Herzen aus Eis, Küsse wie Feuer

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Ein privater Termin bei dem brillanten Topmanager Angelos Mena? Utopisch! Kein Wunder, dass sich Talia als neue Nanny für seine Tochter ausgibt, um an das Buch zu kommen, nach dem ihr Großvater so verlangt! Doch während Talia im Nu das Herz des Kindes erobert, verschanzt sich der eisige Workaholic hinter Zynismus. Erst als die Vergangenheit Talia einholt und Angelos ihr überraschend Schutz anbietet, entbrennt zwischen ihnen feurige Leidenschaft … jetzt legt Talia ihre Karten auf den Tisch. Zu spät, denn im Blick des verführerischen Griechen liegt plötzlich nur noch Verachtung …


  • Erscheinungstag 12.09.2017
  • Bandnummer 0019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708634
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Ich möchte, dass du etwas für mich tust.“

Natalia legte ihrem Großvater eine Decke über die Beine und setzte sich ihm gegenüber. Trotz des heißen Julitags fröstelte Giovanni Di Sione im lauen Wind, der vom Long Island Sound herüberwehte.

„Was immer dein Herz begehrt, Nonno.“ So nannten Natalia und ihre Geschwister ihren Großvater, seit sie Kinder waren.

Giovanni lächelte schwach und schüttelte den Kopf. „Nicht so voreilig, Piccolina. Du weißt ja noch gar nicht, worum ich dich bitten will.“

„Und du weißt, dass ich alles für dich tun würde.“

Nonno hatte sie und ihre Geschwister nach dem Unfalltod ihrer Eltern großgezogen, damals war sie fast noch ein Baby gewesen. Er hatte ihnen Vater und Mutter, ersetzt und seit sie jetzt wieder bei ihm auf dem Di Sione-Anwesen lebte, war er zudem ihr engster Vertrauter und bester Freund.

Einige ihrer Geschwister hatten bewusst Abstand zu ihrem hart arbeitenden und manchmal wenig umgänglichen Großvater gesucht und konnten ihre Entscheidung nicht nachvollziehen. Doch als Natalia vor sieben Jahren, verwundet an Leib und Seele, seine Hilfe gebraucht hatte, war er ihr Retter gewesen.

„Wirklich alles, Talia?“, fragte Giovanni skeptisch. „Selbst, wenn du dafür das Anwesen verlassen müsstest?“

„So grausam könntest du niemals sein!“, erwiderte sie leichthin. Die Vorstellung, von hier weg zu müssen, verursachte ihr eine Gänsehaut. Sie brauchte ihren Elfenbeinturm, wie sie die riesige Luxusvilla nannte. Die Sicherheit, die sie ihr bot.

Talia wusste nur zu gut, wie schutzlos man sich fühlte, sobald das eigene Leben nur noch an einem seidenen Faden hing. Das durfte nie wieder geschehen, selbst, wenn es bedeutete, wie eine Gefangene zu leben. Sie verließ das Anwesen nur für seltene Besuche bei ihren Geschwistern oder um sich ab und zu Ausstellungen in einer nahegelegenen Kunstgalerie anzusehen. Städte mied sie, sogar die malerischen Orte entlang der Gold Coast. Wenn überhaupt, unternahm sie kurze Ausflüge in einer Privatlimousine mit Chauffeur.

Als Giovanni sie ermunterte, häufiger auszugehen, behauptete Talia, das ruhige Landleben vorzuziehen. Was sollte es auch Schöneres geben? Besonders mit dem Long Island Sound als attraktive Kulisse im Hintergrund.

Ihr Großvater war klug genug, sie nicht zu drängen, dennoch wusste sie, dass er sich Gedanken über ihr abgeschiedenes Dasein machte. Sie sah es an seinem sorgenvollen Blick und daran, wie er die Brauen hochzog, wenn er sie in Haus oder Garten herumstreichen sah.

„Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, Talia.“

Sie sagte nichts, weil sie ihrer Stimme nicht traute und nickte nur leicht. Vor wenigen Wochen hatten die Ärzte ihm ein Jahr gegeben. Eine realistische Einschätzung, eingedenk seiner neunundachtzig Jahre, zumal der Krebs zurückgekehrt war, den Giovanni vor zwanzig Jahren besiegt hatte. Ein Jahr sei eine lange Zeit, hatte er mit leisem Lächeln behauptet … aber viel zu kurz für Talia.

