome war über den Verlust seiner Frau und ihrer Mutter sehr verzweifelt gewesen und hatte in seinem Schmerz nicht ernsthaft versucht, seiner Tochter die Pläne auszureden. Vielleicht hatte er auch geglaubt, sie würde es sich während der Ausbildung noch anders überlegen. Aber da hatte er sich getäuscht.

Viele ihrer männlichen Kollegen hatten sie lange Zeit nicht ernst genommen. Man hatte angenommen, für sie sei das alles nur ein Spiel, das sie sich erlauben könne, weil ihr Vater viel Geld hatte.

Von solchen Männern habe ich genug, sagte sie sich jetzt. Auch Ben war ihrer Karriere gegenüber sehr intolerant gewesen.

Nein, nicht schon wieder Ben, mahnte sie sich sogleich ungeduldig. Monatelang hatte sie überhaupt nicht an ihn gedacht und plötzlich zweimal innerhalb einer halben Stunde. Das musste aufhören.

Es war wahrscheinlich nur Jonas Nobles Schuld, irgendetwas an ihm erinnerte Danie an Ben. Deshalb war sie froh, dass sie diesen Mann nie wieder sehen würde.

Sie drückte auf den Knopf über ihrem Kopf. „Wir landen in wenigen Minuten, Mr Noble“, verkündete sie. „Schnallen Sie sich bitte an.“ Wenn sie Glück hatte, würde er sich nicht lange bei ihrem Vater aufhalten. Dann könnte sie, nachdem sie Jonas Noble in die Stadt zurückgeflogen hatte, vielleicht doch noch mit Harrie einkaufen gehen.

Ihr Vater hatte Charles mit dem Rolls-Royce geschickt statt mit dem Range Rover, mit dem er normalerweise die Gäste von dem Landeplatz abholen ließ. Die Sache wird immer mysteriöser, überlegte Danie, während sie die Maschine nach der Landung ausrollen ließ. Rome benutzte den Rolls-Royce nur selten. Wer war Jonas Noble? Weshalb wurde er in diesem Wagen abgeholt?

„Bleiben Sie bitte sitzen, bis ich den Flieger zum Stehen gebracht habe, Mr Noble“, forderte sie ihn über die Sprechanlage schroff auf. „Ich komme dann zu Ihnen in die Kabine und öffne die Tür.“

Sie hatte das alles schon viele Dutzend Mal gemacht, doch an diesem Tag fand sie die Art von Unterhaltung mit einem Mann, den sie nicht sehen konnte, seltsam irritierend. Ein kleiner Trost war, dass es Jonas Noble wahrscheinlich genauso ging.

Nachdem sie den Flieger am Ende der Rollbahn abgestellt hatte, öffnete sie die Tür zum Passagierraum. Jonas Noble schlief tief und fest! Er wirkte so entspannt, dass Danie gereizt vermutete, er sei schon kurz nach dem Start eingeschlafen.

Er saß noch in demselben Sessel, in den er sich nach dem Einsteigen hatte sinken lassen. Wenigstens hatte er sich angeschnallt. Offenbar hatte er weder etwas gegessen noch getrunken, alles war unberührt, und er hatte noch nicht gemerkt, dass sie gelandet waren.

Im Schlaf sah er jünger aus als vierzig Jahre, auf die Danie ihn geschätzt hatte. Sie betrachtete die langen dunklen Wimpern und seine regelmäßigen Züge.

Seine Kleidung schien maßgeschneidert zu sein, und das schwarze Hemd sah sehr exklusiv aus. Er schien viel Geld zu haben.

Jedenfalls ist er mir ein Rätsel, dachte Danie und war etwas schockiert. Nach einigen Freundschaften, die aus unterschiedlichen Gründen unerfreulich verlaufen waren, war sie der Überzeugung, es sei reine Zeitverschwendung, sich über einen Mann Gedanken zu machen. Deshalb ärgerte sie sich darüber, dass sie so viel über Jonas Noble nachdachte.

Schließlich rüttelte sie ihn am Arm. „Mr Noble, wir sind angekommen …“

„Das will ich doch hoffen“, antwortete er leise und öffnete sogleich die Augen. „Sonst würde jetzt niemand den Flieger steuern.“

Für jemanden, der bis vor wenigen Sekunden geschlafen hatte, reagierte er erstaunlich kühl und klar, wie Danie fand. Sie trat einige Schritte zurück und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Heutzutage gibt es Autopiloten, Mr Noble“, stieß sie hervor.

„Ah ja.“ Er warf ihr einen spöttischen Blick zu und löste den Gurt.

Danie verzog die Lippen. „Haben Sie letzte Nacht zu wenig geschlafen, Mr Noble?“

„Ehrlich gesagt, ja.“ Er sah sie mit den braunen Augen an und stand auf. „Mehr Schlaf als diese halbe Stunde habe ich seit gestern Morgen nicht gehabt.“

„Hoffentlich war die Frau es wert!“ Der Mann wirkte so erotisch, dass nur eine Frau für seinen Schlafmangel verantwortlich sein konnte. Einen anderen Grund konnte Danie sich nicht vorstellen.