Sie konnte sich dieses Haus nicht ohne ihren Nonno vorstellen … ohne sein liebevolles Lächeln, seine weisen Ratschläge, seine oft stille, aber zuverlässige Präsenz. Die großen Räume und das weitläufige Grundstück würden allein mit ihr und den Angestellten schrecklich leer und verwaist wirken. Sie hasste die Vorstellung und schob sie deshalb konsequent zur Seite.

„Was soll ich denn für dich tun, Nonno?“, fragte sie betont munter. „Vielleicht ein Portrait von dir malen?“

In den letzten Jahren hatte sie sich einen Namen als Portraitmalerin gemacht, wenn auch nur regional. Zum einundzwanzigsten Geburtstag hatte Nonno ihr in einem kleinen Gästehaus auf dem Grundstück ein Atelier eingerichtet, das einen spektakulären Blick auf die Bucht von Long Island bot. Dort empfing sie ihre Klienten und genoss den Kontakt zu ihnen ebenso sehr wie die kreative Arbeit.

„Ein Portrait?“ Giovanni lachte gutmütig. „Wer will so einen alten Mann wie mich noch in Öl sehen? Nein, Cara, ich habe eine ganz andere Aufgabe für dich. Ich möchte, dass du etwas für mich findest …“ Er ließ seine Enkelin nicht aus den Augen.

Sie beugte sich vor, überrascht, neugierig und ein wenig beunruhigt über sein sonderbares Verhalten. „Finden?“, echote sie. „Hast du denn etwas verloren?“

„Ich habe sehr vieles im Laufe der Jahre verloren“, murmelte er kryptisch, während sein Blick in die Ferne schweifte.

Talia entgingen weder die Wehmut in der brüchigen Stimme noch der abwesende Gesichtsausdruck und der fiebrige Glanz in den müden Augen. Dann huschte ein Lächeln um seinen Mund, als würde er sich an etwas sehr Schönes erinnern.

„Ich nenne sie meine Lost Mistresses, wie du dich vielleicht erinnerst. Und ich möchte, dass du eine von ihnen wiederfindest und mir zurückbringst.“

Und ob sie sich an die mysteriösen Geschichten um seine Verlorenen Geliebten erinnerte! Offenbar eine geheimnisvolle Kollektion ungewöhnlicher Schätze, die ihr Großvater als junger Mann hatte veräußern müssen, als er aus Sizilien nach New York gekommen war. Nonno hatte ihr und ihren Geschwistern immer wieder davon erzählt, so wie andere Großväter ihren Enkeln Märchen vorlasen.

Woher die kostbaren Schmuckstücke und Kunstgegenstände stammten und warum er derart daran hing, verriet er nicht, so oft sie ihn auch drängten, das Geheimnis zu lüften. Ein Mann habe eben seine Geheimnisse, hatte er immer mit feinem Lächeln gesagt und ihre Neugierde damit nur noch weiter geschürt.

„Hmm, also eine deiner mysteriösen Lost Mistresses. Was ist es?“

„Ein Buch. Ein ganz spezielles Buch. Und es wird nicht leicht aufzuspüren sein.“

Talia hob die Brauen. „Und ausgerechnet mir traust du das zu?“

„Ja, Carina, ich vertraue auf deine Intelligenz und Intuition. Und auf deine Kreativität, eine deiner größten Gaben.“

Lachend schüttelte sie den Kopf, berührt und verlegen zugleich. So offen und sentimental zeigte sich ihr Großvater nur selten. Vielleicht lag es an seinem fragilen Zustand, dass er Dinge ansprach, die er sonst eher für sich behielt. „Was für ein Buch ist es?“

„Eine Sammlung von Liebesgedichten, verfasst von einem anonymen Poeten aus dem Mittelmeerraum. Es heißt: Il Libro d’Amore.“

„Das Buch der Liebe …“, übersetzte Talia. „Wie viele Exemplare existieren von diesem Gedichtband?“

„Maximal eine Handvoll. Meines war etwas Besonderes, eine Erstausgabe mit einem Einband aus echtem Leder. Ein Unikat.“

„Und das soll ausgerechnet ich für dich finden?“ Spontan hatte sie mit dem Gedanken gespielt, eine schnelle Internetrecherche zu starten, und die Hauptarbeit einem Online-Buchhändler zu überlassen. Aber das hätte Nonno natürlich auch selbst gekonnt, da er bereits seit Jahren ein Tablet besaß und regelmäßig im Internet surfte.

Also war die ihr zugedachte Aufgabe offenbar komplizierter als gedacht. Das ominöse Buch schien ihrem Großvater unendlich wichtig zu sein, und enttäuschen wollte sie ihn auf keinen Fall.

Nonno hatte in den letzten Jahren selten etwas von ihr verlangt, und wenn, dann waren es Kleinigkeiten gewesen. Auch mischte er sich weder in ihr Privatleben, ein noch versuchte er, ihre künstlerische Laufbahn zu beeinflussen. Stattdessen unterstützte er sie bei allem, was sie vorhatte. Sie schuldete ihm viel.

„Ja, bring es mir wieder, Piccolina“, bat er mit wehem Lächeln. „Es bedeutet mir sehr viel. Auf der ersten Innenseite steht eine Widmung Liebste Lucia … für immer in meinem Herzen. Auf ewig … B. A.“ Seine Stimme schwankte verdächtig, während er die Lider senkte und blinzelte, ehe er Talias Blick suchte. „Wenn du das liest, hältst du die richtige Ausgabe in Händen.“

„Wer ist Lucia?“ Talia war ebenso bewegt von der liebevollen Widmung wie von der ungewöhnlichen Reaktion ihres Großvaters. „Und wer ist dieser B. A.? Waren das Freunde von dir?“

„Könnte man so sagen. Auf jeden Fall standen sie mir nah und liebten einander sehr. Aber das ist eine andere Geschichte …“ Giovanni lehnte sich in seinem Sessel zurück und zupfte an der Decke, die über seinen Knien lag. Er war sehr blass und wirkte erschöpft.

In letzter Zeit ermüdete ihr Großvater schnell. Das Gespräch hatte ihn sichtlich angestrengt.

„Was ist mit dem Buch geschehen?“, fragte Talia, um zum Ende zu kommen. „Hast du es ebenfalls verkaufen müssen, als du nach New York kamst?“

„Nein, ich habe es in Sizilien zurückgelassen, deshalb wird es nicht leicht zu finden sein. Aber du wirst das schaffen, Piccolina. Selbst, wenn sich die Reise schwieriger gestalten sollte, als du voraussehen kannst.“

„Reise?“, echote sie schwach. „Schwieriger gestalten?“

Talia presste die Lippen zusammen und versuchte, ihre Fassung zu wahren. Wie es aussah, nutzte ihr Großvater das so schmerzlich vermisste Buch als Vorwand, um sie quasi aus dem Nest zu stoßen. Hinaus ins Leben, vor dem sie hierher und in seine Arme geflüchtet war. Es war nicht das erste Mal, dass er einen derartigen Versuch unternahm, doch bisher hatte sie sich erfolgreich darum gedrückt.

Hier ging es ihr gut. Sie hatte alles, was sie wollte, und verspürte kein Verlangen nach Aufregung und Abenteuer. Nicht mehr …

Kein Wunder nach dem, was hinter mir liegt!

„Nonno …“, begann sie, doch Giovanni brachte sie mit einer schwachen Geste zum Schweigen.

„Du wirst einem alten Mann hoffentlich nicht den letzten Wunsch verwehren?“

„Sag so etwas nicht! Ich …“

Cara, wir haben einander noch nie etwas vorgemacht, oder? Ich möchte dieses Buch unbedingt noch einmal in den Händen halten und lesen, wie Liebe alle Hindernisse und Tragödien überwinden kann …“

Seine Stimme verebbte. Talia biss sich auf die Unterlippe. Wie konnte sie nur so selbstsüchtig sein, ihre Ängste über Nonnos sehnlichsten Wunsch zu stellen?

„Ich werde es versuchen“, versprach sie rau und lächelte etwas zittrig, als ihr Großvater sich vorlehnte, um seine knochige Hand über ihre zu legen.