Seine Miene hellte sich auf. „O ja, das war sie. Aber etwas ganz anderes: Soll ich den ganzen Tag hier in dem Flugzeug verbringen?“, fragte er. „Eigentlich wollte ich heute noch Ihren Vater treffen.“

Danie errötete und öffnete die Tür. Automatisch wurde die Treppe ausgefahren. „Können Sie Ihr Gepäck selbst tragen? Oder soll ich Ihnen helfen?“ Ihre Stimme klang genauso spöttisch wie seine.

Jonas Noble verzog die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln, während er sich bückte und den kleinen Koffer aufhob. „Danke, es geht schon. Und danke für den guten Flug“, fügte er wie nebenbei hinzu.

„Woher wollen Sie denn wissen, dass er gut war?“, erwiderte sie scharf.

Er zuckte die Schultern. „Ich bin erst eingeschlafen, als wir sicher in der Luft waren. Ich habe noch gehört, dass nicht geraucht werden durfte, das war alles. Als Assistenzarzt konnte ich auch immer und überall einschlafen“, fügte er wie um Entschuldigung bittend hinzu.

Jonas Noble war Arzt? War Rome etwa krank?

Nein, das konnte Danie sich nicht vorstellen. Ihr Vater war bisher noch nie ernsthaft krank gewesen. Aber das konnte sich natürlich auch einmal ändern.

Sie befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zunge. „Worauf haben Sie sich spezialisiert, Mr Noble?“, fragte sie betont gleichgültig. Er sollte nicht merken, dass sie keine Ahnung hatte, weshalb er überhaupt hier war. Doch er war plötzlich auf der Hut.

„Ich würde sagen, auf das Leben selbst, Danie. Darauf schwören ja alle Ärzte den Eid“, antwortete er ausweichend. „Werden wir etwa in dem Auto abgeholt?“ Er wies auf den goldmetallicfarbenen Rolls-Royce, der wenige Meter neben dem Flieger stand. Charles war schon ausgestiegen und hielt die Wagentür auf.

„Sie werden abgeholt, nicht ich“, korrigierte sie ihn. „Ich habe hier noch einiges zu erledigen, ehe ich hinter Ihnen herkommen kann“, fügte sie zögernd hinzu.

Allzu gern wäre sie mit ihm gefahren, denn sie wollte unbedingt herausfinden, weshalb er da war. Aber erst musste sie alles überprüfen und die Maschine auftanken.

„Okay, dann sehen wir uns später.“ Mit leichten Schritten ging er die Treppe hinunter und lächelte Charles dankbar an, während er sich auf den Rücksitz des Rolls-Royce sinken ließ.

Danie blieb oben an der Treppe stehen und sah hinter ihm her. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Warum musste Rome mit einem Arzt sprechen? Weil er krank ist natürlich, gab sie sich sogleich selbst die Antwort.

Weshalb musste es unbedingt dieser bestimmte Arzt sein? War die Krankheit ihres Vaters so schwer oder kompliziert?

Plötzlich fühlte Danie sich ganz elend. Sie würde es nicht ertragen, wenn ihrem gut aussehenden, immer fröhlichen Vater etwas zustieß.

Jonas Nobles Besuch kam ihr vor wie eine Bedrohung.

„Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug.“

Jonas sah seinen Gastgeber an. Der ältere Mann hatte ihn vor wenigen Minuten an der Haustür des Herrenhauses begrüßt. Jetzt saßen sie in dem luxuriös eingerichteten Wohnzimmer. Jonas waren Rome Summers Fotos schon öfter in Zeitschriften und Zeitungen aufgefallen. Deshalb hatte er gewusst, dass der Mann gut aussah. Aber dass er vor Energie und Kraft nur so strotzte, konnte man auf den Fotos nicht erkennen.

Was für eine Antwort erwartete Rome auf seine Frage? Der Flug war gut gewesen – nur Romes Tochter hatte ihn irritiert.

Danie Summer war so stachlig wie ein Igel. Aber sie ist auch eine sehr schöne Frau, erinnerte ihn eine leise innere Stimme.

Ja, schön war Danie zweifellos. Doch auf ihre Stacheln und ihre scharfe Zunge hätte er lieber verzichtet.

„Ja, danke“, antwortete Jonas schroff. Er machte eine abwehrende Handbewegung, als Rome ihm Kaffee aus der Kanne anbot, die auf dem Tisch stand. „Sie haben mir gestern die Situation am Telefon erklärt“, fuhr er sachlich fort. „Wir können uns unterhalten, sobald ich mir ein genaues Bild gemacht habe.“

Jerome Summer saß reglos und mit gequälter Miene da. „Ich möchte noch einmal betonen, wie heikel die Angelegenheit ist.“

„Das ist mir klar“, versicherte Jonas ihm spöttisch. „Danie weiß nichts davon, stimmt’s?“, fügte er sanft hinzu.