„Ich weiß, dass du es schaffst, Cara. Du wirst dein Bestes geben und Erfolg haben.“

1. KAPITEL

„Da ist noch eine junge Dame, die Sie sehen möchte, Kyrie Mena.“

Angelos Mena schob die Brauen zusammen und legte den Stapel mit Lebensläufen, die er noch einmal überflogen hatte, frustriert zur Seite. Keine der Frauen, die er heute Nachmittag interviewt hatte, eignete sich für die ausgewiesene Stellung. Vielmehr hatte er den Eindruck gewonnen, dass ihnen mehr daran lag, ihm näherzukommen, als seine Tochter Sofia auch nur kennenzulernen. Das gleiche hatte er schon bei den letzten drei Nannys erlebt.

Seine Lippen wurden schmal. „Noch eine?“, fragte er entnervt, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schüttelte dann den Kopf. „Das kann nicht sein, ich habe hier keinen weiteren Lebenslauf vorliegen.“

Seine Sekretärin Eleni spreizte hilflos die Hände. „Sie wartet bereits seit Stunden und besteht darauf, mit Ihnen zu sprechen.“

„Na, das zeugt zumindest von einer gewissen Entschlossenheit“, knurrte Angelos sarkastisch. „Dann schicken Sie die junge Dame mal rein.“

Elenis Absätze klackten energisch auf dem polierten Marmorboden, als sie den Raum verließ, während Angelos an die deckenhohe Fensterfront trat, die einen fantastischen Blick über Athen bot. Sein Schultergürtel war verspannt, sein Puls viel zu hoch. Kein Wunder bei dem Theater, als das sich die Suche nach einer sechswöchigen Vertretung der aktuellen Nanny gestaltete. Ein Dutzend Bewerberinnen und nicht eine, die auch nur annähernd infrage kam!

Einige hatten durchaus mit Erfahrung punkten können, doch sobald er Sofia dazu holte, sträubte sie sich gegen jeden Annäherungsversuch der fremden Frauen. Was Angelos gut nachvollziehen konnte, da er selbst sah, wie wenig aufrichtig ihre Bemühungen waren. Die eine Hälfte wagte gar nicht, Sofia offen ins Gesicht zu schauen, die andere starrte sie geradezu an. Beide Reaktionen ließen seine kleine Tochter vor Scham zurückzucken, während er seine Wut und Frustration kaum beherrschen konnte.

Dabei gab es nichts, wofür sie sich schämen müsste! Und er ebenso wenig.

„Mr. Menos?“

Angelos wandte sich um und sah sich einer schlanken jungen Frau gegenüber, die in der offenen Tür stand. Sie war sehr blass, wirkte aber entschlossen. Ihr goldbraunes Haar eine wirre Lockenfülle, das schlichte pinkfarbene Sommerkleid hoffnungslos zerknittert. Offensichtlich legte sie es nicht darauf an, ihn zu beeindrucken, was Angelos beträchtlich verwirrte.

„Und Sie sind …“, fragte er kurz angebunden.

„Ich … sorry … aber … signomi … leider spreche ich kein …“ Talias Stimme brach, während sich ihre Wangen brandrot färbten.

„Sie sprechen kein Griechisch?“, half Angelos ihr ungläubig, dafür in flüssigem Englisch. „Und das, obwohl das die einzige Sprache ist, die meine Tochter beherrscht? Wie … interessant, Miss …“

Sein kaltes Lächeln glich eher dem Zähnefletschen eines Raubtieres als einer freundlichen Geste. Er hatte weder Zeit noch Nerven für eine weitere unpassende Kandidatin. Am besten bereitete er dem Ganzen ein schnelles Ende.

„Natalia Di Sione“, sagte die Fremde und hob ihr Kinn eine Spur.

Was Angelos ebenso überraschte wie das kurze Aufblitzen in den grüngoldenen Augen. Die Frau hatte Kampfgeist.

„Im Übrigen spricht Ihre Tochter sehr wohl mehr als nur ein, zwei Worte Englisch, wie ich mich selbst überzeugen konnte, nachdem ich den ganzen Nachmittag in Ihrem Vorzimmer verbracht habe.“

Angelos hob die Brauen. „Sie haben mit ihr gesprochen?“

„Ja“, bestätigte sie angesichts seines scharfen Tons etwas unsicher und befeuchtete ihre Lippen mit der Zungenspitze.

Angelos registrierte die unbewusste Geste mit einem Ziehen in der Leistengegend, das er resolut ignorierte.

„Sollte ich das nicht?“

„Nichts spricht dafür oder dagegen.“ Er tippte mit dem Finger auf den Stapel von Bewerbungen. „Sie haben mir keinen Lebenslauf zukommen lassen, Miss Di Sione.“

„Einen Lebenslauf?“

Sie schien überrascht, und Angelos war zunehmend irritiert. Offensichtlich war sie nicht vorbereitet und absolut unpassend. Immerhin eine Abwechslung gegenüber ihren teils überqualifizierten Vorgängerinnen, aber dennoch irritierend. „Ich denke, es macht keinen Sinn, noch mehr Zeit zu verschwenden, Miss Di Sione. Sie bringen leider nicht die notwendigen Voraussetzungen für diese Position mit.“

„Diese Position …“, echote sie.

Angelos seufzte, marschierte an ihr vorbei in Richtung Tür und legte beziehungsvoll eine Hand auf die Klinke. Als ihn ein sanfter Duft streifte, atmete er unwillkürlich ein. Irgendwas mit Mandelblüten?

„Danke für Ihre Zeit, Miss Di Sione, aber Sie verschwenden meine.“

„Wir haben doch noch gar nicht miteinander gesprochen“, protestierte sie und strich ihr zerzaustes Haar hinters Ohr.

Wie hypnotisiert starrte Angelos auf die zarte, perfekt geformte Ohrmuschel.

Theé mou! Ich starre auf ihre Ohren? Was ist nur mit mir los?

Sie war doch nur eine von vielen Bewerberinnen … sehr schlank, aber nicht ohne weibliche Rundungen an den richtigen Stellen. Angelos riss sich zusammen. „Ich für meinen Teil habe genug gehört“, erklärte er. „Sie können keinen Lebenslauf aufweisen, Ihr Outfit lässt sehr zu wünschen übrig und das Job-Interview …“

„Was erwarten Sie denn? Ich bin gerade erst aus dem Flieger gestiegen“, empörte sich Talia. „Und ein Job-Interview?“

„Sie sind doch hier, um sich für die Stelle als Nanny zu bewerben?“

„Nanny?“, echote Talia. „Für Ihre Tochter?“

„Für wen sonst?“, explodierte Angelos.

„J…ja, natürlich“, stammelte Talia, während sie fieberhaft überlegte. „Ich … ich entschuldige mich, dass ich keinen Lebenslauf dabei habe, aber ich habe nur zufällig von der freien Stelle erfahren. Würden … könnten Sie mir noch einmal kurz die genauen Umstände …“

Angelos stoppte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung. Am liebsten hätte er die unpassende Bewerberin rigoros abgefertigt, doch etwas in ihrem klaren Blick und der stolzen Kopfhaltung ließ ihn zögern. „Wie gesagt, es geht um meine achtjährige Tochter Sofia. Die Nanny, die ich eingestellt habe, ist erst Ende August frei, da sie sich momentan noch um ihre kranke Mutter kümmert. Deshalb suche ich für sechs Wochen einen Ersatz, aber das ist doch alles bekannt.“

Talia nickte bedächtig. „Stimmt, ich erinnere mich.“

„Haben Sie überhaupt Erfahrung als Nanny, Miss Di Sione?“

„Nennen Sie mich doch bitte Talia, und die Antwort lautet nein.“

„Nein?“ Verblüfft starrte er in ihre strahlenden Augen.

Talia schüttelte den Kopf und strich erneut eine vorwitzige Haarsträhne hinters Ohr. Irritiert und gereizt durch ihr unbefangenes Lächeln, schnalzte Angelos mit der Zunge. „Wie gesagt, Sie verschwenden meine Zeit, Miss Di Sione.“

Sein harscher Tonfall ließ sie blinzeln, doch dann straffte sie sich. „Vielleicht sollten Sie zunächst Sofia fragen, ob ich auch ihre Zeit vergeudet habe …“

In Angelos dunklen Augen blitzte etwas auf, das sie frösteln ließ. Stärker als Antipathie oder Ungeduld, beängstigend und zugleich anziehend wie ein Magnet. Etwas, das ihr einen Eindruck davon vermittelte, wie gefährlich dieser Mann sein konnte.