Rome verzog das Gesicht und schüttelte wehmütig den Kopf. „Hat meine Tochter Ihnen unangenehme Fragen gestellt?“

Jonas zuckte die Schultern. „Eine oder zwei“, erwiderte er. „Aber keine Angst, ich nehme die ärztliche Schweigepflicht ernst.“

„Darauf nimmt Danie keine Rücksicht.“ Rome schüttelte den Kopf. „Vielleicht war es doch keine gute Idee, Sie von meiner Tochter abholen zu lassen, obwohl ich es für die beste Lösung gehalten habe.“

„Für solche Zweifel ist es jetzt zu spät“, stellte Jonas fest. „Danie ist nicht mein Problem. Ich bin aus einem anderen Grund hier. Ich wollte Sie nicht beleidigen“, entschuldigte er sich, als ihm bewusst wurde, wie unhöflich seine Bemerkung war. „Ich habe eine schlaflose Nacht hinter mir, weil ich mich um einen schwierigen Fall kümmern musste. Deshalb bin ich heute etwas gereizt und ungeduldig“, erklärte er.

„Das ist verständlich.“ Rome Summer stand auf. „Lassen Sie uns nach oben gehen.“

Jonas nahm seinen Arztkoffer mit und hörte Rome höflich zu, während sie die Treppe hinaufgingen. Er hatte Mitleid mit dem älteren Mann und konnte nachvollziehen, wie ihm zumute war. Für Rome Summer, einen Mann, der in den letzten dreißig Jahren sein Leben und das seiner Familie unter Kontrolle gehabt hatte, musste es ein Schock gewesen sein. Aber selbst wenn sich Rome Summers Verdacht bestätigen sollte, wäre es keine Katastrophe. So etwas kam in vielen Familien vor.

Rome Summer wirkte jedoch so, als würde er es nicht schaffen, damit zurechtzukommen. Das wurde Jonas klar, als sie wieder im Wohnzimmer saßen und die Diagnose feststand.

„Ich kann es nicht glauben.“ Rome bedeckte das Gesicht mit den Händen. „Natürlich habe ich so etwas vermutet …“

„Sonst hätten Sie mich nicht angerufen“, unterbrach Jonas ihn spöttisch und reichte dem älteren Mann eine Tasse Kaffee.

„Irgendwie habe ich es trotzdem nicht wahrhaben wollen.“ Rome schüttelte wie betäubt den Kopf und trank einen Schluck.

Jonas schwieg einige Minuten, um dem älteren Mann Zeit zu lassen, den Schock zu überwinden. Sobald Rome Summer sich mit der Diagnose abgefunden hatte, konnten sie darüber reden, was als Nächstes geschehen sollte.

Schließlich hob Rome den Kopf und sah Jonas an. Seine Augen wurden feucht. „Es tut mir leid“, sagte er seltsam schwerfällig. „Ich merke selbst, dass ich momentan Mühe habe, mich mit der Situation abzufinden.“ Er verzog wehmütig das Gesicht. „Ich wünschte, die Mutter meiner Töchter lebte noch. Sie hat immer das Richtige getan.“

„Wie viele Töchter haben Sie?“, fragte Jonas höflich. Jonas erinnerte sich, irgendwo gelesen zu haben, dass seine Frau vor mehreren Jahren gestorben war.

„Drei.“ Rome seufzte. „Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich dreiundzwanzig.“

Jonas konnte sich gut vorstellen, dass Danie Summer allein schon für zwanzig zählte. Sie war eine energiegeladene, ungemein lebhafte junge Frau und konnte einem Mann und erst recht ihrem Vater Kopfzerbrechen bereiten.

„Leben sie alle noch hier bei Ihnen im Haus?“ Jonas ließ die Stimme betont gleichgültig klingen. Es interessierte ihn jedoch, ob Danie verheiratet war.

„Nein, keine mehr.“ Rome schüttelte den Kopf. „Harrie hat vorigen Monat geheiratet“, fügte er stolz hinzu. „Andie wohnt eigentlich in London, aber in der letzten Zeit ist sie oft hier.“

„Und Danie?“, fragte Jonas.

In dem Moment kam sie herein. „Ich halte mich immer da auf, wohin ich mit meinem Flugzeug fliegen muss“, erwiderte sie kühl und durchquerte den Raum.

Was für eine seltsame Antwort, dachte Jonas. Er versteifte sich und drehte sich zu ihr um. Geradezu schockiert betrachtete er sie. Die schwarze Baseballkappe war verschwunden, und das gewellte Haar fiel ihr über den Rücken. Es war von einem so herrlichen, intensiven Rot, wie er es noch nie gesehen hatte.

Autor

Carole Mortimer
Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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