Der maßgeschneiderte Designeranzug und die teure Uhr an seinem Handgelenk passten zu dem Flair von Macht und Potenz, das ihn umgab. Die strategisch verschränkten Arme vor der breiten Brust betonten seine athletische Figur, und würde er nicht so finster dreinschauen, hätte man ihn als außerordentlich attraktiven Mann bezeichnen können. Mit Augen so schwarz wie Kohlestücke. Das dichte dunkle Haar trug er kurzgeschoren, was die markanten Gesichtszüge noch stärker hervortreten ließ.

Vier endlos scheinende Stunden hatte sie in Angelos Menas Vorzimmer auf die Chance gewartet, in der Hoffnung, auch ohne Termin vorgelassen zu werden und mit ihm über das Libro d’Amore sprechen zu können.

Es hatte sie Wochen ermüdender Recherche gekostet, überhaupt Namen und Adresse des Mannes ausfindig zu machen, der jetzt wie ein dunkler Engel vor ihr stand. Und immer noch wusste sie nicht, ob sich das Buch überhaupt in seinem Besitz befand oder er es vielleicht längst veräußert hatte. Etliche Anrufe bei einer Firma namens Mena Consulting hatten sie nicht weiter als ins Vorzimmer seines Büros gebracht, wo sie mit Angelos Menas PA sprach, der sie etliche Nachrichten für ihren Boss auftrug.

Doch angesichts seiner frostigen Haltung bezweifelte Talia, dass ihn auch nur eine ihrer Anfragen erreicht hatte. Sonst hätte er bei ihrem Namen sicher eine andere Reaktion gezeigt. Ihn jetzt live zu erleben, reichte, um zu wissen, dass er ihr auf eine simple Anfrage hin bestimmt kein kostbares Buch überlassen würde.

Aber was, wenn ich Zeit gewinne, indem ich versuche, für die nächsten Wochen Sofias Nanny zu ersetzen?

„Das werden wir gleich haben“, knurrte Angelos, stürmte aus dem Raum und Talia ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf einen der Besucherstühle vor seinem Schreibtisch fallen. Ihre Knie bebten und hinter ihren Schläfen hämmerte es. Neun Stunden im Flieger, die ganze Zeit über schwitzend und zitternd, und dann ein schier endloser Fußmarsch durch Athens überfüllte Straßen. Jedes Mal, wenn jemand ihr so nahe gekommen war, dass er sie an Schulter oder Arm gestreift hatte, war sie heftig zusammengezuckt und hatte gegen aufsteigende Panik und gegen Erinnerungen ankämpfen müssen, die ihren Hals zuschnürten. Ihr Herz schlug so hart, dass ihre Brust schmerzte.

Es hatte sie total erschöpft, und trotzdem …

Talia stand auf und trat an die raumhohe Fensterfront, die einen atemberaubenden Blick über Athen bot. In der Ferne konnte sie die antiken Reste der Akropolis sehen. Plötzlich verspürte sie einen Anflug von Aufregung, als wäre sie wieder achtzehn Jahre alt und voller Neugier auf ein Leben, das noch vor ihr lag.

„Miss Di Sione?“

Schuldbewusst wirbelte sie herum, als hätte sie etwas Verbotenes getan. Angelos Menas harter Blick schien das noch zu bestätigen. Darf man hier vielleicht nicht mal aus dem Fenster schauen? Lieber Himmel, ist das ein übellauniger Kerl!

„Das ist Sofia.“

„Ja, ich weiß.“ Lächelnd trat Talia auf das kleine Mädchen zu, von dessen herzförmigem Gesichtchen man nur wenig sah. Eine großflächige brandrote Narbe verunzierte ihre rechte Wange. Schon draußen war Talia aufgefallen, dass die Kleine immer wieder eine Kopfhaltung einnahm, die ihr weiches Haar wie einen seidigen Fächer über die Narbe fallen ließ. Ihr Herz hatte sich vor Mitgefühl zusammengezogen. Sie wusste, wie sich Narben anfühlten, nur das ihre unsichtbar waren …

„Hallo, Sofia“, begrüßte sie das Mädchen, worauf es gleich den Kopf neigte, um sich hinter dem Haarschleier zu verbergen. Angelos sah so finster aus, dass Talia sich fragte, was seine Tochter bei dieser seiner grimmigen Miene fühlen mochte.

Während ihrer Wartezeit war Talia aufgefallen, wie Sofia jeder Frau, die das Büro ihres Vaters betrat, hinterherschaute, und wie ihre Schultern herabsanken, wenn die Kandidatinnen wieder zurückkamen, wobei sie entweder frustriert oder regelrecht empört wirkten. Einige Male wurde Sofia auch reingerufen. Darauf reagierte sie so angespannt, als würde sie vor Ehrfurcht erstarrt ein Heiligtum betreten.

Nach einer Stunde Wartezeit zog Talia Papier und Malstifte aus ihrer geräumigen Tasche und skizzierte eine der anwesenden Frauen. Obwohl es eher wie eine Karikatur wirkte, ohne in die Slapstick-Sparte abzugleiten.

Als Sophia neugierig den Hals verrenkte und kicherte, da die etwas mollige Dame mit der prominenten Nase und den leichten Dorschaugen perfekt getroffen war, grinste Talia ihr konspirativ zu. Nach kurzem Zögern rückte die Kleine einen Stuhl näher und tippte schüchtern auf das nächste, noch freie Skizzenblatt.

Bereitwillig folgte Talia der stummen Aufforderung und zeichnete aus dem Gedächtnis noch einige der Frauen, die bereits gegangen waren. Dann schob sie den Papierstapel näher an das Kind heran und hielt ihm ein paar Farbstifte hin.

Sofia malte einen gelben Sandstrand, darüber einen Streifen blauen Wassers und dahinter einen blutroten Sonnenuntergang.

„Sehr schön“, lobte Talia lächelnd.

„Spiti“, hatte die Kleine gesagt. Als Talia sie fragend angesehen hatte, hatte sie schüchtern übersetzt. „Zuhause …“

„Sofia?“ Angelos dunkle Stimme rief Talia wieder ins Hier und Jetzt zurück. Seine gebräunte Hand lag auf der schmalen Schulter seiner Tochter, als er etwas auf Griechisch zu ihr sagte.

Die Kleine schaute auf und lächelte schüchtern. „Yassu.“

Angelos sagte noch etwas und wies dabei mit dem Finger auf Talia. „Ich habe meiner Tochter gesagt, dass Sie kein Griechisch sprechen“, erklärte er.

„Das weiß sie bereits“, nahm Talia ihm den Wind aus den Segeln. „Aber das hat uns heute Nachmittag nicht daran gehindert, uns gut zu unterhalten. Sofia kann mehr Englisch, als Sie vielleicht vermuten, Mr. Mena.“

Kyrie Mena“, korrigierte er.

Talia nickte und konnte sich gerade noch davon abhalten, genervt die Augen zu verdrehen. „Kyrie Mena“, wiederholte sie folgsam, und es hätte nicht Angelos Menas Hüstelns bedurft, um zu wissen, dass ihre Aussprache zu wünschen übrig ließ.

Während sich Vater und Tochter in ihrer Muttersprache unterhielten, versuchte Talia ihre Erschöpfung hinter einem verbindlichen Lächeln zu verstecken. Angelos klang gereizt, Sofia zurückhaltend und eine Spur ängstlich.

Was mache ich hier eigentlich? fragte sich Talia. Sie war hierhergekommen, um Nonnos Buch zu finden, und nicht, um sich als Nanny zu bewerben. Wenn sie bei Verstand wäre, würde sie diese alberne Farce auf der Stelle beenden und Angelos Mena erklären, weshalb sie tatsächlich hier war. Und dann würde er sie zweifellos auf der Stelle rauswerfen, und sie müsste ihrem Großvater gestehen, dass er sein Libro d’Amore endgültig abschreiben konnte.

Instinktiv presste Talia die Fingerspitzen gegen ihre hämmernden Schläfen, wusste aber, dass es nichts nützen würde. Die Kopfschmerzen hatten bereits im Flieger eingesetzt und nahmen stetig zu. Der Disput zwischen Vater und Tochter dauerte an, und Talia spürte, wie ihre Knie zu zittern begannen.

„Sie entschuldigen …“, murmelte sie schwach, ließ sich auf den nächststehenden Stuhl sinken, barg ihr Gesicht in den Händen und machte ein paar tiefe Atemzüge.

Angelos fuhr herum und war in der nächsten Sekunde neben ihr. „Miss Di Sione?“, fragte er scharf. „Sind sie okay?“

Talia holte erneut tief Luft, während alles um sie herum verschwamm.

„Miss Di Sione?“

Autor

Kate Hewitt

Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...

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